VIEL DIENST WENIG VERDIENST - LOHNFINDUNG IN GESUNDHEITSBERUFEN - Equal Pay Day
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I N H A LT S V E R Z E IC H N I S initiiert von Editorial Henrike von Platen Seite 3 Grußwort Kristina Schröder Seite 4 Für ver.di ist jeder Tag Equal-Pay-Day gefördert vom Elke Hannack Seite 5 Schwerpunktthema Viel Dienst – wenig Verdienst Christel Riedel Seite 6 TVöD 2005 – wo bleibt die Entgeltordnung Fragen an Ulrike Burchardt und Dirk Reidelbach Seite 8 Gesundheitsökonomie – unter Ausschaltung der Menschen? Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ Seite 10 Ökonomisierung der Pflege – was haben Frauen davon? Prof. Dr. Michael Isfort Seite 11 Im Kampf gegen ungleiche Bezahlung: 6 Jahre EPD Simone Denzler Seite 14 Schwerpunktpartner Equal Pay Day in der Kommune Christine Rabe Seite 15 Ärztinnen: im Beruf strukturell benachteiligt Hans-Jörg Freese Seite 16 LandFrauen – Faire Einkommensperspektive sichern Brigitte Scherb Seite 17 Warum es so wenig Frauen in den deutschen Vorständen gibt Ursula Ott Seite 18 Imagekampagnen Prof. Anja Hartmann Seite 19 Der tägliche Kampf Uta Zech Seite 20 Selbständigkeit im Pflegeberuf Kathrin Kohl-Boussetta Seite 23 Lohnfindung und Arbeitsbedingungen bei der Sozialholding Mönchengladbach Helmut Wallrafen-Dreisow Seite 24 Hohes Ansehen – wenig Lohn: Zur Bewertung der weiblichen Arbeitskraft in Gesundheitsberufen Angelika Puhlmann Seite 25 Neuer Blick auf alte Fragen Dr. Heide Mertens Seite 27 Noch weniger ist … niemand Susanne Steppat Seite 28 Kompetenzen von Frauen und ihr Wert im Gesundheitswesen Margret Urban, Sabine Ridder Seite 29 Ohne uns keine Diagnose – ohne Diagnose keine Therapie Anke Ohmstede Seite 30 IMPRESSUM Lohnfindung in Gesundheitsberufen V.i.S.d.P.: Henrike von Platen, Präsidentin BPW Germany e.V. Hannelore Buls Seite 31 Geschäftsstelle: BPW Germany e.V. Leben im Alter – Zwischen Skylla und Charybdis Sigmaringer Straße 1, 10713 Berlin · info@bpw-germany.de Redaktion: Christel Riedel, Projektleiterin Dr. med Ursula Sottong Seite 32 Forum Equal Pay Day · c.riedel@equalpayday.de Fragen an den Deutschen Pflegerat Dagmar Schwarz, Bundesgeschäftsstelle Entgeltgleichheit Andreas Westerfellhaus Seite 33 d.schwarz@equalpayday.de Simone Denzler, Pressesprecherin BPW Germany Die Marienhaus GmbH s.denzler@bpw-germany.de Dr. Tania Masloh Seite 34 Fotos: BMFSFJ/L. Chaperon · Inga Haar · AutorInnen Gestaltung: Zech Dombrowsky Design Druck: Möller Druck und Verlag GmbH Auflage: 20.000
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, mangel in ambulanten und stationären Einrichtungen gefährdet die Versorgung alter und kranker Menschen, am 21. März ist Equal Pay Day – der Aktionstag für Pflegearbeiten müssten verstärkt von den Familien gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Denn geleistet werden – und blieben so wiederum meist an Frauen verdienen nach wie vor im Schnitt rund ein den Frauen hängen. Wie sollten Frauen so ruhigen Viertel weniger als Männer, können weniger Vermö- Gewissens ihrer Berufstätigkeit nachgehen und dabei gen aufbauen und leben am Ende von einer Rente, die auch noch den Aufstieg in die gut bezahlten Füh- durchschnittlich 60 Prozent niedriger ist als die von rungsetagen schaffen? Männern. Wie kann das sein, fragen Sie sich, wo doch Frauen seit Jahren Bildungsgewinner sind? Die Ursa- Rund 700 Veranstaltungen bundesweit konnten wir chen lassen sich auf drei Fakten reduzieren: Frauen 2012 zum Equal Pay Day anstoßen. Verbände, Gewerk- fehlen in den gut bezahlten Führungsetagen, Frauen schaften und Parteien unterstützten unsere Forderun- arbeiten aufgrund der schlechten Vereinbarkeit von gen. Wir freuen uns, für unsere Kampagne 2013 sieben Familie und Beruf häufig in Teilzeit - und nicht zuletzt Partner aus dem Gesundheitsbereich gewonnen zu werden Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt haben, die wir Ihnen im Journal wie auch auf unse- werden, schlechter bezahlt. Dazu gehören auch die rer Webseite vorstellen. Sie haben uns bereits in der Gesundheitsberufe, die wir in diesem Jahr unter dem fachlichen Vorbereitung des Themenschwerpunkts Motto Viel Dienst – wenig Verdienst exemplarisch in den unterstützt und werden auch mit eigenen Aktionen Fokus nehmen, um auf den Missstand der ungleichen am Equal Pay Day auf die unzulängliche Bezahlung Einkommenschancen aufmerksam zu machen. und die familienfeindlichen Arbeitsbedingungen in Gesundheitsberufen aufmerksam machen. Die Debatte Gesundheitsberufe sind weiblich: Rund 80 Prozent muss jetzt geführt werden – überall in Deutschland. der Beschäftigten in dieser Branche sind Frauen. Das Das Journal liefert dazu Anregungen und Grundlagen. Einkommen in diesem Berufszweig ist im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen mit vergleichbarer Machen Sie mit! Treffen Sie sich am 21. März zu Qualifikation am unteren Rand der Gehaltsstatistiken einem Mittagessen mit roten Taschen – dem Symbol zu finden. Und das, obwohl Hebammen und Kran- des Equal Pay Day – und schicken Sie uns ein Foto, kenschwestern wie auch Arzthelferinnen und Labor- informieren Sie sich auf unserer Aktionslandkarte über fachkräfte anspruchsvolle Tätigkeiten ausüben und die Aktionen in ihrer Region – oder planen Sie einfach eine große Verantwortung für die richtige Diagnose ihre eigene. Anregungen dazu finden Sie ebenfalls und den Heilungsprozess tragen. Die Altenpflegebran- auf unserer Webseite. Werden Sie Teil der inzwischen che klagt bereits, ihren Fachkräftebedarf nicht mehr weltweiten Equal-Pay-Day-Bewegung und helfen Sie decken zu können. Wen wundert dies, angesichts der mit, damit der Aktionstag immer weiter nach vorne schlechten Bezahlung in einem Beruf, der körperlich rückt und sich eines Tages selbst abschafft. und psychisch sehr belastend ist? Lesen Sie in unserem Journal, wo die Probleme liegen und was sich ändern Ihre muss. Am 21. März 2013 machen wir zum sechsten Mal in Folge darauf aufmerksam, dass gleiche Bezahlung für Henrike von Platen Männer und Frauen nicht nur ein Gebot der Fairness, Präsidentin BPW Germany e.V. sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist. Im Falle der Gesundheitsberufe ist klar: Ein Fachkräfte- Equal Pay Day Journal 2013 3
Grußwort der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, anlässlich des Equal Pay Day 2013 BMFSFJ/L. Chaperon Haben Sie sich schon einmal gefragt, was bei Hinter dem Thema Gesundheitsberufe steht der umsichtigen Sprechstundenhilfe in Ihrer eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Hausarztpraxis, der fürsorglichen Kran- Arbeitsfelder: die Alten- und Krankenpflege, kenschwester in der Notaufnahme oder der medizinisches Fachpersonal in Arztpraxen, die freundlichen Altenpflegerin im Seniorenheim Ärzteschaft, medizinisch-technische Ange- am Ende des Monats auf der Gehaltabrech- stellte, Hebammen und viele andere mehr. nung steht? Viel ist es nicht im Vergleich zu Starke Partner, wie der Deutsche Hebammen- anderen Berufen. Frauen bilden das Rückgrat verband, der Verband medizinischer Fachberu- unserer medizinischen Versorgung, denn 80 fe, die Marienhaus Unternehmensgruppe, die Prozent der Beschäftigten in der Gesundheits- Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach, branche sind Frauen. Ihr Einkommen findet der Marburger Bund, der Deutsche Pflegerat sich im Vergleich zu ähnlichen Ausbildungsbe- sowie der Dachverband für Technologen/- rufen am unteren Ende des Gehaltsspektrums innen und Analytiker/-innen in der Medizin wieder. Deutschland unterstützen den Equal Pay Day und berichten über Problemlagen und Die schlechte Bezahlung in frauendominierten Handlungsmöglichkeiten in ihren Branchen. Berufen, und dazu gehören Gesundheitsberu- Sie haben die EPD-Foren im Oktober und No- fe, ist eine wesentliche Ursache für den beste- vember 2012 aktiv begleitet und liefern auch henden statistischen Entgeltunterschied. Des- für dieses EPD-Journal wertvolle Beiträge. halb steht beim diesjährigen Equal Pay Day die Verdienstsituation in Gesundheitsberufen Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre im Mittelpunkt. Unter dem Motto Viel Dienst! und lade Sie ein, sich mit uns gemeinsam für Wenig Verdienst! geht es um die gesellschaftli- faire Chancen in der Arbeitswelt einzusetzen– che und finanzielle Aufwertung von Gesund- nicht nur am Equal Pay Day, sondern während heitsberufen. Dies ist nicht nur im Interesse der des ganzen Jahres! Beschäftigten sondern in unser aller Interesse. In einer alternden Gesellschaft sind tatkräftige, Mit freundlichen Grüßen, motivierte und professionelle Beschäftigte im Gesundheitswesen unverzichtbar. Dr. Kristina Schröder 4 Equal Pay Day Journal 2013
Für ver.di ist jeder Tag Equal Pay Day Elke Hannack D as Gesundheitswesen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem bedeutenden Beschäftigungsfaktor in Gerade das Gesundheitswesen ist auf qualifizierte und gut motivierte Fach- kräfte angewiesen. Eine Weiterentwick- dern. Die Frage, warum ein Beschäftig- ter, der z.B. mit der Herstellung eines Autos befasst ist, das Dreifache an Ge- Deutschland entwickelt. Mehr als vier lung des Gesundheitswesens braucht halt bekommt wie die Pflegekraft, die Millionen Menschen sind in diesem eine verbesserte Rekrutierung und einen Menschen gesund pflegt, konnte Wirtschaftszweig beschäftigt. Das sind Qualifizierung von Arbeitskräften, aber mir bis heute niemand beantworten. mehr als zehn Prozent der Erwerbstäti- auch die Verbesserung der Arbeits-und Die wenige Wertschätzung insbesondere Elke Hannack gen. Das Gesundheitswesen Entlohnungsbedingungen der hier für wichtige Sozialkompetenzen in seit 2007 Mitglied im ist damit für einen relevan- Beschäftigten. Das durchschnittliche diesen Berufen hat zum einen sicher- ver.di-Bundesvorstand; ten Teil der Erwerbsbevöl- Bruttomonatseinkommen in Pflege- lich mit einem tradierten Rollenbild in zuständig für die Bereiche kerung Quelle des Lebens- berufen beträgt bei einer 38-Stunden- unserer Gesellschaft zu tun. Sozialpolitik, Gesundheits- unterhalts. Woche 2.360 €. Je nach Beruf variiert Wir Gewerkschaften sind uns aber politik, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik,Beinahe ¾ aller Beschäf- dieses Einkommen zwischen 1.828 € sehr unserer Verantwortung bewusst, Schwerbehindertenpolitik, tigten im Gesundheitswe- und 3.066 €. hier Veränderungen herbeizuführen. Erwerbslose, Migrantinnen und Migrantensen sind Frauen. Weiblich Und es gibt auch hier Gehaltsdifferen- So haben wir bereits für den Erziehe- besetzte Gesundheitsbe- zen zwischen Frauen und Männern. So rinnenbereich eine Imagekampagne rufe zeichnen sich aus durch niedrige weist der WSI-Lohnspiegel aus, dass durchgeführt, um in der Öffentlichkeit Entlohnung, viel Teilzeitarbeit und das Einkommen der Frauen in Pfle- für eine größere Akzeptanz der hohen belastende Arbeitsbedingungen. Seit geberufen insgesamt rd. 300 € unter Sozialkompetenzen zu werben. Dies vielen Jahren erleben die Beschäftigten dem der Männer liegt (im Mittelwert). muss auch für die Gesundheitsbranche im Gesundheitswesen eine Verschlech- Das macht einen Einkommensnach- gelten. Gewerkschaften können auch in terung der Arbeitsbedingungen. Die teil von 11,7% aus. Auffällig ist auch, Tarifverhandlungen bessere Arbeitsbe- Arbeitsbelastung am Arbeitsplatz dass der Männeranteil in den besser dingungen und bessere Löhne verhan- steigt. Es kommen immer neue Auf- bezahlten Pflegeberufen am höchsten deln. Aber Gewerkschaften sind immer gaben hinzu, der Leistungsdruck wird ist. Übrigens profitieren Beschäftigte nur so stark wie ihre Mitglieder. Da, größer und dazu wachsende Unsicher- in Pflegeberufen von der Tarifbindung: wo es hohe Organisationsgrade gibt, heit der Beschäftigung durch Zeitver- in tarifgebundenen Betrieben liegt ihr wo sich also viele Menschen für eine träge und Leiharbeit. Die Arbeitsbelas- Monatseinkommen knapp 19% über Gewerkschaftsmitgliedschaft entschei- tung wächst in allen Berufsgruppen des dem Gehalt ihrer Kolleginnen und den, können Gewerkschaften gute Gesundheitswesens, besonders aber für Kollegen in nicht tarifgebundenen Tarifverträge abschließen. Insofern Pflegekräfte und für die Beschäftigten Betrieben. hat ver.di neue Modelle zur Mitglieder- in den Reinigungs- und Verpflegungs- Für ver.di muss für die Arbeits- und gewinnung und Mitgliederhaltearbeit diensten. In vielen Krankenhäusern Entlohnungsbedingungen der Grund- entwickelt, die gerade im Gesundheits- wird die tarifliche Wochenarbeitszeit satz gleicher Lohn für gleiche Arbeit am bereich jetzt angewendet werden. Hier nicht eingehalten, statt 38,5 oder gleichen Ort gelten. Das ist es, was wir gilt es, durch die Erhöhung der Mitglie- 40 Wochenstunden werden durch- als Gewerkschaft jeden Tag versuchen der die Gewerkschaften in ihrem tarif- schnittlich 44 Stunden gearbeitet. durchzusetzen. Gerade in frauendo- politischen Handeln zu stärken. Nur so Teilzeitbeschäftigte arbeiten im Schnitt minierten Branchen ist das aber kein werden wir dauerhaft zu einer Entloh- sogar 6 Stunden mehr als ihre arbeits- einfaches Unterfangen. Dienstleistun- nung kommen, die den Kompetenzen vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. gen am Menschen werden immer noch der Fachkräfte im Gesundheitswesen Dienstpläne werden nicht eingehalten, in unserer Gesellschaft und in unserer auch gerecht wird. Wertschätzung für das Missverhältnis von anwesendem Arbeitswelt zu wenig wertgeschätzt. einen Beruf lässt sich sicher nicht nur Personal und den Aufgaben verschärft Obwohl gerade dort die physischen am Lohn festmachen – aber er ist schon sich. Auszubildende werden häufig zu und psychischen Belastungen mit am ein starkes Indiz. Deshalb kämpfen wir Lückenbüßern. 1,2 Mio. Überstunden höchsten sind. Die Entlohnung besagt für humane und familienfreundliche sprechen für sich. aber etwas anderes. Wenig Zuspruch, Arbeitsbedingungen im Gesundheits- Eine Untersuchung der Bertelsmann- wenig Wertschätzung, wenig Ak- wesen und für eine gerechte Bezahlung! Stiftung warnt davor, dass im Jahr 2030 zeptanz für die Arbeit mit alten und eine halbe Million Vollzeit-Pflegekräfte kranken Menschen oder Kindern. fehlen werden, wenn sich an ihrer Situ- Hier muss sich grundsätzlich etwas im ation nichts ändert. Bewußtsein unserer Gesellschaft verän- Equal Pay Day Journal 2013 5
„Ich bin überzeugt, wenn das tägliche Honorar für eine Krankenwärterin zehn Goldstücke betrüge, so würde kein Beruf der Welt weniger für eine Frau geeignet sein, als dieser; keiner würde die Scham- Themenschwerpunkt haftigkeit mehr verletzen, den Ekel Gesundheitsberufe: stärker erregen, und in gewohnter Huld Viel Dienst – wenig würde man nimmer mehr der schwäch- Verdienst lichen Frau die Last der Krankenpflege Christel Riedel aufgebürdet haben1.“ S o Hedwig Dohm, vor nunmehr 130 Jahren. Hatte sie Recht? Abgesehen davon, dass wir keine genaue irgendwann (und nicht nur einmal) existenziell profitieren? geht. Das ist zunächst einmal ver- ständlich. „Irgendwann krieg ich Euch alle“ sagt Helmut Wallrafen-Dreisow, Christel Riedel, Kenntnis haben von der Ein erster Grund könnte sein, dass Geschäftsführer der Sozialholding Rechtsanwältin, Größe der in Bezug genom- die tatsächliche Lohnhöhe in diesen Mönchengladbach und einer unserer von 1992 bis 2011 Juristin beim menen Goldstücke: Würde Berufen den meisten Nichtgesundheits- Schwerpunktpartner, kämpferisch3 und Deutschen der Pflegeberuf tatsächlich beruflern weitgehend unbekannt ist. konfrontiert damit uns, seine Zuhörer Frauenrat mit dem durch eine Honorierung Der Stolz verbot es den Berufsangehö- und Zuhörerinnen, ganz direkt mit der Arbeitsschwerpunkt: in Gold eine Aufwertung rigen selbst lange Zeit, ihre Probleme gern verdrängten Tatsache, dass wir Beobachtung und Kommentierung der erfahren? Denkbar wäre offen zu legen. Nachdem die angestell- alle einmal alt werden und dann nur in rechtspolitischen zumindest auch, dass damit ten Ärztinnen und Ärzte, organisiert im wenigen glücklichen Ausnahmefällen Entwicklung bezogen eine Abwertung des Gold- Marburger Bund, mit ihren Aktionen ohne Betreuung auskommen. Für den auf die rechtliche preises eingeläutet wird. Sie inzwischen eine Menge erreicht und (von Gesunden als unwahrscheinlich und tatsächliche halten das für ein absurdes auch die Hebammen es mit ihrem angesehenen) Fall einer Erkrankung Gleichstellung der Geschlechter, seit Gedankenspiel? Tatsächlich Protest schon bis in die Tagesthemen hoffen wir, mittels der Röhre oder September 2011 beschreibt diese Überlegung geschafft haben, kommen nun auch die anderer bildgebender Diagnoseverfah- Projektleiterin des lediglich ein bekanntes Pflegeberufe und die Medizinischen ren schnell einen eindeutigen Befund Forum Equal Pay Day Phänomen aus einer unge- Fachangestellten und die Laborberu- zu erhalten, der nach fachkompetenter wohnten Perspektive: Wenn fe (MTA´s) mit ihrem Anspruch auf Erläuterung entweder durch einen chi- Frauen ein Berufsfeld erobert haben, Aufwertung ihrer Berufe aus der De- rurgischen Eingriff (möglichst in Voll- sinken dort die Löhne. 2 ckung. BPW Germany unterstützt mit narkose) oder mittels wirkmächtiger dem aktuellen Themenschwerpunkt Pillen in kurzer Zeit zu beheben sein Breite Solidarität fehlt zum Equal Pay Day 2013 gezielt ihr wird. Krankheit und Heilung sehen Warum ist es bisher nicht wirklich Anliegen. wir gern als einen selbstbestimmten gelungen, eine breite gesellschaftliche Reparaturbetrieb 4 und stellen uns mit Solidarität mit den Vertreter/innen der Ein weiterer Grund für die zögerliche dieser Haltung gedanklich direkt neben Gesundheitsfachberufe herzustellen, Solidarisierung kann darin liegen, dass unser Auto. von deren Qualifikation und Hilfs- wir, die potenziellen Patient/innen, den bereitschaft wir alle im Laufe unseres Gedanken an Krankheit und Alter und Ökonomen prägen die Debatte Lebens mit großer Wahrscheinlichkeit Abhängigkeit ausblenden, so lange es Dort sind wir nicht allein: Gesund- heitsökonomen schätzen ebenfalls FORUM EQUAL PAY DAY den Wert gesundheitstechnischer und Konzertierte Aktion zum Equal Pay Day zwischen dem 8.03 und 25.03.2013 pharmakologischer Produkte höher als den Wert fachkundiger menschlicher Faire Einkommens- Zuwendung in Pflege und Betreuung. perspektiven In der Theorie besteht also Einigkeit – für Frauen und Männer in die Bedeutung qualifizierter Pflege und Gesundheits- fachkundiger Unterstützung ärztlichen berufen Wirkens sehen wir als marginal an. Ar t Zu Unrecht – denn erfahrungsgemäß be af Beschäftigte ch i tg ls verläuft der Prozess im wirklichen eb el er es Leben wesentlich zeitaufwändiger G und deutlich weniger selbstbestimmt. Krankheit und Alter machen leider Funktionstüchtige und Qualitätssteigerung und qualifizierte Infrastruktur Bindung von hilfebedürftig und abhängig – eine als Voraussetzung für Qualifikations-, Fachkräften in der Erfahrung, die offenbar ein jeder und die existenzsichernde leistungsgerechter und Gesundheitsbranche Erwerbstätigkeit aller existenzsichernder erwerbsfähigen Verdienst, bessere Menschen Arbeitsbedingungen, höhere Arbeitszufriedenheit 6 Equal Pay Day Journal 2013
Prof. Katja Nebe, Referentin des EPD-Forum Berlin eine jede zunächst einmal für sich wir aus den Praxen der niedergelasse- Erwerbstätigkeit aller erwerbsfähigen selbst machen muss, um den Wert nen Ärzte kennen, liegen mit ihren Ein- Menschen. Faire Einkommenspers- fachkundiger Hilfe tatsächlich abschät- kommen am unteren Ende der Skala8. pektiven für Frauen und Männer in zen zu können. Das kann dauern – und Würden sie alle zusammen nur für drei den Gesundheitsberufen nutzen den wenn die Erkenntnis eintritt, ist es oft Tage in den Streik treten – wären mit Beschäftigten, weil sie zu höherer zu spät, um sich für die einzusetzen, die Sicherheit Menschenleben zu beklagen. Arbeitszufriedenheit führen und damit geholfen haben. Das unterscheidet die Angehörigen der den Verbleib qualifizierter Kräfte im Gesundheitsberufe zum Beispiel von Beruf fördern. Letzteres nutzt insbeson- Echte Wertschätzung fehlt den Lokomotivführern. Wegen dieser dere den Arbeitgebern, die bereits jetzt In dieser von Schamhaftigkeit und Ver- absehbaren Folgen – in Verantwortung Head-Hunter einsetzen müssen auf der drängung geprägten Situation konnte vor den Patientinnen und Patienten Suche nach Personal. Es geht also um bisher eine echte Wertschätzung der - haben sie bisher nicht gestreikt und beides: Lohngerechtigkeit und Erhalt Gesundheitsberufe schwer gedeihen. werden sie es vermutlich auch niemals einer Infrastruktur, die insbesondere Verschärfend wirken sich die Rahmen- tun. Zu befürchten ist allerdings, dass durch die demografische Entwicklung bedingungen zur Finanzierung unseres sie die Abstimmung mit den Füßen vor- und eine massive Politik der Kostensen- Gesundheitssystems5 aus: Gesund- nehmen und lieber Lokführer werden, kung in ihrem Bestand bedroht ist. heitskosten werden durch den Grund- anstatt sich für einen Gesundheitsberuf satz der Beitragssatzstabilität gedeckelt. zu entscheiden. Darum: engagieren Sie sich am Personalkosten wurden in diesem Equal Pay Day für unsere gemein- Zusammenhang gern als vermeidbar Das dürfen wir nicht zulassen. Eine samen Ziele! angesehen. Nun allerdings kommt mit weitere Verschärfung des Fachkräfte- der demografischen Entwicklung, das mangels in den Gesundheitsberufen heißt der Alterspyramide, das Problem gefährdet den Bestand des Gesund- des Fachkräftemangels auf. Europa- heitssystems. Ohne die bisher ge- Anmerkung: Die Fundstellen 2-8 verwei- weit wird in allen Branchen geworben wohnte gute Infrastruktur werden sen auf das EPD-Toolkit www.equalpay- um junge, flexible und gebildete bzw. wir eine weitere Zunahme häuslicher day.de/toolkit-2013-gesundheitswesen/ bildungsfähige Fachkräfte. Wie können Pflegearrangements9 erleben – eine Arbeitgeber ohne Glamourfaktor wissenschaftlich akzeptierte Um- 1 Hedwig Dohm: Die Arbeitsteilung zwi- punkten im Wettbewerb um qualifi- schreibung der Tatsache, dass Frauen schen Mann und Frau, 1874 (zitiert nach zierten Nachwuchs? Unser Schwer- aus dem Erwerbsleben ausscheiden, Claudia Bischoff: Frauen in der Kranken- punktpartner Andreas Westerfellhaus, um wieder verstärkt Familienaufgaben pflege, CAMPUS, 1992, S. 142) Präsident des Deutschen Pflegerates zu übernehmen. Alle diese, häufig 2 Leutze/Straus, WZB Brief Arbeit und Geschäftsführer einer Akademie hochqualifizierten, Frauen fehlen dann 2/2009 (PPPräsentation zum Schwer- für Berufe im Gesundheitswesen, in ihren erlernten Berufen und verstär- punktthema) räumt ein, dass er viele gute Absolven- ken dort den Fachkräftemangel. Sie 3 Film Tool: Frauen in der Pflege ten ziehen lassen muss ins europäische fehlen auch auf den (mittleren) Stufen 4 Siehe auch Film Tool Prof. Hengsbach Ausland6 – weil dort teilweise bis zu der Karriereleiter, von denen aus der „Gesundheitsökonomie – unter Ausschal- 30% mehr gezahlt wird als in Deutsch- weitere Aufstieg in die Führungsebene tung des Menschen?“ land und auch die Arbeitsbedingungen gestartet wird. 5 Power Point Präsentation von Prof. bessere sind. Katja Nebe Solidarität mit den Fachkräften 6 Siehe Video zur Podiumsdiskussion Keine Diagnostik - keine Therapie in den Gesundheitsberufen muss 7 Siehe Statement dvta sagen die Analytiker/innen in der also unser aller Anliegen sein – 8 Siehe Statement des Verbandes medizi- Medizin7 (MTA´s). Ein klassischer und weil unserer Gesellschaft ohne ein nischer Fachberufe anspruchsvoller MINT-Beruf – aber: verlässliches und für alle bezahlbares 9 Sachverständigengutachten zum Gleich- vergleichsweise niedrig entlohnt. Die Gesundheitssystem die Voraussetzun- stellungsbericht BT-Drs. 17/6240, Seite 123 medizinischen Fachangestellten, die gen fehlen für eine existenzsichernde Equal Pay Day Journal 2013 7
TVöD 2005 – wo bleibt die Entgeltordnung Fragen1 von Christel Riedel an Ulrike Burchardt und Dirk Reidelbach F ür den öffentlichen Dienst einigten sich die Tarifvertragsparteien im Jahr 2005 auf einen neuen Tarifvertrag Ist als Ergebnis der Verhandlungen für die Bundes- und kommunale Ebene ein ähnliches Regelwerk zu D . R e i d e l b a c h : Wir sehen das Erfordernis, die Entgeltgruppen des TVöD grundsätzlich in folgende vier (TVöD) als Nachfolgevertrag zum erwarten – mit der Anknüpfung an Qualifikationsebenen zu unterglie- alten Bundesangestelltentarifvertrag auszuübende Tätigkeiten? dern: unter dreijähriger Ausbildung, (BAT). Auf eine zeitgemäße Entgelt- mindestens dreijährige Ausbildung, U . B u r c h a r d t : Ja, auch hier ist ordnung konnten sie sich bis heute nur Bachelor- bzw. Fachhochschulbildung ein solches Regelwerk geplant, aber es Ulrike Burchardt, auf Länderebene einigen sowie wissenschaftliche Hochschulbil- 2 knüpft natürlich auch an Qualifikatio- ehemaliges Mitglied der – und auch dazu brauch- dung. Dabei müssen den Beschäftigten nen an. Es gibt vier Qualifikationsstu- Bundestarifkommission ten sie sechs Jahre. Die dem jeweiligen Qualifikationsniveau und Vorsitzende des Entgeltordnung soll die fen: die unter dreijährige Ausbildung, entsprechende Tätigkeiten übertragen Landesbezirksfachbe- die dreijährige Ausbildung, Fachhoch- alte Vergütungsordnung sein. Sofern für bestimmte Berufe keine reichsvorstandes Berlin- schulabschluss und Hochschulab- Brandenburg von ver.di ablösen und die tarifliche schluss. speziellen Merkmale ausgebracht sind, Dirk Reidelbach, Refe- Eingruppierung der Be- soll für die Eingruppierung weitgehend rent für Entgeltordnung schäftigten regeln. Sie ist D . R e i d e l b a c h : Die Verhandlun- auf die allgemeinen Merkmale zurück- im Krankenhausbereich gen zur Entgeltordnung für den Bereich die zentrale Vorschrift für gegriffen werden können. bei der Vereinigung kommunaler Arbeitge- die Arbeitsplatzbewertung der VKA sind noch nicht abgeschlos- In der genannten Entgeltordnung berverbände (VKA). in den Unternehmen. sen. Die Eingruppierung soll sich auch sind die Beschäftigten im Pfle- bei der neuen Entgeltordnung nach Das Regelwerk für die Länder lohnt die gedienst mit einem Frauenanteil den von den Beschäftigten jeweils Betrachtung schon deshalb, weil eine von durchschnittlich 80% nicht auszuübenden Tätigkeiten richten. Die ebenso interessante wie bunte Palette in der Rubrik Gesundheitsberufe, VKA hat in die Verhandlungen daher möglicher Tätigkeiten im öffentlichen sondern vielmehr in einer separa- eingebracht, dass die Entgeltordnung Dienst benannt wird: unter der Rubrik ten Abteilung aufgeführt worden. der immer größer werdenden Bedeu- Bestimmte Beschäftigungsgruppen ver- Was sind die Gründe – und hat tung einer qualifizierten Ausbildung sammeln sich mehr als 70 sehr unter- diese Ausgrenzung Auswirkungen Rechnung tragen muss. Darauf haben schiedliche Berufe (Ärzte, Fotografen, auf eine geschlechtergerechte die Gewerkschaften eher zurückhal- Medizinische Fachangestellte, Tau- Arbeitsplatzbewertung und damit tend reagiert. cher, Beschäftigte in Gestüten – um Entlohnung? nur einige zu nennen), in der Rubrik Wie werden Berufe behandelt, die U . B u r c h a r d t : Diese Aufteilung Beschäftigte mit körperlich/handwerk- in dieser Aufzählung nicht ge- gab es schon im BAT. Die VKA wollte lich geprägten Tätigkeiten finden wir nannt werden – um ein Beispiel zu sie so beibehalten. Die Arbeitgeber mehr als 20 Berufe wie z.B. Fachar- nennen: der Master in Diabetes- erklärten seinerzeit (d.h. 2005), der beiter, Beschäftigte in der Entsorgung beratung mit einem vierjährigen hohe Stundenlohn in der Entgeltgruppe und Hausmeister. Die letzte Rubrik Studium? (EG) 7 (Werte von 2013: 12,68 € brutto Beschäftigte im Pflegedienst benennt U . B u r c h a r d t : Der Master in in EG 7a Stufe 1 bis zu 14,42 € brutto 13 Berufe (Gesundheits- und Kran- Diabetesberatung wird analog einer in EG 7a Stufe 6) sei für die Pflege kenpflegerinnen, Lehrkräfte, Gesund- Absolventin/einem Absolventen mit nicht mehr gerechtfertigt, da – anders heits- und Krankenpflegehelferinnen, vergleichbarer Ausbildung als Ernäh- als 1989 – ein Pflegenotstand nicht Altenpflegerinnen, Hebammen). rungsberater/in und einem Studium mehr existiere. Pflege setze lediglich eingruppiert. Ver.di hat gefordert, dass eine dreijährige Ausbildung voraus Kolleg/innen, die ohne eine geforder- und dürfe daher nicht anders bewertet te formale Qualifikation tatsächlich werden als andere Berufe mit dreijähri- gleichwertige Arbeit leisten (weil sie die ger Ausbildung: Eingruppierung in die Fähigkeiten und Erfahrungen mitbrin- niedrigere Entgeltgruppe 5. gen) nicht deutlich schlechter, sondern Ver.di hat diese alleinige Bewertung nur eine Entgeltgruppe tiefer eingrup- auf der Basis von Ausbildungsdauer piert werden als die formal qualifizier- als unsachgemäß zurückgewiesen und ten Kräfte. argumentiert, die hohe Verantwortung, die hohe psychische und körperliche Belastung im Umgang mit kranken und 8 Equal Pay Day Journal 2013
Podiumsdiskussion am 8.10.2012 in Berlin, vlnr. H. Wallrafen-Dreisow, E. Müller-Rawlins, A. Westerfellhaus, U. Burchardt, Dr. M. Bennemann, M. Heckel (Moderatorin) hilfebedürftigen Menschen erfordere eine andere Bewertung als der hand- werkliche Umgang mit Material (z.B. beim Maler). Das war den Arbeitgebern schwer zu vermitteln. Als Kompro- miss wurde die Eingruppierung in der Entgeltgruppe 7 beibehalten – mit einer stufenweisen Höherbewertung innerhalb dieser Entgeltgruppe. Das war eine harte Diskussion, es ging bei den Beträgen zu wie auf einem Bazar! Heute sieht jede/r den Pflegenotstand – handelte es sich damals doch nur um eine Zweckbehauptung der Arbeitge- ber, um Arbeitskosten zu senken!?! D . R e i d e l b a c h : Gerade die Pflege- kräfte werden nach dem TVöD besser eingruppiert als andere Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes mit einer ver- Welches sind die wesentlichen Hin- Bei den Entgeltordnungsverhandlun- gleichbaren Qualifikation. Dabei gelten dernisse, die einer Einigung über gen für den Bereich der VKA müssen für Beschäftigte in Pflegeberufen eige- eine Entgeltordnung zum TVöD jedoch für die Beschäftigten von ca. ne, höhere Tabellenwerte. Es handelt entgegenstehen? 10.000 Arbeitgebern neue Eingruppie- sich somit nicht um eine Ausgrenzung, rungsregelungen vereinbart werden. sondern vielmehr um eine Heraushe- U . B u r c h a r d t : Meine Erfah- Dies umfasst Beschäftigtengruppen bung der Pflegekräfte. rung aus den Verhandlungen ist: Die und Tätigkeitsfelder von der klas- Arbeitgeber wollen in erster Linie Welche Bedeutung haben Entgelt- sischen Kernverwaltung bis hin zu Geld sparen. Ver.di hingegen will, dass ordnungen für den wachsenden spezifischen Anforderungen der kom- keine/r schlechter gestellt wird als nach Anteil befristet beschäftigter Mit- munalen Betriebe und deren Einrich- der alten Vergütungsordnung zum BAT arbeiter/innen oder Leiharbeiter/ tungen. Dementsprechend dauert auch bzw. dem Bundesmanteltarifvertrag. innen in den genannten Berufen? die Entwicklung dieses neuen Rechts Unabhängig von der Entgeltordnung seine Zeit. U . B u r c h a r d t : Befristung spielt fordert ver.di für den Gesundheits- bei der Eingruppierung keine Rolle - bereich einen Tarifvertrag zum Leiharbeiter/innen werden nach dem Gesundheitsschutz, gesetzliche geringeren Zeitarbeitstarif vergütet. Personalbemessung und eine stabile Weil die Verwaltungskosten zu Buche Krankenhausfinanzierung! schlagen, kosten sie das Unternehmen mehr als Festangestellte. Dennoch D . R e i d e l b a c h : Es gibt keine un- nehmen sie zu, weil die Unternehmen überwindbaren Hindernisse. Aus Sicht glauben, durch die höhere Flexibilität der VKA ist dringender Handlungsbe- Geld einzusparen. darf gegeben, die Entgeltordnungsver- 1 Es handelt sich nicht um ein handlungen zum Abschluss zu bringen. Gespräch – die 5 Fragen wurden D . R e i d e l b a c h : Die Befristung Diesbezüglich sehen wir uns auf einem schriftlich gestellt und beantwortet. eines Arbeitsverhältnisses spielt für die guten Weg. Das erklärt es, dass die Antworten Eingruppierung keine Rolle. Befristet Beschäftigte werden in gleicher Weise sich nicht aufeinander beziehen. eingruppiert, wie unbefristet Beschäf- tigte. Es gibt diesbezüglich keine 2 www.fernuni-hagen.de/imperia/ Unterschiede. Für Leiharbeitnehmer md/content/arbeiten/personal- gelten, soweit auf diese nicht der TVöD undarbeitsthemen/bezahlung/ent- Anwendung findet, die gesetzlichen geltordnung _endfassung.pdf Equal-Pay-Regelungen. Equal Pay Day Journal 2013 9
Gesundheitsökonomie – unter Ausschaltung der Menschen? Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ M it der Einführung der Pflegever- sicherung ist das solidarische umlagefinanzierte Gesundheitssystem denen, die gesund werden möchten. Sie hat Grundrechtscharakter. gesamtwirtschaftlichen Produktivitäts entw icklung folgen. Um einen solchen Lohn durchzusetzen, ist eine kollektive (3) Gesundheitseinrichtungen sollen deformiert worden. Öffentliche Grund- einer betriebswirtschaftlichen Kalku- Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer- rechtsansprüche wurden tendenziell lation unterworfen werden. Leitende seite erforderlich. Sie muss ausreichen, Prof. Dr. Friedhelm in private Tauschverhältnisse Angestellte gelten als wertschöpfende um den Arbeitgeber unter Druck zu set- Hengsbach trat 1957 überführt. Faktoren, die Menge der Belegschaft als zen, damit ein fairer Interessenausgleich als Zwanzigjähriger der Kommerzieller Kostenfaktoren. Das Ziel einer Gesund- zustande kommt. Dies gelingt, wenn die Gesellschaft Jesu bei, Interessen der Kapitalgeber, des Staates, studierte an der Hoch- Imperialismus heitseinrichtung ist die Erhöhung des schule für Philosophie Profits bzw. eines Überschusses. Die der Umwelt und der Belegschaft befrie- München, Katholische (1) Der mündige Kunde hat digt werden, also aller Ressourcen, die den kranken Patient abgelöst. Kostensenkung wird erreicht durch Theologie und Wirt- Personalabbau, Leistungssteigerung, zur Wertschöpfung beigetragen haben. schaftswissenschaften Dieser betrachtet die Ge- an der Ruhr-Universität sundheit als ein Gut, das zwar Arbeitsverd ichtung, Lohnkürzung, (2) Acht Gründe können den weiterhin Bochum. im Rang seiner Bedürfnisse unbezahlte Mehrarbeit, Auslagerung bestehenden Lohnabstand zwischen 1977 Promotion, und erhöhte Motivation. Der Steige- Männern und Frauen im Bereich perso- 1985 bis zu seiner obenan steht, aber wie die Emeritierung 2005 anderen Güter einer rationalen rung der Arbeitsproduktivität dient die nennaher Dienste erklären. Professor für Christli- Kosten-/Nutzen-Kalkulation Qualitätssicherung in Bezug auf das Erstens spielen die Verhandlungs- che Sozialwissenschaft unterliegt. Ergebnis, den Prozess und die Struktur macht der nach Sektoren zerglieder- bzw. Wirtschafts- und der Einrichtung. ten abhängig Beschäftigten sowie Gesellschaftsethik an Tatsächlich gehen die Men- der Philosophisch- schen jedoch sehr irrational Aber personennahe Dienste nach den die Selbst- oder Fremddeutung ihrer Theologischen Hoch- mit dem Gut Gesundheit um. Kriterien der Industrieproduktion zu Kompetenzen eine gewichtige Rolle. schule Sankt Georgen bewerten, ist ebenso ein Fehlschluss wie Die ursprünglich gewerkschaftlich stark in Frankfurt am Main. Sie schätzen sie niedrig ein, Er leitete bis 2006 das solange sie gesund sind, und der Versuch, den Output einer Gesund- organisierten Bauarbeiter, Drucker und Nell-Breuning-Institut sehr hoch, sobald ihnen etwas heitsleistung unabhängig vom Prozess Setzer, Bergleute, Metall- und Che- für Wirtschafts- und weh tut. In Lebensgefahr sind der Heilung und ohne den Eigenbeitrag miearbeiter haben erreicht, dass ihre Gesellschaftsethik. der Patienten zu messen. Personen- industrie- und exportw irtschaftlichen Hengsbach ist Mitglied Patienten zu hohen Zahlungen im wissenschaftlichen bereit, sobald sie gesund sind, nahe Dienste sind an die Kooperation Kompetenzen gesellschaftlich hoch Beirat von Attac. nicht mehr. der Anbietenden und Nachfragenden bewertet wurden. gebunden. Zweitens blieben die Industriear- (2) Krankenhäuser und Ärzte/Ärztin- nen sollen sich mit speziellen Leistungs- Gerechtigkeits- und Solidaritäts- beiten, welche die Männer den Frau- angeboten profilieren und miteinander defizite en überlassen haben, relativ gering um Kunden mit hoher Kaufkraft (1) Verdient man/frau, was sie verdie- bewertet. Das gleiche gilt für jene werben. In entwickelten Gesellschaften nen? Die Theorie der Lohnfindung un- immer schon den Frauen zugewiesenen weiten sich immaterielle Bedürfnisse terscheidet: Bedarfsgerechter Lohn, der Arbeiten, die ursprünglich als unbe- aus, die einen expandierenden Ge- den Lebensunterhalt einer möglichen zahlte Hausarbeit geleistet und später sundheitsmarkt entstehen lassen. Auf Familie gewährleistet. Er wird nicht in bezahlte Erwerbsarbeit überführt solchen Märkten können auch höhere gezahlt, weil Sozialpolitik nicht Sache wurden. Löhne gezahlt werden. Durch eine der Unternehmer ist. Leistungs- oder Drittens ist die deutsche Wirtschaft Vorauswahl einfacher Krankheitsfälle Marktlohn: Ein Unternehmer stellt extrem industrie- und exportlastig. und das Weiterreichen von multimorbi- einen Arbeiter oder eine Arbeiterin Diese Branchen werden in der öffent- den Fällen können außergewöhnliche dann ein, wenn der zusätzliche Wert sei- lichen Meinung und durch politische Belastungen vermieden und die Profite ner/ihrer Arbeitsstunde deren Kosten Subventionen massiv unterstützt. Der gesteigert werden. übersteigt. Dies wäre allerdings ein Industrie- und Exportlobby gelingt Aber Gesundheit ist keine Ware wie Vertrag unter ungleichen Bedingungen, es, von den Industriegewerkschaften viele andere. Sie ist von der Person vermutlich ein ungerechter Vertrag. unterstützt, die Regierung als Geisel zur nicht zu trennen. Gesundheit gehört Tatsächlich werden Löhne im Rahmen Durchsetzung der eigenen Interessen zu zu den Vertrauensgütern, sie ruht auf der Tarifautonomie vereinbart. Eine benutzen. einer persönlichen Beziehung zwischen funktionsgerechte, kostenniveauneu- denen, die Gesundheit vermitteln, und trale Lohnentwicklung würde der 10 Equal Pay Day Journal 2012
Viertens untersteht der überwiegende Sechstens ist es den deutschen Ge- Achtens sind die Beschäftigten im Teil der den Frauen zugewiesenen per- werkschaften zwar halbwegs gelungen, Bereich personennaher Dienste über- sonennahen Dienste der Regie öffent- innerhalb der Betriebe und innerhalb durchschnittlich ausbeutbar, solange licher Haushalte. Die marktradikalen der Branche die Solidarität der starken sie ihr Erwerbsinteresse der Option Propagandisten haben die Bereitstel- mit den schwächeren Kollegengrup- unterordnen, eine Arbeit zu leisten, lung öffentlicher Güter (Gesundheits-, pen herzustellen, nicht aber über die die mit einer altruistischen Motivation Pflege-, Erziehungs- und Bildungs- Grenzen der Branchen hinaus. Dass vereinbar ist und durch eine personale leistungen) unter das Vorzeichen von etwa die Chemiearbeiter zugunsten der und kommunikative Dimension ange- Schuldenbremsen und Spardiktaten, Erzieherinnen oder Krankenschwestern reichert ist. des schlanken Staates und beschränkter einen Solidaritätsstreik beginnen, ist öffentlicher Ausgaben gestellt. wohl undenkbar. Fünftens hat die für die meisten Frau- Siebtens sind die Kirchen als größte en weiter bestehende Kombination von Arbeitgeberinnen im Bereich perso- bezahlter Erwerbsa rbeit und unbezahl- nennaher Dienste mitverantwortlich ter privater Hausarbeit den Aufbau soli- für den Lohnabstand und die geringe darischer Gegenmacht und die Durch- Verhandlungsmacht der abhängig setzung höherer Löhne verhindert. Beschäftigten, solange sie ihren Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern eine mit Siehe auch die Videodokumentation des Drohpotential ausgestattete Solidari- Vortrages im Toolkit, www.equalpayday. tätsbewegung verweigern. de/toolkit-2013-gesundheitswesen/ Ökonomisierung der Pflege – was haben die Frauen davon? Prof. Dr. Michael Isfort Sie haben mit Ihrem Vortrag bestehende Fachkraftmangel aber wird rung der professionellen Pflege Teil der wichtige Denkanstöße gegeben nicht etwa mit mehr Qualifikation Ursache des Fachkraftmangels sind und einen Grundwiderspruch auf- und höheren Gehältern beantwortet, und nicht dessen Lösung. Die Berufs- gezeigt: Der unbestritten hohe sondern folgt weiterhin der Devise: angehörigen müssen konsequent für Bedarf an qualifizierter Pflege- Pflegen kann jeder, wenn er das Herz höhere Löhne und bessere Arbeits- Prof. Dr. Michael Isfort leistung ändert offen- am rechten Fleck hat. Die damit ver- bedingungen einstehen und dies auch Professor für bar nichts daran, dass bundene Konsequenz ist, dass preis- erstreiten. Die angestellten Ärzte Pflegewissenschaft und die Löhne im unteren werte ausländische Kräfte angeworben haben dies erfolgreich getan: Sie haben Versorgungsforschung, Bereich stagnieren. Was werden sollen, Fachkraftstandards ihre hohe Berufsbelastung öffentlich Private Universität Witten-Herdecke muss sich ändern? außer Kraft gesetzt oder gar nicht erst gemacht und sind auch vor Streiks eingeführt werden und so einem nied- nicht zurückgeschreckt. Vergleichba- Ja, so kann man das sehen. rig qualifizierten Berufsprofil entgegen res ist mir aus anderen Gesundheits- Dies ist ein fundamentaler gearbeitet wird. Dies erfolgt immer berufen nicht bekannt. Die Pflegenden Widerspruch. Er erklärt sich mit dem Hinweis darauf, dass man aber scheinen zudem erpressbar, wenn aber, wenn man genauer akut mehr Personen benötigt, ohne man ihnen damit droht, dass bereits hinsieht. Zum einen erzeugt zu bemerken, dass diese skandalöse geringe Lohnsteigerungen zu weiterem der hohe Bedarf Angst – der Dequalifizierung und Unterfinanzie- Personalabbau führen und sich der Equal Pay Day Journal 2012 11
Foto: LMU Munich 2012 - Koch, Förtschbeck Prof. Michael Isfort, Referent des EPD-Forum Stuttgart Arbeitsdruck dann weiter erhöht. Dies sind1. Hier muss der weiteren Privati- ist moralisch nicht zu verantworten. sierung der Pflegeaufgaben entgegen- Ändern muss sich demnach auch die gewirkt werden, weil sie typischerweise Finanzausstattung der Einrichtungen: die Frauen trifft, die mit ca. 80% den Lohnerhöhungen müssen von den Kos- größten Teil der Pflegearbeit leisten. tenträgern vollumfänglich refinanziert Privatisierung und eine zu stark auf werden, damit die Spirale nicht weiter Familie ausgerichtete Pflegepolitik nach unten getrieben wird. führt unter anderem auch zu der hohen Anzahl an irregulär beschäftigten Haus- Versicherungswirtschaft arbeitet, kann Gesundheitsberufe stellen hohe haltshilfen aus Mittel- und Osteuropa, leicht das Doppelte verdienen – ohne Anforderungen an die soziale da den Familien mit ihren komplexen Schichtdienst und ohne die mit dem Kompetenz und die fachliche Qua- Problemlagen nicht strukturiert gehol- Dienst am Menschen verbundenen psy- lifikation der Berufsangehörigen – fen wird. Die Leidtragenden sind auch chischen Belastungen. Fachqualifizierte wer einmal selbst darauf angewie- hier wiederum Frauen, die unter unkla- Pflegende in diesem Bereich haben eine sen war, weiß das. Warum gibt es ren Arbeitsverhältnissen eine schwere über fünf Jahre dauernde Qualifikation keinen breiten gesellschaftlichen Aufgabe übernehmen, die sie nicht hinter sich, das muss sich lohnen. Es Konsens, dass diese Fachlichkeit selten überfordert. Es muss dringend gibt aber zu wenig Anreize zur Weiter- ihren Preis hat? eine Vergesellschaftung der Lösungen bildung und aktuell fehlt darüber hin- Tatsächlich wird die Fachexpertise vorangetrieben werden. aus auch eine Abbildung neuer Berufe, kleingeredet oder völlig ausgeblendet. wie akademisch qualifizierter Pflegende Sie haben die Fachexpertise sehr Wenn zum Beispiel immer wieder der im Tarifgefüge. Der Pflegestandort anschaulich mit dem Bild eines hohe Wert der Familienpflege betont Deutschland ist international betrachtet Intensivbettes dargestellt: Das wird, dann sagt das doch etwas aus kein attraktiver Platz- die Wanderbewe- bringt vermutlich auch einen über die Einschätzung des Bedarfs an gungen führen um Deutschland herum ausgewachsenen Mechatroniker notwendiger Fachlichkeit. Zugespitzt oder für Interessierte aus Deutschland zum Erschauern. Vor allem des- formuliert: Wer zu Hause ohne die heraus. Das aber verstärkt die Proble- halb, weil es hier der Mensch ist, notwendigen pflegerischen Kenntnisse matik hierzulande. der mit Hilfe des Maschinenparks und ohne die professionelle Distanz repariert werden soll – und nicht Mein Fazit: Es gibt vielfältigen Hand- dauerhaft pflegt, überfordert sich damit umgekehrt. lungsbedarf seitens der Politik, der Ge- sowohl psychisch wie physisch und rui- niert die eigene Gesundheit. Wer dafür Intensivpflegekräfte müssen neben werkschaften, der Kostenträger und der die eigene Erwerbstätigkeit aufgibt, der sozialen und pflegerischen Fach- Arbeitgeber. Wir brauchen zukunfts- trägt darüber hinaus zur Verstärkung kompetenz auch ein Verständnis für feste Planungen und Strategien und des Fachkräftemangels an dieser Stelle die Technik und ihre Interaktion mit eine deutliche Aufwertung der für die bei. Ein paar Zahlen: Im Jahr 2009 wur- dem lebenden Organismus mitbrin- Gesellschaft so wichtigen Pflegearbeit. den von ca. 2,34 Millionen Pflegebe- gen. Tatsächlich gehören sie mit einem dürftigen mehr als 1 Million zu Hause durchschnittlichen Bruttomonats- von Familienangehörigen versorgt. Das verdienst von ca. 3.000 € auch zu den Gutachten der Sachverständigenkom- Spitzenverdienern in der Berufsgruppe mission zum Gleichstellungsbericht der Pflegekräfte. Wer allerdings mit stellt fest, dass etwa zwei Drittel der dieser oder vergleichbarer Qualifikation 1 Sachverständigengutachten Hauptpflegenden noch im Erwerbsalter in der Gesundheitsindustrie oder der zum Gleichstellungsbericht, BT-Drs. 17/6240, Seite 123. 12 Equal Pay Day Journal 2013
Edda Schliepack, Sozialverband Deutschland, Sprecherin der Frauen im Bundesverband beim EPD-Forum Berlin Lutz Stroppe, Staatssekretär im BMFSFJ Margaret Heckel , Moderatorin der Auftaktveranstaltung in der Charité, Berlin Equal Pay Day Journal 2013 13
Im Kampf gegen ungleiche Bezahlung: sechs Jahre Equal Pay Day Simone Denzler „Lohnlücke sinkt: Equal Pay Day Damit sich dies ändert, initiierte der Seit Herbst 2011 leitet der BPW rückt vier Tage nach vorne“ – BPW Germany 2008 einen Aktionstag Germany die Bundesgeschäftsstelle konnten die Business and Professional für gleiche Bezahlung für Frauen und Entgeltgleichheit sowie das Forum Women (BPW) Germany im Oktober Männer in Deutschland, den Equal Equal Pay Day. Damit kann nun das 2012 erfreut verkünden. Der Ver- Pay Day, und koordiniert ihn seither. ganze Jahr über daran gearbeitet wer- dienstunterschied zwischen Frauen Der Aktionstag wurde von vielen den, gleiche Einkommenschancen für und Männern war laut Statistischem Ländern sowie der Europäischen Frauen und Männer herzustellen. Die Bundesamt von 23 Prozent auf 22 Kommission aufgegriffen und nach so genannten Equal-Pay-Day-Foren Prozent gesunken. Ein deutschen Vorbild begangen: An dem informieren bereits einige Monate vor Simone Denzler Pressesprecherin Lichtblick: Nach Jahren Tag, der rechnerisch markiert, wievie- dem Aktionstag über das jeweilige BPW Germany e.V. der Stagnation kam endlich le Tage Frauen nach Ablauf eines Jah- Schwerpunktthema. So können Mul- Studium der Bewegung in die Zahlen – res mehr arbeiten müssen, um genauso tiplikatorinnen und Multiplikatoren Anglistik, Romanis- nicht zuletzt dank der Frau- viel Geld in der Tasche zu haben wie gewonnen werden, die die Thematik tik und Pädagogik in Regensburg, Passau en und Männer, die seit Männer bereits an Sylvester. in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft und Straßburg. Jahren gemeinsam mit dem Auf Anhieb beteiligten sich 2008 weitertragen und Aktionen anstoßen. Volontariat bei einer BPW Germany für gleiche Tageszeitung. Seit Einkommenschancen auf bundesweit 6.000 Frauen und Männer Rund 700 Aktionen bundesweit 2009 freiberufliche an 40 Aktionen in 25 Städten in ganz wurden den Initiatorinnen zum Equal die Straße gehen. Doch Journalistin Deutschland – und die roten Taschen Pay Day 2012 gemeldet. Doppelt so zurücklehnen können wir sind zum Symbol für die roten Zahlen viele erwarten wir in diesem Jahr zu uns nicht. Die Zahlen geben keine in den Geldbörsen der Frauen gewor- unserem Schwerpunktthema Lohnfin- Entwarung. Vielmehr sind sie für uns den. Die Empörung war groß, wenn dung in Gesundheitsberufen unter dem ein Ansporn, mit noch mehr Druck die Aktionsteams über die Lohnlücke Motto Viel Dienst – wenig Verdienst. gegen die Lohnlücke anzugehen. und ihre Ursachen aufklärten. Das Krankenschwestern, Altenpfleger und Initiative Rote Tasche hieß die erste Bewusstsein, dass weniger Lohn Hebammen haben allen Grund sich Aktion, mit der der BPW Germany weitreichende Folgen für den Le- lautstark am Aktionstag zu Wort zu 2007 Deutschland wachrüttelte. Das bensverlauf von Frauen und Familien melden: Die schlechtere Bezahlung in Frauennetzwerk machte mit roten Ta- und damit für die gesamte deutsche Berufen, in denen hauptsächlich Frau- schen sichtbar, dass Frauen im Durch- Volkswirtschaft hat, musste erst noch en arbeiten – und dazu gehören Ge- schnitt trotz Gleichstellungsgesetzen geweckt werden. Heute wissen wir, sundheitsberufe –, ist eine wesentliche und EU-Verträgen rund ein Viertel dass weder Bildung noch Berufserfah- Ursache für den Entgeltunterschied weniger verdienten als Männer. Wie rung die Lohnlücke schmälern – im zwischen Frauen und Männern. kann es sein, fragten sich die berufs- Gegenteil. Wir sehen mit Sorge, dass Übrigens: tätigen Frauen des Netzwerks, dass die Lohnlücke mit dem Bildungsni- Das Logo zum Equal Pay Day steht sie, obwohl bestens ausgebildet und veau ansteigt. Für höhere Abschlüsse Ihnen im Rahmen Ihrer Aktion(en) hoch motiviert, am Ende des Monats (u.a. Hochschulabschlüsse) liegt der zum Gleichbezahltag zur freien Ver- meist weniger auf dem Gehaltszettel Entgeltunterschied bei 27 Prozent, fügung. Sie können es sich auf www. stehen hatten als ihre männlichen in Führungspositionen sogar bei 30 equalpayday.de im Pressebereich Kollegen? Dass meist der Kollege die Prozent. Auch Alter und Berufserfah- herunterladen. Nutzen Sie es – und Beförderung erhielt, obwohl sie selbst rung schützen vor einer finanziellen zeigen Sie ihre Verbundenheit mit doch den entscheidenden Impuls für Schlechterstellung nicht. 11 Prozent einer weltweiten Initiative für gleiche das neue Projekt gegeben hatten? Und beträgt der so genannte Gender Pay Bezahlung für Frauen und Männer. warum, so fragten sie sich, bedeuteten Gap bei den 25 bis 34 Jährigen, bei den Kinder für Frauen auch zu Beginn des 35 bis 44 Jährigen ist er bereits auf 24 21. Jahrhunderts noch allzu oft das Prozent angestiegen. Im EU-Vergleich Karriere-Aus und damit finanzielle nimmt Deutschland in Sachen Ent- Einbußen? geltungleichheit einen der hintersten Plätze ein. 14 Equal Pay Day Journal 2013
Equal Pay Day in der Kommune Christine Rabe K ein anderes Thema in der Gleich- stellungspolitik ist in Deutschland Christine Rabe ist so relevant, so brisant wie zementiert. Paare entscheiden sich oft- mals aus finanziellen Erwägungen für Arbeitsteilungen, die sich im weiteren Gleichstellungsbeauf- die Lohn-ungleichheit Lebensverlauf desaströs auswirken. So- tragte im Berliner Bezirk zwischen Frauen und Män- lange unzureichende Möglichkeiten der Charlottenburg-Wil- nern. Könnte doch eine Kinderbetreuung und der Betreuung mersdorf und gemein- sam mit Brigitte Kowas, angemessene Bezahlung von pflegebedürftigen Angehörigen von Frauenbeauftragte im viele Frauen aus der öko- Frauen kompensiert werden – wird sich Bezirk Reinickendorf, nomischen Abhängigkeit der Anteil von Frauen in Führungsposi- Sprecherin der Berliner von besser verdienenden tionen kaum steigern. Landesarbeits- gemeinschaft. Partnern oder vom Arbeits- Wofür stehen die Frauen- und losengeld II befreien. Viel Gleichstellungsbeauftragten? Dienst – wenig Verdienst Wir fordern die Bundesregierung auf, trifft für die meisten Frauen in den die Empfehlungen des hervorragenden meisten Berufen zu. Gutachtens zum Gleichstellungsbericht Die gute Nachricht ist: Der Equal Pay umzusetzen. Deutschland braucht die Day kann 2013 bereits am 21. März Quote für Führungspositionen und die stattfinden, denn bereits am 21. März Abschaffung des Niedriglohns. Frauen (!) haben die Frauen in Deutschland und Männer müssen den gleichen das durchschnittliche Einkommen der Zugang zum Arbeitsmarkt haben und Männer des Jahres 2012 erreicht! sich gleichberechtigt Familien- und Fürsorgearbeit teilen. Die Bundesar- Oder nimmt der Einkommensun- beitsgemeinschaft der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte terschied nur deshalb ab, weil das Gleichstellungsbeauftragten nimmt in Berlin und Stuttgart Einkommen der Männer sinkt? Oder immer wieder Stellung zu diesen The- schafft es die rosa Lillifee, die Mädchen men, fordert die Bundesregierung zum wieder in die Prinzessinnenrolle mit Handeln auf. Unsere politischen Forde- fröhlicher, (schlecht) bezahlter Herd- rungen begleiten wir mit öffentlichen verantwortung zu führen? Kampagnen, so auch am Equal Pay Day. Eine geschlechtergerechte Bezahlung In Berlin beispielsweise werden wir wird helfen, traditionelle Rollenzu- 2013 zum vierten Mal Unternehmen, schreibungen zu überwinden, aus dem Geschäfte und Restaurants auffordern, Zu-Verdienerinnen-Modell wird ein am 21. März Frauen 22 Prozent Rabatt Gemeinsam-Verantwortung-Gemeinsam- zu gewähren – www.22-prozent.de Verdienen-Modell. Junge Paare wollen Auch in vielen anderen Städten bun- das schon lange, Väter wollen aus der desweit engagieren sich die Gleichstel- Allein-Ernährer-Verantwortung entlas- lungsstellen und Frauenbüros für equal sen werden. Das Gutachten zum Ersten pay und veranstalten Tagungen, orga- Gleichstellungsbericht belegt die nisieren Rabattaktionen und machen Einstellungen ganz deutlich, zeigt aber öffentlich auf die Diskrepanz von 22% auch auf, dass die Weichen immer noch aufmerksam. falsch gestellt sind. Die vom sozialversi- cherten Haupternährer abgeleitete Fa- milienmitversicherung in der gesetzli- chen Krankenversicherung verleitet zur Aufnahme eines Minijobs genauso wie das Ehegattensplitting im Steuerrecht. Damit wird das alte Rollenmodell Equal Pay Day Journal 2013 15
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