TAUNUSKAMM DOKUMENTATION - Kellerskopf, Platte, Eiserne Hand, Hohe Wurzel, Hohe Kanzel, Eichelberger Mark

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TAUNUSKAMM DOKUMENTATION - Kellerskopf, Platte, Eiserne Hand, Hohe Wurzel, Hohe Kanzel, Eichelberger Mark
DAS
NAHERHOLUNGSGEBIET
   TAUNUSKAMM
          DOKUMENTATION

  Kellerskopf, Platte, Eiserne Hand, Hohe Wurzel,
          Hohe Kanzel, Eichelberger Mark

        Herausgeber: Verein Rettet den Taunuskamm
TAUNUSKAMM DOKUMENTATION - Kellerskopf, Platte, Eiserne Hand, Hohe Wurzel, Hohe Kanzel, Eichelberger Mark
DER TAUNUSKAMM

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TAUNUSKAMM DOKUMENTATION - Kellerskopf, Platte, Eiserne Hand, Hohe Wurzel, Hohe Kanzel, Eichelberger Mark
IM RHEIN-MAIN-GEBIET

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    Quellen: Hessisches Landesvermessungsamt und OpenStreetMap / 03-2013
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INHALT

    KARTE                                 2   8. INSTRUMENTE ZUR UMSETZUNG           25
    DER TAUNUSKAMM                               DER PLANUNGSZIELE
    IM RHEIN-MAIN-GEBIET                         • Naturparks
                                                 • Landschaftsschutzgebiete
    VORWORT                              6
                                              9. ERHOLUNGSWALD                       28
    ZIEL DER PUBLIKATION                  7      • Schutzwald
                                                 • Bannwald
    TEIL 1
    PLANUNGSANFORDERUNGEN                     10.FREIRAUMSICHERUNG                   29
    AN DEN LANDSCHAFTSRAUM                       UND -ENTWICKLUNG
    UND RISIKEN                                  • Freiraumsicherung
    VON WINDENERGIEANLAGEN                       • Naturräume
                                                 • Regionaler Grünzug
1. NATURRAUM TAUNUS                      9
                                              11. SCHUTZ VON NATUR                   32
2. RISIKEN VON WINDENERGIEANLAGEN        11       UND LANDSCHAFT
   • Gefährdung durch Eiswurf
   • Schattenwurf und „Disco-Effekt“          12. KLEINKLIMA                         33
   • Lärmwirkungen durch Schall
   • Gefahren durch Blitzschlag               13. GRÜNORDNUNGS- UND                  34
                                                  BEBAUUNGSPLÄNE FÜR
3. WIRKUNGEN AUF LANDSCHAFTSBILD         17       NIEDERNHAUSEN, SCHLANGENBAD,
   UND WALDFUNKTIONEN                             TAUNUSSTEIN UND WIESBADEN
                                                  • „Örtliches Biotopverbundsystem
4. NATURA 2000 SCHUTZGEBIETE             18         Taunuskamm“
                                                  • „Örtliche Vorranggebiete für
5. WALD AM TAUNUSKAMM                    20         besondere Klimafunktionen"
   • Waldbestand und -schädigung                  • „Örtliche Naherholungsgebiete“
   • Bedeutung des Waldes für Arten               • Bodenschutz
     und Lebensgemeinschaften                     • Lärmschutz
                                                  • Abwägungsanforderungen
6. FRISCHLUFTENTSTEHUNGSGEBIETE          22       • Planerische Instrumente

7. LANDSCHAFTSBILD UND                   23      KARTE                               38
   LANDSCHAFTSBEZOGENE ERHOLUNG                  NAHERHOLUNGSREGION
   • Schutzkriterien                             TAUNUSKAMM
   • Landschaftsbildanalyse                      UND BÄDERLANDSCHAFT
   • Erhaltungs- und Entwicklungsziele
   • Beliebte Ausflugsziele bzw.
     Erholungsbereiche
   • Überörtlich bedeutsame Wegeverbindung

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INHALT

  TEIL 2                                       8. RADWEGE UND RADFERNWEGE               52
  WOHNEN UND NAHERHOLUNG                          • Fernradweg 3
                                                  • Fernradweg R6
1. EINWOHNER RUND UM DEN                 40       • Fernradweg R8
   TAUNUSKAMM                                     • Informationen über Radwege auf der
                                                    Internetseite der Stadt Taunusstein
2. DER STADTWALD TAUNUSSTEIN             40       • Limes-Radweg

3. DER NIEDERNHAUSENER WALD               41   9. WINTERSPORT                           54
   • Das Gebiet um die Hohe Kanzel
     in Engenhahn                              10.REITSPORT                             56
   • Die Eichelberger Mark bei Oberjosbach
                                               11. TENNISANLAGE SEITZENHAHN             57
4. FREIZEITPARKS                          42
   • Das Taunus Wunderland                     12. GOLFPLATZ CHAUSSEEHAUS               58
   • Die Fasanerie Wiesbaden
                                               13. GRILLPLÄTZE                          58
5. KURSTÄDTE                              43
   • Kurstadt Wiesbaden                        14.HISTORISCHE BAUTEN/                   59
   • Staatsbad Bad Schwalbach                     BESONDERHEITEN
   • Staatsbad Schlangenbad                       • Das Jagdschloss Platte
                                                  • Die Aartalbahn
6. TRADITIONELLE AUSFLUGSZIELE           46       • Kleinkastell Heidekringen
   • „Die Platte“                                 • Kastell Zugmantel
   • Gasthof Jagdschloss Platte                   • Jagdschloss Fasanerie
   • Restaurant „Waldgeist“ Eiserne Hand
   • Haus Tannenburg                           15. DER FRIEDWALD HIRSCHWIESE            62
   • Restaurant-Waldcafé Schläferskopf             IN TAUNUSSTEIN
   • Restaurant Kellerskopf
                                               16.STELLUNGNAHMEN                        63
7. WANDERWEGE                         48
   • Die Wanderwege                            17. FOTO-DOKUMENTATION                   71
     des Rhein-Taunus-Klub e.V.
   • Die Wanderwege des Naturparks                ANHANG VERWENDETE LITERATUR/          72
     Rhein-Taunus                                 SONSTIGE QUELLEN
   • Der Europäische Fernwanderweg E3
   • Der Rheinhöhenweg                            IMPRESSUM                             73
   • Die Oranierroute
   • Die Taunussteiner Runde                      KARTE                                 74
   • Der Aar-Höhenweg                             DIE FRAGWÜRDIGE PLANUNG
   • Die Niedernhausener Wanderwege               VON WINDKRAFTANLAGEN
                                                  AUF DEM TAUNUSKAMM

                                                                                        5
TAUNUSKAMM DOKUMENTATION - Kellerskopf, Platte, Eiserne Hand, Hohe Wurzel, Hohe Kanzel, Eichelberger Mark
VORWORT

Der Taunuskamm ist das bedeutende Naherholungsgebiet im Rhein-Main-Gebiet. Dieses Na-
tur- und Erholungsgebiet bietet mitten in einem Ballungszentrum eine Vielfalt an Freizeit-,
Sport- und Naturerlebnismöglichkeiten für mehrere hunderttausend Menschen. Steigende
Touristenzahlen belegen die Attraktivität dieses einzigartigen, größten unzerschnittenen
Laub-/Buchenwaldes im westdeutschen Mittelgebirge. (Greenpeace 04/2011 „Rotbuchenwäl-
der im Verbund schützen.“)

Vom „Jagdschloss Platte“ über „Eiserne Hand“ und „Hohe Wurzel“ bis zum Taunus Wunderland
ist für jeden von jung bis alt etwas dabei. Während auf der „Platte“ an den Wochenenden „der
Bär tobt“, kann man Richtung Eiserne Hand und Hohe Wurzel die Natur genießen. Wanderer
und Naturliebhaber finden hier entlang der zahlreichen und vielfältig genutzten Wander-
und Radwege „Natur pur“. Hier kann man sowohl das heimische Rotwild sowie die seltenen
Rotmilane beobachten oder die Spuren der geschützten Wildkatze suchen. Im Anschluss an
die „Hohe Wurzel“ lockt das Taunus Wunderland jährlich bis zu zweihundertfünfzigtausend
Besucher an. Bekannt im ganzen Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus ist die traditionelle
Gastronomie, die Kultcharakter genießt.

So verwundert die zusammenfassende Bewertung des Bundesamtes für Naturschutz nicht:

                                Der Taunuskamm
                      ist eine schutzwürdige Landschaft.
                                Bundesamt für Naturschutz, www.bfn.de

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ZIEL DER PUBLIKATION

Die nachhaltige Sicherung und Entwicklung des Freiraums für
• Arten- und Biotopschutz durch ein (über-)örtliches Biotopverbundsystem,
• Klimaschutz und Klimaadaption,
• Gewässerschutz,
• Erholung und
• Land- sowie Forstwirtschaft
und die Erhaltung der Kulturlandschaft sowie der Schutz des vielfältigen Landschaftsbildes
sind das Leitbild für die regionalplanerische Entwicklung auch des Taunus. Nachfolgend wird
in Teil 1, ausgehend von der historischen Nutzungsentwicklung des Taunuskammes aus dem
normativen Schutz der dort festgesetzten Flora-Fauna-Habitat Schutzgebiete (Natura 2000)
und den Schutzaufträgen der Landschaftsrahmenplanung und des Regionalplanes, aufge-
zeigt, dass die Stadtverordnetenversammlungen der Taunusgemeinden es in der Hand ha-
ben, die Erholungsfunktionen auf dem Taunuskamm zu stärken und damit die Entscheidung
der Regionalen Planungsversammlung über den Teilplan Windenergie beeinflussen und Be-
einträchtigungen durch die geplanten Anlagen abwehren können.
Notwendig sind dazu zeitnahe Beschlüsse zu konkreten kommunalen Planungszielen und
zur Aufstellung einer Grünordnungsplanung und Bebauungsplanung für die Flächen des
Taunuskammes, deren Inhalt erläutert wird.
In Teil 2 werden - zum Teil mit Originalzitaten - die Rahmenbedingungen und Attraktionen der
Naherholung rund um den Taunuskamm belegt.

       „Schöne Landschaft ist zu einem knappen Gut geworden.
               Ein knappes Gut ist ein wertvolles Gut.“
          „Wer Natur und Landschaft unüberlegt verbraucht
       oder ihre Qualitäten herabsetzt, handelt grob fahrlässig
               gegenüber kommenden Generationen.“
                                    Prof. Dr. Hans Hermann Wöbse
                                   iup Leibniz Universität Hannover

                                                                                          7
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„Das Gebiet Taunus/Rheingaugebirge wäre
         aufgrund seiner günstigen Waldausstattung
    für die Einrichtung eines Nationalparks prädestiniert“.
                Greenpeace 04/2011: „Rotbuchenwälder im Verbund schützen.“

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PLANUNGSANFORDERUNGEN AN DEN LANDSCHAFTSRAUM
           UND RISIKEN VON WINDENERGIEANLAGEN

                                    1. NATURRAUM TAUNUS

Der Taunus ist Teil des rheinischen Schiefer-      wesen sein. Zahlreiche Hügelgräber und be-
gebirges. Das Wort Taunus ist keltischen Ur-       stehende keltische Ringwallanlagen zeugen
sprungs und bedeutet so viel wie „die Höhe“.       von einer ersten nennenswerten Besiedelung
Dies war bis Ende des 19. Jahrhunderts die         des Raumes. Heute noch bedeutende Wege-
landläufige Bezeichnung der Kammregion.            und Verkehrsverbindungen, wie z.B. die Bä-
Die Kammlandschaft des Hohen Taunus ist            derstraße oder die Verbindung über die Id-
als Teil des Rheingaugebirges ein naturnaher,      steiner Senke, lassen sich auf diese Erstbesie-
weitgehend von Siedlungs- und Verkehrswe-          delung zurückführen.
gen unzerschnittener Raum mit einer Größe          Erst ab der späten Eisenzeit (4. Jh. v. Chr., kel-
von über 100 km². Der Waldanteil im gesam-         tische Besiedlung) und in der nachfolgenden
ten Taunus liegt mit über 50 % deutlich über       Römerzeit gab es die ersten erheblichen Ein-
dem Landesdurchschnitt.                            griffe in die Vegetation des Hohen Taunus. So
Die naturräumliche Haupteinheit des Hohen          legten die Römer entlang des östlichen Tau-
Taunus zieht sich auf einer Länge von 75 km        nuskammes den Limes als Grenzanlage des
kammförmig vom Fichtenkopf bei Ass-                Römischen Reichs und mehrere Kastelle an.
mannshausen am Rhein über den Großen
Feldberg bei Oberreifenberg bis zum Johan-         Obwohl aus der römischen Herrschaftszeit
nisberg westlich von Bad Nauheim und lässt         das wohl bekannteste historische Bauwerk
sich in sechs naturräumliche Untereinheiten        des Taunus, der Limes, herrührt, hat die nach-
gliedern.                                          haltigste Veränderung des Raumes zu einer
Eine geologische Besonderheit im Hohen Tau-        agrarisch geprägten Kulturlandschaft erst im
nus besteht darin, dass in den Randlagen des       Mittelalter begonnen. Der Bevölkerungsan-
ohnehin schmalen Höhenzuges die Gesteins-          stieg hat dabei zu der Entstehung der mei-
unterlage z.T. schon von Tonschiefern gebildet     sten im Östlichen und Westlichen Hintertau-
wird, obwohl der Hohe Taunus als Quarzit-          nus noch vorhandenen Siedlungen geführt.
kamm definiert ist.                                Im Frühmittelalter erfolgte im Vortaunus
Flora und Vegetation des Taunus waren im           eine Siedlungsexpansion durch Alemannen
Laufe der Erdgeschichte im Wechsel der Kli-        und Franken. Klimaerwärmung und starke
maverhältnisse und später unter dem Ein-           Bevölkerungszunahme bedingten die hoch-
fluss des Menschen einem stetigen Wandel           mittelalterliche Rodungsperiode vom 11. Jahr-
unterworfen. Der Einfluss des Menschen kam         hundert bis Anfang des 14. Jahrhunderts. Der
im Hohen Taunus erst vergleichsweise spät          Ackerbau drang bis weit in heute wieder be-
zum Tragen. Die neolithische Revolution mit        waldete Areale höherer Lagen vor. Die Ent-
der Einführung von Ackerbau und Viehzucht          waldungen förderten die Bodenerosion mit
wirkte sich zunächst überwiegend auf die           der Folge von zum Teil massiven Abtragun-
fruchtbaren und klimatisch begünstigten            gen, die heute als mitunter dicht beieinander
Lössgebiete des Taunus-Vorlandes aus. An-          liegende, mehrere Meter tiefe Erosionsrinnen
fang des 3. Jahrhunderts v. Chr. dürfte der Tau-   (Runsen) sichtbar sind.
nus noch vollständig von Wald bedeckt ge-          Der Holzbedarf u.a. für Glas- und Eisenmanu-

                                                                                                   9
TAUNUSKAMM DOKUMENTATION - Kellerskopf, Platte, Eiserne Hand, Hohe Wurzel, Hohe Kanzel, Eichelberger Mark
1. NATURRAUM TAUNUS

fakturen und die Übernutzung des Waldes         Ende des 18. Jahrhunderts wurden im Zuge
durch Waldweide, Eichen- und Bucheckern-        der Wiederbewaldung durch die nachhaltige
mast sowie durch Laubstreunutzung und           Forstwirtschaft die Kahl- und Heideflächen in
Plaggenwirtschaft führten zu großflächigen      den Höhenlagen des Hintertaunus und des
Waldverlusten und -auflichtungen und zur        Hohen Taunus vorwiegend mit Fichten auf-
Entstehung podsoliger Heiden und Hutungen.      geforstet.
Viele noch heute übliche Flurbezeichnungen,     Die Niederwaldnutzung spielte in den Rhein-
wie z.B. Kemeler Heide, Riedelbacher Heide      gauer Waldungen und im Umfeld von Bad
oder Sandplacken weisen auf die Struktur der    Nauheim bis Ende des 19. Jahrhunderts eine
damaligen Landschaft hin.                       wichtige Rolle. Anhand von Dominanzvor-
Im 16. Jahrhundert setzte sich die intensive    kommen der Eiche lassen sich die ehemaligen
Nutzung verbliebener Waldbereiche fort.         Eichenschälwaldabteilungen noch nachvoll-
Steigende Bevölkerungszahlen, Zunahme der       ziehen. Allerdings sind auch hier im Nach-
Köhlerei, Waldweide und Waldstreunutzung        hinein die günstigeren Standorte mit Fichten
führten bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahr-    bzw. Nadelholz aufgeforstet worden.
hunderts zu einer weitgehenden Entfernung       Mit Beginn der Industrialisierung in der
des Waldes und Ausbreitung einer heideähn-      Rhein-Main-Ebene entwickelten sich im Vor-
lichen Vegetation. Mit der Agrarreform ab ca.   taunus zunächst Arbeiterwohnstätten. In-
1800 begannen die Intensivierung der Land-      folge der wirtschaftlichen Entwicklung kam
wirtschaft, die Abkehr von der Waldweide so-    es im Vortaunus und in der Idsteiner Senke zu
wie die Einführung der geregelten Forstwirt-    erheblichen Siedlungs-, Gewerbe- und Infra-
schaft. Hutungen wurden größtenteils auf-       strukturansiedlungen. Aber auch in Teilberei-
geforstet. Aus der damals geöffneten Land-      chen des Östlichen und Westlichen Hinter-
schaft des Hohen Taunus entwickelte sich        taunus führte die Ausdehnung der Siedlun-
wieder ein überwiegend geschlossenes Wald-      gen und der Infrastruktur zur Beseitigung der
land.I                                          landschaftsprägenden Ortsrandstrukturen.II

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2. RISIKEN VON WINDENERGIEANLAGEN

Die Städte Taunusstein, Wiesbaden und
das lokale Energieversorgungsunternehmen
ESWE wollen in einem Joint Venture mit der
Bezeichnung „ESWE Taunuswind GmbH“ auf
dem Taunuskamm vorerst ca. 30 Windkraft-
räder errichten. Diese sollen eine Nabenhöhe
von 140 Metern und somit eine zu erwarten-
den Gesamthöhe von knapp 200 Metern ha-
ben.III Die vom Betrieb der Anlagen ausge-
henden Wirkungen werden nachfolgend als
Ergebnis einer Literaturstudie zusammenge-
fasst.

Gefährdung durch Eiswurf
Die Drehbewegung der Rotorblätter von

                                                                                                    Foto: Privat
Windenergieanlagen führt bei entsprechen-
der Witterung mit Temperaturen um den Ge-
frierpunkt oder darunter zu einer schnelleren      durch den Wind beachtet werden muss. Vor
Abkühlung an den Flügeln, zum Gefrieren der        allem kurz vor der automatischen Abschal-
Nässe (Kondenswasser, Nebel, Regen) und zur        tung und insbesondere beim Wiederanfahren
verstärkten Eisbildung. Es besteht die Gefahr,     der Anlage nach einer Abschaltung ist die Eis-
dass sich Eisstücke lösen und die Umgebung         wurfgefahr besonders groß. Stellvertretend
der Windkraftanlagen gefährden (Eiswurf).          für zahlreiche andere Veröffentlichungen
[http://de.wikipedia.org/wiki/Eiswurf] Auf-        über Eiswurf-Meldungen sei hier die Samm-
grund der Drehbewegung der Flügel können           lung von Vorfällen von Krämer benannt.IV
Eisstücke in einem größeren Radius um die          Die Gefahr des Eiswurfs liegt in Sach- und
Anlage geschleudert werden. In gefährdeten         Personenschäden; das Risiko tödlicher Verlet-
Lagen müssen Windenergieanlagen zur Ver-           zungen ist nicht ausgeschlossen. Warntafeln
meidung von Eiswurf mit Eiserkennungs-             im Umfeld der Windenergieanlagen allein
und Eisabschaltsystemen ausgestattet wer-          sind unzureichend. Trotz der technischen
den, die in Gefahrensituationen die Anlage         Möglichkeiten automatischer Abschaltsys-
automatisch abschalten.                            teme dürfen daher Windkraftanlagen auf-
Obwohl moderne Anlagen mit diesen auto-            grund der verbleibenden Gefährdung nicht in
matischen Abschaltanlagen ausgestattet             Bereichen errichtet werden, die von Men-
sind, ist die Gefahr des Eiswurfs nicht generell   schen und/oder durch Tierhaltung genutzt
zu verhindern. Zum einen wird immer wieder         werden. Der Gefahr des Eiswurfs muss u.a.
berichtet, dass es zu Ausfällen dieser Technik     durch entsprechende Abstände der Standorte
kommt, was Pressemeldungen über Eiswurf            der Windkraftanlagen zu Wohnhäusern, zu
in einem Radius bis über 100 m erklärt.            landwirtschaftlich genutzten Grün- und Acker-
Aber auch bei abgeschalteten Anlagen ist der       flächen sowie zu Rad- und Wanderwegen,
Bereich um den Turm und unter den Rotor-           Waldwegen, Parkplätzen, Straßen usw. begeg-
blättern gefährdet, wobei die Ablenkung            net werden. Faktisch sind alle Bereiche be-

                                                                                               11
2. RISIKEN VON WINDENERGIEANLAGEN

troffen, die von Personen - seien es Land- oder
Forstwirte, Spaziergänger, Wanderer, Skiläu-
fer, Radfahrer - aufgesucht werden.

Schattenwurf und „Disco-Effekt“
Vom Betrieb von Windkraftanlagen gehen
schädliche Umwelteinwirkungen auch durch
Schattenwurf und Lichtreflexionen aus. Der
Schatten des bewegten Rotors ruft im Ge-
gensatz zu unbewegten Gegenständen peri-
odische Helligkeitsschwankungen am Im-
missionsort hervor. Von vielen Menschen
wird dies als Bedrohung wahrgenommen. Es
führt zu einem erhöhten Adrenalinausstoß
und in Folge zu instinktivem Fluchtreflex und

                                                                                                  Foto: Privat
Stress und stellt somit eine gesundheitliche
Belastung dar.
Wissenschaftlich konnte die Stressorwirkung       gengröße nimmt der Wirkungsbereich zu.
des periodischen Schattenwurfs durch Un-          Aussagen des Deutschen Windenergie-Insti-
tersuchungen des Instituts für Psychologie an     tuts (DEWI) belegen, „dass die Schattenwurf-
der Christian-Albrechts-Universität in Kiel       problematik gerade bei größeren Anlagen, ins-
durch zwei Studien belegt werden. Im Rah-         besondere jenen im Megawattbereich, einen
men der im Jahr 1999 durchgeführten Unter-        größeren Mindestabstand zu Wohnhäusern
suchung im Umfeld von Windenergieanla-            notwendig macht, als der von Windrädern ver-
gen gaben „61,9 % der befragten Personen          ursachte Schall. Auch kommt es aufgrund der
eine empfundene Belästigung durch Geräu-          größeren Rotorblätter bei größeren Anlagen
sche, 43,5 % durch periodischen Schatten, je-     zu einer Erhöhung der Schattenwurfzeit.“VI
doch 65 % durch den ,visuellen Eindruck’ der      Belastende Auswirkungen auf Wohngrund-
Windenergieanlage an“.V                           stücke können z.B. durch eine entsprechende
Bei der Untersuchung der Umweltauswir-            Auflage zur Genehmigung, nach der die An-
kung wird primär auf die Auswirkungen auf         lage automatisch generell stillzulegen ist,
den Menschen abgestellt, jedoch ist auch mit      wenn Schlagschatten unmittelbar oder
negativen Wirkungen auf Tiere zu rechnen.         durch Spiegelung mittelbar auf die Wohn-
Die Auswirkungen können von erheblichen           häuser und deren intensiv genutzte Außen-
Belästigungen bis zu schweren Störungen           bereiche einwirken würden, unterbunden
reichen; sie rufen bei den gleichermaßen be-      werden.VII Gleiches muss auch zum Schutz von
troffenen Personen und Tieren Stress hervor       Gebieten zur Erholung von Menschen gelten.
und beeinträchtigen das gesundheitliche           Immissionsprobleme durch periodischen
Wohlbefinden.                                     Schattenwurf können im Rahmen der Pla-
Die optischen Effekte können in einem weit-       nung vollständig vermieden werden, wenn
reichenden Umfeld um die betreffenden An-         Standorte von vornherein ausgeschlossen
lagen wirksam werden; mit steigender Anla-        werden, bei denen es bewegte Schattenim-

12
2. RISIKEN VON WINDENERGIEANLAGEN

missionen auf bewohnte Grundstücke, Be-           bedeutend war“.IX Dies soll kurzzeitig für den
triebsgelände oder auf andere Bereiche, in de-    Organismus kein Problem sein, doch die
nen sich Personen länger aufhalten, gibt.VIII     Langzeiteffekte seien bislang unbekannt. Von
Bereiche, in denen sich Personen länger auf-      den Betroffenen werde ein solcher rhythmi-
halten, stellen auch Freizeitbereiche etc. dar.   scher Ton als „unerträglich“ empfunden.
Darüber hinaus ist die Auswirkung auf Tiere       Die individuelle Lärmempfindlichkeit des
einschließlich der wirtschaftlichen Beein-        Menschen differiert sehr stark. Auch durch
trächtigung der örtlichen Landwirte zu un-        „nicht hörbaren“ Infraschall fühlen sich viele
tersuchen. Vor allem Pferde reagieren emp-        Menschen extrem gestört, belästigt und auch
findlich, sind schreckhaft und stressanfällig.    psychisch und gesundheitlich beeinträchtigt.
Für die Weidetiere ist diese Bedrohung durch      Als Infraschall werden (nicht hörbare) Tonfre-
einen ausreichenden Abstand der Anlagen           quenzen zwischen 0,1 und 20 Hz definiert.
von den Weideflächen auszuschließen.              Infraschall entsteht vor allem überall dort,
                                                  wo Geräte mit großen, betriebsbedingten
Lärmwirkungen durch Schall                        Schwingungen auftreten und wird auch
Bei Windkraftanlagen ist ein permanent an-        durch Windenergieanlagen erzeugt. Die Ro-
und abschwellender Heulton wahrzuneh-             torflügel sind Erzeuger von luftgeleitetem
men, der mit zunehmender Windgeschwin-            Infraschall. Zahlreiche Untersuchungen und
digkeit lauter wird. Dieses Phänomen konnte       Veröffentlichungen belegen eine gesund-
noch in einer Entfernung von 3-5 km zu einer      heitsschädigende Wirkung von Infraschall,
Gruppe von Windkraftanlagen beschrieben           aus denen hier auszugsweise zitiert werden
werden. Hinzu kommt der sogenannte Im-            soll: „Es konnte experimentell nachgewiesen
pulston, ein schlagartiges Geräusch, das ent-     werden, dass bestimmte Gehirnschwingun-
steht, wenn die Rotorblätter den Turm pas-        gen durch die Frequenzen Schall stimuliert
sieren. Die Belastung mit einem derartigen        und moduliert werden können und sich somit
Dauerton, kombiniert mit herausgehobenen          eine künstlich herbeigeführte labile emotio-
Einzeltönen, wird als besonders störend emp-      nale Lage erzeugen lässt. . . . Vieles spricht da-
funden. Sie bindet die Aufmerksamkeit des         für, dass die von tieffrequentem Schall ausge-
Hörers, der sich ihnen nur schwer entziehen       henden Einflüsse als Immissionen individuell
kann.                                             unterschiedlich registriert werden; . . . andere
Periodischer Lärm ist „deswegen als ein be-       Beobachtungen verdeutlichen, dass Infra-
sonderer Stressor anzusehen, weil er mit          schall-Immissionen als Ursachen gesundheit-
internen Prozessen interferiert. Neurale Pro-     licher Schäden am ehesten bei sehr inten-
zesse und insbesondere Verarbeitungspro-          siven, kurzzeitigen Expositionen als auch bei
zesse im Gehirn beruhen im Wesentlichen           kontinuierlicher Langzeitexposition, wie sie
auf einer temporären Codierung. . . . Externe     auch in der Nachbarschaft von Windkraftan-
periodische Signale können daher zu einer In-     lagen anzutreffen ist, zu erwarten sind.“X
terferenz mit diesen Prozessen führen und         Neben der Erzeugung von zeitweiligen oder
diese stören. Dagegen hat unser Organismus        permanenten Hörschwellenabwanderungen
praktisch keine Schutzmechanismen verfüg-         bis hin zur Taubheit bei ausreichenden Pe-
bar, da streng periodischer Lärm in der Natur     geln (bei Infraschall deutlich oberhalb 130 dB)
nicht vorkommt und somit evolutionär un-          werden unter den sogenannten extraauralen

                                                                                                 13
2. RISIKEN VON WINDENERGIEANLAGEN

Wirkungen psychomentale Störungen wie             Entfernung von 2,5 km als Abstand zu Wohn-
Angst, Appetitlosigkeit, Benommenheit, Er-        gebäuden benannt.
müdung, Konzentrationsminderung, Kopf-
schmerz, Verminderung der Leistungsfähig-         Gefahren durch Blitzschlag
keit, Lethargie, Magenbeschwerden, Ohren-         Von Windenergieanlagen gehen auch Gefah-
druck, Reizbarkeit, Schlafstörungen und Stö-      ren durch Blitzschlag bzw. durch elektrische
rung des Wohlbefindens genannt.XI                 Entladungen nach Gewittern aus, die in ih-
Quambusch und Lauffer stellen in ihrer Ab-        rem möglichen Ausmaß und ihrer Wirkung
handlung „Infraschall von Windkraftanlagen        z.T. vielen Anwohnern und Passanten unbe-
als Gesundheitsgefahr“ dar, dass Infraschall      kannt sein können. Bei einem Gewitter be-
von Windenergieanlagen erzeugt wird und           steht die Gefahr, dass ein Windkraftrad trotz
dass er krank macht. Sie empfehlen einen          der Blitzschutzsysteme vom Blitz an jeder be-
Mindestabstand von 2,5 km zu schutzbedürf-        liebigen Stelle getroffen werden kann. Daher
tigen Flächennutzungen und fordern Maß-           soll man sich keinesfalls in der Nähe einer sol-
nahmen zur Gefahrenabwehr, da das zu ge-          chen Anlage aufhalten, und auch nachdem
währende Schutzniveau (§ 5 Abs. 1 BImSchG)        sich das Gewitter verzogen hat, soll man sich
mittels der bisherigen Genehmigungspraxis         mindestens eine Stunde lang keinem Wind-
nicht mehr gewährleistet werden könne.XII         kraftrad nähern. Besonders gefährlich sei es,
Als typische und wiederkehrende Symptome          wenn die regennassen Rotorblätter knistern
des Wind-Turbine-Syndroms werden                  und zischen. Dann darf man sich der Anlage
• Schlafstörungen                                 nicht nähern oder diese berühren.XIV
• Herz- und Kreislaufprobleme,                    „Der Blitz ist als der stärkste elektromagneti-
  Herzrasen, Bluthochdruck                        sche Impuls nicht zu unterschätzen. Daher
• Kopfschmerzen                                   sind auch schon Schäden an Windkraftanla-
• Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit                 gen mit Blitzschutzsystem vorgekommen.
• Konzentrationsschwierigkeiten                   Dabei könnten z.B. Beschädigungen der Ro-
• rasche Ermüdung,                                torblätter (hörbar) oder der Ausfall der Steu-
  verminderte Leistungsfähigkeit                  erelektronik (entweder ungeregelte Rotation
• Depressionen                                    oder Stillstand der Blätter) vorkommen. Der
• Angstzustände                                   flächenmäßig größte Schaden dürfte bei ei-
angesprochen.XIII                                 nem massiven Defekt der Rotorblätter auftre-
Angesichts der sich teilweise konträr gegen-      ten - stellen Sie sich nur vor, ein Teil des Rotors
überstehenden Ansichten zum Thema Infra-          löst sich und fliegt davon. Daher sollte man
schall ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass   versuchen, einen größtmöglichen Abstand
- solange eine gesundheitliche Gefährdung         (hundert Meter und mehr) einzuhalten.“XV
durch Infraschall nicht auszuschließen ist -      Auch in der Nähe des Turmes kann es bei ei-
dem Rat von Fachleuten gefolgt werden             nem Direkteinschlag zu Schäden kommen,
muss, die die Errichtung von Windenergiean-       weil der Blitzstrom sich großflächig in der
lagen „nur außerhalb der Sichtweite als ge-       Erde verteilt und unter (ungünstigen) Bedin-
sundheitlich unbedenklich“ erachten. In Ver-      gungen auch durch einen Menschen, der z.B.
bindung mit dem unpräzise definierten Be-         5 Meter neben dem Turm steht, fließen kann
griff „Sichtweite“ wird von Fachleuten eine       (Fuß - Bein - Bein - Fuß). . . . Für Personen, die

14
2. RISIKEN VON WINDENERGIEANLAGEN

sich in unmittelbarer Nähe eines vom Blitz                                     Im Windpark Lichtenau haben Blitzschläge
getroffenen Objektes befinden, besteht die                                     verheerende Folgen angerichtet: „Nach jetzi-
Gefahr eines Blitzüberschlages sowie die Ge-                                   gem Erkenntnisstand - der Bericht des TÜV
fahr von Explosions- und Brandverletzungen.                                    wurde erst nach Drucklegung dieser Ausgabe
Schlägt der Blitz in Freiflächen oder Masten                                   erwartet - soll parallel der Blitz in alle drei Flü-
ein, besteht in der Umgebung der Einschlag-                                    gel eingeschlagen haben. Die gewaltige Ener-
stelle die Gefahr gefährlicher Schrittspan-                                    gie, so Nordex, hat dazu geführt, dass die als
nungen. . . . Die o.g. Phänomene treten an allen                               Blitzschutz in den Blättern eingebauten Kup-
hohen Bauwerken auf. Der Sicherheitsab-                                        ferableitkabel dort regelrecht verbrannt sind.
stand beträgt 20 - 30 m, kann aber bei geeig-                                  Parallel dazu sollen durch den Einschlag auch
neten Erdungsmaßnahmen des Anlagenbau-                                         die Elektronik und Regelung versagt haben,
ers im Einzelfall wesentlich geringer sein.                                    sodass der Maschinenturm rund zehn Meter
Nicht nur der Mensch, sondern auch Tiere, . . .                                über dem Boden regelrecht abgeknickt ist.“XVII
insbesondere weidende Kühe oder Pferde                                         Die Lausitzer Rundschau berichtete am 3. Juli
(aber auch Pferd und Reiter), sind besonders                                   2009: „Bei dem heftigen Unwetter am Don-
gefährdet. Die Schrittspannung reicht bei                                      nerstagnachmittag sind von einer Windkraft-
ihnen aufgrund ihrer horizontalen Ausdeh-                                      anlage zwischen Brieske und Schwarzheide
nung während eines sich in der Nähe vertei-                                    Teile des Flügels abgebrochen. Sie sind rund
lenden Blitzeinschlages vom vordersten bis                                     150 Meter durch die Luft geflogen und kamen
zum hintersten Huf und ist dementspre-                                         etwa 50 Meter vor der Bundesstraße 169 zum
chend wesentlich höher als beim Mensch.“XVI                                    Liegen. Menschen wurden dabei nicht ver-
                                                                               letzt, die Abbruchstelle wurde gesichert.“XVIII
                                                                               „Die Schäden durch Blitzeinschläge sind oft
                                                                               außerordentlich hoch . . . Direkte Blitzein-
                                                                               schläge in WKA sind häufig mit aufsehen-
                                                                               erregenden Bildern verbunden. Bei einem
                                                                               solchen Einschlag wird fast immer eines der
                                                                               Rotorblätter getroffen und - je nach Stärke
                                                                               des Blitzes - mitunter ,explosionsartig’ zer-
                                                                               sprengt. Hierbei können Teile des Blattes bis
                                                                               zu mehreren hundert Metern weggeschleu-
                                                                               dert werden. Die Gefahr des Blitzeinschlags
                                                                               bei Windkraftanlagen wächst mit der Größe
                                                                               ihrer Leistung und der Länge der Rotorblätter.
                                                                               Bei Anlagen im MW-Bereich mit einer Turm-
                                                                               höhe von bis zu 70 m und einer Rotorblatt-
                                                                               länge von ca. 30 m stellen WKA zunehmend
                                                                               exponierte Anlagenteile dar und sind somit
                                                                               potentielle Einschlagorte für atmosphärische
                                                   © psdesign1 / fotolia.com

                                                                               Entladungen.“XIX
                                                                               Die größte Blitzgefahr besteht in den Mittel-
                                                                               gebirgen. Die von den Autoren betrachtete

                                                                                                                                15
2. RISIKEN VON WINDENERGIEANLAGEN

Statistik führt ca. 21 % der Anlagen im Mittel-    derner Blitzschutzeinrichtungen die Gefahr
gebirgsraum auf. „Die regionale Verteilung         nicht ausgeschlossen werden kann, dass Teile
der Blitzschäden steht hierbei im Verhältnis       der Windenergieanlage zerstört und Trüm-
zur Häufigkeit der Gewitter, wie sie den Ge-       merteile auch über größere Entfernungen ab-
witterkarten z.B. des VdS oder des Deutschen       geworfen werden können. Befinden sich
Wetterdienstes zu entnehmen ist. Hierin wei-       diese Windenergieanlagen in der Nähe von
sen die Küstenbereiche und die norddeutsche        Wohnhäusern, Betriebsgebäuden, Tierhal-
Tiefebene die geringste Anzahl jährlicher Ge-      tungsanlagen, Weideflächen, Straßen, Wan-
wittertage bzw. Blitze auf. So ist auch eine       derwegen, Freizeiteinrichtungen . . . etc., kön-
deutliche Häufung von Blitzschäden für die         nen plötzlich auftretende Unwetter wie Ge-
Region Mittelgebirge zu erkennen. Bezogen          witter zu gefährlichen Situationen führen
auf die Anzahl der Anlagen und deren Be-           und es können ernsthafte Verletzungen bis
triebszeit („WKA-Jahre“), entfallen ca. 60 % der   hin zur Lebensgefahr für Menschen und Tiere
Blitzschäden auf diese Region, während die         nicht ausgeschlossen werden.
Küste und die norddeutsche Tiefebene mit je-       Aus diesem Grund ist zu fordern, dass Wind-
weils ca. 20 % betroffen sind.“                    energieanlagen zu solchen Einrichtungen ei-
Zahlreiche Beiträge belegen, dass trotz mo-        nen angemessen großen Abstand halten.

16
3. WIRKUNGEN AUF LANDSCHAFTSBILD UND WALDFUNKTIONEN

                                                                                                   Foto: Rettet den Taunuskamm e.V.
Die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes       Die Abgrenzung der Erlebnisräume erfolgt
durch Windenergieanlagen stellt einen erheb-     nach vorhandenen Strukturen oder Sichtbar-
lichen Konflikt zwischen den Erbauern/Betrei-    rieren wie Horizontlinien, markanten Vegetati-
bern von Windenergieanlagen und der Bevöl-       onsrändern (Knicke, Baumreihen), Reliefstruk-
kerung (und Besuchern/Gästen/ Touristen) im      turen (Dämme, Wasserränder) oder Straßen-
Umfeld von Windenergieanlagen/Windparks          und Wegrändern. Die Anzahl der Erlebnisräume
dar. Aus diesem Grund kommt der Land-            bestimmt sich aus den ausreichend unter-
schaftsbildanalyse und -bewertung ein hoher      schiedlichen Landschaftseindrücken (-bildern),
Stellenwert zu. Sie zielt auf den Erhalt und/    die eine gesonderte Beschreibung zulassen.
oder auch auf die Wiederherstellung dieser       Ähnliche Bilder von verschiedenen Standorten
Qualität zugunsten der Identität.                aus betrachtet, werden zu einem „Erlebnis-
Für die Beurteilung potenzieller Standorte für   raum“ zusammengefasst (Typisierung).
Windkraftanlagen sind methodisch qualifi-        Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung der
zierte Aussagen zur Abgrenzung des Untersu-      Auswirkung von Windkraftanlagen in diesem
chungs- und des Wirkraumes erforderlich. Für     Naturraum auch die notwendige Stromtrasse,
die Betrachtung des Landschaftsbildes werden     die erforderlich ist, um die Windkraftanlagen
die Einwirkungsbereiche durch in der Land-       an das Stromnetz anzuschließen und den er-
schaft ablesbare Grenzen nach den Kriterien      zeugten Strom in dieses einzuspeisen. Eine sol-
• Sichtbarkeit                                   che Stromstraße – in der Regel als Freileitung
• Erlebbarkeit                                   errichtet - ist notwendiger Bestandteil einer
• Erreichbarkeit                                 solchen Anlage und führt zu einem weiteren
des Landschaftsraums bestimmt und wei-           Eingriff in das Landschaftsbild.
chen somit von dem - unter den jeweiligen        Im Zuge von Rodungsmaßnahmen für das
schutzgutspezifischen Kriterien festgelegten -   Bauprojekt der Windkraftanlage und ihrer Zu-
Grenzen der anderen Schutzgüter ab.              wegung im Wald werden neue Waldränder ge-
Neben der Beschreibung der Landschaftsbilder     schaffen und nehmen als Folge Randeinflüsse
ist eine Darstellung und Bewertung der „Land-    bis in mehrere 100 m Tiefe des Waldes zu. Die
schaftsfunktion“ nötig. Diese ist in Abhängig-   Folgen für den Waldbestand können vermehrt
keit von der vorhandenen Landschaftsnut-         Windwurf, Rindenbrand, Bodenaushagerung,
zung zu beschreiben. Beispielsweise kommen       Vergrasung und Veränderungen des Waldbin-
folgende Landschaftsfunktionen in Betracht:      nenklimas sein.
• Land- und forstwirtschaftliche                 Dies sind häufig Ausgangspunkte für Wald-
  Nutzungsfunktion                               auflösungserscheinungen. Darüber hinaus
• Erholungsfunktion                              nehmen Störungen von Arten und Lebensge-
• Erschließungsfunktion                          meinschaften zu und die Eignung des Waldes
• Sicherungsfunktion.                            für die Erholung nimmt ab.

                                                                                             17
4. NATURA 2000 SCHUTZGEBIETE

Natura 2000 bezeichnet ein kohärentes Netz                                Bundesland Hessen für die Ausweisung von
von Schutzgebieten, das innerhalb der Euro-                               FFH-Gebieten zuständig.
päischen Union nach den Maßgaben der
Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-                                Die Flächen von sechs ausgewiesenen, anein-
Richtlinie - FFH-Richtlinie -) errichtet ist. Sein                        andergrenzenden Natura 2000/FFH-Schutz-
Zweck ist der länderübergreifende Schutz ge-                              gebieten bilden in den Wäldern des Taunus
fährdeter wildlebender, heimischer Pflanzen-                              zwischen den Siedlungsrändern von Wiesba-
und Tierarten und ihrer natürlichen Lebens-                               den, Schlangenbad, Taunusstein und Nie-
räume. In das Schutzgebietsnetz werden                                    dernhausen ein einzigartiges ökologisches
auch die gemäß der Richtlinie 79/409/EWG                                  Verbundsystem.XX
(kurz Vogelschutzrichtlinie) ausgewiesenen
Gebiete integriert. Beides dient dem Ziel, den                            Das FFH-Gebiet 5914-302 „Weilburger Tal-
sowohl von der Europäischen Union als auch                                Klingengrund“ (42 ha) schützt einen ausge-
den Mitgliedstaaten in der Konvention über                                dehnten Talkomplex, der sich fingerförmig in
biologische Vielfalt in Rio 1992 beschlosse-                              die Waldgebiete des Taunus erstreckt und in
nen Schutz der biologischen Vielfalt von Ar-                              dem großflächig erhaltenes, extensiv genutz-
ten und Lebensräumen umzusetzen. Auf dem                                  tes Frischgrünland als Lebensraum zahlrei-
Europäischen Rat im Jahr 2001 in Göteborg                                 cher seltener und gefährdeter Tier- und Pflan-
beschlossen die EU-Mitgliedsstaaten zudem,                                zenarten dient.XXI
bis zum Jahr 2010 den weiteren Verlust an
biologischer Vielfalt zu stoppen (2010-Ziel). In                          Das FFH-Gebiet 5915-306 „Buchenwälder
Deutschland wurde Natura 2000 mit der                                     nördlich von Wiesbaden“ umfasst magere
Umsetzung in nationales Recht innerhalb des                               und artenreiche Grünlandgesellschaften, Bu-
Bundesnaturschutzgesetzes im April 1998 so-                               chenwald und Röhrichte, bodensaure Halb-
wie mit den Novellen des BNatSchG 2002                                    trockenrasen, magere und wärmeliebende
und 2007 rechtsverbindlich. Da Naturschutz                                Glatthaferwiesen sowie Pfeifengraswiesen.
in Deutschland Ländersache ist, ist auch das                              Das Gebiet steht wegen der großen Arten-
                                                                          vielfalt, seltenen und bestandsgefährdeten
                                                                          Tier- und Pflanzengesellschaften bzw. -ge-
                                                                          meinschaften unter Schutz, auch weil es aus
                                                                          zoologischer Sicht lokal wertvolles Rückzugs-
                                                                          gebiet, insbesondere für Insekten, bietet.XXII

                                                                          Das FFH-Gebiet 5815-301 „Rabengrund von
                                                                          Wiesbaden mit angrenzenden Flächen“ (85
                                                                          ha) schützt u.a. die Lebensraumtypen 9110,
                                                                          den Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fage-
                                                                          tum), 9130, den Waldmeister-Buchenwald
                                                                          (Asperulo-Fagetum) und damit auch den
                                                     © Dagmar Ronneburg

                                                                          Lebensraum u.a des Mittelspechtes, des
                                                                          Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings und
                                                                          der Spanischen Flagge.XXIII

18
4. NATURA 2000 SCHUTZGEBIETE

Das FFH-Gebiet 5815-304 „Goldsteintal bei
Wiesbaden mit angrenzenden Flächen“ (60 ha)
umfasst mit den Landschaftsteilen Goldstein-
tal, Sichtertal, Goldstein-Bach, Frischwiesen, Er-
len- und Eschenwälder und Borstgrasrasen ei-
nen in mehrere, teilweise vollständig von Wald
umgebene Teilflächen gegliederten Talzug mit
vorherrschender Mähwiesennutzung. Dort
werden Vorkommen großflächiger, extensiv
genutzter Grünlandgesellschaften mit hoher
Artensättigung wie magere Glatthaferwiesen,
Pfeifengraswiesen und Borstgrasrasen in Ver-

                                                                                                    © Dagmar Ronneburg
bindung mit naturnahem Fließgewässerlauf
und kleinflächigem Auenwald geschützt.

Das FFH-Gebiet 5815-305 „Trockenborn/Kel-
lerskopf bei Rambach“ schützt mit den Land-          Das FFH-Gebiet 5815-303 „Theißtal von Nie-
schaftsteilen Rambach, Im Trockenborn,               dernhausen mit angrenzenden Flächen“ (82,5
Frischwiesen, Feuchtwiesen, Pfeifengraswie-          ha) umfasst mit den Landschaftsteilen Borst-
sen, Borstgrasrasen, Auwälder ein nahezu all-        grasrasen, Frischwiesen, Feuchtbrachen, Au-
seitig von Wald umgebenes Bachtal mit vor-           enwälder, Fließgewässer, Angelteiche, Nadel-
herrschender, teilweise extensiv erfolgender         holzforsten überwiegend brachgefallenes Ge-
Mähwiesennutzung, dem im oberen Teil meh-            biet (Nutzung nur noch in Ortsnähe), das
rere isoliert liegende Waldwiesen zugeordnet         aber noch bemerkenswerte Wiesengesell-
sind. Das Gebiet zeichnet sich durch einen ho-       schaften und Auenwälder aufweist. Hier be-
hen Anteil an extensiv genutzten Grünland-           steht ein hohes Entwicklungspotenzial auf
gesellschaften an ziemlich nährstoffarmen,           brachgefallenen Magergrünland-Standorten,
teilweise stärker durchfeuchteten Standorten         ein Vorkommen noch genutzter Extensivwie-
aus. Vor allem die Waldwiesen weisen groß-           sen und ein natürliches Fließgewässer mit
flächig artenreiche Glatthaferwiesen auf.XXIV        Auenwald.XXV

                                                                                              19
5. WALD AM TAUNUSKAMM

Waldbestand und -schädigung
Eine Charakteristik des Hohen Taunus ist der
sehr große Waldanteil von 80 %. Sein Schutz
begründet sich auch daraus, dass die Ent-
wicklung des Waldflächenanteils von 1945-
1995 in Südhessen insgesamt negativ verlau-
fen ist. Insbesondere im Verdichtungsraum
wurden 2100 ha mehr Wald gerodet als auf-
gefordert. 87 % aller Waldumwandlungen ge-
hen auf die Ausdehnung von Siedlungs-, Ge-
werbe- und Verkehrsflächen zurück.
Der Bestand des Waldes wird insbesondere
durch die Luftbelastung mit Stickoxiden,
Schwefeldioxid und Ozon in seiner Vitalität

                                                                                               Foto: Privat
geschädigt. Die deutlichsten Schäden hessi-
scher Wälder sind in der Rhein-Main-Ebene
festzustellen; hier steigt der Schadensverlauf   ten- und Biotopschutz zählen. Das Waldge-
im Vergleich zum Landesdurchschnitt über-        biet hat aufgrund der Bevölkerungsdichte in
proportional an. Diese Belastungssituation       den angrenzenden Siedlungsräumen im lan-
der Wälder führt zu geringerer Stabilität und    desweiten Vergleich in besonders starkem
eingeschränktem Selbstregulierungsvermö-         Maße Schutz- und Erholungsfunktionen zu
gen. Als Folge davon treten verstärkt bioti-     erfüllen. Bedeutung hat auch die Grundwas-
sche Waldschäden, z.B. durch Schwammspin-        serschutzfunktion. Aufgrund der Steillagen
ner oder Maikäfer, und abiotische Schäden        des Mittelgebirges sind die Hänge für den
durch Stürme auf. Dies führt zu zunehmen-        Schutz des Bodens vor Erosion von besonde-
den Auflösungserscheinungen der Wälder.          rer Bedeutung. Auch die regionale Klima-
Dreiviertel aller älteren und die Hälfte aller   schutzwirkung dieser Waldflächen zu Gun-
jungen Bäume sind deutlich geschädigt. Als       sten eines Luftaustausches zwischen den
sich ungünstig auswirkende abiotische Fak-       Siedlungsbereichen und Freiflächen ist we-
toren werden die relativ geringen Nieder-        gen der relativ hohen Temperaturen der an-
schläge bei hohen Temperaturen sowie die         grenzenden Siedlungsflächen von großer Re-
ungünstigen Bodenverhältnisse genannt.           levanz. Die herausragende Bedeutung des
Als Folge der anthropogen verursachten Kli-      Waldes und seine Funktionenvielfalt für den
maveränderung ist eine Änderung der Art          Lebens- und Wirtschaftsraum Rhein-Main er-
der Zusammensetzung der Baumarten zur            fordern zur nachhaltigen Sicherung aller
langfristigen Bestandssicherung erforderlich.    Waldfunktionen ein umfassendes Schutz-
Die Waldflächen am Taunuskamm zwischen           konzept.
Wiesbaden, Taunusstein und Niedernhausen
erfüllen zahlreiche ökologische Funktionen,      Bedeutung des Waldes für Arten
zu denen der Wasserschutz, der Bodenschutz,      und Lebensgemeinschaften
der Klima- und Immissionsschutz, der Sicht-      Die Bedeutung der Wälder am Taunuskamm
schutz, die Erholungsfunktion sowie der Ar-      für Arten und Lebensgemeinschaften hängt

20
5. WALD AM TAUNUSKAMM

ganz wesentlich von den Standortbedingun-        und Dickungen als Ruheplätze“ (Nr. 6.1.6) hin.
gen, der Baumartenzusammensetzung und            Zu den besonders schutzwürdigen Wald-
dem Alter der Waldbestände ab. Insbesondere      gesellschaften wurden von der Hessischen
die naturnahen, in ihrer Baumartenzusam-         Biotopkartierung naturnahe bodensaure
mensetzung der potenziellen natürlichen Ve-      Hainsimsen-, Flattergras- und Perlgras-Bu-
getation nahekommenden alten Laubwälder,         chenwälder (Buchenwälder wurden nur bei
haben eine große Bedeutung für Arten und         hervorragender Strukturierung und Arten-
Lebensgemeinschaften. Als Verbundelemen-         ausstattung erfasst und sind daher sehr sel-
te sind die fließgewässerbegleitenden Ge-        tene Biotoptypen), Eichen-Hainbuchenwälder,
hölzbestände hervorzuheben.                      Eichen-Birkenwälder, Buchen-Eichenwälder,
Altholz- und strukturreiche Laubwälder mit       Fingerkraut-Eichenwälder, Eschen-Ahorn-
standortgerechter Baumartenzusammen-             Schatthangwälder, Sommerlinden-Mischwäl-
setzung, am weitesten verbreitet der Bu-         der, Berg-Ahornwälder, Niederwälder, Sand-
chenwald, sind Rückzugsräume und Lebens-         kiefernwälder, bachbegleitende Erlen-Eschen-
raum für zahlreiche Tierarten, z.B. holzver-     Auwälder, Weich- und Hartholzauwälder und
zehrender Käferarten. Charakteristische Vo-      Bruchwälder erklärt. Hierbei handelt es sich
gelarten sind Hohltaube und Schwarzspecht,       um relativ seltene Waldgesellschaften, die oft
die große ungestörte, gut strukturierte sowie    durch eine besondere Vielfalt an zum Teil sel-
altholzreiche Bestände mit Höhlenreichtum        tenen Arten gekennzeichnet sind. Häufig
anzeigen. Vögel mit hoher Stetigkeit in un-      stocken sie auf Sonderstandorten, die sich
gestörten Buchenwäldern sind z.B. Trauer-        durch besondere Wasser- und/oder Nähr-
schnäpper, Hohltaube, Grauspecht, Waldlaub-      stoffverhältnisse oder durch ein besonderes
sänger und Kleiber. Charakteristische Vogelar-   Standortklima von weiter verbreiteten Stand-
ten von Sumpf- und Auwäldern sind z.B. Wei-      orten absetzen. Diese Standorte sind entwe-
denmeise, Beutelmeise, Pirol und Nachtigall.     der schon immer selten gewesen (z.B. die der
Der Hohe Taunus öffnete sich durch Tritt-        Schatthangwälder) oder sie sind durch das
steine einer Verbindung mit anderen Wäl-         Wirtschaften des Menschen, vor allem durch
dern Deutschlands über sogenannte „grüne         Melioration, selten geworden.
Korridore“ auch der Zuwanderung durch sel-       Die Wälder im Taunus sind nach wie vor
tene Arten wie Wildkatze und Luchs. Schon        durch Rodungen insbesondere für Siedlun-
der Landschaftsrahmenplan Südhessen 2000         gen, Industrie und Verkehr gefährdet. Zu star-
weist daher auf das Vorkommen der Wild-          ken Beeinträchtigungen kommt es insbeson-
katze im Rheingau-Taunus und ihre Ansprü-        dere durch Zerschneidungen. Eine zusätzliche
che an „reichstrukturierte, unzerschnittene,     starke Gefährdung der Wälder insgesamt
große Waldgebiete mit Lichtungen, waldna-        geht von den anthropogen bedingten, soge-
hen Feldern und Wiesen sowie Baumhöhlen          nannten neuartigen Waldschäden aus.

                                                                                            21
6. FRISCHLUFTENTSTEHUNGSGEBIETE

(Klein-)Klima und Luft sind wichtige Kompo-      stark gegliedertem oder stark geneigtem Ge-
nenten des Naturhaushaltes und ihre Verän-       lände angesprochen, wo die abfließende Kalt-
derung wirkt sich unmittelbar auf die ande-      luft aufgrund der Filterwirkung des Waldes
ren Umweltgüter und die Lebewesen aus.           Frischluftqualität besitzt.
Eine funktionsfähige Durchlüftung mit ihren      Potenzielle Luftleitbahnen stellen Leit- und
positiven Wirkungen wie die Minderung von        Sammelbereiche dar, die vor allem während
städtischen Überwärmungen oder den Ab-           windschwacher Wetterlagen die von den
transport von Luftschadstoffen ist gerade für    Hängen abfließende Frisch- und Kaltluft wei-
die dicht besiedelten Bereiche unerlässlich.     tertransportieren.
Daher kommt den Luftleit- und Ventilations-      Der Hohe Taunus mit seinen hochaktiven
bahnen höchste Bedeutung zu, da sie eine         Frischluft- und Kaltluftentstehungsgebieten
Vernetzung mit den Kaltluft- und Frischluft-     besitzt wichtige, klimatisch ausgleichende
entstehungsgebieten herstellen und somit         Wirkung für den angrenzenden, dicht besie-
einen Luftmassentransport und Luftaus-           delten Raum. Für den Verdichtungsraum der
tausch bewirken.                                 Untermainebene stellt das große Waldgebiet
Mit den potenziellen, hoch aktiven Frischluft-   ein klimatisch wirksames Frischluftentste-
entstehungsgebieten werden Waldgebiete in        hungsgebiet dar.

22
7. LANDSCHAFTSBILD UND LANDSCHAFTSBEZOGENE ERHOLUNG

Schutzkriterien                                   sowie mit einer Reihe teilweise überregional
Das Landschaftsbild stellt den ästhetischen       bedeutender Freizeiteinrichtungen ausge-
Ausdruck einer Landschaft dar. Dieser wird        stattet ist, wird von Erholungssuchenden ins-
von den Eigenschaften geprägt, die sich in        gesamt - auch zu Wintersportzwecken - stark
den natürlichen Strukturen der Morphologie        frequentiert. Zeitweise kommt es zu Überla-
und der Vegetation im Zusammenspiel mit           stungserscheinungen.
den kulturhistorisch gewachsenen, land-           Die Eigenart von Natur und Landschaft am
schaftstypischen Flächennutzungen aus-            Hohen Taunus weist hinsichtlich der maß-
drücken und eine Landschaft unverwechsel-         gebenden Aspekte des geringen Überfor-
bar machen.                                       mungsgrades, der typischen und besonderen
Von der Ausprägung des Landschaftsbildes          Landschaftselemente eine hohe Qualität auf.
hängt im Wesentlichen die natur- und land-        Auch die Vielfalt der Landschaft bewertet sich
schaftsbezogene Erholungseignung einer            mit den Aspekten Reliefvielfalt und Grenzli-
Landschaft ab, deren Vorsorge Auftrag des         niendichte als hohe Qualität, während der
Naturschutzgesetzes ist. Der Erholungswert        Nutzungsvielfalt eher eine mittlere Qualität
einer Landschaft umfasst zwar über den rein       zukommt.
ästhetischen Ausdruck von Natur und Land-         Das Kriterium Naturnähe weist wegen gerin-
schaft hinaus weitere, das Landschaftserle-       ger menschlicher Einflüsse und dem hohen
ben beeinflussende Faktoren, wie z.B. klima-      Anteil naturnaher Strukturen ebenfalls eine
tische und infrastrukturelle Aspekte. Den-        hohe Qualität auf; relativierend wirkt der Ex-
noch ist der ästhetisch erfahrbare Ausdruck       tensivierungsgrad der Kulturlandschaft.
der Landschaft die wesentliche Vorausset-         Der Erholungswert, gemessen an der Aus-
zung für eine gute Erholungseignung.              stattung mit erholungswirksamen Einrich-
                                                  tungen und Strukturen, insbesondere durch
Landschaftsbildanalyse                            die Ausstattung mit Fern-/Radwanderwegen
Der Hohe Taunus stellt ein waldgeprägtes,         und mit Attraktionspunkten, ist ebenfalls von
steil aufsteigendes Mittelgebirge mit tief ein-   hoher Qualität. Relativierend wirkt zu diesem
geschnittenen Wiesentälern dar. Die mit aus-      Kriterium der nur mittlere Anteil an ver-
gedehnten Wäldern bestandenen und teil-           kehrsarmen Räumen und die mittlere Aus-
weise aus ausgedehnten Blockschutthalden          stattung mit Erholungs- und zentralen Frem-
bestehenden Gebirgshänge, die von zahlrei-        denverkehrsorten.
chen naturnahen Bachläufen durchzogen             Beim fünften Kriterium der Freiheit von Vor-
werden, vermitteln den Eindruck einer unbe-       belastungen/Störelementen des Verkehrs, der
rührten Naturlandschaft. Die relativ sied-        Freileitungen und störenden Bauwerke be-
lungsarme Landschaft weist einige prädika-        wirken Vorbelastungen eine Einstufung nur
tisierte Erholungsorte sowie auch historische     mit mittlerer Qualität.
Bauwerke im Zusammenhang mit dem die              In der Gesamtwertung der Erlebnis- und Er-
Einheit durchziehenden römischen Limes auf.       holungsqualität kommt der Landschaftsrah-
Der von guter Luftqualität geprägte Raum,         menplan zu einer hohen Qualitätseinstufung
der mit einem dichten Netz aus Wanderwe-          für die Landschaftsbildeinheit Hoher Taunus
gen einschließlich zahlreicher Fernwander-        und zu folgender Bewertung: „Aufgrund der
wege erschlossen ist, die von den Höhenlagen      ausgeprägten Eigenart verbunden mit einer
weite Ausblicke in das Umland ermöglichen,        hohen Anzahl von erholungswirksamen Ein-
                                                                                              23
7. LANDSCHAFTSBILD UND LANDSCHAFTSBEZOGENE ERHOLUNG

richtungen und der besonders nahen Lage          tionsbereiche des Hohen Taunus entwickelt
zum Ballungszentrum ist der Hohe Taunus ei-      die Landschaftsrahmenplanung das Ziel ei-
ner der am stärksten zu Erholungszwecken         ner Landschafts- und naturverträglichen Ge-
frequentierten Landschaftsräume Südhes-          staltung und Flächenausdehnung, einen
sens.“XXVI Auch teilweise bestehende Vorbelas-   Ausbau des öffentlichen Personennahver-
tungen relativieren die insgesamt hohe Qua-      kehrs mit gleichzeitiger stringenter Reduzie-
litätsbewertung noch nicht.                      rung des motorisierten Individualverkehrs.
                                                 Die flächenhaften Erholungsbereiche, die
Erhaltungs- und Entwicklungsziele                ihren hohen Erholungswert insbesondere
Der Landschaftsrahmenplan entwickelt als         durch die prägnante landschaftliche Ausstat-
Erhaltungsziele der Wälder am Taunuskamm         tung innehaben, sollen in ihrer Funktion er-
• die Erhaltung der großen zusammenhän-          halten werden. Eine „Einschränkung der Qua-
  genden Waldgebiete im Hohen Taunus,            lität dieser Bereiche für die Natur gebundene
• die Erhaltung des dichten Wanderwege-          Erholung durch intensive Freizeiteinrichtun-
  netzes und der damit verbundenen weiten        gen oder durch sonstige beeinträchtigende
  Aussichtsmöglichkeiten in das Umland,          Eingriffe soll unterbleiben“.XXVII
• den Schutz vor weiteren Zerschneidungen
  z.B. durch Straßen, Freileitungen sowie        Überörtlich bedeutsame Wegeverbindung
  „vor Störungen durch Einzelbauwerke            Die Dichte an Wanderwegen im Bereich des
  (insbesondere hohe Masten“) sowie              Taunuskammes eröffnet Rückschlüsse über
• die Erhaltung und Offenhaltung der             deren Frequentierung und die Attraktivität
  Wiesenbereiche in den Bachtälern               des damit erschlossenen Landschaftsraumes.
  (LRP Nr. 3.5.1 (1.1)).                         Indikatoren sind die im Bereich des Taunus-
                                                 kammes verlaufenden Fernwanderwege
Als Entwicklungsziele benennt diese Planung      (Europa- und Hessenwege), da sie von über-
der Landesregierung                              örtlicher Bedeutung sind und die wichtigsten
• die Entwicklung naturnaher Wald-               lokalen Wanderwege integrieren. Das dichte
  bestände, insbesondere durch Erhöhung          Wanderwegenetz im Bereich des Taunus-
  des Laubholzanteils in Teilbereichen mit       kammes ist ein Indiz für die erschlossene, gut
  hohen Nadelholzanteilen,                       strukturierte Erholungslandschaft in erreich-
• die Entwicklung durchgehender Wiesen-          barer Nähe zu Siedlungsschwerpunkten.
  täler durch Beseitigung standortfremder        Der Landschaftsrahmenplan entwickelt für
  Gehölzbestände und Aufforstungen sowie         diese Wegeverbindungen die Erhaltungs-
• die Entwicklung von Konzepten zur              und Entwicklungsziele, sie vor Zerschneidun-
  Besucherlenkung in den Überlastungs-           gen, visuellen Beeinträchtigungen und ande-
  bereichen.                                     ren negativen Einflüssen zu schützen, vor-
                                                 handene Rast- und Aussichtsmöglichkeiten
Beliebte Ausflugsziele bzw.                      zu Gunsten der Förderung der Erlebnisquali-
Erholungsbereiche                                tät zu erhalten und das Radfahrverbindungs-
Für die punktuellen Ausflugsziele bzw. Attrak-   netz zu vervollständigen.XXVIII

24
8. INSTRUMENTE ZUR UMSETZUNG DER PLANUNGSZIELE

Das Naturschutz- und das Forstrecht stellen       instrument auf den Ressourcenschutz, das
Instrumente zum Schutz des Taunuskammes           Landschaftsbild und die naturbezogene Erho-
ergänzend zum FFH-Gebietsschutz zur Verfü-        lung. Landschaftsschutzgebiete sind rechts-
gung.                                             verbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein
                                                  besonderer Schutz von Natur und Landschaft
Naturparks                                        erforderlich ist
Naturparks stellen ein wichtiges Instrument
der Erholungsplanung für großräumige Ge-          a. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wieder-
biete dar, die sich wegen ihrer landschaftli-     herstellung der Leistungs- und Funktionsfä-
chen Voraussetzungen für die Erholung be-         higkeit des Naturhaushalts oder der Regene-
sonders eignen (§ 24 HForstG). Der Naturpark      rationsfähigkeit und nachhaltigen Nut-
Rhein-Taunus umfasst den gesamten Taunus          zungsfähigkeit der Naturgüter, einschließlich
zwischen Reichenbach im Nordosten und             des Schutzes von Lebensstätten und Lebens-
dem Rheintal im Südwesten.XXIX                    räumen bestimmter wild lebender Tier- und
Der Naturpark ist aufgrund seiner hohen re-       Pflanzenarten,
gionalen und überregionalen Bedeutung für         b. wegen der Vielfalt, Eigenart und Schön-
die landschaftsgebundene Erholung in dieser       heit oder der besonderen kulturhistorischen
Funktion nicht nur zu erhalten, sondern auch      Bedeutung der Landschaft oder
im Einklang mit den Zielen des Arten- und         c. wegen ihrer besonderen Bedeutung für
Biotopschutzes entsprechend den Inhalten          die Erholung.
der Pflege- und Entwicklungspläne zu ent-
wickeln. Dazu sind Zonen unterschiedlich in-      In einem Landschaftsschutzgebiet sind unter
tensiver Nutzung für die Erholung, insbeson-      besonderer Beachtung des § 5 Absatz 1
dere auch in Rücksichtnahme auf den Arten-        BNatSchG und nach Maßgabe näherer Be-
schutz, abzugrenzen, ein landschaftsverträg-      stimmungen im Verordnungstext alle Hand-
liches Erholungskonzept und Maßnahmen             lungen verboten, die den Charakter des Ge-
zur Verbesserung der landschaftlichen Erleb-      biets verändern oder dem besonderen
niswirksamkeit, zur Konfliktvermeidung und        Schutzzweck zuwiderlaufen.
-minderung zwischen Naturschutz und Er-
holung sowie zur Extensivierung forstwirt-        Die Waldflächen zwischen den Siedlungsrän-
schaftlicher Flächen zu entwickeln.               dern der Landeshauptstadt Wiesbaden im Sü-
Die im Landschaftsrahmenplan entwickelten         den, der Stadtgrenze von Schlangenbad im
Teilziele der Sicherung der Erlebniswirksamkeit   Westen, dem Taunuskamm (parallel zum
der Landschaftsbildeinheit Hoher Taunus mit       Rheinhöhenweg über die Eiserne Hand und
hohem Erholungs- und Erlebniswert sowie der       das Jagdschloss Platte) im Nordwesten bis zur
Erhaltung störungsarmer, insbesondere unzer-      Bundesautobahn A3 im Nordosten waren in
schnittener verkehrsarmer RäumeXXX, steht im      der Vergangenheit der nordwestlichste Teil des
Konflikt mit der neueren Planung von hohen        Landschaftsschutzgebietes Rhein-TaunusXXXI
Masten mit störenden Betriebsimmissionen.         und sollen zukünftig Teil eines Landschafts-
                                                  schutzgebietes „Wiesbaden“ werden.XXXII
Landschaftsschutzgebiete                          Die Ergebnisse der Landschaftsbildanalyse
Das Landschaftsschutzgebiet zielt als Schutz-     des Landschaftsrahmenplanes belegen, dass

                                                                                             25
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