STANDESPOLITIK, PRAXISAPOTHEKE, EINKAUF, FORTBILDUNG - DOXMART

 
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STANDESPOLITIK, PRAXISAPOTHEKE, EINKAUF, FORTBILDUNG - DOXMART
Standespolitik, Praxisapotheke, Einkauf, Fortbildung

Nr. 3+4 | September 2017   Arzneimittelinformationen und Tipps für Sie und Ihre Praxis

                            Medikamentenpreise in der Schweiz –
                            wo sind Einsparungen möglich?
                            Menopause: Hormone oder Phytotherapie – was für wen?
                            Kunst als Behandlungsoption

d oxmart.ch                        Ei ne Di ens tleis tung vo n
STANDESPOLITIK, PRAXISAPOTHEKE, EINKAUF, FORTBILDUNG - DOXMART
3 + 4 • 2017                                                         Editorial

                                                         Spar-Honig

Eigentlich keine schlechte Idee: Wenn das Gesundheits-                              geben müssen. Geben wir ihnen die Chance zu beweisen,
wesen als Ganzes zu teuer wird und gespart werden                                   dass es ihnen ernst ist mit Sparen, kürzen wir also die
muss, dann … müssen alle, die in diesem Gesundheits-                                Löhne der Kader von Krankenkassen und Versicherungs-
wesen tätig sind und von ihm profitieren, ihren Spar-                               konzernen, die Honorare von Chefärzten, Spitalverwaltun-
beitrag leisten. Klar, allen voran die Ärztinnen und Ärzte                          gen, Gesundheitsbehörden, die Löhne und Boni in der
mit eigener Praxis. Die haben während 20 Jahren auf                                 Pharma- und Medtech-Industrie im gleichen Ausmass
den Teuerungsausgleich verzichtet, akzeptiert, dass die                             wie die Einkommen der Praktiker in den vergangenen
Taxpunktwerte gesenkt wurden, leben mit schwindenden                                20 Jahren.
Margen beim Verkauf von Medikamenten, verrechnen                                    Im Ernst (weil obige Vorschläge in der Realität wohl eher
weniger für Laboranalysen und Röntgen und last, but not                             als Witz erscheinen): Weder Controller noch Versicherer,
least lassen sich immer mehr nicht entschädigte adminis-                            weder Berater noch IT-Spezialisten, weder Nationalräte mit
trative Arbeiten aufhalsen. Ein bisschen spart auch die                             Kassenmandaten noch Gesundheitsförderer, weder Gen-
Pharma-industrie, deren Medikamente nicht teurer, son-                              der-Health- noch E-Health-Fachleute, weder Qualitäts-
dern von Jahr zu Jahr billiger werden. Und weiter?                                  sicherer noch Netzwerkmanager, weder Gesundheitsöko-
Wie weiter? Ach, genau, die Idee war ja, dass alle, die an                       nomen noch Gesundheitsmedien (wir gebens ja zu) tragen zur
diesem Gesundheitswesen verdienen, ihr Scherflein dazu bei-                      «Wertschöpfung» im Gesundheitswesen bei. An den Patien-
tragen, damit es ein wenig günstiger oder zumindest nicht so                     ten, den einzig relevanten «Objekten» in diesem System,
rasend schnell teurer wird. Dabei wäre uns doch fast ent-                        arbeiten Ärzte, einige medizinische Fachkräfte wie zum Bei-
gangen, dass von diesem Gesundheitswesen und an diesem                           spiel Physiotherapeuten und Pflegende. Niemand sonst.
Gesundheitswesen längst nicht nur Ärzte und die Pharma-                          Sie allein füllen die Honigtöpfe des Gesundheitswesens.
industrie profitieren und verdienen, sondern zahlreiche Ver-                     Alle Übrigen schwirren bloss um die Honigtöpfe herum, ver-
bände, Institutionen, Spezialisten, Industrien oder einfach nur                  suchen allenfalls, zu deren besseren und rascheren Füllung
Leute, die es geschafft haben, die Kosten des Gesundheitswe-                     beizutragen, vor allem aber, die wirklichen Wertschöpfer dazu
sens zu beklagen, die Schuldigen zu benennen und Lösungen                        zu bringen (notfalls auch zu zwingen), möglichst viel vom
anzubieten, die nur die andern (be)treffen. Und die für ihre                     Honig übrig zu lassen.
Dienste selbstverständlich gut entschädigt werden wollen.                        Sparen müsste heissen: Wir, die Honigtopffüller, bestimmen,
Dass alle diese Leute sich selber und ihre teilweise ungefragt                   wer wie viel erhält vom Honig. Und wer ein wenig verzichten
erbrachten, manchmal überflüssigen und nicht selten nutzlo-                      muss. Doch leider: Es ist genau umgekehrt. Andere sichten
sen Dienste bei der Suche nach Sparmöglichkeiten übersehen,                      das Sparpotenzial. Und sie finden fast immer welches und
überrascht nicht. So bleibt nichts weiter, als sie und die Politik               ausschliesslich bei uns. Dumm nur: Wir haben es zugelassen.
darauf aufmerksam zu machen, dass auch ihr Beitrag gefragt                       Um im Bild zu bleiben: auch dass andere sich satt- und über-
ist, und zudem, dass es möglicherweise ungeschickt, ja,                          essen – an unserem Honig.
ungerecht und systemwidrig ist, wenn ausgerechnet und
ausschliesslich jene, die den Kern dieses Gesundheitswesens                                                  Richard Altorfer und Peter H. Müller
bilden und ohne die es ein solches gar nicht gäbe, etwas ab-

                                                                       –1–
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3 + 4 • 2017                                                                Inhaltsverzeichnis

 Impressum                                                        Standespolitik
                                                                  Academy on Health Care Policy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
 doXmedical ist das Publikationsorgan von doXmart AG
                                                                  Medikamentenpreise in der Schweiz – wo sind Einsparungen möglich?
 Erscheinungsweise                                                Interview mit Dr. Axel Müller, Geschäftsführer des Branchenverbands Intergenerika
 5- bis 6-mal jährlich
 Auflage: ca. 5000 Expl.
                                                                  Warum Referenzpreise für die Schweiz ungeeignet sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                     6
 Herausgeber
 doXmart AG                                                       Geringeres Angebot, schlechtere Versorgung, weniger Wahlfreiheit
 Schaffhauserstrasse 13, 8212 Neuhausen                           Interview mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Cornelia Wanke
 E-Mail: info@doxmart.ch, Internet: www.doxmart.ch

 Verlag                                                           Galexis – Gelebte Partnerschaft mit der Ärzteschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                              9
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 Redaktion                                                        Hormontherapie in der Menopause – was Schweizer Gynäkologen empfehlen                                                        10
 Dr. rer. nat. Claudia M. Reinke, c.reinke@rosenfluh.ch
 Dr. med. Richard Altorfer                                        Interview mit Dr. med. Christian De Geyter
 Dr. med. Peter H. Müller

 Sekretariat                                                      Und was bietet die Phytotherapie in den Wechseljahren?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
 Silvia Tomasi
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                                                                  Serie Kunsttherapie
 Anzeigenverkauf
 Jeanine Bleiker                                                  Kunst als Behandlungsoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
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                                                                  Teil 6: Bewegungs- und Tanztherapie bei Depression
 Anzeigenregie
 Manuela Behr
 Tel. 052-675 50 50, Fax 052-675 50 51                            Fortbildung
 E-Mail: m.behr@rosenfluh.ch
                                                                  Broccoliextrakt senkt den Blutzucker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
 Layout                                                           Klinische Studie mit Typ-2-Diabetikern
 Manuela Bührer, Tel. 052-675 51 72
 E-Mail: buehrer@rosenfluh.ch

 Druck, Versand
 Druckerei Raisch GmbH + Co. KG
                                                                  doXmart-Angebote
 Auchtertstrasse 14, D-72770 Reutlingen                           Pharma-Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
 Abonnementsdienst                                                GenerX – ein generischer Röntgenfilm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
 AVD GOLDACH                                                      Non-Pharma-Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
 Sulzstrasse 10/Postfach, 9403 Goldach
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 Nachdruck und Kopien von Beiträgen und Abbildungen in jegli-     doXkultur: Ein engagierter Gestalter des Humanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
 cher Form, wie auch Wiedergaben auf elektronischem Weg
 und übers Internet, auch auszugsweise, sind verboten bzw. be-
                                                                  Der Basler Maler Karl Aegerter findet im Engadin eine neue Heimat
 dürfen der schriftlichen Genehmigung des Verlags.

 13. Jahrgang
 ISSN 1660-8186                                                   7 Fragen – 7 Antworten
 Hinweise                                                         Partner: Andreabal AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
 Der Verlag übernimmt keine Garantie oder Haftung für Preisan-
 gaben oder Angaben zu Diagnose und Therapie, im Speziellen
 für Dosierungsanweisungen.
                                                                  Sonderreport
 Mit der Einsendung oder anderweitigen Überlassung eines
 Manuskripts oder einer Abbildung zur Publikation erklärt sich    Schon subjektive kognitive Beeinträchtigungen ernst nehmen . . . . . . . . . . . . . . 31
 der Autor/die Autorin damit einverstanden, dass der entspre-
 chende Beitrag oder die entsprechende Abbildung ganz oder
 teilweise in allen Publikationen und elektronischen Medien der
 Verlagsgruppe veröffentlicht werden kann. Bei einer Zweitver-    Pharma News . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
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                                                                                          –3–
Standespolitik                                                         3 + 4 • 2017

                    Academy on Health Care Policy
Medikamentenpreise in der Schweiz – wo sind Einsparungen möglich?

Auch 2017 sind die Krankenkassenprä-                           Die Interviews führte                Aus Ihrer Sicht ist also die Verordnung von Ge-
mien wieder um etwa 4 Prozent gestie-                                                               nerika eine Lösung des Kostenproblems?
                                                                Claudia Reinke
gen – «same procedure as every year»                                                                AM: Ja, das ist so.
könnte man lakonisch sagen, wenn die
steigenden Kosten nicht für viele Versicherte kaum                                     Von welchen Grössenordnungen gehen Sie aus?
noch tragbar wären. Eine alternde Gesellschaft, mehr                                   AM: Schauen wir uns mal kurz Europa an. In Gesamteuropa
und aufwendigere Behandlungen sowie teure Medi-                                        hätten die Prämienzahler für ihre Medikamente ohne Gene-
kamente fordern ihren Tribut. Anlässlich einer Ver-                                    rika 100 Milliarden Euro mehr bezahlen müssen, in der
anstaltung der Academy on Health Care Policy Ende                                      Schweiz allein 1 Milliarde Franken. Der Generikamarkt in der
April 2017 in Bern diskutierten die Teilnehmer über                                    Schweiz ist noch relativ klein; ohne Spitäler liegt der Markt
brauchbare Lösungsansätze, die zur Senkung der                     Axel Müller         zu Herstellerabgabepreisen bei 577 Millionen Franken –
hohen Medikamentenkosten beitragen könnten.                                            wenn man die Publikumspreise betrachtet, waren das im
Dr. Axel Müller, Geschäftsführer des Branchenver-                                      letzten Jahr 971 Millionen Franken. Mit Generika wurden 2016
bands Intergenerika, zeigte sich in seinem Referat                                     gemäss einer unabhängigen Studie Einsparungen von
überzeugt, dass Generika hier einen nicht zu unter-                                    363 Millionen Franken erzielt. Und was noch wichtiger ist:
schätzenden Beitrag leisten könnten. In einem per-                                     Hätte man konsequent dort, wo es möglich gewesen wäre,
sönlichen Gespräch äusserte sich der Referent zu                                       Generika verordnet, hätte sich ein zusätzliches Einspar-
brachliegenden Einsparpotenzialen, zu den Gefahren                                     potenzial von knapp 200 Millionen Franken ergeben.
des auch in der Schweiz diskutierten Referenzpreis-
systems und zur Überprüfung des Margensystems.                                         Können Sie uns Beispiele nennen?
                                                                                       AM: Sicher, wir haben beispielsweise die unverständliche Si-
doXmedical: Wer sich intensiver mit dem Gesundheitswe-                                 tuation, dass es in der Schweiz praktisch keine generischen
sen und den exorbitanten Kosten beschäftigt, gewinnt den                               Asthmapräparate gibt, weil Swissmedic von den entspre-
Eindruck, dass das Ganze auf lange Sicht und insbesondere                              chenden Generikaherstellern vor der Zulassung – im Gegen-
im Hinblick auf die demografische Entwicklung nicht mehr                               satz zur EU – zusätzliche klinische Prüfungen fordert. Das ist
finanzierbar sein wird. Ist es bereits fünf vor zwölf?                                 insofern unverständlich, als diese Generika vom BfArM (Bun-
Dr. Axel Müller (AM): Wir hatten 2014 in Europa etwa                                   desinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) in
100 Millionen Patienten, die älter waren als 65. Die demo-                             Deutschland und von der EMA (European Medicines Agency)
grafische Entwicklung, die Sie angesprochen haben, sagt                                in London schon lange zugelassen sind und sich in Real-Life-
voraus, dass wir 2050 mehr als 190 Millionen über 65-jährige                           Studien sowie im Dauereinsatz längst bewährt haben. Aber
Patienten haben. Mit zunehmendem Alter steigt aber auch                                Swissmedic weigert sich, diesem Beispiel zu folgen. Die ver-
die Inzidenz chronischer Erkrankungen. Wenn zu deren Be-                               schiedenen Inhalers der bekannten Pharmafirmen machen
handlung nur Originalpräparate eingesetzt werden sollten,                              etwa 80 Millionen Franken Umsatz; würde man hier in der
wird das kostenmässig aus dem Ruder laufen – insbesondere                              Schweiz dafür Generikapräparate abgeben dürfen, wären
wenn auch neue biologische Medikamente zum Einsatz kom-                                Einsparungen von 25 bis 30 Millionen Franken möglich.
men sollten, die bei Krebserkrankungen, Immuntherapien,
rheumatoider Arthritis und Hepatitis B unverzichtbar gewor-                            Es gibt darüber hinaus noch ein anderes unklares Phäno-
den sind. Das lässt sich in der Tat nicht mehr finanzieren,                            men: Wie erklärt sich die enorm hohe Preisdifferenz (+53%)
wenn nicht auf der anderen Seite mehr Generika beziehungs-                             bei Generika in der Schweiz im Vergleich zum Ausland?
weise generische biologische Arzneimittel, sogenannte Bio-                             AM: Es ist richtig, Generika in der Schweiz sind teurer. Das
similars, verordnet werden.                                                            sind andere Produkte aber auch. Die WHO hat allerdings erst

                                                                      –4–
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kürzlich ein Statement herausgegeben, in dem sie sich gegen                      kosten durch die Krankenkassen. Wenn wir die Situation be-
Auslandspreisvergleiche für generische Arzneimittel aus-                         kommen, wie wir sie in Deutschland haben – dort sind sie ja
spricht, weil man nicht einfach nur die Preise eines anderen                     schon einen Schritt weiter: es gibt Referenzpreise und Ra-
Landes übernehmen könne, ohne nicht fairerweise auch des-                        batte –, und die Krankenkassen an der Festlegung des Prei-
sen Gesundheitssystem einzuführen.                                               ses beteiligt sind und nur das Günstigste erstatten, dann
                                                                                 geht das in Richtung Billigstmedizin. Dieser einseitige Fokus
Auslandspreisvergleiche sind also nicht zielführend?                             auf die Medikamentenpreise führt jedoch zu schwerwiegen-
AM: Das lässt sich so pauschal nicht sagen – Auslandspreis-                      den Problemen wie Qualitätsverlust und abnehmende Ver-
vergleiche bei den Originalpräparaten halte ich für nachvoll-                    sorgungssicherheit. Wir haben heute schon viele Produkt-
ziehbar. Hier wird das identische Originalprodukt des glei-                      beziehungsweise Arzneimittelengpässe – beispielsweise bei
chen Herstellers verglichen. Bei Generika ist das jedoch sehr                    Antibiotika und Impfstoffen. Das Problem ist, dass viele Her-
viel komplizierter: Es gibt unterschiedliche Anbieter, unter-                    steller die Medikamente nicht mehr produzieren, weil ihnen
schiedliche Packungsgrössen, es gibt Hersteller mit soge-                        der Aufwand im Vergleich zum Verdienst zu hoch ist, und die
nannten Kampfpreisen bei bestimmten Produkten, es gibt                           wenigen, die es noch machen, konzentrieren sich auf Zulie-
Firmen, die Zusatzleistungen wie Broschüren oder zusätzli-                       ferer aus Billiglohnländern. Wenn dort in der Produktion al-
che zum Teil compliancefördernde galeni-
sche Formulierungen oder Verbesserungen
anbieten und Ähnliches.
Wenn wir den Forderungen des Preisüberwa-      «Das Problem ist, dass viele Hersteller die Medi-
chers folgen und die Kosten der Generika in    kamente nicht mehr produzieren, weil ihnen der
der Schweiz um 50 Prozent senken würden,
läge die Einsparung bei einem Gesundheits-
                                               Aufwand im Vergleich zum Verdienst zu hoch ist,
budget von 75 Milliarden Franken nur bei       und die wenigen, die es noch machen, konzentrieren
0,42 Prozent. Die eigentlichen Preistreiber
sind nicht die Arzneimittel und schon gar
                                               sich auf Zulieferer aus Billiglohnländern.                            »
nicht die Generika – das sind die Kosten der
stationären und der ambulanten Behandlung. Da müsste                             lerdings Zwischenfälle oder Qualitätsprobleme auftreten,
man den Hebel ansetzen.                                                          sind Arzneimittelengpässe in der Schweiz vorprogrammiert.
Ein weiterer wichtiger Grund für die Preisentwicklung bei Ge-                    Wenn die Preise also zu sehr in den Keller gehen, muss man
nerika im Vergleich zum europäischen Ausland sind die Men-                       umgehend mit Engpässen rechnen. Was aber noch gravie-
gen. Je länger ein Hersteller seine Hochleistungsmaschinen                       render ist: Die grossen Pharmafirmen werden das überleben,
laufen lassen kann, um so geringer sind die Stückkosten. Die                     die kleinen Unternehmen aber werden verschwinden.
kleine Schweiz benötigt im Vergleich zu grösseren Ländern                        Santésuisse macht einen Fehler: Sie ist zwar mit uns einig,
sehr viel geringere Stückzahlen. Und wenn dann noch unter-                       dass Generika mehr gefördert werden müssen, da sie Einspa-
schiedliche Dosierungen und verschiedene Packungsgrös-                           rungen bringen, nicht einig ist sie mit uns jedoch, was die
sen dazukommen, wird das erheblich teurer. Dazu kommen                           Preissituation betrifft, denn sie möchte so tiefe Preise haben
die zusätzlich von Swissmedic geforderten Freisetzungsun-                        wie im Ausland. Was sie damit jedoch bewirkt, ist letztlich die
tersuchungen (Dissolutiontests), also der Nachweis im «Rea-                      Gefahr einer Monopolbildung. Zudem provoziert sie damit,
genzglas», dass der Arzneistoff aus einem Generikum das                          dass gewisse Produkte in der Schweiz aus Rentabilitätsgrün-
gleiche Freisetzungsverhalten aufweist wie das entspre-                          den gar nicht mehr angeboten werden könnten. Daraus resul-
chende Originalpräparat in der Schweiz.                                          tiert, dass die Patienten wieder auf Originalpräparate umstei-
                                                                                 gen müssen, was die Kosten wiederum erhöht. Und das
Und doch hat der Krankenkassenverband Santésuisse erst                           grösste Problem bei Festbeträgen beziehungsweise Referenz-
kürzlich verlangt, dass gemäss dem Krankenversicherungs-                         preisen ist folgendes: Wenn der Patient immer das Billigste
gesetz für gleiche Leistungen der günstigere Preis zu ver-                       akzeptieren muss, weil er den Differenzbetrag zum Referenz-
güten ist. Was sagen Sie dazu?                                                   preis nicht hinzuzahlen kann oder möchte, besteht gerade bei
AM: Jetzt kommen wir zu einem wichtigen Thema, nämlich                           Langzeittherapien die Gefahr, dass er statt des ihm vertrauten
den sogenannten Referenzpreisen oder Festbeträgen, also
den Höchstbeträgen für die Erstattung von Medikamenten-
                                                                                 Fortsetzung auf Seite 7

                                                                     –5–
Standespolitik                                                        3 + 4 • 2017

              Warum Referenzpreise für die Schweiz ungeeignet sind
                  Geringeres Angebot, schlechtere Versorgung, weniger Wahlfreiheit

Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Journalistin                                   kationsbereichen nur noch zwei oder drei Anbieter haben.
Cornelia Wanke, seit Jahren in verschiedenen Spar-                                  Damit steigt das Risiko für Lieferengpässe, was besonders
ten des deutschen Gesundheitswesens tätig,                                          bei Antibiotika ein grosses Problem darstellt. Diese Entwick-
weiss, wie das Gesundheitssystem im Nachbarland                                     lung, die zu einer Verarmung des Marktes führt, wird sich in
funktioniert. In unserem Gespräch warnte die als                                    einem kleinen Land wie der Schweiz noch verschärfen und
Referentin bei der Academy on Health Care Policy                                    die Therapie- und Wahlfreiheit der Patienten erheblich ein-
geladene Expertin vor möglichen unerwünschten                    Cornelia Wanke     schränken. Im Übrigen steht Deutschland – trotz permanen-
Folgen der Einführung eines Referenzpreissystems                                    ter Regulierung der Arzneimittelkosten – hinsichtlich der Ge-
in der Schweiz.                                                               sundheitskosten heute nicht besser da als die Schweiz: Der Anteil
                                                                              der Gesundheitsausgaben stieg seit 1990 von 8,3 Prozent (Schweiz
doXmedical: Frau Wanke, der Schweizer Bundesrat plant offenbar,               8,2%) auf 11,3 Prozent im Jahr 2015 (Schweiz 11,5%). Was die Me-
mit staatlich verordneten Massnahmen wie Festbeträgen bezie-                  dikamentenausgaben pro Einwohner betrifft, so lagen diese 2013
hungsweise Referenzpreisen die Kosten im Gesundheitswesen zu                  in Deutschland (kaufkraftbereinigt) bei 678 Dollar und waren damit
reduzieren. Halten Sie das für zielführend?                                   in etwa mit der Schweiz (666 Dollar) vergleichbar.
Cornelia Wanke (CW): Zunächst möchte ich vorausschicken, dass
Festbeträge in Deutschland nicht durch den Gesetzgeber festgelegt,            Das ist allerdings wenig überzeugend. Welches Vorgehen würden
sondern auf gesetzlicher Basis von den Gremien der Selbstverwal-              Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen denn der Schweiz empfehlen?
tung bestimmt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA),                   CW: Meine Empfehlung für die Schweiz wäre zunächst, auch einen
in dem Vertreter von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen,                sogenannten Pharmadialog zu organisieren, der sich in Deutsch-
nicht aber Apotheker sitzen, teilt unter Beteiligung von Patienten-           land ganz gut bewährt hat. Dabei kommen alle Beteiligten der Ge-
verbänden Arzneimittel vergleichbarer Wirkung in sogenannte Fest-             sundheitswirtschaft unter Moderation der Regierung an einen Tisch
betragsgruppen ein. Dann bestimmt der Spitzenverband aller Kran-              zusammen und können ihre Argumente präsentieren. Das schafft
kenkassen GKV die konkreten Festbeträge. Als zweite, viel                     bessere Voraussetzungen für die Verständigung und setzt einen
wichtigere Regulierungsmassnahme wurden die sogenannten Ra-                   wichtigen Diskussionsprozess in Gang, in dessen Verlauf das
battverträge eingeführt, um den Wettbewerb im Generikamarkt, der              Gesamtpaket für eventuelle gesetzliche Massnahmen verhandelt
in Deutschland eine Verordnungsquote von fast 80 Prozent hat, wei-            werden kann.
ter zu fördern und die Preisspirale nach unten in Gang zu setzen.
Diese Rabattverträge werden durch die gesetzlichen Krankenkassen              Sie haben unter anderem auch die Nutzung von E-Health-Lösun-
auf Wirkstoffebene ausgeschrieben, wobei das günstigste Präparat              gen angesprochen. Damit könnten sich doch möglicherweise
(häufig günstiger als der entsprechende Festbetrag) meist für zwei            unnötige Rehospitalisierungen und damit wiederum hohe Spital-
Jahre den Zuschlag erhält. Nachteilig ist, dass die Hersteller weder          kosten vermeiden lassen.
für Schrittinnovationen noch für spezielle Darreichungsformen (z.B.           CW: Genau, denn bei uns wie bei Ihnen ist die Hospitalisierungsrate
kleinere Tabletten für Kinder mit Epilepsie) einen finanziellen Bonus         ein grosses Problem. Wenn man dagegen auf E-Health-Lösungen
erwarten können. Das sind die Auswüchse eines innovationsun-                  setzt, lassen sich unnötige ärztliche Konsultationen oder (Re-)Hos-
freundlichen Systems.                                                         pitalisierungen vermeiden und somit viel Geld einsparen. Beispiels-
                                                                              weise durch eine telematische Anbindung an medizinische Versor-
Festbeträge, Referenzpreissysteme oder Rabattverträge halten                  gungszentren, eine Schulung des Patienten zum besseren Umgang
Sie demnach für die Schweiz als nicht nachahmenswert?                         mit seiner Erkrankung und/oder eine engmaschige Betreuung via
CW: Insbesondere die Rabattverträge führten in Deutschland zu ei-             Homemonitoring. Das Disease-Management via Telemedizin wird in
ner unglücklichen Marktkonzentration, die zur Folge hat, dass die             Zukunft sicher eine grosse Rolle spielen, denn es kann dazu beitra-
grossen Generikaunternehmen die kleinen aufkaufen – was ja oh-                gen, die Versorgung der Patienten effizienter, besser und günstiger
nehin einer globalen Entwicklung entspricht. Hinzu kommt, dass                zu machen.
kleinere Unternehmen ökonomisch gar nicht mehr in der Lage sind,
an diesem Wettbewerb teilzunehmen, sodass wir in manchen Indi-                Vielen Dank für das Gespräch.

                                                                        –6–
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Fortsetzung von Seite 5
                                                                                   für Ärzte und Apotheker wegen des erzwungenen Medika-
                                                                                   mentenwechsels. Zudem weiss man aus Untersuchungen,
Präparates jeweils zu Medikamenten anderer Hersteller wech-                        dass der therapeutische Effekt einer Behandlung grösser ist,
seln muss, nur weil diese gerade günstiger sind. Diese er-                         wenn der Patient die Therapie mitbestimmen kann. Dazu
zwungenen Wechsel können bei den Patienten zu Verunsiche-                          kommt die im Ausland vielfach bestätigte Neigung der Ärzte
rungen, Nebenwirkungen und Complianceproblemen führen.                             und Apotheker, anstelle des preisgünstigen Generikums
Dessen ist sich Santésuisse vermutlich nicht bewusst.                              doch oft wieder das Originalpräparat abzugeben, das nicht
                                                                                   vom Referenzpreissystem betroffen ist, um den Patienten die
Der Bundesrat hat aber seinerseits jetzt offenbar staatliche                       Zuzahlung zu ersparen und Diskussionen zu vermeiden.
Regulierungen vor, um die Medikamentenkosten zu senken,
und will dies ausgerechnet durch die Einführung von Fest-                          Gemäss Santésuisse liegt ein weiteres hohes Einspar-
beträgen für Generika und Medikamente, deren Patent-                               potenzial in der Reduktion der Vertriebsmargen bei der
schutz abgelaufen ist, erreichen.                                                  Medikamentenabgabe, von denen Ärzte und Apotheker pro-
AM: Wir haben im Prinzip ein funktionierendes Preisfestset-                        fitieren – stimmen Sie dem zu?
zungssystem, das der Bundesrat schon länger eingeführt                             AM: Das Problem ist folgendes: Ein Apotheker und/oder ein
und im März 2017 nochmals verschärft hat. Wir haben drei                           SD-Arzt verdient mehr, wenn er ein teureres Original abgibt.
Stellschrauben: Die erste Stellschraube ist ein Preisvergleich                     Der im Sinne der Krankenkasse denkende Apotheker oder
mit dem Schweizer Originalprodukt. Das heisst, die Generika                        SD-Arzt wird dagegen ökonomisch bestraft, wenn er ein Ge-
müssen abhängig vom Marktvolumen einen Preisabstand                                nerikum abgibt. Das ist genau der falsche Anreiz. Wir müssen
zum Original haben, bei grossvolumigen Produkten 70 Pro-                           in der Schweiz ein System bekommen, bei dem der SD-Arzt
zent, bei kleinvolumigen 20 Prozent. Zweitens haben wir den                        und der Apotheker bei Abgabe eines günstigen Generikums
sogenannten dynamisierten differenzierten Selbstbehalt,                            keine Einbussen erleiden. Dies liesse sich zum Beispiel da-
das heisst, die Patienten müssen einen Selbstbehalt von                            durch erreichen, dass die bislang übliche prozentuale Marge
20 Prozent der Medikamentenkosten in Kauf nehmen, wenn                             durch eine fixe Marge ersetzt wird. Dies wäre ein Anreiz für
sie ein teureres Präparat wünschen; bei einem günstigeren                          Ärzte und Apotheker, vermehrt Generika abzugeben, da die
Generikum beträgt der Selbstbehalt jedoch nur 10 Prozent.                          Margen dann nicht mehr vom Preis der Arzneimittel abhän-
Und dann haben wir noch die Preisüberprüfung nach drei                             gen. Wenn wir das schaffen, haben wie sehr viel grössere
Jahren. Das alles hat dazu geführt, dass der Preisindex der                        Einsparpotenziale. Der Marktanteil der Generika liegt ja men-
Generika seit mehr als zehn Jahren sukzessive nach unten                           gen- beziehungsweise packungsmässig in der Schweiz laut
ging: Ein Generikum, das 2003 noch 100 Franken gekostet                            IMS bei 27 Prozent – in anderen europäischen Ländern wie
hat, kostet heute nur noch 57 Franken. Die Preise sind also                        England, Holland oder Dänemark liegt er bei etwa 80 Pro-
aufgrund dieses funktionierenden Preisfestsetzungssystems                          zent. Je grösser der Marktanteil der Generika, desto günsti-
massiv gefallen.                                                                   ger werden sie. Deshalb schlagen wir vor, mehr Generika ein-
Aus diesem Grund sagen wir jetzt: Lieber Bundesrat, jetzt ha-                      zusetzen, dann haben wir die Einsparpotenziale, die wir
ben Sie das bereits eingeführte System nochmals verschärft,                        brauchen, ohne dass Referenzpreise eingeführt werden müs-
und es funktioniert offensichtlich – lassen Sie es dabei be-                       sen. Dass Generika von der Qualität her mit dem Original ab-
wenden, und führen Sie kein Referenzpreissystem ein, denn                          solut identisch sind, ist heute unbestritten – es gibt also kei-
wenn nur noch das Billigste erstattet wird, haben wir Billigst-                    nen Grund mehr, keine Generika zu verordnen. Hier muss
medizin mit gravierenden Konsequenzen: Erstens haben die                           sich die Politik am Ausland orientieren und den vermehrten
Patienten laufend Medikamentenwechsel, zweitens werden                             Einsatz von Generika fördern, dann sind auch die notwendi-
die kleinen, aber oft compliancerelevanten Innovationen bei                        gen Einsparpotenziale zu erzielen.
Generika (Bruchrillen, sugar coating, zusätzliche pharmazeu-
tische Formulierungen etc.) wegfallen, da sie nicht mehr fi-                       Besten Dank für das Gespräch.                                 x
nanzierbar sind, und drittens steigt der Beratungsaufwand

                                                                       –7–
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                   Galexis – Gelebte Partnerschaft
                         mit der Ärzteschaft
Galexis ist Ihr Partner als führender Ärzte-Voll-
grossist. Sie kennen uns als Unternehmen, wel-
ches Sie im Praxisalltag verlässlich und schnell
mit Medikamenten, Praxis- und Laborbedarfarti-
keln, Medizintechnik sowie Dienstleistungen für
die Praxisinfrastruktur beliefert. Als eng mit der
Ärzteschaft verbundene Organisation tun wir aber
noch mehr. So sind wir seit Jahren an Veranstal-
tungen und auf Plattformen präsent, bei denen
Themen und Interessen der Ärzteschaft im Mittel-

                                                                                                                                                                 Foto: mmconsult volante GmbH
punkt stehen. Dabei setzt sich Galexis als Partne-
rin für Sie ein. Wir unterstützen verschiedenste
Veranstaltungen, die unterschiedliche Zielsetzun-
gen verfolgen:

Academy
                                                     Ärzteforum Nordostschweiz in Schaffhausen
Wir verfolgen die Entwicklungen im Schweizer Ge-
sundheitswesen sehr genau. Die «Academy on
Healthcare Policy» ist eine Veranstaltungsplatt-     nen. Deshalb engagiert sich Galexis auch an re-       Indikationsorientierte Seminare
form, die zweimal jährlich gesundheits- und phar-    gionalen Veranstaltungen, die auf die Themen          Geht es um Ihre fachliche Weiterbildung, beteiligen
mapolitische Entwicklungen in der Schweiz mit        und Interessen der Ärzteschaft in den jeweiligen      wir uns ausserdem in für Sie nutzbringenden und
Beteiligung der Kantonalpräsidenten der Ärztege-     Regionen fokussieren. So findet seit über 10 Jah-     von der jeweiligen Fachgesellschaft akkreditierten
sellschaften und unter Einbezug der wichtigen        ren das Zentralschweizer Ärzteforum mit unserer       Seminaren. Mit der in verschiedenen Regionen der
Key Opinion Leader thematisiert. Die Academy ist     Beteiligung statt. Das Forum setzt sich für eine      Deutschschweiz stattfindenden Seminarreihe
einerseits Begegnungsstätte und andererseits         freie und patientennahe Arzttätigkeit ein. Eben-      «Pain Management Update» haben wir einen wei-
eine perfekte Plattform für den Meinungsaus-         falls unterstützen wir die gemeinsame Tagung der      teren Schritt in Richtung einer echten und gelebten
tausch innerhalb der Ärzteschaft sowie zwischen      kantonalen Gesellschaften in der Nordostschweiz,      Partnerschaft mit Ihnen vollzogen.
Ärzten und weiteren wichtigen Stakeholdern des       wie zum Beispiel aktuell zum Thema «Selbstdis-
Schweizer Gesundheitswesens wie Regierung,           pensation Schaffhausen 2018». In anderen Regio-       Die Zukunft: Gelebte Partnerschaft
Politik, Behörden, Krankenversicherungen, Ver-       nen der Schweiz wie in Bern oder in St. Gallen        mit der Ärzteschaft
bände und Patientenorganisationen.                   unterstützen wir die jeweils unter dem Patronat       Sie können darauf zählen, dass Galexis sich stets
Für die teilnehmenden Kantonalpräsidenten der        der regionalen oder überregionalen Organisatio-       für die Interessen der Ärzteschaft einsetzt. Wir
Ärzteschaft und des Apothekerverbandes wie           nen durchgeführten Anlässe.                           lassen Worten Taten folgen – spürbar, wirkungs-
auch Spital- und Kantonsapotheker und die Fach-                                                            voll und zu Ihrem Nutzen. Mit unserem Engage-
verbände (FMH, VEDAG, ApA, KKA, KOCH, HACH/          Ärzte-Management-Seminare:                            ment heute legen wir die Basis für morgen.
MFE) ist mit der Academy eine einzigartige Platt-    Die Zukunft der Einzelpraxis                          Das Verkaufsteam Ärzte der Galexis ist Ihr Partner.
form entstanden. Ziel ist es, geeignete Lösungs-     Das Engagement von Galexis geht aber über das         Wir setzen uns nicht nur als Dienstleister mit dem
ansätze zu finden, die in letzter Konsequenz für     Gesundheitspolitische hinaus. Seit mehreren Jah-      Motto «alles aus einer Hand» für Sie ein, sondern
Ihre Arbeit in der Praxis einen positiven Beitrag    ren beteiligen wir uns an der Seminarreihe «Die       auch als Partner auf den verschiedensten Ebenen
leisten sollen.                                      Zukunft der Einzelpraxis», die sich an Ärztinnen      des gesundheitspolitischen Umfeldes. Wir unter-
                                                     und Ärzte aller Alterstufen richtet, die ihre Nach-   nehmen alles, damit Sie Ihrer Tätigkeit zum Wohle
Regionale Foren                                      folge planen. Mittlerweile über 900 Teilnehmende      der Patientinnen und Patienten in einem möglichst
Viele auf nationaler Ebene besprochene Anliegen      sind ein eindrückliches Zeichen des Erfolgs dieser    guten Umfeld nachkommen können.                 x
benötigen Jahre, bis sie umgesetzt werden kön-       Veranstaltungsreihe.                                            Marketingkommunikation, Galexis AG

                                                                            –9–
Thema                                                           3 + 4 • 2017

     Hormontherapie in der Menopause –
    Was Schweizer Gynäkologen empfehlen
Die im Juli 2002 publizierte umfangreiche                        Das Interview führte               auch andere Medikamente eingesetzt wurden
amerikanische Studie der Women’s He-                                                                als heute üblich, nämlich Premarin, also konju-
alth Initiative (WHI) zu Einfluss und Ri-                         Claudia Reinke                    gierte Östrogene in einer Dosis von 0,625 mg,
siko der Hormonersatztherapie (HRT) auf                                                             und das synthetische Gestagen Medroxy-
die Gesundheit von Frauen in den Wechseljahren                                          progesteronacetat (MPA), 2,5 mg/Tag. Wie man heute weiss,
sorgte damals mit alarmierenden Ergebnissen bei Gy-                                     hat diese Kombination den grössten Effekt auf die Brust-
näkologen und Patientinnen gleichermassen für Un-                                       drüse. Dagegen zeigen die heute eingesetzten Gestagene
ruhe. Die beobachteten Nebenwirkungen, insbeson-                                        (z.B. natürliches Progesteron) deutlich geringere Effekte auf
dere die signifikant erhöhte Brustkrebsinzidenz nach                                    die Brustdrüse. Aber selbst bei der in der WHI-Studie einge-
HRT, führte zu einem drastischen Rückgang der HRT-                                      setzten Wirkstoffkombination wurden bei den Teilnehmerin-
Anwendung. In den letzten Jahren scheint sich das                                       nen der Verumgruppe nach 5 Jahren nur 8 Brustkrebsfälle
                                                                     Christian
Blatt wieder zugunsten der HRT zu wenden. Prof. Dr.                  De Geyter          mehr diagnostiziert als unter Plazebo, ein Effekt, der mit
med. Christian De Geyter, Chefarzt für gynäkologi-                                      p < 0,05 knapp statistisch signifikant war. Zu diesem Zeit-
sche Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am                                         punkt wurde die Studie abgebrochen.
Universitätsspital Basel, gibt Auskunft über die                                        Inzwischen weiss man, dass es nicht unbedingt die Östro-
Gründe und die aktuellen Empfehlungen der SGGG                                          gene waren, die diesen Effekt ausgelöst haben, denn wie
zur menopausalen Hormontherapie.                                                        später Subanalysen der WHI-Daten, unter anderem bei hys-
                                                                                        terektomierten Frauen, zeigten, führte die alleinige Östro-
doXmedical: Herr Professor De Geyter, in der letzten Zeit sind                          gengabe beispielsweise nicht zu einer Zunahme des Brust-
verschiedene Publikationen erschienen, die einseitige                                   krebsrisikos, sondern hatte im Vergleich zu Plazebo eher
Schlussfolgerungen aus den WHI-Studiendaten kritisieren                                 einen protektiven Effekt. Problematisch war hier also das
und den Nutzen der Hormonersatztherapie bei Wechseljahr-                                Gelbkörperhormon.
beschwerden wieder in den Vordergrund rücken. Hat sich die                              Auf Basis dieser Subanalysen wurde später ein sogenanntes
Einstellung zur HRT heute geändert und wenn ja, warum?                                  «Window of Opportunity» definiert, ein Bereich kurz nach Be-
Prof. Christian De Geyter: In die amerikanische WHI-Studie                              ginn der Menopause, in dem man mit der Hormontherapie
(1) wurden damals rund 16 000 Studienteilnehmerinnen ein-                               beginnen sollte, wenn Beschwerden vorliegen, da die Östro-
bezogen, unter ihnen viele Frauen, denen wir heute norma-                               gene zu diesem Zeitpunkt noch eine protektive Wirkung ent-
lerweise keine Hormonersatztherapie verschreiben würden.                                falten. Bei einem späteren Therapiebeginn, zum Beispiel
Das durchschnittliche Alter, in dem die Menopause eintritt,                             ≥ 10 Jahre nach der Menopause, überwiegen dagegen die Ri-
liegt in der Regel bei etwa 53 Jahren – das Durchschnittsalter                          siken, wie die WHI-Studie gezeigt hat. Ist der Östrogenman-
der Probandinnen lag in dieser Studie jedoch bei 63 Jahren,                             gel bereits über einen längeren Zeitraum vorhanden, fehlt
das heisst, die meisten Probandinnen hatten die Menopause                               beispielsweise der östrogenbedingte Blutgefässschutz, so-
längst hinter sich. Ausserdem bestanden bei zahlreichen                                 dass sich vermehrt atherosklerotische Plaques bilden. Setzt
Frauen bedeutende Risikofaktoren oder Vorerkrankungen                                   die Medikation erst zu diesem Zeitpunkt ein, überwiegen die
wie Adipositas, Hypertonie oder Rauchen. Mit dieser Studie                              nachteiligen Effekte des Hormons, und es kommt zu einem
hat man also unfreiwilligerweise die Risiken einer fehlappli-                           Anstieg des kardiovaskulären Risikos, das zu Herzinfarkten
zierten Hormonersatztherapie aufgezeigt, und dies mit aller                             oder Schlaganfällen führen kann.
Deutlichkeit. Daraus ergab sich eine gewisse Relativierung
ihres therapeutischen Nutzens. Die Konsequenz, die heute                                Wann ist aus Sicht der Schweizer Fachgesellschaften wie
daraus gezogen wird, ist, dass die HRT nur eingesetzt werden                            der Schweizerischen Menopausengesellschaft und der
sollte, wenn erhebliche klimakterische Beschwerden vorlie-                              Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Ge-
gen, und zwar in einer deutlich geringeren Dosis als jene, die                          burtshilfe (SGGG) der Einsatz einer HRT indiziert?
damals, also in den Siebziger- und Achtzigerjahren, üblich                              Die Hauptindikation für eine HRT ist das klimakterische Syn-
war. Dazu kommt, dass in der Verumgruppe der WHI-Studie                                 drom, also die häufig unerträglichen Beschwerden, die auf

                                                                       – 10 –
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den chronischen Östrogenmangel nach der Menopause zu-                                            trogene konditioniert. Wenn Sie also nach Östrogengabe be-
rückzuführen sind. Für die SGGG haben wir 2015 eine der                                          schwerdefrei sind, und Sie setzen daraufhin die Therapie ab,
heutigen Lehrmeinung entsprechende, ausführliche Stellung-                                       und die Beschwerden treten wieder auf und sollen durch er-
nahme mit aktuellen Empfehlungen zur HRT erarbeitet (2). Für                                     neute Östrogenzufuhr wieder therapiert werden, dann wird
manche Frauen können beispielsweise die Hitzewallungen                                           das Gehirn möglicherweise so geprägt, dass es quasi östro-
und unvermittelt auftretenden Schweissausbrüche sehr be-                                         genabhängig wird – die Verdrahtung, also die Synapsenbil-
lastend sein, und es hat sich gezeigt, dass die HRT hier lin-                                    dung, wird verändert. Letzteres führt dazu, dass das Gehirn ir-
dernd helfen kann. Voraussetzung ist, dass der Beginn der                                        gendwann so konditioniert wird, dass es nicht mehr ohne die
Menopause nicht zu lange zurückliegt. Es gibt heutzutage ja                                      Hormonzufuhr auskommt (2). Wenn man sich also für eine
noch keine wirksamen Alternativen. Die pflanzlichen Hor-                                         Therapie entscheidet, sollte man sie eine gewisse Zeit, zum
mone haben zwar einen gewissen Effekt, der auch belegt ist;                                      Beispiel bis zu 5 Jahre, durchführen, wobei jährliche Kontrollen
mit der Wirkung einer Hormonersatztherapie ist er allerdings                                     durchgeführt werden sollten. In der WHI-Studie zeigte sich das
nicht vergleichbar.                                                                              erhöhte Brustkrebsrisiko erst nach 5-jähriger Hormonein-
                                                                                                 nahme, daher diese zeitliche Begrenzung. Danach wird lang-
Ist die Osteoporose heute noch eine Indikation für die HRT?                                      sam versucht, die Dosis zu reduzieren.
Früher hatte man nur die HRT zur Osteoporoseprävention,                                          Ausnahmen hiervon sind beispielsweise Patientinnen, die, be-
dafür gibt es inzwischen jedoch eine Vielzahl von Alternati-                                     dingt durch Krankheit und/oder Chemotherapie, vorzeitig in
ven. Die Osteoporose allein ist also kein ausreichender                                          die Menopause kommen. Hier kann die östrogenfreie Zeit-
Grund mehr für eine Hormonbehandlung.                                                            spanne deutlich länger dauern als normalerweise – unter Um-
                                                                                                 ständen sogar bis zu 40 Jahre. Diesen Patientinnen raten wir
Die Risiken der Hormontherapie lassen sich ja trotz aller                                        in der Regel, bis zu dem Zeitpunkt Hormone einzunehmen, an
Vorsichtsmassnahmen nie völlig ausschliessen …                                                   dem sie normalerweise in die Menopause gekommen wären.
… natürlich nicht. Das Problem ist: Die Hormonersatztherapie
wird in einem Lebensalter verabreicht, in dem statistisch die                                    Welchen Patientinnen raten Sie von einer Hormontherapie ab?
meisten Brustkrebsfälle diagnostiziert werden.                                                   Allen Frauen, die Risikofaktoren aufweisen; dazu gehören
                                                                                                 eine familiäre Brustkrebsanamnese sowie aufgetretene
Wie beraten Sie also eine Patientin, für die eine HRT indi-                                      Thrombosen oder Embolien. Bei starken Wechseljahrbe-
ziert wäre, die hier jedoch eher ängstlich reagiert?                                             schwerden kann man noch versuchen, eine transdermale
Der erste Schritt ist immer eine ausführliche Familienana-                                       Darreichungsform zu wählen, die weniger Nebenwirkungen
mnese, danach folgt eine gründliche klinische Untersuchung                                       und geringere Auswirkungen auf die Gefässe und auf die Le-
mit einer Mammografie, eventuell in Kombination mit einem                                        ber hat. Transdermale Arzneiformen haben zudem den Vor-
Ultraschall, um vorhandene Risiken frühzeitig zu erkennen.                                       teil, dass sich ein relativ konstanter Wirkstoffspiegel ausbil-
Wenn beispielsweise die Mutter und/oder die Schwester an                                         det, der sich auch im Blut kontrollieren lässt. Die oralen
Brustkrebs oder anderen verwandten Krebsarten erkrankt                                           Arzneimittel müssen dagegen in der Leber metabolisiert wer-
sind, wird es diffizil. Dann muss man abwägen. Wenn die Vor-     Literatur:                      den; aus diesem Grund ist es hier wichtig, mögliche Wech-
untersuchungen allerdings keine negativen Befunde ergeben        1. Rossouw JE, Anderson GL,     selwirkungen mit anderen einzunehmenden Medikamenten
                                                                 Prentice RL, LaCroix AZ et
haben und das Beschwerdebild zudem gravierend ist, gibt          al.: Risks and benefits of      zu beachten. Letztlich gilt jedoch: Wer nicht unter starken kli-
                                                                 estrogen plus progestin in
man eine HRT, wobei man mit einer möglichst niedrigen Dosis                                      makterischen Beschwerden leidet, der sollte auch nicht un-
                                                                 healthy postmenopausal
einsteigen sollte, die dann nach Bedarf erhöht werden kann.      women: principal results        bedingt eine Hormontherapie beginnen. Man sollte im Auge
                                                                 from the Women’s Health
                                                                 Initiative randomized con-      behalten, dass es sich hier um ein Medikament und nicht um
Was empfehlen Sie im Hinblick auf die Therapiedauer?             trolled trial. JAMA 2002; 288   ein Nahrungsergänzungsmittel handelt.
                                                                 (3): 312–333.
Hier muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Wirkung      2. www.sggg.ch/filead-
                                                                 min/user_upload/Doku-
einer Hormontherapie immer an die Einnahme der Medikation                                        Eine HRT eignet sich also auch nicht als Anti-Aging-Mass-
                                                                 mente/3_Fachinformatio-
gebunden ist. Für viele Patientinnen ist das nicht unbedingt     nen/1_Expertenbriefe/de/4       nahme? Vor der WHI-Studie hatte man gelegentlich den
                                                                 2_Menopausale_Hormon-
ersichtlich. Man muss sie also bei Therapiebeginn bereits dar-   Therapie_2015.pdf               Eindruck, der Trend gehe in diese Richtung.
über informieren, dass es sich hier um eine Dauermedikation      3. De Geyter Ch, Raggi A,       Richtig, aber wir machen in erster Linie Medizin und nicht
                                                                 Setimann S: Konditionie-
handelt, bei der häufigere Auslassversuche gefährlich sein       rung durch die langfristige     Lifestyle.
                                                                 Einnahme von Östrogenen?
können. Denn Östrogene wirken im Gehirn auf die Synapsen-
                                                                 Schweiz Arch Neurol Psychi-
bildung, das heisst, das Gehirn wird auf die zugeführten Ös-     atr 2003; 154: 453–457.         Besten Dank für das Gespräch!                                 x

                                                                           – 11 –
Thema                                                         3 + 4 • 2017

                 Und was bietet die Phytotherapie
                      in den Wechseljahren?

Die Belastung der Schweizer Gewässer                                                           trächtigt. Die Bandbreite zwischen einer leich-
                                                     Gesa Otti-Rosebrock, Dorin Ritzmann
mit Östrogenen und Xenoöstrogenen                                                              ten Befindlichkeitsstörung und einem ausge-
hat ein so hohes Ausmass erreicht, dass                                                        prägten Krankheitsgefühl ist gross. Bestand
Östrogenfilter in den Abwasseranlagen notwendig                                  zum Beispiel bereits vorgängig ein prämenstruelles Syn-
wurden (1). Wie können wir diese Belastung für                                   drom, kann sich dieses perimenopausal verstärken und in
Mensch und Natur reduzieren? Phytotherapeutische                                 eine Depression übergehen. Hitzewallungen können den
Methoden können aus eigener Erfahrung bei etwa                                   nächtlichen Schlafrhythmus so sehr stören, dass Konzentra-
80 bis 90 Prozent der Betroffenen zu einer deutli-                               tionsstörungen, Müdigkeit und Leistungsabfall den Alltag
chen Verbesserung der Lebensqualität beitragen,                                  deutlich erschweren. Dieser ganze Prozess findet zwischen
sodass auf hormonaktive Substanzen verzichtet                     Gesa Otti-     dem 45. und dem 55. Lebensjahr statt.
                                                                  Rosebrock
werden kann. Neben einigen gezielten Fragen und                                  Unterschieden wird eine Prämenopause von einer Postme-
dem Grundwissen über pflanzliche Mittel benötigt                                 nopause. Der Begriff Menopause definiert lediglich die letzte
die Phytotherapie meist wenig Aufwand. Der Artikel                               reguläre Blutung, der während 12 Monaten keine weitere
gibt anhand von Beispielen einen Einblick in diese                               folgt. Die Prämenopause wird zusammen mit der 12-monati-
Methode. Wer themenspezifisch an der Phytothera-                                 gen blutungsfreien Zeit als Perimenopause (frühe und späte)
pie in der Gynäkologie interessiert ist, wende sich                              bezeichnet. Danach beginnt die Postmenopause (Tabelle).
bitte an die am Artikelende angegebenen Home-                                    Neben den Zyklusveränderungen können – ähnlich wie in der
pages.                                                                           Pubertät – emotionale Schwankungen, Unruhezustände, ver-
                                                                                 mehrte Reizbarkeit, Traurigkeit, Wut und Ärger auftreten.
                                                                Dorin Ritzmann
Wechseljahre – eine Zeit der Umbrüche                                            Und ebenso wie in der Pubertät ist alles eines Tages plötzlich
(Gesa Otti-Rosebrock)                                                            vorbei, und wir befinden uns in einem neuen Gleichgewicht.
Die Wechseljahre (Klimakterium) der Frau sind ein natürli-                       Nehmen wir uns also Zeit und finden über eine ausführliche
cher Vorgang. Am Ende stellt sich normalerweise ein hormo-                       Anamnese und im Einzelfall ergänzende Laboruntersuchun-
nelles Gleichgewicht ein. Dennoch sind 2 von 3 Frauen in die-                    gen heraus, in welchem Stadium des Wechsels sich die Frau
ser Phase über einen mittleren Zeitraum von 2 bis 7 Jahren                       befindet und wie wir sie am besten unterstützen können.
in ihrer Lebensqualität in unterschiedlichem Ausmass beein-
                                                                                 Vorteile der Phytotherapie
                                                                                 Die Phytotherapie (pflanzliche Arzneimittelheilkunde) arbei-
 Tabelle: Reproduktionsphasen der Frau                                           tet regulativ und versucht, die natürlichen Defizite/Dysba-
                                                                                 lancen entsprechend dem Zyklusgeschehen und dem Status
                                                                                 der Wechseljahre durch ein Vielstoffgemisch auszugleichen.
                                                                                 Hierbei bedient sie sich unter anderem hormonähnlicher
                                                                                 Pflanzenwirkstoffe, ohne die Risiken und Nebenwirkungen
                                                                                 einer klassischen menopausalen Hormonersatztherapie
                                                                                 (MHT) einzugehen. Durch die Kombination verschiedener
                                                                                 Pflanzenwirkstoffe entstehen zusätzlich synergistische Wir-
                                                                                 kungen (2).
                                                                                 Mittlerweile bietet die Phytotherapie ein weites evidenzba-
                                                                                 siertes Spektrum, basierend auf herkömmlichen traditionel-
                                                                                 len pflanzlichen Arzneimitteln. Neben den Evidenzlevels I
 Modifiziert nach Harlow SD et al., Menopause 2012
                                                                                 und II möchten wir betonen, dass dem sorgsamen Umgang

                                                                    – 12 –
Thema                                                     3 + 4 • 2017

Achillea millefolium               Cimicifuga racemosa                   Dioscorea villosa       Hamamelis virginiana           Hypericum perforatum

mit den Evidenzlevels III und IV (Vergleichsstudien, Exper-                                    spannen, Stimmungsschwankungen, erhöhte Reizbarkeit
tengruppen/«evidenzbasiertes Wissen») im Praxisalltag eine                                     Pathophysiologie: späte Prämenopause, Follikelreifungsstö-
wesentliche Rolle zukommt (Kasten).                                                            rungen mit Anovulation, ungehinderter Aufbau des Endome-
Anhand von drei typischen Fallbeispielen stellen wir die pa-                                   triums, Durchbruchsblutungen mit zum Teil starken und lang
thophysiologischen Zusammenhänge in den Wechseljahren                                          anhaltenden Blutungen
und ein jeweils individualisiertes phytotherapeutisches Kon-                                   Therapieansatz: Stabilisierung der Zykluslänge und der Blu-
zept praxisnah vor.                                                                            tungsstärke, Behandlung der prämenstruellen Symptome
                                                                                               Therapieoption:
Fallbeispiel 1                                                                                 • Vitex agnus-castus (Mönchspfeffer) (3–6)
48-jährige, perimenopausale Patientin:                                                         • Passiflora, Melisse, Pestwurz (7, 8).
Symptome: Zyklusunregelmässigkeit in Form einer Tendenz
zu selteneren, aber langen und starken Blutungen, Brust-                                       Kommentar (Dorin Ritzmann)
                                                                                               In der Prämenopause ist es wichtig, einen einigermassen
                                        Kasten:                                                regelmässigen Zyklus zu erhalten. Damit verringert sich das
                       Evidenzlevel Empfehlungsgrad                                            Risiko starker und lang anhaltender Blutungen ebenso wie
                                                                                               progredientes Myomwachstum und prämenstruelle Be-
 Ia      Evidenz durch die Metaanalyse von randomisierten, kontrollierten Untersu-
         chungen.                                                                              schwerden. Dies kann mit den Hauptpflanzen Daucus carota
 Ib      Evidenz durch mindestens eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung.              Flos et Fructus (Wilde Möhre), Vitex agnus-castus Fructus
         Es ist in der Literatur, die gesamthaft von guter Qualität und Konsistenz sein
                                                                                               (Mönchspfeffer), Achillea millefolium Herba (Schafgarbe)
         muss, mindestens eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung vorhanden,
         die sich auf die konkrete Empfehlung bezieht (Evidenzlevel Ia, Ib).                   und Hamamelis virginiana Folium (Zaubernuss) gut erreicht
 IIa     Evidenz durch mindestens eine gut angelegte, kontrollierte Studie ohne Ran-           werden.
         domisierung.
                                                                                               Eine typische Urtinkturmischung (1-mal täglich 10 Tropfen
 IIb     Evidenz durch mindestens eine gut angelegte andere, quasiexperimentelle
         Studie.                                                                               oral) kann so aussehen:
 III     Evidenz durch gut angelegte, beschreibende Studien, die nicht experimentell           • 30 ml Daucus carota Flos et Fructus (9, 10)
         sind, wie Vergleichsstudien, Korrelationsstudien oder Fallstudien.                    • 30 ml Hamamelis virginiana Folium (11, 12)
         Es sind zum Thema der Empfehlung gut kontrollierte, klinische Studien vor-
         handen, aber keine randomisierte, klinische Untersuchungen (Evidenzlevel
                                                                                               • 20 ml Achillea millefolium Herba (13, 14)
         IIa, IIb, III).                                                                       • 20 ml Vitex agnus-castus Fructus.
 IV      Evidenz durch Expertenberichte oder Meinungen und/oder klinische Erfah-               In diese Zeit fällt der Beginn der Gewichtszunahme, die als
         rung anerkannter Fachleute.
                                                                                               Vorbereitung auf das Alter physiologisch ist. In der prä-
         Es ist Evidenz vorhanden, die auf Berichten oder Meinungen von Experten-
         kreisen basiert und/oder auf der klinischen Erfahrung von anerkannten Fach-           menopausalen Zeit produziert der weibliche Körper viel
         leuten. Es sind keine qualitativ guten, klinischen Studien vorhanden, die direkt      Östrogen und nimmt gleichzeitig an Körperfett zu, um das
         anwendbar sind (Evidenzlevel IV).
                                                                                               Östrogen einzulagern. Dadurch kann die Frau zwischen dem
 Übersetzt aus dem Englischen (Quelle: RCOG Guidelines Nr. 44, 2006)                           45. und 55. Lebensjahr um bis zu 10 kg zunehmen. Dies dient

                                                                                      – 14 –
3 + 4 • 2017                                                         Thema

Lavandula angustifolia         Melissa officinalis folium   Passiflora incarnata Follium     Salvia officinalis             Vitex agnus-castus Fructus

als Depot, das dann zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr                                    medical smoothie» (Grünsaft) in flüssiger Form eingenom-
langsam wieder abgebaut wird, was sich in einer durch-                                     men werden können. Zusätzlich hat sich eine Kombination
schnittlichen Gewichtsabnahme von etwa 8 kg äussert.                                       von folgenden drei Ölen als Nahrungszusatz bewährt: je ein
Östrogen ist ein Elastizitätshormon, das Herz, Hirn, Knochen                               Teelöffel Leinöl (Linum usitatissimum), Hanföl (Cannabis sa-
und Gefässe anpassungsfähig hält. Daher ist dieser Ge-                                     tiva) und Leindotteröl (Camelina sativa). Sie alle sind reich
wichtsbogen von grosser Bedeutung für ein gesundes Altern.                                 an antiphlogistisch wirksamen Omega-3-Fettsäuren.
                                                                                           Bei akuten Beschwerden, wie in obigem Fall, liegt der
Fallbeispiel 2                                                                             Schwerpunkt auf einer Verminderung der Wallungen, da
50-jährige, postmenopausale Patientin                                                      diese meist die Hauptursache der Schlafstörungen und da-
Symptome: permanente Hitzewallungen am Tag und in der                                      mit indirekt von Erschöpfung und Unruhe sind. Eine
Nacht, Schlafstörungen, Herzrasen, Gewichtszunahme und                                     Wallungsabnahme kann mithilfe der nordamerikanisch-in-
Hypercholesterinämie                                                                       dianischen Heilpflanze Cimicifuga racemosa Radix (Trauben-
Pathophysiologie: frühe Postmenopause; Abnahme der                                         silberkerze) in Kombination mit Ribes nigrum Folium
Ovarfunktion, überaktiver hypothalamischer GnRH-Puls-                                      (Schwarze Johannisbeere) (21, 22) und Salvia officinalis Fo-
generator durch ungenügende negative Rückkopplung der                                      lium (Salbei) angestrebt werden. Noch wirksamer sind Kom-
ovariellen Hormone. Neurotransmitter synchronisieren den                                   binationen mit Nervina wie Humulus lupulus Fructi (Hopfen),
Pulsgenerator und stimulieren weitere hypothalamische                                      Hypericum perforatum Herba (Johanniskraut) und/oder Me-
Neurone, die zum Beispiel die Herzaktivität und die Körper-                                lissa officinalis Folium (Zitronenmelisse) (23–25). Herzrasen,
temperatur regulieren.                                                                     eine weitere typische Beschwerde des Klimakteriums,
Therapieansatz: Stabilisierung des hypothalamischen Puls-                                  spricht gut auf Crataegus oxyacantha Folium et Flores
generators, Verbesserung der Blutfettwerte, Reduktion des                                  (Weissdorn) an (Urtinktur direkt auf die Zunge gegeben).
Gewichts                                                                                   Weissdorn kann ergänzend auch als Nahrungsmittel täglich
Therapieoption:                                                                            eingenommen werden, zum Beispiel als junges Blatt in Salat
• Cimifuga racemosa (Traubensilberkerze) (15–17)                                           und Gemüse.
• Salvia officinalis (Salbei) (18)
• Crataegus oxyacantha (Weissdorn) (19)                                                    Fallbeispiel 3
• Humulus lupulus (Hopfen) (20)                                                            57-jährige, postmenopausale Patientin
                                                                                           Symptome: Depressionen, Gelenkschmerzen, Osteopenie
Kommentar (Dorin Ritzmann)                                                                 Pathophysiologie: späte Postmenopause
Menopausale Beschwerden kommen meistens wellenartig                                        Therapieansatz: Stimmungsaufhellung und Antriebsteige-
und pendeln zwischen hochakut bis zu kaum mehr wahr-                                       rung, antiphlogistisch, immunstabilisierend, Erhalt der Kno-
nehmbar. Grundsätzlich lohnt sich eine Ernährung mit viel                                  chenmasse
frischem Blattgemüse und Blattsalaten, die auch als «green

                                                                       – 15 –
Thema                                                                      3 + 4 • 2017

                                                                                                         Fazit (Gesa Otti-Rosebrock)
                                                                                                         Eine Basismedikation mit einem phyto-
                                                                                                         therapeutischen Arzneimittel (Fertigpro-
                                                                                                         dukt) kann durch eine individuell zu-
                                                                                                         sammengestellte Urtinkturmischung (Ma-
                                                                                                         gistralrezept) ergänzt oder auch ersetzt
                                                                                                         werden. So lässt sich die Einnahme meh-
                                                                                                         rerer Einzelprodukte reduzieren und die
                                                                                                         Compliance erhöhen.
                                                                                                         Die Wechseljahre möglichst natürlich zu
                                                                                                         begleiten und in dieser Übergangszeit in-
Daucus carota                                       Humulus lupulus                                      dividuell unterstützt zu werden, ent-
                                                                                                         spricht zunehmend dem Wunsch der
                                                                                                         Frauen in unserer Gesellschaft. Dabei ist
                                                                                                         es hilfreich, den Ratsuchenden die phy-
                                                                                                         siologischen Prozesse zu erklären und sie
                                                                                                         zu motivieren, ihren Lebensstil diesen Ver-
                                                                                                         änderungen anzupassen. Ergänzend zu
                                                                                                         den vorgestellten Möglichkeiten phyto-
                                                                                                         therapeutischer Behandlung gehören
                                                                                                         dazu Themen wie Ernährung, körperliche
                                                                                                         Bewegung, die Beziehungspflege sowie
                                                                                                         der sorgsame Umgang mit sich selbst.
                                                                                                         Das schützende Östrogen und die Orien-
Ribes nigrum Folium                                 Crataegus oxyacantha
                                                                                                         tierung am «Wir» lassen nach, und das
Therapieoption:                                                                bleibende «Ich» muss sich erst neu finden und Vertrauen fas-
• Hypericum perforatum (Johanniskraut) (26, 27)                                sen. Achtsamkeitsbasierte Übungsverfahren zur Verbesse-
• Trifolium-pratense-Isoflavon-Extrakt (Rotklee) (28)                          rung der Selbstwahrnehmung und der Selbstfürsorge sind
                                                                               für Frauen dieser Altersgruppe besonders hilfreich. Sie er-
Kommentar (Dorin Ritzmann)                                                     möglichen eine Neudefinition der Haltung gegenüber den
Wie bleiben wir gesund und munter im Alter? Depressionen,                      körperlichen und gesundheitlichen Veränderungen und
Gelenkschmerzen und Osteopenie betreffen nicht aus-                            schaffen Spielräume für die Neuorientierung für den kom-
schliesslich Frauen. Drei Bereiche sind mit Wohlbefinden im                    menden Lebensabschnitt.
Alter korreliert: eine gute Paarbeziehung, körperliche Bewe-                   Korrespondenzadressen:
gung und eine kleine geistige Herausforderung wie Schach-                      Dr. med. Gesa Otti-Rosebrock
                                                                               Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe
spielen, Kreuzworträtsellösen oder Schreiben. Daneben hilft                    Rebenweg 34
                                                                               2503 Biel
eine gesunde Ernährung mit den oben erwähnten drei Ölen
                                                                               E-Mail: g.or@praxisfrauenmedizin-biel.ch
sowie viel Blattgemüse und Blattsalat. Leichte bis mittel-
                                                                               Dr. med. Dorin Ritzmann
schwere Depressionen sprechen sehr gut auf Hypericum per-                      Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe
foratum Flos (Johanniskraut) an. Eine Kombination mit La-                      Medizin Feminin AG
                                                                               Austrasse 35a
vandula angustifolia Flos (Lavendel) (29, 30) und Passiflora                   8953 Dietikon
                                                                               E-Mail: dorin.ritzmann@medizinfeminin.ch
incarnata Folium (Passionsblume) kann zusätzlich angstlö-
send wirken. Gelenkschmerzen und die Abnahme der Kno-                          Gerne verweisen wir auf folgende Links:
                                                                               www.smgp.ch (Schweizerische Gesellschaft für Phytotherapie)
chendichte sprechen meist gut auf eine lokale antiphlogisti-                   www.herbadonna.ch
sche Behandlung an. Dies kann phytotherapeutisch mittels                       www.phytogyn.ch (praktische Phytotherapie in der Gynäkologie, D. Ritzmann)

der indianischen Heilpflanze Dioscorea villosa Radix (Wilder                   alle Bilder © Dorin Ritzmann
Yams) (31–34) als Emulsion erreicht werden. Eine Kombina-
tion mit Larix decidua Terebintha (Lärche) erhöht die analge-
tische Wirkung deutlich.

                                                                      – 16 –
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