Turm der Superlative - Burj Dubai - von SKIDMORE, OWINGS & MERRILL

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Turm der Superlative - Burj Dubai - von SKIDMORE, OWINGS & MERRILL
MAGAZI N FÜ R BEWEGU NG I N DER ARCH ITEKTU R   01 | 2008

Turm der Superlative –
Burj Dubai
von SKIDMORE, OWINGS & MERRILL

Architektur der Energieerzeugung
Potenziale intelligenter
Gebäudeinstallation

Living on Water – Prototyp eines
schwimmenden Niedrigenergiehauses
Hotelinteriors – zu Besuch bei
AB.Living Design, Schweden
Turm der Superlative - Burj Dubai - von SKIDMORE, OWINGS & MERRILL
» Editorial

                                                                                          Bettina Flitner, G+S,
Die Verbindung von Ökonomie, Ökologie und Stadt, von Technik, Raum und Kunst liegen für
Prof. Dörte Gatermann und Elmar Schossig im integralen Planen und digitalen Bauen.

Zur Sache: Energieeffizienz
puls im Gespräch mit dem Kölner Architekturbüro Gatermann + Schossig

Welche Energien werden die Architektur –                         Allein die Tatsache, dass vierzig Prozent des    Sprechen wir über das Bauen, haben wir
und unser Leben – in Zukunft bestimmen?                          globalen Energieverbrauchs auf Gebäude           gegenüber anderen Industriezweigen noch
Ich hoffe, dass unsere Zukunft von den natür-                    zurückgehen, zeigt uns, in welcher verantwor-    riesige Defizite. Der Unterschied in der Qua-
lichen Ressourcen unserer Erde getragen wird,                    tungsvollen Rolle die Architektur steckt.        lität der Produkte ist enorm. Nur strukturier-
vorrangig von der Sonne. Aber auch Wind und                      Wie werden sich das Wohnen und die Mobi-         tes, modulares Bauen schafft die Grundlage
Wasser sollten verstärkt eine Rolle spielen.                     lität im Hinblick auf Energien ändern?           für bessere Qualität. In Verbindung mit intelli-
Für welche, auch noch unbekannten Anwen-                         Das Problem Energie könnte uns tatsächlich       genten Softwaremodulen und einer grund-
dungsmöglichkeiten könnten diese Energien                        dabei helfen, die entstandene Mobilitäts-        sätzlich neuen Logistik kann der Unterschied
einmal gebraucht werden?                                         schraube wieder etwas zurückzudrehen. Res-       aufgeholt werden.
Eine Reihe bekannter oder in der Entwicklung                     sourcenschonendes Verhalten bedingt einen        Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht intelli-
befindlicher Energieformen sind bereits in                       sorgfältigen Umgang mit Mobilität, insbeson-     gente Gebäudeleitsysteme für eine energie-
Ersteinsätzen: Biogas-Anlagen, solare Auf-                       dere des Individualverkehrs. Wenn wir es         effiziente Architektur?
triebskraftwerke, Wasserstoff zum Beispiel für                   schaffen, die Entfernungen zwischen Arbeits-     Ohne eine präzise, auf das Gesamtgefüge
den Antrieb von Motoren bis hin zur neuesten                     und Wohnort zu reduzieren, wieder eine stär-     abgestimmte Software kann ein modernes
Photovoltaik. Die weltweite Forschung wird                       kere Durchmischung unserer Städte errei-         Gebäude nicht effizient betrieben werden.
zwangsläufig neue Anwendungen generieren.                        chen und damit deren Lebendigkeit erhöhen,       Bedenken wir, dass Bürohäuser im Durch-
Wie nachhaltig ist die Architektur, verglichen                   haben wir den ökologischen Vorteil gratis.       schnitt nur bis zu 25 Prozent übers Jahr belegt
mit anderen Industriezweigen?                                    Wo sehen Sie derzeit den größten Nachholbe-      sind, so macht das deutlich, dass ein intelli-
Im Weltvergleich sind wir, was das Knowhow                       darf im Bauwesen und mit welchen Technolo-       gentes Leitsystem zur Steuerung aller wichti-
für „intelligente“ Gebäude betrifft, ganz vorn.                  gien verbinden Sie die größten Hoffnungen?       ger Gebäudefunktionen unerlässlich ist.

02                                                                                                                                                    puls 01 | 2008
Turm der Superlative - Burj Dubai - von SKIDMORE, OWINGS & MERRILL
„Die Kräfte, die Ebbe und Flut erzeugen, sind
eine natürliche Energiequelle, die nie versiegt.“
> S. 04 Optimierung durch Kontrolle > S. 08
Burj Dubai – Energieeffizienz am Persischen Golf
> S. 12 Leben auf dem Wasser – Backbord
wohnen und Steuerbord kochen > S. 22
Zukunftsvisionen gebauter Windkraft > S. 28

                              04   Macro                                           32   Zu Besuch
                                   Die Architektur der Energieerzeugung                 Interview mit Tarek Hegazy von AB.Living
                                   von Klaus Dieter Weiss                               Design – Hotelinteriors im Luxussegment
                              08   Micro                                           36   Workshop
                                   Potenziale intelligenter Gebäudeinstallation         „Haus-Technik-Zukunft“: Energiebewusstsein
                                   von Prof. Dr.-Ing. Martin Becker                     durch Energieeffizienz
                              12   Praxis I                                        38   Material
                                   Burj Dubai – Hochhaus der Superlative                Prof. Dorothea Voitländer über das Material
                                   Gebäudemanagement mit Herausforderung                Kunststoff
                              22   Praxis II                                       40   Einblicke
                                   Living on Water – Prototyp eines schwim-             News und Produktneuheiten aus dem Hause
                                   menden Niedrigenergiehauses von Fischer,             Busch-Jaeger
Titelbild: Illustration von
                                   Fromm und Partner                               42   Denkanstoß
Skidmore, Owings & Merrill
Bildbearbeitung: Raphael
                              28   Visionen                                             Die Schätzfrage zum Thema Elektrizität
Pohland / stilradar                Zukunftsprojekte – Die Ästhetik der Windkraft   43   Impressum

                                                                                                                                 03
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Eon
Turm der Superlative - Burj Dubai - von SKIDMORE, OWINGS & MERRILL
» Macro
Das Hochdruck-Speicherkraft-
werk Walchensee in Bayern
nutzt bei einem natürlichen
Gefälle von 200 Metern die
herabstürzenden Wasser-
massen zur Stromerzeugung.

                               Die Architektur der Energieerzeugung

                               Talsperren, Staudämme und Wasserkraftwerke prägen unsere Landschaft.
                               Sie sind oft schon von Weitem sichtbare bauliche Statements und Zeichen
                               ihrer Zeit. Neueste Errungenschaft im Energiesektor aber sind Strömungs-
                               kraftwerke. Sie nutzen die ungeheure Kraft der Ozeane, um umweltfreundliche
                               Energie zu erzeugen. Nicht nur technologisch gesehen, auch architektonisch
                               bedeutet dies einen Quantensprung: Die Energieerzeugung findet – für das
                               menschliche Auge unsichtbar – auf dem Meeresboden statt.

                               Von Klaus Dieter Weiss

                               Jeder zehnte Zug fährt mit Wasserkraft, titelte die Süddeut-     heit. Seit über 2000 Jahren wird die Kraft von aufgestautem
                               sche Zeitung zur Jahrtausendwende. Ein neues Wasserkraft-        oder fließendem Wasser genutzt, um Korn- und Sägemühlen
                               werk an der Donau in Bad Abbach, zwischen Kehlheim und           oder Hammerschmieden zu betreiben. Weltweit liefern Was-
                               Regensburg, nutzt einen Höhenunterschied von nur fünf            serkraftwerke etwa ein Fünftel des gesamten Strombedarfs.
                               Metern zwischen Rhein-Main-Donau-Kanal und dem eigent-           In Skandinavien und Kanada spielt die Wasserkraft eine
                               lichen Flusslauf der Donau. Das vollständig in einen vorhan-     besonders wichtige Rolle. Dort gibt es auch noch viele Mög-
                               denen Staudamm eingebaute, nahezu unsichtbare Kraftwerk          lichkeiten einer intensiveren Nutzung. In Deutschland wurde
                               erzeugt 21 Millionen Kilowattstunden Bahnstrom, das Äqui-        die Wasserkraft bereits Ende des 19. Jahrhunderts stark aus-
                               valent zu sechs Millionen Liter Dieselkraftstoff. 90 Kubikme-    gebaut. Deshalb sind hier Neuanlagen, auch aufgrund an-
                               ter Wasser pro Sekunde fließen aus dem Kanal in den              spruchsvoller Umweltbestimmungen, selten geworden.
                               tiefer gelegenen Donauarm, ohne dass das Wasser künstlich        Allein in Europa sollen in den kommenden Jahren jedoch
                               aufgestaut werden müsste. Die Nutzung anderer regenerati-        300 Millionen Euro in die Entwicklung und den Bau von
                               ver Energiequellen ist für die Bahn schwierig, weil Windkraft-   Meeresenergieanlagen investiert werden.
                               und Solaranlagen nur zeitweise Strom liefern können, die         Alle regenerativen Energien entstehen direkt oder indirekt
                               Züge aber rund um die Uhr im Einsatz sind. Allerdings sind       aus Sonnenenergie. Die Sonne lässt das Wasser verdampfen
                               auch Laufwasserkraftwerke vom Wasserangebot abhängig.            und hebt es damit auf größere Höhen, von denen es wieder
                               Wegen saisonaler Schwankungen mussten darum die in               herabfließen und seine potenzielle Energie in Arbeitsleistung
                               Bayern vorherrschenden Wasserkraftwerke der Bahn durch           verwandeln kann. Die zweimal täglich einsetzende Ebbe und
                               den Bau einer Umrichteranlage in Karlsfeld aufwändig ab-         Flut beruht auf der Gravitationswirkung der Sonne, des Mon-
                               gesichert werden.                                                des und auf der Erdrotation. Noch heute gibt es Überreste
                               Das technisch nutzbare Angebot aller regenerativen Energien      mittelalterlicher Mehlmühlen, die mit dem Tidenhub ihr
                               ist mehrfach höher als der menschliche Energieverbrauch.         Mahlwasser bekamen. Eine andere, heute seltene Bauform
                               Wasserkraft ist eine der ältesten Energiequellen der Mensch-     der Wassermühle war die Schiffmühle, die bereits im 1. Jahr-

                                                                                                                                                             05
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Archiv ABB Schweiz

Das Rheinkraftwerk Ryburg-Schwörstadt, erbaut 1931, ist das größte von elf Laufwasserkraftwerken zwischen Bodensee und Basel. Die
Generatoren und die elektrische Ausrüstung wurden von der ABB-Vorgängerin BBC Brown Boveri hergestellt; vor fünf Jahren wurde das
Kraftwerk modernisiert und mit zukunftsweisender Technik von ABB ausgestattet.

hundert vor der Zeitrechnung entwickelt worden war, um                         auf 8640 Megawatt heraufgesetzt. Die zwischen Brean Down
Energie-Engpässe während einer Belagerung Roms abzuwen-                        (England) und Lavernock Point (Wales) geplante, 16 Kilometer
den. Diese auf schwimmenden Plattformen eingerichteten                         lange Barriere sollte mit fast 200 Turbinen ausgerüstet wer-
Mühlen waren unabhängig von wechselnden Wasserstän-                            den. Die Anlage hätte etwa 12 Prozent des damaligen Strom-
den, weil sie sich diesen ganz einfach anpassen konnten.                       verbrauchs in Großbritannien decken können. Nach erheb-
Schiffmühlen waren damit im Gegensatz zu konventionellen                       lichen Planungs- und Entwicklungskosten wurde der Gedan-
Wassermühlen die ersten Grundlastmaschinen der Wasser-                         ke jedoch erst wieder im Jahr 2006 erneut aufgegriffen, aus-
kraft, die rund um die Uhr zur Verfügung standen. Mit der                      gelöst durch die alarmierenden Signale des Klimawandels.
stärkeren Nutzung der Flüsse als Verkehrsweg wurden sie                        Gezeitenkraftwerke nützen den Höhenunterschied (Tiden-
jedoch zu einem Verkehrshindernis. Heute greifen Wasser-                       hub) des Meerwassers bei Ebbe und Flut. Bei Flut strömt das
kraftanlagen vor allem in das komplizierte ökologische                         Wasser über Röhrenturbinen innerhalb der Staumauer in die
Gleichgewicht von Seen, Flüssen und deren Umfeld ein. Spek-                    abgetrennte Meeresbucht. Ist der Wasserspiegel zwischen
takulären Großprojekten standen jedoch auch immer wieder                       Meer und Bucht auf gleicher Höhe, werden die Öffnungen in
technische und ökonomische Risiken im Wege.                                    der Staumauer geschlossen. Bei Ebbe wiederholt sich der Vor-
                                                                               gang in umgekehrter Richtung. Das seit 1966 betriebene
Größtes Gezeitenkraftwerk der Welt                                             Gezeitenkraftwerk La Rance im Golf von St. Malo an der Nord-
Im Jahr 1840 entstand in Großbritannien die Idee, an der                       küste der Bretagne liefert auf diese Weise seit mehr als vierzig
Mündung des Severn zwischen Cardiff und Weston einen                           Jahren nahezu störungsfrei und sehr günstig Strom.
Damm zu bauen. Eine offizielle Studie des Jahres 1925 wies                     Der umstrittene Drei-Schluchten-Staudamm in der chinesi-
nach, wie an diesem Standort 800 Megawatt Strom erzeugt                        schen Provinz Hubei bildet dagegen eine konventionelle Tal-
werden könnten. In konkreten Studien zwischen 1974 und                         sperre – wenn auch doppelt so groß wie der Bodensee – die
1987 wurde für dieses größte Gezeitenkraftwerk der Welt der                    weltweit größte. 26 Turbinen mit einer Nennleistung von ins-
mögliche Ertrag aus dem Gezeitenhub von bis zu 15 Metern                       gesamt 18.200 Megawatt könnten 14 Prozent des deutschen

06                                                                                                                                                puls 01 | 2008
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Das Laufwasserkraftwerk           Strombedarfs decken. Für dieses Mammutprojekt wurden 13
Ybbs an der Donau (oben),         Städte und 1500 Dörfer überflutet. Zwei Millionen Menschen
der Hoover Dam am Colorado
River (Mitte) und ein zukünfti-
                                  verloren ihre Heimat.
ges Strömungskraftwerk am
Meeresboden (unten) stehen        Unsichtbare Strömungskraftwerke
beispielhaft für das große
                                  Die Schwierigkeiten von Gezeitenkraftwerken liegen demge-
Potenzial der Wasserkraft.
                                  genüber darin begründet, dass trotz seewasserbeständigen
                                  Materials erhebliche Verschleißerscheinungen zu bewältigen
                                  sind. Der Wartungsaufwand durch Versanden und Verschli-
                                  cken ist gleichfalls hoch. Durch die notwendigerweise riesi-
                                  gen Absperrungen wird das biologische Gleichgewicht emp-
                                  findlich gestört. Die Investitionen für den Dammbau, den
                                  meist erforderlichen Stausee und die komplizierten Schleu-

                                                                                                         Verbund
                                  sensysteme sind immens. Der Wirkungsgrad der relativ wir-
                                  kungsschwachen Niederdruckturbinen liegt dagegen nur
                                  zwischen 25 und 65 Prozent. Viermal am Tag erreichen Gezei-
                                  tenkraftwerke ihren „Null-Leistungs-Punkt“, der sich zudem
                                  täglich um rund 50 Minuten verschiebt, so dass unweigerlich
                                  auch Spitzenlastzeiten von diesen natürlichen Ausfällen
                                  betroffen sind. Strömungskraftwerke in der Gezeitenströ-
                                  mung, die im Gegensatz zu Wind und Sonne berechenbar und
                                  permanent auftritt, nutzen dagegen die Auswirkungen der
                                  Gravitation, ohne die klassischen Nachteile von Gezeiten-
                                  kraftwerken in Kauf nehmen zu müssen. Durch die hohe
                                  Dichte des Wassers im Gegensatz zum Wind benötigen Strö-
                                  mungskraftwerke mit 2 bis 2,5 Metern pro Sekunde nur etwa
                                  halb so große Strömungsgeschwindigkeiten wie Windener-
                                  gieanlagen. Unter Wasser reicht darum ein 20 Meter großer
                                  Rotor für eine Leistung von einem Megawatt. Unter Windlast
                                  müsste der Durchmesser des Rotors dafür 55 Meter betragen.
                                  Strömungskraftwerke setzen beim Gezeitenwechsel nur
                                  einen Moment aus und ändern dabei die Richtung bzw. die
                                  Rotorblätter werden verstellt und die Drehrichtung wird bei-
                                  behalten. Die weltweit erste Pilotanlage des deutsch-briti-
                                  schen Projekts „Seaflow“ wurde im Juni 2003 vor der Küste
                                  Cornwalls in Betrieb genommen. Der nächste Schritt ist die
                                                                                                         Kathy Steen / iStockphoto

                                  Entwicklung eines Doppelrotors mit einer Leistung von
                                  einem Megawatt pro Anlage.
                                  Sichtbares Zeichen eines Strömungskraftwerks bleibt allein
                                  ein schiffshoher Turm im Wasser, der sogenannte Monopile.
                                  Die Rotornabe befindet sich in der Regel etwa 10 Meter unter
                                  dem Gezeiten-Tiefstand. Für Wartungsarbeiten kann der
                                  gesamte Rotor hochgefahren werden. Aus der sichtbaren
                                  Umsetzung der Wasserkraft mit Hilfe von Mühlen und Stau-
                                  dämmen ist eine in die Topografie nahezu völlig integrierte
                                  Lösung unter Wasser geworden.

                                  Klaus Dieter Weiss ist Architekturkritiker und Fotograf. Er schreibt
                                  und fotografiert regelmäßig für die einschlägige Architekturpresse
                                                                                                         Eon

                                  im In- und Ausland. Der Autor lebt und arbeitet in Minden.
Turm der Superlative - Burj Dubai - von SKIDMORE, OWINGS & MERRILL
Alex Nikada / iStockphoto
Turm der Superlative - Burj Dubai - von SKIDMORE, OWINGS & MERRILL
» Micro
Explosion des Energiebedarfs
in Städten – Energieeinspar-
potenziale jedes einzelnen
Haushalts helfen dagegenzu-
steuern.

                               Gebäude der Zukunft –
                               Energieeinsparpotenziale erkennen
                               Noch nie waren Strom, Gas und Öl teurer als heute – noch nie hat sich ein
                               sinnvoller Umgang mit Energie mehr gelohnt. Ressourcenschonendes, nach-
                               haltiges Bauen muss alle Möglichkeiten zur Steigerung von Energieeffizienz aus-
                               schöpfen. Weitestgehend ungenutzte Potenziale liegen dabei im Bereich der
                               Gebäudeautomation. puls zeigt die Chancen des Gebäudemanagements auf.

                               Von Prof. Dr.-Ing. Martin Becker

                               Architektur und Gebäudeautomation erscheinen auf den       management die entscheidende Rolle für Wirtschaftlich-
                               ersten Blick als zwei voneinander getrennte Felder, in     keit und Energieeffizienz im Gebäude spielen. Nicht sel-
                               deren Zusammenwirken jedoch große Energieeinsparpo-        ten übersteigen die späteren Energieverbräuche die in der
                               tenziale liegen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden       Planung ermittelten Bedarfswerte um den Faktor zwei bis
                               Forderung nach ressourcenschonendem Bauen ist eine         drei. Neben dem schwer zu berücksichtigenden Nutzer-
                               auf den Investor oder Bauherrn passende Kompromisslö-      einfluss sind unter anderem regelungstechnisch nicht
                               sung notwendig. Moderne energetische Gebäudeplanung        optimal eingestellte Anlagen und nicht an die Nutzung
                               heißt somit, einen Kompromiss zu finden zwischen Kos-      angepasste Betriebsparameter als Gründe dafür zu nen-
                               ten, Energieeffizienz und Komfort- und Behaglichkeitsas-   nen. Diese Fehleinstellungen transparent zu machen, ist
                               pekten der Nutzer. Dazu sind allerdings nicht nur die in   auch Aufgabe der Gebäudeautomation. Der Energiever-
                               der Planung ermittelten energetischen Bedarfswerte         brauch eines Gebäudes ist keine fixe Größe, sondern stark
                               wichtig: Bereits in der Planungsphase muss berücksich-     vom Nutzerverhalten und von einem optimierten Anla-
                               tigt werden, wie die während der gesamten Betriebszeit     gen- und Gebäudebetrieb abhängig. Zeitgemäße Automa-
                               eines Gebäudes anfallenden Energiekosten überwacht         tisierungstechnik ist das notwendige Werkzeug für ein
                               und minimiert werden können. Die laufenden Betriebs-       dynamisches Energie- und Gebäudemanagement, bei
                               kosten wie Energie- oder Wartungskosten tragen einen       dem alle erforderlichen Daten erfasst und ausgewertet
                               Anteil von bis zu 80 Prozent an den gesamten Lebenszy-     werden. Diese Daten garantieren die nötige Transparenz
                               kluskosten, die nur einmal getätigten Planungs- und Bau-   aller Energieflüsse durch entsprechende Energiekenngrö-
                               kosten verschlingen dagegen nur einen Anteil von bis zu    ßen im Gebäude und geben Aufschluss über positive
                               2o Prozent. An diesen Zahlen lässt sich erkennen, dass     sowie negative Einflüsse des Nutzerverhaltens. Hieraus
                               eine zeitgemäße und angepasste Gebäudeautomation           lassen sich wiederum zeitnah und zielgerichtet wirt-
                               und ein darauf aufsetzendes Energie- und Gebäude-          schaftliche Optimierungsmaßnahmen ableiten.

                                                                                                                                                   09
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» Micro

Gebäudeautomation für einen energieeffizienten               tomation und Gebäudemanagement mit den heute bereits
Gebäudebetrieb                                               verfügbaren technischen Möglichkeiten entfernt sind.
Energieeinsparpotenzial besteht zum einen aus der Opti-      Einige Ursachen sind im Folgenden stichpunktartig
mierung von Einzelsystemen wie Heizung, Lüftung, Klima       genannt: Bei Architekten und Bauherren ist ein geringes
oder Beleuchtung. Beispiele hierfür sind angepasste          Wissen und oft mangelndes Verständnis für den Stellen-
Reglerparameter und gleitende Sollwerte, eine angepasste     wert und die Möglichkeiten zeitgemäßer Raum- und
Betriebsführung der Anlagen im Teillastbetrieb oder an-      Gebäudeautomation sowie von Gebäudemanagement vor-
wesenheits- und belegungsabhängige Automationsstrate-        handen. Die Hersteller haben es (bisher) nicht geschafft,
gien für Heizen, Lüften, Kühlen und Beleuchten im Raum.      das Thema Gebäudeautomation und Kommunikations-
Zum anderen besteht auch ein hohes Optimierungspoten-        technik für Architekten und Bauherrn zu „übersetzen".
zial im Bereich der übergreifenden Systemautomation im       Verhindert oder verzögert wird eine gewerkeübergreifen-
Sinne des abgestimmten Zusammenspiels der gesamten           de Gebäudeautomation in vielen Fällen durch den klassi-
Anlagentechnik. Das können Strategien für die Kraft-Wär-     schen Planungsprozess in Einzelgewerken („mein
me-Kälte-Kopplung (KWKK) von Anlagen sein oder Strate-       Gewerk“). So gut wie nie wird eine transparente Lebenszy-
gien für die Integration regenerativer und dezentraler       klusbetrachtung einbezogen, die eventuell höhere Investi-
Energiesysteme (z. B. Photovoltaik, BHKW, Wärmepumpe)        tionskosten für die Gebäudeautomation über die Reduzie-
in ein abgestimmtes Energieversorgungssystem. Beispiele      rung der später geringeren Betriebskosten wirtschaftlich
hierfür sind auch übergreifende Automationskonzepte für      rechtfertigt. Gebäudeautomation wird im laufenden
die geothermische Nutzung mit Wärmepumpen für den            Gebäudebetrieb zu wenig als kontinuierliches Optimie-
Kühl-/Heizbetrieb in Verbindung mit thermischer Bauteil-     rungswerkzeug gesehen und genutzt, da häufig geschultes
aktivierung unter Berücksichtigung aktueller Lastprofile     Personal fehlt. Dadurch werden Energieeinsparmöglichkei-
und Wetterdaten bzw. Wetterprognosen.                        ten nicht oder kaum ausgeschöpft.

Gewerkeübergreifender Ansatz                                 Optimierung bereits in der Planungsphase
Moderne Gebäudeautomationslösungen sind durch ganz-          Eine Verbesserung der heutigen Situation, die für alle
heitliche, gewerkeübergreifende Ansätze gekennzeichnet.      beteiligten Gruppen (Bauherr/Investor, Architekt, Planer,
Offene Bussysteme und Kommunikationsstandards wie            Betreiber, Nutzer) zweifelsfrei wünschenswert wäre, muss
der Europäische Installationsbus (EIB/KNX) gehören heut-     bereits in der Planungsphase von Gebäuden ansetzen und
zutage fast selbstverständlich als Standardinfrastruktur     fordert sicherlich auch eine Bereitschaft im Umdenken
ins Gebäude. Zunehmend werden diese Systeme für über-        klassischer Planungsschritte gemäß dem Motto: „Unser
geordnete Managementaufgaben in das üblicherweise            Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern
vorhandene EDV-Netz, basierend auf einem Ethernet            kann.“ Folgerichtig sollte so früh wie möglich eine auf
TCP/IP-Netzwerk, eingebunden. Gebäudeautomations-,           den Gebäudetyp und dessen Nutzung zugeschnittene
Büro- und Telekommunikationsnetzwerke wachsen somit          Gebäudeautomations- und Informations-Architektur (GIA)
immer mehr zu einem integrierten Kommunikationssys-          entworfen werden. Je später der Entwurf entsteht, desto
tem zusammen. Damit können wichtige Anlagenwerte für         teurer und damit unwirtschaftlicher werden Gebäudeau-
die Diagnose oder Energieverbrauchswerte zeitnah von         tomationslösungen. Nachträgliche, durchaus sinnvolle
jedem Ort der Welt an jeden anderen Ort der Welt übertra-    und notwendige Investitionen für einen optimierten
gen werden. Die Visualisierung von Anlagen und deren         Gebäudebetrieb (z. B. Einbau zusätzlicher Energiezähler,
aktuelle Prozessdaten auf dynamischen Anlagenbildern         zusätzliche Sensoren für die Überwachung oder bedarfs-
ist hierbei eine hervorragende Basis, um den Betrieb einer   /nutzungsgeführte Regelungsstrategien oder übergeord-
Anlage überwachen und energetisch bewerten zu können.        nete Gebäudeleittechnik) sind dann in der Regel nicht
Zusätzlich lassen sich Aufgaben wie Wartungsmanage-          mehr wirtschaftlich umsetzbar. Wird dies jedoch in Form
ment oder Material- und Personaleinsatzplanung realisie-     eines konsistenten, in sich abgestimmten Gebäudeauto-
ren und in die übergeordneten Geschäftsprozesse und das      mationskonzeptes bereits in der frühen Gebäudeplanung
Facility Management integrieren.                             berücksichtigt und in den späteren Planungsphasen
                                                             schrittweise konkretisiert, sind – bezogen auf die gesam-
Hindernisse im System beseitigen                             ten Baukosten – vergleichsweise geringe Mehrinvestitio-
Betrachtet man die heutige Situation kritisch, so muss       nen erforderlich. Praktische Beispiele zeigen, dass dies
man feststellen, dass wir in vielen Anwendungen noch         sogar bei einer Integrationsplanung ohne Mehrkosten rea-
meilenweit von einer effektiven Nutzung von Gebäudeau-       lisiert werden kann. Parallel zum architektonischen

10                                                                                                                       puls 01 | 2008
Das Cockpit eines Flugzeugs
– ein Beispiel für optimierte
Steuerungstechnik. In der
Gebäudeautomatisierung wird
dieser Stand noch angestrebt:
gewerkeübergreifende Lösun-
gen garantieren ein ganzheit-
liches Gebäudemanagement.
                                Carlos Santa Maria / iStockphoto

                                                                   Gebäudeentwurf sprechen wir hier vom Architekturent-         wobei diese Einzelsysteme über eine in die Fassade eben-
                                                                   wurf des umzusetzenden Gebäudeautomations- und               falls eingebaute MSR-Technik (Fassadenautomation) opti-
                                                                   Informationssystems (GIS). Dazu empfiehlt es sich, bereits   mal aufeinander abgestimmt sind. Der Fassadencontroller
                                                                   in einer frühen Planungs- und Entwurfsphase einen Inte-      wiederum ist über standardisierte Bussysteme in die
                                                                   grationsplaner oder technischen Designplaner einzubin-       Raum- und Gebäudeautomation eingebunden, sodass eine
                                                                   den, der auch die Lebenszykluskosten eines Gebäudes mit      auf die Nutzung und Energieeffizienz abgestimmte
                                                                   berücksichtigt.                                              Betriebsführung ermöglicht wird. Das Fenster beziehungs-
                                                                                                                                weise die Fassade wandelt sich somit zunehmend von
                                                                   Integrierte Gebäudesysteme / Mechatronische Fassaden-        einem passiven zu einem aktiven gebäudetechnischen
                                                                   systeme – ein Ausblick                                       Bauelement. Man kann in diesem Zusammenhang auch
                                                                   Ein starker Trend in der Gebäudetechnik ist zurzeit die      von einem mechatronischen Fassadensystem sprechen,
                                                                   Entwicklung zu steckerfertigen, integrierten, gebäude-       das mechanische, elektromechanische/elektronische und
                                                                   technischen Systemen mit aufeinander abgestimmten            informationstechnische Komponenten zu einem neuen,
                                                                   Teilkomponenten und integrierter Mess-, Steuer- und          höherwertigen Gesamtsystem verknüpft. Hier haben wir
                                                                   Regeltechnik (MSR-Technik). Ein Beispiel hierfür sind ste-   noch spannende Entwicklungen vor uns, die neue inte-
                                                                   ckerfertige Wärmepumpen mit integrierter Hydraulikbau-       grierte Gebäudekonzepte ermöglichen.
                                                                   gruppe und MSR-Technik. Diese Entwicklung wird sich
                                                                   künftig auch auf die Gebäudehülle und die Fassadentech-
                                                                   nik ausdehnen. Erste Fassadensysteme dieser Art sind
                                                                                                                                Prof. Dr.-Ing. Martin Becker lehrt an der Hochschule Biberach, Fakultät
                                                                   am Markt verfügbar, die dezentrale Lüftungsgeräte, Son-
                                                                                                                                Architektur und Gebäudeklimatik. Er forscht auf den Gebieten der
                                                                   nenschutzsysteme, Beleuchtungssysteme und sogar die          Raum- und Fassadenautomation, der gewerkeübergreifende Gebäude-
                                                                   Energieerzeugung über Photovoltaik-Module beinhalten,        automation sowie im Bereich Energie- und Gebäudemanagement.

                                                                                                                                                                                                     11
» Praxis

Vertikale Stadt

Die Welt schaut nach Dubai – umso mehr, seit
dort der welthöchste Wolkenkratzer errichtet
wird. Noch etwas mehr als ein Jahr trennt den
Burj Dubai von seiner Fertigstellung. Das
Gebäude gleicht nicht nur hinsichtlich der Nut-
zerzahl, sondern auch in Sachen Ressourcen-
verbrauch und Installationstechnik einer eige-
nen „Stadt in der Stadt“.

Von Jakob Schoof

Das Aschenputtel am Persischen Golf ist dabei, sich zur
Traumprinzessin zu wandeln. Monatelang war die Beton-
konstruktion des Burj Dubai wie ein aschgrauer Finger in
den Wüstenhimmel gewachsen. Nun werden seit Herbst
2007 die Fassadenpaneele montiert und lassen erahnen,
welches Bild die Gigantin in ihrem spiegelnden Stahl-Glas-
kleid dereinst abgeben wird. Doch selbst in der hektischen
Bau-Betriebsamkeit am Golf mutet der Turm befremdlich
an, wie ein Gulliver, der aus einer anderen Welt unter Zwer-
ge gefallen ist. Ein gutes Stück westlich der Innenstadt und
von der Stadtautobahn landeinwärts gelegen, überragt die
                                                               Taylor-Bramley / ArabianEye / Agentur Focus

halbfertige Struktur alle Bauten im weiteren Umkreis um
nahezu das Doppelte. Und das will schon etwas heißen in
Dubai, jener Stadt, die inzwischen rund 150 Wolkenkratzer
über 100 Meter Höhe ihr eigen nennt.
An der isolierten Lage des Burj Dubai soll sich in den kom-
menden Jahren einiges ändern: Ringsum ist für rund 20
Milliarden Euro ein neues Stadtviertel, „Downtown Burj
Dubai“ geplant, das einen Mix aus Wohnen gehobenen

12
Schon jetzt, also noch ohne      Standards, Büros sowie extravaganten Einkaufs- und Frei-       senförmige Eingangspavillons vorgelagert sind. Der weit-
          seine 200 Meter hohe Stahl-
                                           zeitangeboten bieten soll. Bleiben soll dagegen, wenn es       aus größte Teil des Turms besitzt Y-förmige Grundrisse,
          spitze, überragt der Burj
          Dubai die Skyline des Emirats
                                           nach dem Bauherrn EMAAR Properties und seinen Archi-           deren Flügel nach oben hin sukzessive kürzer werden. Die-
          deutlich. Im Vordergrund ist     tekten Skidmore, Owings & Merrill (SOM) geht, ein anderes      se Form besitzt praktische Vorteile: hohe Stabilität bei
          das künstliche Insel-Archipel    Alleinstellungsmerkmal des Turms. Ein für alle Mal soll der    geringem Materialeinsatz (auch Urwaldbäume verwenden
          „The World“ im Rohbauzu-
                                           Burj Dubai die Frage beantworten, wer nun der Höchste ist      bei ihren Brettwurzeln das gleiche Konstruktionsprinzip),
          stand zu sehen.
                                           auf der Welt: das Taipei 101 mit der höchsten nutzbaren        und ein optimales Verhältnis von Fassadenfläche zu Raum-
                                           Geschossebene (439 Meter) oder der Sears Tower mit der         tiefe. Alle Wohnungen und Büros genießen Panoramablick
                                           höchsten Antennenspitze (527 Meter)? Oder doch der CN          ins Freie, ohne in das Wohnzimmer des Nachbarn sehen zu
                                           Tower in Toronto, der nicht als Hochhaus zählt, aber mit 553   können – oder zu müssen.
                                           Metern Antennenhöhe bislang das höchste nicht abge-            Doch nicht nur die Blume, auch ein zweites Bild aus dem
                                           spannte Bauwerk der Welt ist? Burj Dubai wird sie alle in      arabischen Kulturraum drängt sich als Analogie zum Burj
                                           den Schatten stellen: Zwar wird die endgültige Bauhöhe         Dubai auf: die Zikkurat, der sich nach oben hin verjüngen-
                                           offiziell noch immer gehütet wie ein Staatsgeheimnis,          de „Turm von Babel“, mit seiner spiralförmig umlaufenden
                                           doch die Anzeichen verdichten sich, dass bei rund 820          Erschließungsrampe. Ihr entsprechen beim Burj Dubai ins-
                                           Meter „Schluss sein“ wird. Der Burj Dubai wäre damit nach      gesamt 25 spiralförmig angeordnete Rücksprünge, die den
                                           allen vier Kriterien des Council on Tall Buildings and Urban   Turm nach oben hin immer weiter „ausdünnen“. Zudem
                                           Habitat (CTBUH) in Chicago das höchste Bauwerk der Welt:       wird der vertikale Abstand zwischen den Rücksprüngen
                                           Er besäße das höchstgelegene genutzte Stockwerk, die           zur Spitze hin sukzessive größer und die Turmsilhouette
                                           höchste Dachfläche, die höchste Gebäudestruktur und die        damit immer steiler. Auch hier bietet die Form wiederum
                                           höchste Antennenspitze. Man könnte ihn mit bloßem Auge         funktionale Vorzüge: Die horizontalen Windkräfte finden
                                           aus einer Entfernung von fast 100 Kilometern sehen.            nirgends eine wirkliche Angriffsfläche; sie werden stets an
          So stellt sich die Investoren-
          gesellschaft Nakheel Dubai im
                                                                                                          den nächsthöheren Rücksprung „weitergereicht“.
          Jahr 2020 vor. Neben „Palm       Wüstenblume mit Brettwurzeln                                   Auf 440.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche, davon
          Jumeirah“ und „The World“        Eine sechsblättrige Wüstenblume soll den Architekten           312.000 m2 überirdisch, wird der Burj Dubai drei Hauptnut-
          sollen bis dahin zwei weitere
                                           zufolge Pate für die Grundrissform des Burj Dubai gestan-      zungen vereinen: ein „Fünf-Sterne-plus“ Armani Hotel (bis
          Palmeninseln sowie die halb-
          mondförmige „Dubai Water-        den haben. Sechs radiale Achsen besitzt der Grundriss          zur 39. Etage), Luxuswohnungen (Ebenen 43-108) sowie
          front“ entstanden sein.          jedoch nur im Sockelbereich, wo dem Burj Dubai drei lin-       Bürogeschosse (Ebenen 112-154). Hinzu kommen: ein unter-
Nakheel

                                                                                                                                                                     15
irdisches Parkhaus für 2500 Autos, die höchste im Freien
                 gelegene Aussichtsplattform der Welt (auf Ebene 124; 440
                 Meter über dem Straßenniveau), mehrere Ebenen für Kom-
                 munikationstechnik in der Turmspitze sowie vier je dreige-
                 schossige Technikzonen. Sie beginnen oberhalb der Ebenen
                 38, 72, 108 und 140 und enthalten Einrichtungen für Be- und
                 Entlüftung, Klimatisierung, Elektroverteiler und Pumpen-
                 zentralen sowie die Über- und Unterfahrten der Aufzüge.

                 Rekordwachstum mit Rekord-Beton
                 Schon vor der Fertigstellung besitzt der Burj Dubai seine
                 eigene Fan-Homepage: Unter www.burjdubaiskyscraper.
                 com werden fast täglich Bilder und Neuigkeiten zum Bau-
                 fortschritt veröffentlicht. Und der ist beachtlich: Während
                 der Rohbauarbeiten waren ständig 2000 bis 3000 Bauar-
                 beiter im Drei-Schicht-Betrieb im Einsatz. Das Gebäude
                 wuchs dadurch alle drei bis vier Tage um ein neues
                 Geschoss.
                 Der Rohbau des Burj Dubai besteht aus zwei Teilen: einer
                 601 Meter hohen Stahlbetonkonstruktion und einer Stahl-
                 spitze, deren genaue Höhe derzeit noch geheimgehalten
                 wird. Insgesamt wurden 230.000 Kubikmetern Beton ver-
                 baut, was einem Würfel von 61 Metern Kantenlänge ent-
                 spräche. Die Stahlbewehrung des Turms würde, anein-
                 andergelegt, um ein Viertel des Erdballs reichen. Verwen-
                 det wurde ein hochfester Beton der Festigkeitsklasse C80.
                 Dieser mit speziellen Chemikalien, insbesondere Betonver-
                 flüssigern, versehene Transportbeton besitzt eine dreimal
                 höhere Druckfestigkeit als Beton mit normaler Festigkeit.
                 Zwei Höchstleistungspumpen beförderten den Beton an
                 seinen Einsatzort an der Turmspitze. Bis dahin war er teils
                 über 20 Minuten unterwegs und musste durch Beimengen
                 von Eis gekühlt werden, um bei Außentemperaturen um
                 50 Grad noch verarbeitungsfähig zu bleiben.
                 Üblicherweise werden bei Hochhäusern wenige tragende
                 Wände mit großen Wandstärken errichtet und die übrigen
                 Vertikallasten über Punktstützen abgetragen. Dies ist beim
                 Burj Dubai anders: Der Turm entstand als Wabenkonstruk-
                 tion mit vielen spantenartigen Aussteifungswänden und
                 Wandstärken von nur 30 bis 40, im Ausnahmefall 60 Zenti-
                 metern. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Schalungs-
                 technik: Im Regelfall ist im Hochhausbau des Verhältnis
                 von Wand- zu Deckenschalung 1:2 oder 1:3. Bei Bau des Burj
                 Dubai war es umgekehrt.

                 Glaskleid mit Sonnenschutzfaktor
                 Ein findiger Kopf hat einmal errechnet, dass die Vorhang-
                 fassade des Burj Dubai so groß sein wird wie 17 Fußballfel-
Ronnie Stewart

                 der zusammen. Eine solche Fassadenfläche lässt sich nur
                 wirtschaftlich errichten, wenn die Potenziale der Vorferti-
                 gung und Standardisierung vollständig ausgeschöpft wer-

                                                                 puls 01 | 2008
den. Am Burj Dubai werden insgesamt 21 unterschiedliche
Fassadenpaneele in Größen von 1,3 x 3,2 Metern bis 2,25 x 8
Metern verbaut. Die Fassadenpfosten aus Aluminium sind
außen mit Edelstahl-Abdeckprofilen verkleidet, die wie
Lisenen aus der Fassadenfläche hervortreten und diese ver-
tikal gliedern. Für die Fassaden wurde eine Doppel-Isolier-
verglasung mit 16 mm Scheibenzwischenraum verwendet.
Die äußere Glasscheibe erhielt eine innen liegende Silber-
beschichtung, die innere dagegen eine außen liegende
Low-E-Beschichtung. Diese Glaskombination lässt 20 % des
sichtbaren Lichts, aber nur 16 % der Wärmestrahlung ins
Gebäudeinnere passieren. Welchen enormen Witterungs-
                                                                Ebene 156-158:
einflüssen die Fassade standhalten muss, wird aus folgen-
                                                                Telekommunikationstechnik
den Zahlen deutlich: Die Außentemperaturen schwanken
                                                                Ebene 156:
zwischen +2°C und +54°C, die Oberflächentemperatur der          Haustechnik
Fassade steigt bis auf 82 °C. Hinzu kommen der mit der          Ebene 144-154:
Höhe zunehmende extreme Winddruck und der an der                Bürogeschosse
                                                                Ebene 141-143:
Golfküste ständig zirkulierende Flugsand, der den Fassaden
                                                                Haustechnik
zusetzt wie Scheuerpulver.
Gereinigt werden die Fassadenflächen mit Hilfe dreier           Ebene 125-140:
Außenaufzüge, die in außen liegenden „Garagen“ weit             Bürogeschosse
oben am Turm geparkt werden. Sie hängen an einem je 45
                                                                Ebene 122-124:
Meter langen Schwenkarm, der seinerseits auf Schienen
                                                                Club & Aussichtsebene
horizontal verfahrbar ist. Die einmalige Reinigung aller        Ebene 112-121:
Turmfassaden nimmt auf diese Weise rund drei bis vier           Bürogeschosse
Monate in Anspruch.                                             Ebene 109-111:
                                                                Haustechnik

Haustechnik der Extraklasse
Für die Vertikalerschließung des Burj Dubai adaptierten die
Aufzugsplaner ein aus dem Eisenbahnwesen bekanntes              Ebene 76-108:
                                                                Luxuswohnungen
Prinzip: Express-Aufzüge bringen die Bewohner und Ange-
stellten ohne Zwischenhalt zu Verteilerebenen, so genann-
ten „sky lobbies“, oberhalb der Technikzonen. Von dort aus      Ebene 73-75:
gelangen die Nutzer mit „Nahverkehrs“-Aufzügen in ihre          Haustechnik

jeweilige Wohn- oder Büroetage. Die Vorteile: Die Express-
Aufzüge können auf extrem hohe Geschwindigkeit (bis zu
700 Meter pro Minute) und Kapazität (2 x 21 Personen auf        Ebene 43-72:
                                                                Wohnungen
zwei Kabinenebenen) ausgelegt werden. Die Schächte der
Lokal-Aufzüge lassen sich dagegen platzsparend übereinan-
der stapeln, da jeder von ihnen nur einen Abschnitt des         Ebene 69-71:
                                                                Haustechnik
Gebäudes bedient. Insgesamt werden mehr als 50 Aufzüge
                                                                Ebene 38-39:
im Gebäude unterwegs sein. Hierzu zählen auch zwei Ser-         Hotelzimmer
vice- und Wartungsaufzüge für die Büroebenen. Einer von         Ebene 19-37:
ihnen fährt vom Erdgeschoss bis ins 138. Geschoss und ist mit   Wohnungen

mehr als 500 Metern Schachthöhe der höchste Aufzug der          Ebene 17-18:
Welt. Planerisch bedeuteten diese Aufzüge wegen des             Haustechnik
„umgekehrten Kamin-Effekts“ eine besondere Herausforde-         Ebene 5-16:
rung: In gemäßigten Breiten neigt die Luft in hohen Atrien      Hotelzimmer

oder Lufträumen dazu, sich zu erwärmen und aufzusteigen.        Sockel + Untergeschosse:
Im subtropischen Klima Dubais ist das Gegenteil der Fall:       Lobby, Büros, Läden,
Das Gebäudeinnere ist kühler als die Außenluft, was regel-      Parkebenen

                                                                                            17
Haider Yousuf / Fotolia.com
Florale Formen prägen
Dubais Städtebau auch im
größten denkbaren Maßstab:
Die Palm Jumeirah, hier kurz
vor ihrer Fertigstellung,
besteht aus rund 200 Millio-
nen Kubikmetern künstlich
aufgeschüttetem Sand und
Steinen. Allein ihr Stamm ist
rund fünf Kilometer lang.

Hymenocallis, ein Lilienge-
wächs, stammt aus dem tro-
                                                              www.wikipedia.de

pischen Mittelamerika. Ihr
Blütenaufbau soll für die
Grundrissform des Burj Dubai
Pate gestanden haben.

18                                     puls 01 | 2008
Dachaufsicht (oben links) und   rechte Fallwinde in den Treppenhäusern und Aufzugs-             Der Burj Dubai ist vollständig mit Sprinklern ausgestattet,
Geschossgrundriss (oben
                                schächten entstehen lässt. Dem Problem wurde begegnet,          für die ein separates Löschwassersystem mit 870 Kubikme-
rechts)
                                indem alle Express- und Wartungsaufzüge Vorräume mit            tern Speichervermögen vorgesehen wurde. Es soll ausrei-
                                dicht schließenden Türen erhielten.                             chen, um den unteren Teil des Turms 90 Minuten und den
                                Die Verbrauchszahlen für ein Gebäude von der Größe des          oberen Teil 30 Minuten lang vor dem Ausbreiten eines Feu-
                                Burj Dubai sind beeindruckend: Die Wärmeenergie, die dem        ers zu schützen.
                                Gebäude zu Spitzenzeiten jeden Tag entzogen werden muss,        Die Elektrizitätsversorgung des Hochhauses wurde auf eine
                                würde ausreichen, um 10.000 Tonnen Eis zu schmelzen. Das        Spitzenlast von 36 MW ausgelegt. Zum Vergleich: Das größte
                                Kühlwasser für den Gebäudekomplex wird aus zwei nahe            Solarkraftwerk der Welt, das derzeit bei Leipzig errichtet
                                gelegenen Kühlkraftwerken bezogen, von denen jedes den          wird, liefert mit 400.000 m2 Modulfläche eine Spitzenleis-
                                Burj Dubai im Notfall auch alleine versorgen kann. Im           tung von 40 MW. Um diesen hohen Anforderungen gerecht
                                Gebäudesockel sind Wärmetauscher und Pumpstationen              zu werden, wird der Burj Dubai als eines der ersten Gebäude
                                untergebracht, die die unterschiedlichen Nutzungszonen mit      am Persischen Golf mit 11 kV Hochspannung versorgt. Erst
                                Kühlwasser versorgen: je zwei für die Wohn- und Hotelebe-       im Gebäude wird der Strom durch eigene Umspannwerke in
                                nen, einer für die Bürogeschosse und ein weiterer für die       230 Volt Betriebsspannung umgewandelt. 50 gasisolierte
                                Kühlung des Trinkwassers, dessen Temperatur im Sommer           Schaltanlagen von ABB steuern den Stromfluss so präzise,
                                bis auf 39 Grad Celsius steigen kann. Die Zuluft für den Turm   dass sich Teile des gesamten Hausnetzes zu Wartungszwe-
                                wird in den Technikzonen angesaugt, dort über einen Wär-        cken oder zur Fehleranalyse isolieren lassen. Die Geräte eig-
                                metauscher durch die Abluft vorgekühlt und später maschi-       nen sich aufgrund ihres extrem geringen Platzbedarfs
                                nell in die einzelnen Etagen weitergeleitet. Regelbare          besonders für den Einsatz in Hochhäusern.
                                Antriebssysteme von ABB sorgen dafür, dass Lüftungsanla-        Fünf 11 kV-Notstromgeneratoren stellen darüber hinaus im
                                gen, Abluftventilatoren, Pumpen, Entrauchungsventilatoren       Notfall die Stromversorgung für Sicherheitssysteme, ausge-
                                und Frischluftgebläse aufeinander und auf das Außenklima        wählte Aufzüge, die Druckbelüftung der Treppenhäuser, Ent-
                                abgestimmt arbeiten.                                            rauchungsventilatoren, Pumpen und Notbeleuchtung sicher.

                                                                                                                                                              19
» Praxis
                                                                                                                                 Lageplan (links).
                                                                                                                                 Rund um den Burj Dubai soll
                                                                                                                                 in den kommenden Jahren ein
                                                                                                                                 eigenes Stadtzentrum entste-
                                                                                                                                 hen. Die Größenverhältnisse
                                                                                                                                 sind eindrucksvoll: Die bisher
                                                                                                                                 in dem Gebiet entstandenen
                                                                                                                                 Hochhäuser reichen kaum
                                                                                                                                 über den Sockel des welt-
                                                                                                                                 höchsten Gebäudes hinaus
                                                                                                                                 (rechts).

                                                                                                              EMAAR Properties
Ein Monument des Erdölzeitalters
Was wird mit dem Burj Dubai nach seiner Fertigstellung
geschehen, wie wird de Welt in 50 der 100 Jahren über ihn
                                                             Projektbeteiligte
denken? Die Geschichte lehrt uns, dass Monumente
immer dann im kollektiven Gedächtnis haften geblieben        Architekten, Tragwerks- und Haustechnikplanung
sind, wenn sie ihrer Zeit in punkto Größe um Längen vor-     Skidmore, Owings & Merrill LLP, Chicago, USA
aus waren (wie die ägyptischen Pyramiden oder das Em-        www.som.com
pire State Building) oder sich durch formale Eleganz einen
Platz im Herzen der Bevölkerung erobert haben (wie die       Bauherr
Kathedralen der Gotik oder das Chrysler Building in New      EMAAR Properties PJSC, Dubai, VAE
York). Der Burj Dubai könnte dereinst zu den Gebäuden        www.emaar.com
der Welt gehören, denen beides zuteil wurde. Vielleicht
wird er aber auch als spätes Monument des Erdölzeitalters    Projektmanagement
und seines ungebremsten Wachstumsglaubens gelten.            Turner Construction International
Dass für dieses Bauwerk andere Gesetze gelten als für        www.turnerconstruction.com
„normale“ Investoren-Immobilien, dürfte klar sein. Im
Vordergrund steht nicht die Rentabilität, sondern der öko-   Bauausführung
nomische und politische Symbolwert. Und dieser soll mög-     Samsung/BeSix/Arabtec
lichst die Zeit überdauern: Dem obersten Bauleiter Greg
Sang zufolge beträgt die avisierte Lebensdauer des Burj
Dubai mehr als hundert Jahre.

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mach / Fotolia.com
» Praxis

Living on Water

An der Kieler Förde liegt der Prototyp eines
ersten schwimmenden Niedrigenergiehauses.
Einem Team aus Architekten, Schiffsbauern und
Ingenieuren ist es gelungen, aus moderner
Schiffstechnik und ressourcesparender Bauweise
einen neuen Haustypus zu entwickeln, der auf
minimaler Grundstücksfläche mit freiem Blick
aufs Wasser höchsten Wohnkomfortansprüchen
gerecht wird.
Von Cornelia Krause

Am Wasser zu wohnen, galt schon immer als Privileg
besonders wohlhabender Bürger. Wer aber auf dem Was-
ser wohnt, dem wird eher eine gesellschaftliche Außensei-
terrolle zugeordnet. Die verborgenen Uferränder, die heute
zum Wohnen und/oder Arbeiten genutzt werden, sind in
den seltesten Fällen offiziell genehmigt und in der Regel
Provisorien in Form von ausgedienten Binnenschiffen und
deshalb schon den entsprechenden Behörden ein Dorn im
Auge. Befreit von diesem Negativ-Image bleibt eine her-
vorragende Idee zurück: Mit innovativem Gedankengut
und neuester Technik lässt sich die im Wasser liegende
Uferzone eines Flusses, Sees oder auch verlassenen Hafen-
beckens durchaus „gesellschaftsfähig” und städtebaulich
sinnvoll bebauen.
Wie so oft, entsteht Neues erst aus veränderten wirtschaft-
lichen Verhältnissen. Der globalisierte Markt hat auch die
Kieler Friedrich-Werft gezwungen, ihr Knowhow nicht
allein auf das Kerngeschäft, den Schiffsbau, zu konzentrie-
                                                              Oliver Heissner

ren, um die Überlebensfähigkeit des Unternehmens lang-
fristig zu sichern. Noch ist die Idee, schwimmende Häuser
zu bauen, eine Nische, die sich aber schnell zu einem

22
» Praxis
                                                                                                                               Der Licht durchflutete Wohn-
                                                                                                                               bereich / Wintergarten
                                                                                                                               mit Blick auf die Kieler Förde.

           Grundriss und Schnitt des Prototyps Living on Water I

Erfolg ausweiten kann. Wo sonst sind die kaum bezahlba-            und Haus meistert. Dem künftigen (und zugleich mutigen)
ren Wassergrundstücke auf so kleinem Raum heute noch               Bauherrn stehen 140 qm Wohnraum mit Außenterrassen
zu haben?                                                          zur Vergügung, verteilt über drei Ebenen, die in diesem
Diese Art der Besiedelung setzt allerdings einen schonen-          Fall folgerichtig als Decks bezeichnet werden müssen. Das
den Umgang mit der Natur voraus. Dazu gehört die sensi-            Hauptdeck ist dem Wohnen vorbehalten mit Küche und
ble Ausweisung der Liegeplätze genauso wie die Anwen-              einem Wintergarten, der über beide Geschosse reicht.
dung regenerativer Energien für die Ver- und Entsorgung            Das Sonnendeck dient nicht nur der Entspannung, son-
einschließlich der Auswahl der Bau- und Ausbaumateria-             dern kann gleichzeitig als Anleger für die eigene Yacht
lien. Die Macher von Living on Water sahen in ihrer Aufga-         benutzt werden. Im Oberdeck ist Platz für ein Schlafzim-
be eben nicht nur eine Verlagerung städtischen Lebens              mer und das Bad.
vom Land aufs Wasser, sondern betrachteten gerade die
Kombination aus Schiff und Wohnhaus als eine besondere             Technischer Ausbau
Herausforderung, die sich zudem den heutigen Lebensbe-             Die Energiegewinnung erfolgt über eine Photovoltaik-
dingungen stellen sollte.                                          Anlage auf dem Dach, einem Wärmeaustauscher unter
Die Verschmelzung zweier eigenständiger Bauelemente                dem Schwimmkörper und einem Holzpelletofen im Win-
verursacht Veränderungen in konstruktiver, technischer             tergarten. Steuerelemente sorgen dafür, dass die Wärme-
und gestalterischer Sicht, die zwangsläufig zu einer neuen         regulierung bedarfsgerecht und damit selbst die regenera-
Erscheinungsform führt. Die fruchtbare Zusammenarbeit              tiven Energien noch wirtschaftlich genutzt werden.
zwischen den Betreibern der Werft, Vertretern der Muthe-           Zusätzlich unterstützt ein ausgeklügeltes Gebäudesystem
sius Kunsthochschule sowie Architekten und Stadtplanern            den Wohnkomfort. Vergleichbar mit der Computertechno-
hat zu einem Entwurf geführt, der sowohl ästhetisch wie            logie eines modernen Schiffes werden Licht, Heizung, Küh-
auch technisch den schwierigen Spagat zwischen Schiff              lung, Temperatur, Uhrzeit und Steuerungsanzeigen zentral

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Stephan Falk
Oliver Heissner

Die Bordküche und der Essbereich gehen fließend ineinander über. Ob beim
Kochen oder Essen – der freie Blick aufs Wasser ist immer gegeben.

                                                                           von der „Brücke” (hier die Küche) geregelt. Ein LCD-Bild-
                                                                           schirm zeigt im Haupmenü die gesamte Decksstruktur des
                                                                           Schwimmhauses vom Unterdeck bis zum Sonnendeck.
                                                                           Zusätzlich sind alle Funktionen auch per Fernbedienung
                                                                           oder über Bedienelemente vor Ort steuerbar. Das multi-
                                                                           funktionale Anzeige- und Bediengerät übernimmt zudem
Vom Controlpanel, ange-                                                    die Aufgabe der Meldezentrale, die das Ansprechen von
bracht zwischen Eingang und
                                                                           Sicherungseinrichtungen wie Bewegungsmelder oder
Küche, lassen sich alle Funk-
tionen für das Schwimmhaus                                                 Fensterkontakte am Haus sicht- und hörbar signalisiert.
aktivieren, wie Licht schalten
und dimmen, die Heizung                                                    Tragwerk
steuern. Ebenso lassen sich
                                                                           Die Basis des Schwimmhauses bildet ein schiffsähnlicher,
auch Messwerte oder Alarm-
meldungen ablesen.                                                         jedoch nicht fahrtüchtiger Stahlschwimmkörper aus acht
                                                                           Millimeter dicken, verschweißten Stahlplatten, in den der
                                                                           dreigeschossige, hausähnliche Aufbau eingestellt ist.
                                                                           Obwohl fest an einem Liegeplatz verankert, wird die Stahl-
                                                                           wanne wie ein Schiff behandelt, das gegen Wellenschlag
                                                                           und Eisdruck geschützt werden muss. Aus diesem Grund
                                                                           sind die Seitenwände des Rumpfes schräg nach außen
                                                                           geneigt. Für den Havariefall sichert ein wasserdichtes
                                                                           Schott die Schwimmfähigkeit. Die erste Ebene wird nahe-

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Christian Birr

             Die Entstehungsphasen des Schwimmhauses: Mit Hilfe eines Krans wird das Untergeschoss in den Stahlschwimmkörper
             abgesenkt (oben). Die angelieferten Sandwichelemente werden in der Werfthalle montiert (unten).

                            zu von der dauerhaft gegen Korrosion geschützten Stahl-
                            wanne geschluckt. Ähnlich einem konventionellen Unter-
                            geschoss ist auch hier ein wesentlicher Teil der Haustech-
                                                                                                             Projektbeteiligte
                            nik untergebracht. Den sichtbaren Teil des Hauses                                Bauherr
                            umschließen großformatige, tragende Holzsandwichele-                             Living on Water GmbH & Co. KG, Kiel
                            mente mit raumhohen, verglasten Ausschnitten. Ein
                            zwanzig Zentimeter dicker Kern aus Styropor sorgt für den                        Architekt
                            nötigen Wärmeschutz. Raumseitig sind die hochgedämm-                             Fischer, Fromm und Partner GbR, Berlin
                            ten Wandbauteile mit Strohmatten und Lehmputz verklei-
                            det sowie mit Flächenheizungen versehen. Well-Alumi-                             Schiffsbau
                            nium und farbige Faserzementplatten bilden den äußeren                           Ingo Clausen, Maasholm
                            Fassadenabschluss.
                            Das Zusammenwirken maritimer, architektonischer und                              Haustechnik
                            gebäudetechnischer Aspekte erschließt auf ästhetischem,                          HATI GmbH, Berlin
                            ökologischem und technischem Gebiet ganz neue Dimen-                             Integrierte Produkte: EIB/KNX-System, Control-
                            sionen. Das auf Modulen basierende Zusammenspiel von                             panel sowie EIB Bedienelemente der Schalterserie
                            Schwimmkörper und flexiblen Aufbauten eröffnet eine                              carat von Busch-Jaeger
                            Vielzahl von Nutzungsvarianten, die vom Wohn- und
                            Ferienhaus bis zum Büro, Veranstaltungsort oder sogar                            Innenarchitektur
                            Restaurant reichen können. Die vernetzten Strukturen                             Dagmar Nordberg, Bissee
                            garantieren dabei hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit.

                                                                                                                                                                27
» Visionen

Ästhetik
der Windkraft
Keine erneuerbare Energieform hat in den
vergangenen Jahren ähnliche Zuwachsraten
erlebt wie die Windkraft. Längst beschäftigen
sich auch Architekten mit ihrer Integration in
unsere Bauten und Städte. Die „gute alte“
Windturbine mutiert in ihren Entwürfen zum
Fortschrittssymbol – oder wird, je nach
Zweck und Kontext des Gebäudes, gelegent-
lich auch schamhaft versteckt.

Gerber Architekten: Energy Tower, Manama, Bahrain
Nicht überall auf der Welt lassen sich die Primärenergien Sonne, Wind und
Wasser gemeinsam so gut nutzen wie auf der arabischen Halbinsel. Zusätz-
lich inspiriert von der Wirkungsweise der dort weit verbreiteten Windtürme,
gelang es den Architekten, das erste Null-Primärenergie-Hochhaus zu pla-
nen. Der 322 m hohe, taillierte Turm mit seiner in sich gedrehten, gläsernen
Fassade wird künftig als Hotel, Wohn- und Bürogebäude genutzt. Für seine
Be- und Entlüftung wird das Grundprinzip des Windturmes angewandt,
indem die Energie des Windes über dem Gebäude eingefangen und kühlend
durch das Innere geleitet wird. Dabei spielt die Doppelfassade eine wichtige
Rolle. Unter Ausnutzung der Druckunterschiede, die durch Wind und Ther-
mik ständig entstehen, wird dem Gebäude die verbrauchte Luft mit natür-
lichen Kräften entzogen. Verstärkt wird die ökologische Kühlung durch einen
mit Photovoltaik beschichteten Schild, der mit der Sonne rotiert und nicht
nur vor Aufheizung schützt, sondern noch zusätzlich Strom erzeugt. Es liegt
                                                                                Gerber Architekten

auf der Hand, dass der Energy Tower nicht nur äußerst sparsam im Ver-
brauch ist, sondern auch die Energie erzeugt, die er selbst benötigt, und das
ausschließlich aus erneuerbaren Quellen.

28
Zaha Hadid Architects: Forschungsinstitut, RWTH Aachen
Am nördlichen Ende des Universitätscampus ist ein neues
Institut als Niedrigenergiegebäude geplant. Das stark
durch die Bewegungsrichtung einer Bundesstraße gepräg-
te Grundstück scheint wie geschaffen für die irakische
Architektin, die für ihre großräumlichen architektoni-
schen Gesten weltweit bekannt ist. Der skulpturale Ent-
wurf erlaubt, selbst technische Parameter so zu integrie-
ren, dass sie als solche kaum erkennbar sind. Die stark aus-
geprägten, aerodynamischen Sicken im Längsverlauf der
mit Faserbeton verkleideten Dachlandschaft modulieren
das einfallende Licht und die über das Gebäude strömende
Luft. Sieben geräuscharme, in die entstehenden Luftkanäle
eingebaute Windturbinen, die von Windspoilern umrahmt
sind, begünstigen die Stromerzeugung des Gebäudes.
Auf diese Weise werden Ressourcen effektiv für den Innen-
raum nutzbar gemacht. Die Struktur und Form des Gebäu-
des steht auch hier in direkter Beziehung zu allen sicht-
baren und unsichtbaren Strömungen auf dem Areal und
seiner Umgebung. Das System aus Stahlkastenträgern und
Bindern wird durch die Topografie in eine höhere und eine
tiefer gelegene Ebene geteilt. Damit konnte der praktisch
und experimentell ausgerichtete Bereich mit vier Labor-
einheiten und der Ausstellungshalle optisch vom akade-
mischen Zweig getrennt werden. Im Entwurfsprozess wur-
                                                               Zaha Hadid Architects

de früh entschieden, die Nutzer des Gebäudes über einen
Fußweg zum Haupteingang im Südwesten zu führen.
Der Weg, der als Landschaftspfad bereits existierte, wird
bewusst als extrem lange Erschließungsachse inszeniert.

                                                                                       29
Atkins Architects: World Trade Center,
                                               Manama, Bahrain
                                               Die wie zwei Segel anmutenden Türme des neu-
                                               en World Trade Centers werden mit ihren 240
                                               Meter Höhe die Skyline der Stadt Manama ent-
                                               scheidend prägen. Auffallend sind die drei ver-
                                               bindenden Brücken, an denen jeweils eine Tur-
                                               bine installiert ist. Sie werden vom starken Küs-
                                               tenwind des persischen Golfs angetrieben.
                                               Die auf diese Weise gewonnene Energie deckt
                                               bereits 15 Prozent des Gesamtstromverbrauchs
                                               der überwiegend für Büros vorgesehenen Tür-
                                               me. Da es für diese Kombination aus Bauwerk
                                               und Windkraftnutzung noch keine Vergleichs-
                                               werte gab, mussten erst technisch aufwändige
                                               Versuche und Simulationen zum Schwingungs-
                                               verhalten und zur Dimensionierung von Bau-
                                               teilen durchgeführt werden, mit dem Ergebnis,
                                               dass es heute möglich ist, Turbinen von 29
                                               Metern Durchmesser an einem Gebäude zu
                                               befestigen. Den Planern ging es aber nicht allein
                                               um Superlative. Mit ökologischem Feingefühl
                                               sorgten sie mit einer komplexen Landschaftspla-
                                               nung für ausreichende natürliche Verschattung
                                               im Sockelbereich der Türme. Die intensive
                                               Begrünung verhindert nicht nur die störende
                                               Blendung der Glasfassaden, sondern dient
                                               gleichzeitig der Aufarbeitung von CO2.
visualisation muharraqi-studios, Atkins (r.)

                                                                                                   puls 01 | 2008
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