Sorgen - Wissen durch Praxis stärkt - an der Frankfurt University of Applied Sciences
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Almanach 2020 Sorgen Frankfurt University of Applied Sciences ID-Nr. 2096360 Impressum Herausgeber: Der Präsident der Frankfurt University of Applied Sciences Redaktion: Dr. Ralf Breyer • Fördern: Astrid Kramer • Für inhaltliche Korrektheit und Voll- ständigkeit der Angaben übernimmt die Redaktion keine Gewähr Gestaltung: Frank Muckenheim, Frankfurt Lektorat: Ingrid Walther, Frankfurt Bildnachweis: Titel: © Frank Muckenheim, S. 6: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 9: © Freepik.com, S. 10: © Frank Muckenheim, © Freepik.com, S. 12: © Protection Impuls | Kevin Schmitz, S. 14/15: © Frank Muckenheim, S. 16: © Rawpixel.com | Fotolia.com, S. 19: © sdecoret | Fotolia.com, S.20: © panthermedia.net | NataliGlado, S. 21: © Freepik.com, S. 22: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 24: © panthermedia.net | Kesu01, S. 26/27: © issaronow | Fotolia.com, S. 27: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 28: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 30: © © panthermedia.net | sarymsakov, S. 32: © panthermedia.net | phodopus, S. 34: © Protection Impuls | Kevin Schmitz, S. 35: © Protection Impuls | Kevin Schmitz, © Freepik.com, © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 36: © © panthermedia.net | halfpoint, S. 38: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 40: © panthermedia.net | bernardbodo, S. 42: © panthermedia.net | ChamilleWhite, S. 43: © Freepik.com, S. 44: © Protection Impuls | Kevin Schmitz, S. 45: © Protection Impuls | Kevin Schmitz, S. 46: © panthermedia.net | laurent davoust, S. 48: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 50: © panthermedia.net | balein, S. 52: © panthermedia.net | Heiko Küverling, S. 53: © Freepik.com, S. 54/55: © Protection Impuls | Kevin Schmitz, S. 56: © Robert Kneschke | Fotolia.com, S. 58: © Frank- furt UAS | Uwe Dettmar, S. 60: © panthermedia.net | monsit, S. 61: © Freepik.com, S.62: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 63: © Freepik.com, S.64: © Frankfurt UAS, S. 65: Quelle privat bzw. © Frankfurt UAS, S. 67: © Frank Muckenheim, S. 68: © Thomas Lohnes, S. 69: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, © Frankfurt UAS | Benedikt Bieber, © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 70: © Frankfurt UAS | Kristina Danneberg, S. 71: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 72: © Frankfurt UAS | Kevin Rupp, S. 77: Jahrbuch der Frankfurt University of Applied Sciences | Ausgabe 5 Personenfotos: Quelle privat bzw. © Frankfurt UAS Druck: printmedia solutions GmbH, Mannheim Papier: Circleoffset Premium White Auflage: 1.900 • 4/2021 Wissen durch Praxis stärkt
Almanach 2020 | Sorgen | Ausgabe 5 sor·gen Inhalt Bedeutung: [1] reflexiv: reflexiv: um etwas/jemanden, wegen etwas/jemandem: sich ernsthaft Gedanken machen zu etwas/je- 6 Keine Sorge!? 46 Die Muntermacher mandem [2] intransitiv: sich um das Wohl von jemandem oder etwas bemühen Herkunft: mittelhochdeutsch „sorge“, althoch- Editorial | Hochschulleitung Manuel Wehner deutsch „sorga“, germanisch *„surgō“ „Sorge“. Das Wort ist seit dem 8. Jahrhundert belegt. Synonyme: [1] bangen, befürchten, Positionen sich bekümmern, fürchten, sich Sorgen machen [2] bemühen, kümmern, pflegen, versorgen Gegenwörter: [1] zuversichtlich Corona 48 Not macht erfinderisch! sein, unbekümmert sein [2] vernachlässigen; umgangssprachlich: pfeifen Unterbegriffe: anSorgen, ausSorgen, durchSorgen, 10 Corona und die Frankfurt UAS Mit Innovationskraft forschend durch die Krise wegSorgen Charakteristische Wortbildungen: besorgen, ersorgen, entsorgen, Sorge, umsorgen, versorgen, Versorger, Versor- Prof. Dr. Martina Klärle Sebastian von Behrens gung, vorsorgen Quelle: https://de.wiktionary.org 12 Die Macher 50 Hallo Freiheit! Zusammen über Barrieren Klaus Nowak | Judith Fröscher Prof. Dr. Barbara Klein 54 Die Not einer Hebamme macht erfinderisch Klaus Nowak | Judith Fröscher Praxis und Projekte 16 Studium im Online-Modus 56 In|Between Prof. Dr.-Ing. Monika Horster Prof. Dr. Ute Schulze | Prof. Dr. Ulrike Manz 20 Ein Konzept für den Katastrophenfall Positionen Klaus Nowak | Judith Fröscher 58 Sicherung der Funktionsfähigkeit versus Fürsorgepflicht? 22 Zukunftssicher Bauen Die Corona-Krise als Herausforderung an Prof. Dr.-Ing. Agnes Weilandt die Spielräume des Verwaltungshandelns Dr. Bert Albers 24 Emissionslose Mobilität Prof. Dr.-Ing. Dennis Knese 60 For EVER Bettina Stöger 26 Forschen für Bewegung Prof. Dr. Petra Schäfer | Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke 62 Heimelig Wolfgang Kubisch Positionen 28 Auf lange Sicht: Corona stärkt uns! Wir müssen die Chancen nutzen, die uns die Krise eröffnet Potenziale Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich 64 Investitionen in die Zukunft 30 Weiterentwicklung durch Disruption Die Hochschulförderung bringt Prof. Dr. Hektor Hebert Menschen und Projekte zusammen Astrid Kramer 34 Neue Wege mit Rapid Prototyping Klaus Nowak | Judith Fröscher Perspektiven 36 Alles unter Kontrolle? Prof. Dr. Peter Wedde 68 Chronik Positionen 72 Forschung für die Praxis 38 Akademische Ausbildung nach Corona 74 Studiengänge Neues Lernen als Chance für die Hochschule Prof. Dr. René Thiele 76 Autoren 40 Mobil, flexibel und resilient 78 Preise | Dissertationen Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke 44 Wo andere Start-ups den Turbo starten sind wir die Rakete Klaus Nowak | Judith Fröscher
6 Almanach 2020 | Sorgen | Editorial 7 Keine Sorge!? Editorial | Hochschulleitung Waren wir zu sorglos? Haben wir die falschen Prioritäten ge- Auch wir als Hochschule mussten plötzlich auf etwas fokus- Wir sehen, dass wir Unglaubliches leisten und mobilisieren setzt? Hätten wir besser vorbereitet sein müssen? Haben wir sieren, was eigentlich immer selbstverständlich war – wir können. Tun wir das weiter, dann können wir erfolgreich die denjenigen eigentlich richtig zugehört, die seit Jahren schon mussten es neu erlernen und neu herstellen: Erreichbar- Klimakrise bewältigen. Das Wort Nachhaltigkeit bekommt gesagt haben, dass es so nicht mehr weitergehen kann? Das keit. Das Engagement der Lehrenden und Mitarbeitenden, endlich im realen Leben den Stellenwert, den es braucht. Und Jahr 2020 wird uns in Erinnerung bleiben, denn es markiert praktisch aus dem Nichts ein Semester zu „digitalisieren“, wir haben gelernt, wie wichtig Räume sind, damit Menschen eine beispiellose Zäsur. Die weltumspannende Corona-Krise war ermutigend. Im digitalisierten Raum sind neue Kontakte sich treffen, bei uns: Damit sie lernen können. Raum bekommt ist ein Signal für grundlegende Dysfunktionalitäten, ein entstanden, neue Wege, bisweilen tiefer gehende als vorher. so eine neue Qualität in einer Zeit, in der wir gedacht haben, Stoppzeichen. Aber auch ein Ausrufezeichen: Ein Booster Unseren Studierenden mussten wir einiges zumuten und für alles digital abwickeln zu können. für die Digitalisierung. Ein Katalysator für die Forschung. manchen war das digitale Sommersemester ein Crashkurs, Dass wir als Hochschule unsere gesellschaftliche Verantwor- Und für einen Neubeginn, für eine bessere Zeit mit mehr das eigene Studium auch eigenverantwortlich zu organisie- tung wahrnehmen, ist dagegen selbstverständlich. Wir sind Hoffnung, kurz – ein besseres und bewussteres Leben für ren. Als „digital natives“ hatten sie dabei allerdings vielfach aufgerufen, in Lehre und Forschung die Welt neu zu denken möglichst viele Menschen. den Vorteil, nicht nur technisch gut ausgestattet zu sein, son- und das dann auch umzusetzen. dern auch mit der neuen Situation gut umgehen zu können. Das letzte Jahr hat uns vor Augen geführt: Der Mensch ist Für viele Mitarbeitende dagegen bedeutete der „disruptive“ Waren wir alle zu sorglos? Haben wir die falschen Prioritäten nicht das Maß aller Dinge. Das sollte uns eigentlich ein wenig Von links nach rechts: Wechsel ins Homeoffice einen Bruch mit den bisherigen gesetzt? Hätten wir besser vorbereitet sein müssen? Haben demütig machen und uns fragen lassen, ob wir das Richtige Prof. Dr. René Thiele, Vizepräsident für Studium und Arbeitsgewohnheiten. Die Corona-Krise verlangte uns allen wir denjenigen eigentlich richtig zugehört, die seit Jahren mit den richtigen Prioritäten tun. Lehre; Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich, Präsident; Eigenschaften ab, die normalerweise in „Sonntagsreden“ zu schon gesagt haben, dass es so nicht mehr weitergehen kann? Dr. Bert Albers, Kanzler; Prof. Dr. Martina Klärle, Vize- Es bleibt die Erkenntnis, dass wir ebenso jäh wie unsanft aus präsidentin für Forschung, Weiterbildung und Transfer hören sind: Flexibilität statt Routinen, Improvisation statt Die Antwort auf diese vier Fragen müssen wir als Fazit mit unseren Komfortzonen aufgescheucht wurden. Ganz gleich planvolles Handeln, Einfallsreichtum statt Ideenlosigkeit – „Ja“ beantworten. Und weil wir das erkannt haben, haben wir ob gesellschaftlich, wirtschaftlich oder privat. Größer, höher, und vor allem Organisationstalent und fähig sein, mit dem Hoffnung, dass wir als Hochschule einen Teil in der und für die weiter – in den vergangenen Jahren gab es doch vor allem Unvorhersehbaren, mit großer Unsicherheit umgehen zu Gesellschaft beitragen, es nun besser zu machen. Das ist der nur ein Ziel: Wachstum. Corona hat die Aufmerksamkeit können! Grund, warum wir auch dankbar für das Jahr 2020 sind – und wieder auf elementarere Themen gelenkt, die erst einmal zuversichtlich in die Zukunft schauen. Können wir in diesem kurzen Rückblick auf das vergangene mit Wachstum nicht unbedingt und zwingend gleichzuset- Jahr schon sagen, was wir gelernt haben. Ja – und das gibt Wenn Sie diese Ausgabe des Almanachs in Händen halten, wer- zen sind – Gesundheit, Existenz, Familie, um nur ein paar Hoffnung. Die Corona-Krise hat unsere Solidarität und die den Sie sehen, dass es viele Themen gibt, die darauf abzielen, Beispiele zu nennen. gemeinsame Zusammenarbeit gestärkt – trotz räumlicher die Zukunft besser zu machen. Machen Sie mit – wir laden Sie Distanz. dazu ein und freuen uns auf Sie. Herzlichst Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich Prof. Dr. René Thiele Prof. Dr. Martina Klärle Dr. Bert Albers Präsident Vizepräsident Vizepräsidentin Kanzler für Studium und Lehre für Forschung, Weiterbildung und Transfer
10 Almanach 2020 | Sorgen | Corona 11 Corona und die Frankfurt UAS | Anfang 2020: Die Weltgesundheitsorganisation regis- | 18. Mai 2020: In einer Dienstanweisung „Corona“ ist Ein Tagebuch triert einen neuen Coronavirus-Typ; kurze Zeit später festgelegt, welche Bereiche der Hochschule unter welchen treten erste Todesfälle in China auf. Bedingungen geöffnet und welche Präsenzveranstaltungen wo und wie möglich sind. Unter Wahrung der Hygienere- | 28. Januar 2020: der Fall in Virus SARS Covid 19 tritt in geln (Maskenpflicht!) können auch Seminare stattfinden. Deutschland auf. Die Hochschule wird umfassend mit Verhaltenshinweis-In- | Januar 2020: Die Hochschule beobachtet die Lage; formationen, Absperrungen und Desinfektionsmittelspen- Sebastian von Behren Schutzmaterialien wie Masken und Desinfektionsmittel dern ausgestattet. werden erstmalig präventiv beschafft. | 16. Juni 2020: Die von der Bundesregierung entwickelte | Februar 2020: Ende des Monats breitet sich der Virus Corona-Warn App ist verfügbar. in Europa aus. Die Frankfurt UAS führt die sogenannte | Juli 2020: Die Organisation der Prüfungen zu Semeste- „Corona-Lage“ ein und informiert die Führungskräfte re- rende ist eine neue Herausforderung. Die Fachbereiche 1 gelmäßig. Ein (Krisen)Plan zur Sicherung der Handlungs- und 2 mit bis zu 500 zu Prüfenden nutzen dafür die ange- fähigkeit der Hochschule wird erarbeitet. mietete Messehalle 11 auf dem Frankfurter Messegelände, | März 2020: Der internationale Reiseverkehr kommt ins um die Abstandsregeln wahren zu können. Zeitgleich Stocken. Anfang des Monats drohen Hochschulangehörige werden 11 Prüfungen geschrieben. Der Prüfungszeitraum im Ausland zu „stranden“. Das International Office organi- wird auf Ende Juli gestreckt. siert die sofortige Rückholung von mehr als 50 Personen | August 2020: Der Semesterstart für das Wintersemester und die Betreuung der Personen, die sich zum Bleiben wird nach terminlich auf den 2. November geschoben. entschließen. Die Rückholaktion wird noch vor dem Start der Rückholaktion der Bundesregierung abgeschlossen. | September 2020: Die Corona Fallzahlen, die im Sommer | 16. März 2020: Der erste Lockdown beginnt; viele deutlich zurückgegangen waren, steigen (europaweit) Mitarbeitende gehen ins Homeoffice und arbeiten in den wieder an; Reiserückkehrende müssen sich testen lassen. kommenden Wochen von dort aus. Mit Hochdruck beginnt | 16. Oktober 2020: im Kontext des bevorstehenden die Arbeit an (digitalen) Angeboten, falls die Veranstaltun- Semesters prüft das Regierungspräsidium Gießen die gen des in vier Wochen beginnenden Semesters nicht in Corona-Schutzmaßnahmen und zeigt sich zufrieden. Da Präsenz stattfinden können sollten. die Räume ausreichend belüftet werden können, sind Zu- | 25. März 2020: gegen 16:15 Uhr bricht bei Sanierungs- satzmaßnahmen (Luftreinigungsgeräte) nicht erforderlich. arbeiten ein Brand im Dachstuhl von Gebäude 9 auf | 26. Oktober 2020: die Maskenpflicht gilt in allen Räumen dem Campus aus. Ein Notfallstab kümmert sich um die der Hochschule, sobald zwei (oder mehr) Personen aufein- Schadensbewältigung. Der Schaden geht in die Millionen; ander treffen. Arbeitsräume sind nicht nutzbar; hier entlastet, dass viele Mitarbeitende im Homeoffice sind. | 2. November 2020: das (weitgehend) digitale Winter- semester startet. Sicherheitspersonal wird verstärkt zur | 20. April 2020: Der Hochschulbetrieb startet online! Überprüfung der Einhaltung der Hygieneregeln auf dem Die neuen Studierenden werden mit Videobotschaften Campus eingesetzt. Zugleich beginnt ein Lockdown „light“ begrüßt. bis (vorläufig) Ende November. | Ende April 2020: Begehung von Laboren und Werkstät- | 12. November 2020: Mit Veröffentlich der aktuellen ten durch die Betriebsärztin, Fachkraft für Arbeitsschutz Gefährdungsbeurteilung werden (dienstliche) Auslands- und Personalrat. Ziel ist es, auszuloten unter welchen reisen, Austausche und Exkursionen stark eingeschränkt. Bedingungen und mit welcher (maximalen) Personenzahl Präsenzveranstaltungen möglich sein könnten (Hygiene- | Dezember 2020: die Lage verschärft sich bundesweit und konzept). auch in Frankfurt; die Hochschule trifft Vorbereitungen auf einen weiteren Lockdown und kann in besonderen Fällen | Mai 2020: Unter Einhaltung des erarbeiteten Hygiene- Corona-Schnelltests vor Ort durchführen. konzepts können Labore und Werkstätten und die Biblio- thek eingeschränkt genutzt werden. | 16. Dezember 2020: Beginn des zweiten Lockdowns.
12 Almanach 2020 | Sorgen | Corona 13 Die Macher März 2020. Frankfurt. Der erste Höhepunkt „FACESHIELD by Protection Interdisziplinäres Social Entrepreneurship Projekt der Corona-Krise. „Die deutsche Industrie ist Impuls“ war das richtige nicht leistungsfähig genug, um Schutzausrüs- Produkt zur richtigen Zeit: Von 0 auf über 80 Mitarbeiter/-innen in neun Monaten tung herzustellen.“ Dieses Statement eines ein transparentes Schutz- Vorstands eines großen deutschen Industrieunternehmens visier mit Stirnhalterung. Eine ebenso simple wie überzeu- im Radio verärgert den Master Studierenden Klaus Nowak. gende Lösung. Wiederverwendbar, leicht zu reinigen und für Kinder und Erwachsene geeignet. Klaus Nowak | Judith Fröscher Tatsächlich fehlte es an wirksamem Schutz vor Infektion. Insbesondere Personengruppen wie Verkäufer/-innen oder Die angeblich „nicht leistungsfähige“ Industrie wie Stanz- Pflegekräfte, die in Kontakt mit Kunden oder Erkrankten betriebe und Spritzgussunternehmen der Umgebung holte kommen, waren in den ersten Corona-Wochen einem relativ Mitarbeiter/-innen aus der Kurzarbeit und führte außer- hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. planmäßige Nachtschichten ein. 800 Mitarbeitende in 10 Unternehmen entgingen so der Kurzarbeit. Die Erfolgs-Geschichte beginnt mit einer Hebamme, deren Aufgabe es ist, werdende Mütter und deren Neugeborene Wenige Wochen später wurde das Faceshield offiziell als zu begleiten und betreuen. Wie viele Fachkräfte der Pflege „Persönliche Schutzausrüstung“ zertifiziert und mit einer konnte auch sie sich aufgrund von Versorgungsengpässen Produktionskapazität von über einer Million pro Woche nicht mit den nötigsten Schutzvorkehrungen eindecken und gefertigt. Das kurzfristig gegründete Unternehmen Protec- beschloss sich daher in Eigeninitiative zum Schutz ihrer Pati- tion Impuls reinvestierte 100% der Gewinne und spendete entinnen auf das Corona-Virus testen zu lassen. Eine Woche darüber hinaus erhebliche Mengen an Gesichtsschutzvisiere dauerte es, bis das (negative) Ergebnis vorlag – in dieser Zeit an ehrenamtliche Einrichtungen, die dringend Schutzausrüs- fiel sie als Fachkraft aus. Die vorsichtige Hebamme ist die tung benötigen, wie zum Beispiel alle Tafeln in Deutschland Mutter von Klaus Nowak. Das Problem ließ ihm keine Ruhe. im Wert von 500.000 Euro. Ihm war klar: es gab einen dringenden Bedarf an wirksamen Mittlerweile hat das Unternehmen eine eigene Maskenpro- Schutzvorkehrungen – nicht nur für seine Mutter. Und er duktion im Rhein-Main Gebiet aufgebaut und beschäftigt wollte die Aussage im Radio Lügen strafen. über 80 Mitarbeiter/-innen. Im Gespräch mit Julian Lauth, Masterstudent des Studien- Alle vier Fachbereiche der Frankfurt UAS waren an diesem gangs Maschinenbau und Leiter des Fertigungstechnik-Labors Projekt beteiligt; lesen Sie mehr auf diesen Seiten: der Hochschule, entstand rasch die Idee, ein Visier zu entwi- | Fachbereich 1: Ein Konzept für den Katastrophenfall by ckeln. Rasch kamen weitere Hochschulangehörige wie zum Protection Impuls. Seite 20 Beispiel Produktentwicklungsstudentin Roxana Tennert hinzu, die zusammen mit Julian Lauth eine Kopfhalterung konstru- | Fachbereich 2: Neue Wege gehen mit Rapid Prototyping. ierte. Die ersten 3D-gedruckten Prototypen entstanden nach Seite 34 wenigen Tagen im Fertigungstechniklabor der Hochschule. | F achbereich 3: „Wo andere Start-ups den Turbo starten sind Das Team aus Studierenden und Alumni aller Fachbereiche wir die Rakete“. Seite 44 setzte in Rekordgeschwindigkeit die Idee in die Tat um: Nach fünf Tagen war das „FACESHIELD by Protection Impuls“ bereits | F achbereich 4: Entstanden aus der Not einer Hebamme: in der Massenfertigung im Spritzgussverfahren. Klaus Nowak: Social Entrepreneurship. Seite 54 „Hier zahlte es sich aus, dass wir an der Hochschule gut Für Klaus Nowak, Gründer des Social Entrepreneurship Pro- vernetzt und es gewohnt sind, interdisziplinär zusammenzu- jekts, steht fest: „Ohne das Netzwerk an und den Rückhalt arbeiten. Dabei war natürlich hilfreich, dass wir auf Unterstüt- der Hochschule hätte ich den Mut zur Gründung nicht auf- zung durch die Hochschule zählen konnten. Dazu zählte Prof. gebracht. Ich bin froh, dass wir, kurzfristig eine Marktlücke Dr.-Ing. Damian Großkreutz, Professor für Additive Fertigungs- schließen und zeitnah zur Sicherung der Grundversorgung verfahren, Fertigungs-, Kunststoff- & Montagetechnik sowie von Schutzmaterialien beitragen konnten und können.“ Produktentwicklung am Fachbereich Informatik und Ingenieur- wissenschaften. Die Hochschulleitung förderte finanziell aus Töpfen zur Bearbeitung angewandter Forschungsfragen. Lesen Sie weiter auf Seite 20
16 Almanach 2020 | Sorgen | Praxis und Projekte | Fachbereich 1 17 Studium im Online-Modus Das Frühjahr überraschte uns alle: Vier Wochen musste Neues ausprobiert und Lösungen für die Weiterführung Fachbereich vor Vorlesungsbeginn kam der Lockdown. Von des Hochschulbetriebes mussten entwickelt werden. So sind jetzt auf gleich war eine Situation da, die sich z. B. digitale (Kommunikations-)Tools zum allgegenwärtigen Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik niemand hatte vorstellen können. Ein Semester Arbeitsmittel geworden.“ im Homeoffice! Die Situation forderte von allen Lehrenden und Das bestätigt auch Monika Horster. „Viele haben Großartiges Mitarbeitenden, weit mehr als bisher, sich mit dem Thema der Prof. Dr.-Ing. Monika Horster geleistet und in kürzester Zeit neue Kompetenzen erworben. Digitalisierung und ihren Möglichkeiten vertraut zu machen. Dekanin Ohne Frage: Wir haben in puncto Digitalisierung einen großen Keine Frage, das war eine Herausforderung – mental, technisch Sprung nach vorne gemacht. Die gewonnenen Erfahrungen aus und organisatorisch. dem Frühjahr sind auch für das Wintersemester sehr hilfreich Der Semesterstart war anders als jemals zuvor – und er und eröffnen neue Wege.“ gestaltete sich zunächst etwas holprig. Galt es doch, geeig- nete Software zu beschaffen und sich mit unterschiedlichen Lehre auf dem Campus – trotz allem Formaten und Möglichkeiten der digitalen Lehre zu befassen: Was ansonsten eine Selbstverständlichkeit ist, war es im synchron und/oder asynchron. Lehre in Echtzeit, allerdings nur Corona-Sommer nicht: Lehrveranstaltungen auf dem Campus. zweidimensional am Bildschirm, oder als Aufzeichnung. Vor- Dennoch ist im Sommer der Lehrbetrieb „vor Ort“ nicht völlig und Nachteile zeigten beide Optionen, ebenso wie diverse Soft- zum Erliegen gekommen. Das, was möglich war, wurde unter wares. Es war keine Zeit, sich lange heranzutasten. Methodisch Einhaltung der strengen Hygienebestimmungen möglich ge- und didaktisch war Geistesgegenwart gefragt; einige nutzten macht. Bei schönem Wetter auch gerne mal im Freien! So wie zunächst die erprobte Moodle-Plattform. beispielsweise das freie Zeichnen im Bachelor-Studiengang Die Herausforderung war noch zu steigern: Knapp zehn Tage Architektur. Vermessungsübungen im Bachelor-Studiengang nach dem Lockdown brach ein Brand in einem durch den Fach- Geoinformation und Kommunaltechnik sind ohnehin Freiluft- bereich intensiv genutzten Gebäude aus. 10 Räume für Lehr- veranstaltungen, die bei jedem Wetter draußen stattfinden. veranstaltungen, darunter die Aula, 140 PC-Arbeitsplätze für Auch einige Labore – wie etwa das Wasserprüflabor – blieben Studierende und rund 30 Büros für Kolleg/-innen waren nicht geöffnet und es wurde fast wie unter normalen Bedingungen mehr nutzbar – in Mitleidenschaft gezogen durch Wasserschä- gearbeitet. Die Modellbauwerkstatt und die wenigen verblie- den im Zuge der Löscharbeiten. „Doch das Glück im Unglück benen PC-Pools blieben geöffnet, um den Studierenden die war, dass aufgrund der Pandemie und der damit verbundenen Möglichkeit zu bieten, weiterhin an ihren Projekten zu arbeiten Homeoffice-Regelungen das Gebäude nur spärlich besetzt war oder ihre Abschlussarbeiten zu erstellen. und niemand persönlich zu Schaden kam“, so Dekanin Prof. Tatsächlich gelang es auch, die Prüfungen im gewohnten Dr.-Ing. Monika Horster. „Zu diesem Zeitpunkt war gleichzei- Umfang durchzuführen, verbunden mit einem wesentlich tig schon erkennbar, dass an Lehrveranstaltungen auf dem höheren Aufwand in der Organisation – war es doch notwen- Campus in naher Zukunft nicht zu denken war, trotzdem zog dig, ausreichend große Räumlichkeiten bereitzustellen, um der Brand einige Unannehmlichkeiten nach sich.“ Es mussten die Abstandsregeln wahren zu können. Das Ausweichen in die Ersatz-Räumlichkeiten gefunden werden – für die systemrele- Messe Frankfurt half, dieses Problem zu lösen, und bedeutete vante IT und für die betroffenen Kolleg/-innen. „Hier war nur doch eine intensive Planung. „Auch die Mitarbeitenden des eines sinnvoll und kurzfristig realisierbar: Zusammenrücken Prüfungsamts und der Studierendensekretariate haben sich mit den Kollegen und Kolleginnen in anderen durch den Fach- der neuen Herausforderung gestellt und mit großem Einsatz zu bereich genutzten Gebäuden auf dem Campus. Die Solidarität einem Gelingen der Prüfungsphase beigetragen“, so Vietense. war groß, und viele Kolleg/-innen haben selbstverständlich Platz geschaffen und unterstützt.“ Service im Homeoffice?! Keine Frage: Ein Semesterauftakt, den niemand, der dabei war, Apropos Mitarbeitende. Ganz klar war es Ziel, den Studieren- vergessen wird. Vor allem nicht im Dekanat. „Im vergangenen den ein möglichst „normales“ Semester zu ermöglichen. Dazu Sommersemester musste vieles innerhalb sehr kurzer Zeit neu gehört das Engagement der Lehrenden auf der einen Seite, die organisiert werden“, so der Leiter der Dekanatsverwaltung Lehrinhalte in angemessener, heißt digitaler Form, bereit- Jesko Vietense. „Wir bedanken uns bei allen für ihren großen zustellen. Auf der anderen Seite zeigte sich rasch, dass die Einsatz, die Flexibilität und das Engagement. Corona hat viele Mitarbeitenden der Serviceeinheiten ebenso „systemrelevant“ bestehende Prozesse verändert – nicht nur im Dekanat –, denn sind. Allerdings war eine vollständige Homeoffice-Regel hier wir mussten neu denken und vielfach auch anders handeln. Es nicht umsetzbar, denn einige Programme der Studierendenver-
18 Almanach 2020 | Sorgen | Praxis und Projekte | Fachbereich 1 19 zu erreichen. Projektleiter Prof. Dr.-Ing. René Thiele, Profes- sor für Geoinformatik merkt dazu an: „Ohne die fachkundige waltung und Prüfungsorganisation sind nur in der Hochschule und Umweltinfrastruktur unter der Federführung von Prof. Unterstützung unserer Praxispartner wäre ein so ambitio- verfügbar. Eine besondere Herausforderung für den Arbeits- Dr.-Ing. Janna Hohn und Prof. Dr.-Ing. Josef Becker abgeschlos- niertes Projekt in einem sicherheitsrelevanten Bereich nicht schutz und die Arbeitsorganisation. Im Ergebnis arbeiteten sen. Gleichzeitig wurde die Konzeption des konsekutiven realisierbar.“ Teams alternierend, um bestmöglich sicherzustellen, dass die Master-Studiengangs Facility und Real Estate Management Serviceleistungen im Falle möglicher Infektionen oder Ausfälle M.Sc. unter Leitung von Prof. Dr.- Ing. Jochen Abel weiter Es ist selbstverständlich, dass sich die Expert/-innen in weiterhin Bestand hatten. Zu den „lessons learned“ zählt vorangetrieben. Er konnte – wie bei zwei Bachelor-Studien- aktuelle Diskussionen zu baulichen und städtebaulichen eindeutig, dass ein Großteil der Mitarbeitenden Laptops mit gängen aus diesem Themenfeld – auf das Engagement von Entwicklungen der Stadt Frankfurt und der Region einbrin- Kamera und Mikrophon benötigen, um flexibler auf derartige Praxispartnern setzen. gen. Prof. Dr. Maren Harnack setzt sich als Professorin für Ausnahmesituationen reagieren zu können. Ganz klar ist: Viele Städtebau und Entwerfen für eine Zukunft der Städtischen In der Weiterbildung für Architekt/-innen wurde ein in Bühnen am jetzigen Standort Willy-Brandt-Platz ein, der auf- Mitarbeitende sind einen festen (PC-)Arbeitsplatz gewohnt englischer Sprache konzipiertes Angebot abgeschlossen. Das grund des hohen Sanierungsaufwands gefährdet ist. In der und taten sich zunächst etwas schwer. Teilweise lag es an der Projekt mit der Partnerhochschule in Kumasi (Ghana) soll Diskussion um die Errichtung neuer Stadtteile im Nordwes- veränderten räumlichen Situation im Homeoffice; manchmal an den Start gehen, sobald es die Umstände zulassen. Ein ten Frankfurts, die insbesondere von benachbarten Städten reichten die technischen Gegebenheiten nicht aus, um im weiteres zukunftsweisendes Angebot, ebenfalls von Prof. Dr. Neue Impulse setzen üblichen Umfang den gewohnten Service bieten zu können. und Gemeinden kritisch gesehen wird, plädiert Stadtplaner Caroline Günther entwickelt, widmet sich dem Barrierefreien Nun, nach einem reibungsloseren Start in ein zweites über- Letztendlich war es eine Situation, die sich niemand hatte Prof. Dr.-Ing. Michael Peterek für eine zeitgemäße Stadtent- Planen und Bauen. Im Kontext des demographischen Wandels wiegend digitales Semester, ist der Moment für ein Fazit. Was vorstellen können. Die Führungskräfte waren in dieser Zeit in wicklung: „Heute baut man keine Trabantenstädte mehr. wird dieser Themenkomplex und entsprechendes Know-how bleibt an Erkenntnissen? besonderer Weise gefordert, um die Mitarbeitenden zu unter- Teilquartiere für 5.000 bis 10.000 Einwohner ermöglichen dazu immer wichtiger. Hier kann der Fachbereich auf seine Wohnen und Arbeiten auf vielfältige Weise und gliedern stützen. Lösungen auch auf der individuellen Ebene wurden in Es war ein außergewöhnliches, ein herausforderndes Jahr. Die Erfahrungen aus dem Angebot des seinerzeit (und immer noch) sich stimmig in bestehende Siedlungsstrukturen und die Einzel- und/oder Teamgesprächen gesucht und gefunden. Als Lernkurve ging steil nach oben und wir befinden uns noch nicht bundesweit einzigartigen Studiengangs „Inclusive Design“ Landschaft ein.“ hilfreich hat sich dabei die Flexibilität aller Beteiligten gezeigt. auf Zielhöhe. Die wichtigste Erkenntnis aus einem Sommer (bislang: „Barrierefreie Systeme“) setzen. (fast) ohne Studierende auf dem Campus: Wir müssen für mehr Das Frankfurter Forschungsinstitut für Architektur • Bauinge- Studieren online Das Thema Logistik und Mobilität ist ein weiteres zukunft- nieurwesen • Geomatik bündelt das Expert/-innenwissen. Vernetzung sorgen und die Studierenden beim Thema Selbst- Auch den Studierenden – im Grunde genommen „digital strächtiges Thema. Die Fachgruppe „ReLUT“ beschäftigte verantwortung stärken. „Wir sind die kompetenten Ansprechpartner für das Thema natives“ – wurde einiges abverlangt. Höhere Semester lernten sich auch in der Krise insbesondere mit vernetzten Mobili- nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben und treiben sehr Dazu haben wir im Wintersemester 2020/21 in den Bache- rasch die Vorzüge digitaler Formate schätzen. Es kamen viele tätskonzepten in urbanen Umfeldern. Mit der Einrichtung gerne gemeinsam mit Partnern entsprechende regionale lor-Studiengängen Geoinformation und Kommunaltechnik positive Rückmeldungen aus einer Studierendenbefragung und einer Rad-Professur, einer von sieben in Deutschland, ist ein Entwicklungsprozesse voran“, so die neue geschäftsführende sowie Real Estate das Pilotprojekt „Digitaler Studienstart“ initi- explizite Wünsche, auch in Zukunft mehr digitale Veranstal- Akzent gesetzt, der deutlich macht, dass der automobile, von Direktorin Prof. Dr.-Ing. Petra Rucker-Gramm. „Wir müssen iert. Damit wollen wir einen besseren Kontakt der Erstsemester tungen anzubieten. Diese positive Rückmeldung ist ein Glück, nichterneuerbaren Energien getriebene Individualverkehr urbane und metropolitane Wohn- und Wirtschaftsräume nach- zu uns und insbesondere der Studierenden untereinander denn es zeigt sich, dass es auch im Wintersemester nur mit in Zukunft auch angesichts der Klimakrise nicht mehr die haltiger gestalten – und Mobilität mitdenken. Dabei profitieren ermöglichen. Idee ist, dass Tutor/-innen als Moderator/-innen digitaler Lehre weitergeht. zentrale Rolle spielen wird. Die Einrichtung des Promoti- wir und Projektpartner von der engen Zusammenarbeit mit – in enger Absprache mit den Studiengangskoordinatoren onszentrums Logistik und Mobilität – siehe Seite 26 – ist ein entsprechenden Kompetenzzentren an der Hochschule; dazu Deutlich schwerer war die Situation für die Erstsemester. Bei „Vernetzungs“- und „Impuls“-Räume in Zoom anbieten, die weiteres starkes Signal und unterstreicht die Forschungs- zählen beispielsweise die Fachgruppe Neue Mobilität oder das ihnen begann ein neuer Lebensabschnitt verbunden mit einer eine Gruppenbildung, etwa auf Basis gemeinsamer (Lern-) kompetenz in diesem Bereich. Research Lab for Urban Transport (ReLUT).“ neuen Umgebung und neuen Leuten. Das alles „kontaktlos“ Interessen, ermöglicht. Zu Semesterbeginn starteten wir hoch- bewältigen zu müssen, war nicht einfach. Keine Frage: Alle frequent – mit einer Session alle zwei Tage für eine Stunde. Zu Expertenrat gefragt Apropos: Prof. Dr.-Ing. Petra Schäfer, Leiterin der Fachgruppe Redaktionsschluss sind Ergebnisse offen – das Projekt wird im engagierten sich, bestmögliche Orientierung zu geben. Doch Neue Mobilität, wurde als eine von 15 Logistikberater/-innen Intensiv tragen die Expert/-innen des Fachbereichs auf viel- Februar 2021 beendet. das Studieren lebt nun einmal vom direkten, persönlichen vom Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruk- fältige Weise mit der Bearbeitung relevanter Fragestellungen Austausch, von der Interaktion – nicht nur mit den Lehrenden, tur (BMVI) benannt: „Ich freue mich auf die Herausforde- Wir befinden uns derzeit nicht nur im Bildungsbereich, sondern zu wissenschaftlichem, gesellschaftlichem und wirtschaftli- sondern auch durch die Bildung von Lerngruppen, um sich rung, in diesem Team die weltweite Spitzenposition des auch gesamtgesellschaftlich in einem Transformationsprozess; chem Fortschritt bei. gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam voneinander und Logistikstandorts Deutschland weiter zu stärken.“ Auch wenn Ausgang ungewiss. Wir werden uns weiterhin mit vollem miteinander zu lernen. Wie sich die aktuelle Situation auf die So wurde das LOEWE-3-Forschungsprojekt SiReNE (Sicher- Preisverleihungen 2020 eher selten waren – Angehörige des Engagement unseren Aufgaben in der Lehre und Forschung im Studierenden und das Studium auswirkt, ist im Moment noch heit und Rettung in Natur und Erholungsräumen mithilfe Fachbereichs waren erfolgreich: Bei der „Sustainability Chal- Planen, Bauen und Betreiben widmen, um auch in Zukunft ein nicht sichtbar. navigationsgesteuerter Prozessketten) – eine Kooperation lenge 2020“ der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Ort − und das auch hoffentlich bald wieder in Präsenz − des mit dem Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V. Bauen – DGNB e.V. wurden Prof. Dr.-Ing. Holger Techen und lebendigen Austauschs zu sein. International und zukunftsorientiert (KWF) und der NavLog GmbH sowie der Hessischen Verwal- Dr. Jochen Krimm mit ihrem Forschungsprojekt zur „Akusti- Auch wenn Corona viele mentale und zeitliche Ressourcen ge- tung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG) − in schen Wirksamkeit von Fassadenoberflächen und -strukturen bunden hat, so hat der Fachbereich die Zukunft nicht aus den die Praxisphase überführt. Es ist ein Tool, das es Rettungs- im Hinblick auf eine akustische Bewertung des Außenrau- Augen verloren. Im vergangenen Semester wurde die Konzep- kräften bei Unfällen im Wald oder in unwegsamem Gelände mes/Stadtraumes an der Empfängerposition“ mit einem von tion der beiden neuen Bachelor-Studiengänge Stadtplanung erleichtert, im Notfall die Unfallopfer ohne zeitlichen Verzug zwei zweiten Preisen ausgezeichnet .
20 Almanach 2020 | Sorgen | Praxis und Projekte | Fachbereich 1 21 Ein Konzept für den Die Flüchtlingskrise von 2015, Naturkatast- Durch den Einsatz von Katastrophenfall rophen und der Infektionsschutz setzen neue Maßstäbe in den Dimensionen humanitärer cloudbasierten Applika- tionen, die nicht nur die Faceshield by Protection Impuls und Fachbereich 1 Krisenbewältigung und erfordern auch neue gesamte Informations-und Konzepte in der logistischen Bewältigung von Präventions- Materialflusskette innerhalb der Produktion und zwischen maßnahmen. So steigt der Bedarf an rasch einsetzbaren Mitarbeitenden (zum Beispiel auch Dienstpläne) steuern und temporären Unterkünften, um im Falle eines Katastrophenaus- überwachen, sondern auch Verfahrensrichtlinien, Qualitätssi- Klaus Nowak | Judith Fröscher bruchs die Versorgungssicherheit auf ganz unterschiedlichen cherung, Predictive Monitoring und weitere Aspekte berück- Ebenen zu gewährleisten. sichtigen, kann der physische Kontakt zur Einhaltung des Infektionsschutzgesetzes reduziert werden. Versetzte Pausen- Protection Impuls entwickelt im Auftrag eines deutschen zeiten, Glasscheiben zwischen den Anlagen und regelmäßige Nachbarlandes im Rahmen von fachbereichsübergreifenden Hygieneschulungen tragen ebenfalls dazu bei. Projekten ein Konzept und Baupläne für ein Musterwerk zur Maskenproduktion als nationale Reserve Das Hygienekonzept wird ergänzt durch Hygieneregelungen, Teststationen, Desinfektionsmittel, Erste-Hilfe-Stationen, Beteiligt sind Studierende des Studiengangs „Zukunftssicher Plexiglaswände, Schutzausrüstung, Kontaktverfolgung im Bauen M.Sc.“, Fachbereich 1, und Betriebswirtschafts-Studie- Betrieb, Reinigungsanweisungen und anderes mehr. Der rende (B.A.) des Studienschwerpunkts „Produktionsmanage- Kontakt zu Außenstehenden wie zum Beispiel Lieferanten wird ment und Logistik“, Fachbereich 3, unter der Leitung von unterbunden, indem ausschließlich die eigenen Mitarbei- Prof. Dr. Kerstin Wegener. tenden aus dem Zentrallager die Lieferungen entladen und Die „Fabrik 4.0“ (siehe Abbildung 1) besteht aus einem über Schleusen mit einem ausgeklügelten Shuttle-System Zentrallager und diversen, durch Hygieneschleusen verbunde- transferiert werden. nen Produktionseinheiten (Units), die es erlauben, Konta- Tritt der Katastrophenfall ein, so werden die über den Units minierungsgefahren zu reduzieren und physische Distanz befindlichen Wohneinheiten aktiviert. zu gewährleisten, um im Katastrophenfall die Sicherheit der Mitarbeitenden und das Fortbestehen der Produktion zu Auf diese Weise soll der Fortbestand der Produktion sicher- garantieren. gestellt werden, um nicht − wie zu Beginn der aktuellen Pandemie − auf ausbleibende und teilweise minderwertig Hierzu ist das Gebäude und das vollautomatisierte Produkti- verarbeitete Schutzprodukte angewiesen zu sein. onssystem so konzipiert, dass ein Standardbetrieb sowohl im Ein-Schicht-System als auch ein Notbetrieb im Krisenfall zur Lesen Sie weiter auf Seite 34 Erhöhung der Ausbringungsmenge an Mund-Nasen-Schutz mit einem Drei-Schicht-System umgesetzt werden kann.
22 Almanach 2020 | Sorgen | Praxis und Projekte | Fachbereich 1 23 Zukunftssicher Bauen Unter dem Eindruck eines Jahres, in dem sich Bauen läuft jedoch noch etwas schleppend. Die Absolventen des Bewusster Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit viele Gewissheiten wie Schnee in der Sonne Studiengangs „Zukunftssicher Bauen“ sind mit der Ausbildung verflüchtigt haben, wirkt diese Bezeichnung für im Masterstudiengang mit dem Handwerkszeug ausgestattet, einen Studiengang wie ein starkes und selbstbe- ganzheitlich und lebenszyklusorientiert zu planen. wusstes Statement – oder ein allzu vermessenes Versprechen. Was konkret hat man sich unter zukunftssicherem Bauen Je nach Perspektive. Angesichts der Unsicherheiten, mit denen vorzustellen? die Zukunft mehr denn je behaftet erscheint: Kann man auf Prof. Dr.-Ing. Agnes Weilandt dem Gebiet des Bauwesens dazu verlässliche Aussagen treffen? Weilandt: Ziel sollte es sein, Gebäude zu errichten, die wir auch zukünftig gerne und vor allem sinnvoll nutzen können. Hier Dr.-Ing. Agnes Weilandt ist Professorin für Baustatik, Bau- spielt also auch die Frage eine Rolle, wie wir zukünftig leben mechanik und Konstruktiven Ingenieurbau. Ingenieuren und und arbeiten wollen. Eine ganzheitliche Betrachtung und damit Architekten die Vorzüge interdisziplinärer Zusammenarbeit ein interdisziplinärer Ansatz sind hier unabdingbar, um diese zu vermitteln steht im Fokus ihrer Lehre und ihrer Forschung, Aufgabe ressourcenschonend – und effizient – zu bewältigen. die sich auf Themen des Leichtbaus, adaptiver Tragwerke und Fassaden konzentriert. Sie ist Studiengangsleiterin des Mas- Warum muss sich das Bauen verändern? terstudiengangs „Zukunftssicher Bauen“. Ein Masterprogramm, Weilandt: Aus meiner Sicht müsste viel grundsätzlicher in dem planmäßig Architekten und Ingenieure ihren Studien- über die Art und Weise, wie wir bauen, diskutiert werden. abschluss interdisziplinär und gemeinsam bestreiten. Brauchen wir ein Gebäude mit einer festgelegten Nutzung Gemeinsam mit ihren Kolleginnen, der Architektin Prof. für die nächsten 100 Jahre oder nur temporär? Wie kann bei Dipl.-Ing. Claudia Lüling und der Bauingenieurin Prof. Dr.-Ing. einer temporären Nutzung eine Weiternutzung sichergestellt Petra Rucker-Gramm hat sie das Lehrprojekt „Leichtbau“ ini- werden? Oder sollte dann nicht lieber ein temporäres Ge- tiiert, das 2019 mit dem Innovationspreis des Fördervereins bäude, das voll recycelt werden kann, zum Einsatz kommen? ausgezeichnet wurde. Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Solche Fragen sollten stärker in den Fokus genommen werden. die experimentell angelegte anwendungsbezogene Kombina- Welche Materialien setze ich ein, damit ein ökonomisch und tion aus Lehre und Forschung zeichnen es aus. Der Schwer- ökologisch ausgewogenes Optimum zwischen Ressourcenef- punkt lag auf der Auseinandersetzung mit „Geschäumten fizienz und Nutzerkomfort über den gesamten Lebenszyklus Textilkonstruktionen“. Dabei ging es um die Erprobung neuer unter Berücksichtigung von Instandhaltungsmaßnahmen Technologien für nachhaltige Material-, Konstruktions- und erreicht wird? Gestaltungskonzepte aus faserartigen Materialien (Textilien) Nun haben wir einen Baubestand – aus der Nachkriegs- und porenbasierten Werkstoffen (Schäumen). zeit, den 70er, 80er und 90er Jahren. Was lässt sich daran zukunftssicher verändern? Oder ist das gar nicht möglich Um diesen innovativen Lehransatz zu implementieren und den (oder gewollt)? zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden, wurden in den Masterstudiengang „Zukunftssicher Bauen“ im Rahmen Weilandt: Unbedingt. Wir können es uns finanziell und auch der letzten Reakkreditierung Forschungsprojekte und Module im Hinblick auf die Ressourcen überhaupt nicht leisten, zur Gebäudesimulation in das Curriculum aufgenommen. den Bestand aufzugeben. Die Frage ist, wie können wir ihn sinnvoll nutzen? Die Hauptaufgabe liegt bei älteren Bestands- bauten sicherlich erst einmal in einer energetischen Ertüch- Zukunftssicher Bauen klingt wie ein Versprechen, aber auch tigung, die den Ressourcenbedarf im weiteren Lebenszyklus so, als ob bislang womöglich nicht zukunftssicher gebaut senkt. Die Studierenden lernen im Rahmen des Studiengangs, worden sei. Ist das eine zutreffende Einschätzung? hierfür Konzepte zu entwickeln und diese auch mit Simulatio- nen zu validieren. Und sie setzen sich damit auseinander, mit Weilandt: In den letzten Jahren findet hier kontinuierlich ein welchen Maßnahmen dies sinnvoll erfolgen kann. Hier spielen Umdenken statt. Es geht zunächst darum, zu definieren, was Forschungsprojekte eine große Rolle, die es ermöglichen, zukunftssicheres Bauen ist. Der Fokus lag auf energieoptimier- beispielsweise im Bereich der eingesetzten Materialien, also tem Bauen, das mit der Einführung der ersten Energieeinspar- der Ressourcen, neue Ansätze zu entwickeln. verordnung in den 70er Jahren initiiert wurde. Unterdessen setzt sich in der Baupraxis allmählich ein ganzheitlicher Ansatz durch, bei dem das Gebäude in seinem gesamten Lebenszy- klus betrachtet wird. Immer wieder werden herausragende Pilotprojekte vorgestellt, die Umsetzung in das alltägliche
24 Almanach 2020 | Sorgen | Praxis und Projekte | Fachbereich 1 25 Emissionslose Bewegung Die Metropolregion FrankfurtRheinMain und zuletzt der Fahrrad-Boom während der Corona-Krise gezeigt. „Rad-Professor“ Dennis Knese will mehr ihr Zentrum Frankfurt stellen höchste Anforde- Natürlich werden wir auch in Zukunft nicht alle Wege mit dem rungen an die Organisation von Mobilität. Das Fahrrad zurücklegen. Aber es sollte Ziel sein, für Kurzstrecken Menschen zum Radeln bewegen hohe Mobilitätsaufkommen – ganz gleich mit bis 10 km einen möglichst hohen Radverkehrsanteil zu errei- welchem Verkehrsmittel – macht die Lenkung der Verkehrs- chen und das Auto nur in Ausnahmefällen zu nutzen. Und selbst ströme zu einer anspruchsvollen Aufgabe und das komplexe für längere Wege bieten mittlerweile Elektrofahrräder (neben System anfällig. Damit ist die Region ein ideales Labor zur Bus und Bahn) eine nachhaltige Alternative zum Pkw. Prof. Dr.-Ing. Dennis Knese Erprobung alternativer, zukunftsweisender und nachhaltiger Sie werden sich stark in den Master-Studiengang „Nachhal- Mobilitätskonzepte. Es ist kein Zufall, dass zwei von insge- tige Mobilität“ einbringen. Was wollen Sie den Studierenden samt sieben Radverkehr-Stiftungsprofessuren des Bundes mitgeben? mit jeweils unterschiedlichen thematischen Gewichtungen in die Rhein-Main-Region vergeben wurden: an die Hochschule Kneese: Wir möchten möglichst viele Studierende für die gesell- RheinMain und an die Frankfurt UAS; hier liegt der Schwer- schaftliche Bedeutung einer nachhaltigen Mobilität sensibili- punkt der Professur auf den Bereichen Verkehrsplanung sieren und die Herausforderungen und Chancen anhand von und Logistik und fügt sich in den Querschnittsschwerpunkt interdisziplinärer und praxisorientierter Lehre aufzeigen sowie Logistik und Mobilität ein. Der Arbeitsbereich wird durch das die vielfältigen Berufsfelder näherbringen. Schließlich geht es interdisziplinäre Research Lab for Urban Transport (ReLUT) um die Vermittlung von Know-how und Kapazitäten, von denen getragen, in dem Experten der Fachbereiche Architektur, Städte, Kommunen, Verbände und Unternehmen in Zukunft pro- Bauingenieurwesen, Geomatik (Fb1) sowie Wirtschaft und fitieren sollen, um die Zukunft der Mobilität sozial, ökologisch Recht (Fb3) zusammenarbeiten. Der Inhaber der Professur und ökonomisch nachhaltig zu gestalten. und Experte für nachhaltige Mobilität, Prof. Dr.-Ing. Dennis In welche Richtung muss sich Mobilität nach Ihrer Einschät- Knese, wird sich neben dem zentralen Thema Radverkehr zung entwickeln? In urbanen, verdichteten Regionen und auch mit Mikromobilität, alternativen Antrieben und Kraft- ländlichen Gebieten. stoffen, Digitalisierung im Verkehr sowie anderen Zukunfts- themen der Mobilität beschäftigen und dem interdisziplinä- Kneese: Die Entwicklung von nachhaltigen Verkehrssyste- ren Forschen weitere Impulse geben. men ist ein komplexer Prozess, der in jeder Region anderen Ausgangsvoraussetzungen unterliegt. Alles hängt aber vom politischen Willen ab – sei es auf nationaler, regionaler oder lo- kaler Ebene, sei es in verdichteten oder in ländlichen Gegenden. Sehr geehrter Herr Knese, Corona hat ja zumindest in Die Verkehrspolitik gibt die Richtung vor und muss sich klar zur Frankfurt der Radinfrastruktur gut getan: Es wurden separate angestrebten Verkehrswende bekennen. Hier gilt es nachhalti- Radspuren zu Lasten des Autoverkehrs eingerichtet. Reicht gen Verkehrsmitteln im Personen- und Güterverkehr Vorrang zu das aus? gewähren. Das beginnt bei den Investitionen in Infrastruktur Kneese: Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Rich- und Ressourcen, geht über ein Bonus-Malus-System für Fahr- tung, denn ein Großteil der städtischen Flächen sind für fahren- zeugflotten bis hin zu Anreizen für Fußgänger, Radfahrer und Das Rad neu erfunden – Der Bund spen- de und parkende Kraftfahrzeuge reserviert. Wenn wir unsere Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel. diert Rad-Professuren Klimaziele erreichen und die Luft- und Lebensqualität in den Die Einrichtung der Stiftungsprofessur Radver- Geht die Entwicklung Ihres Erachtens in die richtige Rich- Städten verbessern möchten, brauchen wir attraktive Alternati- kehr geht auf eine Initiative des Bundesminis- tung oder wäre mehr Dynamik wünschenswert? teriums für Verkehr und digitale Infrastruktur ven zum Pkw. Dazu gehören mehr Flächen für den Radverkehr, (BMVI) zurück, das insgesamt sieben derartige ein verbessertes ÖPNV-System, eine intermodale Verknüpfung Kneese: Ich würde mir hier natürlich ein schnelleres Vorgehen Professuren bundesweit vergeben hat. Neben zwischen den Verkehrsmitteln oder auch Nutzungseinschrän- wünschen. Die Verkehrsleistung steigt seit Jahren, weil wir zum der Frankfurt UAS sind das die Bergische Uni- kungen und Parkraumrestriktionen für private Kraftfahrzeuge. Beispiel mehr im Internet einkaufen und uns Waren nach Hause versität Wuppertal, die Hochschule RheinMain in Wiesbaden, die Ostfalia Hochschule Wol- Das Ganze muss als Teil eines integrierten Verkehrskonzepts für liefern lassen und weil es einen Trend zu größeren Fahrzeugen fenbüttel, die Technische Hochschule Wildau, die gesamte Stadt bzw. Region gedacht werden. gibt, die mehr Energie verbrauchen. Wenn wir so weitermachen die Universität Kassel sowie die Hochschule wie bisher, werden wir unsere Klimaziele deutlich verfehlen. Karlsruhe. Die Hochschulen werden mit einem Welche Rolle kann und soll das Rad künftig spielen? jährlichen Höchstbetrag von 400.000 Euro je Professur gefördert. Ziel ist es, die Interessen Kneese: Das Fahrrad muss als gleichberechtigtes Verkehrsmit- von Radfahrerinnen und Radfahrern in einem tel in der Gesetzgebung, der Verkehrspolitik und der Planung nachhaltigen Mobilitätsmix angemessen zu berücksichtigt werden – in der Stadt und auf dem Land. Je kom- berücksichtigen – von der Infrastrukturplanung fortabler die Bedingungen zum Radfahren werden, desto mehr über Mobilitätsmanagement bis zur fahrrad- freundlichen Gesetzgebung. Menschen werden auch das Fahrrad nutzen. Das hat uns nicht
26 Almanach 2020 | Sorgen | Praxis und Projekte 27 Forschen für Bewegung Bundesweit erstes Promotionszentrum „Mit Mobilität und Logistik sind Fragen rund um Klimawandel, für Mobilität und Logistik startet Nachhaltigkeit, Wirtschaftswachstum und Stadtentwicklung verbunden“, sagte Angela Dorn, Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst anlässlich der Übergabe der Urkunde zur Genehmigung der Gründung des Promotionszentrums am Prof. Dr. Petra Schäfer | Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke 14. September 2020. Die nachhaltige und klimaschonende Gestaltung Mobilität und Logistik ist eine zentrale Aufgabe, um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft zu sichern. Mit der Gründung des Promotionszentrums Mobilität und Logistik können künftig Fragestellungen, etwa zur Verkehrsoptimie- rung oder Emissionsreduktion mit hohem wissenschaftlichen Anspruch praxisnah bearbeitet werden. Getragen wird das neue Zentrum von drei Hochschulen: der Frankfurt UAS (Federführung), der Hochschule Fulda sowie der gesetzt hat. Dass die Federführung bei uns im Zentrum eines Hochschule RheinMain (HSRM). Dorn wies darauf hin, dass der wirtschaftlichen „Powerhouses of Europe“ liegt, macht Hessen mit Vergabe des Promotionsrechts an Hochschulen für mich besonders stolz. Wir haben den Anspruch, wissen- Angewandte Wissenschaften eine Vorreiterrolle einnehme und schaftliche Sparringspartner für alle Unternehmen und das erste Bundesland sei, das den Hochschulen für Ange- Institutionen zu sein, die sich mit den vielfältigen Aspekten wandte Wissenschaften ein eigenständiges Promotionsrecht und Herausforderungen von Mobilität und Logistik befassen“, ermöglicht. Mittlerweile sieben Promotionszentren stärken die sagte Präsident Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich. hochschulübergreifende, anwendungsorientierte Forschung und bilden zudem wissenschaftlich Fachkräfte für die Region, Die im Promotionszentrum Mobilität und Logistik versammel- für Hessen und für Deutschland aus. ten Wissenschaftler/-innen wollen zur Infrastruktur in Städten wie Frankfurt und Regionen wie der Metropolregion Frankfur- „Hier promovieren und forschen schon bald Expertinnen und tRheinMain sowie den Interaktionen zwischen Regionen und Experten von morgen im Zentrum einer Metropolregion, in globalen Wirtschaftsräumen forschen. der Mobilität und Logistik bedeutende Standort- und Wirt- schaftsfaktoren sind. Das neue Promotionszentrum ergänzt Die Qualitätskriterien für die Einrichtung eines Promoti- und stärkt das wissenschaftliche Angebot in einem Bereich, onszentrums sind hoch: Die beteiligten Forschenden müssen der durch das House of Logistics and Mobility (HOLM) und ihre Forschungsstärke durch eine Mindestzahl an Publikati- den Forschungscampus Nachhaltige Mobilität Zeichen onen und die Höhe eingeworbener Drittmittel nachweisen. Am Promotionszentrum werden zunächst insgesamt zwölf Professorinnen und Professoren beteiligt sein: fünf der Frankfurt UAS, eine/-r der Hochschule Fulda sowie sechs der Hochschule RheinMain.
28 Almanach 2020 | Sorgen | Positionen 29 Auf lange Sicht: Corona stärkt uns! Wir müssen die Chancen nutzen, die uns die Krise eröffnet Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich Präsident Positionen Die Corona-Krise im abgelaufenen Jahr 2020 hat unser Leben schienen bereits im Herbst eine ferne Momentaufnahme. Es geht dabei vor allem auch darum, die Resilienz der verändert – auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Sie hat Und nun, beim Verfassen dieser Zeilen, ist nicht gewiss, in Studierenden zu stärken, sie zu ermutigen, sich ihr eigenes uns ein klares Signal gegeben: zum Innehalten, zum Nach- welche Richtung sich diese Gesellschaft entwickeln wird. Die Urteil zu bilden, ihm zu vertrauen und es zu vertreten. In denken und zur Neuausrichtung. Demokratie als Haltung und politisches Prinzip unterliegt einer Zeit und in einer Gesellschaft, der – aufgrund zuneh- weltweit, auch in Europa, deutlichen Erosionstendenzen und mender Komplexität und mangelnder Orientierung – der Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 hatten die westlichen Ge- es stellt sich die Frage, ob wir als Gesellschaft, als soziales Kompass abhanden zu kommen droht, betrachten wir das als sellschaften wirtschaftlich rasch wieder Fahrt aufgenommen; System, diese fundamentale Krise überstehen und positiv essenziell. Wir haben dabei aber auch die unterschiedlichen Innovationsfähigkeit und technischer Fortschritt schienen gestalten können, ohne unseren Wertekern aufzugeben, uns Kulturen im Blick, aus denen unsere Studierenden kommen unaufhaltsam. Auch Deutschland schien plötzlich ein Land von innen her zu zersetzen? oder in denen sie sich bewegen und machen Angebote für der unbegrenzten Möglichkeiten. Ökonomisches Wachstum – einen übergreifenden kulturellen oder allgemeinbildenden grenzenlos. Ebenso wie ein gefühlt grenzenloses Leben. Alles Als Hochschule beschäftigen wir uns nicht erst seit Corona Kanon. in allem: Den Menschen hierzulande schien es immer besser mit der Frage, wie wir unserer gesellschaftlichen Verantwor- zu gehen. Lebten noch vor 200 Jahren knapp 85 Prozent aller tung gerecht werden und welche Rolle wir spielen (können). Dem widmet sich – unter anderem – unser wissenschaftli- Menschen in extremer Armut, so sind es heute – bei einer Gewiss: Corona hat auch uns „kalt“ erwischt und gezwungen, ches Zentrum ScoPE (School of Personal Development and massiv gestiegenen Weltbevölkerung – „nur“ noch 10 Pro- unsere Komfortzone(n) sehr plötzlich zu räumen und quasi Education), hervorgegangen aus dem Zentrum für Persön- Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich ist Präsident zent, nämlich 700 Millionen. Es stimmt: Noch nie ging es den über Nacht (digitale) Lösungen zu entwickeln. Keine Frage: lichkeitsentwicklung und Gesellschaftliche Verantwortung der Frankfurt UAS. Der studierte Betriebswirt Menschen so gut wie heute. Weltweit und in Deutschland. und Soziologe promovierte an der Universität Die Krise hat uns einen Modernisierungsschub gegeben und (ZPG). Wir bieten dazu beispielsweise meditative Techniken Witten/Herdecke. Er arbeitete als Manager für den Umgang mit Digitalisierung auf eine neue Ebene geho- an, um die Studierenden dabei zu unterstützen und zu befä- Doch davon sollte man sich nicht blenden lassen: Corona hat verschiedene Wirtschaftsunternehmen. Er ist ausgebildeter systemischer Business-Coach und ben und selbstverständlich gemacht. Die disruptive Kraft der higen, ihren Kompass, ihre Mitte zu finden. Nur dann können die Bruchlinien in unserer Gesellschaft sichtbar gemacht. Kolumnist. Nach Stationen in der Schweiz als Krise hat uns somit – ebenso wie andere Institutionen und sie dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft nicht (noch) Bereits vor Corona war die Stimmung überhitzt; deutliche Professor für Unternehmensführung sowie für Organisation, Führung und Personal in Bern und Unternehmen – nach vorne gebracht. Allerdings „nur“ auf mehr zerfällt und die Fähigkeit und Bereitschaft, solidarisch Hinweise dafür waren eine politische Polarisierung hin Luzern trat Frank E.P. Dievernich 2014 sein Amt an. dem – fraglos wichtigen – Feld der Technik und dem Umgang zu handeln, erhalten bleibt. zu extremen Positionen und eine zunehmend ruppigere Nach seiner Wiederwahl im Dezember 2019 trat mit ihr. Und wo bleibt der Mensch? Diskussionskultur. Diese Tendenzen waren auch Ausdruck er seine zweite Amtszeit im Oktober 2020 an. Bei allem, was wir in diesem Bereich tun, geht es uns um einer großen Unsicherheit vieler Menschen, in einer Welt Tel.: +49 69 1533-2415 Wir ziehen aus der Krise den Schluss, dass der von uns einge- Reflexionsvermögen. Ohne die Fähigkeit, sich und die Dinge zu leben, die volatiler, unsicherer, komplexer und mehrdeu- praesident@fra-uas.de schlagene Weg, der Persönlichkeitsentwicklung unserer Stu- zu reflektieren, gibt es in komplexen gesellschaftlichen tiger geworden ist. Doch erst Corona hat uns endgültig und dierenden besonders intensiv Aufmerksamkeit zu schenken, Gemengelagen keine Solidarität, keine Demokratie und letzt- unumkehrbar vor Augen geführt: Wir leben tatsächlich in zielführend ist. Zielführend, um unserer gesellschaftlichen endlich keine Zivilisation. Gesellschaftliche Verantwortung einer „VUCA“-Welt (volatility – uncertainty – complexity – Verantwortung gerecht zu werden. Wir sind überzeugt davon, buchstabieren wir dahingehend aus, dass wir einen Beitrag ambiguity) − und das wird so bleiben. dass unsere Gesellschaft (junge) Menschen braucht, die sich dazu leisten wollen, stabile, am Gemeinwohl orientierte Per- über ihre fachliche Qualifizierung hinaus ihrer individuellen sönlichkeiten in den Arbeitsmarkt und das gesellschaftliche Das diffuse Gefühl der Überforderung wurde in der Krise für (gesellschaftlichen) Verantwortung bewusst sind, und bereit Leben zu entlassen. viele Menschen, die von einem Moment auf den anderen sind, solidarisch zu handeln und sich konsequent für eine Beruf und Familie ganz neu managen mussten, plötzlich sehr nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Dann haben wir tatsäch- Wir werden diese Fähigkeit dringend brauchen. Denn die Zu- real. Die Leidensfähigkeit erwies sich indes als begrenzt – lich eine Chance, den Herausforderungen dieses Jahrzehnts, kunft wird weitere fundamentale Krisen für uns bereithalten. ebenso wie das anfänglich breit gezeigte soziale, rücksichts- das mit einem lauten Weckruf begonnen hat, zu begegnen. Corona war der Auftakt – wir haben verstanden! volle Verhalten und die gelebte Solidarität. Ein Grummeln kam zunehmend auf, wurde lauter, artikulierte sich gar aggressiv: Die Gesellschaft war und ist nicht mit sich im Rei- nen. Die (be-)rührenden solidarischen Beifallsbekundungen für Pflegekräfte oder die Balkonkonzerte vom Frühjahr
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