Vom jungen Arzt zum guten Facharzt - BDC
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Inhalt / Impressum Liebe Leserinnen und Leser, das Bündnis für Qualität in der Facharztweiterbildung (BQFW) Als Gründungsmitglieder sind inzwischen auch der BVOU und geht aus einem Mastertrainer-Projekt zur Optimierung der Wei- die DGOU dazu gekommen. In diesem Heft finden Sie neben terbildung in den Kliniken hervor, welches 2012 vom Berufsver- fundierten Artikeln zum Status Quo der Arztweiterbildung in band der Deutschen Chirurgen (BDC) und dem Berufsverband Deutschland auch detaillierte Informationen zum Projekt selbst. der Deutschen Internisten (BDI), zusammen mit Prof. Siebolds, Begleiten Sie uns auf dem Weg zu einer strukturierten Facharzt- Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, ins Leben geru- weiterbildung im BQFW über die Fachgrenzen hinweg - damit fen wurde. aus jungen Ärzten gute Fachärzte werden. Nachdem bereits über 90 Mastertrainer das Mastertrainercurri- culum durchlaufen haben, wurde als nächster Schritt die Grün- Die Initiatoren dung des BQFW zur Verstetigung und Erweiterung der Aktivi- Dr. Jörg Ansorg (BVOU) täten zur Strukturierten Weiterbildung in Kliniken und Praxen Prof. Dr. Michael Denkinger (BDI) in Angriff genommen. Dr. Norbert Hennes (BDC) Prof. Dr. Marcus Siebolds Inhalt 1 Die Verbesserung der Qualität in der Weiterbildung 10 Gute Facharztweiterbildung vor Ort praxisnah fördern ist möglich Prof. Dr. med. M arcus Siebolds, Dr. med. Jörg Ansorg Dr. med. Hans-Friedrich Spies Dr. med. Norbert Hennes, Prof. Dr. Michael Denkinger 2 Weiterbildung zum Facharzt im Gebiet Chirurgie 14 Die Chirurgie braucht ein strukturiertes Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer Weiterbildungsprogramm! Dr. med. Matthias Krüger MA, Dr. med. Jörg Ansorg 3 Weiterbildung ist strukturierbar Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann, Dr. Johannes F lechtenmacher 17 Ambulante Weiterbildung für den I nternisten – 4 Wie werden aus jungen Ärzten gute Ärzte? eine Utopie? Prof. Dr. med. Marcus Siebolds Dr. med. Ivo Grebe 8 Die Assistentenumfrage des BDI: Ein objektiver Blick auf die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen deutscher Assistenzärztinnen und -ärzte Dr. med. Kevin Schulte Impressum Verlagsredaktion Springer Medizin Verlag GmbH Tiergartenstraße 17 Verantwortlich für den Inhalt 69120 Heidelberg Prof. Dr. med. Marcus Siebolds Dr. Jürgen Meyer zu Tittingdorf FB Gesundheitswesen juergen.meyerzutittingdorf@springer.com Katholische Hochschule NRW/ Abt. Köln Wörthstrasse 10 50668 Köln m.siebolds@katho-nrw.de Satz und Layout Schmidt Media Design, München Copyright © Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. Druck Berufsverband Deutscher Internisten e.V. Vogel Druck und Medienservice GmbH Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. Leibnizstraße 5 Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. 97204 Höchberg
Vorwort Berufsverband Deutscher Internisten e.V. Die Verbesserung der Qualität in der Weiterbildung ist möglich Viele Fragen der Novellierung der Mu- sind aber nicht in der Lage, ohne zusätzli- ster-Weiterbildungsordnung sind noch che Mittel über ihr nach Patientenzahl und nicht endgültig in der Bundesärztekammer Fallwert definiertes Honorar einen Weiter- abgestimmt. Das Ziel einer sogenannten bildungsassistenten zu finanzieren. Entrümpelung der Inhalte dürfte wohl Die Politik wird klären müssen, wer in nicht erreicht werden, da die Fachgesell- Zukunft die so wichtige Aufgabe Weiterbil- schaften weniger Vorgaben gestrichen als dung finanziert, die übrigens durchaus im neue eingebracht haben. Unverändert ste- öffentlichen Interesse liegt. Was wäre ein hen technische Leistungen und Fertig- Gesundheitswesen ohne gut weitergebil- Dr. med. Hans- Friedrich Spies keiten im Vordergrund. Die mindestens dete Fachärzte? Inhaltlich gesehen ist die genauso wichtige klinische Erfahrung ambulante Weiterbildung ohnehin erfor- muss in Zukunft mehr über das Modell derlich, werden doch viele Krankheits- Die internistische Weiterbildung wird zur- Mastertrainer vermittelt werden. bilder nur noch ambulant behandelt. Ty- zeit im Rahmen der Novellierung der Mu- Uneinig ist man sich darüber, ob Richt- pisches Beispiel ist der internistische ster-Weiterbildungsordnung neu gestaltet. zahlen eingeführt werden sollen. Die Bun- Schwerpunkt Rheumatologie. Dies hat für den ärztlichen Nachwuchs und desärztekammer möchte darauf ganz ver- Ich persönlich kann mir vorstellen, dass den Zuschnitt unseres Faches und seiner zichten. Dies bedeutet, dass vielmehr Ver- es auch in Deutschland zukünftig, wie in Schwerpunkte große Bedeutung. So hat antwortung als früher beim weiterbilden- anderen Ländern, sektorübergreifende das Bundessozialgericht im letzten Jahr ab- den Arzt abgeladen wird. Er hat nahezu al- Weiterbildungsverbünde geben wird. Wer schließend klargestellt, dass sich die Fächer lein über die Zeugniserstellung zu ent- könnte dies am besten koordinieren als ein und die Schwerpunkte in ihren Leistungen scheiden, ob der Weiterzubildende zur etablierter und erfahrener Mastertrainer? über den Inhalt der Weiterbildungsord- Prüfung zugelassen wird und kann sich da- Fasst man die verschiedenen Aspekte nung definieren. Damit kommt der Dis- bei nicht mehr an Leistungszahlen orien- zusammen, wird sich die Qualität der Wei- kussion zu diesem Thema eine hohe sozi- tieren. Auch hier werden Mastertrainer terbildung nur durch eine Kooperation al- alrechtliche Bedeutung zu. Es geht nicht systembedingte Defizite ausgleichen müs- ler Verantwortlichen im System auf Dauer nur vordergründig um die Frage, was ein sen. erhalten lassen und weiter verbessern. Es Vertragsarzt abrechnen darf oder wie eine Bei der ambulanten Weiterbildung hat gehören alle Beteiligten an einen Tisch, an- Klinikabteilung in Zukunft zugeschnitten sich die Kammer eindeutig entschieden. gefangen bei der Ärztekammer über die wird. In der Weiterbildung wird geregelt, Sie will es völlig offen lassen, ob die Wei- Körperschaften in der ambulanten und sta- welche Rolle die Internisten in Zukunft im terbildung in einer Klinik oder in einer tionären Versorgung bis hin zu den Fach- Konzert der Fachgebiete bei der Patienten- Praxis stattfindet. An der Bundesärzte- gesellschaften und Berufsverbänden. Wir versorgung spielen werden. Nicht nur kammer und Ihrer Muster-Weiterbil- brauchen ein Bündnis zur Förderung der Fachärzte in Klinik und Praxis sollten sich dungsordnung wird deshalb eine ambu- Qualität der Facharztweiterbildung. Der deshalb für dieses Thema interessieren. lante Weiterbildung in Zukunft nicht mehr BDI wäre dabei! Auch alle Ärztinnen und Ärzte in Weiter- scheitern. Die Frage, wer die ambulante bildung sind betroffen. Hier wird ihre zu- Weiterbildung finanziert, ist damit weiter Dr. med. Hans-Friedrich Spies künftige berufspolitische Identität defi- nicht gelöst. Für die Allgemeinmedizin Präsident des niert. gibt es Förderprogramme. Die Fachärzte Berufsverbandes Deutscher Internisten e.V. Juni 2017 | 1
Vorwort Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. Weiterbildung zum Facharzt im Gebiet Chirurgie kaum verwundern, dass sich nach einer nicht einfach zu realisieren sein wird. Un- Umfrage des Hartmannbundes unter 1.300 abhängig von etwaigen Neuerungen der Assistenzärzten verschiedener Gebiete Muster-Weiterbildungsordnung ist dies ei- 90 % in ihrer Tätigkeit überfordert fühlen. ne Frage des Zeitfaktors und der Finanzie- Als Hauptgründe werden zunehmende Ar- rung. Für ein chirurgisches Fach kann des- beitszeiten bei Personalmangel, Arbeits- halb eine Weiterbildungszeit von sechs verdichtung, Organisationsmängel oder Jahren nicht zur Diskussion stehen, wobei überbordende Bürokratie angeführt. Die- jeweils die im Logbuch vorgegebenen In- Prof. Dr. Dr. h.c. se Problematik betrifft auch die chirurgi- halte durch den Weiterbildungsbefugten Hans-Joachim Meyer schen Fächer und erklärt die Tatsache, dass ein- bis zweimal im Jahr zu überprüfen sich die Erstsemester in etwa 35 % für ein sind. Neben den operativen Eingriffen chirurgisches Fach interessieren, aber nach müssen auch in der Chirurgie Kenntnisse Unabhängig vom gerade unter Haushalts- den Erfahrungen im praktischen Jahr die- zu den konservativen Therapiemaßnah- vorbehalt verabschiedeten Masterplan Me- ser Anteil auf etwa 16 % sinkt und letztlich men im hinreichenden Umfang erworben dizinstudium 2020 ist die Ausbildung der treten dann noch 5–10 % der ÄrztInnen ei- werden. Pflichtveranstaltungen wie Tu- Medizinstudierenden in Deutschland si- ne Weiterbildung im Gebiet Chirurgie an. morboard, interdisziplinäre Kolloquien cherlich als anspruchsvoll und auf hohem oder M & M – Konferenzen müssen ange- Niveau stehend anzusehen. Wissenschaft- Wie lässt sich eine solche Situation boten und durchgeführt werden. Gleiches lich und klinisch – praktisch ausgebildete verändern? gilt auch für entsprechende Lern- und ÄrztInnen können anschließend ihre Wei- Übungsmöglichkeiten, wie E-Learning, terbildung in verschiedenen Gebieten der Zuerst muss bereits im Studium, besonders Webinare oder Skill-Labs bzw. Hands on Medizin antreten. Daran wird sich auch bei aber im praktischen Jahr von den Do- Learning. Weiterhin müssen die Leitenden der geplanten Neustrukturierung des Me- zenten die Begeisterung für ein chirur- – wie Oberärzte – also chirurgische Trainer, dizinstudiums mit besonderem Augen- gisches Fach geweckt werden, um dann mit den dargestellten Möglichkeiten ver- merk auf die Allgemein – bzw. ambulante auch bei praktischer Tätigkeit überzeu- traut sein, um ihre Kenntnisse theoretisch Medizin nur wenig ändern, wobei es von gend die überaus reizvollen Facetten der und praktisch an den Kollegen in Weiter- entscheidender Wichtigkeit ist, die nächs- Chirurgie im stationären wie auch ambu- bildung kompetent vermitteln zu können. te Medizinergeneration bereits frühzeitig lanten Bereich aufzeigen zu können. Gene- Unterstützend können auch entspre- während des Studiums für die Wahl eines rell sind in der Tat entscheidende Verände- chende Fortbildungsseminare in Koopera- großen klinischen Faches zu begeistern rungen im klinischen Betriebsablauf mehr tion von Berufsverbänden und Fachgesell- und zu überzeugen. als überfällig und werden seit Jahren mehr schaften angeboten werden, um bei Ak- Frühere Umfragen haben gezeigt, dass oder weniger erfolgreich angestrebt, was zeptanz einer Work-Life-Balance die Wei- trotz geringster Normierung und dem besonders Organisationsmängel oder terbildung, gerade in der Chirurgie, für die größten Angebot in der Facharztweiterbil- nichtärztliche Tätigkeiten betrifft. Teilzeit- Nachwuchsgeneration wie auch für den dung in unserem Land Konflikte zwischen beschäftigungen müssen bundeseinheit- Weiterbilder so attraktiv und bedeutsam Arbeits- und Privatleben, defizitäre Füh- lich von den Landesärztekammern aner- werden zu lassen, wie es ihr zu Recht zu- rung in den Weiterbildungskliniken sowie kannt werden, vor allem auch unter dem steht. Diese Forderung stellt nämlich den unbefriedigende Qualität ärztlicher Weiter- Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Garant für die Aufrechterhaltung eines wie auch Fortbildung ein relevantes Prob- Beruf wie auch wissenschaftlicher Karrie- weiterhin hohen Standards der zukünf- lem darstellen. Weiterbildung heißt heute: re. Dabei ist zu bedenken, dass bereits heu- tigen medizinischen Versorgung dar. „Learning on the job“, ganz entscheidend te nach Angaben des statistischen Bundes- beeinflusst durch den ökonomischen amtes ein Drittel der etwa 80.000 im Kran- Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer Druck des Gesundheitssystems, zutreffend kenhaus tätigen Ärztinnen nicht in einem Präsident des für die Krankenhäuser der Grund- und Vollzeitbeschäftigungsverhältnis steht. Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e.V. Regelversorgung bis hin zu Maximalver- Ferner ist natürlich auch die derzeitige sorgern bzw. Universitätskliniken. Es kann Weiterbildungspraxis zu verändern, was daher im derzeitigen Gesundheitssystem im gegenwärtigen Gesundheitssystem 2 | Juni 2017
Vorwort Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. und Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. Weiterbildung ist strukturierbar gierte Mitarbeiter erheblich steigern, ohne das Team über Gebühr zu belasten. Parallel zu den Instrumenten wurde ein Schulungskonzept im Sinne eines Train-the-Trainer-Angebotes entwickelt, das von Anfang an interdisziplinär ausge- richtet wurde. In den beiden großen Fach- gebieten Chirurgie und Innere Medizin wurden in Tagesseminaren mittlerweile Prof. Dr. Dr. Rein- Dr. Johannes hard Hoffmann Flechtenmacher über 90 Mastertrainer geschult, die sich re- gelmäßig zum Erfahrungsaustausch tref- Die Diskussion um die chirurgische Wei- fühlen sich auch die Weiterbilder oft über- fen und die Instrumente in ihrem Klinik- terbildung konzentriert sich in den letzten fordert und allein gelassen. und Praxisalltag weiterentwickeln. Jahren fast ausschließlich auf die Novellie- Die Weiterbilder, in der Regel der Ab- Wir freuen uns sehr, Ihnen in diesem rung der Muster-Weiterbildungsordnung. teilungsleiter oder Praxisinhaber, haben es Sonderheft den aktuellen Stand dieses Pro- Diese ist seit 2004 nahezu unverändert in dabei wesentlich in der Hand, die Weiter- jektes vorstellen zu können. Es ist heute so Kraft. Kontinuität und Bestandsschutz bildung zu organisieren und zu strukturie- weit entwickelt, dass es für einen flächen- sind sicher ein hohes Gut, allerdings bleibt ren. Dies wird von vielen als Bürde emp- deckenden, interdisziplinären Einsatz dabei Flexibilität und Aktualität auf der funden, kann jedoch auch als Chance zur taugt. Das Interesse bei anderen Fachdiszi- Strecke. Veränderung und individuellen Gestaltung plinen, Ärzteorganisationen und den Ärz- Die Strukturen in Klinik und Praxis, in interpretiert werden. tekammern wächst stetig. denen Weiterbildung nun einmal stattfin- Nach den enttäuschenden Ergebnissen Gleichzeitig treiben die Berufsverbän- det, haben sich seit 2004 so grundlegend der ersten Umfragen zur Weiterbildungs- de der Internisten und Chirurgen ebenso verändert, dass es schon fast erstaunt, dass qualität um die Jahrtausendwende und wie die Fachgesellschaften die Verbreitung die Weiterbildung in Orthopädie und Un- den Erfahrungen um die Novellierung der voran und schaffen mit der Gründung ei- fallchirurgie (O und U) heute überhaupt M-WBO 2003/2004 hat sich eine kleine ner Allianz für Qualität in der Facharztwei- noch funktioniert. Wesentliche Inhalte, Gruppe engagierter Kolleginnen und Kol- terbildung eine interdisziplinäre Plattform besonders im Bereich der konservativen O legen auf den Weg gemacht, Instrumente in Ergänzung zur Muster-Weiterbildungs- und U, können kaum noch hinreichend zur substantiellen Unterstützung engagier- ordnung, die sich der Qualität unserer vermittelt werden. ter Weiterbilder und zur Erhöhung der Fachärzte von morgen verschreibt. Realistisch betrachtet bleibt anderer- Weiterbildungsqualität zu schaffen. Es war Wir laden alle Weiterbilder in Orthopä- seits festzuhalten, dass die M-WBO ledig- ihr Ziel, diese Instrumente unabhängig die und Unfallchirurgie ein, Teil dieser In- lich den Rahmen der Weiterbildung vor- von der gerade gültigen Weiterbildungs- itiative zu werden und sich mit ihren Er- gibt und in Form der Richtlinien, d.h. des ordnung zu gestalten und dabei auf die fahrungen in die Diskussion und Weiter- Logbuches bzw. OP-Kataloges, das zu er- Stärken und Möglichkeiten der Weiterbil- entwicklung des Angebotes einzubringen. reichende Ziel formuliert. Der nicht selten dungsstätten vor Ort zu fokussieren. „steinige Weg“ dorthin wird von der Wei- Der entwickelte „Werkzeugkasten“ ist Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann terbildungsordnung nicht beschrieben. ebenso simpel wie praxisorientiert. Er er- Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Ihn zu finden und jeweils individuell aus- hebt nicht den Anspruch auf vollumfäng- Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. zugestalten bleibt Weiterzubildenden und liche Veränderung und schafft im Sinne Weiterbildern weitgehend überlassen. Ar- des Paretoprinzips mit einem vertretbaren Dr. Johannes Flechtenmacher beitszeitgesetze, Ökonomisierung und Aufwand ein Maximum an Qualitätsver- Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie Personalmangel behindern grundlegend besserung. Mit den Instrumenten lässt sich und Unfallchirurgie e.V. die Etablierung und Umsetzung struktu- die Weiterbildungsqualität und damit die rierter Weiterbildungsprogramme. Hier Attraktivität des Hauses für junge, enga- Juni 2017 | 3
Vom jungen Arzt zum guten Facharzt Marcus Siebolds Wie werden aus jungen Ärzten gute Ärzte? Warum sollte man sich eigentlich mit dieser Frage beschäftigen? tischen bzw. sozialrechtlichen Interessen- scheidungen mit Hilfe der trivialen Idee ei- lagen, abgeleitet wird. Die grundsätzliche ner zweiwertigen Entscheidungslogik mit Frage, was denn einen guten Arzt aus einer den Wahrheitswerten Richtig/Falsch im- distanzierteren, philosophischen oder be- mer schwieriger. rufssoziologischen Perspektive ausmacht, Das Problem liegt darin, dass die Rich- wird im öffentlichen Diskurs ausgeblendet. tigkeit oder Validität klinischer Forschung Im folgenden Essay soll deshalb be- im Sinne der evidenzbasierten Medizin wusst eine andere Perspektive eingenom- und die im Konsens der klinischen Wissen- men werden. Vor dem Hintergrund philo- schaftsgemeinschaft identifizierten Vorga- Prof. Dr. med. Marcus Siebolds sophischer und berufssoziologischer The- ben guter klinischer Praxis, ihre Richtigkeit orien soll das, was einen guten Arzt aus- an sich behalten, auch wenn sie im Wider- In der Diskussion um die Novelle der Mu- macht, abgeleitet werden. Damit soll sich spruch zum ärztlich-hermeneutischen ster-Weiterbildungsordnung wird die Fra- für die an der Weiterbildung vor Ort Betei- Fallverstehen stehen. Diese Widersprüch- ge, was denn einen guten Arzt ausmacht ligten die Möglichkeit eröffnen, jenseits lichkeit verstärkt sich, je mehr der Arzt implizit mitgeführt, ohne sie wirklich zu der oben dargelegten öffentlichen Diskus- durch Anamnese und Beratung über die diskutieren. Letztlich dominieren bil- sion einen kritischen Zugang zu dieser Fra- Wertepräferenzen des Patienten, sein Fall- dungs- und standespolitische Auseinan- ge zu finden. verstehen erfährt und verbessert. Dennoch dersetzungen den Diskurs und die Frage wird damit das Fallverstehen konsistenter welchen Beitrag Facharztweiterbildung zur Erste Frage: Was macht gutes und erhält eine größere Wertigkeit. Ich ärztlichen Identitätsbildung leisten kann, ärztliches Handeln aus? nenne das ein klinisch hermeneutisches gerät völlig aus dem Blick. Um das zu ver- Paradox ärztlicher Sorgfalt. Der Arzt ver- stehen, müssen die internationalen Kon- Wenn man die Frage jenseits der berufs- stärkt den inneren Widerspruch durch die zepte bekannt sein, auf die im derzeitigen ständischen Lyrik beantworten will, ist ei- sorgfältige Identifikation der besten Evi- Diskurs Bezug genommen wird. So wer- ne wesentliche Grundlage der § 1 der Bun- denzen und der systematischen Entwick- den der Nationale Kompetenzrahmen für desärzteordnung [7]. lung seines Fallverstehens nachhaltig. das Medizinstudium NKLM [1], das CAN- Meds Konzept aus Canada [2, 3] und das „§ 1 Abs. 1: Der Arzt dient der Gesundheit • Dialektik aus Entscheidungs- und Konzept der Entrustable Professionell Ac- des einzelnen Menschen und des gesamt- Begründungszusammenhang tivities, EPA [4] , das Konzept des Accre- en Volkes“ Der Arzt muss bei zunehmender Fallkom- ditation Council for the Graduate Medical plexität und Chronizität oft Entscheidung Education, ACGME [5] in den USA, oder Eine etablierte philosophische Theorie zu fällen, die im Widerspruch zu einer sinn- das europäische Konzept der Union Euro- diesem Thema ist die hermeneutische Fal- vollen oder regelrechten Anwendung von péenne des Médecins Specialistes, UEMS larbeit von Ulrich Övermann [8, 9]. Sie hat wissenschaftlichen Evidenzen oder guter [6] als Grundlage der Diskussion über die einen hohen Erklärungswert für den ersten klinischer Praxis stehen. In diesem Zusam- neue Kompetenzausrichtung der Facharzt- Teil des Absatz 1. menhang muss er sich der dialektischen weiterbildung genutzt. Die Theoriebildung der hermeneu- Methode bedienen. Hermeneutisches Fall- Alle o.g. wissenschaftlichen Konzepte tischen Fallarbeit erlaubt es, die Anforde- verstehen des einen Patienten wäre in die- gehen normativ davon aus, dass ärztliches rungen an das Handeln eines guten Arztes sem Sinne die These, die wissenschaftliche Handeln in die Kategorien „Richtig oder am Patienten abzuleiten. Övermann fasst Evidenz die Antithese. Die Synthese wäre Falsch“ einzuordnen wäre. Darauf baut die den Wesenskern ärztlichen Handelns in dann der Versuch entweder durch die Me- Kompetenzbasierung der Facharztweiter- sechs Grundkategorien zusammen, die ich thode der Güterabwägung einen Kompro- bildung auf. Diese Konzepte sind stark er- auf den Zusammenhang der Facharztwei- miss zwischen beiden Optionen zu finden, ziehungswissenschaftlich und medizi- terbildung hin weiterentwickelt habe [10] oder eine ganz neue Idee des Vorgehens zu nisch-fachwissenschaftlich geprägt. Damit entwickeln. Werden die Wertepräferenzen besteht die Gefahr, dass der Sinn ärztlichen • Widersprüchliche Einheit aus Regel des Patienten dominant (z.B. durch eine Handelns, also letztlich das, was einen gu- wissen und Fallverstehen Patientenverfügung) so kippt das Entschei- ten Arzt ausmacht, direkt von universitär- Mit zunehmender Fallkomplexität und den einseitig auf die Seite des Fallverste- wissenschaftlichen, oder auch berufspoli- Chronizität wird das Fällen klinischer Ent- hens. Gilt es eine Güterabwägung zu tref- 4 | Juni 2017
fen, so wird oft Patientenschaden und Nut- der Unverletzlichkeit der Selbstbestim- begrenzte Reichweite ärztlicher Vorgaben zen abgewogen. Das Gewicht der einzel- mung des Patienten und seiner seelischen, an Patienten deutlich, wenn diese nicht in nen Güter hängt dann von der Validität der seiner sozialen sowie körperlichen Integri- einer direkt abhängigen Position dem Arzt wissenschaftlichen Evidenzen und der von tät – sie ist unverhandelbar. Unterhalb die- gegenüber sind. Arzt und Patient erkannten Bedeutung des ser Grenzen bewegt sich der Arzt im her- Fallverstehens ab. Das bezeichne ich als meneutischen Prozess, an dessen Ende sich • F ehlende Standardisierbarkeit hermeneutisch-dialektisches Fällen kli- ein möglichst umfassendes und wider- Lassen sich die ärztliche Vorgehensweisen nischer Entscheidungen. spruchsfreies Verstehen des Patienten ent- im Bereich der akuten Erkrankungen noch wickeln kann. Im Laufe seines Arztlebens leidlich standardisieren, so ist dies im Be- • Subjektive Betroffenheit des Patienten durchläuft ein Arzt unzählige solcher her- reich der komplex chronischen und ko- Für den Patienten ist sein Kranksein von meneutischer Prozesse und entwickelt da- morbiden Patienten kaum noch möglich. Bedeutung. Das subjektiv, lebensgeschicht- mit letztlich seine klinische Reife. Daraus ergeben sich klare Anforderungen lich geprägte Verständnis seines Krank- an die Legitimitätsdarlegung der kli- seins ist für ihn ausschlaggebend. Dabei • Autonomie der Lebenspraxis nischen Entscheidungen in diesem Hand- folgt dieses Krankheitsverständnis eben Patienten streben nach Autonomie ihrer lungsfeld. Sowohl an die Güte der ge- nicht bindend einer medizinischen oder Lebenspraxis. Dieses Konstrukt beschreibt, nutzten wissenschaftlichen Evidenzen, als psychologischen Verständnis- und Bedeu- dass jenseits aller Ideen von patientärer auch an die Konsistenz des ärztlichen Fall- tungslogik. Hier kommt die Bedeutung der Partizipation und dem Bild des mündigen verstehens, werden bei zunehmender Hermeneutik als Erkenntnisgewinnungs- Patienten, die wesentlichen Entscheidung Komplexität und Widersprüchlichkeit im- methode ins Spiel. Gadamer [11] beschreibt in der alltäglichen Lebenspraxis getroffen mer höhere Anforderungen gestellt. die Hermeneutik als Methode der Deutung werden. Ist der Patient in einer abhängigen Gleichzeitig steigt damit die Verantwor- von Wirklichkeit, die sich durch ein sich Behandlungssituation, zum Beispiel im tung des Arztes, im Sinne des Patienten Hineinversetzen in den Anderen auszeich- Krankenhaus, so bildet sich diese Autono- und im Spannungsfeld der Gesundheits- net. Dies beschreibt genauer, was allge- mie in der Regel in der Zustimmung zu di- wirtschaft, die „optimale“ Kombination mein ärztlich als Empathie beschrieben agnostischen oder operativen Eingriffen aus Diagnostik und Therapie auszuwählen wird. Dar Arzt muss in seinem klinischen ab. Ist der Patient nicht direkt abhängig, so und anzubieten. Je komplexer das Krank- Fallverstehen die subjektive Betroffenheit bestimmt diese Autonomie über die Teil- heitsbild, desto weniger kann sich auch der des Patienten mit all ihrer Rationalität und habe an der Therapie. Die Autonomie des gesundheitlich gebildete Patient mit den Irrationalität durch Deutung rekonstruie- Patienten entscheidet z.B. darüber ob und Entscheidungswegen inhaltlich auseinan- ren, in dem er alles nutzt was ihm an Infor- wie zuverlässig Medikamente eingenom- dersetzen und muss der Fallarbeit des mationen, Wahrnehmungen, eigenem Ge- men werden. Mit diesem Begriff wird die Arztes vertrauen. fühlserleben und dem, was ich klinische Szene nenne, zur Verfügung steht. Kli- nische Szene beschreibt dabei die im Au- Fazit genblick der Begegnung entstehende Be- Bleibt man auf der Ebene des ärztlichen Handelns, dann lassen sich folgende Merkmale handlungswirklichkeit von Arzt und Pati- aus der Theorie Övermann´s ableiten, die das Handeln eines guten Arztes beschreiben ent mit all ihrem Inhalt. und als übergeordnete Bildungsziele für die Facharztweiterbildung dienen können: • Analytische Distanz des Arztes in der Ein guter Arzt … Behandlungsbeziehung • … verfügt über differenziertes Regelwissen im Sinne der evidenzbasierten Medi- Der professionelle Arzt muss sich im Sinne zin. Dabei muss er in der Lage sein, patientenrelevante Detailinformationen aus des hermeneutischen Verstehens in den Originalpublikationen zu extrahieren, die oft in sekundär aufbereiteten Wissens- Patienten Hineinversetzen können. Aus quellen nicht ersichtlich sind. Diese Daten braucht er, um ihre klinische Bedeutung meiner Sicht entsteht damit eine Situation in der Güterabwägung für die hermeneutisch-dialektische Entscheidung richtig klinischer Intimität. In dieser Situation be- einschätzen und den Patienten darüber beraten zu können. treibt der Arzt aus einer reflektierten Posi- • … kann sein klinisches Handeln durch hermeneutisch dialektisches Entscheiden tion heraus, professionelle Entgrenzung. begründen Er muss sich in den Patienten situativ und • … kann die volle Fallwirklichkeit des Patienten im Sinne des hermeneutischen Fall- emotional hineinversetzen, die Grenzen verstehens rekonstruieren. Dabei ist er in der Lage alle Dimensionen des Fallverste- der körperlichen Intimität in der kli- hens einzubeziehen und ist in der Lage im Sinne einer reflektierten analytischen nischen Untersuchung überschreiten und Distanz mit dem Patienten umzugehen und kann mit der klinischen Intimität und in der Anamnese oftmals Fragen stellen, der professionellen Entgrenzung verantwortlich umgehen. die über die soziale Intimitätsgrenze hi- • … kann mit der widersprüchlichen Einheit aus Regelwissen und Fallverstehen pro- nausgehen. Diese professionelle Entgren- fessionell und sorgsam umgehen und erträgt die daraus entstehende Ambiguität. zung ist die klar gesetzte Grenze im Sinne Juni 2017 | 5
Vom jungen Arzt zum guten Facharzt Marcus Siebolds Zweite Frage: die Individualisierung der Verantwortung der Achtung gegenüber den eigenen Was macht eine gute ärztliche für die Kontrolle der irrationalen Potenti- Werteüberzeugungen des Arztes Rolleneinnahme aus? ale des einzelnen Patienten in der Person des behandelnden Arztes. Dafür erhalten Dieser Aushandlungsprozess beschreibt Zur Beantwortung dieser Frage lässt sich Ärzte eine hohe Institutionsautonomie letztlich das fortwährende Ringen um eine die Theoriebildung der Professionstheorie (Recht auf den freien Beruf, Recht auf ärzt- Balance,- besser einen tragfähigen Kom- in Anlehnung an Doris Schäffer [12] sinn- liche Selbstverwaltung) und eine große promiss,- zwischen diesen Erwartungs- voll nutzen. Dieses Theorem erklärt kon- Unabhängigkeit vom Patienten (der Arzt strukturen. In der Folge wird deutlich, das sistent den zweiten Teil des Abs. 1 § 1 der ist nicht für den Erfolg seines Handelns Arzthandeln immer primär politisch und Bundesärzteordnung: sondern nur für die notwendige Sorgfalt Gemeinwesen bezogen ist. Der Sachverhalt verantwortlich). ist in Abb.1 dargestellt. „§ 1 Abs. 1: Der Arzt dient der Gesundheit des Diese Theorie beschreibt sehr ein- Schäffer hinterlegt diese Grundidee mit einzelnen Menschen und des gesamten drücklich die in der Bundesärzteordnung einem System von fünf Rollenmerkmalen, Volkes“ – immerhin einem Bundesgesetz – festge- von den die zwei wichtigsten für die hier zu legte Erwartung der Gesellschaft an die bearbeitende Fragestellung erwähnt seien: Die Professionstheorie leitet sich aus dem Ärzteschaft, wie sie im §1 dokumentiert ist. Ordensgelübde, der Profess ab. Damit wird Diese ganz reale (siehe Bundesärzteord- • Zentralwertbezogene Leistungen ein sich versprechen im Dienen an einer nung) gesellschaftliche Rollenerwartung Eine Gesellschaft definiert sich über Zen- Gemeinschaft beschrieben. Sie entwickelt hat weitgehende Folgen für die ärztliche tralwerte. Diese können in Gesetzen fest- den Begriff der ärztlichen Profession aus Rolleneinnahme und prägt entscheidend geschrieben sein oder informell als nicht folgendem Konstrukt heraus: das Arzt-Patienten-Verhältnis. kodifizierte Erwartungen existieren. Im Die Gesellschaft ist durch irrationale Gesundheitswesen stellt das Sozialgesetz- Potentiale bedroht. Irrationale Potentiale Der Arzt als Vermittler zwischen buch (SGB) Fünftes Buch (V) die gesetz- im Bereich des Gesundheitswesens sind, Medizin, Patient und Gesellschaft liche Festlegung dar. Die Kernaussagen im z.B. Krankheit, Pflegebedürftigkeit, krank- In der Krankenbehandlung kommen pri- Zusammenhang mit der ärztlichen Rollen- heitsbedingte soziale Devianz, Siechtum mär drei gesellschaftliche Erwartungs- einnahme sind § 12 Abs. 1 mit der Festle- und Tod. Um diese irrationalen Potentiale strukturen zum Tragen. gung des Leistungsrahmens gemäß des zu kontrollieren muss die Gesellschaft Da- • Der Wunsch des Patienten nach einer WANZ (wirtschaftlich, angemessen, not- seinssicherung betreiben. Da im Feld des wirksamen und humanen Behandlung wendig, zweckmäßig) Paradigmas: Gesundheitswesens die Organisation und seiner Krankheit und der Achtung vor Übernahme der Daseinsvorsorge ein ho- seinen Wertepräferenzen „(1) Die Leistungen müssen ausreichend, hes Potential an objektiv nur schwer lös- • Die Einhaltung des gesellschaftlichen zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dür- baren Wertekonflikten für die Gesellschaft Rahmens von begrenzten finanziellen fen das Maß des Notwendigen nicht über- beinhaltet, überträgt die Gesellschaft die- Ressourcen und den rahmengebenden schreiten. Leistungen, die nicht notwendig se Aufgaben an die Ärzteschaft. Sie erteilt Gesetzen in der Behandlung durch den oder unwirtschaftlich sind, können Versi- ihr ein gesellschaftliches Mandat. Die Arzt cherte nicht beanspruchen, dürfen die Lei- Operationalisierung der Kontrolle der • Die Wahrung ärztlicher Identität im stungserbringer nicht bewirken und die krankheitsbedingten irrationalen Potenti- Sinne der Umsetzung der besten ver- Krankenkassen nicht bewilligen.“ ale durch die Ärzteschaft erfolgt durch die fügbaren Evidenzen aus der Wissen- Übertragung der Letztverantwortung im schaft, einem für den Arzt menschli- Ebenso ist § 70 SGB V Abs.2 der die hu- einzelnen Fall an den Arzt. Kernpunkt ist chen Umgang mit dem Patienten und mane Versorgung festlegt von wesentlicher Bedeutung: Patienten Professionelles Handeln Arzt „(2) Die Krankenkassen und die Leistungser- Hilfeerwartung, GG, § 70 SGB V als Arzt § 12, § 70 SGB V, EbM bringer haben durch geeignete Maßnah- men auf eine humane Krankenbehandlung WANZ ihrer Versicherten hinzuwirken.“ Freiheit des Patienten Human Handeln als Professioneller Vermittler von Patient und Hier bildet sich eine widersprüchliche Ge- Gesellschaft mengelage ab. Der Arzt muss sein Handeln an den zwei rivalisierenden Zentralwerten, Gesellschaft dem des WANZ Paradigmas und des Hu- § 12, §70 SGB V, § 2 GB-A manitätsgebotes ausrichten. Das führt zum Abb. 1: Das professionelle Dreieck ärztlichen Handelns (WANZ: wirtschaftlich ausreichend, notwen- Problem der grenzrisikennahen Versor- dig, zweckmäßig) gung gemäß Abb. 2. Prof. Dr.med. Marcus Siebolds 6 | Juni 2017
In diesem gesetzlich definierten Hand- Der Arzt als Wächter des Grenzrisikos lungsmodell beschreibt WANZ das Funk- tionsoptimum der Versorgung im Sinne ei- Kosten Kostenentwicklung ner gerade noch vertretbaren Versorgung. „WANZ und Human als Abbild Der Arzt wird im gegenwärtigen Finanzie- rivalisiernder Zentralwerte rungssystem (DRG und Praxisbudgets) immer mehr an das Grenzrisiko getrieben. Dabei erlegt ihm seine Rolle und das Ge- Druck für die Ärzte zum setz die Wahrung einer humanen Patien- Herantasten WANZ an eine grenzrisikennahe Human tenversorgung auf. Das meint konkret ärzt- Versorgung liches Handeln im Spannungsfeld rivalisie- Behandlungs- render Zentralwerte. intensität Die Rolle wird im Übrigen durch die Minimale/risikobehaftete Ausmaß an Versorgung, Maximale-redundante zunehmenden Einflüsse des Gesetzgebers Gesundheits- das von Gemeinwesen/ Patienten Versorgung versorgung akzeptiert wird und gesetzlichen und der Kostenträger bei gleichzeitig un- Forderungen genügt verändert individualisierter Verantwor- tung in den letzten Jahren immer schwie- Abb. 2: Der Arzt als Wächter des Grenzrisikos riger auszufüllen. des individuellen Behandlungsgeschehens kann wesentlich dazu beitragen, dass aus • Universelles Wissen und die Rolle des Arztes in der Zivilgesell- jungen Ärzten gute Ärzte werden. Letztlich ist es nur dem Arzt erlaubt, seine schaft ab. Das zentrale Agens ist hier die klinische Erfahrung und sein hermeneu- klar radikal eingeforderte Verantwortung Prof. Dr.med. Marcus Siebolds tisches Fallverstehen gleichberechtigt ne- für das eigene ärztliche Handeln am ein- FB Gesundheitswesen ben den wissenschaftlichen Evidenzen zu zelnen Kranken und der unausweichlichen Katholische Hochschule NRW/ Abt. Köln nutzen. Dies ergibt sich aus dem rechtli- zivilgesellschaftlichen Verantwortungsü- chen Sorgfaltsgebot in der Verantwortung bernahme. Literatur: [1] www.nklm.de für den einzelnen Patienten und korre- Die Nutzung der hier vorgestellten The- [2] Jilg S, Möltner A, Fischer MR, Breckwoldt J (2015) spondiert zu Övermann´s Feststellung der orien lässt schmerzlich erkennen, welche How do Supervising Clinicians of a University Hos- weitestgehend eingeschränkten Standardi- Aufgabe gute Arztbildung im besten Sinne pital and Associated Teaching Hospitals Rate the Relevance of the Key Competencies within the sierbarkeit der Behandlung. beinhaltet. Im Mastertrainerprojekt, das in CanMEDS Roles Frameworkin Respect to Teaching diesem Heft vorgestellt wird, werden die in Clinical Clerkships? GMS Zeitschrift für Medizi- nische Ausbildung 32(3), ISSN 1860-3572 Abschließende Reflektion hier abgeleiteten Kriterien für einen guten [3] http://canmeds.royalcollege.ca/uploads/en/fra- Arzt als eine der Grundlagen der Lern- mework/CanMEDS%202015%20Framework_EN_ Die mit Hilfe der Theorien von Övermann standsrückmeldung genutzt. Die Gewahr- Reduced.pdf [4] Ten Cate O. et al (2015) Curriculum development und Schäffer entwickelten Kriterien für die werdung von Rolle, Verantwortung, An- for the workplace using Entrustable Professional Idee, was einen guten Arzt ausmacht, he- sprüchen und damit verbundenen Kon- Activities (EPAs): AMEE Guide No. 99. Medical Tea- ben sehr deutlich auf die Sinnproblematik flikten im täglichen ärztlichen Handeln cher 1-20, early online [5] ACGME Outcome Projekt Weitere Details: http:// www.acgme.org/outcome/ (Stand: 5. August 2004). Fazit [6] https://www.uems.eu/areas-of-expertise/postgra- duate-training Bleibt man auf der Ebene der ärztlichen Rolleneinnahme, dann lassen sich fol- [7] http://www.gesetze-im-internet.de/b_o/__1.html gende Merkmale aus der Theorie von Schäffer ableiten, die die professionelle Rol- [8] Weidner F, (1995) Professionelle Pflegepraxis und leneinnahme eines guten Arztes beschreiben und als übergeordnete Bildungs- Gesundheitsförderung, Frankfurt a.M. [9] Oevermann U; Klinische Soziologie, Konzeptualisie- ziele für die Facharztweiterbildung dienen können: rung, Begründung von Berufspraxis und Berufsbil- dung; unveröffentlichtes Manuskript (Bei Weidner) Ein guter Arzt … [10] Siebolds M (2014) Vertragsärztliches System – Teil I: Von Eros und Ethos des Vertragsarztseins. Dtsch • … begreift sein Rolle als primär politisch und gemeinwesenbezogen Arztebl 111(29-30): A-1292 / B-1112 / C-1056 • … ist in der Lage, die Problematik der Orientierung seines Handelns an zwei ri- [11] Gadamer HG (1966) Wahrheit und Methode valisierenden Zentralwerten kritisch zu reflektieren [12] Schaeffer D (1994) Zur Professionalisierung von Pflege und Public Health. In: Moers,M. (Hrsg.): Zur • … ist bereit, die persönlich unbedingte Verantwortung für sein Handeln am Professionalisierung von Pflege und Public Health, einzelnen Patienten zu übernehmen Berlin • … ist bereit, die persönliche Verantwortung für die Kontrolle der gesellschaft- lichen Kollektivrisiken der irrationalen Potentiale von Krankheit zu überneh- men • … geht verantwortlich mit dem Unterschied zwischen seiner Rolle als professi- oneller Arzt und seiner Rolle als Arbeitnehmer um. Juni 2017 | 7
Assistentenumfrage des BDI Kevin Schulte Die Assistentenumfrage des BDI: Ein objektiver Blick auf die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen deutscher Assistenzärztinnen und -ärzte nen zu Beginn der Weiterbildung kein Krisengefahr – Innere Medizin strukturierter Rotationsplan vorgelegen ha- be. Ferner gaben 67% an, dass die jährlichen Um die psychische Belastungssituation der Weiterbildungsgespräche – diese sind in der Ärztinnen und Ärzte valide messen zu Weiterbildungsordnung vorgeschrieben – können, wurde ein standardisiertes Mess- nicht stattfinden würden. Da es Kranken- instrument verwendet um den Verausga- häuser gibt, in denen beides gelingt, kann bungs-Belohnungs-Quotienten nach dem dieser Missstand nicht leichter Hand einzig Modell der beruflichen Gratifikationskri- mit der Unterfinanzierung der deutschen sen von Prof. Johannes Siegrist zu ermit- Dr. med. Kliniken erklärt werden. Hierzu passt auch, teln. Der Quotient zeigt das Risiko für Kevin Schulte dass zwei Drittel der Befragten angaben, Burn-out, berufsbedingte Depressionen dass die vorgesehenen Weiterbildungsin- sowie Herzkreislauferkrankungen an. Ein Das deutsche Gesundheitswesen befindet halte in der regulären Weiterbildungszeit Quotient größer eins spricht für ein Miss- sich in einem ständigen Wandel, was erheb- nicht erlernbar seien. Hauptursache hier- verhältnis, es überwiegen also die Veraus- liche Auswirkungen auf die Arbeits- und für: Mangelhafte Supervision und eine feh- gabensfaktoren. Mit einem Wert von 1,94 Weiterbildungsbedingungen junger Ärz- lende Überprüfung des Lernerfolges. Fer- wurde ein bislang ungekannter Spitzen- tinnen und Ärzte in den deutschen Kli- ner lässt aufhorchen, dass 39% der Be- wert in dieser Untersuchungsgruppe er- niken hat. Um die aktuelle Problemlage fragten berichteten, dass in ihrer Klinik kei- reicht. Zum Vergleich: In einer deutschen klar und deutlich zu beschreiben, hat das ne regelmäßigen Fortbildungen stattfinden. Querschnittsstudie aus dem Jahr 2013, in Junge Forum des Berufsverbandes Deut- Da in diesen Kliniken wohl nicht nur Wei- dem Berufstätige aller Fachbereiche einge- scher Internisten (BDI) gemeinsam mit terzubildende arbeiten, sind diese Zahlen schlossen wurden, lag der Wert bei 0,43. den Young Internists der deutschen Gesell- vermutlich für alle internistisch tätigen Kol- Interessanterweise hatte weder das Ge- schaft für Innere Medizin (DGIM) im Jahr leginnen und Kollegen gültig. schlecht, der Krankenhausträger noch der 2015-2016 eine internistische Assistenten- Familienstand einen Einfluss auf den Ver- befragung durchgeführt. Vor allem drei Ökonomie und ärztliche ausgabungs-Belohnungs-Quotienten, je- Themenbereiche wurden in der Befragung Entscheidungsfreiheit doch nahm die Dysbalance über die Wei- [1] besonders beleuchtet: 1.) Wie ist es um terbildungszeit hinweg zu. Bemerkenswert die internistische Weiterbildung bestellt, 2.) Drei Viertel der Kolleginnen und Kollegen ist, dass je gefährdeter die Teilnehmer die wie beeinflusst die Ökonomie die ärztliche gaben an, regelmäßig über die Verweildau- Qualität der Patientenversorgung durch Entscheidungsfreiheit und 3.) wie sehr be- er ihrer Patienten informiert zu werden. Es die vielschichtigen Veränderungen im lasten die heutigen Arbeitsbedingungen die hatten aber nur 61% dieser Kollegen den ärztlichen Arbeitsumfeld sahen, desto hö- Gesundheit der Ärztinnen und Ärzte. Eindruck, dass diese Information die Lie- her war auch das Ausmaß ihrer Gratifika- Das Interesse an der Umfrage war über- gedauer ihrer Patienten unabhängig von tionskrise (Abb. 1). Eindrücklicher kann wältigend, mit 1696 Teilnehmern haben rein medizinisch-fachlichen Erwägungen man kaum illustrieren, wie sehr die Pati- sich an dieser fachspezifischen Befragung beeinflussen würde. Ein interessantes Er- enten ihren Ärzten am Herzen liegen: Je mehr Ärztinnen und Ärzte beteiligt als an gebnis, denn wozu dient diese Informati- schlechter die Rahmenbedingungen, desto den Weiterbildungsevaluationen der Lan- on, wenn nicht um die Liegezeiten zu be- mehr reiben sich die behandelnden Ärzte desärztekammern! einflussen? Weniger überraschend ist das auf, um ihren Patienten eine möglichst gu- Ergebnis, dass in Kliniken in privater Trä- te Versorgung zu gewährleisten. Internistische Weiterbildung – gerschaft signifikant häufiger medizi- wo drückt der Schuh? nische Entscheidungen durch ökono- mische Erwägungen beeinflusst werden als 83% der befragten Kolleginnen und Kolle- in Krankenhäusern in öffentlicher oder gen berichteten in der Umfrage, dass bei ih- freigemeinnütziger Trägerschaft. 8 | Juni 2017
Und nun? Mastertrainerkonzept und vieles mehr! Als Reaktion auf die Umfrageergebnisse hat der Berufsverband Deutscher Inter- nisten e.V. zahlreiche Initiativen gestartet. Zwei seien hier besonders erwähnt: Zum einen macht der BDI sich für das Master- trainerkonzept stark, um die internistische Weiterbildung – soweit die Rahmenbedin- gungen es zulassen – zu verbessern. Hier- zu finden Sie viele weitere Informationen in dieser Broschüre. Weiterhin haben wir ein Kooperationsprojekt mit der Berufsge- nossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtsfürsorge ins Leben gerufen, um die gesundheitsgefährdenden – für Patient und Arzt – Arbeitsbedingungen in den deutschen Kliniken zu thematisieren und zu verbessern. Abb. 1: Größere Sorge um die Qualität der Patientenversorgung ist mit einer stärkeren Ausprägung psychosozialer Arbeitsbelastung assoziiert. Die Frage lautete: „Sehen Sie die Qualität der Patienten- Dr. med. Kevin Schulte versorgung durch die vielschichtigen Veränderungen im ärztlichen Arbeitsumfeld über die letzten Berufsverband Deutscher Internisten e.V. Jahre gefährdet?“ Literatur [1] Raspe M, Müller-Marbach A, Schneider M, Siep- mann T, Schulte K. (2016) Arbeits- und Weiterbil- dungsbedingungen deutscher Assistenzärztinnen und Ärzte in internistischer Weiterbildung. Dtsch Med Wochenschr 141: 202-210 Juni 2017 | 9
Gute Facharztweiterbildung Marcus Siebolds, Jörg Ansorg, Norbert Hennes, Michael Denkinger Gute Facharztweiterbildung vor Ort praxisnah fördern Das Mastertrainerkonzept zur strukturierten Facharztweiterbildung Einleitung schnell deutlich, dass die sinnvollerweise Kammer-, also selbstverwaltungsgeführte Die neue Muster-Weiterbildungsordnung Kontrolle der Weiterbildung nicht unbe- ist ein Mammutprojekt, welches bereits dingt immer zu einer optimalen und nach- mehrere Jahre andauert und seinen Ab- vollziehbaren Qualität führt und sich dies schluss letztendlich beim Ärztetag 2018 durch die modifizierte Weiterbildungs- finden soll. In dieser Zeit wurden zahl- ordnung nicht wesentlich ändern wird. reiche Diskussionen innerhalb der Ärzte- Zum Thema Facharztweiterbildung be- schaft, der Verbände, der wissenschaft- stimmen neben der Weiterbildungsord- Prof. Dr. med. Marcus Siebolds lichen Gesellschaften und der Ärztekam- nung allerdings auch weitere berufspoliti- mern, allen voran der Bundesärztekammer sche Auseinandersetzungen um struktu- geführt. Die strittigsten Punkte aus den relle Rahmenbedingungen, wie zum Bei- Diskussionen lassen sich dabei immer auf spiel die Finanzierung der ärztlichen zwei Themen zurückführen: Erstens Kom- Weiterbildung im ambulanten Sektor und petenzbasierung versus Mindestzahlen die Gestaltung politischer Anreizsysteme und Mindestzeiten sowie, zweitens, Ab- zur Überwindung des zunehmenden Ärz- grenzung etablierter oder neuer Fachge- temangels, die öffentliche Diskussion. In- biete. Neben der viel beschworenen Inten- ternationale Forschungsergebnisse zum tion Weiterbildungsqualität zu erreichen, Thema werden in dieser Diskussion in spielen am Ende auch immer ordnungspo- Deutschland nur wenig genutzt. Ebenso Dr. med. litische Fragen eine Rolle: Wer darf welche fehlen in der Fläche Konzepte zur Unter- Jörg Ansorg Leistung am Patienten durchführen (und stützung der Weiterbilder und Ärzte in wird dafür von der Solidargemeinschaft Weiterbildung bezüglich der Entwicklung bezahlt). von Lehr- und Lernkompetenzen. Diese So gedacht müsste etwa ein Facharzt für Kompetenzen sind in seltensten Fällen Chirurgie und Innere Medizin die Sono- während Studium oder in der eigenen Wei- grafie des Abdomens, mit dem Erlangen terbildungszeit strukturiert erworben wor- des Facharztstatus in gleicher Qualität den. durchführen. Bisher war dies vornehmlich Der Berufsverband der Deutschen In- über Untersuchungszahlen überprüft, nun ternisten (BDI) hat deshalb in Zusammen- sollen Kompetenzlevel dazu kommen. Wie arbeit mit dem Berufsverband der Deut- allerdings kann diese Kompetenz in ei- schen Chirurgen (BDC) und dem Berufs- Dr. med. nem 30min kollegialen Gespräch verband der Orthopäden und Unfallchir- Norbert Hennes (Facharztprüfung) überhaupt überprüft urgen (BVOU) ein Train-the-Trainer-Pro- werden? Es wird schnell klar, dass ohne ei- jekt aufgelegt. Inzwischen wurden dafür ne Anpassung der gemeinsamen „Endstre- zum Zeitpunkt der Drucklegung 92 Mas- cke“, der Prüfung, keine Weiterbildungs- tertrainer (alle langjährig weiterbildende ordnung geschaffen werden kann, die Chef- oder Oberärzte, einige Fachärzte) komplett auf Zahlen und Zeiten verzichtet. geschult, denen in zweitägigen Fortbil- Aber auch Zahlen und Zeiten können dungen und regelmäßigen Supervisio- großzügig bescheinigt werden und nicht nen ein sehr einfaches und alltagstaugli- jeder, der den Facharzt für Innere Medizin ches Konzept der evidenzbasierten und erhalten hat, wird immer alle geforderten strukturierten Facharztweiterbildung ver- Prof. Dr. 400 Sonografien, 100 Belastungs-EKGs mittelt wurde – unabhängig von der Fach- Michael Denkinger und so weiter absolviert haben. Damit wird disziplin. Diese Mastertrainer sollen in die 10 | Juni 2017
Lage versetzt werden, einerseits Ihr Wissen täglichen klinischen Krankenversorgung die Fortsetzung des Medizinstudiums mit an andere interessierte Weiterbilder in Se- geschieht die Weiterbildung in der Regel anderen Mitteln sein. Der zunehmende minaren weiterzugeben, und von Ihnen im Rahmen kollegialer Zusammenarbeit Trend zur „hochschulischen Didaktisie- fortgebildeten Weiterbilder anzuregen die von Weiterbilder und Arzt in Weiterbil- rung“ und „curricularen Überstruktu- Weiterbildungsstrukturen in Ihren Ein- dung. Das Bildungsziel ist eine Mischung rierung“ der Facharztweiterbildung ver- richtungen an das erlernte System indivi- aus der formalen Erlangung des Facharzt- kennt die Arbeitsrealität in den Weiter duell anzupassen. Das hier vermittelte status und der materiellen Qualifikation bildungsstätten und ihre eher auf Diskurs Konzept der strukturierten Facharztwei- im Sinne einer oberarzt- beziehungsweise und Selbstorganisation ausgerichtete, tra- terbildung ist konsequent, klinisch-kom- niederlassungsreifen klinischen Kompe- ditionelle Lehrkultur, unabhängig von petenzbasiert und nimmt auch die Person tenz des jungen Facharztes um die Min- der Fachlichkeit. Will man vor Ort in den des jungen Arztes in den Blick. Dies ge- destanforderungen zur eigenverantwortli- Kliniken und Praxen mit den Beteiligten schieht durch eine einfache Kultur syste- chen Beherrschung und Ausübung der je- akzeptierte Lösungen etablieren, die an- matischer Lernstandsrückmeldungen im weiligen Standardverfahren zu erfüllen. schlußfähig an die vorherrschende Wei- Rahmen des jährlichen Weiterbildungspla- Die Meisterebene: Die nachfachärztli- terbildungkultur sind, so gilt es mit die- nungsgespräches und klinischer Testate. In che Arztbildung mit dem Ziel der zuneh- sem Spannungsfeld bewusst umzugehen. den Lernstandrückmeldung wird die Ent- menden Entwicklung klinischer Reife. Letztlich geht es um einen Paradigmen- wicklung der klinischen und der ärztlich- Diese befähigt den reifen Arzt/ die reife wechsel in der Weiterbildung von einer personalen Kompetenz kriteriengeleitet Ärztin zu Bewältigung atypischer Fallsitu- traditionell strukturkbasierten zu einer von Weiterbilder und dem Arzt in Weiter- ationen und zur Fähigkeit werterelevante, partizipativ-kompetenzbasierten Weiter- bildung gemeinsam eingeschätzt. In den klinische Entscheidungen in widersprüch- bildung, die Meiring [7] in folgender Testaten wird die Entwicklung der prakti- lichen Situationen leisten zu können. Eine Übersicht sehr gut zusammenfasst. schen Fähigkeiten (Skills) kriterial in einer sehr viel genauere Umschreibung dieses (Tab. 1) praktischen Handlungssituation vom Wei- Sachverhaltes leistet die Theoriebildung Wesentliche Merkmale sind die Fokus- terbilder beurteilt. Damit wird die Kompe- der klinisch-hermeneutischen Dialektik sierung auf die Lernaktivität des Arztes in tenzüberprüfung zumindest zu einem Teil [2]. Bildungsziele sind die materielle Qua- Weiterbildung und die weiterbildungsbe- von der Kammer in die Klinik verlagert, lifikation zur zunehmenden Übernahme gleitenden, kleinformatigen, kriterienge- nicht berufsrechtlich relevant, aber der von Fallverantwortung bei komplexen Fra- leiteten klinischen Prüfungen. Qualität der Weiterbildung mehr als dien- gestellungen, sowie die Übernahme ärztli- lich. Das zahlt sich am Ende für den Arzt, cher Leitungsverantwortung [3]. Basiskonzept einer strukturierten die Klinik und den Patienten aus. Facharztweiterbildung Paradigmenwechsel in der Facharzt- Um diesem Spannungsfeld und dem damit Arztbildung als Kernaufgabe weiterbildung und deren Anschluss anstehenden Paradigmenwechsel gerecht fähigkeit an ein traditionelles Weiter zu werden, wurde folgendes Vorgehen ge- Arztbildung ist ein Lebenslanger Prozess bildungsverständnis wählt. Im Rahmen der Erstellung eines Li- in dessen Verlauf verschiedene Ebenen der Die Facharztweiterbildung und die nach- teraturreviews [4] wurden aus der verfüg- ärztlichen Entwicklung durchlaufen wer- fachärztliche Arztbildung können nicht baren Literatur nur evaluierte Konzepte den Die hier genutzte Taxonomie ist an Dreyfus [1] angelehnt: Tab. 1 Vergleich struktur- und problembasierter mit kompetenzbasierter Die Novizenebene: Das Studium mit Weiterbildung (mod. nach Carracio et al. [3]) dem Ziel der Anlage des Potentials, als Arzt in die Facharztweiterbildung eintreten zu Variable Struktur-/problembasiert Kompetenzbasiert dürfen. Die Hochschule verfügt über klare Treibende Kraft Inhalts – Wissenserwerb Ergebnis – Wissenanwendung Lehr- und Lernrollen und sieht den Medi- Treibende Prozesskraft Lehrer Lerner zinstudenten als abhängigen Lerner. Hoch- Lernpfad Hierarchisch Nichthierarchisch schule ist ein primärer Lernort im Sinne ei- Inhaltsverantwortung Lehrer Lerner und Lehrer ner Ausbildung. Ziel ist die formale Quali- Ziel der Lehreinheiten Wissenserwerb Wissensanwendung fikation im Sinne der Erlangung der Ap- probation. Assessmentinstrument Subjektive Einzelprüfung Viele objektive Prüfungen Die Gesellenebene: Die Facharztwei- (Evaluationsportfolio) terbildung mit dem Ziel eigenverantwort- Assessmentform Stellvertretend Authentisch (realitätsnah) lich ärztlich arbeiten zu können. Die ärzt- Evaluationssetting Keine direkte Beobachtung Direkte Beobachtung liche Weiterbildung ist ein Ort klinisch- Evaluation Referenznorm Referenzkriterien praktischer Berufstätigkeit mit passageren Assessmentzeitpunkt Abschließend (summativ) Begleitend (formativ) Lernphasen. Der Lernende steht in einer Abschluss Fester Zeitpunkt Variabler Zeitpunkt klaren beruflichen Hierarchie. In der all- Juni 2017 | 11
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