WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe

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WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
WESTFÄLISCHES
                                  ÄRZTEBLATT
                                  Mitteilungsblatt der Ärztekammer Westfalen-Lippe

                                                                                    Ausgabe 01.22

Kammerversammlung                        Mitgliederbefragung               Serie Junge Ärzte
Koalitionsvertrag — auf die              Durchschnittsnote „Ausreichend“   Erwartungen beeinflussen
Umsetzung kommt es an                    für die Gesundheitspolitik        den Behandlungserfolg
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
2 Inhalt

                                 Inhalt              Themen dieser Ausgabe

                                         TITELTHEMA

                                 8       Kammerversammlung
                                         Ampel legt ihre Pläne vor: großes Programm, viele Erwartungen
                                 13      Kammerversammlung
                                         Koalitionsvertrag: Auf die Umsetzung kommt es an

                                         KAMMER AKTIV

                                 17      Durchschnittsnote „Ausreichend“
                                         Westfälisch-lippische Ärztinnen und Ärzte bewerteten Gesund-
                                         heitspolitik in Bund und Land
                                 18      Realistischer Blick auf die Zukunft des Gesundheitswesens
                                         ÄKWL-Umfrage: Gute Patientenversorgung braucht mehr als
                                         nur einen „ausreichenden“ Rahmen
                                 20      Erwartungen beeinflussen den Behandlungserfolg
                                         Serie Junge Ärzte
                                 22      Gute Noten für die MFA-Ausbildung
                                         Befragung der Ärztekammer zur Ausbildungszufriedenheit
                                 23      Lieber Präsenz als Online-Unterricht
                                         MFA-Ausbildung in Zeiten der Pandemie

                                         VARIA

                                 24      „Nach dem Öffnen der Tür gelangte man
                                         in eine andere Welt“
                                         Spenden aus Westfalen verbessern chirurgische Arbeit
                                         in Krivoy Rog

                                         INFO

                                     4   Info aktuell
                                 25      Persönliches
                                 28 	Ankündigungen der Akademie für medizinische Fortbildung
                                      der ÄKWL und der KVWL
                                 62      Bekanntmachungen der ÄKWL
                                 65      Impressum

01|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
Editorial 3

Ausnahmezustand
im dritten Jahr                                                                                                          Dr. Hans-Albert
                                                                                                                         Gehle (r.), Präsident,
                                                                                                                         und Dr. Klaus Rein-
Pandemie bestimmt das Gesundheitswesen —                                                                                 hardt, Vizepräsident
doch es gibt 2022 noch weitere wichtige Themen                                                                           der ÄKWL

A   uf dieses Dejà-vu-Erlebnis hätten wir gern verzichtet: Ein
    weiteres Jahr ist von der Corona-Pandemie bestimmt wor-
den, noch immer ist die Zahl der Infektionen trotz Impfkampagne
                                                                   Ein Grundproblem künftiger medizinischer Versorgung im Land
                                                                   ist der Mangel an Ärztinnen und Ärzten, mitverursacht durch die
                                                                   zu geringe Zahl von Studienplätzen in der Humanmedizin. Dies
hoch, einmal mehr arbeiten die Intensivstationen der Kliniken im   zu ändern, hat das Land NRW, z. B. mit der neuen Medizinischen
Land am Anschlag. 2022 wird bereits das dritte Corona-Jahr und     Fakultät Ostwestfalen-Lippe, bereits wichtige Schritte getan.
bringt mit der Omikron-Variante des Virus ein neues Kapitel der    Doch die Aufgabe bleibt: Hier muss noch mehr unternommen
Pandemie. Ärztinnen und Ärzte und mit ihnen die Teams in den       werden!
Praxen und auf den Klinikstationen gehen in ein weiteres Jahr
des Ausnahmezustands in Gesellschaft und Gesundheitswesen.         Ein wichtiges Projekt, das über viele Jahre in der Patientenver-
                                                                   sorgung wirksam sein wird, ist die neue Krankenhausplanung,
Mit Applaus vom Balkon ist es im dritten Pandemiejahr längst       die in Nordrhein-Westfalen immer konkreter wird. Das Ende der
nicht mehr getan: Das Gesundheitswesen und die Menschen, die       Legislaturperiode ist in Sicht, im Mai stehen Landtagswahlen ins
in ihm arbeiten, müssen dringend Entlastung erfahren. Alte und     Haus: Die Ärzteschaft erwartet nicht nur, dass ein Krankenhaus-
neue Bundesregierung und auch die Landesregierung in Düssel-       plan aufgestellt wird, sondern auch, dass eine künftige Landesre-
dorf haben vieles angekündigt, was die Patientenversorgung         gierung alles unternimmt, Hindernisse für die Weiterentwicklung
verbessern helfen kann. Absichtserklärungen und Projekte gibt es   der stationären Versorgung aus dem Weg zu räumen.
genug — doch nun muss auch geliefert werden.
                                                                   Als das Coronavirus 2020 seinen Zug um die Welt antrat, war
Ein Beispiel: Bereits Anfang 2020 forderte die Kammerver-          schon sehr bald klar, dass die Bewältigung der Pandemie eher
sammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe, die Strukturen           ein Marathon als ein Sprint werden würde. Ärztinnen und Ärzte
des Infektionsschutzes in Nordrhein-Westfalen neu aufzustellen.    haben nicht gezögert, den Kampf gegen die Pandemie aufzu-
Auch die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, gerade     nehmen. Ob in Klinik oder Praxis oder als Freiwillige: Sehr viele
im Personalbereich, gehört seit Langem — schon viel zu lange! —    Kolleginnen und Kollegen engagieren sich seither ohne jeden
zu den Forderungen der Ärzteschaft. Doch es geht nur langsam       Vorbehalt und wie selbstverständlich weit über das normale
voran, nur wenig passiert, um in diesem Bereich die dringend       Maß ihrer Arbeit hinaus und gehen ein ums andere Mal an ihre
benötigte Entlastung zu schaffen.                                  Grenzen. Dafür gebührt ihnen Dank und höchste Anerkennung!
                                                                   Und obwohl schon ein ganzes Stück Strecke hinter uns liegt, ist
Die noch von der letzten Bundesregierung geplante umfassende       die Ziellinie noch immer nicht in Sicht. Um die vor uns liegen-
Reform der Notfallversorgung fiel den Ereignissen der Pandemie     den Aufgaben anzugehen, braucht es weiterhin viel Ausdauer,
zum Opfer. Doch auch hier muss in absehbarer Zeit geliefert        Kraft, Mut und Zuversicht — all dies wünschen wir Ihnen, liebe
werden — und zwar nicht, indem die funktionierende regionale       Kolleginnen und Kollegen, für 2022 von ganzem Herzen!
Versorgungsstruktur in Westfalen-Lippe mit ihren bestens einge-
führten Portalpraxen durch ein untaugliches System Integrierter
Notfallzentren ersetzt wird.

                                                                                                           WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 01|22
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
4 Info aktuell

          AUSSCHREIBUNG

          Lohfert-Preis 2022
                                                                                                                      Z E R T I F I Z I E RU NG S S T E L L E
                                                                                                                      DER ÄRZTEKAMMER WESTFALEN-LIPPE

                                                                                                                      DIN EN ISO 9001

          Gemeinsam für mehr Gesundheit: Mo-            im Gesundheitswesen verbessern. Ge-
          delle und Technologien zur Verbesse-          sucht werden Best-Practice-Projekte, die
          rung der Erreichbarkeit, Aufklärung und       bereits in der Versorgung implementiert
          Beteiligung in der gesundheitlichen           sind und deren Nutzen wissenschaftlich

                                                                                                                                                                 ©Andres Rodriguez, vege — fotolia.com; Espendiller + Gnegel
          Versorgung — so lautet das Ausschrei-         evaluiert wurde. Das Konzept soll grund-
          bungsthema für den Lohfert-Preis 2022.        legend neue Ansätze und patientenori-
          Schirmherrin des mit 20 000 Euro dotier-      entierte, qualitätsverbessernde Impulse
          ten Förderpreises ist erneut Dr. Regina       beinhalten. Entsprechende Projekte,
          Klakow-Franck, Fachärztin für Gynäko-         die einen Beitrag zur Bewältigung der
                                                                                                                                   1
          logie und stellvertretende Leiterin des       Coronakrise leisten, sind ausdrücklich                              O 900
          IQTIG (Institut für Qualitätssicherung        erwünscht, jedoch keine Vorausset-                           DIN IS M
                                                                                                                          KPQ
                                                                                                                                   tren
          und Transparenz im Gesundheitswesen).         zung. Die Bewerbungsfrist läuft bis zum                             talzen
                                                        28. Februar 2022. Bewerbungen werden                         Perina
          Der Lohfert-Preis prämiert auch im Jahr       ausschließlich über das Online-Bewer-
                                                                                                        Die Zertifizierungsstelle
          2022 praxiserprobte und nachhaltige           bungsformular unter www.christophloh-
                                                                                                        der Ärztekammer Westfalen-Lippe
          Konzepte, die nachweislich die Kommu-         fert-stiftung.de angenommen.                    für das Gesundheitswesen
          nikations- und Organisationsstrukturen                                                        Tel. 0251 929-2601| info@aekzert.de

         HAUSÄRZTLICHES FORSCHUNGSPRAXENNETZ NRW LÄDT ZUR MITARBEIT EIN

         Forschung in der Praxis für die Praxis
         HAFO.NRW ist ein Verbundprojekt der            schung in der Allgemeinmedizin gestärkt        Rheinische Friedrich-Wilhelms-Univer-
         universitären und niedergelassenen All-        und damit die Versorgung der Patientinnen      sität Bonn, Institut für Hausarztmedizin:
         gemeinmedizin in Nordrhein-Westfalen.          und Patienten im hausärztlichen Sektor ver-    Herr Thiem, hafo@ukbonn.de, Telefon: 0228
         Koordiniert durch die Verbundleitung in        bessert wird.                                  28711156
         Düsseldorf forschen die Standorte Aachen,
         Bochum, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln,         Deutschlandweit befinden sich derzeit sechs    Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,
         Münster und Witten/Herdecke gemeinsam          Forschungspraxennetze in enger Kooperati-      Institut für Allgemeinmedizin: Susanne Lö-
         mit den Hausärztinnen und Hausärzten           on mit der Initiative Deutscher Forschungs-    scher, hafo@med.uni-duesseldorf.de, Tele-
         sowie Medizinischen Fachangestellten der       praxennetze (DESAM-ForNet) im Aufbau.          fon: 0211 81 08169
         Region. HAFO.NRW qualifiziert die Praxis-      Gefördert wird die Initiative vom Bundes-
         teams und etabliert praxisrelevante Versor-    ministerium für Bildung und Forschung.         Universität Duisburg-Essen, Institut für
         gungsforschung in einem überregionalen                                                        Allgemeinmedizin: Julia Drexler, hafo.allge-
         Forschungspraxennetz.                          Zur Teilnahme sind alle hausärztlich tätigen   meinmedizin@uk-essen.de, Telefon: 0201
                                                        Praxen in Nordrhein-Westfalen aufgerufen,      723 8038
         Erklärte Ziele von HAFO.NRW sind, haus-        die Interesse an Forschung haben und das
         ärztliche Forschungsfragen zu diskutie-        Fach Allgemeinmedizin stärken möchten.         Universität zu Köln, Schwerpunkt Allge-
         ren, Forschungsthemen im Praxisalltag zu       Weitere Informationen gibt es unter www.       meinmedizin: Larisa Pilic, larisa.pilic@uk-
         fokussieren, die Versorgungsforschung zu       hafo.nrw.                                      koeln.de, Telefon: 0221 478 32161
         stärken und dem Fach Allgemeinmedizin in
         Aus-, Fort- und Weiterbildung noch mehr        Ansprechpartner sind:                          Westfälische Wilhelms-Universität
         Gewicht zu verleihen.                                                                         Münster, Centrum für Allgemeinmedizin:
                                                        RWTH Aachen, Lehrgebiet Allgemeinmedi-         Elena Hohmann, hafo.nrw@uni-muenster.
         Etwa 90 Prozent der medizinischen Versor-      zin: Friederike Frank, ffrank@ukaachen.de,     de, Telefon: 0251 83 56999
         gung finden im niedergelassenen Bereich        Telefon: 0241 80 88 935
         statt, davon ein Großteil in Hausarztpraxen.                                                  Universität Witten/Herdecke, Institut für
         Der nachhaltige Aufbau des Forschungspra-      Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für         Allgemeinmedizin und ambulante Gesund-
         xennetzes wird solide Forschung mit hoher      Allgemeinmedizin: Kathrin Schlößler, hafo-     heitsversorgung: Dr. Judith Tillmann, judith.
         methodischer Qualität in diesem wichtigen      allgemeinmedizin@rub.de, Telefon: 0234         tillmann@uni-wh.de, Telefon: 02302 926
         Sektor möglich machen, sodass die For-         3227061                                        7864

01|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
Info aktuell 5

AUSSTELLUNG IN DER ÄRZTEKAMMER WESTFALEN-LIPPE

Farbe verstärkt Lebendigkeit —
Malerei von Dr. Florian Paelz
„Kunst: Morphologie menschlicher Emp-           der Malerei an der Kunstaka-
findungen“, fasst Dr. Florian Paelz, Maler      demie in München bei Raimer
und Facharzt für Anästhesiologie im Ru-         Jochims. Als sein Professor die
hestand aus Unna, sein Verständnis vom          Kunstakademie verließ, wandte
kreativen Schaffensprozess zusammen. Ab         sich Paelz der Medizin zu. „Ich
dem 21. Januar zeigt er eine Auswahl seiner     brauchte etwas Handfestes,
Werke in der Ärztekammer Westfalen-Lippe.       Greifbares, etwas, das mich
                                                ganz beanspruchte und mich
Fantasievoll wirken die Bilder von Dr. Paelz,   festhielt und woran ich mich
dennoch haben sie ihren Ursprung in der         festhalten konnte“, begründet
Realität des Künstlers und sind kreativer       er seinen damaligen Entschluss.
Ausdruck die-                                                    Seine positive,
ser Wirklichkeit.                                                lebensbejahende        Ob „Schirmherren“ (Foto oben) oder „Heimat“: Die Themen von Dr.
Dr. Florian Paelz                                                Grundstimmung          Florian Paelz‘ Bildern sind so vielseitig wie seine Biografie — und
wurde 1947 in                                                    voller Energie         haben ihren Ursprung in der Realität des Künstlers.         Fotos: privat

Shanghai als                                                     und Bereitschaft,
Sohn des deut-                                                   Verantwortung zu überneh-              in Erstaufnahmeeinrichtungen. Die Coro-
schen Geschäfts-                                                 men, strahlte er beruflich             na-Pandemie, in der er aktiv als Impfarzt
manns Paul Paelz                                                 auch in leitender Funktion             mitwirkt, verarbeitet er in seinen jüngsten
und seiner chine-                                                als Chefarzt in seinem Fach-           Werken — so beinhaltet „Schirmherren“
sischen Ehefrau                                                  gebiet auf seine Mitarbeiter           eine kritische Auseinandersetzung mit der
Ming-Yuen gebo-                                                  und das Krankenhausumfeld              Corona-Politik. Die dominierende Rolle der
ren. Als Fünfjäh-                                                aus. 2012 ging er in den Ru-           Farben, die auch die Werke seines früheren
riger kam er nach                                                hestand und widmete sich               Lehrers Raimer Jochims kennzeichnet, findet
der Ausweisung                                                   erneut der Malerei.                    man sowohl in seinen Öl- wie auch Acryl-
seines Vaters nach                                                                                      bildern wieder und gerade dieser Einsatz von
Deutschland und                                                  Die Themen seiner Bilder sind          Farbe verstärkt ihre Lebendigkeit.
verbrachte nach                                                  dabei so vielseitig wie seine
dessen Tod 1953                                                  Biografie. Die subjektiven             Die Ausstellung ist vom 21. Januar 2022 bis
seine Kindheit im Kinderheim St. Mauritz in     Eindrücke und Erlebnisse, die Dr. Florian               zum 28. Februar 2022 in der Gartenstraße
Münster. Nach Handelsschule und Ausbil-         Paelz in ihnen kreativ verarbeitet, reichen von         210 — 214, 48147 Münster, montags bis don-
dung zum Großhandelskaufmann sowie zur          inspirierenden Abenden als junger Kunststu-             nerstags von 8 bis 17 Uhr und freitags von
Gastronomiefachkraft holte er das Abitur am     dent am Fuße des florentinischen Arno bis               8 bis 13.30 Uhr geöffnet. Weitere Informa-
Abendgymnasium in Köln nach und begann          hin zu bedrückenden Erfahrungen bei der                 tionen zu Künstler und Werke gibt es unter
schließlich in den 70er Jahren ein Studium      medizinischen Versorgung von Flüchtlingen               www.paelz.de.

                                                                  WUNSCHZETTEL-AKTION DER                                haus in Münster ein Tannenbaum mit
                                                                  ÄRZTEKAMMER WESTFALEN-LIPPE:                           Wunschzetteln, diesmal von Frauen, die
                                                                  Kurz vor Weihnachten übergaben                         in den Einrichtungen des SkF Münster be-
                                                                  (v. l. n. r.) Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident,        treut und begleitet werden, geschmückt.
                                                                  und Dr. Michael Schwarzenau, Hauptge-                  Innerhalb weniger Tage fanden alle Zettel
                                                                  schäftsführer der Ärztekammer Westfa-                  ihren Weg zu Mitarbeiterinnen und Mit-
                                                                  len-Lippe, im Namen der Ärztekammer-                   arbeitern der Ärztekammer, die Geschenke
                                                                  Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter rund                 besorgten und liebevoll verpackten. „Sie
                                                                  60 Päckchen und Pakete an Marion Böing                 machen damit den Frauen unserer Ein-
                                                                  (Fachbereichsleitung Wohnungslosenhil-                 richtungen eine große Freude“, bedank-
                                                                  fe) und Sandra Bracht (Fachbereichshilfe               ten sich Marion Böing und Sandra Bracht
                                                                  bei Häuslicher Gewalt) vom Sozialdienst                schon bei der Übergabe der Weihnachts-
                                                                  katholischer Frauen Münster (SkF). Auch                päckchen im Ärztehaus im Namen der
                                                                  im vergangenen Jahr wurde im Ärzte-                    Empfängerinnen.                Foto: nie

                                                                                                                                  WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 01|22
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
6 Persönliches

        NEUE KURZINFORMATION

        Posttraumatische Belastungsstörung                                                                    Sprechstunde
                                                                                                              Die Demenzbeauftragte der Ärztekam-
        Schlimme Ereignisse können die Seele be-                 das Geschehene zu verarbeiten, empfehlen     mer Westfalen-Lippe, Stefanie Ober-
        lasten und eine Posttraumatische Belas-                  Fachleute vor allem eine sogenannte Trau-    feld, steht Ärztinnen und Ärzten im
        tungsstörung (PTBS) nach sich ziehen. Das                mafokussierte Psychotherapie.                Rahmen einer wöchentlichen Telefon­
        Ärztliche Zentrum für Qualität in der Me-                                                             sprechstunde jeweils mittwochs von 12
        dizin (ÄZQ) hat eine neue Kurzinformation                Die neue Kurzinformation erläutert die       bis 13 Uhr unter Tel. 0251 5202-27610
        zu Anzeichen, Diagnostik und Behandlung                  Ursachen und typische Anzeichen. Außer-      als Ansprechpartnerin zum Thema De-
        einer Posttraumatischen Belastungsstörung                dem erfahren Interessierte, welche Unter-    menz zur Verfügung.
        veröffentlicht.                                          suchungs- und Behandlungsmöglichkeiten
                                                                 Fachleute aufgrund aktueller wissenschaft-
        Eine PTBS kann das Leben von Betroffenen                 licher Erkenntnisse bei einer PTBS empfeh-
        sehr beeinträchtigen: Sie erleben in Gedan-              len. Ärztinnen und Ärzte aus Praxen und
                                                                                                              ARZNEIMITTELRISIKEN
        ken und Träumen das Grauen immer wieder.                 Kliniken können die Kurzinformation unter    Rote Hand aktuell
        Menschen mit einer PTBS ziehen sich zu-                  www.patienten-information.de kostenlos
        rück, vermeiden Erinnerungen, sind gereizt               ausdrucken, auslegen sowie an Betroffene     Mit „Rote-Hand-Briefen“ informieren
        und in ständiger Alarmbereitschaft. Um                   oder Interessierte weitergeben.              pharmazeutische Unternehmen über
                                                                                                              neu erkannte, bedeutende Arzneimittel-
          ZERTIFIZIERUNG                                                                                      risiken und Maßnahmen zu ihrer Minde-
                                                                                                              rung. Einen Überblick über aktuelle Ro-
                                                                                                              te-Hand-Briefe bietet die Homepage der
                       Z E R T I F I Z I E RU NG S S T E L L E    •	Zertifizierung nach DIN EN ISO           Arzneimittelkommission der Deutschen
                       DER ÄRZTEKAMMER WESTFALEN-LIPPE
                                                                    9001 im Gesundheitswesen                  Ärzteschaft. Unter http://www.akdae.de/
                       DIN EN ISO 9001

                                                                                                              Arzneimittelsicherheit/RHB/index.html
                                                                  •	Zertifizierung nach dem KPQM-            sind aktuell neu ein-        gestellt:
                                                                    System der KVWL                           •     Rote-Hand-Brief
          Im Monat November haben folgende Kli-
          niken/Praxen ein erfolgreiches Audit ab-                                                                  zu Donepezil:
                                                                  •	Zertifizierung von Perinatalzentren            QTc-Intervall-
          solviert:
                                                                    Level I und II nach G-BA-Richtlinie             verlängerung und
          Re-Zertifizierungsaudit Brustzentren                                                                      Torsade de Pointes
                                                                  •	Zertifizierung der NRW-                        (Zulassungsinhaber
          Vor-Ort-Audit
                                                                    Brustzentren                                    Donepezil-haltiger Arzneimittel
         Aachen Stadt            04.+04.11.2021
         - Uniklinik Aachen                                                                                         vom 13.12.2021)
                                                                  •	Zertifizierung von Kooperations­
         - Luisenhospital Aachen
                                                                    praxen der NRW-Brustzentren
         Bonn15.+16.11.2021
         - St. Marien-Hospital
                                                                                                              MÜNSTER
         - Uniklinik Bonn
         Mülheim/Oberhausen15.+16.11.2021                       Wuppertal24.11.2021
         - Evangelisches Krankenhaus Mülheim                     - Helios Klinikum Wuppertal                  Besuchszeiten
         - Evangelisches Krankenhaus Oberhausen                  Paderborn29.11.2021
                                                                 - Frauenklinik St. Louise
                                                                                                              geändert
          Überwachungsaudit Brustzentren
                                                                                                              Coronabedingt schränkt das Veteri-
         Euregio Brustzentrum                                     Rezertifizierungsaudit Perinatalzentren
                                                                                                              när- und Gesundheitsamt Münster,
         Eschweiler10.11.2021                                   Christophorus-Kliniken GmbH,
                                                                                                              Stühmerweg 8, 48147 Münster, bis auf
         - St. Antonius-Hospital                                 Coesfeld24.11.2021
                                                                                                              Weiteres die mögliche Besuchszeit für
                                                                                                              Verbraucher zur amtlichen Bestätigung

                 Informationen zu den Zertifizierungsverfahren gibt die Zertifizierungsstelle
                   der Ärztekammer Westfalen-Lippe:
                                                                                                              von Bescheinigungen nach Schengener
                                                                                                              Abkommen oder nach INCB für die Mit-
                                                                                                              nahme von Betäubungsmitteln ins Aus-

          i
                   Dr. Andrea Gilles, Tel. 0251 929-2982                                                      land ein. Besuche sind dann mittwochs
                   Dr. Hans-Joachim Bücker-Nott, Tel. 0251 929-2980                                           von 8.30 bis 11.30 Uhr möglich (Zi. 121,
                   Brustzentren: Jutta Beckemeyer, Tel. 0251 929-2981                                         Tel. 0251 492-5341/-5371). Der bisherige
                   Perinatalzentren: Uta Wanner, Tel. 0251 929-2983                                           Termin montags von 12 bis 13 Uhr ent-
                   DIN 9001/KPQM: Wiebke Wagener, Tel. 0251 929-2981                                          fällt ab dem 10.01.2022.

01|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
Info aktuell 7

BZGA UND DKFZ INFORMIEREN ZU WOHNORTNAHEN ENTWÖHNUNGSPROGRAMMEN

Rauchfrei ins neue Jahr
Rauchfrei ins neue Jahr zu starten ist für       Mail und persönlichen
viele Raucherinnen und Raucher ein wich-         Rauchfrei-Lotsinnen
tiger Vorsatz zum Jahreswechsel. Die Bun-        und Lotsen unter www.
deszentrale für gesundheitliche Aufklärung       rauchfrei-info.de
(BZgA) und das Deutsche Krebsforschungs-
zentrum (DKFZ) unterstützen Aufhörwillige        • Telefonische Beratung
mit ihrer Datenbank zur Tabakentwöhnung.         zur Rauchentwöhnung
Unter www.anbieter-raucherberatung.de            unter der kostenlo-
finden sie für den Rauchstopp-Vorsatz zum        sen Rufnummer 0800
Jahreswechsel Kontakte zu Entwöhnungs-           8313131 täglich er-
programmen in Wohnortnähe, die von qua-          reichbar, montags bis
lifizierten Expertinnen und Experten durch-      donnerstags von 10 bis
geführt werden.                                  22 Uhr und freitags bis
                                                 sonntags von 10 bis 18
Wer sich das Rauchen abgewöhnen möchte,          Uhr                         Rauchfrei ins neue Jahr: BZgA und DKFZ motivieren zum Rauchstopp und infor-
kann außerdem auf zahlreiche kostenfreie                                     mieren zu wohnortnahen Entwöhnungsprogrammen.
                                                                                                                 Foto: buenaventura13 — stock.adobe.com
und qualitätsgesicherte Unterstützungs-          • START-Paket zum
angebote der BZgA zurückgreifen, die den         Nichtrauchen mit der
„Ausstieg“ erleichtern:                          Broschüre „Ja, ich werde rauchfrei“, einem         Das DKFZ und die BZgA beteiligen sich
                                                 „Kalender für die ersten 100 Tage“, einem          mit ihren Rauchstopp-Angeboten an der
• Online-Ausstiegsprogramm: Infos und            Stressball und anderen hilfreichen kosten-         Bundesinitiative „Rauchfrei leben — Deine
Tipps zum Thema Rauchen/Nichtrauchen mit         losen Materialien. Bestellung per E-Mail           Chance“. Weitere Informationen unter www.
Forum, Chat, unterstützender täglicher E-        unter: bestellung@bzga.de                          nutzedeinechance.de

VERSORGUNGSATLAS                                                                                      ÜBERARBEITET
Zi-Studie zur Versorgung                                                                              Information zum
onkologischer Erkrankungen                                                                            Morbus Osler
Von den insgesamt 61,5 Millionen gesetz-         Männer sind von den meisten geschlechts-             Morbus Osler ist eine seltene, erbliche
lich Krankenversicherten ab 15 Jahren            unabhängigen Krebsarten häufiger betrof-             Erkrankung, die oft auch als hereditäre
hatten 2019 knapp 3,32 Millionen Men-            fen als Frauen. Zwischen den Krebsarten              hämorrhagische Teleangiektasie (kurz:
schen mindestens in zwei Quartalen eine          sind allerdings substanzielle Unterschiede           HHT) bezeichnet wird. Nach Schätzun-
als gesichert dokumentierte Krebsdiagnose.       im Ausmaß des Geschlechterverhältnisses              gen ist etwa einer von 5000 Menschen
Das entspricht einer altersstandardisierten      zu erkennen: Während der Unterschied                 daran erkrankt. Die neu überarbeitete
Diagnoseprävalenz von 5,2 Prozent für alle       beim malignen Melanom 2019 nur sehr ge-              Kurzinformation des Ärztlichen Zent-
Krebserkrankungen ohne den hellen Haut-          ring war, fiel das Prävalenzverhältnis beim          rums für Qualität in der Medizin (ÄZQ)
krebs. 2010 lag diese noch bei 4,1 Prozent.      Harnblasenkrebs deutlich zuungunsten der             bietet Betroffenen und ihren Angehöri-
Vor allem ältere Menschen erkranken an           Männer aus. Weitaus mehr Frauen leiden               gen ausführliche Informationen über die
Krebs. Die altersspezifische Diagnosepräva-      demgegenüber an Schilddrüsenkrebs.                   verschiedenen Behandlungsmöglichkei-
lenz für alle untersuchten Krebserkrankun-                                                            ten und zum eigenständigen Umgang
gen steigt bis zur Altersgruppe der 80- bis      Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktu-        mit der Erkrankung.
84-Jährigen an (15 bis 19 Jahre: 0,2 Prozent,    ellen Versorgungsatlas-Studie des Zentral-
80 bis 84 Jahre: 16,6 Prozent im Jahr 2019).     instituts für die kassenärztliche Versorgung         Die Kurzinformation steht unter www.
Diese Verteilung über alle Altersgruppen         (Zi) zur vertragsärztlichen und -psychothe-          patienten-information.de zum kosten-
hinweg ist bei fast allen Krebsarten zu be-      rapeutischen onkologischen Versorgung in             losen Download, Ausdrucken und Ver-
obachten. Ausnahmen bilden Hoden-, Ge-           Deutschland. Es handelt sich um die bisher           teilen bereit.
bärmutterhals- und Schilddrüsenkrebs. Hier       umfangreichste krankenkassenübergreifen-
wird jeweils der Altersgipfel bereits deutlich   de Bestandsaufnahme der onkologischen
früher erreicht.                                 Versorgung in der ambulanten Versorgung.

                                                                                                                         WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 01|22
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
8 Persönliches

          Ampel legt ihre Pläne vor:
          großes Programm,
          viele Erwartungen

01|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
Info aktuell 9

Herbstsitzung der Kammerversammlung
Welchen Kurs nimmt das Gesundheitswesen? Bei der Herbstsitzung der Kammerversammlung dis-
kutierten die Delegierten nicht nur die kurz zuvor vorgestellten Pläne der Berliner Ampelkoalition
aus ärztlicher Sicht. Als Gast im Parlament der westfälisch-lippischen Ärzteschaft skizzierte Tom
Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordwest, einen Ausblick auf das Gesundheitswesen
der Zukunft. Seine Erwartung: Die medizinische Versorgung wird vernetzter und digitaler, sie wird
interprofessioneller und kooperativer, integrierter und nicht zuletzt auch regionaler als heute sein.

                             von Klaus Dercks, ÄKWL                           Rettungsdienstes aufgeben würde. Dass In-
                                                                              tegrierte Leitstellen die besuchende ärztliche

                             V    ernetzt“ und „digital“ gehören dabei nach
                                  Ansicht von Tom Ackermann vor allem mit
                             Blick auf den Nutzen neuer Technologien für
                                                                              Notfallversorgung und den Rettungsdienst in
                                                                              einer Hand koordinieren, werde allgemein als
                                                                              notwendig angesehen. „Da ist in NRW ja be-
                             Patientinnen und Patienten zusammen. So sei      reits einiges passiert, man kann in eine Regel-
                             beispielsweise bei telemedizinischen Ange-       versorgung einsteigen.“
                             boten längst ein hoher Reifegrad der Anwen-
                             dungen erreicht worden, ihre Einführung in die   Ein großes Thema der nächsten Jahre sei die
                             Regelversorgung sei ebenso zu begrüßen wie       von den Koalitionsparteien angekündigte
                             die Aufnahme telenotärztlicher Versorgung.       Strukturreform im Krankenhausbereich — in
                             Auch den weiteren Ausbau der elektronischen      NRW werde überdies ohnehin bereits seit
                             Patientenakte begrüßte der AOK-Vorstands-        zwei Jahren an einer neuen Krankenhauspla-
                             vorsitzende ausdrücklich, räumte jedoch ein:     nung gearbeitet, die auf eine bedarfsgerechte,
                             „Was im Moment in der Akte enthalten ist, ist    qualitativ hochwertige Versorgung in einem
                             noch nicht versorgungsgestaltend.“ Datenver-     gestuften Angebot ziele. Doch auch die Ver-
                             fügbarkeit und die Bereitstellung von Daten      gütungssysteme für die stationäre Versorgung
                             würden allerdings in Zukunft eine immer grö-     müssten weiterentwickelt und Fehlanreize ab-
                             ßere Rolle spielen.                              gebaut werden.

                             Regionale Akteure stärken                        Für Krankenhäuser
                                                                              bleibt nichts übrig
                             Zur Zukunft eines integrierten Gesundheits-
                             wesens mit sektorenunabhängiger Versorgung       „Was wir derzeit erleben, kostet wahnsinnig
                             gehört eine sektorenübergreifende Planung:       viel Geld“, meinte der AOK-Vorstandsvorsit-
                             Neue Strukturen in der Versorgungsplanung,       zende. Bei den Krankenkassen machten sich
                             erwartete Ackermann, werden die Hand-            unter anderem die Leistungsgesetze der ver-
                             lungsfähigkeit der regionalen Akteure stär-      gangenen Jahre auf der Ausgabenseite be-
                             ken. Krankenhäusern werde die Tür geöffnet       merkbar. „Wir kommen nicht hin, zusätzliche
                             für spezialisierte fachärztliche Versorgung im   Leistungen müssen finanziert werden.“ Doch
                             ambulanten Bereich.                              auch bei den Bundesländern herrscht Ebbe.
                                                                              „Da bleibt nichts übrig für die Finanzierung
                             Dass die Regelungen für Rettungsdienst und       von Krankenhausbauten. Die Länder werden
                             Rettungswesen nach Vorstellung der Berliner      die jetzige Höhe der Investitionen nicht hal-
                             Koalitionäre in einem eigenen Bereich des        ten können.“
                             SGB V zusammengeführt werden sollen, wer-
                             de noch für Spannung sorgen, kündigte Tom        „Kooperation“ gehört zu den zentralen Be-
                             Ackermann an. Die Organisation des Rettungs-     griffen des Gesundheitswesens der Zukunft.
                             dienstes sei ein „extrem föderaler Prozess“ in   „Das meint vor allem interprofessionelle Zu-
                             der kommunalen Selbstverwaltung. Es sei          sammenarbeit“, erläuterte Ackermann. Er gehe
                             kaum zu erwarten, dass ein Oberbürgermeis-       davon aus, dass in den nächsten zehn bis 15
                             ter seine Autonomie für die Ausstattung des      Jahren ein politischer Komment darüber erzielt

                                                                                                       WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 01|22
WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen-Lippe
10 Titelthema

                                                                                                                          Verantwortung in der Patientenversorgung
                                                                                                                          übernehmen könnten. „Das ist aber ein lan-
                                                                                                                          ger Weg, dazu braucht es erst einmal eine
                                                                                                                          grundständige Ausbildung, um eigenständig
                                                                                                                          im Rahmen von Delegation oder Substituti-
                                                                                                                          on Aufgaben auszuüben.“ Dazu gehöre dann
                                                                                                                          allerdings, ergänzte Tom Ackermann, auch
                                                                                                                          die Verantwortung für Qualität und Wirt-
                                                                                                                          schaftlichkeit der erbrachten Leistungen.

                                                                                                                          „Sie werden als Mediziner immer die Chance
                                                                                                                          haben, am Steuer zu sitzen“, war Ackermann
                                                                                                                          sicher. Die zentrale Rolle der Steuerung im
                                                                                                                          Versorgungsgeschehen sei bis auf Weiteres
                                                                                                                          eine Option für Ärztinnen und Ärzte. „Nut-
                                                                                                                          zen Sie diese Chance!“ Gern würden die
                                                                                                                          Gesetzlichen Krankenkassen Ideen für Ko-
                                                                                                                          operationen gemeinsam mit der Ärzteschaft
                                                                                                                          entwickeln, lud der AOK-Vorsitzende ein.
        ÄKWL-Präsident Dr. Hans-Albert Gehle (l.) begrüßte als Gast bei der Herbstsitzung der Kammerversammlung den
        Vorstandsvorsitzenden der AOK Nordwest, Tom Ackermann.                                               Fotos: kd
                                                                                                                          „Das Programm
                                                                                                                          ist groß genug“
        werde, knappe ärztliche Leistungen über                  bildes „Public Health Nurse“ vorgesehen.
        Delegation und auch substitutive Elemente                Gemeindeschwestern und Gesundheits-                      Die Berliner Ampel plane strukturelle Schrit-
        mit Unterstützung anderer Berufsgruppen                  lotsen erweiterten künftig das Angebot an                te zur Überwindung der Sektorengrenzen,
        neu aufzuteilen. So sei im Berliner Koali-               ambulanten Leistungen. Der AOK-Vorsitzen-                die Vernetzung, Integration und Koopera-
        tionsvertag die Einführung eines Berufs-                 de bekräftigte, dass Pflegefachkräfte mehr               tion im Gesundheitswesen stärkten, zog
                                                                                                                          Tom Ackermann ein erstes Fazit der Ko-
                                                                                                                          alitionsvereinbarungen. „Das Programm ist
                                                                                                                          groß genug, das sind dicke Bretter.“ Pläne
          NACHWUCHSFÖRDERUNG VERGESSEN?
                                                                                                                          zur Aufhebung der Budgets im hausärztli-

          Kammerversammlung fordert                                                                                       chen Bereich sah der AOK-Vorsitzende nicht
                                                                                                                          überraschend kritisch, Reformpläne für den

          3000 neue Medizin-Studienplätze                                                                                 Krankenhausbereich und Vergütungsrefor-
                                                                                                                          men seien hingegen gut — „aber wir wissen,
                                                                                                                          dass sich so etwas gut auf die lange Bank
          Die Kammerversammlung der Ärztekam-                    tinnen und Ärzte in ihren Herkunftslän-                  schieben lässt. Es braucht einfach seine
          mer Westfalen-Lippe (ÄKWL) fordert die                 dern. Das kann so nicht gewollt sein.“                   Zeit.“ Uneingeschränkte Zustimmung signa-
          neue Regierungskoalition auf, mindestens                                                                        lisierte Ackermann für die Koalitionspläne
          3000 neue Studienplätze im Fach Human-                 Die Kammerversammlung verweist darauf,                   zur Stärkung regionaler Gestaltungsmög-
          medizin zu schaffen und zu betreiben. Die              dass auch die medizinischen Fachgesell-                  lichkeiten. „Da sehen wir einige Optionen.“
          verfasste Ärzteschaft müsse mit Verwun-                schaften seit Jahren forderten, die Anzahl
          derung feststellen, dass im Koalitionsver-             der Medizinstudienplätze in Deutschland                  Vorstellungen zur Versorgung
          trag der „Ampelkoalition“ dieser Schritt               zu erhöhen. Nur so sei vor dem Hinter-                   der Zukunft konkretisieren
          offensichtlich vergessen wurde, so die ein-            grund der demographischen Entwicklung
          stimmige Kritik des westfälisch-lippischen             eine Sicherstellung der Patientenversor-                 „Es ist ärztliche Aufgabe zu konkretisieren,
          Ärzteparlamentes. Anders sei es nicht zu               gung noch denkbar. An Interessentinnen                   wie wir uns die medizinische Versorgung der
          erklären, warum dieses für die Sicherstel-             und Interessenten für diese Plätze mangele               Zukunft vorstellen“, forderte Ärztekammer-
          lung der medizinischen Versorgung der Be-              es nicht.                                                präsident Dr. Hans-Albert Gehle — in der
          völkerung so entscheidende Thema keine                                                                          Diskussion mit dem AOK-Vorsitzenden wur-
          Berücksichtigung findet.                               Zuletzt hatte der 125. Deutsche Ärzte-                   den neben Gemeinsamkeiten auch rasch un-
                                                                 tag im vergangenen Jahr in Berlin noch                   terschiedliche Positionen und Kritik an den
          Kammerpräsident Dr. Hans-Albert Gehle:                 vor dem Abschluss der Koalitionsverhand-                 Plänen der neuen Regierungskoalition deut-
          „Schon heute müssen wir Kolleginnen und                lungen bundesweit eine Ausweitung der                    lich. Strukturen für die interprofessionelle
          Kollegen aus anderen Ländern abwerben,                 Studienplätze um über zehn Prozent ge-                   Zusammenarbeit gebe es bereits, ging Lars
          um die Behandlung hier aufrechterhalten                fordert, um dem demographischen Wandel                   Rettstadt (Fraktion Die Hausarztliste) auf die
          zu können. Und trotzdem bleiben Stellen                und den sich damit überdeutlich abzeich-                 Zukunftsskizze von Tom Ackermann ein. „Es
          unbesetzt. Gleichzeitig fehlen diese Ärz-              nenden Problemen gerecht zu werden.                      gibt längst die Delegation von Aufgaben an
                                                                                                                          EVAs und VERAHs. Aber deren Versorgungs-

01|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Titelthema 11

auftrag muss definiert werden.“ „Delegation      geschränkte Senioren hät-
und Substitution werden im Krankenhaus           ten dann womöglich gar
längst gelebt“, fand auch Prof. Dr. Markus       keine andere Chance auf
Flesch (Fraktion Arzt in Klinik und Praxis).     medizinische Versorgung.
„Aber Physician Assistants ersetzen nicht        „Doch Altersmedizin ist
die Ärztinnen und Ärzte, die wir brauchen.“      komplex.“ Es gebe Grün-
                                                 de, warum Ärztinnen und
Immer wieder drehte sich die Diskussion in       Ärzte Dinge so tun, wie sie
der Kammerversammlung um den Mangel              sie tun – „bei einer Subs-
an Ärztinnen und Ärzten und vor allem Me-        titution ärztlicher Tätig-
dizinstudienplätzen. „Es ist nicht gut, dass     keit wird sich die Qualität
die Krankenkassen den Arzt light präferie-       verändern.“ Alle Aufgaben
ren“, kritisierte Dr. Thomas Gehrke (Fraktion    einer „Community Health
Arzt in Klinik und Praxis). Der Mangel an        Nurse“ würden vom Team
                                                                               Finanzausschuss-Vorsitzender Prof. Dr. Peter Czeschinski erläuterte Jahres-
Ärztinnen und Ärzten insbesondere im länd-       der hausärztlichen Praxis     rechnung und Haushaltsentwurf der Ärztekammer.
lichen Raum habe nicht nur mit den Stu-          abgedeckt, war auch Peter
dienplatz-Kapazitäten zu tun, sondern vor        Schumpich (Fraktion Die
allem mit der Attraktivität unterversorgter      Hausarztliste) überzeugt. Der Allgemeinme-         die Revision der Ärztekammer erneut eine
Regionen für Mediziner betonte hingegen          diziner fragte: „Warum neue Gesundheits-           „ordentliche und sparsame Haushaltsfüh-
Tom Ackermann. Da würden auch höhere             berufe schaffen, wenn es einen Mangel an           rung“ bestätigt, berichtete Prof. Czeschinski,
Prämien für den Start in die Niederlassung       vorhandenen Berufen gibt?“                         bevor er Einzelheiten des Haushaltsplanes
nichts ausrichten. „Wer heute in ein unter-                                                         für 2022 mit einem Volumen von fast 40
versorgtes Gebiet geht, hat eines ganz be-       Haushaltsplan für 2022                             Mio. Euro erläuterte. Die Kammerversamm-
stimmt nicht: ein ökonomisches Problem.“         verabschiedet                                      lung stimmte dem Haushaltsplan zu.

Zweifel an der                                   Traditionell stehen die Jahresrechnung für            „Beistand für Sterbende“:
„Community Health Nurse“                         das vorangegangene und der Haushalts-                 Berufsordnung geändert
                                                 entwurf für das kommende Jahr auf der
Ein „Hausarzt light“-Modell befürchte-           Tagesordnung der Kammerversammlung im                 Mit einer Änderung der Berufsordnung
te Stefanie Oberfeld (Fraktion Marburger         Herbst. Auch diesmal stellte Prof. Dr. Peter          der Ärztekammer Westfalen-Lippe zog die
Bund) angesichts der Berliner Ampel-Plä-         Czeschinski als Vorsitzender des ÄKWL-Fi-             Kammerversammlung die Konsequenzen
ne zur Einführung des neuen Berufsbildes         nanzausschusses den Delegierten das um-               aus dem Urteil des Bundesverfassungsge-
„Community Health Nurse“. Mobilitätsein-         fangreiche Zahlenwerk vor. Für 2020 habe              richts zum § 217 StGB. Zwar sei das ärzt-

 VERBÜNDE BILDEN UND SICHERN

 Ambulante psychiatrische Versorgung stärken
 Die Kammerversammlung der Ärztekam-             chotherapeutische Versorgung verbesse-               Kammerpräsident Dr. Hans-Albert Gehle:
 mer Westfalen-Lippe setzt sich für eine         rungswürdig erscheine, die psychiatrische            „Ebenso ist nicht nur die psychotherapeu-
 dringend erforderliche Verbesserung und         Versorgung dagegen werde nur noch in                 tische, sondern sogar noch dringlicher die
 Stärkung der ambulanten psychiatrischen         Richtung der Notfall- und Krisenbehand-              psychiatrische Versorgung insbesondere für
 Versorgung ein. Die ambulanten Strukturen       lung wahrgenommen. Dabei würden die                  Patienten mit schweren und komplexen Er-
 der psychiatrischen Versorgung seien auf-       weitaus meisten Patienten mit psychi-                krankungen und der Zugang zu ambulanten
 grund des Ausscheidens älterer Kollegen         schen Erkrankungen von den Haus- und                 Komplexleistungen sicherzustellen.“
 und Kolleginnen und des ärztlichen Nach-        Fachärzten behandelt. Eine Vielzahl der
 wuchsmangels zunehmend ausgedünnt.              psychischen Erkrankungen müsse (fach-)               Nach der kommenden KSVPsych-Richtlinie
 Diese Entwicklung werde sich zukünftig          ärztlich behandelt werden und bedürfe                müssten wegen der Erkrankungsschwere
 fortsetzen, aber im Koalitionspapier der        allenfalls ergänzend einer psychothera-              die allermeisten Patientinnen und Patienten
 Ampel-Regierung nicht ausreichend be-           peutischen Behandlung. Deshalb fordert               psychiatrisch, nervenärztlich oder psycho-
 rücksichtigt, kritisiert das westfälisch-lip-   die Kammerversammlung, die Bildung und               somatisch behandelt werden. Die entspre-
 pische Ärzteparlament.                          Stärkung interprofessioneller gemeindepsy-           chenden Fachärztinnen und Fachärzte aber
                                                 chiatrischer Verbünde (GPV) zu sichern, aus          fehlten bereits jetzt, nicht nur in ländlichen
 Die kommende Bundesregierung gehe an-           denen heraus entsprechende intersektorale            Regionen, sondern auch in den Problem-
 scheinend davon aus, dass nur die psy-          Netzverbünde gebildet werden können.                 bereichen der Ballungszentren.

                                                                                                                            WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 01|22
12 Persönliches

 AKADEMIE                                                 liche Berufsrecht nicht Gegenstand der          zuvor erläutert hatte, „mit Bauchschmerzen
                                                          Entscheidung des Gerichtes gewesen, er-         — aber damit es rechtskonform ist.“ Unver-
 Lenkungsausschuss                                        innerte Detlef Merchel, Vorsitzender der        ändert gültig seien im Übrigen die ersten

 erweitert                                                ÄKWL-Satzungsausschusses. Ärztliches
                                                          Berufsrecht, das eine ärztliche Hilfe zur
                                                                                                          Sätze des § 16 zum „Beistand für Sterben-
                                                                                                          de“ in der Berufsordnung, die ärztlichen
 Bei ihrer Sitzung am 27. November 2022 beschloss         Selbsttötung ausschließt, hätte jedoch das      Beistand unter Wahrung von Würde und
 die Kammerversammlung eine Änderung der Sat-             vom Bundesverfassungsgericht betonte            Achtung des Willens Sterbender einfordern.
 zung der Akademie für medizinische Fortbildung           Recht auf selbstbestimmtes Sterben
 der ÄKWL und der KVWL: Dem Lenkungsausschuss             eingeschränkt. Der Deutsche Ärztetag habe
 der Akademie gehören nun acht statt bisher sie-          ein solches Verbot deswegen aus § 16 der
 ben Ärzte an. Bei der anschließenden Wahl wurden         Musterberufsordnung gestrichen.
 Vorsitzender Univ.-Prof. Dr. Dr. Hugo Van Aken, stv.                                                      DEUTSCHER ÄRZTETAG
 Vorsitzender Univ.-Prof. Dr. Dr. Diethelm Tschöpe        Die Berufsordnung der ÄKWL enthielt
 und die Ausschussmitglieder Dr. Hans-Peter Pe-           bislang statt eines expliziten Verbots die       Delegierte für
 ters, PD Dr. Anton Gillessen und Michael Niesen im
 Amt bestätigt. Neu in das Gremium gewählt wurde
                                                          Bestimmung, dass Ärztinnen und Ärzte
                                                          keine Hilfe zur Selbsttötung leisten sollten.
                                                                                                           Bremen gewählt
 Prof. Dr. Andrea Tannapfel. Zwei weitere Ausschuss-      Die Kammerversammlung beschloss mit              Bei ihrer letzten Sitzung im Jahr 2021
 mitglieder werden von der KVWL benannt.                  wenigen Gegenstimmen, diesen Satz zu             wählte die Kammerversammlung die
                                                          streichen. Das geschehe, wie Detlef Merchel      Delegierten der Ärztekammer Westfalen-
                                                                                                           Lippe für den 126. Deutschen Ärztetag
                                                                                                           in Bremen:

           VERSORGUNG GEFÄHRDET                                                                            Fraktion „Marburger Bund“

           Kinder- und Jugendpsychiatrie
                                                                                                           Dr. Anne Bunte
                                                                                                           Prof. Dr. Peter Czeschinski

           in Bochum-Linden erhalten
                                                                                                           Dr. Joachim Dehnst
                                                                                                           René Uwe Forner
                                                                                                           Dr. Bernd Hanswille
           Die Kammerversammlung der Ärztekam-            zeigt hat, dass die Bedeutung der Kinder-        Dr. Ingolf Hosbach
           mer Westfalen-Lippe hat den Helios-            und Jugendpsychiatrie ständig gestiegen          Dr. Hans-Ulrich Schröder
           Konzern aufgefordert, die Kündigung des        ist. Von daher ist gerade eine Stärkung die-     Prof. Dr. Rüdiger Smektala
           Versorgungsauftrages der Klinik für Kin-       ses Gebietes erforderlich, nicht ihr Abbau.      Stefanie Oberfeld
           der- und Jugendpsychiatrie am Standort         Die umliegenden Kinder- und Jugendpsy-           Gönül Özcan-Detering
           Bochum-Linden zurückzunehmen und die           chiatrischen Kliniken sind keinesfalls in der
           qualitativ hochwertige Versorgung in der       Lage, die Versorgung in Bochum zu über-          Fraktion
           Kinder- und Jugendpsychiatrie dort fort-       nehmen, sie sind schon jetzt ausgelastet.“       „Initiative unabhängiger Fachärzte“
           zusetzen. Mit der angekündigten Aufga-                                                          Dr. Bernhard Bedorf
           be des Standortes zum Dezember 2022            Die Kammerversammlung kritisiert, dass           Dr. Heinrich Küpping
           stehen für die Versorgung dringend not-        für den Helios-Konzern ökonomische In-           Rüdiger Saßmannshausen
           wendige Betten und 150 hochqualifizierte       teressen wichtiger seien als die qualitativ
           Arbeitsplätze zur Disposition, so die Kritik   hochstehende Versorgung von Kindern und          Fraktion „Hausarztliste“
           der Kammerversammlung.                         Jugendlichen mit psychischen Problemen           Peter Schumpich
                                                          in Bochum. Die Versammlung fordert da-           Rolf Granseyer
           Sollte dieser Kündigungsbeschluss nicht        her, „sofort die psychische Gesundheit von       Bernd Balloff
           sofort zurückgenommen werden, sei die          Kindern und Jugendlichen in den Vorder-
           Versorgung in der Kinder- und Jugendpsy-       grund zu stellen und nicht das ökonomi-          Fraktion „Hartmannbund“
           chiatrie in Bochum nicht erst zum Jahres-      sche Interesse des Helios-Konzerns“.             Dr. Han Hendrik Oen
           ende 2022, sondern sofort gefährdet. Die
           Klinik werde qualifizierte Mitarbeiterinnen    Die Kündigung müsse daher umgehend               Fraktion „Arzt in Klinik und Praxis“
           und Mitarbeiter verlieren und schon in den     zurückgenommen werden. Falls dies nicht          Dr. Rainer Nierhoff
           nächsten Monaten ihren Versorgungsauf-         geschehe, müssten sofort zielgerichtete          Priv.-Doz. Dr. Anton Gillessen
           trag nicht mehr erfüllen können, befürch-      Verhandlungen mit der Stadt Bochum
           tet das westfälisch-lippische Ärzteparla-      und mit anderen potentiellen Klinikträgern       Fraktion
           ment.                                          geführt werden, um eine qualitativ hoch-         „Freie Fraktionsgemeinschaft“
                                                          wertige Versorgung in der Kinder- und            Georg Gärtner
           Kammerpräsident Dr. Hans-Albert Gehle:         Jugendpsychiatrie auch in der Großstadt          Stefan Spieren
           „Diese Schließung ist umso unverständli-       Bochum ohne jede Unterbrechung sicher-
           cher, als gerade die Corona-Pandemie ge-       zustellen.

01|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Titelthema 13

Koalitionsvertrag:
Auf die Umsetzung kommt es an
Kammerversammlung bezieht Stellung zu den Plänen der Berliner Ampelkoalition

D     ie Kammerversammlung der Ärztekam-
      mer Westfalen-Lippe hat sich bei ihrer
letzten Sitzung des Jahres 2021 mit dem
                                               tik. Die ambulante Bedarfs- und stationäre
                                               Krankenhausplanung sollen zu einer sek-
                                               torenübergreifenden Versorgungsplanung
                                                                                             mehr als enttäuschend. Zum Zeitpunkt der
                                                                                             Wiedervereinigung gab es in Deutschland
                                                                                             15 000 Medizin-Studienplätze, jetzt sind es
Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP      weiterentwickelt werden. Tatsächlich sind     noch knapp 10 000. In Westfalen-Lippe hat
„Mehr Fortschritt wagen — Bündnis für Frei-    die Versorgungsbrüche an den Sektoren-        die Hälfte aller jedes Jahr neu hinzukom-
heit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ be-    grenzen ein zentrales Problem unseres Ge-     menden Ärztinnen und Ärzte keinen deut-
schäftigt. Aus Sicht der Ärzteschaft enthält   sundheitssystems.                             schen Hochschulabschluss. Die fehlenden
er Licht und Schatten, bei vielen Punkten                                                    Studienplätze in der Medizin werden im
wird es auf die konkrete Umsetzung ankom-      2. Medizinstudium                             Koalitionsvertrag nicht einmal thematisiert.
men. Die Positionierung der Koalitionspart-                                                  Der Lösungsansatz der Koalitionspartner, die
ner erfordert auch eine Positionierung der     Ein anderes zentrales Problem — der ekla-     beschleunigte und vereinfachte „Gewinnung
Ärzteschaft: In einem Beschluss formulierte    tante Mangel an Ärztinnen und Ärzten in       von ausländischen Fachkräften und die An-
die Kammerversammlung deshalb ihre Posi-       der ambulanten und stationären Versorgung     erkennung von im Ausland erworbenen
tionen und bat den Vorstand und die Prä-       sowie im Öffentlichen Gesundheitsdienst       Berufsabschlüssen“ fördert einen unsoli-
sidenten, diese nachhaltig in die politische   — wird mit keinem Wort erwähnt. Das ist       darischen Brain-Drain aus Ländern, deren
Diskussion einzubringen. Das                                                                               Gesundheitssysteme einen
Westfälische Ärzteblatt doku-                                                                              noch größeren Personal-
mentiert die Standpunkte der                                                                               mangel haben als das reiche
Kammerversammlung:                                                                                         Deutschland. So werden sich
                                                                                                           die Probleme des Ärzteman-
„Vorab: Wie sehen die Koaliti-                                                                             gels nicht lösen lassen.
onspartner Ärztinnen und Ärz-
te, welche Rolle sollen sie in                                                                             3. Pflege (und Ärz-
einem künftigen Gesundheits-                                                                               tinnen und Ärzte?)
system spielen? Hierzu sagt
der Koalitionsvertrag leider                                                                               Ein Schwerpunkt des Ko-
wenig. Es gibt 64 Fundstellen                                                                              alitionsvertrages ist die not-
zur Pflege, von „Ärztinnen und                                                                             wendige Stärkung der Pflege.
Ärzte“ ist nur an einer Stelle                                                                             In der Corona-Krise haben
die Rede. Umso wichtiger ist                                                                               Pflegerinnen und Pfleger —
es, dass die Ärzteschaft sich                                                                              ebenso wie Ärztinnen und
nachhaltig einbringt, wenn                                                                                 Ärzte — Herausragendes ge-
zukünftig z. B. „multiprofes-                                                                              leistet. Der Koalitionsvertrag
sionelle, integrierte Gesund-                                                                              zielt auf sinnvolle Verbesse-
heits- und Notfallzentren“                                                                                 rungen der Arbeitsbedingun-
oder „Gesundheitskioske“ als                                                                               gen, zum Beispiel mit einer
„niedrigschwellige Beratungs-                                                                              Pflegepersonalregelung 2.0.
angebote … für Behandlung                                                                                  Neu geschaffen werden soll
und Prävention“ entstehen                                                                                  das Berufsbild einer Commu-
sollen.                                                                                                    nity Health Nurse. Gemeinde-
                                                                                                           schwestern sollen als Lotsen
1. Überwindung der                                                                                         im Gesundheitswesen wirken.
Sektorengrenzen                                                                                            Lotse im Gesundheitswesen?
                                                                                                           Das ist eine Kernkompetenz
Es geht stark los: Ganz an den                                                                             von Hausärztinnen und Haus-
Anfang des Kapitels „Pflege        Auf Abstand: Bereits zum vierten Mal kam die Kammerversammlung          ärzten!
und Gesundheit“ stellen die        im November in Münster nicht im Ärztehaus, sondern im Messe- und
Koalitionspartner das Ziel         Congress Centrum zusammen — die Halle Münsterland bot den nöti-         Es ist eine nette Geste, wenn
einer sektorenübergreifenden       gen Raum für die Präsenzsitzung, die unter 2Gplus-Regeln stattfand.     die Steuerfreiheit für den
Gesundheits- und Pflegepoli-                                                                               Pflegebonus auf 3000 Euro

                                                                                                               WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 01|22
14 Titelthema

        angehoben wird, aber eben nur eine Geste,        an integrierten Notfallzentren, wie sie der     Gegensatz zur an anderer Stelle im Koali-
        kein nachhaltiger Anreiz. Und im Übrigen:        bereits existierende Gesetzentwurf „Reform      tionsvertrag immer wieder eingeforderten
        Auch Ärztinnen und Ärzte haben in der Co-        der Notfallversorgung“ skizziert, bedroht die   besseren interprofessionellen Zusammen-
        rona-Krise Großartiges geleistet. Für sie sind   gewachsene Struktur der Portalpraxen in         arbeit steht die explizite Förderung hebam-
        keine Steuervorteile vorgesehen — wo bleibt      Westfalen-Lippe.                                mengeleiteter Kreißsäle — sind Ärztinnen
        da der vielbeschworene „Respekt“? Und was                                                        und Ärzte Störfaktoren im Kreißsaal?
        ist mit einer Personalregelung 2.0 auch für      7. Ambulante Versorgung
        Ärztinnen und Ärzte?                                                                             9. Weiterbildung
                                                         Ausdrücklich begrüßt die Ärzteschaft die
        4. Digitalisierung                               angedachte Aufhebung der Budgetierung           Wenn die Koalitionspartner die Mittel für
                                                         der ärztlichen Honorare im hausärztlichen       Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte in
        Deutschland hinkt bei der Digitalisierung        Bereich. Und wie sieht es mit den Honoraren     den DRGs nur noch den Kliniken zukommen
        hinterher, auch im Gesundheitswesen. Es          im fachärztlichen Bereich aus? Die Aufhe-       lassen wollen, die auch tatsächlich weiter-
        ist daher richtig, Digitalisierung im Ge-        bung der Budgetierung im hausärztlichen         bilden, klingt dies zunächst gut und sinnvoll.
        sundheitswesen als Ziel zu formulieren. Es       Bereich darf nicht zulasten des fachärzt-       Aber welche Mittel für Weiterbildung sind in
        bleibt aber zu hoffen, dass nach den bishe-      lichen Bereiches geschehen.                     den DRGs überhaupt kalkuliert? Die Kalku-
        rigen — eher bescheidenen — Erfahrungen                                                          lation der DRG setzt auf Tarifgehältern auf,
        mit gematik, eHBA, ePA, eAU zielführende         Zu kritisieren ist der geplante Verlust an      Zuschläge für Weiterbildung sind dort nicht
        Lösungsansätze gewählt werden. Telemedi-         Autonomie für die Selbstverwaltung, wenn        vorgesehen. Und wenn die Koalitionspartner
        zinische Leistungen inklusive Arznei-, Heil-     die Koalitionspartner „gemeinsam mit den        „das Konzept zur Fortentwicklung der Quali-
        und Hilfsmittelverordnungen, Videosprech-        Kassenärztlichen Vereinigungen Versorgung       fizierung von Ärztinnen und Ärzten [aktu-
        stunden, Telekonsile, Telemonitoring und         in unterversorgten Regionen“ sicherstellen      alisieren wollen], um auch medikamentöse
        telenotärztliche Versorgung — das klingt         wollen. Glaubt die höchste politische Ent-      Schwangerschaftsabbrüche leichter verfüg-
        vielversprechend und bedarf einer ausrei-        scheidungsebene — der Bund — wirklich,          bar zu machen“: das Konzept gibt es bereits,
        chenden Finanzierung.                            die kleinräumige Bedarfsplanung sachge-         es nennt sich „Weiterbildung“. Die Probleme
                                                         recht und kompetent umsetzen zu können?         beim medikamentösen Schwangerschafts-
        5. Öffentlicher                                  Und völlig widersprüchlich ist, wenn im         abbruch beruhen nicht auf einer fehlenden
        Gesundheitsdienst                                Koalitionsvertrag im Satz nach dem ange-        Qualifizierung.
                                                         strebten Abbau bürokratischer Hürden die
        Die Pandemie hat drastisch gezeigt, wie          Entscheidungen der Zulassungsausschüsse         10. Gesundheitsfinanzierung
        notwendig es ist, den ÖGD zu stärken. Jeder      unter Vorbehalt behördlicher Genehmigun-
        Ansatz in diese Richtung ist zu begrüßen,        gen gestellt werden.                            Positiv hervorzuheben sind im Koalitions-
        so etwa die im Koalitionsvertrag angespro-                                                       vertrag die Vorschläge zur Verbesserung
        chene Verlängerung der Einstellungsfristen       8. Stationäre Versorgung —                      der Finanzgrundlage der GKV aus Steuer-
        und die Klärung der Frage, welche Mittel         Krankenhaus                                     mitteln durch eine Dynamisierung des Bun-
        für einen dauerhaft funktionsfähigen ÖGD                                                         deszuschusses zur GKV sowie die höheren
        notwendig sind. Warum aber dann nur ein          Die negativen Auswirkungen eines auf            Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher
        „Appell für einen eigenständigen Tarifver-       Wettbewerb ausgerichteten Krankenhaus-          von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln.“
        trag“? An anderer Stelle werden die Ko-          Finanzierungssystems für Mitarbeiterin-
        alitionspartner beim Gehalt konkreter, und       nen und Mitarbeiter und insbesondere für
        Tarifpartner des ÖGD ist die Vereinigung der     Patientinnen und Patienten sind von der
        kommunalen Arbeitgeberverbände, also der         Ärzteschaft an vielen Stellen bereits the-
        Staat selbst. Und warum wird die Rolle der       matisiert worden. Die jetzt angekündigte
        Ärztinnen und Ärzte im ÖGD mit keinem            auskömmliche Finanzierung in den beson-
        Wort erwähnt?                                    ders betroffenen Bereichen Kinder- und
                                                         Jugendmedizin, Notfallversorgung und Ge-
        6. Reform der                                    burtshilfe und die Ergänzung der DRGs um
        Notfallversorgung                                Vorhaltepauschalen sind ein Schritt in die
                                                         richtige Richtung. Aber leider fehlt offenbar
        Ein Schritt in Richtung einer sektorenüber-      noch der politische Wille für einen „echten“
        greifenden Versorgung ist auch die sinnvolle     Ausstieg aus den DRGs. Eine auf Leistungs-
        Verschränkung der Rettungsleitstellen mit        gruppen basierende Krankenhausplanung
        den KV-Leitstellen und der Einsatz stan-         erinnert an die in Nordrhein-Westfalen an
        dardisierter Einschätzungssysteme. Er-           den Start gegangene Krankenhausplanung,
        fahrungen dazu in einem Modellprojekt in         an der die beiden nordrhein-westfälischen
        Ostwestfalen sind positiv. Auch die Entwick-     Ärztekammern konstruktiv mitgearbeitet
        lung eines Integrierten Leistungsbereiches       haben. Mit Besorgnis aber sieht die Ärzte-
        im SGB V kann den Rettungsdienst stär-           schaft, dass der Bund mindestens Teile der
        ken. Aber leider gilt auch: Das Festhalten       Krankenhausplanung an sich ziehen will. Im

01|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Informationsveranstaltung zur EVA für Ärzte/innen

                           Entlastende Versorgungsassistenten/innen (EVAs)
                       in der haus- und fachärztlichen ambulanten Versorgung
                  Delegation - Medizinische Versorgung im Team

                                                                                                                               ©anson — stock.adobe.com

Teilnahme in Präsenz oder online (Livestream):
Mittwoch, 9. Februar 2022, 16.00 —19.00 Uhr
Begrüßung                                                                                 Moderation:
Dr. med. Volker Schrage, Stellv. Vorstandsvorsitzender der KVWL, Dortmund                 Dr. med. Hans-Peter Peters, Vorsitzender des
                                                                                          Berufsbildungsausschusses und des Arbeits-
Professionsübergreifende Zusammenarbeit in der medizinischen Versorgung                   kreises „Medizinische Fachangestellte“ der
Dr. med. Johannes Albert Gehle, Präsident der ÄKWL, Münster                               ÄKWL, Bochum

                                                                                          Veranstaltungsort:
Delegation — Chancen für den Versorgungsalltag
Dr. med. Volker Schrage, Stellv. Vorstandsvorsitzender der KVWL, Dortmund                 Präsenz: Kassenärztliche Vereinigung
                                                                                          Westfalen-Lippe, Robert-Schimrigk-Str. 4–6,
Entscheidung, Haftung, Honorar — rechtliche Aspekte rund um die Delegation                44141 Dortmund
Prof. Dr. jur. Karsten Scholz, Leiter der Rechtsabteilung der Bundesärztekammer, Berlin   Livestream: Lernplattform ILIAS

                                                                                          Teilnehmergebühren:
Erfahrungsberichte eines hausärztlichen und eines fachärztlichen Praxisteams
                                                                                          kostenfrei
Praxis Dr. med. Olga Tubbesing, FÄ für Allgemeinmedizin, Wickede
Praxis Dr. med. Dirk Rauthmann, FA für Nervenheilkunde, Unna
                                                                                           Nutzen Sie den Online-Fortbildungs-
                                                                                           katalog oder die Fortbildungs-App der
EBM — Abrechnung                                                                           Akademie für medizinische Fortbildung
Brigitte Bethmann, Referat Abrechnungsfragen der KVWL, Dortmund                            der ÄKWL und der KVWL, um sich zu der
                                                                                           Veranstaltung anzumelden:
Qualifikation zur EVA im haus- und fachärztlichen Bereich                                  www.akademie-wl.de/katalog
                                                                                           www.akademie-wl.de/app
Elisabeth Borg, Leiterin Ressort Fortbildung der ÄKWL, Münster

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                                                                                           Präsenz:           Livestream:

       
       Auskunft und Anmeldung: Akademie für medizinische Fortbildung
       der ÄKWL und der KVWL, Postfach 40 67, 48022 Münster
       Ansprechpartner: Burkhard Brautmeier, Telefon: 0251 929-2207,
       Fax: 0251 929-27 2207, E-Mail: burkhard.brautmeier@aekwl.de                                    WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 01|22
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