Trauma - Psyche - Job: Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen

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Trauma - Psyche - Job: Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen
Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung e.V. (DGUV)

Mittelstraße 51
10117 Berlin
Telefon: 030 288763800
Fax: 030 288763808
E-Mail: info@dguv.de
Internet: www.dguv.de

                                 Trauma – Psyche – Job:
                                 Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen
Trauma - Psyche - Job: Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen
Trauma – Psyche – Job:
Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen

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Trauma - Psyche - Job: Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen
Verfasser:            Projekt Psyche und Trauma
                      im Sachgebiet Psyche und Gesundheit in der Arbeitswelt
                      des Fachbereichs Gesundheit im Betrieb

Broschürenversand:    bestellung@dguv.de

Publikationsdatenbank: www.dguv.de/publikationen

Herausgeber:          Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
                      Mittelstraße 51, D – 10117 Berlin
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                      E-Mail: info@dguv.de
                      2., aktualisierte Auflage März 2013

Satz und Layout:      Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)

Titelgrafik:          Stefanie Schröder

Druck:                Medienhaus Plump, Rheinbreitbach

ISBN print:           978-3-86423-072-1
ISBN online:          978-3-86423-073-8

2
Trauma - Psyche - Job: Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen
Kurzfassung                                       Abstract
Trauma – Psyche – Job:                            Trauma – Psyche – Job:
Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen               A guide for supervisors

Traumatische Ereignisse sind selten und           Those responsible seldom watch out for trau-
oftmals nicht im Blick der Verantwort-            matic events – and frequently, indeed, not at
lichen – bis zu dem Zeitpunkt eines kon-          all – until, that is, they are confronted with a
kreten Vorfalls.                                  concrete occurrence.

Traumatische Ereignisse haben jedoch,             When they do happen, however, the implica-
wenn sie eintreten, erhebliche Konsequen-         tions of traumatic events can be of major
zen: für die direkt Betroffenen, für Zeugen,      proportions: for those directly affected, for
für den Betrieb.                                  witnesses and for operations on the whole.

Häufig stellt sich dann die Frage „Was hätte      This then often raises the question “What
man vorab tun können?“ oder „Wie geht man         could we have done to prevent this happen-
damit nun um?“.                                   ing?” or “How do we deal with it now?”

Wir haben daher diesen Leitfaden für Sie er-      This has prompted us to prepare this guide
stellt: Er soll Ihnen bei der Einstiegsberatung   for you: It is intended to assist you in the
in Unternehmen helfen.                            initial stages of advising companies.

                                                                                                 3
Trauma - Psyche - Job: Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen
Resumée                                         Resumen
Traumatisme – Psychologie – Emploi :            Trauma – Psique – Trabajo:
Guide pratique à destination des personnels     Una guía de orientación para personal
d’encadrement                                   de supervisión

Les événements traumatiques sont rares et       Los eventos traumáticos son poco frecuentes
se produisent souvent hors de la présence       y, a menudo, no están en las mentes de los
des personnes responsables – jusqu’au jour      responsables. Hasta que ocurre un incidente
d’un incident concret.                          concreto.

Toutefois, lorsqu’ils surviennent, les événe-   No obstante, los eventos traumáticos tienen
ments traumatiques ont des conséquences         consecuencias importantes, no sólo para los
considérables : sur les personnes directe-      afectados directos, sino también para los
ment impliquées, les témoins, l’entreprise.     testigos y la empresa.

On se pose alors souvent la question            Entonces, suelen plantearse preguntas,
« Qu’aurions-nous pu faire en amont pour        como «¿Qué se podría haber hecho de
éviter ça ? » ou « Comment allons-nous gérer    antemano?» o «¿Cómo lidiar con eso
ça maintenant ? ».                              ahora?».

C’est pourquoi nous avons élaboré ce guide      Por este motivo hemos elaborado esta guía
pratique à votre intention : il est destiné à   de orientación para ustedes, con el fin de
vous aider lors des premières étapes de la      que les sea de ayuda en el asesoramiento
prise en charge en entreprise.                  inicial a las empresas.

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Trauma - Psyche - Job: Ein Leitfaden für Aufsichtspersonen
Inhalt

                                                                                                                            Seite

1        Traumatische Ereignisse bei der Arbeit – ein Handlungsfeld
		       für die Aufsichtsperson ...............................................................................               7

2        Argumentationshilfen für die Beratung .......................................................                         9

3        Rechtliche Grundlagen ................................................................................               10

4        Traumatische Ergeignisse und deren Folgen ................................................                           11
4.1      Situation und Erleben Betroffener (Fallbeispiele) .........................................                          11
4.2      Ereignis und Verlauf ....................................................................................            12
4.3      Folgen .........................................................................................................     13

5        Praktisches Vorgehen..................................................................................               14
5.1      Sensibilisierung und Vermittlung von Informationen ....................................                              14
5.2      Hilfe bei der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ............................                                 15
5.3      Unterstützung bei der Ausarbeitung
		       eines betriebsspezifischen Konzeptes .........................................................                       15
5.3.1    Organisation im Unternehmen .....................................................................                    16
5.3.2    Notfallplan – Rettungskette .........................................................................                17
5.3.3    Erstbetreuung .............................................................................................          17
5.3.4    Folgebetreuung ...........................................................................................           20
5.3.5    Maßnahmen bei Rückkehr an den Arbeitsplatz ............................................                              20
5.3.6    Information der Mitarbeiter .........................................................................                21
5.4      Dokumentation Ihrer Aktivitäten ..................................................................                   21

6        Häufig gestellte Fragen ...............................................................................              22
6.1      Fragen zum Verfahren ..................................................................................              22
6.2      Fragen zu Berufen und Tätigkeiten ...............................................................                    24

                                                                                                                                5
Seite

Anhang

Anlage 1       Risiko-Bewertung ........................................................................................           29
Anlage 2       Beispiel für Kostenersparnisse durch Prävention .........................................                           30
Anlage 3       Prüfliste Psychotrauma der Unfallkasse des Bundes ....................................                              31
Anlage 4       Übersicht zum Procedere der BG ETEM
		             (BG Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse)..............................................                         35
Anlage 5       Beispiel guter Praxis für Großbetriebe: Betreuungskonzept
		             der Deutsche Bahn AG .................................................................................              36
Anlage 6       Betreuungskonzepte der Branche ÖPNV/Bahnen der VBG ...........................                                      37
Anlage 7       Meldekette der BGHW (BG Handel und Warendistribution) ...........................                                   38

Literatur ....................................................................................................................     39

6
1 Traumatische Ereignisse bei der Arbeit –
  ein Handlungsfeld für die Aufsichtsperson

Bitte schauen Sie sich die Beispiele            • Was, wenn die Gefährdungsbeurteilung
kurz an.                                          darauf hinweist, dass es auftreten könnte?
                                                • Sind Sie darauf vorbereitet?
• Was, wenn ein solches oder ähnliches          • Können Sie dem Unternehmen geeignete
  Ereignis in Ihrem Aufsichtsbereich              Maßnahmen empfehlen?
  passiert?

   Beispiel 1:                   Beispiel 4:                    Beispiel 6:

   Beim Einrichten einer         Ein erfahrener nautischer      Zwei Mitarbeiter werden
   Autobahnbaustelle muss        Offizier muss trotz Notfall-   vor den Augen ihrer Kolle-
   ein Mitarbeiter mit anse-     maßnahmen und Aus-             gen von herabfallenden
   hen, wie sein Kollege von     weichmanöver miterleben,       Gerüstteilen erschlagen.
   einem LKW erfasst und         dass es zu einer Kollision
   überrollt wird.               mit einem anderen Schiff
                                 kommt.                         Beispiel 7:

   Beispiel 2:                                                  Ein Kamerad der Freiwilli-
                                 Beispiel 5:                    gen Feuerwehr nimmt
   Die Kassiererin in einer                                     während des Einsatzes
   Tankstelle wird mit           Ein Ingenieur schaltet eine    eine verbrannte Puppe in
   vorgehaltener Waffe zur       Maschine ohne wieder           einem Zimmer wahr. Dann
   Herausgabe von Bargeld        angebrachte Sicherheits-       wird ihm klar, dass es sich
   gezwungen.                    einrichtungen nach erfolg-     um ein Kind handelt.
                                 ter Reparatur zum Probe-
                                 lauf ein. Ein Kollege wird
   Beispiel 3:                   eingezogen und verliert        Beispiel 8:
                                 beide Arme.
   In der Straßenbahn wird                                      Die Mitarbeiterin im
   ein Fahrausweisprüfer auf                                    Sozialamt erhält aufgrund
   das Übelste beschimpft,                                      einer Kürzung des Wohn-
   bespuckt und schließlich                                     geldes eine massive
   geschlagen.                                                  Morddrohung.

                                                                                              7
Sie finden sich bei den Beispielen nicht        Sicher: Sie sind kein Psychologe. Sie sind
wieder? Mithilfe des Risiko-Checks (siehe       aber auch kein Chemiker, Maschinenbauer,
Anlage 1) können Sie feststellen, ob in den     Biologe etc. in einer Person und beraten
von Ihnen betreuten Unternehmen Hand-           Ihre Unternehmen trotzdem zu Gefährdun-
lungsbedarf besteht.                            gen aus all diesen Bereichen.

In vielen Unternehmen kommen die be-            Und sicher: Es handelt sich um seltene Ereig-
schriebenen Arbeitsunfälle selten oder nie      nisse. Wenn sie jedoch eintreten, bedeuten
vor. In manchen treten sie häufiger auf.        sie für den Betroffenen eine extreme Belas-
Unabhängig von der Häufigkeit aber können       tung und für das Unternehmen erheblichen
sie seelische Verletzungen mit schweren und     wirtschaftlichen Schaden.
langwierigen Folgen hinterlassen. Ziel dieses
Leitfadens ist es, Sie fit zu machen für eine
erste orientierende Beratung des Unterneh-
mers.

8
2 Argumentationshilfen für die Beratung

Für sich selbst haben Sie jetzt den Hand-           Möglicherweise stoßen Sie im Unternehmen
lungsbedarf ausgelotet.                             auf Vorbehalte, weil das Thema als exotisch
                                                    und „weit weg“ empfunden wird oder tabu-
                                                    isiert ist. Deshalb finden Sie im Folgenden
                                                    eine Zusammenstellung von Vorbehalten
                                                    und geeigneten Argumentationen.

 Vorbehalt                           Antwort

 Wir haben wahrlich andere           Das glaube ich Ihnen gern. Aber: Wenn Sie unvorbereitet in ein
 Sorgen.                             solches Ereignis geraten, bekommen Sie noch mehr Sorgen.

 Früher sind die Leute auch ohne     Ja, das mag in Einzelfällen so gewesen sein. Sie kommen mit
 Hilfe zurechtgekommen.              Hilfe aber nachweislich besser zurecht. Und das ist gut für den
                                     Betrieb wie auch für den Betroffenen.

 Unsere Mitarbeiter werden damit     Nach außen hin mag das so aussehen. Aber es gibt leider auch
 schon fertig.                       die weniger offensichtlichen Auswirkungen, Fehlzeiten, Leis-
                                     tungseinbußen, Konzentrationsprobleme, zwischenmenschliche
                                     Probleme, Suchtgefährdung …

 Malen Sie mal den Teufel nicht an   Keiner denkt gerne an solche Ereignisse. Aber wenn wir davor
 die Wand.                           die Augen verschließen, können wir ihnen auch nichts entgegen-
                                     setzen.

 Wir haben keine Zeit dafür.         Ein hoher Zeitaufwand ist auch gar nicht notwendig. Und ich
                                     unterstütze Sie gern.

 Bei uns passiert so was nicht.      Das wünsche ich Ihnen sehr, aber leider ist es nicht aus-
                                     geschlossen.

 Das kostet doch bloß wieder …       Welche Kosten meinen Sie? Die Kosten für den langen Arbeits-
                                     ausfall des betroffenen Mitarbeiters oder andere betriebliche
                                     Folgekosten? (Beispiel siehe Anlage 2)

 Wenn es kommt, kommt es             Richtig, man wird von solch einem Ereignis immer überrascht.
 sowieso anders, als man denkt.      Gerade deshalb ist es so wichtig, dann schon einen Plan B in der
                                     Schublade zu haben und vorbereitet zu sein.

 Wir sind ein Betrieb und kein       Das ist richtig. Deshalb sollten wir gemeinsam schauen, wie er
 Erholungsheim!                      auch nach solchen Ereignissen gesund am Laufen bleibt.

 Wo steht denn, dass der Betrieb     Rechtliche Grundlage ist das Arbeitsschutzgesetz. Danach hat
 sich darum kümmern muss?            der Unternehmer die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, mit
                                     denen Gefährdungen der Mitarbeiter vermieden oder möglichst
                                     gering gehalten werden.

                                                                                                        9
3 Rechtliche Grundlagen

Der Gesetzgeber hat in § 2 Arbeitsschutz-     Naturgemäß lassen sich nicht alle Quellen
gesetz [ArbSchG] festgelegt, dass durch den   psychischer Traumatisierung technisch oder
betrieblichen Arbeitsschutz auch arbeitsbe-   organisatorisch vermeiden. In solchen Fällen
dingte Gesundheitsgefahren abgewendet         müssen Maßnahmen zur Unterstützung und
oder mindestens minimiert werden müssen.      Betreuung Betroffener ergriffen werden.
Grundlage für betriebliche Maßnahmen ist
die Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG),
in der auch Gefährdungen durch trauma-
tische Ereignisse zu erfassen sind. Leitet
sich aus der Gefährdungsbeurteilung ein
Handlungsbedarf ab, sind entsprechende
präventive Maßnahmen zu treffen.

10
4 Traumatische Ereignisse
  und deren Folgen

4.1 Situation und Erleben Betroffener (Fallbeispiele)

   Beispiel 1, Mitarbeiter:            Beispiel 3, Fahrausweisprüfer:     höre ich immer wieder und
                                                                          ich rieche den sauren Schwer-
   „Als der Kollege vom LKW er-        „Nicht nur in der Bahn beim        ölgestank, wenn ich die
   fasst wurde, war ich wie            Kontrollieren war ich vorsich-     Augen zumache. Ich geh‘ nie
   gelähmt, schockiert. Ich kann       tig und sehr misstrauisch, ich     wiedera an Bord, allein bei
   mich gar nicht mehr richtig erin-   hatte das Gefühl, jeder will mir   dem Gedanken bekomme ich
   nern, ich bin dann hingelaufen,     wieder an den Kragen. Dabei        schon schweißnasse Hände.
   er lebte und irgendwann kam         hat mir der Job doch früher        Ich weiß gar nicht, wie es mit
   dann endlich Hilfe. Auch um         Spaß gemacht, ich war gern         mir weitergehen soll. Vor-
   mich hatte sich dann jemand         unter Leuten. Ich konnte           übergehend hatte die
   gekümmert. Es hatte meinen          nachts kaum noch schlafen          Reederei einen Job in der
   engsten Kollegen getroffen. Ich     und hatte schon Angst, wieder      Inspektion, aber man will
   werde dieses Erlebnis einfach       arbeitslos zu werden. Mein         mich wieder auf einem Schiff
   nicht los! Immer wieder läuft       Arbeitgeber hat mich dann auf      einsetzen. Für mich steht
   es wie ein Film vor meinem          ein Seminar geschickt. Da          fest: Ich fahre nie wieder zur
   inneren Auge ab.“                   habe ich viel über Kommu-          See!“
                                       nikation und Deeskalation
                                       gelernt. Brenzlige Situationen
   Beispiel 2, Kassiererin:            kommen immer wieder mal            Beispiel 5, Ingenieur:
                                       vor, aber ich kann besser
   „Seit dem Überfall war ich          damit umgehen und die Arbeit       „Ich gehe zwar wieder zur
   noch nicht wieder arbeiten,         läuft wieder.“                     Arbeit, aber irgendwie ist
   bin schon einige Wochen                                                alles anders. Ich funktioniere
   krankgeschrieben. Jedes Mal,                                           nur noch und mache das Nö-
   wenn eine automatische Tür          Beispiel 4, Offizier:              tigste, auch Fehler. Ich kann
   aufgeht, erschrecke ich und be-                                        auch kein Maschinenöl mehr
   komme Herzrasen und die Luft        „Ich hatte Wache. Das ande-        riechen. Mein Chef hat mich
   bleibt mir weg. Dann habe ich       re Schiff hatte seinen Kurs        schon angezählt, hoffentlich
   furchtbare Angst, alles könnte      einfach beibehalten, die           verliere ich nicht die Arbeit.
   schon wieder passieren. Mein        reagierten gar nicht auf Funk      Ich fühle mich innerlich leer,
   Mann sagt zwar, der Überfall        und Signalraketen und in dem       wie tot und kann mich für
   sei vorbei, aber ich hatte solche   engen Fahrwasser konnte ich        nichts mehr interessieren.
   Todesangst, das möchte ich nie      mit unserem großen Schiff          Äußerlich lasse ich mir nichts
   wieder erleben.“                    nicht ausweichen. Ich konnte       anmerken. Ich weiß gar nicht,
                                       nichts machen! Den riesigen        was los ist mit mir. Ob das mit
                                       Schlag, als er uns rammte und      dem Unfall zu tun hat?“
                                       den Backbordtank aufriss,

                                                                                                            11
4.2 Ereignis und Verlauf                          Während und unmittelbar nach einem
                                                  plötzlichen und unerwarteten traumatischen
Ein traumatisches Ereignis wird charakteri-       Ereignis erleben sich Betroffene in der
siert als ein belastendes Ereignis oder eine      Schockphase wie betäubt, desorientiert und
Situation kürzerer oder längerer Dauer,           haben ein Gefühl der emotionalen Taubheit.
mit außergewöhnlicher Bedrohung oder              Zunächst können sich fehlende emotionale
katastrophenartigem Ausmaß.                       Reaktionsfähigkeit sowie Wahrnehmungs-
                                                  und Bewusstseinsverengung zeigen.
Auf der Einwirkungsseite für die betroffene
Person steht                                      Körperliche Reaktionen, vor allem durch
• die Konfrontation mit Ereignissen, die den      Ausschüttung von Stresshormonen, können
  tatsächlichen oder drohenden Tod, ernst-        zu erhöhter Pulsfrequenz sowie schnellerer
  hafte Verletzung oder sonstige Gefahr für       und flacherer Atmung führen. Es kann zu
  die Unversehrtheit der eigenen Person           Schweißausbrüchen, Muskelspannungen,
  oder anderer Personen beinhalten.               Muskelzittern, Schwindelanfällen und Übel-
                                                  keit kommen.
Auf der Auswirkungsseite stehen
• das Erleben von starker Angst, Bedroht-         Manche Betroffene können äußerlich ruhig
  sein, Hilflosigkeit, Entsetzen.                 und gefasst wirken.

Abbildung 1:
Mögliche Verarbeitungsverläufe nach einem traumatischen Ereignis (in Anlehnung an LUCAS, 2001)

12
Diese direkten und unmittelbaren körper-        4.3 Folgen
lichen und psychischen Schockreaktionen
klingen bei vielen der Betroffenen nach         Werden länger anhaltende und über die
einiger Zeit wieder ab.                         akute Schock- und Belastungsreaktion hin-
                                                aus bestehende Symptome und Beschwer-
In der Einwirkphase ist es für die weitere      den nicht wahrgenommen, kann dies für
Verarbeitung des traumatischen Ereignisses      Betroffene und den Betrieb schwerwiegende
wichtig, die körperliche und emotionale         Folgen haben, z. B.
Belastungsreaktion als eine normale und
verständliche Überforderungsreaktion zu         • lange Ausfallzeiten
verstehen. Soziale Unterstützung, wie ein       • lange Behandlungszeiten
offenes Gespräch mit vertrauten Personen,       • Schwierigkeiten bei der Wiederaufnahme
ist wichtig und wirkt entlastend.                 der Tätigkeit
                                                • Vermeidungsverhalten gegenüber
Die weitere Verarbeitung ist auch davon           bestimmten (Teil-)Tätigkeiten
abhängig, wie Betroffene auf traumatische       • Berufswechsel
Ereignisse vorbereitet wurden und welche        • Berufs-, Tätigkeitsaufgabe, Berufs-
Möglichkeiten zur Einordnung und Bewälti-         unfähigkeit
gung bei der betroffenen Person vorhanden       • Rückzugsverhalten gegenüber Kollegen
sind bzw. welche ihr angeboten werden.            sowie im privaten Umfeld
                                                • Verhaltensauffälligkeiten
Sich bewusst zu werden, eine Extremsitua-         (z. B. Suchtgefährdung)
tion überstanden zu haben und sich daran
zu erinnern, was eventuell zu deren Bewäl-      Daher sollten Kollegen und Vorgesetzte nach
tigung beigetragen hat, ist ein wichtiger       einem traumatischen Ereignis dem Betrof-
Aspekt in der Neuorientierung. In der kon-      fenen gegenüber aufmerksam sein und ggf.
struktiven Verarbeitung wird das trau-          Unterstützung anbieten.
matisch Erlebte ohne Selbstzweifel und
Selbstvorwürfe akzeptiert. Die Erinnerung       Der Betriebsarzt kann in einem ärztlichen
daran ist nicht mehr emotional belastend        Gespräch unterstützen und vermitteln.
und tritt auch nicht mehr unkontrolliert auf.
Das Erregungsniveau hat sich normalisiert
und insgesamt ist die subjektiv empfundene
Belastungsintensität abgeklungen.

                                                                                            13
5 Praktisches Vorgehen

Sie als Aufsichtsperson können sowohl auf         und Unterstützung wirken, um möglichst
Anfrage des Betriebes als auch in Eigeniniti-     unbeschadet mit einem solchen Ereignis
ative eine Beratung zur Prävention und Ver-       umgehen zu können.
meidung von chronischen Störungen nach
traumatischen Ereignissen (z. B. Depres-        • Durch Information und die Organisation
sion, posttraumatische Belastungsstörung)         betrieblicher Strukturen können materiel-
durchführen.                                      ler Schaden und Ausfallzeiten des Mitar-
                                                  beiters erspart bleiben. Bei dem Mitarbei-
Folgende wesentliche Punkte sollten Ihnen         ter kann psychischem Leid und der Gefahr
dabei als Handlungshilfe dienen:                  einer Chronifizierung vorgebeugt werden.

• Sensibilisierung und Vermittlung von          • Werden besondere psychische Folgen
  Informationen                                   (z. B. Posttraumatische Belastungsstö-
• Hilfe bei der Durchführung einer Gefähr-        rung, Entwicklung von Suchterkrankung)
  dungsbeurteilung                                nicht beachtet, kann dies bei dem
• Unterstützung bei der Ausarbeitung              betroffenen Mitarbeiter sogar zur Berufs-
  eines betriebsspezifischen Konzepts             unfähigkeit führen.
• Dokumentation Ihrer Aktivitäten
                                                • Psychische Gesundheitsstörungen nach
5.1 Sensibilisierung und Vermittlung              Belastungen am Arbeitsplatz und nach
		von Informationen                               Arbeitsunfällen sind in den letzten Jahren
                                                  mehr und mehr in das Blickfeld der
Achten Sie darauf, dass bei einer Beratung        Unfallversicherungsträger gerückt. Die
im Unternehmen alle betroffenen Arbeits-          Unfallversicherungsträger verfügen über
schutzakteure hinzugezogen werden. Dies           erprobte Instrumente und Verfahren, um
sind insbesondere die Unternehmenslei-            die Unternehmen und deren Mitarbeiter zu
tung, die Führungskräfte der betreffenden         unterstützen.
Bereiche, der Betriebsarzt, die Arbeitneh-
mervertretung, die Fachkraft für Arbeitssi-     Übergeben Sie bei Ihrer Beratung entspre-
cherheit.                                       chendes Informationsmaterial oder vermit-
                                                teln Sie, wo Informationen abrufbar sind
Bei Ihrer Beratung können Sie folgenderma-      (z. B. Flyer Ihres UVTs, Erfahrungsberichte,
ßen argumentieren:                              Statistiken und andere Veröffentlichungen.
                                                Eine Mediensammlung zum Thema finden
• Je besser ein Betrieb und seine Mitar-        Sie auf der Internetseite der DGUV (Web-
  beiter über unvorhergesehene schwere          code: d139911).
  Ereignisse informiert sind, umso konkreter
  können Präventionsmaßnahmen, Hilfe

14
5.2 Hilfe bei der Durchführung einer            5.3 Unterstützung bei der Ausarbeitung
    Gefährdungsbeurteilung                      eines betriebsspezifischen Konzeptes

Vermitteln Sie Informationen über die           Können Ereignisse und Unfälle bei den
Durchführung der Gefährdungsbeurteilung         Mitarbeitern zu einer seelischen Verletzung
hinsichtlich der Ermittlung von Gefährdun-      führen, dann brauchen diese Unternehmen
gen durch traumatische Ereignisse.              ein betriebsspezifisch ausgerichtetes Be-
                                                treuungskonzept. Das Ziel dieses Konzeptes
Ein gutes Beispiel für die zielgerichtete Ge-   muss es sein, die psychischen Folgen eines
fährdungsbeurteilung zur Thematik ist die       traumatischen Ereignisses so gering wie
„Prüfliste Psychotrauma“ der Unfallkasse        möglich zu halten und einer Chronifizierung
des Bundes, die Sie in der Anlage 3 finden.     vorzubeugen.

Die Liste enthält 17 Fragen in den              Schnelle und professionelle Hilfe am
4 Kategorien:                                   Unfallort und intensive Zuwendung zum
                                                Betroffenen sind dabei ebenso wichtig wie
• Gefährdende Tätigkeiten, Arbeitsbereiche,     die Steuerung der weiteren Behandlung und
  Arbeitssituationen                            die Nachsorge im Unternehmen bis hin zur
• Organisatorische Rahmenbedingungen            Wiederaufnahme der Tätigkeit.
  zum Umgang mit traumatischen Ereig-
  nissen                                        Bei der Beratung der Mitgliedsunternehmen
• Prävention                                    sollten Sie die folgenden Punkte ansprechen
• Betreuung nach einem Ereignis                 bzw. berücksichtigen.

                                                • Organisation im Unternehmen
Der Risiko-Check (siehe Anlage 1) zeigt dem     • Notfallplan – Rettungskette
Unternehmer das Ausmaß des Risikos und          • Erstbetreuung
den Handlungsbedarf.                            • Folgebetreuung
                                                • Betriebliche Maßnahmen zur Wieder-
Leitet sich aus der Gefährdungsbeurteilung        eingliederung
kein Handlungsbedarf ab, so brauchen keine      • Information der Mitarbeiter
weiteren Maßnahmen getroffen werden.
                                                Beispiele für Konzepte finden Sie in den
In jedem Falle sollte der Unternehmer aber,     Anlagen 4 bis 6.
wie in § 6 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz gefor-
dert, das Ergebnis der Gefährdungsbeurtei-
lung entsprechend dokumentieren.

                                                                                           15
5.3.1 Organisation im Unternehmen                Unternehmen. Weisen Sie darauf hin, dass
                                                 ein abgestimmtes Vorgehen notwendig ist,
Eine optimale Betreuung der Betroffenen          um die Folgen eines traumatischen Ereig-
nach traumatischen Ereignissen erfordert         nisses sowohl für den Mitarbeiter als auch
ein betriebsspezifisch festgelegtes Vorge-       für das Unternehmen so gering wie möglich
hen. Dabei sind die handelnden Personen,         zu halten. Je nach Unternehmensgröße und
das Vorgehen nach einem Ereignis sowie           -struktur kann die Koordination durch den
die im Bedarfsfall erforderlichen weiterge-      Arbeitsmedizinischen Dienst, die Sozialbera-
henden ärztlichen oder psychologischen           tung, die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder
Betreuungsmaßnahmen in die betriebliche          betriebliche Führungskräfte übernommen
Organisation einzubeziehen.                      werden. Bei der Auswahl sollte sicherge-
                                                 stellt werden, dass der Koordinator, besser
Beraten Sie den Unternehmer dahin gehend,        „Kümmerer“, mit den Abläufen im Unterneh-
dass das betriebliche Betreuungskonzept          men vertraut und im Unternehmen präsent
mit dem Betriebs- oder Personalrat abge-         ist. In größeren Unternehmen mit eigenem
stimmt werden muss. In der Praxis hat es         Betriebsarzt hat es sich bewährt, diesen als
sich bewährt, eine Betriebsvereinbarung          „Kümmerer“ einzusetzen.
über die Betreuung von Mitarbeitern nach
traumatischen Ereignissen abzuschließen. In      Die Aufgaben des „Kümmerers“ liegen ins-
jedem Fall sollte das Konzept aber in schrift-   besondere darin,
licher Form vorliegen.
                                                 • alle Informationen zusammenzuführen,
Inhalte des Konzeptes sind:                      • einen Überblick über das Verfahren zu
                                                   haben,
• die innerbetriebliche Organisation,            • Kontakt zum Unfallversicherungsträger
• die Festlegung von Verantwortlichkeiten,         aufzunehmen,
  insbesondere des Koordinators,                 • das Verfahren mit dem behandelnden Arzt
• der Einsatz von Erstbetreuern am                 abzustimmen
  Ereignisort,                                   • das Verfahren zu dokumentieren,
• Vereinbarungen mit dem Unfallversiche-         • Ansprechpartner sowohl innerbetrieblich
  rungsträger (z. B. Kostenübernahme)              als auch extern zu sein.
  und anderen Institutionen (z. B. Hilfs-
  organisationen),                               Machen Sie dem Unternehmer klar, dass
• Maßnahmen der Nachsorge im Unter-              der Erfolg wesentlich von der Kompetenz
  nehmen,                                        und dem Engagement des „Kümmerers“
• Festlegungen zur Tauglichkeit, insbe-          abhängt.
  sondere der Fahrdiensttauglichkeit bei
  Fahrpersonalen,                                Bei der konkreten Beratung zum Aufbau
• innerbetriebliche und externe Meldewege.       eines Präventionskonzeptes im Betrieb ist
                                                 es empfehlenswert, auch einen Vertreter
Ein wichtiges Element des Betreuungskon-         der Rehabilitationsabteilung zu beteiligen.
zeptes ist die Koordinierung der Abläufe im      Dieser kann konkrete und rechtlich fundierte

16
Auskünfte hinsichtlich der Gestaltung und       • der Betriebsarzt
Organisation der Rehabilitation eines Betrof-   • die Sozialberatung
fenen nach Eintritt eines Schadensereignis-     • der Unfallversicherungsträger
ses geben.
                                                Unabhängig von der betrieblichen Hilfeleis-
5.3.2 Notfallplan – Rettungskette               tung sollte schnellstmöglich die Anzeige
                                                des Unfalls beim Unfallversicherungsträger
Die psychologische Erste Hilfe unterscheidet    erfolgen, da dieser für notwendige, über die
sich zwar inhaltlich von der medizinischen      Erstbetreuung hinausgehende, stabilisie-
Ersten Hilfe, trotzdem können sich die Un-      rende Maßnahmen und ggf. weitergehende
ternehmen an den jeweiligen betrieblichen       Behandlungen zuständig ist. So kann der
Strukturen (Rettungskette) orientieren. Diese   zuständige Reha-Sachbearbeiter frühzeitig
sollten aber auf ihre Anwendbarkeit für die     die weitere Rehabilitation verantwortlich
psychologische Hilfeleistung überprüft wer-     koordinieren und betreuen.
den. Dabei sollten folgende Fragen geklärt
und schriftlich festgehalten werden:            5.3.3 Erstbetreuung

• Wo und wie wird der Unfall gemeldet           Eine Betreuung des Mitarbeiters sollte direkt
  (innerbetriebliches Telefon, Handy)?          nach dem Eintreten eines traumatischen
• Wer wird von wem, wann und wie über           Ereignisses einsetzen. Die optimale Betreu-
  das Ereignis und den Zustand des              ung, z. B. nach einem schweren Unfall,
  Betroffenen informiert?                       erfolgt durch geschulte Mitarbeiter – so
• Wer übernimmt die Erstbetreuung, wie          genannte Erstbetreuer oder psychologische
  werden die Erstbetreuer alarmiert?            Ersthelfer. Diese werden unmittelbar nach
• Wie wird mit dem Betroffenen Kontakt          einem Unfall benachrichtigt und leisten dem
  aufgenommen?                                  Betroffenen möglichst noch am Unfallort
• Wer nimmt bei Bedarf Kontakt zu Angehö-       Hilfe, ohne gleichzeitig andere Aufgaben
  rigen auf (z. B. Notfallseelsorger, Krisen-   übernehmen zu müssen. Ziel ist es, den
  intervention, Führungskraft, Erstbetreuer)?   Betroffenen merken zu lassen, dass er nicht
• Welche Aufgaben hat der Erstbetreuer,         alleine gelassen wird. Bei der Erstbetreuung
  welche Hilfsmittel stehen ihm zur             kommt es auf ein möglichst zeitnahes „Sich-
  Verfügung?                                    Kümmern“ und „Nicht-alleine-Lassen“ an
                                                und nicht auf eine professionelle psycho-
Anschriften und Telefonnummern der im           logische Betreuung. Bei der Auswahl der
Bedarfsfall zu informierenden Personen          Erstbetreuer ist zu berücksichtigen, dass sie
sind im Betreuungskonzept festzuschreiben       während der Betriebszeiten jederzeit erreicht
und den Mitarbeitern mitzuteilen. Dies sind     werden können, zeitnah am Unfallort sein
insbesondere:                                   können und jederzeit vom eigenen Arbeits-
                                                platz abkömmlich sind. Das heißt in der
• die betrieblichen Akteure („Kümmerer“,        Praxis, dass unter Umständen ein Bereit-
  Führungskräfte, …)                            schaftsdienst eingerichtet werden muss, der
• die Erstbetreuer                              die gesamte Betriebszeit des Unternehmens

                                                                                           17
berücksichtigt. Nur so kann sichergestellt      Informieren Sie das Unternehmen über be-
werden, dass jeder durch ein traumatisches      stehende Regelungen Ihres Unfallversiche-
Ereignis Betroffener die Unterstützung durch    rungsträgers zum Einsatz von Erstbetreuern.
einen Erstbetreuer erhält.
                                                Grundsätzlich gibt es für den Einsatz von
Beraten Sie den Unternehmer über die wich-      Erstbetreuern verschiedene Modelle. Die
tigsten Aufgaben der Erstbetreuer:              Erstbetreuung kann sowohl intern als auch
                                                als externe Dienstleistung sichergestellt wer-
• schnellstmögliche Kontaktaufnahme             den. Die Gegenüberstellung in Abbildung 2
  mit dem Betroffenen,                          liefert eine Entscheidungshilfe für eine inner-
• bei Bedarf Anforderung ärztlicher Hilfe,      oder außerbetriebliche Erstbetreuung.
• Gewährleisten von emotionalem Beistand
  (z. B. beruhigen),                            Überlassen Sie dem Unternehmer die Ent-
• Abschirmung gegenüber Einwirkungen von        scheidung für interne oder externe Erstbe-
  außen (z. B. Passanten, Journalisten),        treuung. Diese trifft er in Abhängigkeit von
• Schutz vor unbedachten Aussagen gegen-        der Struktur seines Unternehmens und in
  über der Polizei/Staatsanwaltschaft           Absprache mit der Arbeitnehmervertretung.
  (siehe 6.1),                                  Entscheidend sind die Anzahl der Mitarbei-
• Begleitung zum Arzt, zum Betriebsarzt,        ter, die als Erstbetreuer in Frage kommen,
  zum Betrieb oder nach Hause,                  die Möglichkeiten, eine Betreuung während
• in Absprache mit dem Betroffenen:             der gesamten Betriebszeit sicherzustellen
  Information Angehöriger,                      sowie die Anzahl potentieller Hilfefälle.
• Aufklärung über betriebliche Vorgehens-
  weise.                                        Entscheidet sich ein Unternehmen für eine
                                                externe Erstbetreuung, so muss ein entspre-
Kann eine Betreuung am Unfallort nicht          chender Vertrag mit dem Dienstleister
gewährleistet werden, sollte ein Erstkontakt    (z. B. einer der Hilfsorganisationen) abge-
in den ersten Stunden bis Tagen erfolgen.       schlossen werden.
Dies sollte aber nicht der Initiative des Be-
troffenen überlassen werden. Hier muss das      In Einzelfällen kann bei der Alarmierung des
Unternehmen aktiv werden und den Kontakt        Rettungsdienstes ein Notfallseelsorger mit
zum Betroffenen herstellen.                     angefordert werden. Polizei, Rettungsdienst
                                                und Feuerwehr können auf professionelle
Wird dennoch vom Betroffenen erwartet,          Notfallseelsorger, z. B. der Hilfsorganisatio-
dass dieser den Kontakt aufnimmt, muss          nen, zugreifen.
dies im Betreuungskonzept festgeschrieben
werden und allen Mitarbeitern bekannt sein.     Dies kann aber nicht als Bestandteil eines
In diesem Fall sind ein Ansprechpartner und     innerbetrieblichen Betreuungskonzeptes
eine feste Rufnummer für den telefonischen      vorgesehen werden, da dadurch die Kapa-
Erstkontakt am gleichen Tag oder am Folge-      zitäten ehrenamtlich tätiger Organisationen
tag festzulegen.                                und Personen gesprengt würden.

18
Abbildung 2:
Argumente für die Auswahl von Erstbetreuern

Werden in einem Unternehmen betriebsin-        Die Ausbildung umfasst idealerweise
terne Erstbetreuer eingesetzt, müssen diese    16 Stunden*, diese kann für Erstbetreuer
aus- und fortgebildet sein. Die Aus- und       mit einschlägigen Vorkenntnissen verkürzt
Fortbilder müssen über einschlägige Erfah-     werden. Alle zwei Jahre ist eine Fortbildung
rungen aus dem Einsatzbereich verfügen         erforderlich. Die Notwendigkeit ergibt sich
und eine fachbezogene medizinische oder        daraus, dass viele ausgebildete Erstbetreuer
psychologische Ausbildung haben.               über Jahre nicht zum Einsatz kommen.
                                               Dadurch gerät das in der Ausbildung Erlern-
Vor der Beratung informieren Sie sich bitte,   te in Vergessenheit und eine gute Qualität
ob Ihr Unfallversicherungsträger entspre-      der Erstbetreuung ist nicht mehr sicherge-
chende Adressen vorhält oder über das          stellt.
Qualifizierungsangebot Erstbetreuer ausbil-
det. Auch sollten Sie dem Unternehmer über     Inhalte der Aus- und Fortbildung der Erst-
Regelungen Ihres Unfallversicherungsträgers    betreuer sind:
über die Kostenerstattung oder -beteiligung
Auskunft geben können.                         •   Potentielle Hilfsangebote
                                               •   Typische Reaktionen Betroffener
                                               •   Einordnen in die Rettungskette
                                               •   Vorrang medizinischer vor psychologi-
                                                   scher Betreuung

* entsprechend den Empfehlungen der Bundespsychotherapeutenkammer und der Unfall-
  versicherungsträger

                                                                                            19
• Kennenlernen der Grundregeln:                   In jedem Fall ist eine unverzügliche Unfall-
  – Sicherung (Selbstschutz)                      anzeige an den Unfallversicherungsträger
  – Sprechen (Kontaktaufnahme mit                 notwendig.
  dem Betroffenen)
  – Schützen (vor weiteren Belastungen            5.3.5 Maßnahmen bei Rückkehr an den
  und Gefahren)                                         Arbeitsplatz
  – Stützen (emotionale Unterstützung
  für Betroffene)                                 Mit zunehmender Dauer der Arbeitsunfähig-
• Darstellung der betrieblichen Struktur          keit wird die Integration ins Arbeitsleben
  und Umsetzung des Konzeptes                     schwieriger. Die berufliche Tätigkeit sollte
                                                  daher so früh wie möglich wieder aufgenom-
5.3.4 Folgebetreuung                              men werden, weil die Ängste, die mit einer
                                                  Wiederaufnahme der Tätigkeit verbunden
Es ist wichtig, frühzeitig zu erkennen, ob sich   sind, mit längeren Arbeitsunterbrechungen
bei Betroffenen nach einem traumatischen          oftmals ansteigen.
Ereignis psychische Störungen entwickeln.
Nicht jeder benötigt eine professionelle          In Abstimmung mit dem Betroffenen, dem
Betreuung oder Behandlung. In der Mehrzahl        Betriebsarzt, dem Unfallversicherungsträ-
der Fälle klingen die Beschwerden von selbst      ger und weiteren Beteiligten („Kümmerer“,
wieder ab. Ist dies nicht der Fall, müssen die    D-Arzt, Psychotherapeut) sollte der Betrieb
Maßnahmen der Stabilisierung möglichst            unter Einhaltung einer zielgerichteten Abfol-
schnell einsetzen, um eine Chronifizierung        ge von Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass
zu vermeiden. Stabilisierende (probato-           der Mitarbeiter wieder an seinem ursprüngli-
rische) psychotherapeutische Sitzungen            chen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann.
sollten deshalb bei Bedarf, spätestens
vier Wochen nach dem Ereignis eingeleitet         Weitere Informationen finden Sie in der
werden. Dies kann auch durch das Unterneh-        DGUV Broschüre „Leitfaden für Betriebsärzte
men in Absprache mit dem Betriebsarzt an-         zum Betrieblichen Eingliederungsmanage-
geregt werden. Veranlasst wird die Behand-        ment“.
lung durch den Unfallversicherungsträger
oder den Arzt (i.d.R. der D-Arzt). In großen      Folgende Aspekte bzw. Integrationsschritte
Unternehmen, in denen der Betriebsarzt            sind bei Wiederaufnahme der Tätigkeit in
als „Kümmerer“ im Rahmen des Betreu-              Betracht zu ziehen:
ungskonzeptes tätig ist, kann auch dieser
die Behandlung durch z. B. einen Psycho-          • falls erforderlich, zunächst Angebot einer
therapeuten veranlassen. In diesen Fällen           vorübergehend anderen Tätigkeit
muss aber das Betreuungskonzept mit dem           • Heranführen an den angestammten
Unfallversicherungsträger abgestimmt sein           Arbeitsplatz, ggf. nach abschließender
und vorab die Kostenzusage des Unfallversi-         Beurteilung der Tauglichkeit auf Grundlage
cherungsträgers eingeholt werden.                   einer arbeitsmedizinischen Untersuchung,
                                                    z. B. durch den Betriebsarzt

20
• soziale/fachliche Unterstützung am           5.4. Dokumentation Ihrer Aktivitäten
  Arbeitsplatz
• bei Wiederaufnahme der Tätigkeit ist die     Dokumentieren Sie in der Betriebsakte ihre
  Begleitung durch Kollegen und/oder Füh-      Beratungsaktivitäten hinsichtlich:
  rungskräfte hilfreich.
                                               • der Ermittlung von Gefährdungen durch
Eine wichtige Voraussetzung für das Gelin-       traumatische Ereignisse
gen der Integration ist eine Unternehmens-     • der Grundlagen eines betriebsspezifi-
kultur, deren Charakter sich durch einen         schen Konzepts
wertschätzenden Umgang auszeichnet. Die        • der Inhalte eines Betreuungskonzepts
Mitarbeiter können den Integrationsprozess     • der konkreten Absprachen mit dem Unfall-
fördern, wenn sie kollegial aufeinander ach-     versicherungsträger
ten und sich gegenseitig unterstützen. Dabei
geht es um Hilfe bei der Rückkehr an den       Hilfreich ist es, Ihre Rehabilitationsabteilung
Arbeitsplatz und keine Überwachung oder        über die Inhalte der Konzepte der Betriebe
Bevormundung.                                  zu informieren.

5.3.6 Information der Mitarbeiter

Im Rahmen der betrieblichen Unterweisung
oder spezieller Schulungsmaßnahmen soll
über die Gefährdung durch traumatische
Ereignisse und über das Betreuungskonzept
informiert werden. Dies kann Teil der Unter-
weisung zum Thema Erste Hilfe sein.
Die Vorstellung des Notfallplans sowie der
Rettungskette sollte im Wesentlichen den
Inhalt der Unterweisung bilden. (Vergleiche
dazu auch Abschnitt 5.3.2.)

                                                                                            21
6 Häufig gestellte Fragen

6.1 Fragen zum Verfahren                        Muss auf jeden Fall nach einem traumati-
                                                schen Ereignis ohne körperlichen Schaden
Ist es erlaubt, dass Betroffene am Unfallort    ein Durchgangsarzt aufgesucht werden?
gegenüber der Polizei oder Staatsanwalt-
schaft keine Angaben zum Unfallhergang          Stimmen Sie sich zu dieser Frage mit Ihren
machen?                                         Kollegen der Rehabilitationsabteilung ab.

Ja. Der Polizei und Staatsanwaltschaft          Entwickelt sich nach einem traumatischen
gegenüber sind Betroffene höchstens zu An-      Ereignis auf jeden Fall eine psychische
gaben bezüglich Ihrer Person, Dienststelle,     Erkrankung?
Anschrift verpflichtet. Weitere Informationen
sollten sie erst zu einem späteren Zeitpunkt    Ein eindeutiges NEIN. Sehr viele Menschen
geben.                                          erleben traumatische Ereignisse, ohne psy-
                                                chisch zu erkranken. Die Selbstheilungs-
Darf die Polizei – ohne Verdachtsmomente –      kräfte sind von Mensch zu Mensch unter-
einen Alkoholtest durchführen?                  schiedlich. Da es für einen Betroffenen
                                                schwer ist, selbst einzuschätzen ob eine
Ja, das ist erlaubt. Dies dient auch der        psychische Erkrankung vorliegt, gehört die
eigenen Sicherheit der Mitarbeiter. Sollte zu   Diagnose in die Hände von Fachleuten.
einem späteren Zeitpunkt irgendein Zeuge
behaupten, der Beteiligte habe eine „Fahne“     Ist es sinnvoll, ein Unfallopfer auf eigene
gehabt, wird es schwer, das Gegenteil zu        Initiative – z. B. im Krankenhaus – zu
beweisen.                                       besuchen?

Darf ein Mitarbeiter der Betriebsaufsicht       Das ist eher nicht sinnvoll, weil niemand
entscheiden, dass Mitarbeiter nach einem        vorher sagen kann, welche Reaktionen durch
schweren Unfall am selben Tag nicht mehr        solch einen Besuch ausgelöst werden. Wenn
fahren, auch wenn sie sich selbst noch          ein großes Bedürfnis zur Kontaktaufnahme
absolut fahrtauglich fühlen?                    besteht, sollte dies vorher durch weitestge-
                                                hend neutrale Personen, wie z. B. Betriebs-
Ja. Insbesondere in den Verkehrsbetrieben       arzt, Sozialberatung, behandelnder Thera-
besteht meist eine solche Anordnung. Es hat     peut oder Betriebsleitung geklärt werden.
sich gezeigt, dass die Auswirkungen eines
traumatischen Ereignisses zeitverzögert auf-
treten. Ein Mitarbeiter der Betriebsaufsicht,
der solch eine Anweisung gibt, handelt für-
sorglich und in keinem Fall diskriminierend.

22
Darf ein Erstbetreuer den Mitarbeiter mit        Ist die Behandlung von posttraumatischen
seinem privaten Pkw oder Dienstwagen in          Störungen sinnvoll?
ein Krankenhaus bringen?
                                                 Ja. Und zwar eine möglichst zeitnahe Be-
Diese Vorgehensweise muss in jedem Fall          handlung. Ein unbehandeltes Leiden kann
mit dem Unternehmen abgestimmt sein,             – auch noch nach vielen Jahren – körper-
d. h. der Erstbetreuer muss grundsätzlich        liche oder seelische Erkrankungen zur Folge
vom Unternehmen beauftragt sein (z. B. im        haben.
Betreuungskonzept festgelegt).
                                                 Darf ein Betroffener, der seine Tätigkeit
Ist es egal, welcher Therapeut einen Mitar-      direkt nach einem Unfall nicht weiterführen
beiter nach einem traumatischen Ereignis         kann oder soll, mit seinem eigenen Pkw
behandelt?                                       nach Hause fahren?

Nein. Bestimmte Berufsbezeichnungen              Davon sollte ihm dringend abgeraten wer-
sind rechtlich nicht geschützt (siehe auch       den. Er selbst kann seine eigene körperliche
6.2), sodass nicht eindeutig aus ihnen           und seelische Verfassung kaum einschät-
hervorgeht, ob bzw. wie derjenige für eine       zen. Der Betrieb sollte für diesen Fall vorab
Behandlung in diesem speziellen Fachge-          klären, inwiefern eine Heimfahrt organisiert
biet ausgebildet ist. Wichtig ist, dass der      wird.
behandelnde Therapeut eine kassenärztli-
che Zulassung hat bzw. in Trauma-Therapie        Ist es in Verkehrsunternehmen aufgrund
oder einem anerkannten Verfahren ausgebil-       eigener Erfahrungen nicht sinnvoll, wenn
det ist. Wichtigste Schnittstelle hier ist der   die Erstbetreuung durch Mitarbeiter aus
Unfallversicherungsträger. Im Zweifel immer      dem Fahrdienst organisiert wird?
erst dort nachfragen, ob die Kosten einer
Therapie übernommen werden.                      Es stimmt, dass das Fahrpersonal sicher
                                                 über einen sehr wichtigen Erfahrungsschatz
Wird eine entsprechende Therapie vom             verfügt. Trotzdem ist es für eine Erstbetreu-
Unfallversicherungsträger bezahlt?               ung eher nicht geeignet, da eine Abkömm-
                                                 lichkeit vom eigenen Arbeitsplatz nicht
Grundsätzlich ja, bei einem Arbeitsun-           gewährleistet ist.
fall. Die Kostenübernahme durch den
Unfallversicherungsträger muss aber im           Darf der Betriebsarzt die Arbeitsunfähigkeit
Vorfeld abgeklärt sein. Das bedeutet, dass       bescheinigen?
grundsätzlich nach dem Ereignis ein D-Arzt
aufgesucht werden muss. Wird nach dem            Nein, bei gesetzlich krankenversicherten
mit dem Unfallversicherungsträger abge-          Personen (auch bei durch den Unfallversi-
stimmten betrieblichen Betreuungskonzept         cherungsträger versicherten Arbeitsunfäl-
der Betriebsarzt als „Kümmerer“ tätig, klärt     len); ja, bei privat versicherten Personen.
dieser die Kostenübernahme.                      Nur in einzelnen größeren Unternehmen
                                                 gibt es Vereinbarungen mit der jeweiligen

                                                                                               23
Betriebskrankenkasse, die dem Betriebsarzt     6.2 Fragen zu Berufen und Tätigkeiten
erlauben, die Arbeitsunfähigkeit für maximal
zwei Tage zu bescheinigen.                     Was ist Rettung?

Darf der Betriebsarzt überprüfen, ob die       Die Versorgung von Menschen, die sich in
Arbeitsunfähigkeit zu Recht bescheinigt        einer psychischen Notsituation befinden, in
wurde?                                         der vitale, lebenswichtige, körperliche und
                                               psychische Funktionen teilweise oder ganz
Nein! Das ist ausschließlich Aufgabe des       außer Kraft gesetzt sind oder drohen, außer
Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.      Kraft gesetzt zu werden.

Darf der Betriebsarzt betroffene Mitarbeiter   Erstes Ziel ist die Rettung aus einer akuten,
selbst behandeln?                              psychischen Gefahrensituation, von der für
                                               das Leben der Betroffenen eine subjektive
Nein! Er darf lediglich im Rahmen der          erlebte Bedrohung ausgeht, sowie eine
Notfallversorgung tätig werden. Die weitere    weitestgehende Verhinderung des Auftretens
Behandlung ist Vertragsärzten vorbehalten.     erneuter Bedrohungen.
Es ist jedoch die Aufgabe des Betriebsarz-
tes, im Rahmen seiner betriebsärztlichen       Psychologische Erstbetreuung:
Tätigkeit den Mitarbeiter zu untersuchen
und zu beraten, um einer Erkrankung oder       Erstbetreuer, Ersthelfer, psychosoziale Fach-
Verschlimmerung oder einer Gefahr am           kräfte (z. B. Notfallseelsorger, Notfallpsycho-
Arbeitsplatz vorzubeugen. Auch bei der         logen) stehen Betroffenen unmittelbar am
Wiedereingliederung sollte der Betriebsarzt    Schadensort bei.
hinzugezogen werden. Er kann als Schnitt-
stelle zwischen Sozialversicherungsträger,     Psychotherapeutische
Betroffenem und Betrieb agieren.               Notfallversorgung:

                                               Zeitnahe professionelle Behandlung z. B.
                                               durch niedergelassene psychologische oder
                                               ärztliche Psychotherapeuten (Psychotrau-
                                               maambulanzen, stationäre Einrichtungen).

                                               Was ist ein Arbeitsmediziner
                                               (Facharzt für Arbeitsmedizin)?

                                               Mediziner, die den ärztlichen Beruf ausüben
                                               und die eine in der Weiterbildungsordnung
                                               der zuständigen Landesärztekammer fest-
                                               gelegte, mehrjährige Weiterbildung im Fach
                                               Arbeitsmedizin nach einer Prüfung erfolg-

24
reich abgeschlossen haben. Diese Mediziner       Was ist ein Neurologe?
dürfen die Gebietsbezeichnung „Facharzt für
Arbeitsmedizin“ führen.                          Der Neurologe (Nervenarzt) ist ein Facharzt,
                                                 der sich mit Erkrankungen des zentralen,
Was ist ein Betriebsmediziner?                   peripheren und vegetativen Nervensystems
                                                 mit nachweisbarer stofflicher Ursache
Mediziner, die den ärztlichen Beruf aus-         (Entzündungen, Tumor, Stoffwechselkrank-
üben, eine Gebietsbezeichnung (Facharzt)         heiten ...) beschäftigt.
außerhalb der Arbeitsmedizin besitzen und
die eine in der Weiterbildungsordnung der        Was ist ein Psychiater?
zuständigen Landesärztekammer festge-
legte, zweijährige Weiterbildung im Fach         Der Psychiater ist ein Facharzt für Erkran-
Arbeitsmedizin abgeschlossen haben. Sie          kungen der geistigen Funktionen und des
dürfen die Zusatzbezeichnung „Betriebs-          Gefühlslebens. Der Psychiater hat Medizin
medizin“ führen.                                 und der Psychologe Psychologie studiert.
                                                 Im Gegensatz zum Psychologen darf der
Was ist ein Betriebsarzt (Werksarzt)?            Psychiater Medikamente verschreiben. Die
                                                 Zusatzbezeichnung „Psychotherapeut“ darf
Arbeits- oder Betriebsmediziner, der vom         ein Psychiater erst nach einer psychothera-
Unternehmer nach § 3 ASiG in Verbindung          peutischen Zusatzausbildung führen. Man
mit der DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte         spricht hier im Gegensatz zum „psycholo-
und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ für die    gischen Psychotherapeuten“ von einem
arbeitsmedizinische Betreuung der Beschäf-       „ärztlichen Psychotherapeuten“. Allerdings
tigten schriftlich bestellt ist.                 müssen ärztliche Psychotherapeuten keine
                                                 Psychiater sein; auch andere Fachärzte wie
Was ist ein Durchgangsarzt (D-Arzt)?             z. B. Internisten, Allgemeinmediziner oder
                                                 Orthopäden können sich durch die psy-
Durchgangsärzte werden von den Landes-           chotherapeutische Zusatzausbildung zu
verbänden der Deutschen Gesetzlichen Un-         ärztlichen Psychotherapeuten weiter quali-
fallversicherung bestellt. Es sind besonders     fizieren.
qualifizierte und speziell ausgestattete Fach-
ärzte für Chirurgie. Sie werden zur Steuerung    Was ist ein Psychologe
und Überwachung der Heilverfahren nach           (Diplom, Master, Bachelor)?
Arbeitsunfällen von den Unfallversicherungs-
trägern eingesetzt.                              Ein Psychologe ist jemand, der ein Hoch-
                                                 schulstudium im Fach Psychologie – und
                                                 nicht wie der Arzt im Fach Medizin – abge-
                                                 schlossen hat. Die Wissenschaft der Psycho-
                                                 logie befasst sich mit dem Seelischen des
                                                 Menschen (z. B. Denken, Fühlen, Verhalten).
                                                 Im Studienschwerpunkt Klinische Psycho-
                                                 logie erwirbt der Psychologe umfassende

                                                                                            25
Kenntnisse über die seelische Gesundheit       Was ist ein Sozialberater?
und mögliche Störungen sowie die Grund-
lagen wissenschaftlicher Psychotherapie.       Sozialberater haben in der Regel ein Stu-
Danach kann sich der Psychologe in einer       dium der Sozialpädagogik oder der Psy-
mehrjährigen psychotherapeutischen Wei-        chologie absolviert. Sie unterstützen und
terbildung zum psychologischen Psycho-         beraten bei psychosozialen Konflikten
therapeuten weiter qualifizieren und die       (z. B. schweren Erkrankungen, Familien- und
kassenärztliche Zulassung erhalten.            Ehekrisen, Schulden usw.). Sie erschließen,
                                               vermitteln und organisieren die geeigneten
Was ist ein Psychotherapeut?                   inner- und außerbetrieblichen Hilfen, die zu
                                               einer bestmöglichen Problemlösung führen
Die Bezeichnung „Psychotherapeut“ ist          sollen. Sozialberatung ist eine freiwillige
eine Zusatzbezeichnung für einen Arzt          soziale Dienstleistung des Unternehmens.
oder Psychologen, die er nach einer psycho-    In manchen Unternehmen werden Sozialbe-
therapeutischen Zusatzausbildung führen        rater auch „Sozialbetreuer“, „Mitarbeiter-
darf. Entsprechend gibt es „psychologische     berater“, „Betriebsfürsorger“ oder „Sozialer
Psychotherapeuten“ und „ärztliche Psycho-      Ansprechpartner“ genannt. In der Regel sind
therapeuten“. Ein Psychotherapeut behan-       Sozialberater bei größeren Unternehmen an-
delt seelische Störungen und Leiden. Ärzt-     gestellt. Regional gibt es auch freie Anbieter,
liche Psychotherapeuten können, müssen         die sich an kleine und mittlere Unternehmen
aber nicht unbedingt Psychiater sein; auch     richten. Bewährt hat sich auch die regionale
andere Fachärzte wie Internisten oder Ortho-   Kooperation zwischen größeren Unterneh-
päden können sich durch die psychothera-       men und ihren kleineren Nachbarn.
peutische Zusatzausbildung zu ärztlichen
Psychotherapeuten weiter qualifizieren.        Was ist ein Therapeut?

                                               Der Begriff ist gesetzlich nicht geschützt.
                                               Praktisch kann sich jeder „Therapeut“
                                               nennen, ohne dass damit eine Aussage über
                                               seine fachliche Qualifikation getroffen ist.

26
Anhang

         27
28
Anlage 1

 Risiko-Bewertung

 Wie stellen Sie fest, ob in einem von Ihnen                c) Folgenschwere
 betreuten Unternehmen Handlungsbedarf                         Beziehen Sie in Ihre Beurteilung die mög-
 besteht?                                                      lichen körperlichen und psychischen Ge-
                                                               sundheitsfolgen bei betroffenen Beschäf-
 Betrachten Sie dazu die Art der möglichen                     tigten und die Schäden für den Betrieb ein
 Ereignisse und schätzen Sie grob deren                        (z. B. Schaden durch Mitarbeiterausfall,
 Häufigkeit sowie Folgenschwere ab.                            Beschädigung von Betriebsanlagen,
                                                               finanzieller Schaden durch Raub). Ordnen
 a) Art der möglichen Ereignisse:                              Sie Ihre persönliche Folgenabschätzung
    In Ihre Betrachtung einbeziehen müssen                     in die Kategorien „gering“, „mittel“ oder
    Sie schwere Unfälle, Gewalt und tätliche                   „hoch“ ein.
    Bedrohung sowie Suizid von Mitarbeitern.
                                                               Zur Verknüpfung der Häufigkeit und
 b) Häufigkeit                                                 der Folgenschwere für die betrachteten
    Eine grobe Einteilung, die Sie nutzen                      Ereignisse können Sie das nachstehen-
    können, ist die folgende:                                  de Raster nutzen. Die farblichen Felder
    selten unter 1x in 5 Jahren                                zeigen Ihnen den jeweiligen Handlungs-
    mittel 1 x in 1 – 5 Jahren                                 bedarf auf.
    häufig über 1x in einem Jahr
Folgenschwere

                hoch

                mittel

                gering

                              selten           mittel          häufig
                                            Häufigkeit

                Risiko für seelische Verletzungen gering, aber nicht gleich Null. Es muss kein betriebsinternes
                Präventionssystem aufgebaut werden. Für den Fall der Fälle ist aber ein Kontakt zu externer
                Hilfe vorzuhalten.

                Risiko für seelische Verletzungen mittel. Grundlagen für die betriebsinterne Hilfe sollten
                vorhanden sein (z. B. Sensibilisierung der Führungskräfte, Information der Beschäftigten,
                ggf. betriebsinterne Erstbetreuer). Ein Kontakt zu externer Hilfe ist vorzuhalten.

                Risiko für seelische Verletzungen hoch. Es sollte eine handlungsfähige Hilfestruktur ins
                Unternehmen integriert werden (betriebsinterne Erstbetreuer, Präventionsmaßnahmen für
                Beschäftigte). Ein Kontakt zu externer Hilfe ist vorzuhalten.

                                                                                                             29
Anlage 2

Beispiel für Kostenersparnisse durch Prävention
Ausfallzeiten und dazugehörige Kosten sofort betreuter und nicht betreuter Mitarbeiter
nach einem Überfall

                 Ausfallverhalten der sofort betreuten Mitarbeiter/Innen
        Ausfalltage vor dem Überfall                     Ausfalltage nach dem Überfall
                (12 Monate)                                       (12 Monate)
        Anzahl                    Tage                   Anzahl                    Tage
           0                        0                        2                       49
           0                        0                        1                        6
           0                        0                        1                         5
           3                       25                        3                       41
           3                       25                        7                      101             = 36 768,04 €

               Ausfallverhalten der nicht sofort betreuten Mitarbeiter/Innen
        Ausfalltage vor dem Überfall                     Ausfalltage nach dem Überfall
                (12 Monate)                                       (12 Monate)
        Anzahl                    Tage                    Anzahl                    Tage
           0                         0                           1                    45
           2                        31                           5                   143
           0                         0                        2                      211
           0                         0                        2                       19
           2                        31                       10                      418            = 152 168,72 €
                                                                     Unterschied = 317              = 115 400,68 €
                                                                                      1 Ausfalltag lt. UKPT = 364,04 €

Quelle: Notfallbereitschaft („Notfallteam“) der DP AG, Frankfurt am Main, 2000; bereitgestellt durch UKPT

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