Universitas - Inspiration Natur Naturellement vôtre ? - Université de Fribourg

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universitas
OCTOBRE 2015-01 I LE MAGAZINE DE L’UNIVERSITÉ DE FRIBOURG, SUISSE I DAS MAGAZIN DER UNIVERSITÄT FREIBURG, SCHWEIZ

  Inspiration
  Natur
  Naturellement vôtre ?
Universitas - Inspiration Natur Naturellement vôtre ? - Université de Fribourg
Edito                                        Inhalt

Inspiration aus der Natur kann sehr un-
mittelbar sein – etwa die Kuh am Waldes-
rand, die vom Maler auf die Leinwand
geholt wird. Oder in den Zeilen des Dich-
ters, der in der Natur seine Muse gefun-
den hat. Die vorliegende Ausgabe von
«universitas» aber richtet ihr Augenmerk
auf eine, man könnte sagen, subtilere Art
der Inspiration aus der Natur: Im Fokus
steht der Nationale Forschungsschwer-
punkt «Bioinspirierte Materialien», der
unter der Leitung der Universität Frei-
burg läuft. Die Forschungsteams darin
befassen sich allesamt in mehr und weni-
ger direkter Form mit den ebenso einzig-
artigen, ausgeklügelten wie komplexen
Systemen, welche die Natur im Laufe der
Evolution entworfen und weiterentwi-
ckelt hat. Die Resultate ihrer Forschung
indes lassen den Ursprung von deren In-
spiration nur noch erahnen – oder durch-
schimmern, wie etwa in der Arbeit von
Prof. Ulrich Steiner, der dem Geheimnis
der schillernden Farben auf Schmetter-
lingsflügeln oder Käferpanzern auf der
Spur ist. Umgesetzt werden die aus der
Biologie übernommenen Systeme im Be-
reich der Materialwissenschaften. In Di-
mensionen, die für das Auge längst nicht
mehr erkennbar sind, suchen die Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler bei-
spielsweise nach Mitteln und Wegen, um
die Krebsforschung und -therapie voran-       8        dossier > Inspiration Natur
zutreiben, den Medikamententransport
über Nanopartikel weiter zu erproben          4        fokus
und marktfähig zu machen oder auch,                    20 Jahre international institute of management in technology (iimt)
ganz allgemein, nach immer neuen Mate-
rialien aus der Natur, die dem Menschen      48        recherche
auf künstlich hergestellter Basis das Le-              Sociologie : Travailleurs en crise et droite populiste
ben erleichtern könnten.
Die Natur weiss dem Menschen gute            50        forschung
Dienste zu leisten – aber nur solange, wie             Erziehungswissenschaften: Deutsch lernen mit Chunks
dieser ihr den nötigen Respekt zollt, so
der Tenor der Autorinnen und Autoren         52        recherche
des Themendossiers, das von der neuen                  Médecine et société : Quoi d’neuf, docteur ?
päpstlichen Enzyklika über die Philoso-
phie und Sprachwissenschaft bis hin zur      54        portrait
Nationalhymne reicht.                                  Ruth Metzler, Unternehmerin und Alt-Bundesrätin
Lassen Sie sich davon inspirieren.
                                             56        lectures
Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen,
                                             58        news
Claudia Brülhart
Chefredaktorin

                                             Illustrations : Cécile Matthey | www.cecilematthey.ch

                                                                                                          UNIVERSITAS / OKTOBER 2015   3
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Der Mensch, die Technik
fokus
                                     und die Wissenschaft
                                     20 Jahre international institute of management in technology: iimt-Direktorin
                                     Stephanie Teufel und die PR-Verantwortliche Kirstin Stadelmann blicken zurück
                                     und denken voraus. Elsbeth Flüeler, Claudia Brülhart

    Das 1995 gegründete iimt ist     20 Jahre iimt: Professor Teufel, dürfen       ST: Genau. Zellen, die sich selber organi-
    ein führendes Kompetenz­-        wir zur Feier etwas Zukunftsmusik hö-         sieren. Um herauszufinden, wie das geht,
  ­­zen­trum in Informations- und    ren? Welche Bedeutung wird die Infor-         beteiligen wir uns am smart living lab, ei-
    Kommunikationstechnologie        mations- und Kommunikationstech-              nem Verbundprojekt mit der EPFL und der
    (ICT) sowie Energie-Manage-      nologie (ICT) in den nächsten 10, 20, 30      Hochschule für Technik und Architektur
    ment und bietet Weiterbildung    Jahren haben?                                 Freiburg. Gemeinsam entwickeln wir das
    und Forschung an. Jährlich       Stephanie Teufel: Der Bereich dieser Tech-    «Haus der Zukunft». Es soll bis 2020 in der
    besuchen rund 40–50              nologien hat sich seit der Gründung des       blueFACTORY auf dem ehemaligen Cardi-
    Studierende die 34 Kurs­         iimt im Jahre 1995 enorm entwickelt. Er       nal-Gelände entstehen. Im smart living lab
    module und werden dabei          hat zunehmend an Bedeutung gewonnen           wird in Echtzeit die Wirkung von architek-
    von fast 80 Lehrpersonen und     und wird in den kommenden Jahren und          tonischen Lösungen, von neuen Technolo-
    Experten aus dem In- und         Jahrzehnten eine noch grössere Rolle spie-    gien und ICT unter sozio-ökonomischen
    Ausland unterrichtet. Zum        len. Ein konkretes Beispiel ist die Ener-     Aspekten betrachtet.
    iimt gehört ausserdem der        giestrategie 2050 mit der Energiewende.
    Lehrstuhl für ICT Management,    Energieeffizienz, C0 2 -Reduktion, dezen-     Was genau ist der Beitrag des iimt?
    welcher Forschung und Lehre      trale Energiegewinnung und optimale           ST: Uns geht es nicht primär um die tech-
    in vier Forschungsgebieten       Nutzung werden mit ICT erst richtig inter-    nischen Entwicklungen, sondern um die
    betreibt. In Zusammenarbeit      essant. Die ICT-Branche leistet dazu einen    Menschen. Was sind ihre Bedürfnisse und
    mit mehr als 20 Industriepart-   wichtigen Beitrag, sie ist bei der Energie-   welche technischen Lösungen brauchen
    nern wird theoretisches Wissen   wende sogar eine treibende Kraft.             sie, damit sie zur Energiewende beitragen?
    mit praktischem Know-how                                                       Das sind unsere Fragen. Wir wollen wissen,
    kombiniert.                      Eine klare Ansage und grosse Aufgabe.         wie Menschen motiviert werden können,
                                     Wie wollen Sie diese lösen?                   damit sie bei einer bestimmten crowd mit-
  www.iimt.ch                        ST: Durch die Abkehr von der zentrali-        machen und ihr Verhalten nachhaltig ver-
                                     sierten Produktion und Verteilung von         ändern. Am iimt stehen immer die Men-
                                     Energie in crowds. Wir forschen aktuell       schen im Mittelpunkt. In diesem Sinne ist
                                     im Bereich von crowd energ y. Dahinter        auch ideas@iimt eine Initiative, bei der
                                     steckt die Idee, dass es – ähnlich wie        wir Kleinstinnovationen im ICT-Bereich
                                     beim crowd founding oder dem crowd            unterstützen und fördern.
                                     sharing – Gruppen von Menschen gibt,
                                     eben crowds, die sich mit erneuerbaren        Wie lässt sich denn der Mensch zur Nach-
                                     Energien selbst versorgen, und die un-        haltigkeit motivieren?
                                     tereinander Energie austauschen und           ST: Häufiger Irrglaube ist, dass sich der
                                     gegebenenfalls überschüssige Energie          Mensch ausschliesslich durch finanzielle
                                     innerhalb von smartnets austauschen.          Anreize zur Nachhaltigkeit motivieren lässt.
                                     Das sind Energienetze, in denen Ener-         In der Tat stehen jedoch nicht die finanziel-
                                     gieströme intelligent geleitet oder ver-      len Vorteile im Vordergrund, sondern das
                                     waltet werden.                                persönliche Engagement, dass jeder und
                                                                                   jede Einzelne zur Energiewende beitragen
                                     Also innerhalb von weitgehend energie-        und etwas verändern kann. Hier spielt es
                                     autarken, sozialen Zellen …                   keine Rolle wie oder in welcher Höhe man

  4    UNIVERSITAS / OCTOBRE 2015
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© Keystone

Das iimt wurde 1995 als Joint Venture zwischen der PTT und der Universität Freiburg gegründet.

entschädigt wird, sondern dass man im per-             war das erste universitäre Institut in der
sönlichen Umfeld etwas bewegen kann.                   Schweiz, das von Beginn an Executive­    -
                                                       MBAs vergeben durfte.
Da schwingt ein grundlegender Werte-
wandel mit.                                            Wie war die Stimmung damals inmitten
ST: Den gibt es tatsächlich. Es gibt diese             dieser ganzen Umbrüche und Verände-
Tendenz, dass der Besitz nicht mehr so                 rungen der Telekombranche?
wichtig ist. Junge Menschen haben nicht                ST: Die Marktliberalisierung war auch mit
mehr dieses Bedürfnis nach Statussymbo-                grossen Unsicherheiten verbunden. Um-
len, etwa einem Auto oder anderen Din-                 strukturierungen und Entlassungen wa-
gen. Die Hauptsache ist, sie haben die Mög-            ren leider auch ein Teil davon. Jedoch hat
lichkeit ein Auto, eine Bohrmaschine oder              man damals schon Mitarbeitende geför-
was auch immer dann zu nutzen, wenn sie                dert, z. B. mit einer Ausbildung am iimt,
dieses oder diese tatsächlich benötigen.               und ihnen somit weitere Karrieremöglich-
crowd sharing ist hier das Stichwort. Ein              keiten geboten.
gutes Mobilgerät mit dem sie sich organi-
sieren und austauschen können, ist ihnen               Kirstin Stadelmann, Sie haben den
wichtiger.                                             Gründungsvertrag vor sich liegen. Wer
                                                       waren die «Architekten» des Instituts
Drehen wir die Zeit um 20 Jahre zurück.                und des Lehrgangs?
Was gab damals den Ausschlag zur Grün-                 Kirstin Stadelmann: Der Vertrag wurde
dung des iimt?                                         1995 durch Dr. h.c. Felix Rosenberg, damals   Stephanie Teufel ist ordentliche
ST: Die Liberalisierung der Telekombran-               Generaldirektor der PTT, unterzeichnet.       Professorin am Departement für
che stand bevor und der damalige Mono-                 Für die Universität waren es die Professo-    Betriebswirtschaftslehre und
polist PTT wollte seinen technisch sehr                ren Dr. Jürg Kohlas als Vizerektor und Dr.    Direktorin des iimt.
gut ausgebildeten Mitarbeitenden eine                  Heinrich Bortis als Dekan der Fakultät. In    stephanie.teufel@unifr.ch
qualitativ hochstehende Ausbildung für                 der Arbeitsgruppe zur Gründung des
die neuen Marktgegebenheiten ermög-                    Instituts sassen PTT-seitig die Herren        Kirstin Stadelmann ist Marketing-
lichen. Der Gründungsgedanke war ein                   Direktoren Hansruedi Hartmann, Serge          und PR-Verantwortliche am iimt.
Joint Venture mit der PTT und das iimt                 J.M. Chammartin und André Gachet. Die         kirstin.stadelmann@unifr.ch

                                                                                                           UNIVERSITAS / OKTOBER 2015    5
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fokus
                                   Universität war durch die Professoren Dr.       wurden eingeführt. Telekommunikations-
                                   Bernard Dafflon, Dr. Rudolf Grünig und          management wurde zu ICT-Management.
                                   Dr. Maurizio Vanetti vertreten.                 Damit änderte sich 2005 auch der Name
                                                                                   des Instituts. Die Akkreditierung der Wei-
                                   Die Swisscom ist noch heute ein Partner         terbildungsprogramme, mit der wir die
                                   des iimt…                                       Qualität auf höchstem Niveau bewiesen
                                   ST: Wir sind sehr stolz, dass wir diesen        haben, war ein weiterer wichtiger Meilen-
                                   wichtigen Partner über so lange Zeit            stein. Im Jahr 2006 führten wir den Lehr-
                                   halten konnten. Ein weiterer wichtiger          gang in Energie-Management (Utility) ein.
                                   Partner ist auch die Groupe E, gerade im        Neue Marktbedürfnisse im Energiesektor
                                   Energiebereich. Alle unsere Partner ga-         haben uns damals dazu bewogen ganz
                                   rantieren die Nähe zur Branche und die          neue Horizonte und Forschungsbereiche
                                   Aktualität der Themen in der Forschung          zu erkunden. Das jüngste Kind ist unser
                                   und der Lehre.                                  CAS in ICT- und Utility-Management.

                                   Wie muss man sich die Zusammenarbeit            Wie gross ist die Nachfrage nach den
                                   mit den Partnern des iimt vorstellen?           Lehrgängen des iimt?
                                   ST: Die Kooperationsmöglichkeiten zwi-          KS: Insgesamt schlossen an die 1000 Mana-
                                   schen dem iimt und seinen Partnern sind         ger und Managerinnen unsere Lehrgänge
                                   so vielseitig und flexibel wie die Weiterbil-   mit Zertifikaten ab – sei es Fachkurs, Exe-
                                   dungsprogramme. Hier bestehen Zusam-            cutive CAS, Executive Diploma, EMBA
                                   menarbeiten im Bereich der Forschung            oder Firmentrainings. Daraus hat sich
                                   mittels konkreten Projekten oder im Be-         mittlerweile ein sehr aktives Almumni­­
                                   reich der Weiterbildung. Von Dozieren-          netzwerk etabliert.
                                   dentätigkeiten über Gratismodule bis hin        ST: Mehr als Zahlen freuen uns aber die Er-
                                   zu engen Forschungspartnerschaften ist          folge unserer Ehemaligen. Sei es, dass sie
                                   alles möglich.                                  eine führende Stelle in der Geschäftslei-
                                                                                   tung übernehmen, eine eigene Firma
                                   Welche Kernkompetenzen erwerben die             gründen oder sogar CEO eines Unterneh-
                                   Studierenden am iimt?                           mens werden, wie etwa Susanne Ruoff, die
                                   KS: Das Ziel unserer Weiterbildung ist es,      Konzernchefin der Schweizerischen Post.
                                   Studierende auf eine Karriere in höheren        Auch diese Erfolge gehören zu unseren
                                   Managementpositionen im ICT- und Ener­          Meilensteinen.
                                   gie-­
                                       Management vorzubereiten. Die Stu-
                                   dierenden erhalten bei uns das Wissen und       Was wünschen Sie dem iimt für die Zu-
                                   die analytischen, fachlichen und zwischen­      kunft?
                                   menschlichen Kompetenzen, damit sie ein         ST: Dass wir weiterhin Forschung und Leh-
                                   Unternehmen in einem immer komplexe-            re verknüpfen können, sowohl an der Uni-
                                   ren und globaleren Umfeld erfolgreich           versität wie in der Praxis. Und dies weiter-
                                   führen können. Hierzu benötigt es kompe-        hin in einem guten Team. Das iimt hat
                                   tente Dozierende aus Universitäten und          sich dank der wertvollen Beteiligung aller
                                   der Industrie.                                  Personen, die den Weg des iimt kreuzten,
                                                                                   stetig entwickelt. Ich wünsche mir, dass
                                   20 Jahre sind seit der Gründung vergan-         alle diese Personen das iimt auch in Zu-
                                   gen. Welche Meilensteine haben das iimt         kunft auf dem weiteren Weg begleiten
                                   besonders geprägt?                              und diesen zusammen gehen werden.
                                   KS: Es gibt mehrere Meilensteine, welche
                                   die Geschichte des iimt geschrieben ha-
                                   ben: 2000 hat Frau Professor Teufel den
                                   Lehrstuhl in ICT-Management angetreten
                                   und die Forschung aufgenommen. Seither
                                   wurde die Forschung in diesem Bereich
                                   ausgebaut, und neue Standards und Trends

  6   UNIVERSITAS / OCTOBRE 2015
Universitas - Inspiration Natur Naturellement vôtre ? - Université de Fribourg
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Inspiration Natur
dossier
                                    10   Alles ist Inspiration
                                         Claudia Brülhart

                                    14   Une thérapie en or
                                         Curzio Rüegg

                                    16   Die Welt als Analogie
                                         Florian Lippke

                                    19   L’écologie, une question spirituelle
                                         François-Xavier Amherdt

                                    21   Geckokräfte für die Nanowelt
                                         Frank Scheffold

                                    24   Des nanobilles à l’assaut du cancer
                                         Farida Khali

                                    26   Mensch in der Natur und Natur im Menschen
                                         Regula Zwahlen

                                    28   Theologie als Natur-Wissenschaft
                                         Barbara Hallensleben, Dieter Hattrup & Sabina Ingold

                                    31   Gut imitiert ist halb gewonnen
                                         Christof Weder

                                    34   Des plantes et de leur savoir-vivre
                                         François Rochat

                                    36   Natürlich Nano
                                         Alke Fink & Barbara Rothen-Rutishauser

                                    38   Nature, une fiction critique
                                         Peter Frei

                                    41   Kirchlicher Einsatz für Mensch und Natur
                                         Hans Ulrich Steymans

                                    43   La responsabilité pour tous au quotidien
                                         Elaine Pinheiro

                                    46   Natur oder Kultur? Ansichten zur Sprache
                                         Regula Schmidlin

   8   UNIVERSITAS / OCTOBRE 2015
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Alles ist Inspiration
dossier
                                      Er leitet den Nationalen Forschungsschwerpunkt «Bioinspirierte Materialien».
                                      Befasst sich mit Seegurken, Tannenzapfen und Lotusblüten. Doch Christoph Weder
                                      ist weder Naturbursche, noch Blumenkind. Sondern Materialforscher. Claudia Brülhart

   Im Dezember 2013 erhielt die       Christoph Weder – erachten Sie die Natur         die Umgebungsenergie in mechanische
   Universität Freiburg den           als perfekt?                                     Kraft umsetzen. Der ETH-Wissenschaftler
   Zuschlag des Nationalen            Ich glaube nicht. Aber es gibt schon sehr        hat dieses System gebraucht, um Panels für
   Forschungsschwerpunkts             viele Systeme, Materialien und Lebewesen         Solarzellen zu machen, die je nach Tageszeit
   (NFS) «Bio-Inspired Stimuli-       in der Natur, die sehr gut konzipiert sind       den Winkel ändern und so immer optimal
   Responsive Materials».             und sich über tausende, ja Millionen von         zur Sonne stehen.
   Kernthema ist es, sich von         Jahren perfektioniert haben. Dieses Nive­au
   Beobachtungen in der Natur         wird man mit künstlichen Materialien nie         Wie gelangt eine Idee zur Umsetzung?
   für die Entwicklung neuarti-       erreichen. Aber es ist ja auch nicht das Ziel    Da gibt es ganz verschiedene Ansätze und
   ger künstlicher Materialien        unserer Forschung, die Natur zu kopieren.        Geschichten. Auf der einen Seite stehen die
   inspirieren zu lassen. Der NFS                                                      Biologen, die sich dafür interessieren, wie
   vereint unter der Leitung von      Sondern?                                         gewisse Lebewesen funktionieren. Dann
   Professor Christoph Weder,         Wir suchen uns in der Materialforschung          gibt es die Materialwissenschaftler, die da-
   Direktor des Adolphe Merkle        häufig einen Aspekt eines bestimmten Le-         von angetrieben sind, neue Materialien zu
   Instituts (AMI), 15 Forsch­ungs­   bewesens aus, untersuchen dessen Funktio-        entwickeln. Manchmal treffen sich zwei
   teams. Neben den Gruppen           nieren und überlegen, wie wir diesen Effekt      solche Forschende und starten ein gemein-
   des AMI wirken von der             kopieren können. Wir versuchen zu verste-        sames Projekt. Oder einem Materialwis-
   Universität Freiburg auch          hen, was dieses Tier, diese Pflanze macht        senschaftler fällt ein bestimmter Artikel
   Forschende der Departemen-         und wie. Nehmen wir etwa die Lotusblüte:         aus dem Bereich der Biologie in die Hände.
   te Chemie, Medizin und Physik      Sie ist immer sauber und sieht stets brillant    Nehmen wir meinen Kollegen hier am AMI,
   mit. Des Weiteren sind             aus. Das hat damit zu tun, dass die Oberflä-     Prof. Uli Steiner. Er ist Physiker und interes-
   führende Forschungsgruppen         che selbstreinigend ist. Sie verfügt über        siert sich für Farben, insbesondere für schil-
   der Universität Genf, der ETH      eine komplexe hierarchische Struktur auf         lernde Farben. Seine Modelle sind etwa
   Zürich und der ETH Lausanne        Mikro- und Nanometerskala, die dafür             Beeren, Schmetterlingsflügel und Käfer,
   eingebunden. Der NFS wird          sorgt, dass Wassertropfen abperlen und so-       bei denen die wunderbar schimmernden
   vom Bund mit 12 Millionen          mit zugleich den Schmutz entfernen. Das          Farben durch nanostrukturierte Materiali-
   Franken unterstützt und läuft      System der Lotusblüte ist in der Biologie seit   en erzeugt werden. Als Physiker entwickelt
   über 12 Jahre.                     Jahrzehnten entschlüsselt. Nun haben aber        er ein Verständnis dafür, wie genau durch
                                      Wissenschaftler aus der Nanoforschung            solche Strukturen die Farbeffekte erzeugt
   www.bioinspired-materials.ch       diese Strukturen repliziert mit der Idee,        werden. Dann wendet er dieses Wissen an,
                                      selbst­reinigende Oberflächen zu machen.         indem er solche Strukturen in künstlichen
                                      Diese könnte man etwa für Fensterscheiben        Materialien repliziert, entweder selber oder
                                      oder Autolacke anwenden. Ein anderes Bei-        mit Hilfe von Kollegen oder Kolleginnen
                                      spiel: Ein Kollege der ETH hat ein System        aus der Materialwissenschaft.
                                      entwickelt, das von der Grundidee her mit
                                      den Tannenzapfen vergleichbar ist. Tannen-       Zusammenarbeit ist also unabdingbar?
                                      zapfen sind ja geschlossen und öffnen sich je    Nicht immer. Im Zusammenhang mit unse-
                                      nach Wetterbedingung, damit die Samen            ren Aktivitäten die darauf abzielen die me-
                                      herausfallen können. Wenn man versteht,          chanische Adaptierbarkeit der Seegurken-
                                      wie dieser Mechanismus funktioniert, kann        haut zu emulieren habe ich nie eng mit dem
                                      man aus Holz künstliche Motoren kreieren,        Marinebiologen zusammengearbeitet, der

   10   UNIVERSITAS / OCTOBRE 2015
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herausgefunden hat, wie diese Tiere funk-      Inspiration dazu. Auch bestehende Projekte
tionieren. Wir haben uns einmal getroffen      können als Anregung dienen. So schwirren
und er hat mir seine Erkenntnisse erklärt.     mir im Moment etwa die Tannenzapfen
Dieser Wissenstransfer war ausreichend,        meines ETH-Kollegen im Kopf rum. Was
um seine Erkenntnisse als Modell zu ver-       mein Kollege im Moment auf makroskopi-
wenden. Diese Art wissenschaftlicher Be-       scher Ebene mit Holzlatten macht, könnte
fruchtung kann aber in beide Richtungen        man vielleicht auch auf eine mikroskopi-
gehen. So gibt es beispielsweise Schmetter-    sche Längenskala übertragen und in Kunst-
linge deren Flügel mit sehr komplexen Gy-      stoffen anwenden. Sie sehen, es ist manch-
roidstrukturen ausgestattet sind. Andere       mal wie in der Kunst – Inspiration kann
Spezies schimmern nicht weniger schön          man immer und überall finden.
und kommen dafür mit viel einfacheren
Strukturen aus. Nun wäre es natürlich aus      Sie gehen nie von der möglichen Anwen-
biologischer Sicht interessant zu wissen,      dung aus?
weshalb gewisse Lebewesen den schwieri-        Ich persönlich schon. Meine persönliche
geren Weg wählen. Wenn es gelänge dies         Forschungsmotivation liegt in der Entwick­
mit bisher unbeobachteten physikalischen       lung von Materialien mit neuen Eigenschaf-
Effekten zu erklären, könnte dies für die      ten. Das Design neuer Materialien ist na-
Biologie neue Impulse geben.                   türlich immer mit Grundlagenforschung
                                               verbunden. Aber häufig habe ich auch eine
Ist die Verbindung zur Biologie, zur Na-       Vorstellung davon, wo sich diese anwenden
tur, eine Voraussetzung für die Projekte       lassen. Oftmals kann man sich die verschie-
des Nationalen Forschungsschwerpunkts          densten Applikationsfelder vorstellen und
«Bioinspirierte Materialien»?                  das macht die Sache spannend. Nehmen
Nein, es ist keine absolute Bedingung. Der     wir wieder die Seegurke: Als wir die ersten
Volltitel lautet ja auch «biologisch inspi-    Projektanträge verfassten, stellten wir uns
rierte, reaktionsfähige Materialien». Neben    die Frage, wozu man den Seegurken-Effekt
der Bioinspiration ist uns auch dieses zwei-   verwenden kann, also die Fähigkeit, ein wei-    Christoph Weder wurde 1966 in
te Element wichtig, also die Fähigkeit von     ches Material durch einen Impuls hart wer-      Frankfurt, Deutschland, geboren und
(natürlichen) Materialien auf äussere Ein-     den zu lassen – und umgekehrt. Wir schlu-       ist in Zürich aufgewachsen. Er hat
flüsse zu reagieren und ihre Eigenschaften     gen zunächst Schutzkleidung vor, die weich      seine Ausbildung als Chemiker und
daran anzupassen. Wir wollen Materialien       und angenehm zu tragen ist und deren            Materialwissenschaftler an der ETH
entwerfen, die in gewisser Weise «intelli-     Schutzeffekt eingeschaltet werden könnte,       Zürich absolviert und habilitierte sich
gent» sind – wie der Tannenzapfen – wobei      wenn es brenzlig wird. Leider hat uns nie-      nach einem Forschungsaufenthalt am
ich diesen Begriff eigentlich gar nicht mag.   mand geglaubt, dass wir das hinbringen.         Massachusetts Institute of Technolo-
                                               Später habe ich dann einen Kollegen getrof-     gy in Cambridge (USA) ebenfalls an
Was stört sie daran?                           fen, der mir sagte, er brauche eine Idee, wie   der ETH. Anschliessend war Weder
Ein künstlich hergestelltes Material kann      man adaptive Hirn-Elektroden entwerfen          für neun Jahre als Professor an der
niemals intelligent sein, es denkt ja nicht.   könnte. Solche elektronischen Schnittstel-      Case Western Reserve University
Es kann nur vorprogrammiert sein.              len werden heute experimentell erprobt          in Cleveland (USA) beschäftigt.
                                               und können Patienten mit schweren Ner-          Christoph Weder ist seit 2009
Wie stelle ich mir nun diese Inspiration       venstörungen helfen, eine gewisse Funk-         Professor für Polymerchemie und
vor? Sie laufen durch den Wald und ha-         tionalität zurückzuerlangen. Ein Problem        Materialien am Adolphe Merkle
ben einen Geistesblitz?                        dieser Technologie ist, dass das Hirn die       Institut der Universität Freiburg. Er
Das passiert eher selten. Aber Inspirati-      Elektroden aufgrund ihrer mechanischen          amtet seit 2010 als Direktor dieses
on kann man immer und überall finden,          Steifigkeit als Fremdkörper erkennt und         interdisziplinären Forschungszent-
manchmal auch durch zufällige Begeg-           mit der Zeit abkapselt. Ein klarer Fall für     rums für weiche Nanomaterialien
nungen. Im Falle der Seegurke hat mich         unsere Seegurken-Materialien. Mittlerwei-       und leitet auch den neuen Natio-
ein bestehendes Team kontaktiert als ich       le haben wir für diese Anwendung Materi-        nalen Forschungsschwerpunkt für
als junger Professor an die Case Western       alien entwickelt, aus denen sich Elektroden     bioinspirierte Materialien.
Reserve University in Cleveland kam. Der       fabrizieren lassen, die beim Einführen steif
Marinebiologe hatte zu diesem Zeitpunkt        sind und sich daher einfach platzieren las-
relativ gut verstanden, wie die mechani-       sen, dann aber weich werden und so die Ab-
sche Adaptierbarkeit der Seegurkenhaut zu      stossreaktion minimieren – das haben un-
Stande kommt, die Materialwissenschaftler      sere Partner in einer neuen Studie gezeigt.
aber hatten Mühe, dieses Wissen in Design-
prinzipien umzusetzen. Als New Kid on the      Man kriegt den Eindruck: Alles ist mög-
Block wurde ich gebeten, mich der Sache        lich! Und trotzdem: Weshalb gibt es denn
anzunehmen. So ist mir die Seegurke quasi      etwa noch kein Mittel, das Zähne lebens-
in den Schoss gefallen – oder jedenfalls die   lang versiegelt und unzerstörbar macht?

                                                                                                     UNIVERSITAS / OKTOBER 2015    11
dossier                              Die Frage ist, was sind die Rahmenbedin-         verloren geht. Die Idee hat sich dann in
                                     gungen? Wo liegen die Probleme? Nehmen           diesem Bereich niemals durchgesetzt. Ganz
                                     wir also Ihr Beispiel, das ja hochkomple-        ähnliche Materialien finden sich heute aber
                                     xe Fragen aufwirft: Im Laufe eines Jahres        in Sicherheitspapier. Unsere Forschung hat
                                     kommt in einem Mund so einiges zusam-            also primär neue Grundlagen geschaffen,
                                     men, sei dies heisses, kaltes, süsses, basi-     wurde dann aber zumindest in einer Ni-
                                     sches, weiches oder auch saures Essen und        schenanwendung genutzt.
                                     Trinken. Die chemische Bandbreite ist also
                                     recht gross. Ausserdem müsste so ein Pro-        Müsste man als Grundlagenforschender
                                     dukt oder Verfahren chemisch unbedenk-           die Anwendung eher ausblenden oder
                                     lich sein. Die Umsetzung ist sicher viel         müsste man im Gegenteil vermehrt an
                                     schwieriger als es den Anschein hat.             die Anwendungsmöglichkeiten denken?
                                                                                      Ich glaube, an Hochschulen muss die
                                     Was treibt Sie an? Neugierde? Forscher-          Grundlagenforschungskomponente auf je-
                                     geist? Das Leben der Menschen zu ver­            den Fall vorhanden sein. Im Bereich der Ma-
                                     bessern?                                         terialforschung bietet sich die Verbindung
                                     In meinem Fall spielt wohl alles zusammen.       zur Anwendung aber explizit an.
                                     Ich möchte keine dieser Komponente an
                                     erste Stelle setzen. Wenn ich eine tolle Idee    PET-Flasche oder Nobelpreis?
                                     habe für ein neues Material, dann ist dies       Ha! Ich glaube, wenn man in der heutigen
                                     eine persönliche Herausforderung. Dabei          Zeit in den Naturwissenschaften einen No-
                                     stellt sich natürlich die Frage, ob sich da-     belpreis erhält, dann impliziert dies wohl
                                     raus etwas Nützliches machen lässt. Und          sowieso einen Durchbruch, der etwas Signi-
                                     dann natürlich die Neugierde, die funda-         fikantes ermöglicht hat...
                                     mentale Frage des Verstehens.
                                                                                      Haben Sie ein Wunsch-Projekt?
                                     Bei gewissen Anwendungen – ich denke             Ich hab mir mal gewünscht ein Buch zu
                                     beispielsweise an die transparente Angel-        schreiben mit coolen Tricks aus der Natur.
                                     schnur, die im Wasser farbig wird – könn-        Eine Art one-stop-shop für Leute wie mich.
                                     te man sich ja durchaus fragen, was dies         Tatsächlich hab ich mal von diesem Buch ge-
                                     jetzt der Menschheit bringt.                     träumt und wollte dieses sofort kaufen. Ich
                                     Wieso?                                           musste dann merken, dass es dieses Buch,
                                                                                      soviel ich weiss, (noch) gar nicht gibt...
                                     Nun … das Verhältnis zwischen Forsch­
                                     ungsgeldern und Forschungsaufwand                Welche Eigenschaft aus der Natur möch-
                                     scheint mir in Anbetracht der möglichen          ten Sie verstehen und nutzen können?
                                     Nachfrage nicht sehr ausgeglichen.               Das wird jetzt wohl etwas kompliziert...
                                     Der Aufwand in diesem Falle war gering.          Wenn wir uns Materialbeispiele aus der Na-
                                     Das Kosten-Nutzen-Verhältnis perfekt. Wir        tur anschauen, so fällt auf, dass die meisten
                                     haben die nötigen Erkenntnisse aus der           hierarchisch strukturiert sind und auf ver-
                                     Grundlagenforschung ja nicht für diese An-       schiedene Längenskalen geordnete Anord-
                                     wendung erworben. Es ging nur noch dar-          nungen aufweisen. Nehmen wir beispiels-
                                     um, diese für die Angelschnur anwendbar          weise Holz: Nicht etwa ein einfaches
                                     zu machen. Ich glaube, über einen Nutzen         Material, sondern eine hochkomplexe
                                     zu urteilen ist letztlich auch eine sehr sub-    Struktur, ausgehend von einzelnen Makro-
                                     jektive Sache. Und tatsächlich ist es als For-   molekülen, die zunächst in hochgeordne-
                                     schender oft sehr schwierig, den Markt und       ten Kristallen organisiert sind. Diese sind
                                     die Wertschöpfungskette für eine bestimm-        wiederum in Fasern angeordnet, die dann
                                     te Technologie einzuschätzen. Ein Beispiel:      Zellwände bilden… also vom Molekül bis
                                     Was Sie dort auf dem Cover von «Nature»          zum Baum gibt es eine unendlich komplexe
                                     sehen, habe ich als Habilitant an der ETH        Struktur. Dies ist eines der Designkonzepte
                                     entworfen. Das Bild zeigt neuartige Polari-      der Natur, das man ganz generell auf künst-
                                     sationsfilter, die eine extrem hohe Effizienz    liche Materialien für strukturelle Zwecke
                                     aufweisen. Das haben wir durch einen neu-        anwenden möchte. Die Krux dabei: Ein
                                     en physikalischen Effekt erreicht – Grund-       Baum wächst, eine PET-Flasche nicht. Diese
                                     lagenforschung also, die das Niveau für          Komplexität in grosstechnisch hergestell-
                                     «Nature» gehabt hat. Gleichzeitig haben wir      ten Objekten zu emulieren ist ein wirkliche
                                     an die Anwendung in Flüssigkristall-Bild-        Herausforderung.
                                     schirmen gedacht, in denen durch viel inef-
                                     fizientere Polarisationsfilter sehr viel Licht

   12   UNIVERSITAS / OCTOBRE 2015
Une thérapie en or
dossier
                                            Notre corps recèle de précieuses ressources pour se défendre. Le fonctionne-
                                            ment naturel de notre système inflammatoire et immunitaire est, par exemple,
                                            une excellente source d’inspiration pour lutter contre le cancer. Curzio Rüegg

   Kleines Geschoss                         Le maintien de l’intégrité structurelle          inactifs circulant dans le sang. La dernière
   Es ist eine Besonderheit des Brust-      et fonctionnelle des tissus et organes est       étape de cette cascade d’amplification est
   krebses, dass die Hälft aller Patient­   une nécessité fondamentale pour la vie           représentée par la conversion du fibrino-
   innen erst fünf bis sieben Jahre nach    des organismes multicellulaires. Toute           gène, une molécule soluble qui circule éga-
   der Erstbehandlung Metastasen ent­
                                            perturbation de l’équilibre cellulaire ou        lement dans le sang, sous une forme inso-
   wickeln. Während dieser fünf bis sie-
                                            tissulaire de base (homéostasie) est suivie      luble, la fibrine. Une fois formée, la fibrine
   ben Jahre überleben die verstreuten
   Krebszellen im Organismus in Form        d’une réaction de correction ou d’adap-          est très stable et forme le caillot. Nous nous
   von sogenannt «schlafenden Mikro­        tation, d’abord fonctionnelle, puis struc-       sommes inspirés de ce processus de coa-
   läsionen». Aktuell gibt es keine Mög-    turelle, dont le but est de ramener les cel-     gulation pour développer une approche
   lichkeit, solche Mikroläsionen aufzu-    lules et les tissus dans leur état initial. Ce   synthétique, utilisant des nanomatériaux
   spüren und auch keine Therapie, um       principe énoncé en 1858 par le pathologue        pour la détection des cellules cancéreuses
   sie zu vernichten. Um diese diagnos-     allemand Rudolf Ludwig Karl Virchow est          disséminées.
   tische und therapeutische Lücke zu       toujours valable de nos jours. Le proces-
   schliessen, hat Prof. Curzio Rüegg
                                            sus d’inflammation aigüe est un excellent        Combler un manque
   einen neuen, innovativen Forsch­ungs­
                                            exemple illustratif de réaction adaptative.      La prise en charge thérapeutique du cancer
   weg eingeschlagen, basierend auf
   der Verwendung von Nanopartikeln         Suite à une lésion tissulaire, par exemple       du sein se fait normalement en trois phases :
   und inspiriert durch den Prozess der     par une piqure d’épine, l’organisme lance        premièrement par la chirurgie ablative de
   Koagulation. Das komplexe Projekt        un processus complexe visant à combattre         la tumeur. Deuxièmement, par des théra-
   setzt höchste Kompetenzen in den         l’infection, réparer la lésion et rétablir le    pies adjuvantes après l’ablation de la tu-
   Bereichen der Onkologie und der          tissu d’origine. Une autre réaction adap-        meur. Les patientes qui n’ont pas de lésions
   Nanowissenschaften voraus und            tative et réparatrice bien connue est la ca-     à distance (métastases), sont généralement
   ver­­­eint die Krebsforschenden des      pacité du sang d’arrêter une hémorragie          traitées par des thérapies dites adjuvantes,
   De­partements für Medizin und die
                                            (hémostase) impliquant un processus de           visant à diminuer le risque de récidive ou de
   Forschungsgruppe für BioNano­ma­
                                            coagulation. Ce processus est particuliè-        métastases. Celles-ci incluent les thérapies
   te­rialien der Professorinnen Barbara
   Rothen-Rutishauser und Alke Fink         rement intéressant pour plusieurs raisons :      hormonales, la radiothérapie, la chimio-
   des AMI.                                 premièrement, l’initiation est très spéci-       thérapie et les thérapies ciblées. Ces traite-
                                            fique, afin d’éviter une activation inappro-     ments sont limités dans le temps et, dans la
                                            priée qui pourrait provoquer une obstruc-        majorité des cas, les patientes sont guéries.
                                            tion des vaisseaux avec des conséquences         Troisièmement, par des traitements plus
                                            potentiellement fatales. Deuxièmement, il        lourds dans les cas où se développent des
                                            doit être rapide, car une hémorragie doit        métastases. Une particularité du cancer
                                            être arrêtée dans les quelques secondes          du sein est que la moitié des patientes qui
                                            suivant la lésion. Troisièmement, il est effi-   développement des métastases le font
                                            cace, car le caillot doit être stable mécani-    tar­divement, entre cinq à sept ans après
                                            quement pendant plusieurs jours, le temps        le traitement initial. Pendant ce temps,
                                            de réparer le vaisseau.                          des cellules cancéreuses disséminées sur-
                                            Pour accomplir sa fonction, le processus de      vivent dans l’organisme sous forme de
                                            coagulation nécessite l’activation très sé-      « microlésions dormantes ». Aujourd’hui, il
                                            lective de molécules initiatrices qui, par la    n’y a aucun moyen de détecter ces micro-
                                            suite, induisent une activation plus large,      lésions, ni de thérapies efficaces pour leur
                                            sous forme de cascade, de précurseurs            élimination. C’est donc pour combler cette

   14     UNIVERSITAS / OCTOBRE 2015
lacune diagnostique et thérapeutique que             qu’il n’est possible d’envisager que dans
nous avons envisagé une approche inno-               des centres spécialisés. Notre approche
vante, basée sur des nanoparticules et ins-          proposerait un test plus simple en ajoutant
pirée par le processus de coagulation. De            les deux nanoparticules développées dans
quoi s’agit-il ? Le concept de base est de ci-       quelques millilitres de sang, prélevés chez
bler les cellules cancéreuses disséminées,           les patientes. La formation de caillots in-
d’abord avec une première nanoparticule.             duite par les cellules tumorales présentes
Le ciblage se fait grâce à un anticorps fixé à       dans le sang serait mise en évidence, grâce
leur surface. Cet anticorps est dirigé contre        à des équipements analytiques disponibles
une molécule exprimée à la surface cellu-            chez tout médecin.
laire d’un type particulier de cancer du
sein. Cette nanoparticule est constituée             Unir les forces
d’une nanosphère d’or de 40 nm de dia-               Aussi simple qu’il puisse paraître, ce pro-
mètre, recouverte de polyéthylène glycol,            jet est, en réalité, complexe et nécessite
de molécules d’anti­corps et d’une enzyme            des compétences pointues en biologie du
activatrice de la coagulation. Cette enzyme,         cancer et en nanomatériaux. Pour cette
le facteur III ou « tissue factor », a la particu-   raison, il est développé conjointement par
larité de s’activer seulement au contact de          mon groupe de recherche sur le cancer au
la surface cellulaire. Le ciblage de la cellule      Département de médecine de l’Université
cancéreuse par la première nanoparticule             de Fribourg et le groupe de recherche sur
a donc pour conséquence l’activation de              les bio-nanomatériaux des Professeures
la coagulation et la formation d’un caillot          Alke Fink et Barbara Rothen-Rutishau-
de fibrine à la surface cellulaire. Ensuite,         ser à l’Institut Adolphe Merkle. Pendant
une deuxième nanoparticule entre en jeu.             la première année de travail, deux doc-
Elle est conçue pour se fixer durablement            torantes, soutenues par le programme
à la fibrine préalablement générée. Pour             NCCR Bio-Inspired Materials, ont établi
cela, des peptides spécifiques à la fibrine          le modèle cellulaire in vitro, accompli la
et une enzyme stabilisatrice seront fixés à          synthèse de la première nanoparticule et
sa surface. La formation de la fibrine a un          caractérisé les interactions avec différents
effet « d’amplification » sur le recrutement         types de cellules.
de la deuxième nanoparticule et permet               Au-delà de l’aspect pratique appliqué au
la stabilisation du « caillot synthétique ».         cancer, ce projet est lui-même un labo-
Le noyau de la seconde nanoparticule sera            ratoire d’expérimentation pour le déve-
adapté aux applications. Pour détecter des           loppement de nanosystèmes autonomes,
cellules cancéreuses, nous choisirons par            capables de réagir à des conditions pré-
exemple de l’oxyde de fer (détection par             définies avec des réponses précises et pré-
résonance magnétique) ou des molécules               visibles. Les problèmes à résoudre nous
fluorescentes. Pour éliminer les cellules            forceront à développer de nouveaux maté-
cancéreuses, nous préférerons des nano-              riaux et de nouvelles stratégies, créant ain-
matériaux chargés de produits de chimio-             si un « projet dans le projet ». C’est souvent
thérapie ou capables d’« encapsuler » les            face à de nouvelles difficultés que l’innova-
cellules tumorales et les neutraliser en les         tion se fait. J.F. Kennedy a dit : « Nous avons
isolant des tissus sains. Pour le moment,            choisi d’aller sur la lune pas parce que c’est
nous étudions le comportement des na-                facile, mais parce que c’est difficile ». Plus
noparticules sur des cellules tumorales et           modestement, nous pourrions dire que le
des cellules normales – qui devraient être           fait que notre projet soulève des questions
épargnées par cette stratégie – cultivées en         auxquelles nous n’avons pas encore de ré-
laboratoire (in vitro). Par la suite, des expé-      ponse nous pousse à la créativité et à la
riences in vivo seront nécessaires.                  conception d’approches pionnières dans
                                                     ce domaine.
Simplicité et efficacité                             Je tiens à remercier le SNSF et tous ceux
Une application alternative que nous al-             qui contribuent à tous niveaux avec leur
lons étudier est un test diagnostique in             enthousiasme et compétences pour rendre
vitro pour déceler des cellules tumorales            le NCCR Bio-Inspired Materials possible
circulant dans le corps. Ces cellules sont           à Fribourg.
indicatrices de la dissémination du can-                                                               Curzio Rüegg est professeur
cer et leur présence représente un signe                                                               au Département de
à prendre au sérieux. Actuellement leur                                                                médecine et vice-directeur
détection est complexe, demande de gros                                                                du programme NCCR.
équipements et des compétences pointues,                                                               curzio.ruegg@unifr.ch

                                                                                                             UNIVERSITAS / OKTOBER 2015   15
Die Welt als Analogie
dossier
                                              Nützliches Modell oder heidnischer Götzendienst? Die Urteile über Naturtheo-
                                              logien gehen weit auseinander. Dabei prägen die Einsichten der Natursensiblen
                                              bis heute Religion und Kultur – sogar bis in die Nationalhymne hinein. Florian Lippke

   Une nature omniprésente                    Wenn man den alten Kirchenvätern glaubt,          Wissenschaft (Thot), der deshalb häufig als
   Personne ne peut dire à quoi res-          so waren die Ägypter damals schreckliche          Ibis dargestellt wurde. Auch glaubte man,
   semble vraiment le ciel, ni comment        Götzendiener. Denn angeblich verehrten            der Falke hoch am Himmel hätte alles im
   fonctionne le monde des dieux. C’est       sie anstelle des Schöpfers lieber die Tiere,      Blick – die grossen Zusammenhänge, wie
   pourquoi nous avons besoin d’un
                                              also Geschöpfe. Sie opferten vor ihnen und        auch das Detail, der scharfen Augen wegen.
   mo­ dèle explicatif. Les Egyptiens
                                              beteten sie an. Eine solch perverse Ver-          Für die Ägypter stand er mit dem göttlichen
   avai­
       ent choisi l’analogie : les rela-
   tions pourraient se dérouler au ciel       tauschung von Schöpfer und Geschöpf               Königtum in Verbindung. Denn auch der
   de la même manière qu’on les ob-           konnte von vielen Theologie-Hardlinern            Königsgott musste alles im Blick haben. So
   serve sur terre. Ce « parallélisme des     damals nur mit distanzierenden Reaktio-           wurde der Falke das Attributtier des Königs-
   sphères » est typique des croyances        nen quittiert werden: Abwertung, Verurtei-        gottes Horus.
   de la civilisation du Nil. Les Egyp-       lung und Verteufelung waren die Folge. Bei
   tiens étaient, en fait, des philo-         genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass          Wie im Himmel so auf Erden
   sophes de la nature. Ils observaient       die Ägypter keineswegs plump die Tiere            Genauer betrachtet waren die Ägypter also
   précisément leur environnement et
                                              zum Gott erklärten. Die ägyptischen Ge-           eher Naturphilosophen. Sie beobachteten
   ont développé un système dans le-
                                              lehrten waren weise Naturbeobachter. Sie          ihre Umwelt genau und entwickelten ein
   quel les animaux font référence au
   divin. Ce sens de la nature a égale-       nahmen besondere Eigenschaften und Ver-           System, in dem die Tiere auf das Göttliche
   ment exercé une influence notable          haltensweisen der Tiere wahr. Dabei verhält       verweisen. Man kann bezüglich einer sol-
   sur l’Ancien Testament. Bien enten-        es sich ähnlich wie heute: Niemand kann           chen Vorgehensweise viele andere antike
   du, de nombreux passages ont été           aus eigener Erfahrung sagen, wie es im            und moderne Naturphilosophien verglei-
   purifiés d’un point de vue théolo-         Himmel wirklich aussieht und wie die gött-        chen. Die ägyptische Philosophie (damals
   gique. Pourtant, de temps en temps,        liche Welt funktioniert. Also beginnt die         gleichbedeutend mit Theologie!) war bei
   nous trouvons des indices qui nous         Suche nach einem passenden Erklärungs-            einer Gruppe anderer, nicht-ägyptischer
   parlent cette autre langue. Et en-
                                              modell. Die Ägypter wählten die Analogie          Theologen verpönt. Das war ihr Schicksal,
   core : la nature a même inspiré
                                              als Grundmodell. Die Regel lautete: So wie        sie konnte sich im Diskurs der Philosophien
   l’hymne national suisse, qui dit clai-
   rement qu’on peut faire l’expérience       man bestimmte Zusammenhänge auf der               nach dem Ende der pharaonischen Blüte-
   du divin dans ce magnifique et impo-       Erde beobachtet, so könnte es sich auch im        zeiten nicht mehr wie zuvor etablieren. Ein
   sant environnement naturel. En ce          Himmel abspielen. Diese «Parallelität der         Funke der Naturtheologie ist aber trotzdem
   sens, la Suisse s’inscrit dans la tradi-   Sphären» ist ein Grundkennzeichen für den         noch im Neuen Testament zu finden. Denn
   tion de civilisations vieilles de plus     Glauben der Hochkultur am Nil. Gleich wie         die Analogie zwischen Himmel und Erde
   de 5000 ans – dont l’égyptienne.           der Mistkäfer täglich die Dungkugel über          blieb eine zentrale Kategorie für Gebets­
                                              die Erde rollt, so wälzt ein gigantischer gött-   aussagen. Während die Ägypter damals
                                              licher Mistkäfer den Sonnenball täglich           wohl in Sachen Mistkäfer, Ibis, Falke & Co.
                                              über den Horizont. Darum konnte man im            die Formel «wie auf der Erde so im Himmel»
                                              Mistkäfer den Funken des Göttlichen vereh-        gewählt hätten, so kennt das christliche
                                              ren. Ebenso war es möglich, mit dem Vogel         «Unser Vater» die Wendung «wie im Him-
                                              Ibis dem Gott der Weisheit auf die Spur           mel so auf der Erde».
                                              kommen. Der Ibis wurde wegen seiner Ein-
                                              sicht gepriesen – die Altvorderen glaubten,       In Balance mit der Natur
                                              er besässe genaue Kenntnis über die segens-       In den alten Kulturen war es bedeutsam, im
                                              reiche Nilflut. So fügte sich diese Vorstel-      Einklang mit der Natur zu leben. An den
                                              lung perfekt zum Gott der Weisheit und der        Rhythmus der Umwelt angepasst zu sein,

   16     UNIVERSITAS / OCTOBRE 2015
dossier                                  war einerseits ein Ideal, andererseits aber     ganz besonderes Evangelium wird aber
                                         auch überlebensnotwendig. Wer sich dem          nach wie vor viel zu selten berücksichtigt.
                                         Zyklus der Natur widersetzte, hatte wirt-       Es handelt sich um ein «Evangelium von der
                                         schaftlich und gesundheitlich mit harten        Natur». Es war in der Spätantike (ab 250 n.
                                         Konsequenzen zu rechnen. Darum spielte          Chr.) und im Mittelalter sehr bekannt. Zu-
                                         die Natur in vielen religiös-philosophi-        gleich wurde es nur selten als Naturevan­
                                         schen Lebensentwürfen eine grosse Rolle.        gelium erkannt. Die Rede ist von der Trak-
                                         Orientierung an der umgebenden Natur be-        tatsammlung «Physiologus», welche Tier
                                         deutete, dass man sich im Einklang mit der      und Pflanzenbeobachtung, Interpretation
                                         Schöpfung befand und damit im Einklang          und christliche Glaubensinhalte verbin-
                                         mit dem Willen der Schöpfergottheit. Der        det. Grund­sätzlich kann man sagen: Der
                                         Zürcher Religionswissenschaftler Fritz          Physiologus geht davon aus, dass das Chris-
                                         Stolz sprach einst von der grossen Überlap-     tentum in der Natur erkannt werden kann
                                         pung zwischen Natur (Flora, Fauna, Unbe-        und förmlich durch die Naturbeobachtung
                                         lebtes) und zivilisatorischer Kultur. In den    Theologie betrieben wird. Dies ist eine
                                         alten Epochen kann man nicht trennscharf        Grundannahme, die heute in Zeiten der
                                         zwischen beiden Bereichen unterscheiden.        selbstbewussten Naturwissenschaften nicht
                                         Dies wird auch durch die Betrachtung der        immer Zustimmung voraussetzen kann!
                                         damaligen religiösen Äusserungen bestä-         Vom Physiologus sind im Übrigen einige
                                         tigt: Religion ist aufs engste mit der Natur    Abschriften in alten Schweizer Bibliotheks-
                                         verbunden, wirkt aber zugleich tief in die      beständen erhalten.
                                         Gesellschaft, Kultur und damit in den zivi-
                                         lisatorischen Alltag hinein.                    «Trittst im Morgenrot daher…»
                                                                                         Der Natureinfluss macht selbst vor Natio-
                                         Natürliches im Alten Testament                  nalhymnen nicht halt. Diese drücken stets
                                         Die Bedeutung der Natur hat auch auf das        eine besondere Haltung zum Heimatland
                                         Alte Testament einen deutlichen Einfluss        aus und nicht selten verraten sie viel über
                                         ausgeübt. Zwar sind viele Stellen über die      die Weltsicht. Während die Deutschen mit
                                         Natur schon theologisch purifiziert worden      «Einigkeit und Recht und Freiheit» (Lied der
                                         – in ihnen herrscht eine klare Unterord-        Deutschen, 3. Strophe) die Ideale der Vor-
                                         nung der Natur unter den Schöpfergott.          märzbewegung proklamieren, appellieren
                                         Aber doch begegnen wir hin und wieder           die Franzosen an die «Kinder des Vaterlands
                                         Hinweisen, die eine andere Sprache spre-        am Tag des Sieges einig zu marschieren».
                                         chen. Blickt man in den hebräischen Urtext      Ganz anders die Schweizer Nationalhymne!
                                         des Alten Testaments, so wird im Schöp-         Beim Versuch, die Nationalhymnen nach
                                         fungsbericht (1.Mose 1,11) die Erde beauf-      der Stärke des Gottesbezugs zu ordnen,
                                         tragt, dass sie Grünes hervorspriessen las-     käme dem sogenannten Schweizerpsalm
                                         sen soll. «Und Gott sprach: Es lasse die Erde   wohl eine Spitzenposition zu. Jede Strophe
                                         hervorspriessen Gras und Kraut (…)». Nicht      der Hymne wählt einen göttlichen Aspekt
                                         der Schöpfergott selbst ist der Hervorbrin-     aus (Herrlichkeit, Menschenfreundlichkeit,
                                         ger, sondern die (Mutter-)Erde, die bei der     Ewigkeit, Allmacht), den sie dann in der Na-
                                         Schöpfung zentral beteiligt ist. Nach dieser    tur realisiert sieht: Morgenrot, Abend-
                                         weiblichen Schöpfungsträgerin ist im Heb-       glühn, Nebelflohr und Sturm. Die Aussage
                                         räischen übrigens auch der Mensch be-           wird schnell deutlich: Der Gott, den die
                                         nannt: Adam, das heisst Erdling, leitet sich    Schweizerinnen und Schweizer in ihrer
                                         von der Erde, adamah, ab. Solche und ähnli-     Hymne eindrücklich loben, erschliesst sich
                                         che Einsichten wurden schon vor etlichen        in der Natur. Wenn aber Gott und Natur auf
                                         Jahren von Othmar Keel, Silvia Schroer und      diese enge Weise miteinander verbunden
                                         Urs Winter herausgearbeitet.                    sind, könnte man fast fragen: Ist denn der
                                                                                         Gott, der im Schweizerpsalm besungen
                                         Kriminalfall Naturevangelium                    wird, ein «Naturbursche»? Theologisch sind
                                         Geschichten von Büchern, die geheim und         hier ganz unterschiedliche Antworten
                                         unter Verschluss gehalten wurden, gibt es       denkbar. Sicher ist aber, dass sich die wohl
                                         viele. Manche dieser Buchgeschichten glei-      theologischste aller europäischer Hymnen
   Florian Lippke ist Diplomassistent    chen einem Kriminalfall. In der Geschichte      einer Sache bewusst ist: Das Göttliche kann
   am Department für Biblische Studien   des Christentums ist das nicht anders: Tho-     in der schönen und gewaltigen Natur erfah-
   und Kurator für Vorderasien/Levante   masevangelium, Judasevangelium, Maria­          ren werden. Damit steht die Schweiz mit
   am Bibel+Orient Museum der            evangelium – sogar manch angesehener Ex-        ihrer Hymne in der langen Tradition der
   Universität Freiburg.                 perte lässt sich zu Verschwörungstheorien       5000 Jahre alten Hochkulturen – auch der
   florian.lippke@unifr.ch               in Bezug auf diese Bücher hinreissen. Ein       ägyptischen.

   18     UNIVERSITAS / OCTOBRE 2015
L’écologie, une question
                                        spirituelle
                                        Dans son encyclique Laudato si’, le Pape François présente l’écologie intégrale
                                        comme une démarche fon­     da­mentalement spirituelle, liée à la conversion
                                        personnelle et à la recherche de la paix sociale planétaire. François-Xavier Amherdt

Wandel für die Nächsten                 Prophétique, « révolutionnaire », affirmait         Selon cette perspective, il n’est pas possible
Mit seiner ersten Enzyklika «Laudato    même l’éditorial d’un quotidien lémanique           d’être authentiquement chrétien – et véri-
si’» sendet Papst Franziskus der        au moment de sa parution en juin dernier :          tablement humain – sans adopter une sen-
Menschheit eine prophetische Mit-       la première encyclique du Pape François             sibilité écologique, n’en déplaise à certains
teilung – eine Zeitung der Romandie
                                        sur la sauvegarde de la création n’y va             politiciens étasuniens. C’est donc à une
sprach gar von einer «message ré-
                                        pas de main morte. Elle s’adresse, comme            communion profonde avec le cosmos que
volutionnaire». Die Lektion richtet
sich an jeden und jede: Schliesslich    tous les messages du Concile Vatican II, à          la Bible nous convie, au nom même de la
erfordert die ökologische Krise ein     l’ensemble de l’humanité. Tout le monde             foi en Jésus Christ, Maître de l’univers. Il ne
fundamentales spirituelles Umden-       y prend pour son grade, car la crise écolo-         s’agit pas, évidemment, d’une question par-
ken von uns allen. Es ist ein Appell    gique actuelle en appelle à une profonde            tisane, comme si désormais les chrétiens
zu mehr Respekt vor der Schönheit       conversion spirituelle de chacun, pour une          des diverses confessions devaient toutes
der Schöpfung, zu einem beschei-        capacité d’admiration devant la splendeur           et tous adhérer à un « parti vert » (lequel
deneren Lebensstil, zur Solidarität     de la création, un style de vie plus sobre,         choisir d’ailleurs ?), mais d’une fibre éco-
mit den Armen. Gleichzeitig fordert
                                        solidaire des pauvres.                              logique que chaque lecteur des Ecritures
der Text die Politik dazu auf, inter-
                                                                                            judéo-chrétiennes est appelé à cultiver, de
national geltende Regeln aufzustel-
len, um unseren Planeten zu erhal-      Perspective spirituelle franciscaine                quelque courant politique qu’il se réclame,
ten und um der künftigen Gene­ration    D’autre part, en préparation explicite de           en vertu de textes comme le début de la
ein bewohnbares gemeinsames             la Conférence sur les changements clima-            Genèse (les deux récits de la création) et le
«Haus» (abgeleitet aus dem Grie-        tiques à Paris, l’automne prochain, le texte        Psaume 8 (la petitesse de l’homme au sein
chischen des Wortes «Ökologie»,         invite les dirigeants politiques à mettre           de l’univers, que pourtant Dieu confie à la
oikos, also Haus) überlassen zu         en œuvre des règles internationales pour            responsabilité humaine, puisqu’il a modelé
können. Die päpstliche Enzyklika        préserver la planète et transmettre aux gé-         l’homme à son image).
wurde insgesamt sehr wohlwollend
                                        nérations futures une « maison commune »
aufgenommen, mit Ausnahme von
gewissen Stimmen aus den Reihen
                                        habitable (c’est l’étymologie du terme              Campagnes de Carême suisses
der amerikanischen Republikaner,        « écologie », du grec oikos, maison).               Chaque année, les campagnes œcuméni­
von bestimmten Ökologen bezüg-          Le souverain pontife jésuite fait ainsi hon-        ques d’Action de Carême / Pain pour le pro-
lich der Frage des «natürlichen»        neur au nom de pape : c’est dans la ligne           chain / Etre partenaires nous rappellent que
Lebens und Sterbens sowie von ge-       de la spiritualité de saint François d’Assise       les catastrophes écologiques (réchauffe-
wissen traditionalistischen (ausser-    qu’il s’inscrit clairement. D’ailleurs, le titre    ment climatique dû à l’homme, épuisement
halb der Katholischen Kirche) und       même du document, en italien et non pas             des ressources vitales, déforestation mas-
traditionellen Kreisen (katholisch).    en latin (!), rappelle le Cantique des créa-        sive, pollution des mers, fonte des glaces,
                                        tures du Poverello du XIIIe siècle. Il invite les   disparition des espèces) affectent surtout
                                        hommes du monde entier à la louange du              les pays les plus pauvres.
                                        Créateur, associée à la recherche de la paix        Ces déséquilibres naturels provoqués par
                                        intérieure, au respect du jardin de la nature       l’être humain interpellent l’ordre écono-
                                        confié par Dieu aux êtres humains pour              mique globalisé, la fracture Nord-Sud et
                                        qu’ils le gardent et le fassent fructifier, sans    riches-pauvres. Ils exigent que les gouver-
                                        l’exploiter de manière éhontée ou égoïste,          nants renouvellent les accords de Kyoto et
                                        à la justice envers les plus vulnérables et         qu’ils prennent des engagements réels pour
                                        au dialogue interreligieux entre les cher-          que soient instaurés des « critères » recon-
                                        cheurs de Dieu.                                     nus par tous, avec des systèmes efficaces

                                                                                                                     UNIVERSITAS / OKTOBER 2015   19
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