Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag

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Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
Ausgabe 3 | 2021

«Mehr Partizipation»
Wie Kinder bei Fremdplatzierungen
 künftig mitreden werden – S. 34

                                    Fachzeitschrift Curaviva
                                    Verband Heime & Institutionen Schweiz

                                    Trägerschaften
                                    Wie sie funktionieren und warum es harzt
Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
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Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
«Die Trägerschaften haben
in diesem von einer hohen
Dynamik geprägten Prozess
eine zentrale Verantwortung.»

  Elisabeth Seifert
  Chefredaktorin

Liebe Leserin,
lieber Leser
Institutionen für Menschen mit Unterstützungsbedarf zu lei­      strukturen im Gesundheits­ und Sozialbereich (Seite 6). Ganz
ten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Das ist eine Binsenweis­   im Sinn der liberalen Tradition der Schweiz haben seit je und
heit, die Ihnen noch viel besser bekannt ist als mir und die     bis heute neben staatlichen Organisationen auch private Trä­
man doch nicht oft genug wiederholen kann. Neben der fach­       gerschaften mit gemeinnützigem Zweck eine grosse Bedeu­
lichen haben die Leitungspersonen auch eine hohe unter­          tung. Zwei wissenschaftliche Mitarbeiter von Curaviva
nehmerische Verantwortung. Das gilt für die Leitungen der        Schweiz, Michael Kirschner und Thierry Bugnard, haben ei­
schweizweit rund 1600 Alters­ und Pflegeheime, der zirka         gens für diese Ausgabe der Fachzeitschrift die Rechtsformen
1000 Institutionen für Menschen mit Behinderung sowie eini­      der Trägerschaften von Alters­ und Pflegeheimen sowie von
ger hundert Einrichtungen für Kinder und Jugendliche.            sozialen Institutionen analysiert (Seite 11). Im Bereich Alter
Die Verantwortlichen haben oft mit knappen Ressourcen aus­       etwa ist für die letzten rund 15 Jahre ein deutlicher Anstieg
zukommen, was einen möglichst effizienten Einsatz der fi­        der Zahl von Institutionen zu beobachten, die als Aktienge­
nanziellen Mittel erfordert. Eine besondere Herausforderung      sellschaften (gemeinnützige und auch profitorientierte) orga­
ist die Aufgabe, zukunftsgerichtete Angebote entlang der sich    nisiert sind.
verändernden Bedürfnisse der Klientel zu entwickeln. Dazu        Die zentralen Herausforderungen, die sich den Aufsichtsgre­
gehört insbesondere, den Wandel weg von den klassisch stati­     mien der Institutionen derzeit stellen, beschreiben sechs Ex­
onären, hin zu den teilstationären, intermediären und ambu­      pertinnen und Experten der Beraterbranche (Seite 17). Alles
lanten Dienstleistungen zu bewältigen. Ein Gebot der Stunde      andere als selbstverständlich ist eine für die erfolgreiche
ist hierbei, die technologischen Entwicklungen zu nutzen, um     Steuerung einer Institution nötige gute Zusammenarbeit zwi­
sich über die Institutionsgrenzen hinaus mit anderen Anbie­      schen einer nebenamtlich tätigen Aufsicht sowie einer haupt­
tern zu vernetzen. Erschwerend indes ist, dass im Gesund­        amtlichen Institutionsleitung. Ein anschauliches Beispiel lie­
heits­ und Sozialbereich die unternehmerische Freiheit be­       fert der Zwist zwischen einer Pflegeinstitution und der als
grenzt wird durch eine hohe Regulierungsdichte mit vielen        Zweckverband mehrerer Gemeinden organisierten Träger­
Vorgaben und klar definierten Finanzierungsflüssen.              schaft (Seite 22). Dass die Zusammenarbeit aber auch sehr gut
Neben der operativen Leitung haben die Trägerschaften in         funktionieren kann, zeigt das Porträt von Irene Graf, der Vor­
diesem von einer hohen Dynamik geprägten Prozess eine zen­       standspräsidentin von Traversa Luzern, einer Einrichtung, die
trale Verantwortung. Die Mitglieder eines Verwaltungsrates,      Menschen mit psychischer Behinderung unterstützt.              •
eines Stiftungsrates, eines Vereinsvorstands oder einer Kom­
mission zeichnen als oberste Instanz verantwortlich für alle
betrieblichen Belange, für eine erfolgversprechende Strategie
sowie für die passende Organisationsstruktur.
Die Beiträge in diesem Heft wollen zur Orientierung in diesem
anspruchsvollen Aufgabenfeld beitragen. Im Gespräch mit der      Titelbild: Eine Verwaltungsrätin bei der Arbeit. Die nebenamtliche Tätig-
                                                                 keit der Aufsichtsgremien von sozialmedizinischen und sozialen Institu-
Fachzeitschrift erörtert Markus Gmür, Direktor des Instituts     tionen erfordert ein grosses Know-how in vielen Bereichen.
für Verbandsmanagement, die verschiedenen Unternehmens­                                                                 Foto: Adobe Stock

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Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
IMPULSTAG 10

         STRATEGIEN FÜR FÜHRUNGSORGANE
         VON SOZIALEN INSTITUTIONEN

         Inhalt
         In einer Zeit komplexer Anforderungen gilt es für soziale Einrichtungen immer wieder, jene
         richtige Strategie zu finden, die menschliche Führung und wirtschaftlich kluges Handeln
         zulässt. Lösungen und Richtungsweisungen finden Institutionsleitende sowie Verantwortli-
         che in Stiftungen und Kommissionen, indem sie sich mit neuen Führungsstrategien und
         notwendigen Führungskompetenzen auseinandersetzen.

         Die Impulsveranstaltung beleuchtet zukünftige Herausforderungen für Institutionen
         und zeigt auf, wie sich diese auf die Führungskräfte auswirken und welche Führungsstrate-
         gien eingesetzt werden können. Die Referierenden analysieren Erfolgsfaktoren und
         stellen anhand von Praxis- und Fallbeispielen Instrumente und Vorgehensweisen bei einem
         Strategiewechsel vor.

         Beantwortet wird zudem die Frage, welche Schlüsselkompetenzen bei einer Stellenbeset-
         zung eine gute Ausgangslage für eine erfolgreiche Führung darstellen. Diese Frage-
         stellung kann den Teilnehmenden an der Veranstaltung auch im Sinne einer Standortorien-
         tierung dienen, um sich die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu vergegenwärtigen.

         Referierende:
         –   Peter Saxenhofer, Geschäftsführer INSOS Schweiz
         –   Judith Bühler, Inhaberin inspira consult gmbh
         –   Kurt Altermatt, Präsident der Stiftung Wohnen und Arbeiten Solothurn, Discherheim
         –   Andreas Dörig, Personalberater, Personalberatung von CURAVIVA Schweiz

         Datum / Zeit 14. September 2021, 13.45 bis 16.45
         Ort             Hotel Astoria, Olten

         Kosten          Mitglieder CURAVIVA Schweiz / INSOS Schweiz CHF 140.–
                         Nichtmitglieder CHF 170.–
                         (inkl. Begrüssungs- und Pausenkaffee, Tagungsunterlagen)
         Anmeldung       erfolgt elektronisch unter www.bildungsangebote.curaviva.ch
         Organisation Personalberatung von CURAVIVA Schweiz

                                                                      www.curaviva.ch/personalberatung

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Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
Markus Gmür                                         Irene Graf                                             Kathrin Schweizer

                                          6                                                24                                                    35
   Inhaltsverzeichnis

Trägerschaften                                                                             Kinder & Jugendliche
«Vulnerable Gruppen nicht den Marktinteressen opfern»                               6      «Mehr Partizipation»                                                                   35
Markus Gmür vom Freiburger Institut für Verbandsmanagement                                 KOKES-Präsidentin Kathrin Schweizer über die jüngst formulierten
über die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Betriebsstrukturen                           42 Empfehlungen an die Kantone, wie sie die Mitspracherechte der
sozialer und sozialmedizinischer Institutionen.                                            Kinder bei Fremdplatzierungen stärken sollen.

Siechenhäuser und marktwirtschaftliche Unternehmen               11                        Kritische Fragen zu einer Branche im Wandel                                            38
Wie es kommt, dass es derart viele Rechtsformen von Trägerschaften                         René H. Bartl war viele Jahre Heimerzieher und Heimleiter.
gibt – und welche zukunftsträchtig sind. Eine Übersicht.                                   Er fragt, was sich in der Sozialpädagogik in dieser Zeit verändert
                                                                                           hat und ob dies immer zum Guten war.
Stolpersteine erkennen und umgehen                                                 17
Sechs Beraterinnen und Berater benennen heikle Punkte im                                   Menschen mit Behinderung
Zusammenspiel von Trägerschaft und Institutionsleitungen – und                             Aufmerksamkeit als Schlüsselwort                                                       41
erläutern Lösungsstrategien.                                                               Welches sind die besonderen Herausforderung bei der Pflege von
                                                                                           Menschen mit Behinderung? Eine Umfrage von Curaviva Schweiz
Zermürbende Erfahrung                                                22                    macht deutlich, wo die Schwierigkeiten liegen.
Ein Heimleiter tritt neu eine Stelle an, will die Institution in die
Zukunft führen und scheitert an der real existierenden Trägerschaft.                       Alter
                                                                                           «Künftig ganz verschiedene Wohnmodelle»                                                45
Zurückhaltung als Führungstugend                                                   24
                                                                                           Die Coronakrise beschleunigt den Ausbau dezentraler Pflege-
Irene Graf ist Vorstandspräsidentin bei Traversa Luzern.
                                                                                           angebote. Markus Leser, Leiter Fachbereich Alter von Curaviva
Sie empfiehlt den Vorständen Vertrauen in die Institutionsleitungen.
                                                                                           Schweiz, über die Konsequenzen dieser Entwicklung.

Mehr Freiheit, aber auch mehr Unsicherheit                         27
                                                                                           Rechtzeitige Warnmeldung                                                               49
Im Kanton Bern sollen fünf Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe
                                                                                           Zum Job-Stress-Analyse-Tool gibt es neu auch das «Spezialmodul
privatisiert werden. Was ändert sich für die Heimleitungen?
                                                                                           Langzeitpflege» Es hilft Institutionsleiterinnen und -leitern
                                                                                           herauszufinden, was gut läuft und was weniger.
Waadtländer Leitfaden                                           29
Der Kanton Waadt hat einen Ratgeber geschaffen, wie Vorstand und
                                                                                           Journal
Geschäftsleitung miteinander am besten klarkommen.
                                                                                           Buchtipp                                                                               52
Bildung für Verwaltungsräte                                                        32      Carte Blanche                                                                          53
Auch Mitglieder einer Trägerschaft müssen Fachkompetenz haben.                             Kurznachrichten                                                                        53
Sie können es lernen – in speziellen Weiterbildungskursen.
                                                                                           Stelleninserate                                                                        21

                                        FSC Zertifikat

   Impressum: Redaktion: Elisabeth Seifert (esf), Chefredaktorin; Urs Tremp (ut); Claudia Weiss (cw); Anne-Marie Nicole (amn) • Korrektorat: Beat Zaugg • Herausgeber:
   CURAVIVA – Verband Heime und Institutionen Schweiz, 91. Jahrgang • Adresse: Hauptsitz CURAVIVA Schweiz, Zieglerstrasse 53, 3000 Bern 14 • Briefadresse: Postfach,
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   Publikation2021 Juli/August Sommerausgabe • Auflage (deutsch): Druckauflage 4000 Ex., WEMF/SW-Beglaubigung 2020: 2737 Ex. (Total verkaufte Auflage 2566 Ex.,
      FOKUSSIERT
      KOMPETENT
      TRANSPARENT  Total Gratisauflage 171 Ex.), Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach Absprache mit der Redaktion und mit vollständiger Quellenangabe.       ISSN 1663-6058

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Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
Trägerschaften

                 Zur Bedeutung von Nonprofit-Organisationen im Sozial- und Gesundheitsbereich

                 «Es gibt einen Imagevorteil staatlicher
                 und gemeinnütziger Träger»

                                                                                     es deutliche Unterschiede: In skandinavischen Ländern behält
                 Markus Gmür* vom Fribourger Institut für                            der Staat grosse Teile des Sozial- und Gesundheitssektors in
                 Verbandsmanagement analysiert die Vor- und                          eigener Regie. In den USA gibt es besonders im Bereich der
                 Nachteile unterschiedlicher Betriebsstrukturen                      Hochschulbildung viele als private Stiftungen organisierte
                 sozialer und sozialmedizinischer Institutionen. Für                 Hochschulen. Das sieht in der Schweiz ganz anders aus.
                 alle gleich wichtig ist die professionelle Leitung –
                 gerade auch durch die Aufsichtsgremien.                             Anders als zum Beispiel in Skandinavien wird in der Schweiz
                                                                                     der Gesundheits- und Sozialbereich also weniger als ureigene
                 Interview: Elisabeth Seifert
                                                                                     staatliche Aufgabe wahrgenommen?
                                                                                     Das liegt in der liberalen Tradition der Schweiz begründet. Wir
                 Herr Gmür, Sie betreiben Forschung zu Nonprofit-Organisatio-        sagen uns, dass viele Aufgaben von Privaten besser gelöst wer-
                 nen (NPO), also zu Unternehmen, die zwischen staatlich              den können als vom Staat. Gerade auch im Sozialbereich hatten
                 organisierten und marktwirtschaftlich orientierten Unterneh-        wir in der Schweiz über lange Zeit hinweg relativ wenige staat-
                 men angesiedelt sind. Wie verorten Sie hier den Sozial- und         liche Strukturen. Das hat sich in der Zwischenzeit verändert.
                 Gesundheitsbereich in der Schweiz?                                                  In den letzten Jahrzehnten hat sich die Schweiz
                 Markus Gmür: Nonprofit-Organisationen ma-                                           dem mitteleuropäischen Modell angenähert.
                 chen gerade im Sozial- und Gesundheitsbe-              «Im Sozialbereich            Soziale Leistungen gelten als eine wichtige
                 reich einen grossen Anteil der Branche aus.             hatten wir in der           staatliche Aufgabe.
                 Und weil in diesem Bereich generell sehr viele         Schweiz lange Zeit
                 Leute arbeiten, sind NPO ein wichtiger Ar-             wenige staatliche            Und wie schaut es im Gesundheitsbereich
                 beitsmarktfaktor. Es geht bei Aufgaben von                Strukturen.»              aus?
                 gesamtgesellschaftlicher Bedeutung darum,                                           In der Versorgung von kranken und armen
                 was der Staat als seine ureigene Verantwor-                                         Menschen gibt es eine lange Entwicklung. In-
                 tung ansieht und welche Aufgaben er an Private delegiert. Das       teressant ist, dass diese immer schon von ganz unterschiedli-
                 können dann private Trägerschaften mit einem gemeinnützi-           chen Trägerschaften aus dem öffentlichen oder privaten Be-
                 gen Zweck sein, also Nonprofit-Organisationen, oder auch markt-     reich organisiert worden ist. Über Jahrhunderte hinweg waren
                 wirtschaftliche Unternehmen. Im internationalen Vergleich gibt      das neben Gemeinden auch religiöse Einrichtungen oder Pri-
                                                                                     vate. Mit der Auflösung der Grossfamilien und der steigenden
                                                                                     Lebenserwartung entstanden dann zahlreiche neue, private
                 *Markus Gmür, 57, Prof. Dr., ist seit 2008 Direktor des Instituts   Trägerschaften mit gemeinnützigem Zweck. Diese privaten
                 für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement             Träger funktionierten und funktionieren sehr ähnlich wie
                 der Universität Fribourg. Zudem ist er Lehrstuhlinhaber für         staatliche respektive öffentliche Organisationen. Die Ent-
                 NPO-Management.                                                     scheidung für die eine oder andere Art der Organisationen
                                                                                     hat, wie ich bereits gesagt habe, vor allem mit dem Verständnis

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Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
in Bezug auf die Aufgaben des
Staates zu tun.

Erleben wir derzeit eine
Entwicklung in Richtung
erwerbswirtschaftliche
Unternehmen?
In den 80er- und 90er-Jahren
kam man zum Schluss, dass
auch die Wirtschaft Aufga-
ben von gesamtgesellschaft-
lichem Interesse überneh-
men kann und soll. Die USA
unter Präsident Reagan oder
Grossbritannien unter Premi-
erministerin Thatcher waren
Vorreiter, und in der Folge hat
das auch auf die Schweiz ab-
gefärbt. Eine Privatisierung
funktioniert unter der Vor-
aussetzung, dass man den
erwerbswirtschaftlichen Un-
ternehmen entsprechende
Vorgaben macht und deren
Einhaltung kontrolliert. In
Bereichen, wo wir traditio-
nell staatliche Unternehmen        Markus Gmür in seinem Büro: «Entscheidender als die Unternehmensstruktur sind die
oder NPO hatten, stellen wir       Wettbewerbssituation und damit verbunden auch Überlegungen zur strategischen Weiterent-
fest, dass der Markt jetzt         wicklung.»                                                                            Foto: Privat

mehr und mehr einen Anteil
übernimmt und eigene Ange-
bote macht. Das ist etwa im Flüchtlingsbereich der Fall oder      Welches sind die Vor- und Nachteile einer NPO oder eines
auch in der Bildung, wo private Hochschulen gegründet wer-        staatlich organisierten Unternehmens gegenüber einem
den. Ähnliches gilt für die Arbeitsmarktintegration. Auch im      marktwirtschaftlichen Unternehmen?
Gesundheitsbereich, sowohl bei Spitälern als auch im Bereich      Die Antwort hängt vom Standpunkt ab. Bei einer rein ökono-
der Langzeitpflege, gibt es mittlerweile eine Anzahl marktwirt-   mischen Betrachtung gibt es die Befürchtung, NPO und auch
schaftlicher Unternehmen.                                         staatliche Unternehmen seien weniger effizient, weil sie sich
                                                                  nicht allein auf Effizienzziele konzentrieren und weil sie auch
Was zeichnet NPO und auch staatliche Träger gegenüber             kulturell ein gespaltenes Verhältnis dazu haben. Es fehlt ihnen
marktwirtschaftlich orientierten Unternehmen aus?                 teilweise auch der Wettbewerbsdruck für ein Streben nach ma-
Bei einer NPO stehen Sachzweck und Werthaltungen für die          ximaler Effizienz. Aus Sicht des Marketings haben sie Vorteile,
Festlegungen des Leistungsprogramms im Vordergrund. So-           sie geniessen in aller Regel einen Imagevorteil.
bald es nicht um erwerbswirtschaftliche Ziele
geht, muss man sich innerhalb der Organisa-                                       … und zwar gerade deshalb, weil NPO nicht
tion und gemeinsam mit den Anspruchsgrup-             «Der Markt                  alleine der marktwirtschaftlichen Logik
pen über die Erfolgskriterien einig werden und    übernimmt mehr und              folgen?
darüber, wie diese gemessen werden sollen.         mehr einen Anteil              Man traut einer NPO als Kundin eher, weil man
Das stellt eine besondere Herausforderung          und macht eigene               implizit davon ausgeht, es werde einem nicht
dar. Weiter haben NPO, ausgenommen von                Angebote.»                  der letzte Rappen aus der Tasche gezogen. Da-
einer Stiftung, die keine Mitglieder hat, eine                                    für gibt es vielleicht ideologische Vorbehalte.
Rechtsform, nach der die Mitglieder unabhän-                                      Eine NPO mag als zu links, zu katholisch oder
gig von ihrem finanziellen Beitrag an der Entscheidungsfin-       zu anthroposophisch gelten. Solche Vorbehalte werden einem
dung teilhaben. Bei einem Verein zum Beispiel entscheiden alle    erwerbswirtschaftlichen Unternehmen wohl eher nicht unter-
Mitglieder. NPO können zudem aufgrund des gemeinnützigen          stellt. Und schliesslich: NPO bieten mitarbeiterfreundlichere
Charakters für viele ihrer Leistungen Beiträge ohne unmittel-     Arbeitsbedingungen, es gibt weniger Leistungsdruck und mehr
bare Gegenleistung mobilisieren, so durch Spenden oder eh-        Partizipation. Allerdings gibt es gelegentlich auch die Kritik,
renamtliche Arbeitsleistung. Und sie können ihren eigenen         Mitarbeiter würden mit moralischen Argumenten zu unbezahl-
Aufwand reduzieren, etwa mittels steuerlicher Privilegierung.     ten oder schlecht bezahlten Arbeiten angehalten.                      >>

                                                                                                           7         CURAVIVA 3 | 21
Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die gerade auch im        Menschen möglichst rasch wieder zu integrieren. Es zählt
                 Gesundheitsbereich zu beobachtenden Tendenzen in Richtung           dann, wer dem öffentlichen Auftraggeber das beste Angebot
                 mehr Markt?                                                         macht, indem er die grösste Vermittlungsquote verspricht. In
                 Ich kann das nur allgemein von meiner Warte als Forscher aus        der Unterstützung von Menschen mit Drogenproblemen oder
Trägerschaften

                 beurteilen. Und da bin ich eher skeptisch. Erwerbswirtschaft-       in der Arbeit mit Wohnsitzlosen zum Beispiel lässt sich indes
                 liche Unternehmen wollen und müssen eine Rendite erzielen,          nur schwer ein finanzieller Nutzen erzielen.
                 und das heisst, dass Geld abgezogen wird, das nicht in die Leis-
                 tung fliesst. Andererseits stehen diese Unternehmen unter           Ganz unabhängig von Unternehmensstrukturen: Die öffentli-
                 einem Produktivitätsdruck, sind damit also in der Lage, die         che Hand übernimmt im Sozial- und Gesundheitsbereich eine
                 gleich gute Leistung günstiger zu erbringen. Jetzt stellt sich      stark regulierende Funktion. Werden dadurch die Möglichkei-
                 einfach die Frage, ob mehr abgezogen als eingespart wird. Es        ten der Organisationen nicht stark eingeschränkt?
                 gibt zu Spitälern und Pflegeeinrichtungen hierzu sehr viel For-     Das ist ja gerade Sinn und Zweck der Regulierung. Der Staat
                 schung aus Nordamerika.                                             sieht sich weiter in der Verantwortung, die Leistungserbrin-
                                                                                     gung zu kontrollieren und die Privaten daran zu hindern, die
                 Und wie schneiden gemäss dieser Forschung gemeinnützige             Leistungserbringung nach ihren eigenen Vorstellungen zu ge-
                 Träger gegenüber marktwirtschaftlichen Unternehmen ab?              stalten. Das macht auch durchaus Sinn. Es handelt sich hier
                 Es gibt keine eindeutigen Forschungsergebnisse. Es besteht          um vulnerable Gruppen, die man nicht einfach dem Goldrausch
                 nach wie vor ein Image- respektive Vertrauensvorteil von staat-     irgendwelcher Unternehmen opfern kann und will. Je nach
                 lichen oder gemeinnützigen Trägern gegenüber marktwirt-             politischem Klima gibt es mehr Misstrauen gegenüber den er-
                 schaftlichen Unternehmen. Dass NPO für das gleiche Geld aber        werbswirtschaftlich orientierten Unternehmen oder gegen-
                 bessere Leistungen erbringen als marktwirtschaftliche Unter-        über den NPO.
                 nehmen oder weniger gute Leistungen, das
                 lässt sich nicht sagen. Hierzu konnte noch                                          Macht es aufgrund der zahlreichen Vorgaben
                 niemand verlässliche Daten vorlegen. Es ist         «Vulnerable Gruppen             überhaupt einen Unterschied, ob eine Einrich-
                 aber eine Frage, die viele interessiert.            kann man nicht dem              tung als Teil der öffentlichen Verwaltung, als
                                                                          Goldrausch                 NPO oder marktwirtschaftlich organisiert ist?
                 Wächst der NPO-Anteil auf Kosten von                   irgendwelcher                Der Spielraum und die daraus resultierende
                 staatlich organisierten Unternehmen?                  Firmen opfern.»               Varianz wird durch eine solche Regulierung
                 Das kann ich schlicht nicht sagen, vor allem                                        sicher stark reduziert. Alle müssen sich an
                 nicht im Bereich der sozialen und sozialmedi-                                       bestimmte Qualitätsnormen halten, wodurch
                 zinischen Institutionen. Die Entwicklung ist zudem kantonal         sie vergleichbar sind. Wie stark der Effekt ist, das könnte man
                 sehr unterschiedlich. Zeitweise war es politisch schick, staat-     wissenschaftlich untersuchen, ich kenne allerdings keine
                 liche Aktivitäten in den Dritten Sektor, also an NPO abzugeben,     Studie dazu.
                 um zu demonstrieren, dass der Staat nicht weiterwächst. Das
                 ist vor allem ein bürgerliches Anliegen. Andererseits gibt es       Bei den NPO gibt es unterschiedliche Rechtsformen: Welche
                 wohl auch Kantone, in denen die Regierung den Eindruck hat,         Rechtsformen dominieren heute, und wohin geht der Trend?
                 der Dritte Sektor sei in den letzten Jahren ausgeufert und nun      Eine repräsentative Statistik gibt es meines Wissens dazu
                 müsse der Kanton wieder die Regie übernehmen.                       nicht. Aus einer empirischen Untersuchung zu sozialen Insti-
                                                                                     tutionen in der Schweiz, die vor drei Jahren im Rahmen eines
                 Können Sie das etwas näher ausführen?                               VMI-Lehrgangs durchgeführt wurde, geht hervor, dass es in
                 Es gibt ein Misstrauen gegenüber NPO, dass sie in erster Linie      diesem Bereich vor allem Stiftungen und Vereine gibt und dies
                 idealistische Ziele verfolgen und nicht so sehr an der effizien-    in etwa zu gleichen Teilen. Aus der Sicht vieler Organisationen
                 ten Erbringung ihrer Aufgaben interessiert sind. Die öffentliche    sind Stiftungen besser geeignet, dem Anspruch auf Professio-
                 Hand reagiert mit unterschiedlichen Strategien auf dieses           nalisierung zu genügen, vor allem, wenn Institutionen eine
                 Misstrauen: Entweder übergibt man diese Aufgaben gleich ganz        Wachstumsphase durchlaufen. Vereine sind Mitgliederorgani-
                 an den Markt oder man nimmt sie wieder selber in die Hand.          sationen und verfügen als solche über höhere Mitwirkungs-
                 Im letzteren Fall kann die Verwaltung dann sehr genau steuern,      möglichkeiten und auch über eine höhere Flexibilität, weil sie
                 welche Leistungen angeboten werden und welche eben nicht.           keinem Stiftungszweck genügen müssen. Vereinsvertreter sind
                 Zudem gibt es auch vermehrt hybride Unternehmen.                    sich aber bewusst, dass ihre Rechtsform einem latenten Kon-
                                                                                     flikt zwischen demokratischer und professioneller Legitimität
                 Was versteht man unter hybriden Unternehmensstrukturen?             ausgesetzt ist. In Beratungen höre ich immer wieder, dass die
                 Das sind Organisationen zwischen traditionellen NPO und er-         Umstellung von einem Verein zur Stiftung dann erfolgt, wenn
                 werbswirtschaftlichen Unternehmen. Sie verbinden gemein-            es keine gelebte Mitgliederkultur mehr gibt.
                 nützige Zwecke mit gewinnorientierten Elementen. Sie kommen
                 vor allem in Aufgabenfeldern zum Zug, wo sich durch eine effi-      Wie steht es mit der Gründung einer gemeinnützigen AG oder
                 zient erbrachte Dienstleistung ein messbarer finanzieller Nut-      GmbH?
                 zen erzielen lässt. Das ist zum Beispiel in der Arbeitsmarktinte-   Die Umstellung von einer Stiftung oder einem Verein zu einer
                 gration der Fall. Hier geht es darum, vorübergehend arbeitslose     gemeinnützigen AG oder GmbH wird öfter einmal erörtert, aber

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Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
nach meinem Wissen kaum einmal realisiert. Bei Neugründun­      sich im Lauf der Zeit auch eine Professionalisierungsvorstel­
gen sind aber wahrscheinlich inzwischen vermehrt solche         lung herausgebildet.
GmbHs und AGs dabei. Diese Unternehmensstrukturen gehö­
ren zu den hybriden Formen, die ich vorher genannt habe. Mei­   Eine besondere Bedeutung kommt der strategischen Leitung
nes Erachtens wird die Art der Rechtsform etwas überschätzt.    zu. Genügen die Trägerschaftsmitglieder den immer an-
Wenn man in der Leitung einer Organisation miteinander aus­     spruchsvoller werdenden Anforderungen?
kommt, spielt die Rechtsform nicht eine so grosse Rolle.        Der Professionalisierungsgrad im Bereich Management ist bei
                                                                der Geschäftsführung und auf der Ebene der Bereichsleitung,
Unterscheiden sich die Anforderungen an die operative und       also bei den hauptamtlich tätigen Leitungsmitgliedern, schon
strategische Leitungsebene je nachdem, ob es sich um einen      länger zunehmend und wird sicher weiterwachsen. Bei den
staatlich organisierten Betrieb, eine NPO oder ein marktwirt-   Trägerschaften hingegen, der nebenamtlich tätigen Leitung,
schaftlich organisiertes Unternehmen handelt?                   ist das schwieriger. Hier müssen sich die Organisationen sel­
Ich denke, dass gerade im Bereich der Langzeitpflege oder der   ber hinterfragen und sich gut überlegen, welche Such­ und
sozialen Institutionen die Ansprüche an die Leitungsebene in    Auswahlkriterien man für die Vorstands­ oder Stiftungsrats­
all diesen Unternehmensstrukturen in etwa gleich sind. Der      gremien anwendet. Sind die Managementerfahrung und auch
allergrösste Teil, mit dem man in der Leitung zu tun hat, ist   das Fachwissen entscheidend, oder sind vor allem die politi­
vorgegeben und hat ganz einfach damit zu tun, dass die Ein­     sche Vernetzung und persönliche Bekanntschaften mass­
richtung entsprechend ihrem Auftrag funktionieren muss.         gebend?
Entscheidender als die Unternehmensstruk­
tur sind sicher die Wettbewerbssituation und                                    Waren die Trägerschaften nicht lange Zeit
damit verbunden auch Überlegungen zur stra­        «Institutionen mit           geprägt durch persönliche Seilschaften?
tegischen Weiterentwicklung. Und das alles         gutem Ruf haben              In den 70er­ und 80er­Jahren gab es in vielen
vor dem Hintergrund knapper finanzieller            selten Probleme,            NPO grosse Vorstände mit 10 bis 20 Mitglie­
Ressourcen.                                        gute Leute für den           dern. Man war überzeugt, es brauche viele
                                                  Vorstand zu finden.»          Kontakte zu politischen Gremien, und hat
Erfordern diese Entwicklungen einen höheren                                     damit in Kauf genommen, dass diese Gremi­
Professionalisierungsgrad der operativen und                                    en nicht mehr als Managementteam funkti­
der strategischen Leitungsebene?                                onieren konnten. Im Zug der Professionalisierung erkannte
Generell sehen sich die Leitungen einem schon länger beste­     man, dass diese Gremien nicht mehr als fünf bis sieben Mit­
henden und immer noch steigenden Druck ausgesetzt, neben        glieder umfassen dürfen, damit sie ihre Managementfunktion
der fachlichen auch eine Expertise im Managementbereich zu      wahrnehmen können. Das ist heute in der Regel so umgesetzt.
entwickeln. Auch aus diesen Gründen ist 1976 die Forschungs­    Man gibt heute der Managementaufgabe oftmals ein grösseres
stelle für Verbandsmanagement, das heutige Verbandsma­          Gewicht als der politischen Repräsentation.
nagementinstitut VMI, an der Universität Fribourg gegründet
worden. Damals begann man damit, einen höheren Professio­       Verfügen Trägerschaftsmitglieder in aller Regel über ein
nalisierungsgrad der Strukturen von Verbänden und anderen       genügend hohen Professionalisierungsgrad?
Non­Profit­Organisationen zu fordern. Inzwischen besteht ein    Die primäre Aufgabe der Trägerschaften besteht nicht in ei­
breites Weiterbildungsangebot, beim VMI und anderen Anbie­      nem professionellen Management, wenn es in der Organisa­
tern, für die Leitungsebenen solcher Organisationen. So hat     tion eine hauptamtliche Leitung gibt. Die Trägerschaft hat        >>

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Trägerschaften - "Mehr Partizipation" - casea ag
vor allem eine Aufsichtsfunktion und muss darüber wachen,                          entsprechende Kurse besucht, um ein Verständnis für die
                 dass der Organisationszweck erhalten bleibt. Es ist nicht                          hauptamtliche Leitung zu entwickeln.
                 sinnvoll, wenn Personen in den Trägerschaften sitzen, die
                 kein wirtschaftliches Verständnis haben und aus ideologi­                          Über welche Kompetenzen müssen Trägerschaftsmitglieder
Trägerschaften

                 schen Gründen sogar prinzipiell gegen ökonomische Erwä­                            verfügen?
                 gungen eingestellt sind. Das führt zwangsläufig zu Konf lik­                       Es scheint mir zunächst wichtig, dass Trägerschaften starke
                 ten mit der hauptamtlichen Geschäftsleitung. Es ist also                           Geschäftsführungen zulassen. Sie sollen aber auch nicht ein­
                 sicher kein Nachteil, wenn die ehrenamtliche Leitungsebene                         fach alles abnicken, sondern kritisch nachfragen und bei an­
                                                                                                    spruchsvollen Weichenstellungen gegebenenfalls einen Bera­
                                                                                                    ter oder eine Beraterin beiziehen. Was die Kompetenzen der
                                                                                                    einzelnen Trägerschaftsmitglieder betrifft: Hier kommt es we­
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                                                                                                    respektive die Summe aller Kompetenzen. Die Herausforde­
                                                                                                    rung besteht dabei darin, ein gut funktionierendes, sich opti­
                                                                                                    mal ergänzendes Gremium zusammenzustellen.

                                                       Lüftungsreinigung                            Wie müssen die Trägerschaften idealerweise zusammen-
                                                                                                    gesetzt sein?
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                                                                                                    diese gelingen?
                                                                                                    Eine Studie an unserem Institut hat gezeigt, dass eine solche
                                                                                                    Zusammenarbeit durch gegenseitiges Vertrauen, eine gemein­
                        Online-Fachtagung                                                           same Wertebasis, einen intensiven Austausch, ein Machtgleich­
                                                                                  www.bgs-chur.ch

                        Parkinson                                                                   gewicht «auf Augenhöhe» sowie eine gewisse Formalisierung
                                                                                                    gefördert wird. Etwa im Rahmen eines Geschäftsreglements, das
                        Montag, 17. Mai 2021                Online via Zoom, bequem                 eine sehr klare Aufgabenzuordnung enthält.
                        9 bis 15.15 Uhr                     von Zuhause aus!
                                                                                                    Trägerschaften im NPO-Bereich sind meist im Ehrenamt tätig.
                                                                                                    Bewährt sich das längerfristig, oder braucht es nicht eine
                                                                                                    angemessene Entschädigung?
                                                                                                    Es gelingt heute ganz gut, die richtigen Leute für eine ehren­
                        Referate                                                                    amtliche Tätigkeit innerhalb der Trägerschaft zu gewinnen.
                    · Aktuelles aus der Forschung – Symptomatik und Therapie                        Gerade Institutionen, die über eine hohe Reputation verfügen,
                        Dr. Stefan Hägele-Link, stv. Chefarzt Klinik für Neurologie,
                                                                                                    haben selten Probleme, gute Trägerschaftsmitglieder zu finden.
                        Kantonsspital SG
                    ·   Neuropsychologie bei Menschen mit Parkinson                                 Und wenn das System funktioniert, sollte man eigentlich nichts
                        Dr. phil. Erika Forster, Leiterin Neuropsychologie, Kantonsspital SG        ändern. Wenn man einmal damit beginnt, setzt man etwas in
                    ·   Individuelle Entwicklung der Körpersprache, Körpersprache erleben           Gang, das vielleicht nicht mehr zu stoppen ist: Bezahlte Ehren­
                        im Kontext zur Parkinson Erkrankung Irene Orda, Pantomimin
                                                                                                    ämter werden zur Norm, und mehr und mehr Mitglieder fangen
                        Workshops                                                                   an, ihre Vergütungen mit den Vergütungen in anderen Organi­
                    · Grundprinzipien der physiotherapeutischen Behandlung bei                      sationen zu vergleichen.
                        Parkinson Susanne Brühlmann
                    ·   Familienzentrierte Begleitung und Beratung Claudia Gabriel
                    ·   Medikamenten-Management: Essen, Trinken, Schlucken, Verdauung               Sie unterstreichen damit die wichtige Rolle des Ehrenamtes in
                        Theres Kugler                                                               der Gesellschaft?
                    ·   Eskalierende Therapien: Tiefe-Hirnstimulation, Pumpen Systeme,              Ich kann den Organisationen und dem ganzen Dritten Sektor
                        fokussierter Ultraschall Mechtild Uhl                                       nur raten, sich immer wieder bewusst zu werden, dass die

                        Kosten: Fr. 80.–                                                            wichtigste Quelle seiner Entwicklungskraft die zivilgesell­
                        Anmeldeschluss: Freitag, 30. April 2021                                     schaftliche Initiative ist: Menschen erkennen die Wichtigkeit
                        BGS · Bildungszentrum Gesundheit und Soziales                               eines Anliegens, das uns alle zusammen weiterbringen kann,
                        Tel. 081 286 85 10 · bgs-chur.ch                                            und sie schliessen sich zusammen, um sich dafür solidarisch
                                                                                                    zu engagieren und Wirkung zu erzielen.    •

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                                        10
Trägerschaften
Trägerschaften und Rechtsformen von Heimen und sozialen Institutionen

Die Vielfalt spiegelt die Geschichte
und die föderalen Strukturen

                                                                        wurden diese Einrichtungen von Gemeinden, Klöstern, religi­
Die Trägerschafts- und Rechtsformen der                                 ösen Stiftungen oder von Privaten getragen. Daraus gingen
Sozialinstitutionen sind enorm vielfältig. Warum?                       vielerorts Spitäler, Armenasyle, Waisenhäuser, Irrenanstalten
Wie sind sie entstanden? Welche Formen sind                             oder auch Gefängnisse hervor. Nach der Reformation und
heute besonders häufig? Gibt es Trends für                              300 Jahre später, nach der Aufklärung, kamen neue Träger­
die Zukunft? Mit welchen Vor- und Nachteilen?                           schaften hinzu (u.a. Schwesterngemeinschaften oder in rei­
Ein Überblick.                                                          chen Städten die Patrizier).
                                                                        Im Zug der Industrialisierung kam es im 19. Jahrhundert zur
Von Michael Kirschner und Thierry Bugnard*
                                                                        Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Als Antwort auf die
                                                                        «soziale Frage» gründeten kirchliche Institutionen, private
Eine Trägerschaft und ihre Rechtsform sind zwei Paar Schuhe.            Kreise, Vereine und Gemeinden zahlreiche sogenannte Armen­
Was trivial klingt, sorgt oft für lange Diskussionen, unter­            erziehungs­ und Rettungsanstalten. Ende des 19. Jahrhunderts
schiedliche Kompromisse oder innovative Lösungen. In den                nahm deren Gründung durch christliche Werke und Vereine
letzten 30 Jahren verband sich der Wandel der Trägerschafts­            nochmals stark zu und erreichte Mitte des 20. Jahrhunderts
und Rechtsformen von Heimen und sozialen Institutionen eng              den Höhepunkt.
mit der Liberalisierung und Privatisierung im Gesundheits­ und          In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – bedingt durch die
Sozialwesen. Ein Blick in die Schweizer Geschichte zeigt jedoch,        Wohlstandsentwicklung, den gesellschaftlichen Wandel (u. a.
dass es seit je eine Vielzahl «öffentlicher» und                                         Überalterung, Auflösung der Grossfamilien,
«privater» Trägerschaften gibt.                                                          Ausbau des Sozialstaats) – standen Gemein­
                                                        Im 19. Jahrhundert               den und andere Trägerschaften vor völlig neu­
Vom Mittelalter zum Sozialstaat                           kam es mit der                 en Herausforderungen. Der Bedarf an Heim­
In der Coronakrise sorgt die mediale Inszenie­         Industrialisierung zu             plätzen stieg. Dem konnte vielerorts nicht
rung der «Todesfalle Pflegeheim» für eine his­         einer Verarmung der               entsprochen werden. Vermehrt suchten nun
torische Rückkoppelung zum Mittelalter und             breiten Bevölkerung.              mangels Finanzen und Fehlen von Nachwuchs
zur frühen Neuzeit. Damals lebten und star­                                              in den Klöstern oder in Schwesternschaften
ben Menschen unter strengen Auflagen in                                                  vor allem die christlichen Institutionsträger
Aussätzigenspitälern, in Leprosorien (Lepraspitäler), in Pest­, Blat­   nach neuen Träger­ und Rechtsformen. In den 1970er­ und 80er­
tern­, Siechen­ oder Seuchenhäusern. Seit dem 12. Jahrhundert           Jahren wurde der Ausbau von Heimplätzen schliesslich mit
                                                                        AHV­Subventionen, sogenannten «Bau­ und Einrichtungsbei­
*Michael Kirschner arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter          trägen», stark forciert. Erst diese Beiträge ermöglichten es vie­
bei Curaviva Schweiz.                                                   len öffentlichen und privaten Trägerschaften, neue Projekte zu
Thierry Bugnard macht ein Praktikum als wissenschaftlicher              realisieren. Die Gesetzesbestimmung wurde 1986 zwar wieder
Mitarbeiter bei Curaviva Schweiz.                                       aufgehoben, Beiträge aber wurden noch bis 1998 entrichtet.
                                                                        Die in den 80er­Jahren einsetzende Liberalisierung vormals          >>

                                                                                                               11         CURAVIVA 3 | 21
Entwicklung Rechtsformen Institutionen

                                                                             Alters- und Pflegeheime

                                1500
       Anzahl Institutionen

                                1000

                                500

                                 0
                                       2006   2007   2008   2009     2010      2011    2012     2013     2014     2015     2016   2017    2018       2019

                                                                  Institutionen für Menschen mit Behinderungen
         Anzahl Institutionen

                                600

                                400

                                200
                                  0
                                       2006      2007       2008        2009          2010        2011          2012       2013      2014           2015

                                                     Öffentlich             Privat subventioniert                 Privat          Total

                                                                                                                                      Quelle: BFS/SOMED, 2006–2019

staatlicher Aufgaben führte auch im Gesundheits­ und Sozial­                                 geschaffen (SOMED, 1996). Um bei der Mehrwertsteuer Gleich­
bereich zu einem Wandel. Neue Steuerungsmodelle sollten die                                  behandlung gegenüber öffentlichen Heimen einzufordern,
Effizienz und Effektivität der Leistungen erhöhen, um so dem                                 gründeten 20 private Heime 1996 die Schweizerische Interes­
Anstieg von Nachfrage mit einem Angebot bei                                                                      sengemeinschaft         Privater     Pf legeheime
Heimen und sozialen Institutionen zu begeg­                                                                      (ab 2005: Verband senesuisse mit heute über
nen und dieses zu steuern. Der Heimmarkt                                 Suchen alte Träger                      450 Mitgliedern).
wurde schrittweise geöffnet, neue gemeinnüt­                             neue Trägerformen,                      Die Gründung neuer Trägerschafts­ und
zige, aber auch kommerzielle Anbieter traten                                ergeben sich                         Rechtsformen hält bis heute an. Suchen alte
auf. Um allen Anbietern gleiche Wettbewerbs­                                interessante                         Träger neue Träger­ oder Rechtsformen, fin­
bedingungen zu bieten, wurden die Leistun­                                Konstellationen.                       den sich alle möglichen interessanten Kons­
gen definiert (KVG, 1996) und Transparenz                                                                        tellationen. Zwei Beispiele: Die Stadt Bern
                                                                                                                 überführte ihre Heime 1994 mit anderen Trä­
                                                                                             gern (Vereinen, Stiftungen) in den Verein Domicil, dann 2003
                                                                                             in die Domicil Bern AG. Diese wird 2015 durch eine Domicil
   Trägerschaften                                                                            Immobilien AG und 2016 durch eine Domicil Holding AG (Be­
   und Rechtsformen                                                                          teiligungen an Unternehmen) ergänzt. Das andere Beispiel:
                                                                                             Die 1932 gegründete Sennhof­Stiftung Friedrich Däster führt
   Öffentlich-rechtliche Trägerschaften: Alle Institutionen mit                              das 1898 gegründete Heim in Vordemwald (Kanton Aargau)
   den Rechtsformen «öffentliches Unternehmen» oder «Ver-                                    seit 2008 als Pflegeheim Sennhof AG – ergänzt durch einen
   waltung» auf den Ebenen Gemeinde, Bezirk, Kanton oder                                     Gönnerverein.
   Bund; «öffentlich rechtliche Körperschaft Verwaltung»,                                    Als Begründung zur «Verselbständigung kommunaler Einrichtun­
   «Institut des öffentlichen Rechts», «öffentliche Unterneh-                                gen» oder «Auslagerung von Gemeindeaufgaben» in neuen Träger­
   men einer Körperschaft»                                                                   und Rechtsformen werden bis heute stets die gleichen Punkte
   Privat-rechtliche Trägerschaften: Alle Institutionen mit den                              aufgeführt: erhöhte Flexibilität, Entpolitisierung und Trennung
   Rechtsformen Aktiengesellschaft, einfache Gesellschaft,                                   zwischen politischer und betrieblicher Einflussnahme, effizien­
   Einzelfirma, Genossenschaft, GmbH, Kollektivgesellschaft,                                 tere Aufgabenerfüllung, finanzielle Entlastung der Verwaltung,
   Kommandit(aktien)gesellschaft, Stiftung (ZGB Art. 80ff.),                                 Konzentration des Fachwissens, Optimierung der Zusammenar­
   Verein. (Quelle: BFS/SOMED, 2020)                                                         beit mit Dritten, insbesondere mit anderen Gemeinden, sowie die
                                                                                             Möglichkeit der Beteiligung privater Geldgeber.

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                                       12
Einwohnerrat) an Private veräussert wer­
   Rechtsformen Pflegeheime 2019
                                                                                                                        den. «Der Kompromiss zwischen Privati­
                                                                                                                        sierung und Eigenwirtschaftsbetrieb, als
                                         Andere                     79
                                                                                                                        der die gemeinnützige AG angepriesen

                                                                                                                                                                               Trägerschaften
                                Genossenschaft              39
                                     Einzelfirma             46                                                         wird, hat also unter Umständen ein Ver­
                                          GmbH               51
                                                                                                                        falldatum», wie es in einem Beitrag der
      Öffentliche Unternehmen der Gemeinde                        102
  Öffentlich-rechtliche Körperschaft Verwaltung                    113                                                  «Luzerner Zeitung» (2017) heisst.
                          Verwaltung Gemeinde                      116
                                          Verein                         216
                              Aktiengesellschaft                                       356
                                                                                                                        Trends und Entwicklungen
                                        Stiftung                                                        447             Zu Beginn der 2000er­Jahre setzten sich
                                                                                Quelle: BFS/SOMED 2019
                                                                                                                        die Liberalisierung und die Privatisierung
                                                                                                                        fort. Auf der Grundlage der aktuell verfüg­
  Rechtsformen Behinderteninstitutionen 2015                                                                            baren Daten lassen sich hinsichtlich der
                                                                                                                        Rechtsformen, ob es sich also um öffent­
                                   Andere           29
                                                                                                                        liche, privat subventionierte oder private
                       Aktiengesellschaft      9
                                                                                                                        Einrichtungen handelt, verschiedene mo­
  Öffentliche Unternehmen des Bezirks         10
                                                                                                                        derate Trends und Entwicklungen beob­
                                    GmbH      10
                                                                                                                        achten. Nach Angaben des Bundesamts
                               Einzelfirma         17
                                                                                                                        für Statistik (BFS) sind die Einrichtungen
                          Genossenschaft           20
                                                                                                                        ■ «öffentlich», wenn es sich um eine öf­
                                    Verein                                     171
                                                                                                                          fentlich­rechtliche Institution handelt,
                                  Stiftung                                                            261               ■«
                                                                                                                          privat subventioniert», wenn es sich
                                                                                Quelle: BFS/SOMED, 2015                   um eine privatrechtliche Institution
                                                                                                                          handelt und eine Betriebsbeitrags­ oder
   Rechtsformen Institutionen Kinder und Jugendliche 2020
                                                                                                                          Investitionsbeitragsgarantie und/oder
                                        Andere          9                                                                 eine Defizitgarantie eines Gemeinwe­
                                         GmbH           8                                                                 sens vorliegt,
   Öffentlich-rechtliche Körperschaft Verwaltung        9                                                               ■«
                                                                                                                          privat», wenn es sich um eine privat­
                             Aktiengesellschaft         11                                                                rechtliche Institution handelt und weder
                         Verwaltung Gemeinde            11                                                                eine Betriebsbeitrags­ oder Investitions­
                            Verwaltung Kanton               15                                                            beitragsgarantie noch eine Defizitgaran­
                                         Verein                                      131                                  tie eines Gemeinwesens vorliegt.
                                        Stiftung                                                       175              Auch wenn keine wirklich ausgeprägten
                                                                                 Quelle: SODK/IVSE 2020                 Trends erkennbar sind, wird eine private
                                                                                                                        Rechtsform für Alters­ und Pflegeheime
                                                                                                                        tendenziell immer öfter bevorzugt. Dies
                                                                                                                        zu Lasten einer öffentlichen Rechtsform.
Ende der 90er­Jahre attestierte ein Bericht des Nationalen                           Bei Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, für die Da­
Forschungsprogramms «Alter» (NFP 32, 1999), «dass sich viele                         ten von 2006 bis 2015 vorliegen, sind keine deutlichen Trends
Alters­ und Pflegeheime in den letzten Jahren stark moderni­
siert und professionalisiert haben». Ob neue private oder alte
öffentliche Trägerschaften: deren Gremien wurden und werden                          Anzeige

im Verlauf des Wandels immer wieder hinterfragt. «Die Zusam­
mensetzung einer Trägerschaft hängt von den jeweiligen poli­
                                                                                       GROUPS.SWISS

tischen und finanziellen Gegebenheiten ab: Ein spezifisches
Anforderungsprofil gibt es nicht – so wenig wie gesetzliche                                           www.groups.swiss
Bestimmungen», kritisierte die Konsumentenzeitschrift «Der
Beobachter» im Jahr 2000.

Begründung «dringender Handlungsbedarf»
Bis heute sorgen die Begründungen «grosse Notwendigkeit»
oder «dringender Handlungsbedarf» bei einer Überführung
von gemeindeeigenen Institutionen in gemeinnützige Aktien­
gesellschaften für Kritik. Die Frage, ob und warum Institutio­
nen nicht mehr als Eigenwirtschaftsbetrieb geführt werden
sollen, lässt sich oft nicht leicht beantworten. Obwohl Gemein­
                                                                                                      800 Hotels und Ferienhäuser
                                                                                                      für Gruppen in der Schweiz und Europa; für Ihre Seminare,
den anfangs meist 100 Prozent Aktienkapital halten, können                                            Ferienwochen und Ausflüge mit oder ohne Rollstuhl
                                                                                                      Groups AG . Spitzackerstr. 19 . CH-4410 Liestal . +41 (0)61 926 60 00
diese später mit Zustimmung kleinerer Gremien (z. B. einem                                                                                                                    >>

                                                                                                                                             13             CURAVIVA 3 | 21
Entwicklung Rechtsformen Pflegeheime 2006 – 2019
                                                                                                                                               447
                              450
                                     399
                              400
                                                                                                                                               356
                              350
       Anzahl Institutionen

                              300
                                     259
                              250
                                                                                                                                               216
                              200
                                      186
                              150           162
                                    164
                              100                                                                                                             116
                                      123                                                                                                       113
                               50                                                                                                             102
                                     2006    2007      2008   2009   2010   2011   2012       2013   2014    2015    2016   2017     2018     2019

                                            Stiftung                                                 AG

                                            Verein                                                   Verwaltung Gemeinde

                                            Öffentlich-rechtliche Körperschaft Verwaltung            Öffentliche Unternehmen der Gemeinde
                                                                                                                                   Quelle: BFS/SOMED, 2006–2019

erkennbar – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass dieser                                innerhalb von 14 Jahren fast verdoppelt hat. Die Zahl der
Teil der SOMED­Erhebung seit 2016 nicht mehr verpflichtend                                  Vereine dagegen ist rückläufig, ebenso wie die Zahl der drei
ist und die Daten daher unvollständig sind. Dennoch ist die                                 verbleibenden Rechtsformen, also jene des öffentlichen Sek­
Feststellung interessant, dass die privat subventionierte                                   tors. Zudem folgen kommunale Verwaltungen und andere Kör­
Rechtsform gegenüber den beiden anderen Kategorien deutlich                                 perschaften des öffentlichen Rechts mehr oder weniger dem­
überwiegt.                                                                                  selben Trend.
                                                                                            Konzentrationen und/oder Internationalisierung der Institu­
Stiftungen, Aktiengesellschaften, Vereine                                                   tionen (grössere Pflegeheim­Gruppen, die als Aktiengesell­
Im Jahr 2019 beherrschen drei Rechtsformen den Schweizer                                    schaften geführt werden) gibt es in der Schweiz im Vergleich
Alters­ und Pflegeheim­Markt: Stiftungen, gefolgt von Aktien­                               mit anderen Ländern nur sehr wenige.
gesellschaften und Vereinen. Zusammengenommen machen                                        Eine Studie der eidgenössischen Preisüberwachung aus dem
diese drei Rechtsformen zwei Drittel der Alters­ und Pflegehei­                             Jahr 2018 zeigt, dass der Aufenthalt in einem Alters­ und Pfle­
me aus und gehören zu den beiden Kategorien privat subventi­                                geheim im Durchschnitt günstiger ist, wenn dieses von einer
oniert und privat. Danach folgen drei weitere                                                               öffentlichen Verwaltung betrieben wird, als
Rechtsformen: kommunale Verwaltungen,                                                                       wenn der Betrieb durch eine private Organi­
sonstige Körperschaften des öffentlichen                                Welche Rechtsform                   sation mit gemeinnützigem Zweck oder durch
Rechts sowie kommunale öffentliche Unter­                               in welchem Landes-                  ein kommerzielles Privatunternehmen er­
nehmen.                                                                   teil dominiert, ist               folgt. Diese Differenz erklärt sich dadurch,
Bei den Einrichtungen für Menschen mit Be­                              Ausdruck kultureller                dass zu den privaten Einrichtungen auch An­
hinderung dominieren 2015 mit mehr als vier                                 Unterschiede.                   bieter von luxuriösen Altersresidenzen zäh­
Fünfteln der Institutionen zwei Rechtsformen                                                                len, während öffentliche Einrichtungen
den Markt: Es sind dies Stiftungen und Vereine.                                                             hauptsächlich daran interessiert sind, allen
Über die Rechtsform von Kinder­ und Jugendeinrichtungen                                     Personen einen Platz zu einem erschwinglichen Preis anbieten
liegen nur die aktuellen Daten für das Jahr 2020 vor. Daher kön­                            zu können. Öffentliche Einrichtungen erhalten darüber hinaus
nen keine Vergleiche oder Aussagen zu Entwicklungen gemacht                                 oft zusätzliche Subventionen von den zuständigen Gemeinden
werden. Aber auch hier kann wie bei den Einrichtungen für                                   oder vom Kanton.
Menschen mit Behinderung festgestellt werden: Stiftungen und                                Die Dominanz der Rechtsformen von Alters­ und Pflegeheimen
Vereine dominieren den Markt.                                                               variiert in den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz und
                                                                                            zeigt kulturelle Unterschiede. Im Jahr 2019 ist in der Deutsch­
Grösste Zunahme bei den Aktiengesellschaften                                                schweiz die private Rechtsform am weitesten verbreitet, in der
Schauen wir die Entwicklung der Gesamtzahl der vorherr­                                     lateinischen Schweiz hingegen überwiegt die privat subventi­
schenden Rechtsformen von 2006 bis 2019 an, nimmt im Lauf                                   onierte Form. In der Westschweiz ist der Anteil der privat sub­
der Jahre lediglich die Zahl der Stiftungen und Aktiengesell­                               ventionierten Alters­ und Pflegeheime besonders hoch: Zwei
schaften tendenziell zu. Die grösste Zunahme ist bei der Ge­                                von drei Einrichtungen gehören zu dieser Kategorie. Die öffent­
samtzahl der Aktiengesellschaften zu verzeichnen, die sich                                  liche Form dagegen ist in der Westschweiz nur wenig präsent;

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                                     14
für Menschen mit Behinderung privat subven­
               Rechtsformen Pflegeheime nach Sprachregionen (2019)
                                                                                               tioniert. In der Deutschschweiz ist das Bild
          DE-CH           Romandie                   Tessin                    CH              etwas differenzierter, denn die private Form
                                                                                               nimmt dort mehr Raum ein als in der lateini­

                                                                                                                                                     Trägerschaften
                                        privat
                                                                                               schen Schweiz.
      631 (54%)            58 (17%)                 10 (15%)             699 (45%)

                                       öffentlich                                              Vor- und Nachteile
     320 (28%)             42 (12%)                 23 (33%)             385 (24%)             Fragen zu den Vor­ und Nachteilen bestimmter
                                                                                               Rechtsformen beschäftigen heute viele öffent­
                               privat subventioniert
                                                                                               liche und gemeinnützige Trägerschaften. Wel­
      204 (18%)            241 (71%)                36 (52%)             481 (31%)             che die «richtige» ist, lässt sich nur bedingt mit

                                         Total                                                 der Art der Rechtsform erklären. Wie zahlrei­
                                                                                               che im Internet dokumentierte Auswahlpro­
    1155 (100%)           341 (100%)                69 (100%)           1565 (100%)
                                                                                               zesse, Gemeindeprotokolle und Abstim­
                                                                                               mungsunterlagen zeigen, hängt die Wahl
                                                                                               immer mit Personen und Interessengruppen,
      Rechtsformen Behinderteninstitutionen nach Sprachregionen (2015)                         historischen und politischen Traditionen, dem
          DE-CH           Romandie                   Tessin                    CH              Vertrauen in Institutionen sowie der finanzi­
                                                                                               ellen und rechtlichen Lage vor Ort zusammen.
                                        privat
                                                                                               Es ist diese komplexe Gemengelage, in der oft
      69 (17%)              1 (1%)                   0 (0%)               70 (13%)             jahrelang Diskussionen geführt, gute und we­
                                       öffentlich                                              niger gute Kompromisse oder mutige innova­
                                                                                               tive Lösungen gefunden werden.
          29 (7%)           2 (3%)                   1 (3%)               32 (6%)
                                                                                               In den erwähnten Online­Dokumenten zeigt
                               privat subventioniert                                           sich oft klar und deutlich, dass Genossen­
                                                                                               schaften (ein Anteil, eine Stimme), öffentlich­
      316 (76%)            71 (96%)                 38 (97%)             425 (81%)
                                                                                               rechtliche Köperschaften (Politik sitzt weiter
                                         Total                                                 in den Kommissionen) oder Vereine und
     414 (100%)            74 (100%)                39 (100%)           527 (100%)             Zweckverbände (generell träge in Abläufen)
                                                                                               von den Gremien vor Ort meist als untauglich
                                                                                               eingestuft werden.
im Tessin indes stärker, denn dort gehört jedes dritte Alters­                Auch aus Sicht privatwirtschaftlicher Geldgeber zeigt sich
und Pflegeheim zu dieser Rechtsform.                                          schnell, welches die Vor­ und Nachteile für eine Finanzierung
Bei Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sind auf­                      von Investitionen und Einrichtungen sind.
grund der letzten greifbaren Zahlen die kulturellen Unterschie­               Da sich viele Kantone aus der Finanzierung direkter Investitionen
de weniger ausgeprägt als bei Alters­ und Pflegeheimen. Wie                   inzwischen zurückgezogen und die Verantwortung an die Insti­
erwähnt, dominiert dabei eindeutig die privat subventionierte                 tutionen delegiert haben, erhalten diese zwar mehr Freiheiten.
Form – und zwar in allen drei grossen Schweizer Sprachregio­                  Doch nicht jede Rechtsform scheint dafür gleich gut geeignet. In
nen. In der lateinischen Schweiz sind fast alle Einrichtungen                 ihrem Bericht «Die Zukunft des Pflegeheimmarkts» (2015) hält die      >>

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                                                 VOM ALTERSZENTRUM
                                                 ZUM INTEGRIERTEN VERSORGER
                                                 «Das Konzept “Altersheim” allein greift nicht
                                                 mehr, die Angebote in der Pflege und Betreuung
                                                 der älteren Generation müssen neu definiert
                                                 werden. Gerne berate ich Sie persönlich!»
                                                                                                                                 Controlling

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                                                                                                                                 Prozesse
                                                                                                                                 Projekte

  SILKE DÄPPEN                www.keller-beratung.ch          056 483 05 10    5405 Baden-Dättwil

                                                                                                                     15          CURAVIVA 3 | 21
Stiftungsvermögens entscheidend. Bei privaten
                                                Rechtsformen und Trägerschaften                                                 Stiftungen kann zudem ein langfristig fixierter,
                                                                                                                                kaum veränderbarer Stiftungszweck zum Prob­
                                        Eigentums-                                                                              lem werden.
Trägerschaften

                                                                         Rechtsform
                                        verhältnisse
                                                                                                                                Am Ende des Tages stellt sich – bei welcher
                                                                                                                                Rechtsform auch immer – die Frage: Wem ge­
                                                                 Teil der öffentlichen

                                                                                                        Non-profit Sektor
                                                                 Verwaltung                                                     hört eigentlich die Institution? Wer haftet bei
                                          öffentlich                                                                            Verlusten, wer erhält die Gewinne? Bei Ge­
                                                                 Selbstständige öffentlich-
                                                                 rechtliche Anstalt                                             meinden natürlich die Steuerzahler. Bei ge­
                                                                                                                                meinnützigen Stiftungen, Aktiengesellschaft
                                                                 Genossenschaften
                                                                                                                                oder Vereinen haften zuerst die Institutionen
                                                                 Vereine
                                                                                                                                mit ihrem Vermögen, am Ende aber oft wieder
                                                                 Stiftungen
                                                                                                                                die Steuerzahler (Defizitgarantie). Wohin wer­

                                                                                                        For-profit Sektor
                                            privat               Einzelfirmen u. ä.                                             den die Liberalisierungs­ und Privatisierungs­
                                                                 Rechtsgemeinschaften                                           tendenzen führen? «Die Bedeutung privater
                                                                 Aktiengesellschaften                                           und privatisierter Anbieter wird zunehmen,
                                                                                                                                da diese eine äusserst positive Entwicklung
                                                                 GmbHs
                                                                                                                                der Angebotsstruktur bewirken und eine im­
                                                                                                                                mer bessere Auswahl ermöglichen», schätzt
                                                                                  Quelle: Crivelli et al., 2001, S. 11
                                                                                                                                Christian Streit, Geschäftsführer senesuisse,
                                                                                                                                die künftige Entwicklung ein. Ob sich diese
                                                                                                                                Trends fortsetzen, wird die Zukunft zeigen.
                 Bank Credit Suisse fest, dass Aktiengesellschaften bei der Verga­                   Am Ende aller Veränderungsprozesse sind die neuen Entschei­
                 be von Krediten und Hypotheken natürlich gut ankommen. Mit                          dungsträger nicht selten die alten – oder dann eben wirklich
                 meist kleinen Verwaltungsräten und fundierten betriebswirt­                         neue Mitglieder einer Kommission, eines Vorstands, eines Ver­
                 schaftlichen Kenntnissen führen sie Geschäfte mit grosser Selbst­                   waltungs­ oder Stiftungsrats, die ihre Aufsichtspflicht wahr­
                 ständigkeit und Flexibilität. Deren Gewinnmaximierungsfokus                         nehmen und als strategisches Gremium Strategien und Ziel­
                 allerdings kann hinderlich für die öffentliche Akzeptanz sein. Im                   vorgaben formulieren, um mit der operativen Betriebsleitung
                 Gegensatz dazu geniessen gemeinnützige Vereine oder Stiftun­                        auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Was sich bereits bei der
                 gen bei der Bevölkerung oft grösseres Vertrauen. Vereine werden                     Vielfalt der Trägerschaften und Rechtsformen zeigt, scheint
                 auf dem Kapitalmarkt jedoch weniger geschätzt, da es an Grund­                      ebenso für die Zusammenarbeit auf menschlicher Ebene zu
                 kapital fehlt oder dieses einzig aus dem Vereinsvermögen besteht.                   gelten: Es gibt auch hier fast keine Konstellation, die es nicht
                 Auch bei Stiftungen ist für die Kreditwürdigkeit die Höhe des                       gibt.                  •

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                                                                                                                                          Deshalb sind wir es auch.
                                                                                                                                          Danke, dass Sie mit Ihrer Spende
                                                                                                                                          eine bestmögliche Heilung von
                                                                                                                                          Kindern unterstützen.
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                 CURAVIVA 3 | 21
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