Context - HeidelbergCement
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Wandelnde Größe Großprojekte als weltweite Herausforderungen context Berliner Frauenpower Kombilösung für Karlsruher Innenstadt Hoch hinaus Sichtbeton für Feuerwache Schönefeld Das Magazin von HeidelbergCement • Ausgabe 3 • 2011 • 6 € Thema: Große Projekte Etwas bewegen
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context 3/2011 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, die Mondlandung, der Bau des Panamakanals oder die Einführung des Euro sind das, was wir allgemein als große Projekte bezeichnen. Wegweisende Projekte wie diese ha- ben die Welt bewegt und verändert. Möglich wurde das durch engagierte und kreative Menschen, kluge Köpfe, die mit viel persönlichem Einsatz ein Projekt zu ihrem eigenen machten und Visionen Realität werden ließen. Und was schon immer so war, aber heute offensichtlicher wird denn je: Große Projekte provozieren große Gefühle. Die Politik plant, der Bürger protestiert – nicht nur in Stutt- gart. Hier ein neues Kohlekraftwerk, dort ein erweiterter Flughafen, im Norden eine Mega-Brücke, im Süden eine Olympiabewerbung. Es entsteht bisweilen der Eindruck, der Begriff „Großprojekt“ sei in Verruf geraten. Das wäre schade. Fakt ist: Wiedervereinigung und Globalisierung haben in Deutschland die Entwicklung neuer großer Projekte angeregt. Die Städte nutzen die Chancen des Strukturwandels, viele Konversionsflächen werden neu entwickelt. Der Umgang mit städtischer Vielfalt, demografischem Wandel, mit Geschichte und guter Gestaltung ist Daueraufgabe der Stadtentwicklung und gleichzeitig Modell für künftige Lebensverhältnisse. Ihre Quali- täten können Maßstäbe setzen, ihre Mängel aber auch nötige Lernprozesse fördern. Es gibt jedoch auch Projekte, die eben nicht nur nach außen gigantisch aussehen, son- dern viel Vision, Durchhaltevermögen, enorme Logistik und Weitblick erfordern. Beson- ders in der Infrastruktur zählt, was über den Tag hinaus auch für die nächsten Jahr- zehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte Bestand hat. So wird etwa der Brenner Basistunnel eine Eisenbahnstrecke durch die Alpen entlasten, die seit 1867 in Betrieb ist und dem Verkehr nicht mehr standhält (S. 26). Unbestreitbar ist auch, dass der Ausbau des deutschen Stromnetzes eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte ist. Für den Bau erdverlegter Starkstrom- trassen hat HeidelbergCement zwei hochwärmeleitfähige Baustoffe entwickelt, die die Verlegung wesentlich effizienter und damit wirtschaftlicher machen können. Eine Mo- mentaufnahme lesen Sie ab Seite 36. Übrigens: Auch diese Ausgabe von context ist diesmal größer als sonst, denn wir haben dem Thema „Große Projekte“ zusätzlich vier Seiten mehr Platz eingeräumt. Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen Andreas Kern Mitglied des Vorstands 3
context 3/2011 Panorama Bohren, sprengen, betonieren: Ohne Sprengmeister läuft im Erkundungstunnel zum Brenner Basistunnel gar nichts. 4
context 3/2011 Inhalt Thema: Große Projekte Etwas bewegen 16 22 32 Thema Produkte und Projekte 8 Wandelnde Größe Großprojekte als weltweite Herausforderungen 22 Berliner Frauenpower Kombilösung für Karlsruher Innenstadt 12 Kleiner Ort ganz groß Identität wächst von unten 24 Über den Wolken Großbaustelle Flughafen Willy Brandt 16 Aus Ideen werden Taten Lebensprojekte 26 Hoch hinaus Sichtbeton für Feuerwache Schönefeld 18 Ein Geschenk fürs Leben Arbeiten in einer anderen Welt 28 Von Berlin nach Palermo Der Brenner Basistunnel verbindet Europa 20 quergedacht Fakten zum Thema „groß“ 32 Sanfte Dynamik Iller-Wasserkraftwerk Kempten 6
Wandelnde Größe Großprojekte als weltweite Herausforderung context Berliner Frauenpower Kombilösung für Karlsruher Innenstadt Hoch hinaus Sichtbeton für Feuerwache Schönefeld context context 3/2011 Inhalt Das Magazin von HeidelbergCement • Ausgabe 3 • 2011 • 6 € 2011 1 Ausgabe 3 Kleine Räder setzen größere in Bewegung. Auch Menschen bringen oft großartige Dinge ins Rollen. Tatkraft und Visionen sind ihr Antrieb. 36 Aus dem Vollen schöpfen Thema: Große Projekte 38 40 Markt und Umwelt Kunden und Partner 36 Kulturelles Meisterstück Zementwerksbau in Tula 40 Alle Anstrengungen für die Klimaziele Interview mit Prof. Dr.-Ing. habil. Heinrich Brakelmann 38 Den Boden bereiten Erdverlegte Stromtrassen Service 03 Editorial 04 Panorama 06 Inhalt 43 Tipps und Termine 43 Impressum 7
context 3/2011 Große Projekte Wandelnde Größe Großprojekte als weltweite Herausforderungen U nter der üppigen Verkleidung aus Zedernholz, Gold und Edelstein war kein gewöhnlicher Stein mehr zu entdecken. Doch auch durch seine innova- des jungen 20. Jahrhunderts. Und auch sie wurde im großen Maßstab angegangen – mit den Siedlungen der Moderne in Berlin, Frankfurt oder Celle. Immer tive Konstruktion überzeugte das Jerusalemer Groß- wieder rieben sich dabei Tradition und Innovation projekt: Im Steinbruch fertig behauen wurden seine heftig aneinander. Architekten wie Le Corbusier ent- Steine anschließend auf der Baustelle zusammenge- wickelten radikale neue Stadtkonzepte, die heiß dis- setzt. So ist der Bau des Tempels Salomons im Alten kutiert wurden. Sein utopischer „Plan Voisin“ für Pa- Testament überliefert (1. Buch Könige 6). Bis heute ris erregt bis heute die Gemüter, während seine beflügeln die Großprojekte des Altertums die Fanta- „Wohnmaschinen“ – die „Unités d‘Habitation“ –, sie der Menschheit: Die hängenden Gärten der Semi- die nach 1945 zunächst in Marseille entstanden, ramis, das Mausoleum von Halikarnassos und die Py- einen Vorgeschmack auf Le Corbusiers großforma- ramiden – sie alle gehörten zu den sieben tige Stadtvision gaben, wie er sie mit dem indischen Weltwundern der Antike und sind heute Bausteine Chandigarh 1952 bis 1959 verwirklichte. des kollektiven kulturellen Gedächtnisses. Doch Zwar ist die ungebremste Fortschrittsgläubigkeit Großprojekte bargen bereits in der Antike die Gefahr längst verpufft, die einst die junge Moderne begleite- des Scheiterns, wie nicht zuletzt der sagenumwo- te. Gleichwohl entstehen weltweit immer mehr bene Turmbau zu Babel bewies. Das hielt weltliche Großprojekte im Maßstab XL und größer. Ihre Be- und geistliche Herrscher jedoch nicht davon ab, sich wertung ist jedoch durchaus unterschiedlich, und im Lauf der Jahrhunderte stets aufs Neue im Bau von häufig liegen Begeisterung und Enttäuschung dicht gewaltigen Palästen und Kathedralen zu versuchen beieinander. Etwa bei den Stadien der großen Sport- oder gleich ganze Idealstädte zu entwerfen. veranstaltungen, die weltweit eine mediale Begeiste- rung entfachen – und immer neue Märkte erschlie- Vision und Wirklichkeit Viele städtebauliche Großprojekte, die einst als ge- baute Visionen starteten, sind heute vertraute Ele- mente unseres Alltags. Was wäre Wien ohne die Ringstraße, was Paris ohne die Boulevards des Barons Haussmann? Angeschoben wurden solche Stadter- weiterungen und Umbauten nicht zuletzt durch das Bevölkerungswachstum und die Landflucht infolge der industriellen Revolution. Dabei schwang gerade bei der monumentalen Stadtbaukunst das Pendel häufig zwischen Visionen und Wirklichkeit hin und her. Tony Garnier etwa erdachte sich eine „Cité in- dustrielle“, während der amerikanische Architekt und Städteplaner Daniel Hudson Burnham das Weltaus- stellungsgelände in Chicago in eine „City beautiful“ verwandelte, eine monumentale Gartenstadtidylle mit klassizistischen weißen Bauten am Ufer des Mi- chigansees. In Deutschland gehörte die Lösung der Wohnungs- problematik zu den wichtigsten Herausforderungen 8
context 3/2011 Große Projekte Eines der bekanntesten „Großprojekte“: Die Pyramiden von Gizeh (2620 bis 2500 v. Chr.) ßen. Bedeutet doch der Bau neuer Sportarenen samt nen. Und Jean Nouvel plant die Bebauung der „Île umgebender Infrastruktur gewaltige logistische und Seguin“ als „Insel der Künste“ – samt überdachtem finanzielle Herausforderungen für die Ausrichter von gläsernen botanischen Garten. Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen. Und nicht immer rechnen sich die Investitionen: Das ka- Groß, größer, Mega nadische Montreal etwa, dessen futuristische Olym- Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsge- piabauten von 1976 vom Franzosen Roger Taillibert sellschaft hat sich längst in der Transformation un- entworfen wurden, brauchte 30 Jahre, um die Kosten serer Städte niedergeschlagen. Auch in Deutschland seiner Spiele abzubezahlen. Immer stärker rücken da- sind in den letzten Jahrzehnten gewaltige Industrie- her die Fragen nach der Wirtschaftlichkeit, der ökolo- areale und Hafengebiete aus der ursprünglichen Nut- gischen Verträglichkeit und der Nachnutzung ins öf- zung gefallen. Mit ihren riesigen Flächen bieten sie fentliche Blickfeld. Die repräsentative Wirkung von die Chance für innenstadtnahe Neugestaltungen. In Großprojekten ist gleichwohl seit der Antike unge- Hamburg wächst seit Jahren mit der HafenCity ein brochen. In Frankreich haben die Präsidenten das mit neuer Stadtteil in prominenter Wasserlage heran, ihren „Grand Projets“ für Paris viele Jahre lang höchst eines der größten und ambitioniertesten städtebau- erfolgreich instrumentalisiert – von der Kulturmaschi- lichen Projekte Deutschlands. Zwischen Dalmannkai, ne des Centre Pompidou bis zum Grande Arche in La Sandtorpark und Grasbrook wird eine Nutzungsmi- Défense. Inzwischen sind aus den Grand Projets von schung aus Wohnen und Arbeiten verwirklicht, eine einst die Planungen für ein „Grand Paris“ von mor- harmonisch-lockere Gruppierung von Solitären, mit gen geworden: Antoine Grumbach etwa denkt über die Vision nach, den Pariser Großraum entlang der Seine bis nach Le Havre zur Atlantikküste auszudeh- Drei Wohnvisionen Hängende Gärten der Semiramis (Babylon): Eines der sieben Weltwunder der Antike Unité d‘Habitation, Berlin: Le Corbusiers Umsetzung eines vertikalen Dorfs (1953) Île Seguin, Paris: Modell der „Insel der Künste“ unter der Koordination von Jean Nouvel (bis 2015) 9
context 3/2011 Große Projekte denen die Idee der Stadt der Moderne ins 21. Jahr- durch die Einbeziehung von Bewohnern die Identität hundert fortgeschrieben wird. Derweil entsteht in- der Orte zu stärken, Identifikation zu stiften. Derzeit mitten des Mammutprojektes HafenCity ein ein- bereitet Berlin seine dritte große IBA vor, die im Jahr zelnes Großprojekt – die neue Elbphilharmonie. 2020 stattfinden soll – und auch dort geht es unter Solche Architekturikonen können im internationalen den drei Rubriken „Hauptstadt“, „Raumstadt“ und Städtewettstreit beim Kampf um Investoren und „Sofortstadt“ darum, die Bevölkerung bei der Stadt- Touristen als Argumente für das Stadtmarketing hilf- entwicklung mitzunehmen. Das Thema Hauptstadt reich sein. Als einziges Standortargument reichen sie bietet sowohl Raum für touristenträchtige Inszenie- jedoch bei weitem nicht aus. Denn längst erweisen rungen als auch für die Frage nach einer sinnvollen sich immer mehr Großprojekte als komplexe Grat- Bespielung des geplanten Humboldt-Forums im re- wanderungen, die um ihre öffentliche Akzeptanz in konstruierten Stadtschloss. Mit seinen Baukosten von den demokratischen Gesellschaften buhlen müssen. über 500 Millionen Euro stellt es selbst ein Großpro- Wie sehr Wohl und Weh eines Großprojektes von der jekt dar. Bei Raum- und Sofortstadt geht es demge- angemessenen öffentlichen Vermittlung und seiner genüber um den Umgang mit den zahlreichen klei- gesellschaftlichen Akzeptanz abhängen, das zeigt im nen Freiflächen und Brachen. Sie prägen das Berliner Gegensatz zur Erfolgsgeschichte der Hamburger Ha- Erscheinungsbild und gehören zugleich zu den letz- fenCity das Kommunikations-Debakel von „Stuttgart ten Ressourcen der bettelarmen Hauptstadt. Im Rah- 21“. men der IBA soll nun geklärt werden, wie mit diesen Arealen umzugehen ist, wie sie langfristig erhalten IBA als Instrument werden können, um wirtschaftlichen Verwertungs- In Deutschland haben sich Internationale Bauausstel- druck von diesem verbliebenen Stadtkapital zu neh- lungen als erfolgreiche Instrumente erwiesen, um für men. Dabei wird im Idealfall der Blick für den großen die großen Herausforderungen großer Stadtareale Raum der Stadt und ihre ökonomische wie ökolo- gute Lösungen zu erarbeiten. Doch auch beim Ins- gische Entwicklung auf die einzelne Baulücke und trument IBA lassen sich deutliche Veränderungen be- deren Bedeutung für das Quartier heruntergebro- obachten. Mit der Interbau 1957 entstand im Berli- chen. Solche stadträumlichen Pixel fügen sich dann ner Hansaviertel am Rand des Tiergartens ein neuer zu einem Gesamtbild Stadt zusammen. Dabei lehrt Stadtteil. Er war eine programmatische Neubausied- der Blick auf aktuelle Großprojekte, dass es unver- lung mit Hochhäusern in lockerer Bebauung, ein zichtbar ist, viel stärker als bisher die Öffentlichkeit in klassisches Großprojekt. In den 1980er Jahren hatte die Planungsprozesse mit einzubeziehen, um das der städtebauliche Paradigmenwechsel bei der zwei- notwendige Verständnis und die notwendige Akzep- ten Internationalen Bauausstellung in Berlin voll tanz zu erzielen. Die Kommunikation großer Projekte zugeschlagen. Anstelle von Hochhäusern und neuen wird so selbst zu einem Großprojekt. Damit sie nicht Schlafstädten ging es nun um die „Stadtreparatur“, scheitern wie der Turmbau zu Babel, brauchen große um Verdichtung, Lückenschließung und Sanie- Projekte also nicht nur großartige architektonische rungen. Inzwischen hat sich das Instrument IBA noch Ideen – sie brauchen ebenso große Ausdauer wie weiterentwickelt – bei der IBA Sachsen-Anhalt wur- Überzeugungskraft. Jürgen Tietz den Antworten auf die gesellschaftlichen und archi- tektonischen Herausforderungen der schrumpfenden Städte und Regionen in dem ostdeutschen Bundes- land gesucht. Anstelle großer Neubauprojekte waren www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/bau- minimalinvasive Maßnahmen gefragt. Ziel war es, kultur/iba 1010
context 3/2011 Große Projekte IBA BERLIN 2020 „Berlinerinnen und Berliner genießen die Weiträumigkeit ihrer Stadt. Sie empfin- den die Leerstellen als besondere Qualität Berlins und belächeln liebevoll ihre „Krautigkeit“. Diese vielen kleinen und großen Leerstellen sind das Kapital für eine intelligente städtebauliche Strategie der IBA Berlin 2020. Sie können entwe- der als entwicklungsfähige offene Räume gesichert oder als klimawirksame Flä- chen genutzt werden. Und sie können für spätere, jetzt noch nicht bekannte Nut- zungen und Aneignungen offengehalten, umgenutzt oder als potenzielle Bauflächen vorbereitet und mit modellhaften Architekturen bebaut werden. Die vielen kleinen Ecken und Lücken entziehen sich dem Fokus der klassischen Im- mobilienwirtschaft. Sie wollen Ideen, neue Bauherren und eine architektonische Haltung sowie neue Instrumente für ihre Entwicklung. Diese Orte spielen eine be- deutende Rolle für die Entwicklung von Nachbarschaften und der Stadt im Ganzen.“ Quelle: IBA Faltplakat, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, www.stadtentwicklung.berlin.de/iba_2020 11
context 3/2011 Große Projekte Kleiner Ort ganz groß Identität wächst von unten Marihn in Mecklenburg-Vorpommern trägt weltweit als kleinste Ortschaft die Auszeichnung „Cittaslow“ der internati- onalen Vereinigung lebenswerter Städte. Mit viel Engagement füllen die Bewohner die Charta der Bewegung mit Leben und erreichen damit Großes für ihr Dorf. Cittaslow V erzückung lässt sich in der Öffentlichkeit am ehesten im Gesicht von Musikern ablesen. Für den Zuhörer ist es da besser, die Augen zu schließen und sich ganz dem Klang hinzugeben, den so begna- Orvieto und eine ausge- dete Künstler wie Lucas Imbiriba und Ulli Bögershau- suchte Handvoll italie- sen ihren Saiten entlocken. Beim Konzert im Alten nischer Städte in der Tos- Speicher von Marihn treffen Welten aufeinander, of- kana brachten in den fenbaren ihre Verschiedenheit und kommen doch in Neunzigerjahren mit ”Cit- einem herrlichen musikalischen Dialog zusammen. taslow” eine internationa- Der junge Imbiriba aus Belém, einer Stadt am Ama- le Bewegung in Gang, um zonas, hat sich mit der klassischen Gitarre zu einem die nachhaltige Entwicklung kleinerer Städte zu der bedeutendsten brasilianischen Gitarristen entwi- forcieren. Analog zur Slow-Food-Bewegung, die ckelt. Bögershausens Zauberei mit der akustischen beim Bestreben nach Bewahrung und Entwicklung Gitarre hat ihn weit über Europa hinaus auch in Asien von Lebensqualität auf regionale Geschmacksviel- und Amerika bekannt gemacht. Beide haben schon falt und die entsprechend nachhaltigen Produkti- als Kinder die Gitarre als Instrument für sich entdeckt onsweisen setzt, gehört zum Cittaslow- oder Slow- und auch die Leidenschaft, die hinter dem unend- City-Bewusstsein die Erhaltung der Besonderheit lichen Üben der Läufe und dem Ausprobieren der Ar- und Vielfalt der eigenen Identität im Zeitalter von peggios stecken muss. Diese Entdeckung der Lang- Globalisierung und beschleunigter Lebensweise. So samkeit hat sie nicht entmutigt, wohl ahnend, dass erreichen auch kleine Ortschaften große, nicht nur ein Dilettant nur gemächlich zur wahren Größe ge- ideelle Ziele. langen kann. Was bringt nun Könner ihres Fachs in ein kleines Dorf im Landkreis Müritz, wo sich in schöner Landschaft 12
context 3/2011 Große Projekte auf Kultur Konzerte und Veranstaltungen Auch die alten Speicher hier ihr n Freiwillige Feuerweh eues Dom r mit einem izil. Zusam Architektu m markante rbüro w Feldsteinsc urd heune Idylle kan n au Wert auf sc ch Identität bedeute l wurde in und Kuhstal auf Wand hmale Stra ßen zur V n. In Marih n wird al ig e K o rnspeicher D o rf g em einschafts- erw erkehrsber Der ehem rb ei t zu m eiert. wiesen gel eg rund ums Dorf u uhigung, namtlicher A tet und gef egt. nd auf Ob langer ehre . Im Fo ye r wird gefes stbaum- taltet haus umges eher Fuchs und Hase und ein paar Touristen gute nach Mecklenburg gefunden hat: Wie sonst kann Nacht sagen? sich ein kleiner Ort entwickeln und dabei seine Iden- Aber der Reihe nach: Angefangen hat alles mit dem tität wahren, seine Eigenheiten und Besonderheiten erfolgreichen Verkauf des ehemaligen Herrenhauses beleben? mit dazugehöriger Parkanlage seitens der Gemeinde. Finanziell ermutigt durch den Immobilienverkauf lie- Stilsicher haben die heutigen Besitzer, Horst und So- ßen sich der damalige Bürgermeister Jens Kamin und nia Forytta, aus dem Bestand ein Landhotel mit einer seine Mitstreiter auf das ungewohnte Entwicklungs- kleinen Anzahl exklusiver Suiten gemacht, nach Art projekt ein. Nach vielen Gesprächen trieben sie die der Chambres d’Hotes, wie sie aus Frankreich be- Zertifizierung zur Cittaslow-Gemeinde voran. kannt sind. Seitdem lockt auch der prachtvolle Gar- Schließlich wurde Marihn als erster Ort in Ost- ten von Marihn mit duftenden Rosen und kulturellen deutschland und als kleinster weltweit mit dem Prä- Aktivitäten Gäste ins Dorf. dikat „Cittaslow“, lebenswerte Stadt, ausgezeichnet. Kein Wunder, dass das weltgewandte Paar – Ver- Verschiedenste Projekte haben die Verantwortlichen fechter naturnahen Gärtnerns, Liebhaber kultureller seither auf den Weg gebracht. Alle helfen, den Zu- und kulinarischer, sprich regionaler Genüsse, des sammenhalt, die Lebensqualität und das Bewusstsein Slow Foods – ein starkes Anliegen verspürte, die für die wesentlichen Dinge im Dorf zu stärken. „Sieb- Nachbarschaft mit neuen Ideen zu begeistern. Viel- zehn Jahre haben wir auf eine zentrale Entwässerung leicht nicht ganz uneigennützig, denn ein saniertes gewartet“, erinnert sich Kamin, inzwischen ehren- Dorfgemeinschaftshaus vis-à-vis macht weit mehr amtlicher Stadtverordneter von Marihn im Amt Penz- her als ein maroder Kuhstall. So wundert es nicht, liner Land. „Plötzlich, als Cittaslow-Ort, hat sich für dass der Funke von Qualität und Nachhaltigkeit auf uns in Schwerin etwas bewegt.“ So erregte die Aus- die Dorfbewohner übergesprungen ist. Dem neuen zeichnung mit der Schnecke, die auch Verpflichtung Schlossbesitzer Horst Forytta ist zu verdanken, dass bedeutet, als Alleinstellungsmerkmal prompt Auf- der Cittaslow-Gedanke seinen Weg von Italien bis merksamkeit, wenn nicht gar Marketingeffekte, die 13
context 3/2011 Große Projekte sich für Marihn ausgezahlt haben. Nicht nur die Ka- rund 250 Einwohnern so leistungswillig und auch so nalisation ist gebaut, auch ein neuer Kinderspielplatz, leistungsfähig ist“, sagt Christian Peters, Architekt dessen Ausstattung sich vom üblichen Baumarkt- aus Neustrelitz, der den Umbau fachlich begleitet Mobiliar unterscheidet. Besonders freut Kamin die hat. „Immerhin musste auch schweres Gerät für den neue Streuobstwiese. Jedes Kind, das eingeschult Rückbau massiver Teile aus der großen Stallanlage wird, erhält einen Baum, den es hegt und dessen organisiert werden.“ Große Einbauten für die frühere Früchte es ernten darf. Am alten Gehweg wurden Landwirtschaft, Rampen und der gesamte Boden 150 Rosensträucher gepflanzt, eine grüne Hecke, mussten raus, mehrere Hundert Kubikmeter Bau- wie früher üblich, säumt den ortsumlaufenden Wan- schutt. „Rund zehntausend Arbeitsstunden“, resü- derweg. Ein Wäldchen mit Bäumen des Jahres, der miert der Architekt, „sind da ehrenamtlich erbracht Artenvielfalt unterstützt, ist in Planung. worden.“ Höhepunkt der dörflichen Aktivitäten aber ist der ge- Das Architekturbüro hat für den Umbau des Bauein- meinschaftliche Umbau und die Bewirtschaftung des zeldenkmals einen Maßnahmenkatalog in Kuchen- ehemaligen Kornspeichers zum Dorfgemeinschafts- form erstellt. „Wir haben die Kuchenstücke an Laien haus. Das große Bauwerk beherbergt heute die frei- oder Baufirmen aus der Region jeweils so verteilt, wie willige Feuerwehr, umfasst Jugendräume und einen es zu schaffen war“, erinnert sich Peters, „nach vor- großen Festsaal. Unter dem ausgebauten Dach fin- her abgestimmtem Plan kamen da schon mal 20 Be- den kulturelle Veranstaltungen statt, zuletzt beim wohner zusammen, die gemeinsam in der Freizeit auf großen Sommerregen das Gitarrenkonzert. der Baustelle gearbeitet haben.“ „Es ist schon außergewöhnlich, dass ein Dorf mit „Man muss die Gemeindemitglieder einbeziehen”, weltweit die bekannt der R im osenz Gitarrist Ulli Gar ten ucht. D Bögershausen und u Som ftende me Blü r ten ti- Die Speich der perspek treten bei ermäuse si nd en Z ei t schiebt sich Marihn in einer der vi aktiv. Mädchen au Wie aus ei ner and er sses von gemeinsam elen Festve s dem Do n des Schlo im neuen ranstaltun rf sc h an g el egte Garte d sc h af t. gen vi n Gemeinsc haftshaus burgische La auf. die Mecklen 14
context 3/2011 Große Projekte meint Jens Kamin. „So hat ein Großteil der Bevölke- Jahrhundertprojekt Lebensqualität rung kapiert, um was es geht.” Auch Rainer Balzer ist Cittaslow-Anhänger und im Vorstand des neu ge- Weltweit wurden inzwischen bereits 111 Städte, wie gründeten Vereins Dorfgemeinschaft Marihn e.V. Amalfi, Chiavenna oder Überlingen am Bodensee, „25 Aktive sind für ein kleines Dorf enorm viel”, mit dem Cittaslow-Abzeichen zertifiziert. Sie alle meint er. Ziel des Vereins ist, die Cittaslow-Inhalte, setzen mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf die die längst ihre eigenen geworden sind, weiterzutra- Stärkung ihrer Regionalkultur. Dabei verpflichten gen. Befürchtungen, damit als heutiger Ortsteil von sie sich auf Grundlage der Cittaslow-Charta, die auf Penzlin unterzugehen, haben sich nicht bestätigt. der Agenda 21 der Vereinten Nationen fußt, für eine Ganz im Gegenteil: Bei der letzten Stadtverordneten- behutsame und nachhaltige Entwicklung, die das sitzung hat Penzlin beschlossen, sich ebenfalls dem Leben in diesen Städten für Bürger und Besucher kontinuierlich wachsenden, internationalen Netz von spürbar lebenswert erhält. Ihr Augenmerk richtet kleineren Städten anzuschließen, die sich einer be- sich mit bewusstem Blick auf urbane Qualität, auf hutsamen Entwicklung verpflichtet fühlen. se Umwelt- und Infrastrukturpolitik; die Beteiligten för- dern mit Nachdruck die regionalen Erzeugnisse und www.marihn.de ihre Vermarktung, setzen auf Artenvielfalt und land- www.cittaslow.info wirtschaftliche Qualität. Nicht zuletzt sind es die www.schlossmarihn.com „Soft Skills“ dieser Städte, wie Gastfreundschaft und www.dergartenvonmarihn.de engagierte Bürgerschaft, die Projekte im Kleinen peters.architekten-neustrelitz@t-online.de ganz groß rauskommen lassen. ernach- t heute Üb ig e H er re nhaus biete ea u . Si e Das ehemal hohem Niv Ein Spielp sg äs te n K omfort auf n M ar ih n oder die latz der bes tung arten vo on en Schlossg ndschaft. chigen Ap fel hat man deren Art. Auf dem genießen d g en d en La wurmsti- m lie erst komm t, sitzt zuer einen gute n Überblic Idylle der u den auch st oben, an k. Wer zu individuel d ere Spielger - l gestaltet äte wur- . den Park. Im en Wegen durch Auf geschwungen fin de n Be su cher Ruhe und arihn Schlosspark von M sen tlic hen Dinge: eine ng auf die we Ausgleich. Besinnu Himmel. ppe, ein Vogel am Rose, eine Baumgru 15
context 3/2011 Große Projekte Aus Ideen werden Taten Lebensprojekte Was wäre das Leben ohne immer wieder neue Projekte? Manche beginnen klein und wachsen wie von selbst, andere scheitern, um Jahre später wieder ausgegraben zu werden – und viele sind winzig und doch so bedeutend für das eigene Weiterkommen. Ursula Sladek Gründerin der Elektrizitäts- werke Schönau (EWS) N eu, zeitlich begrenzt und mit einem klaren Ziel – das charakterisiert ein Projekt. Zumindest in der Theorie. Dass die Realität oftmals anders aus- sieht, erfahren wir nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben. Trotzdem: Auch wenn ein persön- liches Projekt länger dauert als angenommen oder sich das Ziel mittendrin verschiebt, auch wenn es kei- ne Erfolgsgarantie gibt – wir gehen immer wieder neue Projekte an, manchmal mit kleinen, manchmal mit recht großen Zielen. Oft sind es Schlüsselereignisse, die uns den Anstoß geben, ein Projekt in Angriff zu nehmen. Das mag für einen Schüler die Fünf im Zeugnis sein, die ihn dazu bringt, das Projekt Schule mit etwas mehr Fleiß anzu- gehen. Für einen Erwachsenen kann der Wille, beruf- lich weiterzukommen, den Anstoß geben, mit der ganzen Familie ins Ausland zu gehen (siehe Interview Seite 18). Manchmal sind es Katastrophen, die Menschen dazu animieren, weitaus größere Projekte anzugehen, die über die persönliche Ebene hinaus- wachsen. So war es das Reaktorunglück von Tschernobyl, das Ursula Sladek – Mutter von fünf Kindern – zu ihrem inzwischen sehr erfolgreichen Projekt brachte: Als 1986 durch den GAU eine radioaktive Wolke über Deutschland hinwegzog, gründete sie zusammen mit ihrem Mann und anderen Eltern aus dem Städtchen 16
context 3/2011 Große Projekte Schönau im Schwarzwald die Initiative „Eltern für Meinungsverschiedenheiten mit einem der Mitbe- eine atomfreie Zukunft“. Ihr Kampf gegen verkruste- gründer. Erst spät, 1901, wenige Jahre vor seinem te Strukturen und für den ausschließlichen Einsatz re- Tod, erhielt Dunant als Anerkennung für seinen uner- generativer Energien mündete in der Übernahme des müdlichen Einsatz den Friedensnobelpreis. Stromnetzes der Stadt und gleichzeitig der Gründung Es sind diese Grundüberzeugungen der Menschlich- der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) im Jahr 1994. keit und des Umgangs mit der Natur, die einzelne Ein echtes Erfolgsprojekt: Konnte die frischgebackene Menschen dazu bringen, große Projekte in Angriff zu Geschäftsführerin im Gründungsjahr lediglich 1.700 nehmen, Lösungen für verfahrene Situationen zu su- Kunden verbuchen, sind es heute über 100.000. Die chen. Manchmal kann es aber auch nur eine ver- „Stromrebellen“, wie sie von den Zeitungen genannt rückte Idee sein, die in einem Projekt mündet. So wurden, sind inzwischen fest etabliert, über die Gren- schlug im Jahr 1993 der Internet-Pionier Rick Gates Henry Dunant (1828-1910) Jimmy Wales (2008) Gründer des Internationa- Mitbegründer von len Komitees vom Roten Wikipedia Kreuz (IKRK) zen Deutschlands hinaus bekannt und geachtet. Für in einer Newsgroup vor, eine Online-Enzyklopädie zu ihren Einsatz wurde Ursula Sladek im April dieses Jah- entwickeln. Doch sein Projekt mit dem Namen Inter- res in San Francisco der international bekannte Um- pedia kam über das Planungsstadium nicht hinaus. weltpreis „Goldman Environmental Prize“ überreicht. Erst 2000 gingen der Internet-Unternehmer Jimmy Eine ganz andere Katastrophe brachte vor rund 150 Wales und der damalige Philosophie-Doktorand Lar- Jahren einen Schweizer dazu, sich ebenfalls für ein ry Sanger das Projekt erfolgreicher an: Zunächst ent- Projekt zu engagieren und sich vehement für huma- wickelten sie noch eine klassisch angelegte Enzyklo- nitäre Hilfe in Kriegsgebieten einzusetzen: Henry pädie im Internet. Aus dem Projekt „Nupedia“ wurde Dunant war auf Geschäftsreise in Italien und kam am dann jedoch ein Jahr später die heute weltweit be- Abend des 24. Juni 1859 zufällig zum Schlachtfeld kannte, in 260 Sprachen bereitgestellte offene On- von Solferino, wo sich Truppen Sardiniens und Frank- line-Enzyklopädie Wikipedia, die in der deutschen reichs mit der österreichischen Armee einen der blu- Version bereits mehr als eine Million Artikel enthält. tigsten Kämpfe seit Waterloo geliefert hatten. 38.000 Doch es sind nicht immer große, viele Menschen be- Verwundete, Sterbende, Tote lagen auf dem Feld. treffende Projekte, die unser tägliches Leben beein- Niemand half – außer Dunant, der spontan mit Frei- flussen. Gerade die kleinen Projekte können uns willigen die verwundeten Soldaten versorgte, unab- einen großen Schritt weiterbringen. So erreicht der hängig von ihrer Nationalität. Tief beeindruckt von Schüler, der sich nach der Fünf in Englisch vornimmt, diesen Erlebnissen schrieb Dunant schließlich ein endlich regelmäßig Vokabeln zu lernen, wahrschein- Buch, in dem er Ideen entwickelte, wie zukünftig lei- lich nicht nur eine bessere Note. Er macht auch die denden Soldaten geholfen werden könne – auf Basis wertvolle Erfahrung, dass sich Büffeln lohnt und er zu von Neutralität und Freiwilligkeit. Noch heute sind einem Großteil selbst verantwortlich für seinen Erfolg dies die Grundgedanken des „Internationalen Komi- ist. Anke Biester tees vom Roten Kreuz“ (IKRK), das Dunant im Jahr 1863 mitbegründete. Doch während sein Lebenspro- jekt der humanitären Hilfe sich weltweit verbreitete, wurde er selbst aus dem IKRK ausgeschlossen, verur- www.ews-schoenau.de sacht durch Konkurs seiner Unternehmen und tiefe www.icrc.org 17
context 3/2011 Große Projekte Ein Geschenk fürs Leben Arbeiten in einer anderen Welt Gideon Apponsah entschied sich vor sechs Jahren, seinen Job als Senior Audit Manager bei Ghacem Ltd. in Ghana, einer Tochtergesellschaft von HeidelbergCement, aufzugeben. Stattdessen nahmen er und seine Familie die Herausforderung an, nach Deutschland zu gehen und hier zu arbeiten und zu leben. context: Was hat Sie bewogen, ins Ausland zu großzuziehen‘. Du erhältst von jedem Hilfe. Die Ge- gehen? sellschaft ist die Versicherung für den Einzelnen. Von Gideon Apponsah: Damals war ich an einem Punkt, Deutschland wusste ich, dass die Menschen individu- an dem ich dachte, beruflich wie familiär läuft alles eller sind und sich persönlich nicht so eng an die Fa- sehr gut. Andererseits hatte ich nach zehn Jahren in milie und die Gesellschaft gebunden fühlen. der gleichen Firma das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken. Die Frage kam auf, ob ich die Firma verlasse Und was war dann tatsächlich Ihr größter Kultur- oder eine andere Herausforderung annehme. Zu dem schock? Zeitpunkt kam dann ein Stellen- In Bezug auf die Arbeit war es nur ein kleiner Schock, „Als ich ausgewählt angebot im Group Controlling weil ich bereits mein gesamtes Arbeitsleben in inter- wurde, war ich zuerst bei HeidelbergCement in Hei- nationalen Unternehmen tätig war und die Denk- nicht so erfreut, son- delberg, und ich bewarb mich. und Arbeitsweise der Europäer kannte. Ich musste dern dachte: Will ich Als ich ausgewählt wurde, war mich jedoch erst daran gewöhnen, mehr auf mich das wirklich?“ ich komischerweise zuerst nicht selbst angewiesen zu sein und unabhängiger zu so erfreut, sondern dachte: ‚Will ich das wirklich?‘ arbeiten. und zögerte mit meiner Zusage bis zur letzten Minu- Gesellschaftlich war die Umgewöhnung schwerer. te. Aber meine Frau sagte: ‚Du hast keine andere Unglücklicherweise hatte ich gleich zu Beginn ein Wahl. Geh!‘ Für mein berufliches Weiterkommen einschneidendes Erlebnis. Ich war sehr erschrocken, entschied ich mich dann, den Job anzunehmen. als ich während meiner ersten Tage in Deutschland plötzlich einige Kinder auf den Bahngleisen spielen Also haben Sie sich nicht aktiv für Deutschland sah und keiner der anwesenden Erwachsenen die entschieden? Kinder aufforderte, von den Schienen zu gehen. Das Nein, das Angebot, das mich interessierte, war ein- war für mich fremd. In Afrika fühlen sich die Men- fach in Deutschland. Ich komme aus einem Entwick- schen irgendwie mehr füreinander verantwortlich – lungsland und hoffte, es würde aufregend sein, in auch Fremden gegenüber. einem entwickelten Land wie Deutschland zu leben. Was mich aber freute, war, dass meine direkten Als ich jedoch meinen Freunden von meinem Plan Nachbarn gleich am ersten Abend unserer Ankunft berichtete, war die spontane Reaktion: ‚Warum aus- uneingeladen auftauchten und uns spontan Bettwä- gerechnet Deutschland?‘ sche anboten, da wir zu diesem Zeitpunkt noch keine hatten. Was waren Ihre größten Befürchtungen? Auch für meine Familie waren die ersten Wochen Am meisten Angst hatte ich vor dem kulturellen sehr hart. Wir kamen an einem Sonntag in Deutsch- Schock. In Ghana versteht sich die Gesellschaft als land an und am Montag gingen drei meiner vier Kin- großes Team. Zum Beispiel sagen wir in Ghana: ‚Es der bereits in die Schule und mussten direkt mit der braucht eine ganze Gesellschaft, um deine Kinder neuen Sprache zurechtkommen. Und für meine Frau 18
context 3/2011 Große Projekte Gideon Apponsah arbeitet heute als Senior Auditor bei HeidelbergCement in Deutschland mit Sitz in Heidelberg. war das Einkaufen am Anfang ein Alptraum. Aber wir erhielten gute Unterstützung vom Relocation Ser- vice. Glücklicherweise hat uns HeidelbergCement Sprachunterricht angeboten, und das hat eine Men- ge geholfen. Eine weitere Umstellung war, dass wir mit vier Kindern in Ghana zwei Haushaltshilfen hat- ten. Hier in Deutschland ist dies so nicht üblich und wir mussten auf diese Unterstützung verzichten. Ne- benbei: Meine größte negative Überraschung war die Autoversicherung. Ich musste bei 125 Prozent beginnen – meine gesammelte Erfahrung als Fahrer zählte gar nicht. Das war teuer. Was gefällt Ihnen am meisten in Deutschland? Sie werden es nicht glauben, aber es ist das Wetter! Der Wechsel der Jahreszeiten ist wunderbar und ich mag sogar die Winter – jedoch nicht die besonders extremen. Ein anderer Aspekt ist, dass ich nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren muss, sondern die S-Bahn nehmen kann. Das ist um einiges entspannter als der Stau auf dem Weg zur Arbeit in Ghana. Was vermissen Sie aus Ghana? Einige Lebensmittel. Doch wir haben uns leicht an das europäische Essen gewöhnen können und acht- zig Prozent unseres Essens ist europäisch. Meinen Sie, dass es ein großes Projekt war, nach Deutschland zu gehen, oder gibt es andere Dinge in Ihrem Leben, die eher diesen Titel verdienen? Bis jetzt war es das größte Projekt für meine Familie Vierzig Jahre lang in einem Teil der Welt zu leben und und mich. Und ein sehr erfolgreiches dazu – eine dann zu einem ganz anderen Teil des Globus zu durchweg gute Lebenserfahrung, etwas, das ich wie- wechseln, ist zudem eine Chance, die sich nur weni- der tun würde. gen bietet. Wir haben nun zwei komplett unter- schiedliche Kulturen, Denk- und Lebensweisen ken- In welchem Umfang hat Ihre Entscheidung Ihr nengelernt – jede hat ihre Vor- und Leben und das Leben Ihrer Familie verändert? Nachteile, keine ist besser, nur anders. Die „Gleichwohl bin ich Ich bin nicht sicher, ob mein Aufenthalt in Deutsch- einzige Befürchtung, die ich heute habe, froh, diesen Umzug in land mich als Person verändert hat, aber er hat zwei- ist, dass meine Kinder diesen Vorteil eines eine neue Welt gewagt fellos meinen persönlichen und beruflichen Horizont derart weiten Blickes auf die Welt und des zu haben. Ich fühle erweitert – wie es bei Reisen normalerweise üblich erweiterten Horizonts verlieren könnten. mich in meinem Leben ist. Wenn man dann in einem Land wohnt, das man Denn unwillkürlich fühlen und benehmen bereichert.“ zuvor nur aus den Nachrichten im Fernsehen kannte, sie sich mittlerweile sehr deutsch, und lei- werden einige Vorstellungen, die man von dem Land der sprechen sie ihre Muttersprache kaum noch – Twi, hat, bestätigt, andere werden über Bord geworfen. eine von vierzig Sprachen in Ghana. Alles in allem, sowohl in beruflicher wie in privater Gleichwohl bin ich froh, diesen Umzug in eine neue Hinsicht, ist es bis jetzt eine lohnende Erfahrung ge- Welt gewagt zu haben. Ich fühle mich in meinem Le- wesen – auch für meine Familie. ben bereichert. Das Gespräch führte Anke Biester 19
context 3/2011 Große Projekte Damit fing alles an: Der „Big Bang“ ereignete sich vor ca. 13.700.000.000 Jahren. quergedacht Fakten zum Thema „groß“ D amit sich etwas „groß“ nennen darf, braucht es keine überdimensionierten Ausmaße. Manch- mal reicht auch nur das Mystische. Das Wort „groß“ Architekt Rem Koolhaas, Verfasser desselben, ging später dazu über, Bigness zu proklamieren. Blickt man von den USA aus gesehen über den Groß- hat viele unterschiedliche Bedeutungen, je nach en Teich in Richtung Osten, begegnet man häufiger Standpunkt des Betrachters. Fakt ist, dass „groß“ in dem Wort „groß“ – big, great, grande. So zum Bei- vielen Sprachen und häufig im Zusammenhang mit spiel in London dem Big Ben, in Venedig dem Canal geografischen topoi genannt wird. Grande oder der Großen Freiheit in Hamburg. Ge- Etwas wirklich „Großes“ passierte vor 13,7 Milliar- schichtlich gesehen sind die Franzosen La Grande den Jahren: Das Universum entstand. Der Big Bang Nation. Zu verdanken haben sie dies einem Mann hatte weitreichende Folgen: Eine ist die Entstehung kleineren Ausmaßes, dafür aber mit Größenwahn. des Homo sapiens vor etwa 200.000 Jahren. Im Un- Auch die Chinesen können mit großen Projekten auf- terschied zu anderen Lebewesen hat der Homo sapi- warten. Das bekannteste Großprojekt in der chine- ens ein ausgeprägtes Großhirn, mit dem sich „große sischen Geschichte ist die Große Mauer. Mit ihren Taten“ vollbringen lassen. Es wären zu viele, um alle Dimensionen zeugt sie selbst im Weltall noch von aufzuzählen. Allerdings dürfte das Fresko das Jüngste den großen Plänen menschlichen Handelns. Eigent- Gericht von Michelangelo wohl als eine unter ihnen lich als Schutzwall gegen feindliche Übernahmen ge- gelten. Auch heute noch versetzt der Anblick seines baut, avancierte die Große Mauer im Zuge der Wie- Opus magnum aus dem Jahre 1541 die Menschheit derentdeckung der eigenen „großen Vergangenheit“ in großes Staunen. zu einem nationalen Symbol Chinas. Heute wandern Später dann, als die Welt der Aufklärung noch in den große Massen von chinesischen und ausländischen Kinderschuhen steckte, geschah es, dass ein kleines Touristen tagtäglich auf der Mauer, um große Ge- Mädchen mit einer erdbeerfarbenen Kopfbedeckung schichte leibhaftig zu erfahren. Umrundet man mit in den Wald ging, um der geschwächten Großmutter dem Zeigefinger den Erdball, lassen sich noch weitere Essen zu bringen. Doch ein Tier mit extrem großen Orte herauskristallisieren, die mit dem Attbribut Augen hatte etwas anderes mit dem Mädchen vor… „groß“ versehen sind. Da wären der Grand Canyon, Das große Fressen wurde es für den Haarigen aber der Rio Grande und auch die Großen Seen. Das Lied nicht und die Geschichte ging im Großen und Ganzen Big in Japan von Alphaville hingegen meint nicht das gut aus. Land. Vielmehr erzählt es von einem Ort, an dem je- Im Jahre 1977 und damit 280 Jahre später entstand der „groß“ sein kann, ganz so wie „ein König in einer unweit des Big Apple ein retroaktives Manifest. Der anderen Welt“. Das ist großartig! Insa Meyer 20
context 3/2011 Große Projekte Die ersten Spuren des „Homo sapiens“ sind ca. 200.000 Jahre alt. Die „Große Mauer“ entstand über- wiegend während der Ming-Dynastie von 1368 bis 1620 n. Chr. in China. 1697 n. Chr. schrieb der Franzose Charles Perrault das Märchen „Le Petit Chaperon rouge“. Es gilt als Big Vorlage für das Märchen „Rotkäppchen und der Wolf“. 1909 n. Chr. tauchte die Bezeichnung „Big Apple“ für New York erstmals im Roman „The New Wayfarer“ von Ed- ward S. Martin auf. Bei der Generalprobe 1857 n. Chr. bekam die Glocke „Big Ben“ im „The Clock Tower“ in London wegen unpräzi- ser Berechnungen ei- nen Riss und musste neu gegossen werden. 21
context 3/2011 Produkte und Projekte Berliner Frauenpower Kombilösung für Karlsruher Innenstadt In Karlsruhe stößt die Untertunnelung der Innenstadt auf Zustimmung. Am Marktplatz wird der Spezialtiefbau von Jenny Kröning geleitet. Die junge Bauingenieurin bringt Hauptstadterfahrung in die badische Metropole. P ralle Sonne, blondes Haar, Standort: Saint-Tro- pez? Falsch geraten! Wir befinden uns Kaiserstra- ße, Ecke Lammstraße mitten in der Karlsruher Innen- rufswahl. Projektmanagement gehört zum Bauinge- nieurstudium, sicher auch Qualitätssicherung und Monitoring, aber Mitarbeiterführung? „Ich habe stadt und lassen uns von Bauleiterin Jenny Kröning meist wechselnde Mannschaften von jeweils vier bis die komplexen Abläufe im Spezialtiefbau erklären. sechs Männern“, sagt sie, „das klappt gut.“ Beim Ihr Thema ist die Baugrubenumschließung mit Bohr- Tunnelbau in Tirol habe sie erkannt, dass sie Potenzi- pfahlwänden und temporären Spundwänden. Um al zur Leitung habe, so Jenny Kröning, die unter eine dichte Baugrube als Basis für das größte Infra- Schwestern, also nicht gerade in einer Männerdomä- strukturprojekt der Stadt zu schaffen, wird vor Ort ne aufgewachsen ist. Als ihr ein Projektleiter in Berlin auch die Sohle mit Hochdruckinjektionen stabilisiert, zum Geburtstag vor zwei Jahren einen Stadtplan von die in zwanzig Metern Tiefe bis zu drei Meter in den Karlsruhe in die Hand drückte, war gleich klar, wel- Boden reichen. „Hohe Umweltauflagen und Sicher- cher Aufgabe sie sich künftig stellen würde. Heute heitsbestimmungen fordern bei diesem Bauvorhaben begleitet die Bauingenieurin Kröning nicht selten eine ganz besondere Zementgüte“, meint die Bauin- Bauherrenvertreter der KASIG, der Karlsruher Schie- genieurin von der GSB Grund- und Sonderbau neninfrastruktur-Gesellschaft, zu Terminen mit den GmbH, „insgesamt 100.000 Tonnen Zement bauen gewerblichen Anwohnern, um fachlich aus erster wir im Stadtbahntunnel ein.“ Hier darf sich beim Hand direkt die unmittelbar anstehenden Bauabläufe Aushub und auch später kein angrenzendes Haus zu erläutern. signifikant bewegen, das wird kontinuierlich an Kommunikation mit allen Beteiligten gehört mit zum Messgeräten verfolgt. Für das Vermörtelungsverfah- Geschäft und ist in Karlsruhe wohl auch das Geheim- ren mit Zementsuspension liefert das Heidelberg- nis für das konstruktive Klima zwischen Anrainern Cement-Werk Schelklingen Zement der Güte CEM I und Baubeteiligten. Bereits vor neun Jahren entschie- 42 5R just in time, sprich fast rund um die Uhr auf die den sich die Karlsruher Bürger in einer Abstimmung Baustelle. Die Baugrube ist einer der ersten Bauab- für das weitreichende Infrastrukturprojekt, das ihnen schnitte des unterirdischen Stadtbahntunnels und der einen reibungslosen Verkehrsfluss, ein noch leis- jeweiligen Haltestellen, also weiterer Ingenieur- tungsfähigeres Nahverkehrsnetz und zusätzlich eine bauten. Sie läuft direkt an den Eingängen der ortsan- attraktive, verkehrsberuhigte Flaniermeile verspricht. sässigen Kaufhäuser und Ladengeschäfte vorbei. Da Denn tatsächlich hat sich das Verkehrsaufkommen ist manche Nachtschicht gefordert, damit am nächs- im Karlsruher Verkehrsverbund seit 1985 mehr als ten Morgen wieder ein provisorischer Zugang über verdreifacht. Mehr als 170 Millionen Fahrgäste nut- die gesicherte Grube in die Warenhäuser führt. zen das Netz pro Jahr. Das spricht für die hohe Ak- Erfahrung hat die junge Frau schon während ihres zeptanz des öffentlichen Nahverkehrs, der über die Bauingenieurstudiums in Leipzig gesammelt. Am Stadtgrenzen hinaus einen guten Ruf hat. Gleichzei- Hackeschen Markt in Berlin übernahm sie nach dem tig hat das Karlsruher Verkehrsaufkommen inzwi- Diplom vor drei Jahren ihre erste Bauleitung. „Ich ar- schen die Grenzen der Belastbarkeit erreicht. Künftig beite gerne unter freiem Himmel“, erklärt sie ihre Be- sorgt die Kombilösung in der Innenstadt – sprich die 22
context 3/2011 Produkte und Projekte Bauleiterin Jenny Kröning bringt die komplexen Abläufe des Spezialtiefbaus locker an den Mann. Verlegung der Stadtbahn unter die Erde, der durch- gängige Autotunnel sowie eine neue Straßenbahn- trasse zwischen Radwegen und Baumalleen – für den reibungslosen und stressfreien Verkehrsfluss in der Innenstadt. Wie das aussehen wird, kann dank inter- Objektsteckbrief aktivem Streckenplan auf einer Website genau ver- Gesamtprojekt: Die Kombilösung Karlsruhe: Stadtbahn- folgt werden. Mit wenigen Mausklicks lässt sich er- tunnel, Straßenbahntrasse, Autotunnel, Karlsruhe fahren, wie der Streckenverlauf aussieht, wann Bauherr: Schieneninfrastruktur-Gesellschaft mbH, Karls- welche Baumaßnahme erfolgt und wie lange sie dau- ruhe ert. Selbst Lage und Aussehen der jeweiligen Halte- Bauweise: Kombination aus moderner Tunnelbauweise stellen werden transparent vermittelt, fast so, als ob und offener Bauweise alles schon fertig wäre, zumindest in der eigenen Spezialtiefbau: Arge Stadtbautunnel Karlsruhe, GSB Grund- und Sonderbau GmbH, Berlin, zusammen mit Fantasie. Was sich der Bürger vorstellen kann, schafft Alpine Bau Deutschland GmbH weniger Vorbehalte. Hinzu kommt, dass die Kombi- Produkt: Zement CEM I 42 5R, Lieferwerk Schelklingen, nation aus offener Bauweise und modernster Tunnel- 100.000 Tonnen bohrtechnik tatsächlich eine möglichst geringe Be- Fertigstellung: 2019 einträchtigung der Karlsruher mit sich bringt. Viele der künftigen Bauarbeiten werden sich unbemerkt von Anliegern und Geschäftskunden unter der Erde klaus.felsch@heidelbergcement.com abspielen. se www.diekombiloesung.de 23
context 3/2011 Produkte und Projekte Über den Wolken Großbaustelle Flughafen Willy Brandt Der Flughafen Berlin Brandenburg ist ab 2012 Dreh- und Angelpunkt des gesamten Flugverkehrs der Region Berlin- Brandenburg. Kurze Flugzeiten nach Osteuropa und Asien sind sein strategischer Vorteil. Die Bauten werden mit großen Mengen Kalksandstein, Easycrete SF, Leichtbeton und Mörtel von HeidelbergCement realisiert. E igentlich ist man an die provisorischen Abflughal- len der Billigflieger gewöhnt. Vorbei an Plakaten mit digital verjüngten „Babyfaces“ bekannter Politi- des holländischen Architekten E. F. Groosman für den sinnvollsten Entwurf: „Fliegen ist das Scheußlichste, was es gibt“, hieß es darin. „Die Luftfahrtgesell- ker schiebt sich der Fluggast in aller Herrgottsfrühe schaften wissen das genau und versuchen mit schö- durch improvisierte Gänge, um nach Dublin oder in nen Mädchen und gutem Essen dem ‚gekäfigten‘ den Rest der Welt zu fliegen. Nun, zwanzig Jahre Menschen das Leben ertragbar zu machen.“ Sein nach der Wende, sind die Zeiten des anheimelnden Weckruf ermutigte zum Bau eines futuristisch anmu- Provinzflughafens vorbei. Ab 2012 haben Berlin und tenden Flughafens, der nun, knapp 40 Jahre nach Brandenburg einen Großflughafen, der den Anforde- Fertigstellung, den Anforderungen der modernen rungen künftiger Mobilitätserwartungen entspricht. Luftfahrt nicht mehr genügt. Ursprünglich für fünf Die Anlage wurde um über 900 Hektar auf 1.470 Millionen Passagiere geplant, beförderte er 2010 zu- Hektar erweitert: Das entspricht, um eine Größen- letzt 15 Millionen. vorstellung zu haben, rund 2.000 Fußballfeldern. Al- So wird ab 2012 der gesamte Flugverkehr der Region lein am Hauptpier entstehen über sechzehn Flug- über den Flughafen BER abgewickelt. Das Konzept gastbrücken. Bis zu 6.500 Fluggäste können in einer sieht einen „Flughafen mit kurzen Wegen vor, bei „Spitzenstunde“ zeitgleich starten oder landen. dem das Terminal zwischen den beiden parallel ange- Vorgreifend wurde 2008 bereits der legendäre Flug- legten Start- und Landebahnen liegt, (…) ein Flugha- hafen Tempelhof geschlossen. Und pünktlich zur Ein- fen der neuen Generation: kostengünstig, funktional, weihung des neuen Großflughafens Willy Brandt im weltoffen mit moderner Architektur. Geschäftsrei- nächsten Jahr werden auch die letzten Maschinen senden, Touristen und Unternehmen wird die Haupt- Die Airport City des BER bietet Hotels, über den Wedding fliegen. Der ringförmig angeord- stadtregion mit dem BER einen Airport mit besten Einzelhandels-, nete Flughafen Tegel wird dann endgültig geschlos- Verbindungen anbieten können, mit internationalen Gastronomie- und sen. Diesen – zwischen 1965 und 1975 von Gerkan, Flügen, eigenem Autobahnanschluss und einem Serviceflächen, Marg und Partner als Drive-in-Flughafen erbaut – Bahnhof direkt unter dem Terminal“, so die Flugha- zugeschnitten auf die Bedürfnisse hatte damals der „Spiegel“ als einen der „mo- fengesellschaft über das Jahrhundertprojekt. einer internationalen dernsten Europas“ angekündigt. Im März 1966 be- Öffentliche Bauvorhaben dieser Größenordnung Klientel. richtete das Nachrichtenmagazin von einem Appell werden von der Öffentlichkeit kritisch begleitet. Bei 24
context 3/2011 Produkte und Projekte Objektsteckbrief Projekt: Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt Bauherr: Flughäfen, Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH Beteiligte Unternehmen: HeidelbergCement: Fluggastterminal, Frachtgebäude, (Partner von HC beim Bau) Fluchttunnel, Gepäckabfertigung, Energie- und Not- stromzentrale, Lufthansa Trainingszentrum, diverse La- BAM Deutschland AG, die BSS Beton-Sys- gerhallen und Bürogebäude sowie Intercity-Hotel tem-Schalungsbau GmbH, Berlin, Ed. Züb- Betonproduzent : Zentrale Betonmischanlage BBI (ei- gens für das Bauvorhaben errichtet) lin AG, NCC Deutschland GmbH, Max Bögl Beratung: Betotech GmbH & Co. KG Bereich Berlin Bauunternehmung GmbH & Co. KG, DIW Brandenburg, eine Beteiligung von Heidelberger Beton Dresdner Industrie- u. Wohnungsbauge- GmbH sellschaft mbH, IMHO Bau GmbH, RDH Kosten: 4 Mrd. EUR, inkl. Drittinvest Bauservice GmbH, die Stuck-Metzke GmbH Fertigstellung: 2012 oder die Märkische Ingenieur Bau GmbH und andere mehr. der konkreten Umsetzung stehen Lärmschutz, Brand- Nach Fertigstellung werden von den 27 Millionen schutz und energetische Aspekte an vorderer Stelle. Passagieren, die künftig auf dem Flughafen Willy Viele der beteiligten Unternehmen realisieren ihre je- Brandt starten und landen, nur wenige die Planungs- weiligen Projekte vor Ort mit Bauprodukten von und Arbeitsleistung der unzähligen Architekten, In- HeidelbergCement, die dem hohen technischen und genieure und Bauarbeiter erkennen, geschweige wirtschaftlichen Anspruch gerecht werden. Sie setzen denn die einzelnen Produkte wahrnehmen, die im etwa auf kompetente Beratung seitens der Betotech, gesamten Baukomplex stecken. der Betonprüfstelle in Berlin, die als Schnittstelle Heute deckt ein Flughafen neben den Flugverbin- zwischen Baustoffproduktion und Baustoffverwen- dungen auch das weite Feld der „Non-Aviation“ ab. dung zum passgenauen Einsatz adäquater Produkte Marktplatz BER, Airport City und Business Park Berlin beiträgt. sind die Stichworte, die das gesamte Dienstleistungs- So stecken im massiven Rohbau des gesamten Flug- und Wirtschaftspektrum anreißen, das hier angesie- hafenkomplexes 2.000 Kubikmeter Leichtbeton ver- delt und mit Leben gefüllt werden will. So hat sich schiedener Güten von LC 25/28 bis LC 40/44, für das riesige Areal um den neuen Hauptstadtflughafen weitere Bauteile wurde der Lieferauftrag erweitert. auf Berliner wie auf Brandenburger Gebiet zu einem Rund 600 Kubikmeter des fließfähigen Betons Easy- gigantischen Investitionsstandort entwickelt, der – so crete SF wurden bisher im Bereich der Gepäckabferti- eine Presseverlautbarung – „nahezu alle Nutzergrup- gung verbaut sowie etwa 800 Kubikmeter Mörtel der pen, Handel, Logistik, Büro, Hotellerie, Freizeit, Kon- Güten M 5 und M 10 aus dem Lieferwerk des MDB gress und Konferenz, Gewerbe und Light Manufac- Mörteldienst GmbH & Co. KG Berlin-Brandenburg. turing“ umfasst. se Im Passagier- und Verwaltungsbereich stecken bisher 2.000 Kubikmeter Kalziumsulfatestrich, die bisher ebenfalls der MDB geliefert hat. Außerdem wurden und werden im Flughafenareal auch 5.000 Kubikme- ter Kalksandstein für Trennwände verbaut, teils als www.berlin-airport.de Industriesichtsteine für Sichtmauerwerk, teils als Hin- www.heidelberger-kalksandstein.de termauerwerk für verputzte Innenwände. www.betotech.de se 25
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