NATUR & UMWELT - Land Burgenland

 
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NATUR & UMWELT - Land Burgenland
3 0 .    J a h r g a n g   •   A u s g a b e   4   /   2 0 2 0   •   W i n t e r

NATUR & UMWELT
i m         P a n n o n i s c h e n                               R a u m

BIODIVERSITÄT IST MEHR
Alte Haustierrassen:
vielseitig, robust und
anpassungsfähig
                                                         BIOLANDBAU IST MEHR
                                                          Böden schützen
                                                          Klima schützen
                                                         Umwelt schützen

                                                        FORSTWISSEN IST MEHR
                                                             Hubert Iby im
                                                            Gespräch über
                                                          klimafitten Wald

     Vielfalt versus Einfalt
         Der Mensch allein bestimmt, wie sein
           Lebensraum in Zukunft aussieht
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
In dieser Ausgabe:
                                              Editorial                              Naturschutzbund Österreich
                                         03   Mag. Hermann Frühstück            29   Private Feuerwerke verbieten
                                              Beeidet                                Welterbe-Naturpark
                                         04   56 neue Naturschutzorgane
                                                                                30   Naturschutz und Biodiversität
      Dr. Robert Fink: Genetische
 08   Diversität in der Landwirtschaft   05   Vortrag H. P. Hutter              31
                                                                                     Naturpark Rosalia-Kogelberg
                                                                                     Standort für Naturparkzentrum
                                              „Hitzedämliches“ Verhalten
                                                                                     Dreiländer-Naturpark Raab
                                         06   Biodiversitätskrise               32   Absagen und zwei neue Projekte
                                              DI Thomas Zuna-Kratky
                                                                                     Naturpark in der Weinidylle
                                         08   Genetische Diversität             33   Neugierige Kinder in der Natur
                                              wHR i. R. Dr. Robert Fink
                                                                                     Naturpark Geschriebenstein
                                         11   Jagd und Biodiversität            34   Attraktive Naturparkthemen
                                              DI Andreas Duscher
                                                                                     Naturpark Landseer Berge
                                         12   Vielfalt im Bio-Landbau           35   Vielfältige Aktivitäten
                                              Dr. Karin Stein-Bachinger
                                              Biodiversitätsexpertinnen              Diözese Eisenstadt
                                         14                                     36   In Viro veritas
                                              für Burgenlands Naturparke
                                              Bgld. Forstverein                      Naturschutzbund Bgld.
                                         15   Naturnahe Waldbewirtschaftung
                                                                                37   Nachtaktiver Hecken-Wollafter
      Maßnahmen gegen das
 19   Vogelsterben im Burgenland                                                38
                                                                                     Mobilitätszentrale Burgenland
                                                                                     E-Auto-Test + Radeln im Winter
                                              Aktivitäten des Landes Bgld.           WLV Nördliches Burgenland
                                         16   Interview mit wHR DI Hubert Iby   40   2021 bringt Rekordinvestitionen
                                              Aktionstage Nachhaltigkeit             Forschung Burgenland
                                         17   menschen.machen.morgen
                                                                                42   Elektrogeräte + Digitale Trends
                                              Forschungsprojekt BOKU                 Tierschutz macht Schule
                                         18   Ressourcen nachhaltig nutzen
                                                                                44   Die zehn Gartenfreunde
                                              Land Bgld. + BirdLife Österr.
                                         19   Vogelsterben im Burgenland
                                              Am Wort ist ... UA DI Dr. Graf                     n TITELFOTO:
                                         20   Entwurf des EAG                       Alois LANG durchstöberte
                                                                                         für uns das Archiv des
                                              E-Tankstellen, PV-Anlagen
                                         22   Landesverwaltung beispielhaft
                                                                                Nationalparks Neusiedler See –
                                                                                 Seewinkel und stellte uns das
 28   Biologische Station Illmitz:
      Regionale LTSER-Plattform          22
                                              Forschung Burgenland
                                              klimaaktiv-Gebäudestandard
                                                                                   Wasserbüffel-Foto für diese
                                                                                       Ausgabe zur Verfügung.
                                                                                          Nachdem diesmal ein
                                                                                        Schwerpunkt auf alten
                                                                                 und / oder selten gewordenen
                                              Innovationslabor act4.energy       Haustierrassen liegt, zu denen
                                         23   Regionale Energiesysteme               Wasserbüffel zweifelsohne
                                              BIO AUSTRIA Burgenland                  zählen, ein ideales Motiv.
                                         24   Verlust der Artenvielfalt
                                              Esterhazy
                                         25   Fürstlich wandernde Hühner
                                              Verein BERTA
                                         26   Neue LE-Naturschutzprojekte
                                              NP Neusiedler See-Seewinkel
                                         27   Abschluss Projekt Vogelwarte 2
      Burgenländischer Forstverein            Biologische Station Illmitz
 37   Naturnahe Waldbewirtschaftung      28   Sozio-Ökologische Forschung

N+U 2
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
editorial
BIODIVERSITÄT UND REGIONALITÄT

Regionalität ist und führt zu Biodiversität. Ich stelle
diese Behauptung einfach so in den Raum und ver-
suche eine Begründung.
Biodiversität ist nicht nur Artenvielfalt, sondern auch
genetische Vielfalt und Vielfalt von Ökosystemen.
Vielfalt bedingt Gesundheit, Stabilität, Unabhängig-               Mag. Hermann Frühstück
keit und Autonomie. Eine vielfältige klein- und reich-
strukturierte Natur- und Kulturlandschaft ist nicht            Und was können wir zu alldem beitragen? Nun, das ist
eintönig und nicht nur für das Auge schön, sondern             ganz einfach und gerade die derzeitige Krisensituati-
befindet sich durch die Vielzahl von Strukturelemen-           on lehrt es uns: Jeder von uns kann und soll die Pro-
ten, wie Wiesen, Hecken, Baumgruppen, Trocken-                 dukte und Dienstleistungen verstärkt und überhaupt
und Feuchtlebensräumen, Tümpeln, Weihern, Seen,                nutzen, die die Region bietet und liefert. Dies stärkt
Flüssen, Wäldern u. ä., in einem stabilen und gesun-           die Betriebe, schafft und fördert Arbeitsplätze, nützt
den Gleichgewicht. Die dadurch bedingte Artenviel-             auch einer vielfältigen Natur- und Kulturlandschaft,
falt sorgt für ein ausgeglichenes Nützlings-/Schäd-            fördert somit die Artenvielfalt und Biodiversität, sorgt
lingsverhältnis, das, sofern es nicht durch negative           für eine gesunde Umwelt. Und wenn man so neben-
Einflüsse des Menschen gestört wird, eine Grundlage            bei in einer solch reichhaltigen, erlebnisreichen und
für eine optimale Produktion von gesunden Lebens-              gesunden Region Freizeit und Erholung sucht und im
mitteln darstellt. Lebensmittel, wie sauberes Was-             eigenen Land Urlaub macht, praktiziert man zusätz-
ser, gute Luft, stabiles Klima, gesunder Boden und             lich noch aktiven Klimaschutz.
ebensolche Nahrung. Und dies nicht nur für den                 Schön zu sehen und zu beobachten, dass dies im
Menschen, sondern für alle Mitlebewesen, also auch             Sommer und Herbst dieses Jahres schon viele unse-
Pflanzen und Tiere.                                            rer Mitmenschen so umgesetzt haben. Leider passiert
Artenvielfalt bedingt auch eine Vielzahl von Rassen            es dabei immer wieder, dass manche unserer Zeitge-
und Sorten. Diese Vielfalt ist in einer stabilen, vielfälti-   nossen bei der Freizeitnutzung in unserer Landschaft
gen Natur- und Kulturlandschaft, mitunter auch durch           diese mit einem Abfüllkübel verwechseln. So kann
gezielten Einfluss des Menschen, über viele Jahrhun-           man dann in Straßengräben und neben Rad- und
derte oder gar Jahrtausende entstanden und an diese            Wanderwegen jede Menge Abfall finden. Das führt
bestens angepasst; ergibt gesunde und robuste, bo-
denständige Formen, die negativen Einflüssen trot-
zen und diesen auch widerstehen können, wie wir in
Beiträgen in dieser Zeitschrift lesen können.
Eine Landwirtschaft, die diesen Voraussetzungen
verpflichtet ist, liefert gesunde Lebensmittel und so-
mit auch eine Vielfalt von frischen, gesunden und
geschmackvollen Nahrungsmittel und führt zu einer
ausreichenden Versorgung der Bevölkerung sowie zu
Autonomie in der Region wie auch im Land.
Desgleichen verhält es sich, wenn Wirtschaft und
Handel der Regionalität, den Orten, Regionen und
dem Land verpflichtet sind, Produkte und Dienst-
leistungen in jener Vielfalt erbringen, die vollständig        dann, abgesehen von der Verunstaltung der Land-
den Bedürfnissen der Bevölkerung, der Menschen                 schaft, oft zu schwersten Verletzungen bei Tieren,
entsprechen. Das führt zu gesunden Betrieben, zu               und mancher Tierhaltungsbetrieb hat schon Verluste
ausreichend vielen Arbeitsplätzen, zu Stabilität, Au-          zu beklagen gehabt, wenn diese Abfälle mit dem ge-
tonomie und Unabhängigkeit. Die Krisensituation, in            ernteten Gras oder Heu als Futter zu den Haustieren
der wir uns derzeit befinden, hat es uns ja deutlich vor       gelangen und diese in der Folge auf Grund schwers-
Augen geführt.                                                 ter innerer Verletzungen notgeschlachtet werden
Ein Vergleich aus dem Bereich der Gesundheit sei mir           müssen. Das kann die Existenz solcher Betriebe
noch gestattet, nämlich aus der Gesundheits- und               durchaus gefährden.
speziell Suchtprävention: Ein Mensch ist dann wirk-            Eine sinnvolle und achtsame Nutzung unserer
lich gesund, stabil und nicht suchtgefährdet, hat ein          Natur- und Kulturlandschaft in allen Bereichen kann
reiches, vielfältiges und glückliches Leben, wenn er           die Regionalität fördern und der Region sowie uns
neben seiner Arbeit noch eine Vielzahl von Interessen          Menschen eine gesunde, stabile und somit glückliche
und Hobbys hat. Gleichsam so, wie ein Klavier, das             Zukunft bringen, meint Ihr
viele Tasten hat, mit denen man eine schöne, viel-                                         Hermann FRÜHSTÜCK
stimmige Melodie erzeugen kann.                                         Landesleiter Naturschutzorgane Burgenland

                                                                                                                    3 N+U
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
Impressum + Offenlegung                                                                 ReUse-Shops:
                                                                                   Retro, Vintage & Oldie but Goldie
   Verleger, Inhaber, Herausgeber:       • Die Zeitschrift transportiert
   • Verein der Burgenländischen         im wesentlichen die Inhalte des                                        Neulich war ich wieder in einem
   Naturschutzorgane – VBNO              Natur- und Umweltschutzes im                                           dieser ReUse-Shops – gibt’s eh im
   Europaplatz 1, 7000 Eisenstadt        Pannonischen Raum und dient als                                        ganzen Burgenland. Ich sage euch,
   T 057 600 2812 (Karin Wild)           Sprachrohr sowie Koordinations-                                        das ist eine wahre Fundgrube für
   • Co-Herausgeber:                     und Informations-Drehscheibe                                            Second-Hand-Freaks. Coole Sachen
   - Amt der Burgenländischen            aller mit Natur- und Umweltschutz                                       zum unschlagbaren Preis – von
   Landesregierung, Abteilung 4,         befassten burgenländischen Insti-
                                                                                                                 Kleidung über Technik bis zu Origi-
   Hauptref. Natur- und Klimaschutz      tutionen.Das gemeinsame Ziel ist
                                                                                                                             nal LPs. Wo gibt’s denn
   - Landesumweltanwaltschaft            die Gewährleistung einer verstärk-
   Burgenland
                                                                                                                                das sonst noch?
                                         ten Zusammenarbeit und mehr
                                         Effizienz in der Arbeit für den
   Redaktionsbeirat:                                                                                                                 Und alle Sachen
                                         Natur- und Umweltschutz.                                                      HITS
   Lois Berger,                                                                                                                      sind tip-top und
   Johann Binder,                                                                                                      80‘s          in einem super
                                         • „Natur & Umwelt im Pannoni-
   Thomas Böhm,                                                                                                                     Zustand. Ich finde
                                         schen Raum” erscheint vier Mal
   Ernst Breitegger,                                                                                                             die ReUse-Shops
                                         pro Jahr und wird in enger Zusam-
   Hermann Fercsak,                                                                                                          echt stark und die Idee
                                         menarbeit mit den folgenden
   Hermann Frühstück,                                                                                                      very nachhaltig.
                                         Vereinen und Institutionen erstellt:
   Christian Horvath,
   Thomas Knoll,                                                                                                           Weitere Infos findest du unter
                                         • Naturschutzbund Burgenland,                                                     www.reuse-burgenland.at
   Anton Koo,
                                         • Bgld. Naturschutzorgane,
   Alois Lang,
                                         • Verein B.E.R.T.A.
   Andreas Leitgeb,
                                         • Bio Austria Burgenland,
   Ernst Leitner,
                                         • Welterbe-Naturpark,
   Markus Malits,
                                         • NuP Rosalia-Kogelberg,                                                                           www.bmv.at
   Verena Münzenrieder                                                                               European Regional Development Fund

                                         • NuP Landseer Berge,
   Michael Niederkofler
                                         • NuP Geschriebenstein-Irottkö,
   Clara Noé-Nordberg
                                         • NuP In der Weinidylle,
   Gottfried Reisner,
   Nikolaus Sauer,
                                         • NuP Raab-Örsèg-Gori˘cko,
                                         • Bgld. Müllverband,
                                                                                56 neue Naturschutzorgane
   Thomas Schneemann,
                                         • NP Neusiedler See – Seewinkel,          Am 2. Oktober 2020 wurden im Hof des Landhau-
   Andrea Sedlatschek,
                                         • WLV Nördliches Burgenland
   Doris Seel,                                                                  ses Neu in Eisenstadt unter Einhaltung aller vorgeschrie-
                                         • Verein „Initiative Welterbe”
   Ernst Trettler,
                                         • „Hianzenverein”
                                                                                benen Coronaregeln in einer würdigen Feier 56 neue
   Thomas Zechmeister,                                                          ehrenamtliche Naturschutzorgane von der prov. Abtei-
                                         • Burgenland Tourismus
   Markus Zechner
   Christine Zopf-Renner                 • Biolog. Station Neusiedler See       lungsleiterin, Mag. Ljuba Szinovatz, im Beisein von prov.
                                         • Diözese Eisenstadt                   Hauptreferatsleiterin Mag. Martina Jauck, den Mitar-
   Redaktion, Produktion:                • Bgld. Forstverein                    beiterinnen und Mitarbeitern der Naturschutzabteilung,
                                         • Esterházy Betriebe
   DIE SCHREIBMEISTER OG                                                        Karin Wild, Brigitte Fiala und Roman Zehetbauer, sowie
   Manfred Murczek                       • Innovationslabor act4.energy
                                                                                des Landesleiters der Naturschutzorgane Burgenland,
   2491 Neufeld/L., Lisztgasse 2         • Forschung Burgenland
                                         • Mobilitätszentrale Burgenland        Mag. Hermann Frühstück, auf das Bgld. Naturschutz-
   T +43 676 6106297
   murczek@speed.at
                                                                                und Landschaftsplegegesetz beeidet.
   www.schreibmeister.info               • „Natur & Umwelt im Pannoni-             „Wir wünschen unseren neuen Kolleginnen und Kol-
                                         schen Raum” ist ein grenzüber-         legen viel Freude und Erfolg bei ihrer wichtigen Arbeit
   Auflage: 7.500 Stück                  schreitendes – A, HU, SK, SLO,         zum Schutz, zur Erhaltung und zur Pflege unserer schö-
                                         HR ... – Informationsmedium und
                                                                                nen und wertvollen Natur und Landschaft in unserem
   • Es wird ausdrücklich darauf         auch das offizielle Mitglieder-
   hingewiesen, dass die Inhalte         magazin des Naturschutzbunds           Heimatland Burgenland. Glück auf!“
   der Artikel nicht in allen Fällen     Burgenland. Mitgliedsgemeinden
   die Meinung des Verlegers bzw.        des Naturschutzbunds Burgen-
   des Herausgebers wiedergeben.         land: Leithaprodersdorf, Stotzing,
   Für die Inhalte sind die jeweiligen   Müllendorf, Baumgarten, Gols,
   Autoren direkt verantwortlich.        Pöttelsdorf, Zemendorf-Stöttera,
                                         Mattersburg, Forchtenstein,
   • Bezahlte, redaktionell gestaltete   Eberau, Rohr i. Bgld., Ollersdorf,
   Anzeigen oder Beiträge, für die       Burgauberg-Neudauberg, Markt
   ein Druckkostenbeitrag geleistet      Allhau, Wolfau, Grafenscha-
   wurde, sind entsprechend              chen, Oberschützen, Bernstein,
   gekennzeichnet.                       Rechnitz, Mogersdorf, Neusiedl
                                         am See, Tadten, Unterrabnitz-
                                         Schwendgraben, Draßmarkt.

N+U 4
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
Fotos: Engelbert Marakovits
n Mit „coronagerechtem“ Abstand verfolgten die Gäste des „Aktionstag Schöpfung“ dem Vortrag von H. P. Hutter

„Hitzedämliches“ Verhalten
Umweltmediziner Hans Peter Hutter referierte am 12. Okto-                   schaftlicher Basis mehr Glauben
ber 2020 beim Aktionstag Schöpfung im Haus der Begegnung                    zu schenken als den üblichen
                                                                            Lobbys. In Österreich“, so Hutter,
in Eisenstadt über gesundheitliche Folgen der Klimakrise.                   „fehlt es oft an Mut, wenn es um
                                                                            das Vorpreschen geht.“ Es gibt
   „Die Auswirkungen des Kli-         blem wird. Das wurde dann aber        viele Beispiele. „Denken Sie nur
mawandels sind schon spürbar“,        kaum bis gar nicht beachtet. Doch     an skandinavische Städte und
betont Hans Peter Hutter. „Am         viele Menschen werden aufgrund        ihren Radverkehr. Wir brauchen
Land verdorrt die Ernte“ und es       des Klimawandels ihre Heimat          nichts erfinden, wir müssen um-
häufen sich „Wetterereignisse, die    verlassen müssen.“                    setzen, was da und erprobt ist.“
lebensbedrohlich sein können“.            Fenster nicht „sperrangel-        Der Straßenverkehr sei ein Be-
Was wenige wissen: In Österreich      weit“ offen lassen. Der Klima-        reich, wo es extremen Widerstand
gibt es bereits mehr Tote durch       wandel führt zu paradoxen Maß-        gebe, sobald es um Einschnit-
Klimaveränderungen als im Stra-       nahmen. Viele müssen Klima-           te gehe. „Dabei bewegt sich die
ßenverkehr. Doch die Gefahren         anlagen installieren und in Dau-      überwiegende Mehrheit öffentlich,
würden laut Hutter unterschätzt.      erbetrieb nehmen, was den             zu Fuß oder mit dem Rad.“
„Selbst junge Leute merken, dass      Klimawandel begünstigt. „Leider           Warum wird dann trotz dieser
anhaltende Hitze über mehrere         verhalten sich etliche nicht hitze-   Mehrheit nicht stärker in deren
Tage nicht lustig ist. Die leiden-    klug sondern hitzedämlich“, be-       Sinne klimafreundlicher gehan-
de Mehrheit, die alleine in ihren     tont Hutter. Bevor überhaupt an       delt? „Eine von vielen Erklärungen
Wohnungen sitzt, bekommt die          eine Klimaanlage zu denken sei,       ist etwa der mächtige Einfluss der
breite Öffentlichkeit nicht mit.“     „ist ein Ventilator das Mittel der    Automobillobbys. Sie sitzen näher
Bei gesundheitlich beeinträchtig-     Wahl“. Man könne die Räume            an den Hebeln der Macht.“ In den
ten Menschen löst die Hitze auch      verdunkeln und die Fenster zur        letzten Wahlkämpfen wurde der
Folgeerscheinungen aus. „Wenn         Mittagszeit „nicht sperrangelweit     Klimaschutz von einigen Parteien
jemand bereits einen Herzinfarkt      offen lassen“. Auch in der Archi-     als Zugpferd verwendet. Ändert
hatte und bei Hitze die Belastung     tektur werde der Klimaschutz nicht    sich etwas? „Zumindest haben
seines Herzens spürt“, so Hutter.     immer mitgedacht. Etliche würden      sich alle als Klimaschützer posi-
   Wie kann man den Klima-            hier klug handeln, betont Hutter,     tioniert. Ich möchte daran erin-
wandel gesundheitlich besser          „aber beim Gros der Bauherren ist     nern, dass noch 2017 angestrengt
ertragen? „Im Vergleich mit den       noch nicht angekommen, dass sie       wurde,       Wirtschaftswachstum,
Ländern des globalen Südens           hier Gebäude errichten, die lang-     Beschäftigung und einen wettbe-
sind wir super aufgestellt. Immer-    fristig Bestand haben.“ Begrünte      werbsfähigen Wirtschaftsstandort
hin haben wir eines der besten        Fassaden seien nur eine von zahl-     als Staatsziel in der Verfassung
Gesundheitssysteme der Welt“,         reichen Maßnahmen. „Es braucht        festzuschreiben. Unter anderem
so Hutter. „Aber ohne Klima-          ein ganzes Bündel davon.“             weil man mit Umweltverträglich-
schutz wird es auch bei uns nicht         Lobbys. Wie radikal muss          keitsprüfungen wenig Freude hat.“
gehen.“ In manchen Gegenden           man beim Individualverkehr sein,
Afrikas dagegen sei es schon jetzt    damit die Gesundheitsbelastung
bald nicht mehr erträglich. „Schon    minimiert wird? Hutter: „Man hät-                                Autor
vor mehr als zehn Jahren wur-         te schon vor Jahrzehnten damit                     Gerald GOSSMANN
de darauf hingewiesen, dass die       anfangen müssen, vernünftigen                             Redakteur der
Umweltmigration global ein Pro-       Mobilitätskonzepten mit wissen-               Kirchenzeitung „martinus“

                                                                                                               5 N+U
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
Der Beitrag der Landwirtschaft
   zur Lösung der Biodiversitätskrise
       Unsere Kulturlandschaft und       begleitet, dass die Rückgänge             Maßnahmen, die die Stärkung
   die darin lebenden Tiere und          inzwischen auch die „Allerwelts-          der Biodiversität zum Ziel haben,
   Pflanzen werden in hohem Maße         arten“ erreicht haben. Das „In-           auf ihre Wirkung auf Tagfalter und
   von der Nutzung durch uns Men-        sektensterben“ wird international         Heuschrecken an Feldstücken in
   schen geprägt – das gilt für das      durch zahlreiche Studien themati-         ganz Österreich untersuchen. Un-
   Burgenland mit seinen ausge-          siert und untermauert; und auch in        sere Ergebnisse konnten klar zei-
   dehnten Agrarsteppen, seinen          Österreich hat das Umweltbun-             gen, dass nur ein kleiner Teil der
   durchwegs kultivierten Talland-       desamt kürzlich eine umfang-              geförderten Maßnahmen wirklich
   schaften und der vergleichswei-       reiche Studie zur Situation der           zu einer signifikanten Erhöhung
   se sanften, nutzungsfreundlichen      Insekten in Österreich veröffent-         der Artenzahl der untersuchten
   Landschaftsform ohne unbewirt-        licht, die nicht sehr positiv ausfällt.   Insekten führte. Im Ackerland
   schaftbare Urwildnis ganz beson-      Gerade das derzeit ablaufende             konnte die Anlage von Grün-
   ders. Große Teile der Biodiversität   Ringen um eine Neugestaltung des          brachen als die bedeutendste
   hängen direkt von der landwirt-       landwirtschaftlichen Fördersys-           wirksame Maßnahme identifiziert
   schaftlichen Bewirtschaftung von      tems steht daher auch im Zeichen          werden. Vor allem Brachen mit
   Grünland und Ackerland ab,            einer Schwerpunktsetzung zur              großem      Pflanzenartenreichtum
   selbst Intensivackerbaugebiete,       Erhaltung der Biodiversität in der        und einer guten Strukturierung
   wie die Parndorfer Platte, beher-     Landwirtschaft. Österreich verfügt        – wo beispielsweise nur Teil-
   bergen prioritäre Ziele des heimi-    seit dem EU-Beitritt im Jahr 1995         bereiche gemäht wurden – wiesen
   schen Artenschutzes, wie die cha-     über ein Förderprogramm mit dem           überdurchschnittlich viele Tagfal-
   rismatische Großtrappe oder die       vielversprechenden Titel „Öster-          ter und Heuschrecken auf. So-
   unauffällige Kleine Beißschrecke.     reichisches Programm zur För-             wohl im Acker- als auch im Grün-
       Der seit Jahrzehnten anhalten-    derung einer umweltgerechten,             land erwies sich die Maßnahme
   de Druck auf die Landwirtschaft,      extensiven und den natürlichen            „Naturschutz – WF“, bei der,
   produktiver zu wirtschaften, hat      Lebensraum schützenden Land-              basierend auf einer Begehung vor
   jedoch nicht nur zu einem star-       wirtschaft“ – mit einer jährlichen        Ort, gezielte Pflegemaßnahmen
   ken Rückgang der Bäuerinnen           Fördersumme von durchschnitt-             vorgeschrieben werden, als be-
   und Bauern geführt, sondern           lich über 400 Millionen Euro ist          sonders wirksam bzw. im Grün-
   wird auch für den Rückgang von        es dabei Österreichs potentestes          land sogar als die einzig wirk-
   Tier- und Pflanzenarten der Kul-      Förderinstrument im Natur- und            same Maßnahme. Das ist gerade
   turlandschaft verantwortlich ge-      Umweltschutz!                             für das Burgenland eine wichtige
   macht. Das Verschwinden der               Im Zuge eines Evaluierungs-           Erkenntnis, da dieses Bundes-
   naturschutzfachlichen „Spitzen-       projekts im laufenden Förder-pro-         land die Naturschutzmaßnahme
   arten“, das bereits in den 1950er-    gramm konnte ich gemeinsam mit            sehr großflächig anwendet und
   Jahren eingesetzt hat, wird nun       meinen Kollegen Thomas Holzer             viele Landwirte als Vertrags-
   zunehmend von Beobachtungen           und Georg Bieringer diejenigen            partner gewinnen konnte. Hier
                                                                                   zeigte sich aber auch, dass eine
                                                                                   Weiterentwicklung der gewon-
                                                                                   nenen Naturschutzflächen durch
                                                                                   eine gezieltere Anpassung der
                                                                                   Bewirtschaftungsmaßnahmen auf
                                                                                   die Ansprüche der dort vorkom-
                                                                                   menden, gefährdeten Arten die
                                                                                   Wirksamkeit noch deutlich erhö-
                                                                                   hen kann!
                                                                                      Leider zeigte sich, dass die
                                                                                   Maßnahme „biologische Wirt-
                                                                                   schaftsweise“ keine Erhöhung der
                                                                                   Biodiversität in unserer Stichpro-
                                                                                   be bewirkte. Diese überraschen-
                                                                                   de Tatsache liegt vor allem daran,
   n Beweidung ermöglicht die Nutzung schwer bewirtschaftbarer Grenz-              dass der Biolandbau im nationa-
   ertragsstandorte und kann bei angepasster Besatzdichte wertvolle Sonder-        len Kontext sich in der Wirkung auf
   strukturen schaffen – oben: Sulzbreiten bei Sankt Margarethen.                  z. B. Beikrautdichte oder Mahd-

N+U 6
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
regime nur wenig bis gar nicht von    wirksam ist etwa die Anlage von                          Evaluierungsstudien/Biodiversit%C3%
vergleichbaren      konventionellen   „Schmetterlingsstreifen“, wie sie                                A4t-Boden-Wasser-Klima.html
                                                                                                  Rabitsch, W., Zulka, K.P. & Götzl, M.
Schlägen unterscheidet und dies       im Burgenland seit Jahren umge-                    (2020): Insekten in Österreich. Artenzahlen,
durch die erwartbaren Vorteile        setzt werden.                                     Status, Trends, Bedeutung und Gefährdung.
des Pestizid- und Kunstdünger-            Nicht zuletzt ist der Erhalt und                           Umweltbundesamt GmbH, Wien.
verzichts nicht ausgeglichen wird.    die Neuanlage von Landschafts-                               https://www.umweltbundesamt.at/
Ähnliche Ergebnisse zeigte auch       elementen, wie Magersäumen,                           fileadmin/site/publikationen/rep0739.pdf
                                                                                                Zuna-Kratky, T., Bieringer, G., Denner,
die Evaluierung ihrer Wirkung auf     Buschgruppen oder Stufenrainen,                     M, Dvorak, M. & Karner-Ranner, E. (2013):
Vögel durch BirdLife. Aktuell wird    vor allem als Refugium für jene In-                        Schutzprogramm für die gefährdeten
jedoch von Bio Austria ein Set        sekten von Bedeutung, die in der                          Heuschrecken des Nordburgenlands.
an ergänzenden Maßnahmen-             angrenzenden Kulturlandschaft                       Naturschutzbund Burgenland, Eisenstadt.
bausteinen für Biobetriebe erar-      inzwischen keine Überdauerungs-                           159 pp. http://www.naturschutzbund-
                                                                                                        burgenland.at/images/stories/
beitet, mit dem in der nächsten       möglichkeiten haben.                                    Heuschrecken_im_Nordburgenland.pdf
Programmperiode eine positive             Einem ambitionierten Pro-
Biodiversitätswirkung ermöglicht      gramm, das die Anlage von Grün-
werden sollte.                        brachen und Sonderstrukturen,                                      Text und Fotos
    Als noch wirksamer als die ge-    die massive Förderung der Be-                            DI Thomas ZUNA-KRATKY
nannten Maßnahmen erwies sich         wirtschaftung von Extensivgrün-
jedoch die Bewirtschaftung von        land, den Ausbau der experten-                              ... ist freiberuflicher Land-
Extensivgrünland, also von ein-       basierten „Naturschutz“-Maßnah-                      schaftsökologe und beschäftigt
mähdigen Wiesen, Streuwiesen,         men und die verstärkte Anlage                        sich u.a. mit den Auswirkungen
Hutweiden und – im Alpenraum          spät gemähter bzw. überstandi-                           menschlicher Nutzung in der
– Bergmähdern. Diese Lebens-          ger Bereiche im Grünland ermög-                      Kulturlandschaft sowie in Auen,
räume tauchen etwa in den vom         licht, könnte eine Trendwende in                   vor allem im östlichen Österreich.
Naturschutzbund Burgenland he-        der Biodiversitätskrise gelingen.                  Sein fachlicher Schwerpunkt liegt
rausgegebenen Artenschutzpro-         Die Finanzmittel sind im künftigen                      besonders in der Ornithologie
grammen, wie dem über die Heu-        ÖPUL vorhanden. Die Ausgestal-                         und bei Heuschrecken. Aktuell
schrecken des Nordburgenlands,        tung der Maßnahmen wird aber                          arbeitet er in einem Projekt von
gerade bei den „Spitzenarten“ mit     entscheiden, ob sie auch zum                         Esterhazy und WWF Österreich
sicherer Regelmäßigkeit auf. Die      Wohle der Biodiversität eingesetzt                      zur Bewei-
Sicherstellung der Bewirtschaf-       werden können.                                           dung von
tung dieser Grenzertragsstandorte                                                         Magerwiesen
und auch die Rückgewinnung der                            Weiterführende Literatur:        am Westufer
                                          Holzer, T., Zuna-Kratky, T. & Bieringer, G.
bereits aufgegebenen und verbra-                                                               des Neu-
                                        (2019): Bewertung der Wirkung relevanter
chenden Standorte ist daher von                   LE-Maßnahmen auf Tagfalter und           siedler Sees
herausragender Bedeutung zur           Heuschrecken als Indikatoren für Biodiver-       sowie an einer
Rettung der Biodiversität in der          sität – Endbericht. Studie im Auftrag des     Insektenstudie
Kulturlandschaft! Gerade auf sol-     Ministeriums für Nachhaltigkeit & Tourismus,          des BMLRT
                                       Wien. 60 pp. https://www.bmlrt.gv.at/land/
chen Standorten kann eine dem                                                             und der neun
                                                   laendl_entwicklung/evaluierung/
Lebensraum angepasste, extensi-                                                         Bundesländer.
ve Beweidung sehr viel Positives
bewirken, wie aktuelle Untersu-
chungen zu Beweidungsprojekten
im Nordburgenland zeigen.
    Aber auch im „normalen“ Grün-
land ist angesichts des fortschrei-
tenden Artenschwunds dringen-
der Handlungsbedarf gegeben.
Unsere Untersuchungen zeigten,
dass für Tagfalter vor allem die
Verschiebung der ersten Mahd
um acht Wochen die Artenzahlen
steigen lassen, während Heu-
schrecken eher auf eine größere
„Mahdpause“ zwischen erster
und zweiter Mahd von zumindest
zehn Wochen „anspringen“. In
der heutigen Grünlandwirtschaft
ist das aber nur auf einem klei-
nen Teil der Wiesen und mit ent-      n Ungemähte „Schmetterlingsstreifen“ sind wichtige Rückzugsräume
sprechender Förderung umsetz-         während der Mahd und ermöglichen Insekten eine Überwinterung in der
bar. Vorbildlich in dieser Richtung   genutzten Fläche – oben: Schachblumenschutzgebiet bei Luising.

                                                                                                                                   7 N+U
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
Genetische Diversität in der
   Landwirtschaft
       Wie bereits im Frühjahrsheft      werden vom Menschen definiert
   von Natur & Umwelt beschrieben,       und waren immer auch oder bei-
   besteht Biodiversität nicht nur aus   nahe ausschließlich am Nutzen für
   Artenreichtum und aus einer Viel-     die Menschen ausgerichtet.
   falt an Lebensräumen und Öko-            Die vom Menschen festgeleg-
   systemen, sondern auch aus der        ten Zuchtziele – insbesondere die
   genetischen Vielfalt innerhalb von    der letzten 50 Jahre – waren bei-
   Arten oder Rassen.                    nahe ausschließlich durch Leis-
       Als genetische Vielfalt kann      tungssteigerungen geprägt.
   man die unterschiedlichen gene-          Bis nach dem 2. Weltkrieg
   tischen Informationen der Indivi-     lebten die landwirtschaftlichen
   duen innerhalb einer Art bezeich-     Haustiere zum Großteil in einem
   nen. Diese genetische Vielfalt ist    Verbund mit dem Tierhalter, der
   die Voraussetzung für Anpassun-       Umwelt, dem Nahrungsangebot
   gen an veränderte Lebensbedin-        und den Leistungen, die ihnen ab-
   gungen und Umwelteinflüsse,           verlangt wurden, wobei der Tier-
   aber auch an Krankheiten, die         halter darauf achtete, dass diese
   in ein bestehendes Ökosystem          in einem ausgewogenen Verhält-       n Heute sind es oft Hobbyhalter, die
   eingebracht werden. Diese An-         nis zueinander standen.              „alte Haustierrassen“ schätzen
   passungsfähigkeit wird in Zeiten         So war es oft notwendig, so-
   des Wandels (z. B. Klimawandel)       gar kleinräumig andere Tierrassen    haben sich die Spezialisierung in
   umso mehr gefragt sein.               zu halten bzw. die vorhandenen       der Landwirtschaft und damit die
       Aus dem vorhandenen Gen-          Rassen durch Zucht an die Um-        Nutztierhaltung und der Pflanzen-
   pool entwickeln sich durch natür-     gebung anzupassen. Als Beispiel      anbau fast völlig verändert. Durch
   liche Selektion an das Ökosystem      kann man im Burgenland die           Kommassierungen, Zunahme des
   angepasste Individuen. Bei der        Graurinder im jetzigen National-     allgemeinen Verkehrs, Preisdruck,
   künstlichen Selektion werden die      park Neusiedler See – Seewinkel      Abwanderung aus den bäuerli-
   Ziele (Zuchtziele) vorgegeben und     hernehmen, die eben nur dort den     chen Betrieben usw. änderten
   müssen nicht im Einklang mit der      optimalen Kompromiss aller Erfor-    sich die Rahmenbedingungen des
   besten Anpassung an ein Ökosys-       dernisse darstellen.                 ehemals bäuerlichen Wirtschaf-
   tem einhergehen. Die Zuchtziele          Ab Beginn der 1970er-Jahre        tens. Gesellschaftliche und poli-

    n Graurinder werden im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel zu Weidezwecken eingesetzt.

N+U 8
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
tische Vorgabe war, ausreichend            Diese Entwicklungen führten            Vielleicht greifen wir bald auf
billige Nahrungsmittel für alle Be-    dazu, dass die ehemals große           diese angepassten, aber ver-
völkerungsgruppen zu produzie-         Rassenvielfalt bei den landwirt-       drängten Altarten und Altrassen
ren. Der Leistungsgedanke wurde        schaftlichen Nutztieren immer          zurück, um der Trockenheit, den
in der landwirtschaftlichen Bera-      mehr eingeengt wurde; einige der       Schädlingen und anderen negati-
tung in den Vordergrund gestellt.      Rassen wurden, wenn überhaupt,         ven Klimafaktoren Paroli bieten zu
Das Aufkommen der Supermärk-           ausschließlich als Kreuzungstiere      können.
te und damit die fortschreitende       verwendet. Die große Vielfalt war          Nachdem Topografie und Kli-
Konzentration des Handels auf          auf dem Weg auszusterben.              ma im ganzen Burgenland sehr
wenige große Ketten geben den              Einige wenige über ganz            ähnlich sind, war auch in früherer
Takt vor: billig, billig, billig.      Österreich verteilte Bauern, oft       Zeit die Aufspaltung in viele unter-
                                       als Spinner verlacht, haben sich       schiedliche, angepasste Rassen
w Aus Bauern wurden Landwirte          dieser beinahe ausgestorbenen          nicht notwendig, anders aber im
    Die Folge war, dass die Tier-      Rassen in letzter Minute ange-         alpinen Raum.
haltung von der herkömmlichen          nommen und ihnen ein Überleben             Im Burgenland hielt man bei
Haltungsart und den sie umge-          ermöglicht. Diese Bauern haben         den Rindern fast ausschließlich
benden Lebensumständen immer           es sich zum Ziel gesetzt, neben        Fleckvieh, das aus primitiven
mehr entkoppelt wurde und die          der wirtschaftlichen Führung ihrer     Landrassen durch Kreuzung mit
Stallhaltung mit optimierter Ar-       Landwirtschaft auch bodenstän-         Simmentalern und auch mit un-
beitsbelastung des Bauern in den       dige Rassen zu erhalten. Der Lohn      garischer Nachzucht verbessert
Vordergrund trat. Durch die dau-       dafür war nicht Geld, sondern das      wurde. Es entsprach als Mehr-
ernde Stallhaltung war es auch         Glücksgefühl etwas sehr Sinnvol-       nutzungsrasse (Milch und Fleisch)
nicht mehr notwendig, auf Klima,       les und Befriedigendes zu tun. An      allen Anforderungen der damali-
Boden, Gelände, Futterangebot          ihrer Freude und ihrem Stolz kann      gen Zeit: sehr anpassungsfähig
usw. Rücksicht zu nehmen. Dies         man ablesen wo die wirklichen          an das Klima, gute Mast- und
alles wurde unter Betriebsmittel       Werte einer erfüllten Arbeit liegen.   Milchleistung, langlebig, frucht-
subsummiert und konnte jeder-              Mit der Zeit fanden sich auch      bar, nicht krankheitsanfällig und
zeit herangekarrt werden. Wichtig      Vereinigungen, die die Erhaltung       als Zugtier einsetzbar (aus: „Das
wurde ausschließlich die Leistung      aussterbender Rassen zu ihren          Buch der Burgenländischen Bau-
in einem für die Leistungserbrin-      Aufgaben gemacht haben. So             ern“, 1954). Durch die kleinbäu-
gung optimierten Umfeld.               wurden die oben angeführten            erliche Struktur mit sehr geringen
    Sollte das Tier nicht ganz in      Rassen vorerst doch noch erhal-        Tierzahlen (durchschnittlich 2,2
das System hineinpassen, wur-          ten und es besteht die Hoffnung,       Kühe pro Hof) gab es auch keinen
de es dafür zugerichtet (z. B. der     dass sie auch tatsächlich erhal-       Zuchtfortschritt in Richtung Leis-
Schwanz wurde bei Maststieren          ten bleiben. Dies betrifft nicht nur   tung. Die Milchleistung lag bei ca.
auf Vollspaltenhaltung kupiert),       Tierrassen, sondern in gleichem        3.000 kg pro Jahr. Die Kühe wur-
d. h. das Tier wurde dem Stall         Ausmaß auch Getreidepflanzen.          den sowohl im Stall als auch auf
angepasst. Durch die Einführung            Die Rinderhaltung wird nach-       der Weide (Austrieb) gehalten.
der künstlichen Besamung wur-          stehend nur deshalb so genau be-           In Österreich gab es allerdings
den die Stierlinien massiv einge-      schrieben, weil man exemplarisch       sehr viele, oft kleinräumig unter-
schränkt, durch Embryotransfer         darstellen kann, welchen Sinn die      schiedliche Rinderrassen, die alle
auch die Mütterlinien – zum Glück      unterschiedlichen Rassen hat-          an die oft kleinräumigen Lebens-
hat sich der Embryotransfer nicht      ten und vielleicht als Genreserve      bedingungen angepasst waren.
in großem Stil durchgesetzt. Bei       in baldiger Zukunft wieder haben       So wurden die folgenden Rinder-
Tierarten mit kürzerer Generati-       werden.                                rassen mit den jeweiligen Vortei-
onszeit ist es üblich geworden,            Dies gilt aber auch für die        len gehalten;
Hybridzüchtungen einzusetzen.          Schweinerassen, noch viel aus-         w Fleckvieh: fruchtbar, langlebig,
Der Tierhalter hat dann gar nicht      geprägter bei den Geflügelrassen       weidetauglich, sowohl für intensiv
mehr die Möglichkeit, mit seinen       (bei den Putenrassen kann man          als auch extensiv genutzte Betrie-
Tieren weiterzuzüchten. Diese          die weltweit wirtschaftlich genutz-    be nutzbar, frohwüchsig mit guter
Entwicklung ist am Pflanzensek-        ten Rassen an einer Hand abzäh-        Fleischleistung.
tor noch viel stärker ausgeprägt –     len), aber in weiterer Folge auch      w Braunvieh: milchbetont, weide-
Hybridsorten sind die Norm. Dort       bei den Getreidearten usw. Über-       tauglich, fruchtbar
kommt noch dazu, dass gentech-         all, wo es eine intensive Ausrich-     w Holstein: milchbetonte Hoch-
nisch veränderte Pflanzen in vie-      tung auf Leistungsparameter gibt,      leistungskühe, gutes Fundament,
len Bereichen als normal angese-       kommt es zu einer Einengung der        großes Futteraufnahmevermögen
hen werden. Auch, wenn diese bei       genetischen Vielfalt. Und überall,     w Pinzgauer: mittel- bis groß-
uns verboten sind, werden sie als      wo man eine Einengung der gene-        rahmig; starke Bemuskelung der
Tierfutter oder – bereits veredelt –   tischen Vielfalt hat, wird die Reak-   Hinterextremität, sehr gute An-
als Fleisch importiert und von den     tionsmöglichkeit bei Klimaände-        passungsfähigkeit und Weide-
Konsumenten als Spezialitäten          rung schwieriger bzw. nur mehr         tauglichkeit, ausgeprägter Mut-
eingekauft.                            von Spezialisten durchführbar.         terinstinkt, gutmütig

                                                                                                               9 N+U
NATUR & UMWELT - Land Burgenland
w Graurind: Zweinutzungsrasse,          Schrumpfschnitzel) oder DFD           Höhenlagen grasen, in die die
     auch unter erschwerten Bedin-           (dark, firm, dry = Schuhsohle)        Rinder nicht mehr hinkommen.
     gungen haltbar, anspruchslos,           wurden bald erkannt und zurück-           Von den Schafrassen gelten
     gute Futterverwertung, Milchleis-       genommen.                             heute das Kärntner Brillenschaf
     tung nicht so hoch, sehr robustes           Heute werden im Burgenland        und das Braune Bergschaf als ge-
     Rind                                    mehr Rassen gehalten.                 fährdet.
     w Kärntner Blondvieh: Zwei-             w      Pietrain:    hervorragende         Von den Geflügelrassen wur-
     nutzungsrind mit Hauptnutzung           Schlachtleistung, hoher Anteil an     den Leghorn (sehr leichte Ras-
     Fleisch, sehr gute Mutterkühe           wertvollen Fleischteilen, kleinrah-   se, männliche Tiere konnten ge-
     w Murbodner: Zweinutzungsrasse          mig, hauptsächlich in der Vater-      mästet werden), Rhodeländer
     mit Hauptnutzung Fleisch, gute          linie eingesetzt.                     (mittelschwere Rasse, auch an-
     Mutterkühe, robust, problemlos,         w Duroc: hauptsächlich in der         sprechende Fleischleistung) und
     langlebig, starkes Fundament.           Mutterlinie, gute Konstitution und    Goldamerikaner (New Hampshire)
     w Pustertaler Sprinzen, Waldviert-      Fleischbeschaffenheit.                gehalten. Auf die alten Hühner-
     ler Blondvieh, Tux Zillertaler, Gelb-   w Turopolje: waren schon fast         rassen wird heute vermehrt in der
     vieh, Simmentaler, Angus, Jersey,       ausgestorben, neben Speck auch        Hobbytierhaltung zurückgegriffen.
     Ennstaler Bergschecken, ...             Fleisch, Zuchtleistung gering.        In der landwirtschaftlichen Geflü-
         Bei den Schweinen gibt es           w Mangalitza:       Wollschweine,     gelhaltung werden eher sehr we-
     noch keine derart lange Zuchtge-        hoher Fett- und geringer Fleisch-     nige Rassen mit zum Teil bedenk-
     schichte. Erst vor etwas über 200       anteil, geringe Zuchtleistung.        lich hohen Leistungen eingesetzt.
     Jahren begann man, Schweine                 Bei den Ziegen wurden im              Vollständigkeitshalber auch ein
     gezielt zu züchten. Bis dahin hat-      Burgenland hauptsächlich die          kurzer Blick auf die alten Getrei-
     ten sie eher das Aussehen von           Deutsche Edelziege (weiße Saa-        desorten.
     Wildschweinen.                          nenziege), das ist eine hornlose,     w Dinkel: gehört zur Weizenfamilie,
         Im Burgenland wurden das            kurzhaarige Ziege, eingesetzt.        Urgetreide, gute Backeigenschaf-
     „Deutsche Edelschwein“, die                 Heute werden in Österreich        ten, weniger effizient als Weizen
     „Deutsche Landrasse“ und in ge-         zusätzlich noch die Toggenbur-        w Emmer: Weizen, geschmacksin-
     ringer Anzahl Mangalitza gehalten       gerziege, die Bunte Edelziege,        tensiver, vor allem für Brotherstel-
     und gezüchtet. Vereinzelt wurden        die Gemsfarbige Gebirgsziege,         lung sehr geeignet
     zur Blutauffrischung Tiere aus          Tauernschecken, Pinzgauer Zie-        w Grünkern: in der Milchreife ge-
     England (Large White) zugekauft         ge, Steirische Schneckenziege         ernteter Dinkel, wird dann ge-
     und eingesetzt.                         usw. eingesetzt. Die Gebirgszie-      trocknet, hoher Vitamin B Gehalt,
         Fehlentwicklungen in der ge-        gen sind trittsicher, extrem gute     hoher Mineralstoffgehalt, sehr ho-
     samten europäischen Zucht wie           Kletterziegen mit harten, kleinen     her Eisengehalt
     PSE (pale, soft, exsudative =           Klauen und können noch in             w Urroggen (Johannesroggen):
                                                                                   benötigt weder Dünger noch
                                                                                   Pflanzenschutz, Tiefwurzler
                                                                                   w Hafer: nährstoffreich, glutenarm,
                                                                                   enthält viele Ballaststoffe und
                                                                                   hochwertiges Eiweiß
                                                                                       Die häufigsten landwirtschaft-
                                                                                   lichen Nutzpflanzen sind heute
                                                                                   Weizen, Mais, Reis, Erdäpfel, So-
                                                                                   jabohnen und Zuckerrohr.
                                                                                       Wir werden in den nächsten
                                                                                   Jahren erleben, ob wir im Klima-
                                                                                   wandel mit den hochgezüchteten
                                                                                   Nutzpflanzen weiterkommen oder
                                                                                   ob wir nicht auf den vorhandenen
                                                                                   Genpool alter Nutzpflanzen – den
                                                                                   auch bei den Pflanzen einige Ini-
                                                                                   tiativen angelegt haben – zurück-
                                                                                   greifen müssen.

                                                                                   Der Autor:
                                                                                   wHR i. R.
                                                                                   Dr. Robert FINK
                                                                                   ehemaliger Landes-
                                                                                   veterinärdirektor,
                                                                                   Leiter der Fachtier-
                                                                                   arztkommission
     n Woll- und Turopoljeschweine erfreuen sich wieder größerer Beliebtheit.      Bienen

N + U 10
Jagd und Biodiversität
Wenn es auch für manche auf den ersten Blick nicht erkenn-
bar ist: Biodiversität ist im Jagdgesetz verankert. Von den
vielfältigen Maßnahmen der Jägerinnen und Jäger profitie-
ren viele Wildtiere.

   Die Vielfalt der Lebensräume         unterschiedlichen Mähzeitpunk-
in Verbindung mit der Vielfalt an       ten wird die Landschaft bereichert
Lebensgemeinschaften und Arten          und bietet auf kleinstem Raum
ist eine wesentliche Vorausset-         vielfältige Lebens- und Rück-
zung für die nachhaltige Jagd. Im       zugsmöglichkeiten. Beispielhaft
Bgld. Jagdgesetz 2017 wird u.a.         sei die prämierte Kooperation des
auch diese Bedeutung für gesun-         Jagdvereins der Stinatzer Jäger
de Wildtierpopulationen normiert:       mit dem Verein BERTA erwähnt:
w Das Gesetz hat zum Ziel, ge-          Feldlerche und Wachtel brüten
sunde Wildpopulationen in ihrer         und die Blauracke konnte wieder
Artenvielfalt zu erhalten sowie die     beobachtet werden.
Lebensräume des Wildes zu er-              Trockene, heiße Sommer sind
halten.                                 eine zusätzliche Herausforderung
w Wild ist in seiner Vielfalt und       für Wildtiere und können schnell
natürlichem Beziehungsgefüge zu         zur Notzeit werden. Mit Wasser-
bewahren.                               stellen werden wertvolle punk-
   Viele Parameter, wie Forstwirt-      tuelle Anreize und Lebensinseln
schaft, Landwirtschaft, Tourismus,      im Revier für Säugetiere, Vögel        n Randlinien bereichern das Revier.
Verkehr und Industrie, wirken mit       und Insekten geschaffen. Im Jahr                             Foto: J. Himmler
Bearbeitung, Flächenversiegelung        2019 wurden in einem Revier im
und Störung direkt und indirekt         Bezirk Neusiedl/See 235.000 Liter
auf die Lebensräume und die Le-         Wasser ausgebracht!
bensgemeinschaften. Zusätzlich             Derartige praktische Projekte       schaftlicher Flächen angewiesen,
verändert der Klimawandel die           zeigen, dass es auch heute noch        denn die Wichtigkeit der Vielfalt
generellen Rahmenbedingungen            möglich ist, die in ihrem Bestand      des Lebensraums als Basis für
drastisch.                              in weiten Teilen des Landes stark      gesunde Wildbestände ist längst
   Es gilt, mit einfachen Mitteln       gefährdeten Wildarten (z. B. alle      erkannt. Ohne diese wichtigste
wichtige Akzente im Jagdrevier          Bodenbrüter, Feldhase) zu erhal-       Ressource bleiben zusätzliche
zu schaffen. Durch die Anlage           ten und die Besatzzahlen langsam       Hegemaßnahmen (z. B. Anlegen
von Hecken, Windschutzstreifen,         wiederaufzubauen. Um solche er-        von Wasserstellen, Regulierung
Gehölzinseln, Steinhaufen und           freulichen Ergebnisse großflächig      des Raubwilds) der Jäger oft nur
der mosaikartigen Aufteilung von        erzielen zu können, ist der Jäger      Stückwerk.
Blühflächen und Wildäckern mit          auf die Bewirtschafter landwirt-          Von     lebensraumverbessern-
                                                                               den Maßnahmen profitieren ne-
                                                                               ben den Wildtieren auch andere
                                                                               Lebewesen, wie Insekten oder
                                                                               Singvögel. Um einen nachhaltigen
                                                                               Erfolg zu erzielen, ist eine wech-
                                                                               selseitige Wertschätzung und die
                                                                               kontinuierliche Zusammenarbeit
                                                                               von Jägerschaft, Gemeinde sowie
                                                                               Landwirtschaft und Naturschutz
                                                                               vor Ort unbedingt notwendig.

                                                                                                          Autor
                                                                                        DI Andreas DUSCHER
                                                                                              Burgenländischer
                                                                                            Landesjagdverband
                                                                                    Geschäftsführer, Wildbiologe

n Mut zur Lücke – eine Bereicherung des Lebensraums Foto: Jagdverein Stinatz

                                                                                                               11 N + U
Die Vielfalt im Bio-Landbau
     Was haben Wildbiene, Feldlerche oder Kiebitz gemein-                             Landschaftselementen sowie die
     sam? Ihr Bestand und der von vielen anderen Pflanzen und                         Nutzungsaufgabe extensiv be-
                                                                                      wirtschafteter Lebensräume. Sie
     Tieren nimmt weltweit dramatisch ab – mit spürbaren Fol-
                                                                                      führen einerseits zum direkten
     gen für unser Ökosystem. Es braucht gezielte Maßnahmen,                          Verlust von wildlebenden Tier-
     um die Vielfalt von Pflanzen und Tieren zu erhalten und zu                       und Pflanzenarten mit negativen
     fördern. Der Bio-Landbau ist auf einem guten Weg.                                Effekten auf Folgenutzer, denen
                                                                                      die Nahrungsgrundlage fehlt.
         Der Schutz der Artenvielfalt ist   bewirtschaftung eine Schlüssel-           Andererseits erfolgt eine starke
     seit Jahrzehnten ein erklärtes Ziel    funktion für den Erhalt wildleben-        Beeinträchtigung der Funktion
     aller Länder. Trotzdem ist nach wie    der Tier- und Pflanzenarten sowie         landwirtschaftlicher Nutzflächen
     vor ein alarmierender Rückgang         deren Lebensräume ein. Viele              als Lebensraum, sodass viele
     zu verzeichnen. Dies belegt erneut     Arten, wie Feldvögel und Amphi-           Arten keine geeigneten Fortpflan-
     der kürzlich erschienene Bericht       bien, leben teilweise auf land-           zungsbedingungen mehr vor-
     des Weltbiodiversitätsrats. Darin      wirtschaftlich genutzten Flächen.         finden. So fehlen zum Beispiel
     wird prognostiziert, dass in den       Ackerwildkräuter würden ohne              Brutplätze für Vögel. Die Blüten-
     kommenden Jahrzehnten von den          regelmäßige Bodenbearbeitung              armut der modernen, intensiven
     geschätzten acht Millionen Tier-       verschwinden.                             Landwirtschaft und die Anwen-
     und Pflanzenarten weltweit rund           Die intensive Landbewirtschaf-         dung von Insektiziden werden als
     eine Million Arten vom Aussterben      tung gilt als eine der Hauptver-          maßgebliche Ursachen für den
     bedroht sind, wenn es zu keinen        ursacher für den alarmierenden            starken Rückgang von Insekten
     grundlegenden Änderungen bei           Artenrückgang in der Kulturland-          angesehen.
     der Landnutzung, dem Umwelt-           schaft. Wesentliche Faktoren sind
     schutz und der Eindämmung des          unter anderem die hohe Nährstoff-         w Stabile Ökosysteme
     Klima-wandels komme.                   zufuhr über Mineraldüngung und                Langzeitstudien zeigen, dass
                                            Gülle, der hohe Einsatz an Pestizi-       eine größere Artenvielfalt einen
     w Wo die Ursachen liegen               den, der Anbau nur noch weniger           positiven Einfluss auf die Stabili-
        In vielen Ländern Europas liegt     Fruchtarten, die Vergrößerung und         tät und die Leistungsfähigkeit von
     der Anteil der landwirtschaftlichen    Vereinheitlichung der Schläge, der        Ökosystemen hat. Arten sind die
     Nutzfläche bei 40 bis 60 Prozent.      Rückgang von Brachen und Dau-             Grundlage unserer Ernährung und
     Daher nimmt die Art der Land-          ergrünland, die Beseitigung von           wichtige Rohstoffe. Sie sorgen in
                                                                                      intakten Ökosystemen unter an-
                                                                                      derem für saubere Luft und Was-
                                                                                      ser, Hochwasserschutz, Nitrat-
                                                                                      abbau, Kohlenstofffixierung und
                                                                                      Erosionsschutz. Weltweit hängen
                                                                                      etwa drei Viertel aller Nahrungs-
                                                                                      pflanzen zumindest teilweise
                                                                                      von der Bestäubung durch Tiere
                                                                                      ab. Dabei spielen Wildbienen als
                                                                                      Bestäuber eine zentrale Rolle.
                                                                                      Etwa ein Drittel aller Wildbienen-
                                                                                      arten ist auf das Vorhandensein
                                                                                      von bestimmten Pflanzen spe-
                                                                                      zialisiert. Finden sie diese nicht
                                                                                      mehr vor, fehlt den Bienen die
                                                                                      Lebensgrundlage.        Umgekehrt
                                                                                      sind diese Pflanzen meist auf die
                                                                                      spezialisierten    Wildbienenarten
                                                                                      für die Bestäubung angewiesen.
                                                                                      Auch der Rückgang der Acker-
                                                                                      wildkräuter hat weitreichende
                                                                                      Folgen für die Biodiversität in der
                                                                                      Agrarlandschaft, da die Ackerflora
                                                                                      Nahrungsgrundlage und Deckung
                                                                                      für Insekten, Feldvögel und ande-
                                                                                      re wildlebende Tierarten darstellt.
     n Bienenweide als Teil eines intakten Ökosystems      Foto: Andrea Grabenhofer   Für die Funktionsfähigkeit eines

N + U 12
Rot- und Weißklee sowie Luzerne
                                                                                    beliebte Nektarpflanzen sind. Hin-
                                                                                    zu kommt, dass der Hauhechel-
                                                                                    Bläuling seine Eier ausschließ-
                                                                                    lich an Blättern und Blüten von
                                                                                    Leguminosen legt. Die Raupen
                                                                                    überwintern in der Bodenstreu
                                                                                    und profitieren somit von mehr-
                                                                                    jährigem Kleegrasanbau. Viele In-
                                                                                    sektenarten und Spinnen hängen
                                                                                    aber auch stark von Landschafts-
                                                                                    elementen wie Hecken oder Säu-
                                                                                    men ab. Während sie im Sommer
                                                                                    ganz oder teilweise auf dem Acker
                                                                                    leben, benötigen sie zur Überwin-
                                                                                    terung diese angrenzenden, zum
                                                                                    Teil nicht oder extensiv genutzten
                                                                                    Strukturen. Auch bei der Mahd,
                                                                                    sei es im Kleegras oder Grünland,
n Die Feldlerche brütet auf Äckern und im Grünland                                  können die Tiere in die Säume
                                  Foto: Frebeck, CC BY-SA 3.0 _ Wikimedia Commons   flüchten und von dort die Flächen
                                                                                    mit nachwachsendem Bestand
Agrarökosystems sind zudem vie-         von der Landschaftsstruktur und             wieder besiedeln. Die Artenvielfalt
le unauffällige Tierarten und Mikro-    dem Vorhandensein von Begleit-              der Agrarlandschaft hängt also
organismen wichtig, die Aufgaben        biotopen, die sie zum Beispiel zur          neben den Bewirtschaftungsver-
bei der Kontrolle von Schädlingen       Reproduktion oder zur Überwinte-            fahren auf der Fläche entschei-
und im Recycling von Nährstoffen        rung benötigen, abhängig sind.              dend auch vom Anteil und der
sowie als Pflanzen- oder Samen-             Auch im Bio-Landbau findet              Qualität dieser Landschaftsele-
fresser übernehmen. So ist die          aufgrund des steigenden ökono-              mente ab.
Häufigkeit von Krankheitserregern       mischen Drucks eine Intensivie-                 Da die meisten Naturschutz-
und Parasiten bei Pflanzen und          rung und Spezialisierung statt –            maßnahmen mit Mindererträ-
Tieren umso niedriger, je diverser      mit negativen Auswirkungen auf              gen und erhöhtem Aufwand für
ein Ökosystem an Arten ist. Blüh-       die Artenvielfalt. Dabei ist gene-          den Landwirt verbunden sind,
streifen und Hecken verhindern          rell zu berücksichtigen, dass be-           ist eine Honorierung dieser Leis-
die Erosion des Bodens, was u. a.       stimmte Arten durch die gängige             tungen unabdingbar. So ist auch
dem Verlust fruchtbaren Ackerbo-        landwirtschaftliche Praxis nicht            eine grundlegende Reform der
dens entgegenwirkt.                     ausreichend geschützt und geför-            EU-Agrarsubventionen notwen-
                                        dert werden. Vögel, wie die Feld-           dig. Der Hauptanteil der öffent-
w Leistungen und                        lerche, brüten auf Äckern und im            lichen Mittel für die Landwirtschaft
Handlungsbedarf                         Grünland. Um ihre Jungen erfolg-            muss in Zukunft verstärkt an die
    Eine aktuelle, umfangreiche         reich aufzuziehen, benötigen sie            Erbringung         gesellschaftlicher
Auswertung      wissenschaftlicher      einen störungsfreien Zeitraum von           Leistungen gekoppelt werden.
Untersuchungen aus den Jah-             etwa acht Wochen in der Brutzeit.
ren 1990 bis 2017 zum Vergleich         Stark gefährdete Ackerwildkräu-                                   Die zitierten Ergebnisse
                                                                                                          basieren auf der Studie
ökologischer und konventioneller        ter, wie der Acker-Schwarzküm-
                                                                                               von Stein-Bachinger et al. (2019)
Bewirtschaftung, die von Wissen-        mel oder die Kleine Wolfsmilch,               zur Biodiversität in Sanders & Heß (Hrsg.):
schaftlern des Leibniz-Zentrum          die erst ab August reife Früchte                Leistungen des ökologischen Landbaus
für     Agrarlandschaftsforschung       bilden, können durch späte Stop-                           für Umwelt und Gesellschaft.
durchgeführt wurde, belegt die          pelbearbeitung ab Mitte Septem-                                Thünen Report 65, 364 S.
                                                                                                           sowie auf dem Projekt
hohe Bedeutung der ökolo-               ber und Verzicht auf Striegeln,
                                                                                                „Landwirtschaft für Artenvielfalt“
gischen Landwirtschaft für die          auch kleinflächig am Ackerrand                       www.landwirtschaft-artenvielfalt.de
Artenvielfalt.   Die    Ergebnisse      gezielt gefördert werden. Das Ste-
zeigen, dass höhere Arten- und          henlassen von ungemähten Strei-
höhere Individuenzahlen bei den         fen bei der ersten oder zweiten                      Autorin:
ausgewählten         Artengruppen       Mahd im Kleegras oder Grünland                      Dr. Karin
durch ökologische Bewirtschaf-          wirkt sich besonders positiv auf                      STEIN-
tung die Regel sind. Bei den Tier-      Insekten aus und beansprucht nur               BACHINGER
gruppen sind die bewirtschaf-           einen kleinen Teil der Fläche. Da-          Leibniz-Zentrum
tungsbedingten       Auswirkungen       von profitieren auch Tagfalter, wie                 für Agrar-
allerdings nicht so deutlich aus-       der Kleine Perlmutterfalter und                 landschafts-
geprägt wie bei den Pflanzen, da        der Hauhechel-Bläuling, die ger-                   forschung
Tiere sehr mobil und auch stärker       ne Kleegrasflächen besuchen, da                   (ZALF) e.V.

                                                                                                                           13 N + U
Biodiversitätsexpertinnen
        Mit dem ELER-Naturschutz-            mit Biodiversitäts-Kompetenz neu         unterstützt von Mag.a Andrea Gra-
     projekt „Umsetzung der Österrei-        auf“, so LH-Stellvertreterin Mag.a       benhofer
     chischen Biodiversitätsstrategie        Astrid Eisenkopf.
     2020+“ in den Burgenländischen              Ziel des Projekts ist es, die        w Naturpark Rosalia-Kogelberg:
     Naturparken“ konnte die Arbeit          Biodiversität der sechs Burgen-          „Streuobstwiesen im Naturpark
     der vier Biodiversitätsexpertinnen      ländischen Naturparke durch              Rosalia-Kogelberg: „Besonderer
     für weitere zwei Jahre gesichert        aufeinander abgestimmte und              Lebensraum für Zwergohreule
     werden. Diese Fachkräfte sollen         koordinierte Aktivitätsmodule zu         und Wiedehopf“ – wird unterstützt
     die wertvollen Lebensräume in           erhalten bzw. zu verbessern., Die        von Mag.a Marlene Hrabanek-
     ihrer Erhaltung und Weiterentwick-      Module bauen auf den Zielset-            Bunyai, MA, Bakk.techn.
     lung unterstützen. Zur Koordinati-      zungen der Biodiversitätsstrategie
     on, Vernetzung und Evaluierung          Österreichs und der Europäischen         w Naturpark Landseer Berge:
     wird von der ARGE Naturparke            Union auf. Konkret sind Maßnah-          „Artenschutzmaßnahmen        zum
     gemeinsam mit dem Referat für           men in folgenden Themenfeldern           Thema ‚Vogel- und Insektenster-
     Naturschutz der Burgenländi-            definiert: Öffentlichkeitsarbeit und     ben‘ unter besonderer Berück-
     schen Landesregierung alle zwei         Bewusstseinsbildung, Erfassung           sichtigung der Mehl- und Rauch-
     Monate ein Jour Fixe mit den Bio-       und Beschreibung von wertvol-            schwalben“ – wird unterstützt von
     diversitätsexpertinnen organisiert      len Flächen und Lebensräumen             Katharina Schabl, BSc, MSc
     und durchgeführt.                       in den Naturparken, Entwicklung
                                             von Pflegekonzepten für beson-           w Naturpark Geschriebenstein:
     w Naturpark-Schwerpunkte                dere Lebensräume, Wissensver-            „Konzeption und Errichtung eines
         Übet das ganze Land verteilt,       mittlung in der Bevölkerung mit          Bienenlehrpfads und Bewusst-
     verfügt jeder burgenländische           Schwerpunkt auf Kooperationen            seinsbildung zu Insekten- & Vo-
     Naturpark über einen eigenen            mit Naturpark-Schulen und -Kin-          gelsterben“ – wird unterstützt von
     Schwerpunkt, der die außerge-           dergärten, Freiwilligenprojekte zur      Katharina Schabl, BSc, MSc
     wöhnliche Struktur der jeweiligen       Pflege wertvoller Flächen, Arten-
     Landschaft repräsentiert. Dies          schutzmaßnahmen,          öffentliche    w Naturpark in der Weinidylle:
     geschieht auf Basis der optimier-       Grünflächen, die Förderung tra-          „Kulturlandschafts- & Wiedehopf-
     ten     Naturparkmanagementplä-         ditioneller Nutzungs- und Bewirt-        schutz im Naturpark“ – wird unter-
     ne, in denen Ziele, Projekte und        schaftungsmethoden sowie die             stützt von Cornelia Mähr, MSc
     Vorhaben der nächsten Jahre             Kommunikation der Projektverläu-
     skizziert sind. Die vier Biodiversi-    fe bzw. -ergebnisse.                     w    Naturpark       Raab-Örség-
     tätsexpertinnen werten mit ihrer                                                 Goricko: „Managementkonzept
     Kompetenz, die Flora und Fauna          w Themen und Personen                    öffentlicher Flächen und Bewusst-
     sowie die komplexen Zusammen-           w Welterbe Naturpark Neusied-            seinsbildung über den Wert der
     hänge betreffend, die Arbeit und        ler See – Leithagebirge: „Natur-         Biodiversität im Naturpark“ – unter-
     Leistungen der burgenländischen         juwele Trockenrasen und deren            stützt von Cornelia Mähr, MSc
     Naturparke entsprechend auf.            große biologische Vielfalt“ – wird                                         u
     Selbstverständlich werden auch
     Synergien genutzt und einzelne
     Projekte aufeinander abgestimmt.
         „Mit unseren sechs Naturpar-
     ken haben wir im Burgenland von
     Nord bis Süd eine intakte Natur
     quasi direkt vor der Haustüre.
     Ein wesentlicher Faktor für die-
     se intakte Natur ist die Biodiver-
     sität, also die Vielfalt an Tier und
     Pflanzenarten, die Vielfalt an Le-
     bensräumen und die so genannte
     Artenvielfalt. Weil wir wissen, wie
     wichtig diese Biodiversität für uns
     ist, setzen wir auf Basis unserer
     Naturparkmanagementpläne           in
     allen Naturparken einen eigenen
     Schwerpunkt und werten durch
     die Anstellung dieser einschlägi-       n LH-Stv. Astrid Eisenkopf (Mitte) und die vier Biodiversitätsexpertinnen, die
     gen Fachkräfte unsere Naturparke        die burgenländischen Naturparke unterstützen                  Foto: Thomas Böhm

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