TECHNOLOGY ASSESSMENT AND HIGHER EDUCATION: THEORIES, APPLICATIONS AND CONCEPTS - TATUP

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TECHNOLOGY ASSESSMENT AND HIGHER EDUCATION: THEORIES, APPLICATIONS AND CONCEPTS - TATUP
SPECIAL TOPIC

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              Technology
          ­a ssessment and
         higher education:
                        Theories, applications
                            and concepts

     Technikfolgenabschätzung im Kontext von Hochschulbildung:
                  Theorien, Praxisansätze und Konzepte

           Edited by Elke Hemminger and Sabrina C. Eimler

              This article is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International Licence (CC BY ).
                                             https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.10
TECHNOLOGY ASSESSMENT AND HIGHER EDUCATION: THEORIES, APPLICATIONS AND CONCEPTS - TATUP
Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis
                     Journal for Technology Assessment in Theory and Practice         SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

                                                                                  INTRODUCTION

          Möglichkeiten und Perspektiven der Technik-
               folgenabschätzung in der Bildung
                                                                     Elke Hemminger*, 1 , Sabrina C. Eimler2 

Zusammenfassung • Technikfolgenabschätzung (TA ) kommt in vielfäl‑                             This article is part of the Special Topic “Technology assessment and
tigen Bildungszusammenhängen vor, ihre Inhalte und Methoden kön‑                               higher education: Theories, applications and concepts,” edited by Elke
nen dazu beitragen, über disziplinäre Grenzen hinweg gesellschaftlich                          Hemminger and Sabrina C. Eimler. https://doi.org/​10.14512/tatup.31.1.10                     11
relevante Fragestellungen aus verschiedenen Perspektiven zu bearbei‑
ten. Die Transdisziplinarität der TA wirft jedoch die Frage auf, in welchen
Bildungskontexten TA ‑Perspektiven eingebracht werden und wie Bil‑
dungsprozesse sinnvoll strukturiert und effektiv gestärkt werden kön‑                          Wir leben in Zeiten, in denen die gesellschaftlichen Heraus-
nen. Dieses Special Topic thematisiert daher beide Perspektiven: die                            forderungen, allen voran die pandemische Notfallsituation der
Praxis in diversen trans- und interdisziplinären Bildungskontexten so‑                          Coronakrise und der Klimawandel mit seinen globalen Folgen,
wie die eigene (Aus-)Bildungspraxis der TA .                                                    die Entwicklung wissenschaftlicher Lösungsansätze dringlicher
                                                                                                denn je machen. Gleichzeitig müssen sich ganze Staaten und
Chances and perspectives of technology assessment in education                                  Staatengemeinschaften zu solchen Lösungsansätzen politisch
                                                                                                positionieren und Debatten darüber führen, welche technologi-
Abstract • Technology assessment (TA ) occurs in a variety of educa-                            schen Risiken eingegangen werden sollen und können, um die
tional contexts, its content and methods can contribute to dealing with                         Chancen bestimmter Verfahren nutzen zu können. Das Führen
socially relevant issues from different perspectives across disciplinary                        solcher Debatten ist die Grundlage partizipativer Entscheidungs-
boundaries. However, the transdisciplinarity of TA raises the question                          prozesse; die Fähigkeit und Möglichkeit zur kompetenten Teil-
in which educational contexts TA perspectives are introduced and how                            nahme daran ein zentraler Mechanismus in der Entstehung von
educational processes can be effectively structured and strengthened.                           Prognose- und Orientierungswissen im Sinne der Technikfol-
This issue therefore addresses both perspectives: practice in various                           genabschätzung (TA ). Eine häufig und medienwirksam trans-
trans- and interdisciplinary educational contexts, as well as TA ’s own                         portierte Annahme, beispielsweise in Werbespots für techni-
educational practice.                                                                           sche Geräte, betrifft die Idee, technische Innovationen würden
                                                                                               ‚unsere Art zu leben‘ oder ‚die Gesellschaft‘ verändern. Zwar ist
Keywords • university education, transdisciplinarity, participatory                             dies in gewisser Weise zutreffend, gleichzeitig entspricht diese
education, TA as educational process                                                            einseitige und simplifizierte Perspektive auf die Wirkmächtig-
                                                                                                keit von Technik auf Gesellschaft nicht den Erkenntnissen jahr-
                                                                                                zehntelanger Forschung. Tatsächlich ist der Zusammenhang zwi-
                                                                                                schen Technik und Gesellschaft weit komplexer und schwieriger
                                                                                               vorherzusehen als solche Narrative uns glauben lassen wollen.
                                                                                                Dies ist eine wesentliche Erkenntnis, die sich insbesondere auf
* Corresponding author: hemminger@evh-bochum.de                                                 bildungspolitische Entscheidungen auswirken sollte (Facer 2011,
1
    Soziale Arbeit, Bildung und Diakonie, Evangelische Hochschule                               S. 6 ff.).
    Rheinland-Westfalen-Lippe, Bochum, DE                                                           Zahlreiche Studien zur Produktion technischer Innovationen
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    Institut Informatik/Forschungsinstitut Positive Computing,                                  und wissenschaftlicher Erkenntnisse haben gezeigt, dass soziale,
    Hochschule Ruhr West, Bottrop, DE                                                           politische und persönliche Faktoren in unterschiedlichsten Zu-
                                                                                                sammenhängen – Drittmittelförderung, Entscheidung über die
                 © 2022 by the authors; licensee oekom. This Open Access article is licensed
                                                                                                Relevanz von Resultaten, Methodenwahl – eine wesentliche
                 under a Creative Commons Attribution 4.0 International License (CC BY ).       Rolle spielen können und somit die Produktion wissenschaft-
 https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.11
 Received: Jan. 24, 2022; accepted: Feb. 04, 2022; ­
                                                                                                licher und technischer Daten nicht völlig unabhängig vom so-
­published online: Apr. 08, 2022 (editorial peer review)                                        zio-kulturellen Umfeld zu betrachten ist (Latour 1988; Stand-

OPEN          ACCESS
https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.11                                                                · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 11–14
SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

     age 1998). Des Weiteren gibt es viele Erkenntnisse darüber, dass                           gen in den wissenschaftlichen Einzeldisziplinen ausreichend
     die tatsächliche Nutzung von Technik nicht unbedingt ihrem ur-                             curricularen Raum.
     sprünglich beabsichtigten Zweck entspricht und dass die viel-                                  Genau diesen Raum beansprucht die TA als junges und dy-
     fältigen und komplexen Aneignungspraktiken kaum vorherseh-                                 namisches, transdisziplinäres Forschungsfeld für sich. Aus der
     bar sind. Technik wird in das jeweils vorhandene soziale Um-                               Spannung zwischen dem Glauben an das zukunftsweisende und
     feld mit all seinen Werten und Bedürfnislagen, Vorurteilen und                             gesellschaftsverbessernde Potenzial von Technik und den nicht
     lokalen Besonderheiten integriert oder adaptiert, teils abgelehnt                          intendierten Folgen technischer Innovationen heraus entstan-
     oder gänzlich verworfen. Unweigerlich hat Technik Auswirkun-                               den neben der Erkenntnis, dass technische und wissenschaft-
     gen auf das Soziale; ebenso hat das Soziale aber Auswirkun-                                liche Entwicklungen ambivalente Folgen haben können, poli-
     gen auf die Technik, sodass von einem ständigen, wechselsei-                               tische, gesellschaftliche, aber auch wissenschaftliche Debatten.
     tigen Prozess der Co-Produktion auszugehen ist, der nicht vor-                             Letztlich führte dies dazu, dass mögliche negative Folgen von
     hersehbar oder steuerbar ist (Grint und Wolgaar 1997; Wolgaar                              technischem Fortschritt heute in zunehmendem Maße mitge-
     2002).                                                                                     dacht werden und ein grundsätzlicher Fortschrittsoptimismus
         Was bedeutet dies für ein Nachdenken über die Zusammen-                                teilweise gänzlich in Frage gestellt wird. Diese grundsätzlichen
     hänge von TA und Bildung? Zum einen erfordert es ein konse-                                Ambivalenzen stellen eine gelungene Praxis der TA als Bil-
     quentes Zusammendenken von Sozialem und Technik, wenn es                                   dungsprozess, der zwischen Risikoabschätzung und Chancen-
12   um wichtige Fragen der Zukunft geht. In Bildungszusammen-                                  bewertung vermittelt, vor große Herausforderungen (Beecroft
     hängen kann es nicht nur um Überlegungen bezüglich techni-                                 und Dusseldorp 2009). Dass TA in vielfältigen Bildungsbezü-
     scher und ökonomischer Trends oder wissenschaftlicher Ent-                                 gen vorkommt, an Hochschulen gelehrt und durch Professuren
     wicklungen gehen, sondern die sozialen, ethischen, kulturellen                             vertreten wird, ist hinreichend bekannt. Es liegen jedoch keine
     und politischen Fragen müssen konsequent mitgedacht werden.                                umfassenden aktuellen Daten dazu vor, in welchem Umfang, in
     Zum anderen münden diese Erkenntnisse in ein grundsätzliches                               welchen Strukturen und mit welchen spezifischen Inhalten dies
     Umdenken bezüglich des Zusammenhangs von Technik und Zu-                                   der Fall ist.
     kunft. Nämlich weg von einem Narrativ einer Zukunft, die uns
     unweigerlich angetan wird, hin zu einer Zukunft, die gestaltbar
     ist, die wir kreativ mitbestimmen und lebenswert einrichten kön-                           Beiträge zu diesem Special Topic
     nen (Hemminger 2021, S. 26 f.).
         Die Technikfolgenabschätzung versucht seit geraumer Zeit                               Paul Jerchel, Nadine Kleine und Tasso Mulzer nähern sich in
     darauf hinzuwirken, dass Partizipation und Gestaltbarkeit von                              ihrem Beitrag dieser Problematik an und bearbeiten die Frage,
     Zukunftsprozessen gesellschaftlich wirksam propagiert werden.                              wie häufig und in welcher Form TA ‑Inhalte an Hochschulen für
     Insbesondere die aktuelle TA ist bemüht, ihre Verfahren nach                               angewandte Wissenschaften im deutschsprachigen Raum vor-
     den gesellschaftlich dringlichen Fragestellungen auszurichten                              kommen. Um die aktuelle Umsetzung von TA ‑Inhalten in der
     und Nicht-Fachleute in Entscheidungsprozesse mit einzubezie-                               Hochschullehre zu untersuchen, wird zur Datenerhebung die
     hen (Häußling 2019, S. 364 f.). Umso paradoxer scheint es, dass                            Methode des Webscraping eingesetzt, die eine systematische In-
     das Vertrauen in die Wissenschaft in der westlichen Welt in Tei-                           haltsanalyse öffentlich zugänglicher Webinhalte der Hochschu-
     len der Bevölkerung schwindet (Gallup 2018). Während wir uns                               len ermöglicht. Die Autor*innen identifizieren als Ergebnis ihrer
     im Alltag zunehmend auf Technik und Wissenschaft verlassen,                                Analyse zwar zahlreiche und vielversprechende Ansätze, die je-
     wird die Expertise von Wissenschaftler*innen und ihre Fähigkeit,                           doch kaum flächendeckend verankert zu sein scheinen. Auch
     wesentliche Probleme einzuschätzen oder gar zu lösen, öffent-                              fehle es, so die Autor*innen, an einer strategischen Einbettung
     lich angezweifelt und diskreditiert. Im Zusammenhang mit Fehl-                             von TA ‑Perspektiven und Inhalten in der Hochschullandschaft
     informationen und ‚alternativen Fakten‘ in den Filterblasen und                            nicht nur in der Forschung, sondern insbesondere in der Hoch-
     Echokammern der sozialen Medien hat das Narrativ der geschei-                              schullehre, was sich in einer fehlenden Erwähnung in Curricula,
     terten Wissenschaft und die daraus resultierende Vertrauenskrise                           ausgearbeiteten Konzepten sowie Lehr- und Lernzielen zeige.
     das Potenzial, demokratische Entscheidungsprozesse zu unter-                               Einige Ideen, wie sich eine solche Einbettung erreichen ließe,
     graben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erschüttern.                             werden zum Ende des Beitrags aufgezeigt.
         Wissenschaftler*innen sind daher nicht nur gefordert, einen                               Theorien und Methoden der TA haben Eingang gefunden in
     Beitrag zu möglichen Lösungen der Problemlagen in ihren je-                                die Hochschullandschaft. In der Praxis sieht die Umsetzung je-
     weiligen Disziplinen zu entwickeln, sondern diese auch ver-                                doch äußerst unterschiedlich aus. Welche Inhalte thematisiert
     ständlich für die Öffentlichkeit zu kommunizieren und parti-                               werden, welche Methoden angewandt und auf welche theoreti-
     zipative Prozesse anzubieten, durch die Interesse und Akzep-                               schen Rahmenbedingungen zurückgegriffen wird, obliegt meist
     tanz für wissenschaftliche Möglichkeiten, Vorgehensweisen und                              den Entscheidungen einzelner Akteur*innen und den spezifi-
     auch deren Grenzen geweckt werden können. Das ist keine ein-                               schen Bedingungen an den Hochschulen. Gleichzeitig ist das
     fache Aufgabe und nur selten haben die komplexen Fragen nach                               pädagogische Handeln der Bildungsakteur*innen eingebettet
     sozialen, rechtlichen, ökologischen oder ethischen Entscheidun-                            in die immer dringlichere gesellschaftliche Situation der Aus-

          · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 11–14                                         https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.11
SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

schöpfung neuer Möglichkeiten und Strategien zur globalen Kri-     fer. Die Autor*innen stellen die Eigenschaften von Bildung zu
senbewältigung und der vielfältigen Herausforderungen, vor die     nachhaltiger Entwicklung (zum Beispiel Wissen und Werte, Ent-
uns innovative Technologien insgesamt bezüglich der Einschät-      scheidungskompetenz, Teilhabe und Verantwortungsgefühl) be-
zung potenzieller Folgen stellen. Die gesellschaftlichen Parado-   stehenden technischen Anwendungsbeispielen und Vorteilen
xien, die daraus entstehen, lassen sich besonders eindrücklich     von immersiven Umgebungen (zum Beispiel Simulation, Immer-
am Beispiel der Klimakrise zeigen. Einerseits eine Folge techni-   sion, Kollaboration, Interaktivität und Kosteneffizienz) gegen-
scher Entwicklungen, die als Auswirkung der Industrialisierung     über. Im Rahmen eines Expert*innen-Panels lassen sie diese zu-
zwar wenigstens beachtlichen Teilen der Menschheit Wohlstand       nächst allgemein und anschließend am Beispiel eines Prototypen
und einen hohen Lebensstandard einbringt (wenn auch bei wei-       einer Anwendung für Urban Greening diskutieren und bewer-
tem nicht allen Menschen gleichermaßen und schon gar nicht         ten. Die Expert*innenrunde komme zu dem Schluss, dass AR
überall), nun aber die Lebensgrundlage aller Menschen gefähr-      und VR Instrumente sein können, um die Erreichung von Bil-
det, ganz besonders derjenigen, die ohnehin schon von Armut        dungszielen insbesondere durch Simulations- und Interaktions-
betroffen sind. Andererseits ist eine Bewältigung der Klimakrise   möglichkeiten zu fördern, die einen entscheidenden Beitrag zum

                               Technik hat unweigerlich Auswirkungen ­
                                                                                                                                                               13
                    ­auf das Soziale – und ebenso hat das Soziale Auswirkungen ­
                                           ­auf die Technik.

ohne technische Innovationen kaum mehr vorstellbar. Allerdings     Wissens- und Wertetransfer sowie zum Handlungsverständnis
zeigt sich die Bevölkerung zumindest in Deutschland techni-        leisteten. Die individuelle Ausgestaltung der VR ‑ und AR ‑An-
schen Lösungen gegenüber eher kritisch, nur rund ein Drittel er-   wendung sei jedoch entscheidend für das Ergebnis. Insgesamt
wartet, dass globale Krisen durch Technik gelöst werden können     sei hier noch ein großer Bedarf an weiterer Forschung mit Blick
(acatech 2018). Angesichts dieser Herausforderungen sind päd-      auf die Wirksamkeit in unterschiedlichen Kontexten sowie hin-
agogische Konzepte, die TA ‑Perspektiven in den Zusammen-          sichtlich des Einflusses auf Einstellungen, Verhaltensänderung
hang von inter- und transdisziplinären Fragestellungen einbet-     und Entscheidungsfähigkeit festzustellen.
ten, besonders dringlich. Beispiele dafür werden in diesem Spe-        Ein digitales Instrument als Mittel der Veränderung von
cial Topic vorgestellt.                                            Praktiken und Vermittlung von Werten steht auch in dem Bei-
   Jan Mehlich befasst sich in seinem Beitrag mit der Vermitt-     trag von Christiane Wetzel, Ina Frenzel, Daniela Schirmer und
lung von RRI -Kompetenzen (Responsible Research and Innova-        Philipp Pohlenz im Mittelpunkt. Der Werkstattbericht wid-
tion) im MINTC urriculum (Mathematik, Informatik, Naturwis-        met sich elektronischen Labortagebüchern (Electronic Labora-
senschaft, Technik) durch TA ‑Perspektiven am Beispiel eines       tory Notebooks/ELN ) als einem Mittel, die Dokumentation von
neuartigen Lehrkonzepts. Das Konzept richtet sich an fortge-       Forschungsprozessen transparenter zu machen, Teamarbeit und
schrittene Chemie-Studierende im Master sowie an Promotions-       wissenschaftliche Kooperation sowie den Wissenstransfer zu
studierende und wurde als Onlinekurs entwickelt, der sowohl        unterstützen, zu erleichtern und zu fördern. Am Beispiel der ge-
methodologische, als auch sozial-ökologische und ethische Di-      sammelten Erfahrungswerte des Einsatzes in der Charité Univer-
mensionen beinhaltet. Der Artikel erläutert den theoretischen      sitätsmedizin Berlin behandeln die Autor*innen die vielseitigen
Hintergrund des Kurses und dessen Aufbau, beleuchtet einzelne      Vorteile von ELN und reflektieren Anforderungen an und Hür-
Kurselemente näher und beschreibt die TA ‑relevanten Inhalte       den in den Handlungsroutinen von Wissenschaftler*innen sowie
und Übungen. Die Evaluation des Kurses zeigt auf, welche Kom-      Potenziale der Laborbücher als Instrumente der Förderung guter
petenzen die Studierenden gerade bezüglich der TA ‑relevanten      wissenschaftlicher Praxis, die eine frühzeitige Verankerung in
Dimension des Kurses erwerben können und wo die besondere          der Hochschulbildung erhalten sollte. Die Implementierung von
Relevanz des Konzepts im Hinblick auf die Ausbildung der Dis-      ELN , auch in anderen Disziplinen, stelle eine soziale Innovation
kursfähigkeit der Studierenden liegt.                              dar. Eine transparente Darstellung von Forschungs-, Lern-, und
   Im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung eruiert      Erkenntnisprozessen, ein datenbasierter wissenschaftlicher Aus-
der Artikel von Frank Ebinger, Livia Buttke und Julian Krei-       tausch sowie der Einbezug von Stakeholdern und ein Wissens-
meier die Potenziale und den Einsatz von immersiven Techno-        transfer in die Gesellschaft als wünschenswerte soziale Prakti-
logien. Im Unterschied zu traditionellen Vermittlungsmethoden      ken und gesellschaftliche Ziele seien durch ELN förderbar.
biete Virtual und Augmented Reality (VR /AR ) die Möglich-             Neben technischen Herausforderungen spielen in der Be-
keit des Eintauchens in Simulationen realistischer (Zukunfts-)     arbeitung der in den Artikeln präsentierten Fragestellungen viel-
Szenarien und erleichtere so aktives Lernen und Wissenstrans-      fältige Aspekte ethischer, sozialer und politischer Art eine ent-

https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.11                                   · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 11–14
SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

     scheidende Rolle. Schließlich verbirgt sich hinter all den Fra-                            Funding • This work received no external funding.
     gen nach Möglichkeiten der Umsetzung und Entwicklung immer                                 Competing interests • The authors declare no competing interests.
     auch die Frage nach einer lebenswerten und zukunftsfähigen
     Gesellschaft. TA als transdisziplinäres Forschungsfeld versteht                            Literatur
     sich unter anderem als Mittlerinstanz, welche die Zusammen-                                acatech (2018): Technikradar 2018. Was die Deutschen über Technik denken.
     arbeit von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft anstoßen und                                 Hamburg: Körber Stiftung. Online verfügbar unter https://www.acatech.de/
     moderieren möchte. Ein Beispiel, wie dies gelingen kann, zeigt                                 publikation/technikradar-2018-was-die-deutschen-ueber-technik-denken/,
     der Beitrag von Theresa Franke, Florian Hoffmann, Editha Mar-                                  zuletzt geprüft am 04. 02. 2022.
     quardt und Philipp Pohlenz, die sich gesellschaftlichen Lernpro-                           Beecroft, Richard (2020): Das Reallabor als transdisziplinärer Rahmen zur Unter‑
     zessen im Reallabor widmen. Ihr Artikel schildert die theoreti-                                stützung und Vernetzung von Lernzyklen. Dissertation. Lüneburg: Leuphana
     sche Fundierung sowie Aktivitäten und Erfahrungswerte aus der                                  Universität Lüneburg. Online verfügbar unter https://pub-data.leuphana.de/
     Praxis des partizipativen Studierendenprojekts in:takt in Magde-                               frontdoor/deliver/index/docId/1031/file/diss_2020_beecroft_richard.pdf,
     burg. Inspiriert aus der kritischen Bildungstheorie dient ihnen                                zuletzt geprüft am 10. 02. 2022.
     das Reallabor als Forschungsformat gesellschaftlichen Lernens                              Beecroft, Richard; Dusseldorp, Marc (2009): TA als Bildung. Ansatzpunkte für
     in den Dimensionen Forschung, Praxis und Bildung (Beecroft                                     Methodologie und Lehre. In: Technikfolgenabschätzung Theorie und Praxis
     2020). Die Autor*innen fassen zusammen, dass im „Reallabor-                                    18 (3), S. 55–64. https://doi.org/10.14512/tatup.18.3.55
14   kontext Prozesse der ‚De-Institutionalisierung‘ und ‚De-Zweck-                             Facer, Keri (2011): Learning Futures. Education, technology and social change.
     zuweisung‘ individuellen Lernens mit gesamtgesellschaftlichen                                  London: Routledge. https://doi.org/10.4324/9780203817308
     Entwicklungszielen“ (Franke et al. in diesem Heft) vereint wer-                            Gallup (2018): Wellcome global monitor. First wave findings. Online verfügbar
     den.                                                                                           unter https://wellcome.org/reports/wellcome-global-monitor/2018, zuletzt
                                                                                                    geprüft am 04. 02. 22.
                                                                                                Grint, Keith; Wolgaar, Steve (1997): The machine at work. Technology, work and
     Fazit                                                                                          organization. London: Routledge.
                                                                                                Häußling, Roger (2019): Techniksoziologie. Opladen: UTB . https://doi.
     Neben der TA stehen auch Bildungsakteur*innen und politi-                                      org/10.36198/9783838550794
     sche Entscheidungsträger*innen in der Verantwortung, gesell-                               Hemminger, Elke (2021): Science and technology awareness im Studium der
     schaftliche Diskurse zu ermöglichen, anzuregen und zu beglei-                                  Sozialen Arbeit. In: Sozialmagazin 3 (4), S. 24–31.
     ten. Häufig wird der analytische Diskurs jedoch sowohl im wis-                             Latour, Bruno (1988): The pasteurization of France. Cambridge, MA : Harvard
     senschaftlichen als auch im gesellschaftlichen Bereich durch                                   University Press.
     die strikte Trennung der Disziplinen sowie ein wenig ausgebil-                             Standage, Tom (1998): The Victorian Internet. The remarkable story of the tele‑
     detes Bewusstsein für die Gestaltbarkeit sozialer Prozesse im                                  graph and the nineteenth century’s online pioneers. London: Phoenix.
     Kontext von technischer und wissenschaftlicher Innovation be-                              Wolgaar, Steve (Hg.) (2002): Virtual society? Technology, cyberbole, reality. Oxford:
     hindert. Dieser Problematik steht die dringende Notwendigkeit                                  Oxford University Press.
     gegenüber, die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen tech-
     nischer und sozialer Entwicklung transdisziplinär und gesamtge-
     sellschaftlich zu bearbeiten.                                                                                             DR. ELKE HEMMINGER
        Wie die Artikel dieses Special Topics zeigen, bietet die TA                                                            ist seit 2017 Professorin für Soziologie an der Ev.
     Inhalte und Methoden für verschiedenen Bildungskontexte. Pra-                                                             Hochschule RWL in Bochum mit einem ­Schwerpunkt
     xis und Methoden der TA werden in vielfältigen Bildungszusam-                                                             auf Techniksoziologie, Digitalität und Bildung
     menhängen angewendet und können dazu beitragen, über diszi-                                                               ­sowie Methoden der empirischen Sozialforschung.
     plinäre Grenzen hinweg gesellschaftlich relevante Fragestellun-                                                           Vor ihrer Promotion an der PH Schwäbisch Gmünd
     gen aus verschiedenen Perspektiven zu bearbeiten. Gleichzeitig                                                            und der University of Waikato in Hamilton (NZ )
     muss aus der gesellschaftlichen Notwendigkeit einer intensiven                                                            im Jahr 2009 war sie mehrere Jahre als Lehrerin
     wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Fragen der TA he-                                                               im Schuldienst tätig.
     raus auch diskutiert werden, ob und wie sich TA als transdis-
     ziplinäres Forschungsfeld weiterentwickeln soll und kann. Eine                                                            DR. SABRINA C. EIMLER
     Entwicklung hin zu disziplinärer Geschlossenheit birgt die Ge-                                                            ist seit 2015 Professorin für Human Factors and Gen‑
     fahr eines Verlusts an Anknüpfungspunkten an Politik und Wirt-                                                            der Studies im Institut Informatik der Hochschule
     schaft. Transdisziplinarität wiederum wirft die Frage auf, aus                                                            Ruhr West in Bottrop. Ihre interdisziplinäre For‑
     welchen Bildungskontexten sich Akteur*innen rekrutieren sol-                                                              schung vereint menschzentrierte, am Wohlbefinden
     len und wie Bildungsprozesse strukturiert und gestärkt werden                                                             orientierte Technologieentwicklung mit experimen‑
     können. Dieses Special Topic thematisiert daher beide Perspek-                                                            teller Medien- und Sozialpsychologie, insbesondere
     tiven: die Praxis in diversen trans- und interdisziplinären Bil-                                                          in den Anwendungsfeldern Virtual und Augmented
     dungskontexten sowie die eigene (Aus)Bildungspraxis der TA .                                                              Reality, Social Media und Social Robotics.

          · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 11–14                                                       https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.11
Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis
                     Journal for Technology Assessment in Theory and Practice         SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

                                                                              RESEARCH ARTICLE

         Technikfolgenabschätzung an Hochschulen
              für angewandte Wissenschaften:
        Zum Lückenschluss zwischen Handlungs-
            wissen und Erfüllungskompetenz
                                                              Paul Jerchel *, 1 , Nadine Kleine 2 , Tasso Mulzer 1                                                                      15

Zusammenfassung • Die Technikfolgenabschätzung (TA ) hat sich als                              This article examines the dissemination of TA approaches at techni-
elementares Werkzeug zum Umgang mit ‚wicked problems‘ etabliert.                               cally oriented state universities of applied sciences in German-speak-
TA ‑Einrichtungen decken viele Bereiche der Forschungslandschaft ab;                           ing countries. Using a systematic content analysis of online informa-
allerdings stellt sich die Frage, in welchem Maße TA von Fachhoch‑                             tion, it provides an overview of the different manifestations. The aim is
schulen inkorporiert wird. Diese sollen neben der Bildungsvermitt‑                             to review the current state of TA embedding and to identify needs for
lung als lokale Innovationstreibende fungieren. Der Beitrag untersucht                         and potential opportunities through a thorough implementation of TA
die Verbreitung von TA ‑Ansätzen an technisch ausgerichteten staatli‑                          instruments in education and research.
chen Fachhochschulen im deutschsprachigen Raum. Mit einer syste‑
matischen Inhaltsanalyse öffentlicher Online-Informationen wird ein                            Keywords • technology assessment, university of applied sciences,
Überblick über die verschiedenen Erscheinungsformen gegeben. Ziel ist                          knowledge transfer, DACH region
es, den aktuellen Stand der TA ‑Einbettung zu überprüfen und Bedarfe
wie Chancen durch eine tiefere Implementation von TA ‑Instrumenten                             This article is part of the Special Topic “Technology assessment and
in Lehre und Forschung aufzuzeigen.                                                            higher education: Theories, applications and concepts,” edited by Elke
                                                                                               Hemminger and Sabrina C. Eimler. https://doi.org/​10.14512/tatup.31.1.10
Technology assessment at universities of applied sciences:
On closing the gap between knowledge for action and implemen-
tation competence
                                                                                               Einleitung
Abstract • Technology assessment (TA ) has become an essential tool
for dealing with wicked problems. TA institutions cover many areas of                          Technikfolgenabschätzung (TA ) als transdisziplinäre Wissen-
the research landscape; however, the question arises to what extent TA                         schaft hat sich im Spannungsfeld der Trendanalyse ihrer jewei-
is incorporated by universities of applied sciences. These are supposed                        ligen Fachdisziplinen und der unmittelbaren Gesellschafts- und
to act as local drivers of innovation in addition to providing education.                      Politikberatung als elementares Werkzeug zur Ansprache und
                                                                                               Vermeidung von ‚wicked problems‘ etabliert. Ihr Einfluss auf
                                                                                               die akademische Debatte bei gesellschaftlichen Richtungsent-
* Corresponding author: paul.jerchel@bht-berlin.de                                             scheidungen, die Aufnahme ihrer Begriffe in zahlreiche poli-
1
    Fachbereich Elektrotechnik – Mechatronik – Optometrie,                                     tische Programme und ihre Anknüpfungspunkte an Fragen der
    Berliner Hochschule für Technik, Berlin, DE                                                Wissenschaftskommunikation sind unbestritten. Dabei hinter-
2
    Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung,                                 fragt die deutschsprachige TA ‑Community zunehmend ihre
    Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg, Regensburg, DE                             Rolle. In der Debatte um die gestaltende Rolle hieß es jüngst, die
                                                                                               Technikfolgenabschätzung solle „sehr viel transformativer wer-
                © 2022 by the authors; licensee oekom. This Open Access article is licensed
                                                                                               den“, ohne an „Freiheit, Reflexionsvermögen, […] Übertragbar-
                 under a Creative Commons Attribution 4.0 International License (CC BY ).      keit und Anschlussfähigkeit“ zu verlieren (Parodi 2021 a, S. 33).
 https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.15
 Received: Sep. 13, 2021; revised version accepted: Jan. 31, 2022; ­
                                                                                                   Mit Blick auf diese selbst auferlegte Aufgabe liegt es nah, die
­published online: Apr. 08, 2022 (peer review)                                                 Beziehung zwischen Bildungseinrichtungen und der Disziplin

OPEN          ACCESS
https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.15                                                               · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 15–21
SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

       Staat                 Stichwort                                   Kategorie                                                                                      Gesamt

                                                                         Forschungsprojekt       Studienprofil   Selbstverständnis   Personenprofil      Sonstige

       Deutschland           Gesamt                                      9                       31              23                  23                  1              87

                             Technikfolgen (+ Derivate)                  8                       24              15                  21                  1              69

                             Technologiefolgen (+ Derivate)              1                       2               5                   2                   0             10

                             Technology Assessment                       0                       5               3                   0                   0              8

       Österreich            Gesamt                                      7                       31              4                   6                   2              50

                             Technikfolgen (+ Derivate)                  5                       17              2                   3                   0              27

                             Technologiefolgen (+ Derivate)              0                       3               0                   1                   2              6

                             Technology Assessment                       2                       11              2                   2                   0             17

       Schweiz               Gesamt                                      7                       1               4                   17                  4              33

                             Technikfolgen (+ Derivate)                  3                       0               3                   6                   0             12

16                           Technologiefolgen (+ Derivate)              2                       1               0                   1                   2              6

                             Technology Assessment                       2                       0               1                   10                  2             15

       DACH gesamt           Gesamt                                      23                      63              31                  46                  7             170

     Tab. 1: Überblick über die Ergebnisse nach Ländern, Begriffen und Kategorien.                                                                   Quelle: eigene Darstellung

     der TA genauer zu betrachten. Insbesondere im tertiären Sek-                                    satzes (studierend, dozierend, forschend) ergab sich das Inter-
     tor, also bei den Hochschulen für angewandte Wissenschaften                                     esse einer Überprüfung der aktuellen Umsetzung von TA ‑Inhal-
     (HAW ), scheint eine Verflechtung mit TA ‑Inhalten nur konse-                                   ten in Forschung, Lehre und Transfer von HAW .
     quent. Laut Sotoudeh wurde bereits „in den letzten Jahren in-
     tensiv an TA in der Lehre in den Fachhochschulen“ gearbeitet.
     Nicht nur für „Studierende der Ingenieur- und Betriebswissen-                                   Methodik und Auswertung
     schaften“ und ihre künftigen Rollen in Unternehmen ist TA re-
     levant, sondern die Verbindung ist auch „für den Erfolg der TA                                  Beschreibung der methodischen Vorgehensweise
     […] [selbst] entscheidend“ (Sotoudeh 2021, S. 175). Dennoch                                     Um der Frage nach der Einbindung von TA ‑Aspekten an FH
     zählen das Fachportal openTA und das Netzwerk Technikfol-                                       nachzugehen, wurde mittels Webscrapings eine systematische
     genabschätzung im September 2021 lediglich zwei institutio-                                     Inhaltsanalyse der Hochschul-Webseiten durchgeführt. Webscra-
     nelle Mitglieder (von 58), die Organisationseinheiten von HAW                                   ping ist das automatisierte Sammeln und Auswerten von Inhal-
     oder beteiligte Einrichtungen sind, sowie 14 von 409 persönli-                                  ten aus öffentlich zugänglichen Datenquellen (meist Webseiten)
     chen Mitgliedern, die die Zugehörigkeit zu einer HAW ange-                                      im Internet mittels einer Vielfalt möglicher Programmiertechni-
     ben – also jeweils lediglich ca. 3 % (openTA 2021).                                             ken zur Datenanalyse, Sprachauswertung sowie Informationsinf-
         Der Hochschultyp, vielerorts Fachhochschule (FH ) genannt,                                  rastruktur und -sicherheit (Mitchell 2015). Angesichts etablier-
     etablierte sich zu Beginn der 1970er-Jahre, um eine auf wissen-                                 ter Forschungsinstitutionen für TA in Deutschland, Österreich
     schaftlichen Kenntnissen beruhende Ausbildung zu gewährleis-                                    und der Schweiz als auch der aktiven Netzwerke zwischen ih-
     ten (Land Nordrhein-Westfalen 1969) und inkorporierte ehema-                                    nen, umfasst die Analyse staatliche, deutschsprachige Fachhoch-
     lige Ingenieurschulen und polytechnische Institute. HAW sind                                    schulen mit technischem Profil im sogenannten DACH -Bereich
     seit jeher der Anwendung von Forschungsergebnissen und dem                                      (Deutschland, Österreich, Schweiz). Folgende Einschränkun-
     Methoden- und Wissenstransfer verpflichtet; sie wirken in re-                                   gen wurden dabei vorgenommen: a) Universitäten, Kunst- und
     gionalen Ökosystemen und haben einen besonderen Einfluss auf                                    Musikhochschulen, Verwaltungshochschulen und Hochschulen
     die Zukunftskompetenz ihrer Regionen. Die Hochschulgesetze                                      eigenen Typs (wie bspw. Polizeihochschulen) wurden nicht be-
     mehrerer deutscher Bundesländer verpflichten HAW zum „Er-                                       rücksichtigt. b) In Österreich hat das Hochschul-Modell durch
     halt […] menschlicher Lebens- und Umweltbedingungen“ und                                        die per se privatrechtliche Form eine Sonderrolle (BMBWF
     einer Auseinandersetzung „mit den möglichen Folgen einer Nut-                                   2021 a) – hier orientieren wir uns an der staatlichen Akkredi-
     zung ihrer Forschungsergebnisse“ (SenJustVA 2011, § 4; MWK                                      tierung. c) Die Limitierung auf deutschsprachige Hochschulen
     BW 2005, § 2; MWG RLP 2020).                                                                    ergibt sich aus der angestrebten Vergleichbarkeit mittels Stich-
        Vor dem Hintergrund dieser Ausrichtung der Fachhochschu-                                     worten. 102 Hochschulen aus Deutschland (Hochschulkompass
     len und angesichts der Perspektiven der Autor*innen dieses Auf-                                 2021), 21 aus Österreich (BMBWF 2021 b) und zehn aus der

           · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 15–21                                               https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.15
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  Schweiz (Swissuniversities 2021), sowie
  deren Webseiten entsprechen diesen Kri-
  terien.                                                                                       16
     Als Begriffe, mithilfe derer nach TA ‑­    Deutschland (102)                                         23
­Aspekten gesucht werden soll, wurden                                                                                                                            63

 Technikfolgen (darunter: Technikfolgen-
  abschätzung, Technikfolgenforschung),
 Technologiefolgen (darunter: Technologie­-                                       7
 ­folgenabschätzung, Technologiefolgenfor-         Österreich (21)       2
  schung) und Technology Assessment be-                                                    12

  stimmt. Die öffentlich zugänglichen Web-
  seiten (HTML , auslesbare PDF ) wurden
  mithilfe eines Wget-Skripts bis zu fünf                                2
  Link-Ebenen unter der Homepage kopiert             Schweiz (10)        2

  und gespeichert. Mit dem Programm rip‑                                      6

 grep wurden diese Daten nach den aus-
  gewählten Begriffen durchsucht und die                             0                10             20          30            40            50           60            70       17
  Ergebnisse in Form der spezifischen                                    Mehrfache Nennung                Einmalige Erwähnung           Kein Bezug
 Adresse und Anzahl der Funde in Text-
  dateien gespeichert (siehe Forschungs-       Abb. 1: Hochschulanzahl mit einmaliger, mehrfacher und keiner Begriffsnennung, pro Land. ­
  daten). Durch manuelle Sichtung erfolgte     ­                                                                              Quelle: eigene Darstellung
  eine Zuordnung in folgende Kategorien:

• Forschungsprojekt: konkrete Projektvorhaben und Projekte         tegorien zeigt eine stärkere Betonung von TA in Studienprofilen
• Forschungsselbstverständnis: (Selbst-)Vorstellung von Ins-       (63) und Personenprofilen (46), etwas weniger in allgemeinen
    tituten, Fachbereichen, Research-Center, Forschungsgruppe      Beschreibungen des Forschungsselbstverständnisses (31) und
    und -einheiten                                                 konkreten Forschungsprojekten (23) und außerdem einzelne
 • Leitbilder/Corporate Identity: Leitbilder und Selbstverständ- sonstige Fälle (7, davon 3 Veröffentlichungen zu TA , 2 nicht
    nis auf Hochschulebene                                         näher definierte Partnerschaften mit TA ‑Institutionen, 1 Presse-
 • Studienprofil: Beschreibungen von Veranstaltungen, Modu- mitteilung und 1 Studierendenschaft-Erklärung). Da es für die
    len und Studiengängen                                          Kategorie Leitbilder/Corporate Identity insgesamt nur einen
 • Personenprofil: Profile von FH ‑Angehörigen, z. B. For- Treffer gab, wurde dieser unter der Kategorie Forschungsselbst-
    schungsschwerpunkte, Forschungs-, Lehr- und Publikations- verständnis subsumiert, da beide auf eine Identifikation mit TA
    tätigkeit                                                      schließen lassen.
 •  Sonstiges                                                          Trotz unterschiedlicher Verteilung der Begriffe pro Land
 •  Ungültig:  defekter Link, nicht auffindbarer Suchbegriff; Ver- (siehe Tabelle 1) ist die Nutzung des Begriffs Technikfolgen (+
    linkung zu externen Inhalten                                   Derivate) am meisten verbreitet (63 %). Der Begriff Technology
                                                                   Assessment (24 %) wird durchaus auch in deutschsprachigen Zu-
 Dabei wurden nur die aus dem Textkorpus und aus direkten, sammenhängen genutzt, nicht nur in englischen Übersetzungen
 seiteninternen Verlinkungen hervorgehenden Nennungen be- der Webseiten.
 rücksichtigt. Groß- und Kleinschreibung wurden nicht berück­          Bei der Aufteilung der Hochschulen nach Trefferanzahl
 sichtigt. Weiterführende manuelle Exploration durch die Such- (siehe Abbildung 1) wird deutlich, dass die Anzahl der Hoch-
 funktion der Websites fand nicht statt. Die Liste wurde um        schulen ohne Treffer überall am höchsten ist (insg.: 81). Die
 Duplikate bereinigt, die (durch Weiterleitungen, mehrfach ver- Anzahl der Hochschulen mit Treffern ist geringer: Einmalig er-
 knüpfte Webseiten u. a.) eine beträchtliche Anzahl einnah- wähnt wurde einer der drei Begriffe insgesamt an 27 Hochschu-
 men. Der Scraping-Zeitraum war von 10. 08. bis 06. 09. 2021, der len, mehrfache Nennungen fanden sich ebenfalls an 27 Fach-
 Zeitraum der manuellen Kategorisierung von 02. 09. bis 10. 09. ­ hochschulen.
­2021.                                                                 In Abbildung 2 zeigt sich durch Aufschlüsselung nach Ka-
                                                                   tegorien deutlich, dass die Begriffe in den DACH -Ländern in
 Auswertung                                                        unterschiedlichem Kontext genutzt werden: TA ‑Begriffe in Per-
 Nach der Bereinigung wurden insgesamt 170 Webseiten mit re- sonenprofilen machen in der Schweiz die deutliche Mehrheit
 levanten TA ‑Inhalten gefunden (vgl. Tabelle 1): 87 an deutschen, aus (17), in Österreich dominieren Studienprofile (31). Deut-
50 an österreichischen und 33 an deutschsprachigen schweizer lich dahinter mit jeweils 7 Ergebnissen liegt die Kategorie For-
 Hochschulen. Die Aufteilung der Treffer in unterschiedliche Ka- schungsprojekt. In Deutschland ist die Verteilung zwischen Stu-

https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.15                                                     · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 15–21
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       Deutschland             9                                    31                                                 23                                23                        1

         Österreich                7                                                             31                                              4               6             2

           Schweiz                           7              1            4                                                  17                                          4

18                    0%               10%          20%              30%             40%               50%            60%        70%          80%             90%             100%

                           Forschungsprojekt                         Studienprofil                     Selbstverständnis               Personenprofil                    Sonstige

     Abb. 2: Ergebnisverteilung auf Kategorien pro Land. Die Zahlenwerte innerhalb der Balken sind Absolutwerte der Treffer.                           Quelle: eigene Darstellung

     dienprofil (31), Forschungsselbstverständnis (23) und Personen-                                  substanziellen Einblick in die Verbreitung von TA an Hochschu-
     profil (23) ausgeglichener; Forschungsprojekte (9) sind seltener                                 len; für konkretere Aussagen bedarf es jedoch einer tiefergehen-
     vertreten. Auffällig ist auch der relative Ländervergleich: So hält                              den Analyse.
     die Schweiz prozentual die meisten Ergebnisse im Zusammen-
     hang mit Forschungsprojekten, während Deutschland den größ-                                      TA‑Anwendung an DACH -Hochschulen
     ten Anteil von TA ‑Nennungen im Kontext von Selbstverständ-                                      In Deutschland finden sich TA ‑Bezüge v. a. im Forschungsselbst-
     nis hat.                                                                                         verständnis, in Studienprofilen und Personenprofilen – jedoch
                                                                                                      selten bei konkreten Forschungsprojekten und gar nicht in den
                                                                                                      Leitbildern der Hochschulen selbst. Die hohe Anzahl an Tref-
     Fachhochschulen und TA – ein Analyse-                                                            fern in der Kategorie Forschungsselbstverständnis ist bemerkens-
     versuch                                                                                          wert: Die Ergebnisse erwecken den Eindruck, dass TA insbeson-
                                                                                                      dere an Forschungsinstituten, -zentren und -gruppen als Aufgabe
     In allen DACH -Ländern spielen TA ‑Aspekte in unterschiedli-                                     und Ziel verstanden wird, wohingegen konkrete Forschungspro-
     cher Form und Kontexten eine Rolle. Trotz der vielen Ergeb-                                      jekte einerseits und Hochschuladministrationen andererseits der
     nisse in Deutschland ist hier die relative Anzahl der FH ohne                                    Technikfolgenabschätzung noch keine Relevanz beimessen. Der
     TA ‑Bezug am höchsten. Die Schweiz hat in Relation ein bes-                                      Einbezug der Personenprofile ist nur bedingt hilfreich, um Aus-
     seres Verhältnis von Hochschulen mit und ohne TA ‑Bezug,                                         sagen über die Implementationstiefe von TA ‑Inhalten zu tätigen.
     wobei dies bei einer Anzahl von 10 FH bedingt aussagekräf-                                       Dies liegt in der Natur der Technikfolgenabschätzung als trans-
     tig ist. Dies zeigt sich auch bei der Verteilung der Kategorien:                                 disziplinäre Wissenschaft: Auch Angehörige der Hochschulen,
     So scheinen beispielsweise die jeweils 31 Treffer in der Kate-                                   die keinen dezidierten Fokus auf TA ‑Forschung angeben, kön-
     gorie Studienprofil in Deutschland und Österreich beachtlich.                                    nen Berührungspunkte mit dieser haben – verdeutlicht in Pub-
     Der Unterschied: Während in Österreich einige Studiengänge                                       likationen zu genannten Begriffen. TA in der deutschen Hoch-
     TA ‑Pflichtveranstaltungen haben, findet sich TA in der deut-                                    schullehre teilt sich auf: Vermehrt finden sich TA ‑Inhalte in op-
     schen Hochschullehre eher als ein Aspekt unter vielen in Wahl-                                   tionalen Veranstaltungen im Zusammenhang mit den Themen
     pflichtfächern, Veranstaltungen für Schlüsselkompetenzen und                                     Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Ethik; in festgesetzten Cur-
     Ringvorlesungen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Personen-                                    ricula sind die TA ‑Inhalte meist eingebettet in konkrete Anwen-
     profilen: Einige Personen haben TA als Forschungsschwerpunkt                                     dungsfelder, v. a. im Gesundheitsbereich.
     und Lehrinhalt; andere weisen einzelne Veröffentlichungen in                                        In Österreich findet sich der TA ‑Bezug v. a. in den Studien-
     einer Zeitschrift oder Sammelbänden mit groben TA ‑Bezug vor,                                    profilen: Die Analyse zeigt, dass sich TA im Studienverlaufs-
     ohne dass die Begriffe an anderer Stelle wieder auftreten oder                                   plan unterschiedlichster Studiengänge findet, v. a. in technischen,
     aus den Profilen andere Verbindungen zur TA ‑Disziplin auszu-                                    wirtschaftlichen und sozialen Bereichen. Auch die Erwähnung
     machen wären. Die quantitativen Ergebnisse geben also einen                                      der Suchbegriffe in Personenprofilen fällt meist im Zusammen-

           · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 15–21                                                   https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.15
SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

hang mit Lehrveranstaltungen: Einige weisen auf frühere Tä-           Platzierung         Hochschule                                      Erwähnungen
tigkeiten an TA ‑Institutionen hin, was den Eindruck einer in-
                                                                     1                    ZHAW (CH )                                      31
ter- und transdisziplinären Ausrichtung der Lehre verstärkt. Re-
levante Forschungsprojekte beschäftigen sich größtenteils mit         2                   Technikum Wien (A)                              14
Energie, Mobilität und Stadtplanung; im Kontext von TA ge-            3                   FH Joanneum (A)                                 11
fallene Aussagen zum Selbstverständnis lassen sich insbeson-
                                                                      4                   FH Kärnten (A)                                  10
dere auf Webseiten von Institutionen finden, die zu erneuerba-
ren Energien forschen (siehe Forschungsdaten).                        4                   OTH Regensburg (D)                              10
    Die deutschsprachige Schweiz hat die kleinste Anzahl be-          6                   HAW Hamburg (D)                                  7
trachteter Fachhochschulen, die unseren Suchkriterien entspre-        6                   Hochschule Bochum (D)                            7
chen. Hier fällt die Verteilung zugunsten der Personenprofile
                                                                      8                   TH Ingolstadt (D)                                6
auf: Während einige Personen TA durchaus als Forschungsfo-
kus angeben, findet sich TA auch hier vermehrt in den Publi-          9                   HfWU Nürtingen-Geislingen (D)                    5
kationstiteln. Die Forschungsprojekte beziehen sich insbeson-         9                   TH Nürnberg Georg Simon Ohm (D)                  5
dere auf Gesundheits- und Energie-Themen, wohingegen TA im
                                                                      9                   TH Wildau (D)                                    5
Forschungsselbstverständnis von Institutionen mit Schwerpunkt
Nachhaltigkeit oder KI auftaucht. Bemerkenswert ist die Un-         Tab. 2: Top-DACH -Hochschulen im TA ‑Kontext nach Häufigkeit der Erwähnungen.                19
sichtbarkeit von TA in der Lehre: Lediglich im Modul einer Wei-                                                        Quelle: eigene Darstellung
terbildung zu digitaler Ethik fallen gesuchte Begriffe.

Auffälligkeiten                                                     Best Practices
Bei der Betrachtung der DACH -Länder wird deutlich: Die Tref-       Durch die datengestützte Analyse wurden vielversprechende
fer-Anzahl lässt keine abschließende Bewertung der Implemen-        TA ‑Ansätze an Hochschulen für angewandte Wissenschaften
tationstiefe der TA ‑Inhalte zu. Auch wenn die Verteilung auf       identifiziert. Ähnlich zu früheren Betrachtungen finden sich in
Kategorien den Schluss auf unterschiedliche Ausrichtungen           der Auswertung unterschiedlichste Ansätze, TA an Hochschu-
zulässt, muss die Limitierung des Forschungsdesigns bedacht         len einzubinden (vgl. Grunwald 2012). Allerdings sind TA ‑In-
werden. Neben dem angesprochenen Fokus auf staatliche Hoch-         halte kaum flächendeckend oder synergetisch in den jeweiligen
schulen technischer Ausrichtung im deutschsprachigen Raum           Hochschulumgebungen verankert. Integrative Innovationsfor-
wurde auch mit der Begriffsauswahl eine Einschränkung vor-          schung mit Regionalbezug (TH Wildau), Institute für Foresight
genommen.                                                           (TH Ingolstadt) und Nachhaltige Entwicklung (ZHAW ), Ethik-
                                                                    Zertifikate (HS Rottenburg), Zukunftsforschungs-Seminare (FH
                                                                    Oberösterreich) und TA ‑Präsidiumsbeauftragte (TH Lübeck)
       Bemerkenswert ist die Unsicht‑                               sind lobenswert, allerdings Einzelfälle und in den meisten Fäl-
                                                                    len nicht tiefer zwischen Forschung, Lehre und Transfer einge-
        barkeit von TA in der Lehre.                                bettet (siehe Forschungsdaten). In vielen Fällen findet sich die
                                                                    in Studienflyern und -beschreibungen verlautbarte ethisch-trans-
                                                                    disziplinäre Reflexivität nicht in konkreten Lernzielen (z. B. in
    Darüber hinaus zeigt sich eine Konzentration von TA ‑Inhal-     Modul- und Kursbeschreibungen) wieder.
ten auf wenige Fachhochschulen. Bei einem Ranking der Hoch-
schulen mit den meisten TA ‑Ergebnissen (siehe Tabelle 2) wird
die ungleiche Verteilung deutlich: Während sich die Zürcher         Schlussfolgerungen
Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW ) mit 31
Erwähnungen mit großem Vorsprung auf Platz 1 wiederfindet,          Fazit
gibt es nach dem 4. Platz (10 Erwähnungen) nur noch einstel-        Es stellt sich die Frage, inwieweit ein relevanter Beitrag der
lige Trefferzahlen.                                                 Technikfolgenabschätzung zu sozial ausgehandelten und ökolo-
    Bemerkenswert ist zudem, dass eine Schweizer Hochschule         gisch-ökonomisch gebotenen Transformationen ohne strategi-
die meisten Erwähnungen innehat, obwohl die Schweiz insge-          sche Einbindung der anwendungsorientierten Hochschulen ge-
samt wenige TA ‑relevante Treffer zu verzeichnen hat. Dies zeigt,   lingen kann.
dass sich die TA ‑Inhalte nicht nur auf bestimmte FH konzent-          Wenn Studierende an HAW lernen, das technisch Mögli-
rieren, sondern auch auf Personen, Studiengänge oder Institute,     che einzusetzen, benötigen sie Wege, um sich mit dem tech-
durch deren konkrete TA ‑Ausrichtung die Begriffsanzahl an der      nisch Gewollten auseinanderzusetzen und Risiken adäquat zu
Hochschule insgesamt ansteigt. TA an Fachhochschulen scheint        berücksichtigen – gewissermaßen die Daseinsberechtigung der
also vor allem punktuell zum Tragen zu kommen und findet dort       TA . Eine fehlende Verzahnung von TA und HAW könnte so-
Beachtung, wo der TA ‑Begriff weit verbreitet ist.                  mit einem bildungs- und innovationspolitischen Querschläger

https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.15                                     · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 15–21
SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

     gleichkommen. Ohne gesamtstrategische Einbettung von TA ‑In-                               lige und zugleich strukturell flächendeckende Verzahnung von
     halten könnte auch die zweckgemäße Ausdifferenzierung bishe-                               Lehre, Forschung und Transfer mit TA ‑Kontexten an HAW :
     riger TA ‑Ansätze verzögert werden (Boras 2009). Ob dies an-                               Auch wenn verschiedene Aspekte der Gestaltungsgerechtigkeit
     gesichts aktueller Herausforderungen und Risiken wünschens-                                (design justice, Constanza-Chock 2020) zu beachten sind, span-
     wert wäre, ist anzuzweifeln. Die Verankerung der TA an HAW                                 nen hochschulnahe FabLabs offen gestalt- und nutzbare Uni-
     könnte eine Gegenmaßnahme darstellen: Genauso, wie Hoch-                                   versalräume und Infrastruktur auf, die neben global vernetzter
     schulangehörige aller Statusgruppen durch transformative For-                              Innovation (Cutcher-Gershenfeld 2021) und „Commons-based
     schung zu change agents wurden, könnte die Technikfolgenab-                                Peer Production“ (Benkler 2006, S. 63) Grundlage für TA in
     schätzung HAW zu change agencies machen.                                                   HAW sein können.
         Die Auswertung zeigt den Mangel einer breiten Implemen-                                    Die Selbstorganisation als Phänomen des Makerspaces
     tation konkreter Transferpfade der Methoden und Leuchtturm-                                könnte ermöglichen, dass die „Reflexion über die Zusammen-
     projekte, wie bspw. Reallabore. An den anwendungsorientierten                              hänge ihres [der Studierenden] technischen Handelns und ihrer
     Hochschulen bedarf TA einer strategischen Überführung in Leit-                             moralischen Entscheidungen“ (Schneider 2013, S. 287) mehr

        An den Hochschulen für angewandte Wissenschaften bedarf TA einer
20
     strate­gischen Überführung in Leitbilder, Curricula und Forschungsprojekte.

     bilder, Curricula und Forschungsprojekte. Bei steigender Rele-                             in gewohnten Arbeitsprozessen aufgehen als dies bei einzelnen
     vanz entsprechender Problemlösungskompetenzen im Zuge intel-                               Lehrveranstaltungen der Fall ist. Studentischer Kompetenzer-
     ligenter Automatisierung (Aoun 2017) kann TA sonst zum buzz‑                               werb und gesellschaftlicher Erkenntnisgewinn könnten so im
     word werden, dessen ausbleibende Effekte zur Schwächung des                                Idealfall wechselseitig erfolgen.
     Ansehens des gesamten Forschungszweiges beitragen könnten.
                                                                                                Weitere Forschungsfragen
     Empfehlungen                                                                               Nachfolgende Untersuchungen könnten eine ähnliche Über-
     Neben der Berücksichtigung bei Berufungsverfahren oder                                     sicht zur Identifikation von TA ‑Clustern an Universitäten oder
     Schwerpunktsetzung in Forschungsprofilen könnten bestehende                                Vergleichsstudien zwischen beiden Hochschultypen anstreben.
     Netzwerke durch die Bereitstellung von zeit- und ortsunabhängi-                            Ebenso wäre eine Ausweitung des Webscrapings auf TA ‑ver-
     gen Online-Lehrgängen zur TA ‑Methodenkompetenz beitragen.                                 wandte Begriffe anzustreben (z. B. Ethical, Legal, and Social
     Allgemein wählbare Lehrveranstaltungen könnten zur studien-                                Implications, Responsible Research and Innovation). Eine hö-
     gangsübergreifenden Auseinandersetzung mit Fragen der TA                                   here Suchtiefe könnte weitere Treffer liefern. Eine chronolo-
     dienen. Die Ausweitung klassischer Forschungsprojektpartner                                gische Zuordnung würde Trendanalysen ermöglichen. Zudem
     auf zivilgesellschaftliche Organisationen sowie auf Dauer aus-                             könnten soziale Netzwerkanalysen zum Verständnis des Trans-
     gelegte Kooperationen zwischen HAW und anwendungsnahen                                     fers von TA ‑Kompetenzen beitragen.
     TA ‑Forschungseinrichtungen könnten die notwendigen Struk-
     turen etablieren. Auch die wachsende Zahl Promovierender an                                Funding • This work received no external funding.
                                                                                                Competing interests • The authors declare no competing interest.

     Das technisch Mögliche einzusetzen,                                                        Literatur
                                                                                                Aoun, Joseph (2017): Robot-proof. Higher education in the age of artificial
      benötigt Wege, um sich mit dem                                                                intelligence. Cambridge, MA : MIT Press. https://doi.org/10.7551/mitpress/​
                                                                                                    11456.001.0001
      Gewollten auseinanderzusetzen.                                                            Benkler, Yochai (2006): The wealth of networks. How social production trans‑
                                                                                                    forms markets and freedom. New Haven: Yale University Press.
                                                                                                Boras, Alfons (2009): Im Schutz der Disziplinen. Technikfolgenabschätzung
     HAW kann zur Vermittlung von TA in Lehre wie Forschung bei-                                    in der Lehre zwischen Multi- und Transdisziplinarität. In: Technikfolgen‑
     tragen. All dies ist maßgeblich durch die Gremien der akademi-                                 abschätzung Theorie und Praxis 18 (3), S. 9–16. https://doi.org/10.14512/
     schen Selbstverwaltung anzuleiten und zu legitimieren.                                         tatup.18.3.9
        Ergänzend zur Initiierung ressourcenaufwändiger Realla-                                 BMBWF – Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (2021 a):
     bore (vgl. Parodi 2021 b) durch Forschungsförderung sehen die                                  Fachhochschulen. Online verfügbar unter https://www.bmbwf.gv.at/Themen/
     Autor*innen dieses Beitrages in offenen Laborstrukturen (Fa-                                   HS-Uni/Hochschulsystem/Fachhochschulen.html, zuletzt geprüft am
     bLabs/Makerspaces) besondere Chancen für die niedrigschwel-                                    14. 01. 2022.

          · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 15–21                                                    https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.15
SPECIAL TOPIC · Technology assessment and higher education

BMBWF (2021 b): Liste Fachhochschulen. Online verfügbar unter https://               Sotoudeh, Mahshid (2021): TA im Unternehmen. In: Böschen et al. (Hg.):
    www.bmbwf.gv.at/Themen/HS-Uni/Hochschulsystem/Fachhochschulen/                      ­Technikfolgenabschätzung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-
    Liste-Fachhochschulen.html, zuletzt geprüft am 14. 01. 2022.                         Baden: Nomos, S. 165–178. https://doi.org/10.5771/9783748901990-165
Constanza-Chock, Sasha (2020): Design justice. Community-led practices to            Swissuniverities (2021): Mitglieder. Online verfügbar unter: https://www.
    build the worlds we need. Cambridge, MA : MIT Press. https://doi.org/10.7551/        swissuniversities.ch/organisation/mitglieder, zuletzt geprüft am 14. 01. 2022.
    mitpress/12255.001.0001
Cutcher-Gershenfeld, Joel; Gershenfeld, Alan; Gershenfeld, Neil (2021):              Research data
    The promise of self-sufficient production. In: MIT Sloan Management Review       Mulzer, Tasso; Kleine, Nadine; Jerchel, Paul (2021): Ergebnisse des Webscrapings
    63 (1), S. 1–7.                                                                  zum Beitrag „Technikfolgenabschätzung an Hochschulen für angewandte Wissen­-
Grunwald, Armin (2012): Innovation mit Verantwortung verbinden. Technikfolgen        ­schaften. Zum Lückenschluss zwischen Handlungswissen und Erfüllungskom‑
    abschätzen lehren an einer Technischen Hochschule. In: Marc Dusseldorp           petenz“. Online verfügbar unter: https://cloud.bht-berlin.de/index.php/s/
    und Richard Beecroft (Hg.): Technikfolgen abschätzen lehren. Bildungspoten‑      NYQF3KnzG45caiY, zuletzt abgerufen am 14. 12. 2021. Die erfassten Website-Daten
    ziale transdisziplinärer Methoden. Wiesbaden: Springer, S. 371–388. https://     können auf individuelle Nachfrage zugänglich gemacht werden (250 GB ).
    doi.org/10.1007/978-3-531-93468-6_21
Hochschulkompass (2021): Suchergebnisse zu Fachhochschulen/HAW mit
    öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Online verfügbar unter: https://
    www.hochschulkompass.de/hochschulen/hochschulsuche.html?tx_                                                                                                                   21
    szhrksearch_pi1%5Bsearch%5D=1&tx_szhrksearch_pi1%5Bname%5D=&tx_
    szhrksearch_pi1%5Bort%5D=&tx_szhrksearch_pi1%5Bplz%5D=&tx_
    szhrksearch_pi1%5Bhstype%5D%5B2%5D=1&tx_szhrksearch_
    pi1%5Btraegerschaft%5D=1&tx_szhrksearch_pi1%5Bmember%5D, zuletzt
    geprüft am 14. 01. 2022.
Land Nordrhein-Westfalen (1969): Bekanntmachung des Abkommens zwischen
    den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des
    Fachhochschulwesens. Online verfügbar unter https://recht.nrw.de/lmi/owa/
    br_bes_text?anw_nr=1&bes_id=2477&show_preview=1, zuletzt geprüft am
    14. 01. 2022.
MWK BW – Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württem‑                                          PAUL JERCHEL
    berg (2005): Gesetz über die Hochschulen in Baden-Württemberg. Fassung                                         ist Student der Mechatronik und war Kuratoriums‑
    vom 01. Januar 2005. Online verfügbar unter https://www.landesrecht-bw.                                        mitglied der Berliner Hochschule für Technik. Er war
    de/jportal/?quelle=jlink&query=HSchulG+BW&psml=bsbawueprod.                                                    Hilfskraft in der mikroelektronischen Zuverlässig‑
    psml&aiz=true#jlr-HSchulGBWrahmen, zuletzt geprüft am 14. 01. 2022.                                            keitsforschung, der transformativen Nachhaltigkeits‑
MWG RLP – Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz (2020):                                      forschung, sowie in der Innovations- und Wissen‑
    Hochschulgesetz. Fassung vom 23. September 2020. Online verfügbar unter                                        schaftspolitik und engagiert sich für Open Hardware.­
    https://mwg.rlp.de/fileadmin/mbwwk/2_Wissenschaft/HZP/Hochschulgesetz_                                         ­
    GVBl._Nr._36_vom_06.10.2020.pdf, zuletzt geprüft am 14. 01. 2022.
Mitchell, Ryan (2015): Web scraping with python. Sebastopol: O’Reilly Media.                                       NADINE KLEINE
openTA (2021): NTA -Mitglieder. Online verfügbar unter https://openta.net/                                         ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ­Institut
    mitglieder, zuletzt geprüft am 14. 01. 2022.                                                                   für Sozialforschung & ­Technikfolgenabschätzung
Parodi, Oliver (2021 a): Zum Verhältnis von Technik, Technikfolgenabschätzung                                      (IST ), OTH Regensburg, und arbeitet derzeit an
    und Transformation. In: Ralf Lindner et al. (Hg.): Gesellschaftliche Trans­                                    der ­Expertise sowie den Formen und Möglichkeiten
    formationen. Gegenstand oder Aufgabe der Technikfolgenabschätzung?                                             gesellschaftlicher ­Normierung von KI für das BMBF -­
    Baden-Baden: Nomos, S. 19–36. https://doi.org/10.5771/9783748901556-19                                         Projekt ‚KI – Mensch – Gesellschaft‘. Zudem forscht
Parodi, Oliver (2021 b): Reallabore als Möglichkeitsraum und Rahmen für                                            und lehrt sie zu sozialwissenschaftlichen Fragen
    ­Technikfolgenabschätzung. In: Stefan Böschen et al. (Hg.): Technikfolgen­                                     um Technik.
    abschätzung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-Baden: Nomos,
    S. 374–388. https://doi.org/10.5771/9783748901990-374                                                          TASSO MULZER
Schneider, Christoph (2013): „Das muss man immer für sich selbst abwägen“                                          ist seit 2014 Laboringenieur im Labor für Fertigungs‑
    oder: Das moralische Wissen von Studierenden der Informatik. In: Informatik                                    verfahren der Mechatronik der Berliner Hochschule
    Spektrum 36 (3), S. 287–292. https://doi.org/10.1007/s00287-013-0695-y                                         für Technik (BHT ). Neben dem Aufbau eines Campus-
SenJustVA – Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskrimi‑                                       FabLabs ist er am quelloffenen FabAccess-Projekt
    nierung Berlin (2011): Gesetz über die Berliner Hochschule im Land Berlin.                                     beteiligt. Zuvor war er Entwicklungsingenieur für
    ­Fassung vom 26. Juli 2011. Online verfügbar unter https://gesetze.berlin.de/                                  elektromechanische Komponenten.
    bsbe/document/jlr-HSchulGBE2011rahmen, zuletzt geprüft am 14. 01. 2022.

https://doi.org/10.14512/tatup.31.1.15                                                      · Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (2022) 31/1: 15–21
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