Theaterfestival 19. Januar - 4. Februar 2018 thalia-theater.de - Thalia Theater

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Theaterfestival
19. Januar – 4. Februar 2018
thalia-theater.de
Um alles in der Welt
                               Lessingtage 2018
Wir widmen die Lessing­        „Von Athen lernen“ war das schöne, an die Ursprünge der       Thomas Ostermeier, Yael Ronen, Kornél Mundruczó,          ‘Learn from Athens’ is the
tage 2018 allen verfolgten     Demokratie erinnernde Motto der letzten ­documenta.           Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris, Jette Steckel,     beautiful motto for the
Künstlerinnen und Künst­       Für die neunten Lessingtage hat das Thalia Theater ein        Antú Romero Nunes, Ersan Mondtag, Christiane Jatahy,      documenta 14, harking
lern und Intellektuellen       ambitioniertes internationales Programm zusammen-             Marta Górnicka und Julien Gosselin. Letzteren möchten     back to the origins of de­
und erinnern daran, dass       gestellt – so politisch wie selten. Vielleicht blicken wir    wir Ihnen ganz besonders empfehlen – denn Sie wer-        mocracy. For the 9 th annual
viele von ihnen mit Arbeits­   in einigen Jahren ganz entspannt auf die aktuelle Lage,       den ihn noch nicht kennen. Er ist am Pariser Théâtre      Lessing Festival, Thalia has
verbot belegt werden, in       vielleicht ist sie aber auch Vorbote von Veränderungen,                                                                 put together an ambitious
                                                                                             de l’Odéon der un­be­strit­tene Star des zeit­genös­sischen
Haft sind oder im Exil leben   die die Mehrheit zwar nicht will, aber dennoch kommen         französischen Thea­ters. Mit ihm betritt eine andere, eineinternational programme,
müssen und nur noch unter      sieht und spürt – wir wissen es nicht. Ganz offenbar ist      junge Generation kraft­voll und radikal die Bühne Europas.which is as political as it is
persönlichem Risiko in der     die hohe Kunst der Demokratie in Gefahr. Künstler in                                                                    unusual. Perhaps in a few
Öffentl­ichkeit auftreten      ganz Europa reagieren hierauf und sind, ebenso wie            Schließlich Lessing: die Stadt Hamburg verleiht den       years time we will look
können.                        Journalisten, in vielen Ländern bedroht. Wir müssen uns       Lessing-Preis – bei Drucklegung war der Preisträger       back at the current politi­
                               dieser Realität stellen. Wenn in der Gesellschaft etwas       noch nicht bekannt. Und Jan Philipp Reemtsma wird         cal situation with no fear,
                               schief geht, gibt es selten nur einen Grund – so auch hier.   Lessings berühmten Streit mit dem Hamburger Pastor but perhaps we will also
                                                                                             Goeze vorstellen – ein früher Streit um fundamentale      look back at prohibitions
                               Die Eröffungsrede hält der türkische, zurzeit im deut-        Werte, der für Lessing mit einem Publikationsverbot       and changes that the ma­
                               schen Exil lebende Journalist und Autor Can Dündar.           und De-facto-Rauswurf aus Hamburg endete. Aus die- jority of people really don’t
                               Das Thalia hat Aufführungen und Künstlerinnen und             sem Konflikt entstand sein „Nathan“ – seinerseits Ideen­­ want and yet see coming
                               Künstler aus Griechen­land, Ungarn, Polen, Österreich         geber unserer „Langen Nacht der Weltreligionen“, die – we don’t know.
                               und Frankreich ein­ge­la­den. Ergänzt wird das Spektrum       sich dieses Jahr mit dem Verhältnis von Glauben und       What is obvious is that the
                               um zwei Berliner Aufführungen: eine „Winterreise“ mit         Demokratie beschäftigt.                                   high art of demo­cra­cy is in
                               dem Exil­Ensemble des Gorki-Theater und „Rückkehr                                                                       danger. Artists across Eu­
                               nach Reims“ von der Schaubühne Berlin. Didier Eribons         Nicht zuletzt stellt Navid Kermani während der Lessing­ rope are reacting to this
                               gleichnamiges Buch gilt als Schlüsselwerk zur Erklärung       tage gemeinsam u.a. mit Sigmar Gabriel sein neues Buch and in many countries
                               der derzeitigen gesellschaftspolitischen Phänomene.           „Entlang den Gräben. Eine Reise durch das östliche Eu- they find themselves un­
                               Gleichzeitig sind die Lessingtage immer auch eine Ge-         ropa bis nach Isfahan“ vor. Diese Reportagen aus Krisen­ der threat, alongside jour­
                               legenheit, einem internationalen Spektrum von Schau­          gebieten sind auch Ausgangspunkt für sein zehntes „Herz­ nalists. We must face this
                               spielerinnen und Schauspielern zu begegnen: in diesem         zentrum“, das während des Festivals uraufgeführt wird. reality.
                               Jahr Putzfrauen aus der Republik Moldau, Südafrika,
                               Bulgarien, Albanien und den Philippinen, die die Stadt
                               Athen sauber halten, in Deutschland lebenden syrischen,       Joachim Lux		           Julia Lochte
                               afghanischen und palästinensischen Exilanten, ferner
                               jungen Franzosen, die, wie selbstverständlich in einem
                               Europa ohne Grenzen aufgewachsen, auf der Suche
                               nach dem Europa sind, dessen Zukunft ihre Zukunft ist,
                               aber auch bekannten Größen der deutschen Theater-             Für dieses Heft haben wir wieder den Hamburger
                               landschaft wie Nina Hoss und J­ oachim Meyerhoff. Außer-      Zeichner Stefan Marx gebeten, sich einzumischen
                               dem präsentieren wir Ihnen prägende Regiehand-                mit Überzeichnungen zu Themen und Inhalten des
                               schriften des zeitgenössischen europäischen Thea­ters:        diesjährigen Festivals.

                                                                                                                          3
„Kein Mensch
                                    Eröffnungsrede

             © Ivo Mayr/CORRECTIV
                                                                muss müssen!“
                                                                Die Bedrohung der
                                                                Demokratie (in Europa)
                                                                Er­öff­nungs­rede
                                                                von Can Dündar
                                    Thalia Theater                 Derzeit werden in vielen Ländern Künstler und Journa­
                                    So 21. Januar 11 Uhr           listen verfolgt. Can Dündar ist einer der prominentesten
                                    Eintritt € 8/5                 im Exil lebenden Journalisten und Autoren und weltweit
                                                                   als leiden­schaftlicher Kämpfer für die Freiheit bekannt.
                                    In türkischer Sprache          Seit die Türkei immer autokratischer wird, be­steht er
                                    mit deutscher Simultan-        umso unerschrockener auf Rechtsstaatlichkeit und
                                    übersetzung                    Meinungsfreiheit. Er ist das Gesicht des kritischen Jour­­
                                    In Turkish with                nalismus in der Türkei und nutzt das Wort, um deutlicher
                                    simultaneous translation       denn je zu verteidigen, wofür er steht. Für die Idee der
                                    into German                    Freiheit hat er seine persönliche Frei­heit riskiert. Was
                                                                   wird aus diesem Land? Was kann man tun?
                                    Opening speech – Can
                                    Dündar is the face of criti­   Dündar war langjähriger Chefredakteur der regie­rungs­­­
                                    cal journalism in Turkey       kritischen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“. Erdoğan
                                    and uses his words, allo­      persönlich erstattete Strafanzeige gegen ihn wegen
                                    wing him to defend what        Unterstützung einer terroristischen Organisation,
                                    he stands for even more        for­­­der­te lebenslange Haft und möchte ihn via Interpol
                                    explicitly. For many years,    ver ­f olgen lassen.
                                    Dündar was Editor in Chief     Momentan lebt Dündar in Deutschland im Exil, ist Chef­­
                                    at dissident Turkish news­     redakteur der Internetplattform „ozguruz.org“ („Wir
                                    paper ‘Cumhuriyet’. Erdo­      sind frei“), Mitbegründer des journalistischen Netzwer-
                                    ğan personally brought        kes „Correctiv“ und schreibt für Die Zeit. Dündar war für
                                    charges against him, cal­      den diesjährigen Friedensnobelpreis nominiert, im ver­­­
                                    led for life imprisonment      gangenen Jahr erhielt er den Alternativen Nobelpreis.
                                    and wanted to track his
                                    move­ments via Interpol.       Im Rahmen der Veranstaltung sammelt das Thalia Thea­ter
                                    Dündar currently resides       für Can Dündars Netzwerk „Correctiv“ und unterstützt
                                    in Germany in exile. He is     so seinen Kampf für die Freiheit des Wortes. Denn: „Nur
                                    editor of the internet plat­   die Sache ist verloren, die man selbst aufgibt.“ (Lessing)
                                    form „ozguruz.org“ and
                                    co-founder of the journa­
                                    listic network ‘Correctiv’.

Can Dündar                                                         5
Performing Embassy
Produktion
Thalia Theater

                          of Hope
Uraufführung

                          Regie Gernot
                          Grünewald
Thalia Gaußstraße       Asyldebatten im Bundestag und das öffentliche Spre-
Fr 19. Januar 20 Uhr    chen über Menschen, die in Deutschland Schutz suchen,
Premiere                gipfeln mittlerweile in so absurden Forderungen wie
Eintritt € 28/15        der nach „Minuszuwanderung“. In welchem Land wollen
Do 25. Januar 20 Uhr    wir leben – und in welcher Demokratie? Was lösen die
Eintritt € 22/10        Geflüchteten als Katalysatoren in unserer Gesellschaft
                        aus? Und was bedeuten die zunehmend schärfer ge-
Am 25. Januar im An-    führten politischen Auseinandersetzungen für jene,
schluss: Maike Schiller über deren Schicksal verhandelt wird?
(Hamburger Abendblatt) In einer theatralen Versuchsanordnung verbindet
im Gespräch mit Gernot  „Per­­forming Embassy of Hope“ das politische Sprechen
Grünewald und Ensemble unserer gewählten Vertreter im Bundestag mit den
                        Lebensrealitäten derjenigen, die davon direkt betroffen
                        sind: den Besuchern des internationalen Cafés „Embassy
                        of Hope“, in dem seit November 2015 Geflüchtete mit
                        Theater­leuten und Bürgerinnen und Bürgern aus Altona
                        Deutsch lernen, Musik machen, neue Freundschaften
                        knüpfen.
                        Nach seinen Hamburger Projekten                  mit
                        minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten und der
                        Reise durch Deutschland „Atlas der Angst“ setzt der
                        Regisseur Gernot Grünewald seine Beschäftigung mit
                        Themen der Gegenwart am Thalia Theater fort.

                          In a theatrical experiment, ‘Performing Embassy of Hope’
                          brings together the political speeches delivered by our
                          elected representatives in the Bundestag with the every
                          day realities of those directly affected by their words:
                          the visitors to the international ‘Embassy of Hope’ café,
                          where, since November 2015, refugees, theatre folk and
                          Altona residents learn German, make music and build
                          new friendships.

                          7
Rückkehr nach Reims
Gastspiel

                                                                                        Foto Arno Declair
Schaubühne am

                             nach Didier Eribon
Lehniner Platz
Berlin

                             Regie Thomas
                             Ostermeier
Thalia Theater             „Ich bin mir sicher, dass man die Zustimmung zum Front
Sa 20. Januar 19.30 Uhr    National zumindest teilweise als eine Art politische
Eintritt € 74–15           Notwehr der unteren Schichten interpretieren muss.“
2 Stunden                  In einem Tonstudio spricht die Schauspielerin Kathrin,
                           gespielt von Nina Hoss, diesen Satz ein – vom Pult aus
Im Anschluss: Maike        gibt ein Regisseur ihr Anweisungen. Sie arbeiten an der
Schiller (Hamburger        Aufnahme für einen Dokumentarfilm, der im Hintergrund
Abendblatt) im Gespräch zu sehen ist: „Rückkehr nach Reims“. Es ist die Adaption
mit Thomas Ostermeier,     der biographischen Analyse des französischen Soziolo-
Nina Hoss und Carsten      gen Didier Eribon – des Bestsellers, der europaweit als
Brosda (Kultur senator)    Schlüssel für den Niedergang der klassischen Sozial-
                           demokratie gilt. Der Protagonist des Films ist der Autor
Ab 22.30 Uhr: im Nachtasyl selbst, Sohn eines Arbeiterhaushaltes. Er kehrt zurück,
Eröffnungsparty            um die blinden Flecken der gesellschaftlichen Gegen-
der Lessingtage mit        wart zu verstehen: die brutalen Exklusionsmechanismen
DJ Edgar Allan Oh          eines Bürgertums, die Realität einer Arbeiterklasse, die,
                           vergessen und ohne Repräsentation, den Rechtspopu-
Koproduktion mit dem       listen in die Arme rennt. Welche Rolle spielt die Ent-
Manchester International täuschung der Linken, die ihren historischen Auftrag
Festival MIF, HOME         verloren hat? Wie selbstverständlich ist das politische
Manchester und dem         Engagement der eigenen Generation? Darüber vermischt
Théâtre de la Ville Paris  sich in der Inszenierung Dokumentarisches mit Autobio-
                           graphischem. Nina Hoss erzählt von ihrem Vater, einem
Gastspiel gefördert von    engagierten Gewerkschaftler und Mitbegründer der
                           Grünen. Die Frage nach der eigenen gesellschaftlichen
                           Rolle zeigt: Es gibt keine einfachen Antworten.

 Edouard Louis’ „Das         An actress (Nina Hoss) sits in a studio, recording lines
 Ende von Eddy“, das         for a documentary film: an adaptation of Didier Eribon’s
 Didier Eribon gewid-        ‘Returning to Reims’ – a key work on the decline of
 met ist, wird am 20.1.      social democracy and the rise of right­wing parties.
 (17–18.10 Uhr) gezeigt.     It features a mixture of documentary and autobio­
 –› S.40 Die Autoren wa-     graphical material, as Hoss also tells the story of her
 ren Gäste bei „Theater      father, an active union man, and asks about the
 der Welt 2017“ im Thalia.   political responsibility of every generation.

                             8                                                                              9   Nina Hoss
Hymne an die Liebe/
                     Gastspiel

Foto Magda Hueckel
                     The Chorus of Women

                                                 Hymn do miłości/
                     Foundation & Teatr
                     Polski/Poznań

                                                 Hymn to Love
                                                 Konzept, Libretto und
                                                 Regie Marta Górnicka
                     Thalia Gaußstraße           „Hymne an die Liebe“ ist der dritte Teil des europäischen
                     So 21. Januar 17 & 20 Uhr    Triptychons „(M)OTHER COURAGE“ von Marta Górnicka,
                     Eintritt € 28/15             der polnischen Regisseurin und Meisterin eines neuen,
                     1 Stunde                     zeitgenössischen chorischen Theaters. Für sie ist die
                     Polnisch mit                 Stimme das machtvollste Instrument des Theaters. Die
                     deutschen Übertiteln         Aufführungen ihres vielköpfigen, singenden, schreien­
                     In Polish with               den, flüsternden Chorensembles dirigiert sie live vom
                     German surtitles             Zuschauerraum aus. In ihrem Libretto montiert sie die
                                                  brutale Sprache der heutigen Politik: die im Internet und
                     Im Anschluss an die          in der öffentlichen Rede um sich greifende Sprache des
                     20-Uhr-Vorstellung:          Hasses. Górnicka zitiert Erklärungen von Politikern sowie
                     Catarina Felixmüller         Aussagen von Fundamentalisten und Terroristen und
                     (freie Journalistin)         konfrontiert sie mit Popsongs und patriotischen Liedern,
                     im Gespräch mit              Hymnen und Märschen, Volksliedern und Gebetstexten.
                     Marta Górnicka               Um am Ende die Frage zu stellen, in welche Richtung
                                                  sich europäische Demokratien mit einem derart zusam­
                     Koproduktion                 menfügten Lied bewegen.
                     mit dem Maxim Gorki
                     Theater Berlin und dem      Polish director Marta Górnicka is the doyenne of a new,
                     Ringlokschuppen Ruhr        contemporary, choral style of theatre. She conducts her
                                                 large singing, screaming, whispering choir ensemble live
                                                 from the auditorium. ‘Hymn to Love’ gathers up the
                                                 escalating online and public hate speech and combats
                                                 it with pop songs, hymns and fairy tales, folk songs and
                                                 prayers. It’s a play about a Europe that sings such songs.

                                                 11
Michael Kohlhaas
Produktion
Thalia Theater

                          nach Heinrich
Premiere

                          von Kleist Regie
                          Antú Romero Nunes
Thalia Theater            Man kennt die Geschichte: der Rosshändler Michael
So 21. Januar 19 Uhr      Kohlhaas befindet sich mit seinen Pferden auf der
Premiere                  Durch­reise, kommt an eine Grenze und soll – was bis-
Eintritt € 74 – 15        lang nie der Fall war – einen Passierschein lösen. Ist
Sa 27. Januar 19.30 Uhr   das pure Schikane? Man einigt sich jedenfalls darauf,
Eintritt € 52 – 10        dass er zwei Pferde als Pfand zurücklässt und den
                          Passierschein in der Stadt, die das Ziel der Reise ist,
Am 21. Januar             nachlöst. Als er auf der Rückreise die Pferde abholen
im Anschluss:             will, findet er sie halb verhungert. Damit beginnt eine
Premieren­f eier          höchst verwickelte Geschichte, in der aus einem Grenz­
im Mittelrangfoyer        vorfall ein Rechtsstreit wird, der zu einer unglaublichen
/ Nachtasyl               Eskalation von Gewalt führt. In was hat sich Kohlhaas da
                          hineingeritten, und wie konnte er sich so vergaloppieren?
Am 27. Januar im          Ist er ein passionierter Querulant, der ein korruptes
Anschluss: Iris Radisch   System bekämpft, wo Willkür und Vetternwirtschaft
(Die Zeit) im Gespräch    statt Recht und Ordnung das Prinzip sind? Ist Kohlhaas
mit Antú Romero Nunes     ein Rebell?
und Ensemble              Antú Nunes sagt: „Die Welt ist kompliziert und Kohlhaas
                          geht dagegen an. Er wehrt sich und bringt die Ordnung
                          ins Wanken. Um Recht zu bekommen, begeht er Unrecht.
                          Kohlhaas geht seinen Weg, verliert alles und findet sich
                          selbst. Er scheitert und er gewinnt. Beides! Das ist der
                          Witz an der Sache.“

                          Horse trader Michael Kohlhaas arrives at a border and is
                          asked to provide transit papers. It is agreed that he will
                          leave behind two horses as a deposit. When he tries to
                          collect the horses on his way back he finds them half
                          starved. This is the start of an extremely intricate story,
                          in which a border dispute prompts a legal battle, which
                          leads to an unbelievable escalation of violence. Narrating,
                          acting, commenting, exploiting theatrical techniques;
                          director in residence Antú Romero Nunes stages Kleist’s
                          classic German street ballad as a story of “the most
                          righteous and abominable people of their time.”

                          12
Clean City
                                                                          Gastspiel

                                              Foto Christina Georgiadou
                                                                          Onassis Cultural

                                                                                                      von Anestis Azas und
                                                                          Centre – Athens

                                                                                                      Prodromos Tsinikoris
                                                                          Thalia Gaußstraße          Athen, 2011: Nachdem drei Afghanen einen Griechen
                                                                          Di 23. Januar 20 Uhr       überfallen und umgebracht hatten, zog wochenlang
                                                                          Mi 24. Januar 20 Uhr       ein paramilitärischer Mob durch die Straßen und machte
                                                                          Eintritt € 28/15           Jagd auf alle, die anders aussahen. Nikolaos Michaloliakos,
                                                                          1 Stunde 15 Minuten        Chef der rechtsextremen Partei Chrysi Avgi (Goldene
                                                                          Griechisch mit             Morgenröte), ließ verlauten, er wolle Griechenland von
                                                                          deutschen Übertiteln       den Migranten säubern. Und fügt hinzu, wenn es not-
                                                                          In Greek with              wendig sei „werden wir keine Demokraten sein“. Diese
                                                                          German surtitles           Rhetorik drehen die griechischen Regisseure Anestis
                                                                                                     Azas und Prodromos Tsinikoris um und formulieren die
                                                                          Am 24. Januar              Gegenfrage: Wer macht in diesem Land eigentlich Tag
                                                                          im Anschluss:              für Tag sauber? So entstand die Idee zu „Clean City“. Auf
                                                                          Catarina Felixmüller       der Bühne stehen fünf in Athen lebende Putzfrauen:
                                                                          (freie Journalistin)       eine Bulgarin, eine Philippinin, eine Albanerin, eine
                                                                          im Gespräch mit            Südafrikanerin und eine Moldawierin. „Wir sind die
                                                                          Anestis Azas,              United Colours of Griechenland“ – stellen sie sich zu
                                                                          Prodromos Tsinikoris       Beginn des Abends vor. Azas und Tsinikoris sammelten
                                                                          und Ensemble               wochenlang die Lebensgeschichten der fünf Frauen
                                                                                                     und komprimierten das Material zu einem großartigen
                                                                          Koproduktion von Onassis und aufsehenerregenden Gegenwartsstück über
                                                                          Cultural Centre – Athens   Globalisierung und Heimat, Sehnsucht und Familie,
                                                                          mit dem Goethe Institut    die Demütigung der Migration, das Verschwinden der
                                                                          im Rahmen von „Europoly“ Mittelklasse und die Träume, die Europa noch immer
                                                                          – ein Projekt der europäi- für so viele birgt. Seit seiner Uraufführung 2016 tourt
                                                                          schen Goethe Institute In „Clean City“ mit großem Erfolg durch ganz Europa.
                                                                          Kooperation mit Onassis
                                                                          Cultural Centre – Athens, In 2011, Greek right­wing extremist party Chrysi Avgi
                                                                          Sirenos – Vilnius Interna- (Golden Dawn) announced they wanted to clean the
                                                                          tional Theatre Festival,   streets of immigrants. Directors Anestis Azas and Pro­
                                                                          Teatro Maria Matos Lisbon, dromos Tsinikoris ask the opposite question: who is
                                                                          Münchner Kammerspiele actually keeping Greece clean on a daily basis? This is
                                                                          und Tiger Dublin Fringe    the inspiration for ‘Clean City’. We see five cleaning
                                                                                                     ladies standing on the stage, all of whom live in Athens.
                                                                                                     Their life stories make for a spectacular contemporary play
                                                                                                     about globalisation, homeland and the European dream.

                                                                                                      15
Rositsa Pandalieva, Drita Shehi, Valentina
Ursache, Mabel Mosana, Fredalyn Resureccion
1993
Gastspiel

                                                                                       Foto Jean Louis Fernandez
Théâtre ­National

                            von Aurélien Bellanger
de Strasbourg
Deutschlandpremiere

                            Regie Julien Gosselin
Thalia Theater              Die heutige Jugend Europas, Mittzwanziger des Ge-
Mi 24. Januar 19.30 Uhr     burtsjahrs 1993, sucht nach Orientierung. Was bedeutet
Do 25. Januar 19.30 Uhr     es, in einem Europa ohne Grenzen geboren zu sein?
Eintritt € 52–10            Nach dem Fall der Berliner Mauer – einem Versprechen
1 Stunde 45 Minuten         von Freiheit und Einheit, das heute mehr als in Frage
Französisch mit             steht? Zwei Errungenschaften modernen Ingenieur-
deutschen Übertiteln        wesens stehen im Zentrum: Der Teilchenbeschleuniger
In French with              des Kernforschungszentrums CERN und der Eurotunnel
German surtitles            zwischen Folkestone und Coquelles. Von Symbolen des
                            Aufbaus eines friedlichen und freien Europas sind sie
Am 25. Januar               zu Symbolen scheinbar unlösbarer Pro­bleme geworden.
im Anschluss: Hanna         Der Eurotunnel wird für die illegale Einreise nach Groß­
Klimpe (Autorin und         britannien benutzt, neben Coquelles lag der „Dschungel
Journalistin) im Gespräch   von Calais“, mit seinen Tausenden Geflüchteten. „1993“
mit Julien Gosselin und     erzählt von der Wut, der Vision und dem Abgleiten einer
Ensemble                    Generation, ästhetisch ebenso konsequent wie radikal.
                            Bilder mit enormer suggestiver Kraft treffen auf Texte
Koproduktion mit dem        zwischen Essay, Manifest und reiner Poesie.
Festival de Marseille
                            Julien Gosselin ist das vielleicht wichtigste Talent des
                            zeit­genössischen Theaters in Frankreich. Seine Arbeiten
                            sind u.a. in Avignon, Paris und Brüssel zu sehen. Am
                            Théâtre National de Strasbourg (TNS) ist er artiste
                            associé. Dort entstand „1993“ als Stückentwicklung
                            zusammen mit dem Autor Aurélien Bellanger und
                            zwölf jungen Schauspieler­innen und Schauspielern
                            der Groupe 43, ausgebildet an der Schauspielschule
                            des TNS. „1993“ wird während der Lessingtage erst-
                            mals in Deutschland gezeigt.

                            Today’s young Europeans, those in their mid-twenties
                            born in 1993, are finding their way. What does it mean
                            to be born in a Europe without borders? After the fall
                            of the Berlin Wall, and following a promise of freedom
                            and unity that seems to be crumbling today? “1993” en­
                            capsulates the rage, vision and sliding of a generation
                            that is aesthetically as resolute as it is radical.

                            16                                                                                     17   Marianne Deshayes, Roberto Jean
Entlang den Gräben.
                                        Buchpremiere

                Foto Nazik Armenakyan
                                        Navid Kermani

                                                                    Eine Reise durch
                                                                    das östliche Europa
                                                                    bis nach Isfahan
                                                                    von Navid Kermani
                                        Thalia Theater              Ein immer noch fremd anmutendes, von Kriegen und
                                        Fr 26. Januar 20 Uhr        Katastrophen zerklüftetes Gebiet beginnt östlich von
                                        Eintritt € 18–9/erm. € 10   Deutschland und erstreckt sich über Russland bis zum
                                                                    Orient. Navid Kermani ist entlang den Gräben gereist,
                                        Lesung, Gespräch und        die sich gegenwärtig in Europa neu auftun: von seiner
                                        Musik mit Navid Kermani, Heimatstadt Köln nach Osten bis ins Baltikum und von
                                        Politiker Sigmar Gabriel,   dort südlich über den Kaukasus bis nach Isfahan, der
                                        dem Schauspieler Seba-      Heimat seiner Eltern. Mit untrüglichem Gespür für spre-
                                        stian Rudolph und der       chende Details erzählt er in seinem Reisetagebuch von
                                        ukrainischen Komponistin vergessenen Regionen, in denen auch heute Geschichte
                                        und Sängerin Mariana        gemacht wird, und von Menschen, deren Geschichten
                                        Sadovska. Moderation        wahr sind und sich doch widersprechen.
                                        Lothar Gorris (Der Spiegel) „Das Beispiel von Navid Kermani zeigt, wie vorausset­
                                                                    zungsreich eine Autorschaft gemacht sein muss, wie
                                                                    vielfach gebrochen, marginalisiert, davon betrübt und
                                        gefördert von               zugleich euphorisiert, wie sehr, bei aller Kritik, welt­
                                                                    begeistert sie sein muss, dass sie sich die Rolle des
                                                                    politischen Schriftstellers, die auch besonders schön
                                                                    leuchtet, zutrauen darf.“ Rainald Goetz

                                                                    Navid Kermani erhielt für seine Romane, Essays und
                                                                    Reportagen zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den
                                                                    Kleist-Preis, den Joseph-Breitbach-Preis sowie den
                                                                    Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

                                                                    A strange­seeming area, weathered by wars and catastro­
                                                                    phes, begins East of Germany and stretches out across
                                                                    Russia over to the Orient. Navid Kermani has travelled
                                                                    along the ditches currently being rediscovered in Europe:
                                                                    from his hometown of Cologne to Esfahan, his parents’
                                                                    homeland.

Navid Kermani                                                       19
Herzzentrum X
Leseperformance

                                                                                       Foto Christina Bellingen
Produktion

                            Ausnahmezustand.
Thalia Theater
Uraufführung

                            Über die Kriegs- und
                            Krisengebiete unserer
                            Welt von und mit
                            Navid Kermani
Erstaufnahme                Für seine Romane und Erzählungen vielfach ausgezeich-
Hellmesbergerweg 23         net, genießt Navid Kermani zugleich als Berichterstatter
Sa 27. Januar 19 Uhr        aus den Kriegs- und Krisengebieten hohes Ansehen.
Eintritt € 25/10            In seinem neuen Buch „Entlang den Gräben. Eine Reise
inkl. Busfahrt              durch das östliche Europa bis nach Isfahan“ (–› S. 19)
                            richtet er den Blick auf Osteuropa, den Kaukasus und
Vom U-Bahnhof Meien-        den Orient. Grund genug für das Thalia Theater, die
dorfer Weg (U1) ist ab      literarischen Reportagen Kermanis – das neue Buch, aber
18.15 Uhr ein regelmä-      auch ältere Texte – als inzwischen zehntes „Herzzent-
ßiger Busshuttle zum        rum“ aufzuführen, um eine Welt im Ausnahmezustand
Veranstaltungsort einge-    zu bedenken, zu beleuchten und ans eigene Gemüt
richtet. Alternativ fährt   heranzulassen.
Bus 24 bis Skaldenweg
(6 Min.), unmittelbar vor   Ursprünglich als einmalige Performance aus Anlass von
den Veranstaltungsort.      Navid Kermanis monumentalen Roman „Dein Name“ ge-
Parkmöglichkeiten           dacht, hat sich das Format zu einer Herzensangelegenheit
sind vorhanden.             unseres Ensembles wie auch des Publikums ent wickelt.
                            Das „Herzzentrum“ ermöglicht eine einzigartige, jedes-
In Kooperation mit dem      mal neue Begegnung zwischen Zuschauern und einem
Deutschen Schauspiel-       literarischen Text, zwischen einem Autor und dem, was
haus Hamburg                jedem einzelnen Schauspieler jetzt wichtig ist. Nach-
                            dem wir bereits auf einem Riesenrad, in einer Moschee
 30 Schauspielerinnen       und in einem Eroscenter gastierten, wird das Herzzen-
 und Schauspieler und       trum X in der Erstaufnahme Hellmesberger weg statt-
 Expertinnen und Ex-        finden, die im Krisenfall bis zu sechshundert Geflüch-
 perten lesen, debat-       tete aufnehmen kann.
 tieren und performen
                            In his new book, ‘Along the Ditches’ Kermani focuses
                            on Eastern Europe, the Caucasus and the Orient. The
gefördert von               ‘Heart Centre’ enables unique, ever­new encounters
                            between the audience and literary texts. The event
                            takes place at a refugee accommodation.

                            20
Winterreise ‫ﺭﺣﻠﺔ ﺍﻟﺸﺘﺎﺀ‬
                          Gastspiel

     Foto Esra Rotthoff
                          Maxim Gorki Theater

                                                      von Yael Ronen
                          Berlin

                                                      & Exil Ensemble
                                                      Regie Yael Ronen
                          Thalia Gaußstraße          Eine Expedition in das unbekannte Gelände der neuen
                          Sa 27. Januar 20 Uhr       Heimat, ein theatrales Roadmovie: Januar 2017. Das neu
                          So 28. Januar 19 Uhr       gegründete Exil Ensemble des Gorki – bestehend aus
                          Eintritt € 28/15           professionellen Neuberliner Schauspielern und Schau-
                          2 Stunden                  spielerinnen aus Afghanistan, Syrien und Palästina –
                          Englisch, Arabisch,        unternimmt eine zweiwöchige Bustour durch das
                          Deutsch mit englischen,    winterliche Deutschland, mit einem Abstecher in die
                          arabischen und deut-       Schweiz. Eine Odyssee, die sie über verschiedene Grenzen
                          schen Übertiteln           geführt hat, haben sie alle hinter sich. Jetzt führt sie
                          In English, Arabic and     die Rundreise von Dresden, wo sie von ihrem Hotel-
                          German with English,       fenster aus die befremdlichen Schilder der Pegidisten
                          Arabic and German          analysieren, bis nach Hamburg. Welchen Blick werfen
                          surtitles                  Ayham Majid Agha, Maryam Abu Khaled, Hussein Al Shat-
                                                     heli, Karim Daoud, Tahera Hashemi, Mazen Aljubbeh, Ken-
                          Am 28. Januar              da Hmeidan und Yael Ronen auf dieses Exil-Land? Und
                          im Anschluss:              wie blickt Deutschland zurück?
                          Catarina Felixmüller       Yael Ronen, 1976 in Jerusalem geboren und heute in
                          (freie Journalistin)       Berlin lebend, ist Hausregisseurin des Gorki Theater und
                          im Gespräch mit            wurde für ihre Produktionen vielfach ausgezeichnet.
                          dem Exil Ensemble          Im Rahmen des Festivals „Theater der Welt 2017“ in
                                                     Hamburg erhielt sie den Preis des Internationalen
                          Koproduktion mit dem       Theater Instituts (ITI). Nach „Common Ground“ und
                          Schauspielhaus Zürich,     „The Situation“, die bei den Lessingtagen zu Gast waren,
                          gefördert aus Mitteln der setzt sie mit „Winterreise             “ ihre Auseinander-
                          Kulturstiftung des Bun-    setzung mit politisch brisanten Themen fort und beweist
                          des Deutschland, der       erneut, dass Ernsthaftigkeit und Humor keine Wider-
                          Lotto-Stiftung Berlin, der sprüche sind.
                          Stiftung Mercator, sowie
                          durch den Lotteriefonds An expedition across the unknown terrain of a new home­
                          des Kanton Zürichs         land, a theatrical road movie: January 2017. The newly
                                                     founded Gorki Theatre Exil Ensemble – made up of pro­
                          Gastspiel gefördert von    fessionals, new Berlin citizens, who have arrived from
                                                     Afghanistan, Syria and Palestine – are undertaking a two­
                                                     week bus tour through wintery Germany. How do they
                                                     view this land of exile? And how does Germany look
                                                     back at them?

22                        Foto Sofie Silbermann      23
Lessing-Preis 2017
Preisverleihung

                         „Ein Vergnügen erwarten ist auch ein Vergnügen.“
                         Gotthold Ephraim Lessing

Thalia Theater           Der mit 10.000 Euro dotierte Lessing-Preis der Freien
So 28. Januar 11 Uhr     und Hansestadt Hamburg ist einer der ältesten und
Eintritt frei            renommiertesten deutschen Kulturpreise. 1929 wurde
Zählkarten ab sofort     er zum ersten Mal anlässlich des 200. Geburtstages von
                         Gotthold Ephraim Lessing verliehen. Seitdem geht er
Eine Veranstaltung der   alle vier Jahre an bedeutende publizierende Persönlich­
Behörde für Kultur und   keiten. Zu den bisherigen Preisträgern gehören u.a. Hans
Medien Hamburg in Zu-    Henny Jahnn, ­Walter Jens, Hannah Arendt, Max Horkhei­
sammenarbeit mit dem     mer, Jan Philipp Reemtsma und zuletzt der Historiker
Thalia Theater           ­Wolfgang Schivelbusch. Zusätzlich vergibt der Senat das
                          mit 5.000 Euro dotierte Stipendium des Lessing-Preises
                         an herausragende Nachwuchsautorinnen und -autoren,
                          zuletzt an Finn-Ole Heinrich. Die Jury, diesmal zusammen­
                          gesetzt aus Prof. Dr. Claudia Benthien (Universität Ham­
                          burg), Dr. Martin Doerry (Der Spiegel), Sandra Küpper
                          (Thalia Theater), Prof. Dr. Rainer Moritz (Literaturhaus
                          Hamburg) und Marie Schmidt (Die Zeit), entscheidet
                          Ende November über die diesjährigen Preisträger.
                          Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, wird
                          die Preise während der Lessingtage im Thalia Theater
                          verleihen.

                         The City of Hamburg’s Lessing Prize is one of the most
                         prestigious awards in German culture. It was first
                         awarded in 1929 to mark Gotthold Ephraim Lessing’s
                         200th birth­day. Since then it has been handed out every
                         four years to eminent figures in publishing. The winner
                         will be decided by jury vote at the end of November.

                         24
Das achte Leben                                                                             Wut/Rage
Produktion                                                                                  Produktion
Thalia Theater                                                                              Thalia Theater

                            (Für Brilka)                                                                                von Elfriede Jelinek/
                                                                                            Wiederaufnahme

                            von Nino Haratischwili                                                                      Simon Stephens Regie
                            Regie Jette Steckel                                                                         Sebastian Nübling
Thalia Theater              „Führerkulte und patriotische Programme, Ausgren­               Thalia Gaußstraße          In ihrem nach wie vor hochaktuellen Stück „Wut“ hört
So 28. Januar 17 Uhr        zungspolitik und Herzlosigkeit sind überall auf dem             Mo 29. Januar 20 Uhr       Elfriede Jelinek hinein in den kollektiven Bewusstseins­
Eintritt € 38 –7,50         Vormarsch, wo man einst stolz war auf eine liberale und         Eintritt € 22/10           strom einer europäischen Gegenwart. Einer Gegenwart,
4 Stunden 50 Minuten        tolerante Verfassung. Deswegen lohnt es sich sehr,              2 Stunden                  in der sich Hass in tödlichen Anschlägen Bahn bricht,
                            einmal auf die Geschichte von Menschen zu schauen,                                         populistische Strömungen ressentimentgeladen oder
Im Anschluss:               die das Dilemma in autoritären Staaten, keine freie             Im Anschluss: Julia Lochte offen rassistisch auf die Straße drängen oder als eben­
Julia Lochte (Drama­        Entscheidung fällen zu können, ein Leben lang ertra­            (Dramaturgin) im Ge-       so europaskeptische wie fremdenfeindliche Parteien
turgin) im Gespräch mit     gen mussten.“ Till Briegleb, Süddeutsche Zeitung                spräch mit Sebastian       auf Stimmenfang gehen und in Parlamente einziehen.
Nino Haratischwili, Jette                                                                   Nübling und Ensemble       Es ist eine vielstimmige Wut-Partitur: Die selbstherrliche
Steckel und Ensemble        Georgien, 1900: Mit der Geburt Stasias, Tochter eines                                      Wut islamistischer Terroristen ist zu hören, wie auch die
                            angesehenen Schokoladenfabrikanten, beginnt eine                                           stille Wut derer, denen die Anschläge gelten, die lauten
                            über sechs Generationen bis in die Gegenwart erzählte                                      Stimmen der deutschen Wut-Bürger und die der rechten
                            Familiensaga. Deutschland/Georgien, 2005: Nach der                                         Demagogen allerorten, denen Sprache zu Hetze wird und
                            Auflösung der UdSSR herrscht in Georgien Bürgerkrieg.                                      die Wut nähren, indem sie die Ängste schüren, die sie
                            Niza, Stasias Urenkelin, ist nach Berlin ausgewandert.                                     vermeintlich nur „ernst nehmen“. Der englische Drama­
                            Als sich ihre zwölfjährige Nichte Brilka nach einer Reise                                  tiker Simon Stephens, einer der bedeutendsten zeit-
                            in den Westen weigert, nach Tbilissi zurück­zukehren,                                      genössischen Autoren, hat mit „Rage“ eine Art Echo auf
                            spürt Niza sie auf. Sie erzählt Brilka die ganze Familien­                                 Jelinek geschrieben. Ausgehend von einer Bilderserie
                            ge­schich­te. Haratischwili schildert den Aufstieg und                                     des Fotografen Joel Goodman, die Szenen der Silvester­
                            Fall des Kommunismus von der vorrevolutionären Zeit                                        nacht an einer zentralen Kreuzung in Manchester zeigt,
                            bis ins Nachwende-Europa aus der Perspektive einer ge-                                     erzählt „Rage“ in szenischen Snapshots vom enthemmten,
                            orgischen Familie, die ebenso ver­strickt wie im Wider­                                    haltlosen Taumeln in das Neue Jahr.
                            streit ist mit den Totalitarismen, Tragödien und Um-
                            brüchen dieses gottverlassenen 20. Jahrhunderts.                                            Die kraftvoll das aktuelle Un­behagen dokumentierende
                                                                                                                        Inszenierung kommt im Rahmen der Lessingtage erst-
                            „Leadership cults and policies of exclusion are gaining                                     mals im Thalia Gaußstraße zur Aufführung.
                            ground in all sorts of places that were once proud bas­
                            tions of liberal and tolerant values. That’s why it’s ex­                                   In her very topical piece, ‘Rage’, Elfriede Jelinek has her
                            tremely worthwhile to look at the history of people who                                     ear up against the collective stream of consciousness of
                            have lived in authoritarian states and have had to deal                                     today’s Europe. A society, in which hate has triggered
                            with the predicament of being unable to make any free                                       fatal attacks and populist, resentful and openly racist
                            decisions for their entire lives.“ (SZ) Haratischwili depicts                               tendencies spill out onto the streets or translate to votes
                            the rise and fall of communism up until post European                                       for Eurosceptic and xenophobic parties and move them
                            re­unification, from the perspective of a Georgian family,                                  into Parliament. English dramatist Simon Stephens, has
                            who are ensnared by – and in conflict with – the totalita­                                  written a kind of echo to Jelinek in his piece.
                            rianism and impositions of the godforsaken 20th century.

                            26                                                                                          27
Imitation of Life
                                                                   Gastspiel

                               Foto Proton Theatre / Marcell Rév
                                                                   Proton Theatre

                                                                                               (Látszatélet)
                                                                   Budapest

                                                                                               Regie Kornél
                                                                                               Mundruczó
                                                                   Thalia Theater               In seiner europaweit gefeierten Arbeit „Imitation of
                                                                   Di 30. Januar 19.30 Uhr      Life“ entwirft Kornél Mundruczó mit lakonischer Direkt-
                                                                   Eintritt € 52 – 10           heit eine politische Studie über Identitäten und Reali-
                                                                   1 Stunde 30 Minuten          täten in einem zunehmend extremistischen Europa.
                                                                   Ungarisch, mit deutschen     Das Stück basiert auf einem realen Fall in Ungarn: Ein
                                                                   und englischen Übertiteln    junger Mann attackiert einen Jugendlichen mit einem
                                                                   In Hungarian with English    Schwert, beide sind Roma, wie sich allerdings erst später
                                                                   and German surtitles         herausstellt. Mundruczó macht sich in seinem Stück
                                                                                                auf die Suche nach einer möglichen Lebensgeschichte
                                                                   Im Anschluss:                des Täters. An den Beginn stellt er eine Filmszene: An-
                                                                   Tilo Werner im Gespräch      gesichts der Zwangsräumung ihrer Wohnung erzählt
                                                                   mit dem Ensemble             eine Romni ihre Geschichte von Gewalt, Herkunft, Aus-
                                                                                                grenzung, Hass. Und von ihrem Sohn, der die Familie
                                                                   Koproduktion der Wiener verleugnete und verließ, um sich neu zu erfinden. Dann
                                                                   Festwochen, des Theater wird die Leinwand hochgezogen und wir blicken in die
                                                                   Oberhausen, La Rose des verwahrloste Wohnung. Unerbittlich setzt sich der un-
                                                                   Vents Lille Maillon, Théâtre vermeidbare Lauf der Dinge wortwörtlich in Bewegung:
                                                                   de Strasbourg – Scène        Der Bühnenraum dreht sich einmal um 360°: Zurück
                                                                   européenne, Trafó House bleibt nach dieser minutenlangen, gespenstischen
                                                                   of Contemporary Arts         Szene ein Trümmerhaufen. Ein verstörend starkes Bild
                                                                   Budapest, HAU Hebbel         für eine Welt, der jegliche Orientierungspunkte ab-
                                                                   am Ufer Berlin, Hellerau – handengekommen sind.
                                                                   Europäisches Zentrum         Der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó hat am
                                                                   der Künste Dresden,          Thalia zuletzt „Die Weber“ inszeniert. Sein jüngster
                                                                   Wiesbaden Biennale           Film „Jupiter’s Moon“ lief 2017 in Cannes. Derzeit
                                                                                                dreht er seinen ersten Film in Hollywood.

                                                                                               In this piece, which has enjoyed success all over Europe,
                                                                    Nominiert für              Kornél Mundruczó develops a political study in an increa­
                                                                    den Theaterpreis           singly extremist Europe – all done in his own laconic,
                                                                    „Der Faust 2017“           direct style. The play is based on a real case from Hun­
                                                                                               gary: a young man attacked another young person with
                                                                                               a sword, both of them from the Roma community. Imita­
                                                                                               tion of Life searches for the story behind the story. It
                                                                                               leaves us with unsettlingly power ful images of a world
                                                                                               in which all points of reference have gone astray.

Dáriusz Kozma, Zsombor Jéger                                                                   29
„Lieber Herr Pastor,                                                                      In der Einsamkeit
Lesung                                                                                      Produktion
Jens Harzer und                                                                             Thalia Theater

                         poltern Sie doch                                                                          der Baumwollfelder
Jan Philipp Reemtsma

                         nicht so in den Tag                                                                       von Bernard-Marie
                         hin: ich bitte Sie!“                                                                      Koltès Regie Christiane
                         Lessings Kontroverse mit dem Hamburger                                                    Jatahy
                         Haupt­pastor Goeze

                                                                                            Thalia Gaußstraße      Es ist ein Spiel. Ein Verkäufer macht einem Kunden ein
Thalia Mittelrangfoyer   Gotthold Ephraim Lessing, einer der wichtigsten Köpfe              Mi 31. Januar 20 Uhr   Angebot, um hiermit vor allem eines herauszufordern:
Mi 31. Januar 19 Uhr     der deutschen Aufklärung, hat vor 250 Jahren in Hamburg            Eintritt € 22/10       eine kapitalistische Grundsatzdebatte, die mehr über die
Eintritt € 15/10         das erste deutsche Nationaltheater begründet und hier              1 Stunde               Gesetze des Marktes als über die Ware selbst aussagt. In
1 Stunde                 seine „Hamburgische Dramaturgie“ geschrieben. Sein                                        Christiane Jatahys Spielanordnung treffen Menschen aus
                         Ziel war, den neuen sozialen Stand des Bürgertums auf              Im Anschluss: Sandra   verschiedenen Kulturen aufeinander, die unterschiedli­
                         die Bühne zu bringen. Von großer Bedeutung bis heute               Küpper (Dramaturgin)   che Wertesysteme reprä­sentieren. Im Versuch des gegen­
                         ist der von ihm vertretene Toleranzgedanke, der sich               im Gespräch mit dem    seitigen Kennenlernens dieser Wertesysteme entsteht
                         gegen jede Orthodoxie wendet. Dieser Toleranzgedanke,              Ensemble               ein vielseitiges Abtasten der Welten und ein Kampf um
                         das großmütige Gelten- und Gewährenlassen anderer                                         Verständigung.
                         und fremder Überzeugungen und Gebräuche, ist es, der                                      Die brasilianische Regisseurin Christiane Jatahy besetzt
                         ihn zum Namensgeber des internationalen Festivals                                         das vom Autor für zwei Personen geschriebene Stück
                         „Lessingtage“ in Hamburg macht.                                                           mit mehreren Schauspielern. In jeder Vorstellung tref-
                         Der Germanist Jan Philipp Reemtsma, dessen Arbeits-                                       fen sie auf einen neuen Unbekannten mit anderen kul-
                         schwerpunkt u.a. die Literatur des 18. und 20. Jahrhun­                                   turellen Wurzeln.
                         derts ist, beleuchtet in dieser Lesung den legendären                                     Gemeinsam mit dem Thalia ­Ensemble knüpft sie mit
                         Streit zwischen Lessing und Hamburgs Hauptpastor                                          diesem Theaterabend an ihre Performance­/Film-­
                         Johann Melchior Goeze. In dieser wichtigen und im                                         Installation „Moving People“ an, die im Rahmen des
                         Übrigen auch unterhaltsamen Kontroverse zwischen                                          Festivals „Theater der Welt 2017“ stattfand. Christiane
                         Aufklärung und orthodoxer lutherischer Theologie                                          Jatahy war mit ihrer freien Adaption von Strindbergs
                         lassen sich unschwer Denkfiguren erkennen, die noch                                       „Fräulein Julie“ („ JULIA“) während der Lessingtage 2014
                         heute existieren. Am Ende der Kontroverse stand zwar                                      am Thalia Theater zu Gast, zurzeit ist sie artiste associée
                         ein teilweises Publikationsverbot für Lessing, aber auch                                  am Odéon­Théâtre de l’Europe in Paris, am Le Centquatre
                         Lessings letztes Wort in dieser Angelegenheit: „Nathan                                    ­Paris und am Théâtre National Wallonie­Bruxelles.
                         der Weise“. Nach dieser Auseinandersetzung hatte die
                         Theologie in Deutschland nie mehr die Chance, das                                         In Jatahy’s organised game, people from different cul­
                         letzte Wort in akademischen Debatten zu haben.                                            tures come together, representing different value sys­
                                                                                                                   tems. In an attempt for both sides to learn more about
                         In this reading, Germanist Jan Philipp Reemtsma sheds                                     these value systems, participants experience each other’s
                         light on the legendary quarrel between Lessing and                                        worlds and fight for common understanding. Jatahy has
                         Hamburg’s senior pastor Johann Melchior Goeze. This                                       taken the play written for two people and cast it with a
                         important and entertaining controversy between the                                        group of actors, who prepare in rehearsals for encounters
                         Enlightenment and orthodox Lutheran theology makes                                        with different strangers at every performance.
                         it easy to identify intellectual figures that still exist today.

                         30                                                                                        31
Ein Volksfeind
Gastspiel
Burgtheater Wien

                          von Henrik Ibsen
Deutschlandpremiere

                          Regie Jette Steckel
Thalia Theater            Henrik Ibsen verfasste 1882 seine so zeitlose wie bittere
Do 1. Februar 20 Uhr      Gesellschaftskritik. Nahezu prophetisch werden die
Fr 2. Februar 19 Uhr      Mechanismen einer durchökonomisierten Mediendemo-
Eintritt € 74 –15         kratie offengelegt, in deren Zentrum die Frage steht,
                          wann und warum Solidarität in Opportunismus um-
Am 2. Februar im          schlägt. Im Kampf um das Wasser tummeln sich Popu-
Anschluss: Iris Radisch   listen, Revoluzzer und Lobbyisten, verschwimmen Lüge
(Die Zeit) im Gespräch    und Wahrheit und ein Einzelner wird vom Aufklärer zum
mit Jette Steckel,        Fanatiker.
Joachim Meyerhoff         Ein verschuldeter Kurort verdankt seinen Aufschwung
und Ensemble              einer Heilwasserquelle. Doch dann stellt der Badearzt
                          Tomas Stockmann eine gesundheitsschädliche Verun-
                          reinigung des Wassers fest. Mit diesem Befund will er an
                          die Öffentlichkeit gehen und findet Unterstützung bei
                          der lokalen Presse. Auch die Mehrheit der Bürger glaubt
                          er hinter sich. Als sich herausstellt, dass die Sanierung
                          Unsummen an Steuergeldern verschlingen würde und
                          das Heilbad als einzige Einnahmequelle der Stadt über
                          Jahre geschlossen bleiben müsste, eskaliert der Interes-
                          senkonflikt. Tomas Stockmann steht als Volksfeind da.
                          Auf einer Bürgerversammlung rechnet er mit der Mehr-
                          heitsgesellschaft ab und stellt die These auf: „Das ganze
                          geistige Leben ist vergiftet, die ganze bürgerliche Gesell-
                          schaft steht auf dem pestschwangeren Grund der Lüge.“

                          Henrik Ibsen penned his timeless and bitter social cri­
                          tique in 1882. The mechanisms of a commercialised
                          media democracy are laid bare quite prophetically,
                          and at the heart of it is the question of when and why
                          solidarity turned into opportunism. As they fight for a
 „Ein Volksfeind“ mit     contaminated source of healing waters, populists and
 Joachim Meyerhoff in     lobbyists stomp around, lies and truth begin to blur
 der Titelrolle, sowie    and one enlightened individual becomes a fanatic.
 mit Mirco Kreibich,
 Ole Lagerpusch und
 Ignaz Kirchner als
 seine Gegenspieler

                          32
Artists at Risk
Podium

Thalia Gaußstraße              Für die Journalistin und Schriftstellerin Aslı Erdoǧan
Fr 2. Februar 20 Uhr           ist „menschlich sein“ gleichbedeutend mit „Erzähler
Eintritt € 12 / 8              sein“: Wir können nicht überleben ohne das Narrativ,
                               wir müssen unsere Geschichten frei erzählen können,
Mit: Marina Davydova           sagte sie in ihrer Dankesrede, als sie im vergangenen
(Künstlerische Leiterin        September den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis
Moskauer NET-Festival          entgegen nahm. Aslı Erdoǧan saß mehrere Monate im
und Herausgeberin der          türkischen Gefängnis, auch weil sie sich für Demokratie
Theaterzeitschrift Teatr),     und Meinungsfreiheit einsetzte.
Oliver Frlji ć (Kroatischer
Theaterregisseur), Necati      Das Recht, sich künstlerisch oder journalistisch frei
Öziri (Autor und Leiter        auszudrücken, gibt es im Zuge sich verhärtender
Internationales Forum,         rechtspopulistischer und autokratischer Tendenzen
Berliner TT) und Yesim  ‚      vielerorts schlicht nicht mehr. Es werden nicht nur
Özsoy (GalataPerform           staatliche Fördermittel gestrichen: Immer mehr
Istanbul)                      Künstler können nicht mehr frei arbeiten. Künstler, die
Keynote und Moderation:        für die Werte der Demokratie einstehen, riskieren ihre
Alexander Kerlin (Drama-       Existenzgrundlage oder gar ihre Existenz. Sie sind auf
turg und Autor u.a. von        der Flucht, werden inhaftiert oder dürfen ihr Land
„Reservate der Unabhän-        nicht verlassen. Dabei handelt es sich nicht nur um
gigkeit“ – eine Recherche-     Länder wie die Türkei und China oder Russland. Dort
reise zur bedrohten            steht zur Zeit der Theaterregisseur Kirill Serebrennikov
Freiheit der Kunst)            unter Hausarrest. In Polen und Ungarn werden oppo-
                               sitionelle Künstler faktisch mit Arbeitsverbot belegt;
Artist at Risk ist auch        Theatern und Festivals, die in Polen die Inszenierung
der Name einer Initiative      „Der Fluch“ von Oliver Frljić zeigen, werden die Zu-
des Deutschen Bühnen-          schüsse gestrichen. Der ungarische Ausschuss für
vereins, des Goethe-In-        Nationale Sicherheit erklärte den Regisseur Árpád
stituts und des ifa. Die       Schilling zum potenziellen Vorbereiter staatsfeind-
Initiative richtet sich        licher Aktivitäten.
an türkische Theater-          Das Podium Artists at Risk widmet sich der Situation
schaffende, die auf-           verfolgter Künstler und stellt die Frage „Was tun?“
grund ihres Engage-
ments für Demokratie           In many places around the world, the right to free
und Zivilgesellschaft in       artistic and journalistic expression is disappearing in
den Fokus staatlicher          the face of hardening right­wing populist and auto­
Beobachtung/Repres-            cratic tendencies. More and more artists are living in
sion geraten. Ihnen soll       conditions in their respective home countries that
bis zu einem Jahr die          mean they are no longer free to work. As a theatre it
Mitarbeit an einem             is our urgent concern to take those who defend our
Theater in Deutschland         democratic and European values at great personal
ermöglicht werden.             risk, and make their voices heard.

                               35
Lange Nacht
Diskurs / Szenische
Lesung / Konzert

                             der Weltreligionen:
                             Glauben und
                             Demokratie
Thalia Theater              „Wie hältst du es mit der Religion?“ Die Gretchenfrage
Sa 3. Februar 19 Uhr        legt die Gretchengegenfrage nahe: „Wie hältst du es
Eintritt € 25/10            mit der Demokratie?“
                            Zum demokratischen Selbstverständnis gehört es in
Mit: Seyran Ates‚ (Rechts- Deutschland, eine eigene Beziehung zum Glauben – und
anwältin und Menschen- Unglauben – entwickeln zu können. Es gibt ein durch
rechtsaktivistin. Gründe- das Grundgesetz versichertes Recht auf Religionsfrei-
rin der Ibn-Rushd-Goethe heit. Und Religionsfreiheit ist nicht nur die Frei­­heit,
Moschee, Berlin), Prof. Dr. un­be­helligt zu glauben, sondern auch unbehelligt den
Katajun Amirpur (Akade-     Glauben zu kritisieren. Religion und Demokratie sind
mie der Weltreligionen,     unvereinbar, sagen die einen. Religionen sind der Kitt
Hamburg), Joachim Lux       der Gesellschaft, sagen die anderen. Verschiedene
u.a.                        Akteurinnen und Akteure mischen sich ein, werden
                            unbequem, streiten um Deutungshoheiten. Wie offen
Im Anschluss: Konzert       und liberal dürfen Synagogen, Kirchen, Moscheen sein?
auf der Bühne mit           Wie offen und plural die Gesellschaft? Wie gehen wir
Musikerinnen                um mit Demokratieskepsis oder gar Demokratiefeind-
und Musikern der            lichkeit von Religionen? Wann ist Religionsskepsis an­
Embassy of Hope             ge­bracht, und wann verbergen sich dahinter Ressen-
                            timents, Religions­f eind­lichkeit und Angst?
Ab 18.30 Uhr: Präsenta­     Die neunte „Lange Nacht der Weltreligionen“ stellt
tion der Schul-Projekte     sich mit Diskussionen, szenischen Lesungen und Ge-
zur „Langen Nacht der       sprächen bei gemeinsamem Essen diesen Fragen. Ein
Weltreligionen“ –› S.43     zentraler Text ist Björn Bickers hochaktuelle Erkun-
                            dung der religiösen Vielfalt in unseren Städten: „Was
Kooperation mit der         glaubt ihr denn? Urban Prayers.“
Akademie der Welt­
religionen der Uni­-        Part of Germany’s democratic identity includes being
versität Hamburg            able to develop a unique relationship to faith – and
                            atheism. Religious freedom isn’t just the freedom to
Gefördert von               believe what you want to believe, but also the right to
                            criticise others’ beliefs. Some say religion and demo­cracy
                            are incompatible. Others say religion is the glue that
                            holds society together. The ninth ‘Long Night of World
                            Religions’: discussions, staged readings, conversations
                            over communal meals and a concert.

                            36
Schnee                                                                               Die Orestie
Produktion                                                                           Produktion
Thalia Theater                                                                       Thalia Theater

                         von Orhan Pamuk                                                                      von Aischylos
                         Regie Ersan Mondtag                                                                  Regie Ersan Mondtag
Thalia Gaußstraße        Für eine Reportage über Selbstmorde kopftuchtragen­         Thalia Theater           Der Trojanische Krieg ist nach zehn Jahren zu Ende,
Sa 3. Februar 20 Uhr     der junger Frauen reist der Dichter Ka nach zwölf Jahren    So 4. Februar 19 Uhr     aber das Schlachten geht weiter. Der heimgekehrte
Eintritt € 22/10         im deutschen Exil zu­rück ins ostanatolische Kars. Drei     Eintritt € 5 2 –10       Agamemnon, der einst seine Tochter Iphigenie für
1 Stunde 45 Minuten      Tage lang schneit es ununterbro­chen in der Stadt, die                               günstige Winde opferte, wird von seiner treulosen
                         von der Außenwelt abgeschnitten ist. Es stehen Kommu­       Im Anschluss: Matthias   Gattin Klytaimnestra ermordet. Daraufhin wird die
Im Anschluss: Matthias   nalwahlen an, bei denen sich ein Sieg des islamistischen    Günther (Dramaturg)      triumphie­rende Klytaimnestra von ihrem Sohn Orest
Günther (Dramaturg)      Kan­didaten abzeichnet. Auf einer Theaterbühne ent-         im Gespräch mit Ersan    aus Rache getötet. Kräftig angefeuert zur Tat wird Orest
im Gespräch mit Ersan    zündet sich während der Aufführung eines volkspäda-         Mondtag und Ensemble     von seiner Schwester Elektra und aus dem griechi-
Mondtag und Ensemble     gogischen Melodrams aus der Ata­türk-­Ära, in dem das                                schen Götterhimmel von Apollon. Am Ende befindet
                         Ablegen der Schleier propagiert wird, ein Streit. Darf                               sich Orest, von Wahnbildern heimgesucht, auf der
                         eine Frau gezwungen werden, das Kopftuch abzule-                                     Flucht. Furchterregende Furien, die streitsüchtigen
                         gen? Was wiegt schwerer: die Staatsräson eines säku-                                 Erinnyen, hetzen ihn. Es kommt zum Showdown, als
                         laren Staates oder die persönliche Freiheit eines reli-                              sich die Göttin Pallas Athene einmischt. Aber anders
                         giösen Glaubens?                                                                     als erwartet, geht es um eine ganz grundsätzliche Ent-
                         Für Regisseur Ersan Mondtag ist Orhan Pamuks „Schnee“                                scheidung im Fall Orest: Wie soll nach Gattenmord,
                         hoch brisant und aktuell. Mit seinem Roman, geschrieben                              Muttermord und einem von Leichen gepflasterten Weg
                         vor dem 11. September 2001, wollte Pamuk die kleine                                  die Zukunft aussehen? Geht das Töten immer weiter? Wie
                         Stadt Kars als Mikrokosmos der Türkei verstanden wis-                                soll der Fall entschieden werden? Athene ist ratlos:
                         sen. Nach den Attentaten auf das World Trade Center                                  „Die Sache ist zu schwierig, als dass ein Sterblicher
                         begann Pamuk zu verstehen, dass die Probleme der                                     allein es wagen könnte, hier zu richten. Nicht einmal
                         Türkei die Pro­bleme der Welt wurden. Heute lautet                                   mir ist es erlaubt, einen Mordfall zu entscheiden, der
                         Pamuks Appell an den Westen: „Bitte macht einen Un-                                  solche Befleckung bedeutet.“ Athene setzt ein Gericht
                         terschied zwischen der islamischen Gesell­schaft und                                 aus menschlichen Richtern ein und gibt damit das
                         dem politischen Islam! Bitte macht einen Unterschied                                 erste Mal eine staatlich bindende „Satzung, die für
                         zwischen dem politischen Islam und radikalen Funda-                                  alle Zeiten gelten soll“.
                         mentalisten! Nach Anschlägen wie denen gegen Char-
                         lie Hebdo verwischen in den Emotionen die Unter-                                     The Trojan War ended a decade ago, but the battles con­
                         schiede. Furchtbar!“                                                                 tinue. What does the future look like when you’ve mur­
                                                                                                              dered your spouse, killed your mother and the path in
                         For his report on suicide rates among young women                                    front of you is littered with corpses? How should the trial
                         who wear headscarves, the poet Ka returns to the city                                of Orestes be judged? Athena is at a loss: ‘The case is so
                         of Kars in eastern Anatolia, after twelve years living in                            difficult that only a mortal would dare to jud­     ge it’.
                         exile in Germany. It snows relentlessly for three days,                              In this quandary, she appoints a           court
                         cutting the city off from the outside world. An Isla­                                of human judges that for the
                         mist candidate wins a local election.                                                first time delivers ‘a sentence
                         Should a woman be forced to discard her headscarf?                                   that must stand for all time.’
                         Which weighs heavier: responsibility to the state or
                         personal religious freedom?

                         38                                                                                   39
Lessingtage                                                                             Stadtführungen
                                                                                           Karten nur im VVK an
                                                                                           der Thalia Tageskasse

                             in der Garage                                                                           zu Lessing
Produktion                   Das Ende von Eddy von Édouard Louis                                                     Leitung Michael Grill, Stadtführer
Thalia Theater               Regie Alek Niemiro
                                                                                           Sa 20.1./Mi 24.1./      1 Lessing und die bürgerliche Freiheit in Hamburg
Thalia Gaußstraße            Heimat ist da, wo die Anderen wissen, wer du bist. In         So 28.1./Sa 3.2.          Der Weg zu unserer heutigen Demokratie war ein
(Garage)                     einem dem Front National zugewandten französischen            jeweils 11 Uhr            langwieriger und dorniger. Schon zu Lessings Zeiten
Sa 20. Januar 17 Uhr         Dorf wächst Eddy auf. Die Eltern sind mit sich beschäftigt,   Eintritt € 12/10          waren Aufklärung und Wissenschaft in Hamburg weit
Eintritt € 22/10             schlechte Arbeit, wenig Geld. Eddy wird als Schwuchtel        Treffpunkt:               verbreitet, mit einer relativen Freiheit seiner Bürger.
1 Stunde 10 Minuten          beschimpft, bevor er überhaupt versteht, warum er wie         Thalia Theater            Doch die Segnungen der Aufklärung, wie z.B. eine recht
                             ein Aussätziger behandelt wird. Was normal ist, zeigt die     ca. 2 Stunden             freie und umfängliche Presse, erreichten nur eine
 „Rückkehr nach Reims“       Gewalttätigkeit und Verlogenheit der Anderen. Prota-                                    Minderheit der Bewohner der Stadt, in der seit 1712
 von Didier Eribon, dem      gonist Steffen Siegmund ist Boy-Gobert-Preisträger 2017.                                der Rat und die erbgesessene Bürgerschaft gemeinsam
 Edouard Louis „Das Ende                                                                                             Träger der Staatsgewalt waren. Auf Lessings Spuren
 von Eddy“ gewidmet          Homeland is the place where other people know who                                       wandern wir durch Hamburg und fragen, wie Frei-
 hat, wird am 20.1. um       you are. Eddy Bellegueule grows up in a village in the                                  geister in dieser durch Kaufmannsgeist, bürgerliche
 19.30 Uhr gezeigt. –› S.8   north of France. He is teased and subjected to homo­                                    Freiheit und Konservatismus geprägten Stadt, Ideen
                             phobic abuse. Eddy is a contemporary ‘Prodigal Son’,                                    von Aufklärung, Kunstverständnis und Theaterre for-
                             who can no longer abide his home, and knows with all                                    men ausagieren konnten und an welche Grenzen sie
                             his heart that he cannot live the same way as his family.                               dabei stießen.

                                                                                           So 21.1. 11 Uhr         2 Hamburg und die europäische Einwanderung
Dokumentartheater/           Srebrenica – „I counted my remaining life in                  Sa 27.1. 14 Uhr           Auf einem Spaziergang durch die Neustadt, Lessing
Fotografie                   seconds“ von Branko Šimić und Armin Smailovic                Mi 31.01. 11 Uhr          mitdenkend, beschäftigen uns die Männer und Frauen
Produktion                                                                                 Eintritt € 12/10          aus Portugal, Spanien, Skandinavien, Italien, Russland
Thalia Theater               Bosnien und Herzegowina 1995: Innerhalb von 5 Tagen           Treffpunkt: U-Bahn        und den Niederlanden, die jahrhundertelang diese
                             werden in Srebrenica 8000 bosnisch-muslimische Jungen         Landungsbrücken           Stadt mitgestalteten. Und wir blicken auf den Umgang
Thalia Gaußstraße            und Männer ermordet, obwohl die Stadt zu dieser Zeit          (Hafentor/Eichholz)       mit Minderheiten zu Lessings Zeiten, die trotz ihrer
(Garage)                     UN-Schutzzone ist. Genau 20 Jahre später begeben sich         ca. 2 Stunden             Ausgrenzung dennoch zum ökonomischen und kul-
Fr 26. Januar 20 Uhr         Fotograf Armin Smailovic, Regisseur Branko Šimić und                                   turellen Fortschritt der Stadt beigetragen haben.
Eintritt € 22/10             der Schauspieler Jens Harzer mit ihrem dokumentari-
1 Stunde 30 Minuten          schen Theaterprojekt auf Spurensuche und entwerfen            Sa 20.1. 14 Uhr         3 Lessings Wege durch die Speicherstadt
                             eine minimalistische Theaterkomposition im Spannungs-         Sa. 27.1. 11 Uhr          Vor dem Bau der Speicherstadt lebten auf Brook und
Im Anschluss: Susanne        feld Opfer – Täter – Zuschauer.                               Eintritt € 12/10          Wandrahm über 20.000 Menschen – einer von ihnen
Meister (Dramaturgin)                                                                      Treffpunkt: Vor der       war Gotthold Ephraim Lessing. Ebenso auch Johann
im Gespräch mit Branko       This documentary theatre project sheds new light on the       Katharinenkirche          Melchior Goeze –›S.30, streitbarer Hauptpastor der
Šimić und Ensemble          Srebrenica massacre and lends it three voices: those of       (Turmportal)              Katharinenkirche, der sich mit Lessing, aber auch mit
                             a survivor, a perpetrator and a UN­soldier. Based on          ca. 2 Stunden             anderen Hamburger Literaten überwarf. Was führte
                             photographic reports, personal interviews, transcripts                                  eigentlich zu diesen Zerwürfnissen?
                             from the Hague Tribunal and literary sources, photo­
                             grapher Armin Smailovic and director Branko Šimić
                             open up a new perspective on this part of history.

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