Städte- und Gemeindetag Mecklenburg - Vorpommern e.V.

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Städte- und Gemeindetag
Mecklenburg - Vorpommern e.V.
Städte- und Gemeindetag M-V, Bertha-von-Suttner-Straße 5, 19061 Schwerin

Ministerium für Inneres und Europa
Mecklenburg-Vorpommern
Herrn Staatssekretär
Thomas Lenz
Alexandrinenstraße 1
19055 Schwerin

                                                                              Aktenzeichen/Zeichen: 0.35.35/Gl
                                                                              Bearbeiter: Herr Glaser
                                                                              Telefon: (03 85) 30 31-224
                                                                              Email: glaser@stgt-mv.de

                                                                              Schwerin, 2020-04-28

Beschlüsse im Umlaufverfahren für Beschlüsse der Gemeinde- und Stadtver-
tretungen, der Haupt- und Amtsausschüsse – Antrag nach Standarderpro-
bungsgesetz – Folgeantrag

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Lenz,

hiermit beantragt der Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern nach §§ 2
und 3 des Kommunalen Standarderprobungsgesetzes stellvertretend für alle amts-
freien und amtsangehörigen Gemeinden, alle Ämter und alle Zweckverbänden ab-
weichend von §§ 29, 30, 31, 35, 36, 135, 136 i.V.m. § 154 KV M-V, dass Beschlüsse
nicht nur von den anwesenden Mitgliedern der Gemeindevertretung, des Amtsaus-
schusses, der Ausschüsse und der Zweckverbandsversammlung gefasst werden
können, sondern in einem Umlaufverfahren durch alle Mitglieder schriftlich oder per
Mail.

Das Verfahren soll sich nach der Entscheidung vom 24.03.2020 richten.

Eine Befristung sollte an die Gültigkeit der Anti-Corona-Verordnung der Landesregie-
rung geknüpft werden. Sollte diese verlängert werden oder durch eine andere, inhalt-
lich in die gleiche Richtung zielende Verordnung ersetzt werden, ist diese Entschei-
dung entsprechend ebenfalls als verlängert anzusehen. Maßstab sollte die Regelung
des jetzigen § 6 sein, inwiefern Veranstaltungen in geschlossenen Räumen unter 50
Teilnehmern zukünftig zulässig sind.

                                       Kommunaler Spitzenverband für alle Städte und Gemeinden

Geschäftsstelle:                                                                          Konto:
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Begründung:
Ihre Entscheidung vom 24.03.2020 ist mit Außer-Kraft-Treten des § 6 Abs. 1 SARS-
CoV-II-Bekämpfungsverordnung formell außer Kraft getreten.
Die Umstände des Infektionsgeschehens und damit die Voraussetzungen unseres
Antrags sowie auch die Ihrer Entscheidung haben sich aber nur wenig geändert. Es
ist nach wie vor Ziel der Landesregierung mit der Kontaktsperre nach § 1 der Anti-
Corona-Verordnung und den Einschränkungen für Treffen außerhalb der Familie o-
der des beruflichen Umfelds Kontakte der Bürger zu vermeiden, soweit diese nicht in
diesem Rahmen stattfinden.

Es ist erfreulich, dass das Land nun den Weg der anderen Bundesländer gegangen
ist und im § 7 darauf verzichtet, Sitzungen kommunaler Vertretungen auf das absolut
notwendige, unaufschiebbare Maß zu beschränken. Das ist ein Widerspruch zu § 6
Abs. 6, wonach das Selbstorganisationsrecht der kommunalen Vertretungskörper-
schaften unberührt bleibt, und ein Widerspruch zur Verabredung zwischen der Bun-
deskanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten, wonach Sitzungen
kommunaler Vertretungen zulässig bleiben sollen.

Gleichwohl kann es aus Gesundheitsfürsorge für die Vertretungsmitglieder oder für
die Mitarbeiter geboten sein, auf Präsenzsitzungen zu verzichten, soweit es sich
nicht um Angelegenheiten handelt, die besonderer Beratung, die besonderer Öffent-
lichkeit oder die einer Abwägung bedürfen. Gerade in der Gruppe der Gemeindever-
treter befinden sich viele ältere Personen und auch Personen aus Risikogruppen.
Diese gilt es auch nach den neuesten Infektionszahlen besonders zu schützen. Be-
sonders gefährdet sind auch die Mitarbeiter der Verwaltung im ländlichen Raum, die
dann fast jeden Abend im Sitzungsdienst die Sitzungen der Gemeindevertretungen
begleiten und protokollieren. Selbst wenn Präsenzsitzungen also nicht mehr vom
Verordnungsgeber eingeschränkt werden (außer den seuchenrechtlichen Standards)
ist es doch nicht sinnvoll für alle Angelegenheiten stets die gesamte Gemeindevertre-
tung zusammenzurufen. Damit würde aus dem Recht auf Sitzungen der Gemeinde-
vertretung auch wieder die Pflicht zur Einberufung Gemeindevertretung aufleben.

Die im von Herrn Drzisga unterzeichnetem Runderlass vom 19. März 2020 empfoh-
lenen Maßnahmen zu Vermeidung der Ausbreitung von SARS-CoV-II bei Sitzungen
kommunaler Vertretungskörperschaften sahen nur die Verschiebung geplanter Sit-
zungen und Reduzierung der Tagesordnungen vor, eine verminderte Beteiligung der
Öffentlichkeit (nur für die Presse), die Übertragung von Kompetenzen an den Haupt-
ausschuss und das Eilentscheidungsrecht des Bürgermeisters. Bei den ersten bei-
den Vorschlägen finden keine Sitzungen oder weniger Entscheidungen statt. Das
können Gemeinden einige Wochen so handhaben, dann bedarf es aber Entschei-
dungen der Gemeindevertretungen, um Grundlagen für das Verwaltungshandeln,
insbesondere für die Vergabe von Aufträgen, für Planungsentscheidungen sowie für
Käufe und Verkäufe zu schaffen. Diese Empfehlungen bieten also keine Lösung,
sondern nur eine Verschiebung des Problems. Gerade in diesen schwierigen Zeiten
bedarf die Wirtschaft, teilweise aber auch die öffentliche Infrastruktur schnell ausge-
löster Aufträge (z. B. in den Schulen). Bei den Vorschlägen 3, 4 und 5 ist die Öffent-
lichkeit ausgeschlossen (bei Nr. 3 bis auf die Presse). Dies wird bei der Übertragung
                                       Kommunaler Spitzenverband für alle Städte und Gemeinden

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von Kompetenzen auf den Hauptausschuss sogar als besonderer Vorteil gewertet.
Bei den Vorschlägen zu 4 und 5 entscheiden nicht mehr alle gewählten Gemeinde-
vertreter, beim Eilentscheidungsrecht findet gar keine Diskussion statt. Damit hat das
Innenministeriums als Lösung vorgeschlagen auf Sitzungen und Entscheidungen zu
verzichten, aber in jedem Fall die Öffentlichkeit, teilweise auch die gewählten Vertre-
ter auszuschließen.

Dagegen ist die in unserem Antrag und Ihrer Entscheidung vom 24.03.2020 gewählte
Lösung demokratiefreundlicher. Alle gewählten Gemeindevertreter können weiter
mitstimmen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit, mit dem die Beendigung des Umlauf-
verfahrens in Ihrem Schreiben vom 27.04.2020 begründet worden ist, schlägt das
Innenministerium in seinen Empfehlungen gerade auch vor. Das Öffentlichkeitsprin-
zip dient der Transparenz und Kontrolle des Handelns der demokratisch gewählten
Vertretungen. Es ist aber nicht die Voraussetzung für demokratische Beschlüsse,
sonst wäre es nicht möglich, nichtöffentliche Entscheidungen demokratisch zu tref-
fen.

Anders als beim Verfahren nach Standarderprobungsgesetz gibt es im Runderlass
dafür      nur      eine   allgemeine    Begründung     mit    der     SARS-CoV-II-
Bekämpfungsverordnung, nach der Zusammenkünfte in öffentlichen Einrichtungen
untersagt sind. Dies ist mit der Bedeutung der Sitzungen gemeindlicher Organe nicht
zu vereinbaren. Dagegen ist die Befreiung nach dem Standarderprobungsgesetz auf
einer gesetzlichen Grundlage erfolgt, wonach eben auch die Befreiung von der Öf-
fentlichkeitspflicht gewährt wurde. In Zeiten der Corona-Bekämpfung ist dies bei ei-
ner Abwägung der betroffenen Rechtsgüter auch in Kauf zu nehmen, letztlich kommt
das Innenministerium in seinem o.a. Runderlass vom 19.03.2020 zu derselben Ab-
wägung. Es war - wie Sie schreiben - richtig die Standardbefreiungen zu erteilen.
Deswegen bleibt es auch richtig, sie auf diesen Folgeantrag wieder zu erteilen.
Rechtliche Zweifel, von welcher Seite auch immer, müssen begründet, mit dem An-
tragssteller diskutiert und dann über sie entschieden werden. Es ist nicht ersichtlich,
dass das Auslaufen der SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung zu neuen rechtlichen
Zweifeln an der Entscheidung vom 24.3.2020 führte, jedenfalls wurde es bis jetzt
nicht vorgetragen.

Nach § 2 Abs. 2 des Kommunalen Standarderprobungsgesetzes soll dem Antrag
stattgegeben werden; es sei denn, Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass die
Aufgabenerfüllung durch die kommunale Körperschaft nicht gewährleistet werden
kann oder eine Gefahr für Leib und Leben eines Menschen oder sonstige Rechtsgü-
ter von bedeutendem Rang entstehen würde. Mit den Umlaufbeschlüssen wird die
Aufgabenerfüllung der Gemeinden gewährleistet, sogar verbessert, weil es leichter
ist die Rechtsgrundlagen für die Aufgabenerfüllung mit den Beschlüssen zu fassen.

Gefahr für Leib und Leben eines Menschen ist durch das Umlaufverfahren eher nicht
gefährdet, sondern wird eher gefördert. Da gibt es die Gemeinde, die von einem eh-
renamtlichen Bürgermeister geführt wird, der durch eine Vorerkrankung zu den Risi-
kogruppen gehört und seit Wochen nicht mehr aus dem Haus geht. Mit Umlaufbe-
schlüssen kann er weiter seine Aufgaben als Bürgermeister ohne Gesundheitsge-
                                       Kommunaler Spitzenverband für alle Städte und Gemeinden

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fährdung erfüllen. Da gibt es andere Gemeindevertretungen, wo aus Altersgründen
die Mehrheit der Gemeindevertreter nach den Ratschlägen der Landesregierung e-
her zu Hause bleiben sollte, weil sie hohen Alters ist. Mit der Möglichkeit der Umlauf-
beschlüsse, können diese Gemeindevertreter ihr von den Wählern übertragenes
Mandat auch von zu Hause aus ausüben. Wenn Sie dieses Mandat in Sitzungen
ausüben, ist dies nicht gesundheitsförderlich.

Unter den sonstigen Rechtsgütern von bedeutendem Rang kann man auch das De-
mokratieprinzip nennen. Das wird durch unsere Lösung der Umlaufbeschlüsse eher
gestärkt als geschwächt, weil dadurch eben alle gewählten Gemeindevertreter ihre
Stimme abgeben können und nicht nur die Mitglieder des Hauptausschusses oder
gar nur der Bürgermeister in einer Eilentscheidung. Eilentscheidungen des Bürger-
meisters sind nur in Fällen äußerster Dringlichkeit zulässig. Wenn nun das Innenmi-
nisterium Eilentscheidungen empfiehlt, strapaziert es die Voraussetzung des § 38
Abs. 4 bzw. § 29 Abs. 3 KV M-V. Da nach der Eilentscheidung dann meist ein Ver-
tragsschluss oder ein anderes Umsetzen der Beschlüsse folgt, ist dann die Gemein-
de im Außenverhältnis gebunden. Selbst dann, wenn die Gemeindevertretung später
die Voraussetzung der Eilentscheidung in Frage stellt und diese nicht genehmigt,
wurden durch die Verwaltung Tatsachen geschaffen, die die demokratisch gewählten
Gemeindevertreter nicht rückgängig machen können, selbst wenn kein Grund für ei-
ne Eilentscheidung vorlag. Insoweit wahrt der Umlaufbeschluss die Rechte der Ge-
meindevertreter auch gerade gegen einsame Entscheidungen, die in der Demokratie
grundsätzlich nur in besonderen Ausnahmefällen möglich sind.

Nach diesen Ausführungen liegen also keine Tatsachen vor, die es rechtfertigen dem
Antrag nicht stattzugeben. Die Beweislast dafür, dass die besonderen Tatsachen
gegen die Befreiung vorliegen, läge beim Innenministerium. Darüber müsste dann in
einem Verständigungsverfahren nach § 2 Abs. 3 Kommunalen Standarderprobungs-
gesetz diskutiert werden.

Um die allgemeine Übertragbarkeit der Standardabweichungen zu prüfen, die nach §
4 Kommunales Standarderprobungsgesetz vom Innenministerium vorzunehmen wä-
re, sollten die Erfahrungen mit den Standardabweichungen valide sein. Über 100
Gemeinden haben bis jetzt mit der Standarderprobung begonnen. Der Städte- und
Gemeindetag wird die Erfahrungen hinterher auswerten und wir sind sicher, dass
diese Erfahrungen sinnvolle allgemein übertragbare Gesetzgebungsvorschläge er-
möglichen. Im Zusammenhang mit der Breitbandversorgung überall in Mecklenburg-
Vorpommern wird es nämlich in Zukunft technisch möglich sein, Beratungen in Tele-
fonkonferenzen und Videokonferenzen durchzuführen, Beschlüsse, die eben keine
Beratung benötigen und auch keine Öffentlichkeit, im Umlaufverfahren durchzufüh-
ren und somit unnötige Sitzungen, Fahrtwege und Überforderung des Ehrenamtes zu
vermeiden. Als Resultate ergeben sich Entbürokratisierung, Nachhaltigkeit (weniger
Fahrten, gerade auf Landkreis- und Amtswege) und mehr Flexibilität in den öffentli-
chen Verwaltungen, den Gemeindevertretungen und bei der Freizeit der ehrenamt-
lich Tätigen. Je länger die Erprobungsphase stattfindet, umso eher können wir all-
gemein gültige Folgen ziehen.

                                       Kommunaler Spitzenverband für alle Städte und Gemeinden

Geschäftsstelle:                                                                         Konto:
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So lange es unseren Bürgern angeraten wird, sich möglichst wenig mit anderen Per-
sonen zu treffen, so lange sollte es den Gemeinden ermöglicht werden, Entschei-
dungen im Umlaufverfahren zu machen.

Hilfsweise beantragen wir, die Umlaufverfahren nur für Angelegenheiten des nichtöf-
fentlichen Teils durchführen zu dürfen. Ein Konflikt mit dem Öffentlichkeitsgebot ist in
diesen Fällen ausgeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Wellmann
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied

                                       Kommunaler Spitzenverband für alle Städte und Gemeinden

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