Wie ältere Menschen die Pandemie erleben - Seniorenamt - Stadt Nürnberg
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
2 Ältere Menschen […] sollten ihre Gewohnheiten jetzt über- denken. Sie sollten Einschränkungen in Kauf nehmen, um ihre Gesundheit zu schützen. Dazu gehört, sich für eine Zeit aus dem öffentlichen Leben soweit es geht zurückzuziehen […] und auch private Kontakte soweit wie möglich zu reduzieren. Telefon, Handy und Internet helfen, in Kontakt zu bleiben. Familiäre und nachbarschaftliche Unterstützungsangebote zum Beispiel beim Einkaufen sind hilfreich und wichtig. Ministerin Dr. Franziska Giffey Wie kamen die Einsendungen zu Stande? Beiträge, nicht aber auf den Inhalt der Einsendungen. Teilweise wurde Im Juni 2020 fand eine Ausschreibung des Seniorenamts statt, in der Se- Beiträge gekürzt. Das vorliegende Heft enthält nicht alle Einsendun- niorinnen und Senioren die Möglichkeit erhielten, ihre Gedanken und gen, die das Seniorenamt erhalten hat, sondern lediglich eine Auswahl. Meinungen zur Corona-Pandemie auszudrücken. Im Dezember 2020 er- folgte eine erneute Ausschreibung zur „zweiten Welle“ der Pandemie. Haftungsausschluss Namentlich gekennzeichnete sowie anonymisiert veröffentlichte Bei- Wie werden die Beiträge dargestellt? träge geben die Meinung des jeweiligen Autors und nicht immer die Die einzelnen Beiträge werden mit dem Vor- und Nachnamen, sowie Meinung des Herausgebers wieder. Die Inhalte dieser Broschüre wur- dem Lebensalter der Einsendenden dargestellt; sofern dies von der den mit größtmöglicher Sorgfalt gestaltet. Das Seniorenamt der Stadt oder dem Verfassenden gewünscht war, wurden Einsendungen ano- Nürnberg übernimmt jedoch weder eine Gewähr für die Richtigkeit nymisiert. Anonymisierte Beiträge sind entsprechend gekennzeichnet. und Vollständigkeit der abgedruckten Inhalte, noch kann aus redak- Vereinzelt wurden Einsendungen redaktionell bearbeitet. Die Bearbei- tionellen Gründen die wortwörtliche Übertragung von Einsendungen tung bezieht sich lediglich auf die Grammatik und Rechtschreibung der garantiert werden.
3 Liebe Leserin, lieber Leser, „Risikogruppe“, vulnerable (besonders verwundba- Wünsche nach anonymisierter Veröffentlichung ha- re) Personen, Menschen, denen jetzt unsere Solidari- ben wir berücksichtigt. tät gilt, denen hilfsbereite Nachbarn eine Einkaufs- hilfe anbieten … Nachdem während der Phase des eingeschränkten Lockdowns im Frühjahr alles etwas langsamer zu Seit sich das Corona-Virus Deutschland verbreitet, laufen schien, nahm das Leben im Sommer schnell wurde und wird viel über ältere Menschen gespro- wieder Fahrt auf; dann, im Herbst und Winter waren chen – oft mit einem sehr einseitigen Beiklang, die wir schnell mitten in einer zweiten Welle mit Rekord- scheinbare Schutzbedürftigkeit von Seniorinnen Inzidenzen, Lockdown light, Lockdown. Wir wollten und Senioren betonend. Mit Menschen Ü70 kommt dieses Heft eigentlich im Dezember veröffentlichen, man über die Corona-Pandemie in Medien und Poli- doch angesichts der wieder zugespitzten Situation tik leider eher selten ins Gespräch. Deshalb möchten erschien eine Rückschau auf das Frühjahr und den wir mit diesem kleinen Magazin Seniorinnen und Se- von Lockerung und Entspannung geprägten Sommer, nioren zu Wort kommen lassen. aus unserer Sicht etwas deplatziert und unvollstän- dig. Daher haben wir Ende Dezember eine erneute Ende Juni 2020 haben wir an mehrere Hundert Se- Anfrage losgeschickt. Die Einsendungen sollten auch niorinnen und Senioren Briefe versandt und gefragt, die Eindrücke aus der zweiten Welle, dem Corona- wie sie ganz persönlich die Corona-Pandemie und die geprägten Weihnachtsfest und insgesamt die Erfah- Phase der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im rungen mit dieser lang andauernden pandemischen März, April und Mai erlebt haben. Die Angeschriebe- Ausnahmesituation einfangen. Auch zum aktuellen nen konnten ihr Empfinden und Erleben dieser son- Zeitpunkt der Veröffentlichung ist Corona noch nicht derbaren Zeit entweder frei niederschreiben, oder vorbei. Dennoch setzen wir für diese Veröffentli- sich an folgenden gedanklichen „Leitplanken“ orien- chung hier einen Punkt. tieren: • Das nervt mich an der Corona-Krise am meisten … Dieses Heft soll ein bisschen Distanz zum Jetzt und • Diese erfreuliche Entwicklung in unserer Gesell- Heute schaffen und eine Hilfe sein, sich bewusst schaft hätte es ohne Corona nicht gegeben … zu machen, was wir 2020 und auch aktuell für eine • Diese Tätigkeit habe ich in der Zeit der Kontaktbe- verrückte Zeit erlebten und erleben. Jeder einzel- schränkungen neu für mich entdeckt / wiederent- ne Text ist Zeugnis einer mehr oder weniger hart deckt … erkämpften individuellen Anpassungsleistung und • Die Maskenpflicht finde ich … damit letztlich auch von Freiheitsspielräumen. Denn • Dieses Buch kann ich allen ganz besonders ans so sehr Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen Herz legen … etwas sind, das von außen kommt, das uns zustößt, • Diese neue Art der Kommunikation habe ich ge- das wir nicht verändern können – so bleibt doch im- nutzt, um mit anderen in Kontakt zu bleiben .. mer die Freiheit, uns zu diesen Dingen zu verhalten. • Das gibt mir momentan Hoffnung … Eine Haltung einzunehmen. Unser Leben um die • Das mache ich als Erstes, wenn alles wieder „nor- Pandemie herum zu gestalten. Dies als Vorschlag ei- mal“ läuft … ner konstruktiven Perspektive. Wir geben die Gedanken, die uns auf unser Anschrei- Wir wünschen Ihnen eine interessante und anregen- ben hin erreicht haben, in dieser Broschüre unver- de Lektüre. ändert und unverfälscht wieder. Statements, die mit direktem Bezug auf die gelisteten Orientierungs- Herzlich, punkte formuliert wurden, haben wir gebündelt; Ihr Seniorenamt
4 Stimmen 2020 Warum jammern? Ich bin gesund, habe ein gesichertes Einkommen, ein Als Rentnerin muss ich mir keine Sorgen um meine gemütliches Zuhause, den Wald und die Felder gleich Anstellung machen. Zu meinem Schutz müssen viele vor der Haustür, und hilfsbereite Hausbewohner, die Jüngere Einschränkungen hinnehmen. Zum Einstieg am ersten Tag der Ausgangsbeschränkung gleich in die digitale Welt und Kommunikation werde ich mit einem Rundbrief jegliche Hilfe anboten. Warum sanft gedrängt. „Unvernetzte“ erreiche ich klassisch jammern? Alle Gruppenaktivitäten fielen weg, aber übers Telefon und zwar mit höchster Wahrschein- ich kann auch gut alleine sein. Ich konnte mit allen lichkeit. Ein bisschen zu viel denke ich ans Kochen Freunden, besonders mit denen, die in Altenheimen und Essen, aber meine Bleiweiß-Senioren-Mitturne- leben, regelmäßig telefonisch Kontakt halten. rinnen treffen sich regelmäßig zum Spazierengehen Was mit der vielen Zeit anfangen? Ich mache jeden auf Abstand in der freien Natur. Eine 70+ Hochzeit Tag einen Spaziergang und raffte mich auf, Ge- zu Coronazeiten durfte ich auch schon miterleben. dächtnistraining und Psychomotorik von Prof. Wolf Zu den Protesten ein kleiner Vers: D. Oswald auszuprobieren. Es hat sich gelohnt. Ich Was soll der Groll? Statt Hass, fass Dir Spass! verteile die Übungen über den Tag – es klappt besser Leider wollen wir uns kaum vorstellen, wie es in den als ich dachte und ich werde es beibehalten. Flüchtlingslagern, in den Townships und Minen in Um mich brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, Südafrika oder in den Favelas Brasiliens so zugeht. aber ich schaue sorgenvoll in die Zukunft, wenn ich Anonym (75) an die Menschen denke, deren Existenzgrundlage gefährdet ist. Angst machen mir die nicht eingehaltenen Vorsichts- Ich finde es schön, die Gedanken von den Menschen maßnahmen aus egoistischen oder aus gefährlichen, in Corona-Zeiten in eine Broschüre zu bringen. Das weltanschaulichen Gründen. wird mich sehr interessieren. Wie es so geht. Ich Gefreut habe ich mich über die vielen Ideen und In- freue mich, wenn es wieder eine normale Zeit gibt, itiativen, die ein Miteinander ermöglicht haben. Ich wieder ein Treffen mit Gleichgesinnten geben wür- hoffe Sie bleiben gesund. de, z.B unsere Qi-Gong-Gruppe in Bleiweiß. Das fehlt Anonym (71) mir sehr, aber Vorsicht ist wichtig. Anonym (78) Ein herzliches Dankeschön an alle Menschen, die unsere Broschüre mit ihren ganz persönlichen Einsendungen nicht nur bereichert, sondern als Projekt überhaupt erst möglich gemacht haben. Während der Arbeit an der vorliegenden Broschüre war es mitunter sehr bewegend, durch Ihre unver- fälschten und ehrlichen Texte Einblicke in Ihre Erfahrungen, Hoffnungen und Sorgen zu erhalten. Dieser Dank gilt ausdrücklich auch denjenigen Menschen, deren Einsendungen aus redaktionellen Gründen in der finalen Version nicht berücksichtigt werden konnten. Last but not least ein herzlicher Dank an Herbert Heinzelmann, der uns mit seinem Corona-Tagebuch um- fangreiche Aufzeichnungen seines persönlichen Erlebens zur Verfügung gestellt hat (die wir aus Platz- gründen nur auszugsweise abdrucken konnten).
5 Wir haben im Juni 2020 gefragt ... ... was nervt Sie an der Corona-Krise quent eingehalten, es gibt viel Symbolik. Die Polizei durchfuhr unseren Rosenaupark häufig, war aber am am meisten? Ende nicht ernst genug, um die Undisziplinierten per- sönlich zur korrekten Verhaltensweise anzuregen. Was mich nervt, sind die wenigen Uneinsichtigen, Auch von der Politik hätte ich mehr konkrete Ent- die ohne Maske einkaufen, Bus und Bahn fahren. scheidungen erwartet, und nicht so viel Selbstdar- Diese uneinsichtigen Menschen müsste man eigent- stellung trotz mangelndem Knowhow. Selbst das lich aus den Läden und öffentlichen Verkehrsmitteln Gesundheitssystem, scheinbar zwar relativ gut gerüs- entfernen. tet, aber Glück gehabt, ist in einem Wohlstandsland Anonym (85) wie Deutschland eher zufällig stark genug gewesen. Aber auch hier herrschte großes Nichtwissen, siehe Reservierungen für Corona-Patienten zu Lasten real Viele „Experten“ schlagen gefühlsmäßig etwas vor, kranker Menschen. was nicht belegt ist. Die Anregung, z.B. Abstand, etc. haben mindestens 25% der Menschen nicht konse- Karl-Heinz Roiger (76) ©Foto: M.Dörr & M.Frommherz – stock.adobe.com
6 Wir haben im Juni 2020 gefragt ... ... w as nervt Sie an der Corona-Krise Ein weiteres Ärgernis ist die Kirche, konkret die Ge- meinde in meinem Viertel. Lockdown – und weg war am meisten? sie. Außer man hat E-Mail, dann wird man regelmä- ßig vom Pfarrvikar informiert und erhält ein paar Ich bin ziemlich sauer auf die Banken und Sparkas- geistliche Worte. sen. Ich habe ja viel Verständnis für Einschränkungen Ich würde mir mehr Innovation und Aktionen wün- und Vorschriften, die uns durch die Pandemie aufer- schen. Unsere Senioren haben meist kein E-Mail, legt wurden. Mich hat aber unheimlich gestört, um aber Smartphones haben sie mittlerweile. Andere nicht zu sagen verärgert, dass die Sparkassenfilialen Gemeinden waren und sind immer noch eifrig da- ihre Öffnungszeiten auf ein Minimum von 2-3 Halb- bei, kurze Filme per WhatsApp und Youtube zu ver- tagen reduziert haben. Durch diese Einschränkung breiten. Ich finde, dass dies eine gute Chance wäre waren dann lange Warteschlangen Dienstag und bzw. ist, wenn Enkel oder Kinder ihren Großeltern Donnerstag vor unserer Filiale in Gleishammer zu am Smartphone etwas erklären. verzeichnen, in der Schlange standen überwiegend ältere Leute. Kommuniziert wurde diese Einschrän- Herbert Janousch (65) kung lediglich durch Zettel an der Tür der Filialen und im Internet. Ich habe das Thema mehrmals tele- ... dass trotz allem einige Menschen sehr locker da- fonisch und auch in den sozialen Medien diskutiert, mit umgehen und die Vorsichtsmaßnahmen nicht dort bekam ich zur Antwort, dass für ältere Leute einhalten, obwohl die Krankheit sehr schwerwie- extra ein Servicetelefon eingerichtet wurde. Hinwei- gend und auch tödlich verlaufen kann. se darüber wurden ebenfalls im Internet kommuni- ziert. Unter Barrierefreiheit verstehe ich etwas An- Inge Kriegbaum (73) deres, man hätte die älteren Kunden in solch einer besonderen Situation persönlich anschreiben kön- ... die immer wieder zu hörende Ansicht, wir haben nen, ich meine sogar müssen. Seit ein paar Wochen ja sowieso zu viele Alte und da kommt es auf einen wurden die Öffnungszeiten wieder erweitert, auch weniger oder mehr nicht an. darüber wurde man nur mit Zettel an der Tür infor- miert. Ich denke, dass wir – die älteren Mitbürger – Anonym (70) mehr Service erwarten dürfen. Stimmen 2020 Staunen und Besorgnis 2020 begann für mich mit einer Mischung aus Staunen und Besorgnis wegen der Bilder aus ➜ Zitate aus Politik und Wissenschaft China. Doch schon einige Wochen später war ich „Es geht um Leben und Tod, so einfach ist das zutiefst geschockt und erschreckt über die Ent- und auch so schlimm.“ wicklung in unseren Nachbarländern. Bilder aus Armin Laschet Filmen, die das Thema Pest und andere Epidemi- Minsiterpräsident NRW, 17.3.2020 en der Vergangenheit veranschaulichten, wur- den durch die Totentransporte aus Norditalien lebendig und die Gefahr für uns wurde mir voll bewusst. Diese Realität sowie die erschreckenden Fakten über das Coronavirus waren für mich Motivation, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie
7 Wir haben im Juni 2020 gefragt ... ... die krankhafte Ängstlichkeit von vielen (beson- ders Senioren) – kein Wunder, es gibt ja keinen Tag an dem in den Nachrichten, in der Bevölkerung etc. nicht zigmal das Wort „Corona“ vorkommt. W as mich an Corona am meisten nervt ist die Nichteinsicht man- cher Menschen. Sie beschweren sich … dass es erst so spät Masken gab. Zwischenzeitlich wissen wir ja, dass der Ausbruch in Wuhan im Januar eine Maske zu tragen und Abstand stattfand und auch wie gefährlich das Virus ist. Mas- zu halten, dass dies zu ihrem eigenen ken gab es in Deutschland bei Ausbruch des Virus Schutz beiträgt, wollen manche nicht nicht mal für die Pflegekräfte, für die Bevölkerung erst Monate später. M.W. gibt es eine Behörde mit begreifen. der Bezeichnung Katastrophenschutz, zuständig sind Anonym hier die Länder. Wurde dort nicht alles so ernst ge- nommen, wie es hätte sein sollen und für die Katast- rophe vorgesorgt? … dass ich lange Zeit meine Enkel nicht sehen durf- te, da meine Kinder der Meinung waren, ich müsste als zur „Risikogruppe“ gehörend, geschützt werden. … dass bei vielen Menschen die sozialen Bindungen ➜ Zitate aus Politik und Wissenschaft weggebrochen sind. Sicher, es gibt ja digitale Mög- „Was wir jetzt brauchen, ist für lange Zeit eine lichkeiten – hat hier eigentlich jemand an die Seni- neue Normalität.“ oren gedacht, die diese Möglichkeiten nicht haben? Olaf Scholz … dass auch bei Kindern die sozialen Kontakte un- Bundesfinanzminister, 18.3.2020 tereinander lange Zeit weggebrochen sind, diese sozialen Kontakte sind für die Gesundheit der Kin- der wichtig. Leid tun mir auch hauptsächlich Frauen und Kinder, bei denen in den Familien dieses „Einge- sperrt sein“ Gewalt aufkommen lässt. Anonym voll und ganz zu akzeptieren und meine persönli- waren die vielen Beschwerden über den Freiheits- chen Befindlichkeiten auszuschalten. Es war nicht verlust und die Maskenpflicht. Ist es so schwer, sich leicht monatelang in den kalten Tagen allein zu zum Wohle der Allgemeinheit – und nicht nur der sein, aber die schlimmen Nachrichten überzeugten älteren Generation – etwas einzuschränken, seine mich immer wieder, dass Durchhalten notwendig persönlichen Wünsche als zweitrangig anzusehen? ist. Lesen, Fernsehen, Sudoku, Hausarbeiten und Richtig wütend machen mich die sogenannten Anti- bald auch Maskennähen verkürzten die Zeit und Corona-Demonstrationen, wo Unverständnis, Egois- schafften Abwechslung. Notwendige Pausen und mus, Verschwörungstheorien, Hass und Gewalt das Besorgungen außerhalb der eigenen vier Wände ta- Sagen haben. ten Körper und Geist gut. Das Grünen und Blühen Ich bin optimistisch in Hinblick auf die Folgen der machte dann meine Spaziergänge – man war ja nie Pandemie. Wenn Missstände erkannt und nun be- eingesperrt – zu einem freudigen Erlebnis und ein seitigt werden, der Profitgier Einhalt geboten wird, paar Blumen auf dem Tisch sorgten auch zuhause Hilfe und Rücksichtnahme bestehen bleibt, war die für bessere Laune. Pandemie nicht nur Fluch sondern auch Segen. Was mich in dieser Zeit besonders geärgert hat, Anonym
8 Wir haben im Juni 2020 gefragt ... ... w elche erfreulichen Entwicklun- Hier sehe ich eine positive Entwicklung bei der be- rufstätigen Bevölkerung mit z.B Videokonferen- gen hätte es Ihrer Meinung nach zen und Homeoffice innerhalb von Organisationen. nicht ohne Corona gegeben? Stressiges hin- und herfahren und -fliegen ist nicht mehr unbedingt notwendig. Erfreulich auch, dass die Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit haben zuge- Nachbarschaftshilfe Deutschland doch funktioniert. nommen. Bei mir habe ich festgestellt, dass es gar nicht so Anonym (71) schlimm war, dass zu Beginn keine sozialen Kontak- te stattfinden durften und ich das „ganz locker“ ge- nommen habe. Da war ich von mir überrascht, da ich ein kontaktfreudiger Mensch bin. Hierzu gab es S ehr positiv fand ich, dass sich viele aber auch einen Grund, nämlich, dass ich immer ge- nügend Aufgaben hatte, die ich zuhause erledigen junge Menschen bereit erklärt ha- konnte, da aus Zeiten der vollen Berufstätigkeit eini- ben, für Senioren Einkäufe und andere ges liegen geblieben war. Botengänge zu übernehmen. Anonym Anonym Der Zusammenhalt der Menschen ist mit Sicherheit Ich bin der Meinung, dass die Familien, trotz räum- besser geworden, auch wenn für manche Familien licher Trennung näher zusammengerückt sind. Der Schwierigkeiten einer ganz neuen Art auftraten. Zusammenhalt ist, auf alle Fälle in unserer Familie, Erwin Reitenspieß (85) gewachsen. Unsere Kinder und Enkel haben sich regelmäßig per Facetime, Skype etc. bei uns gemel- det. Vor Corona hat man sich einmal pro Woche ge- Es entwickelte sich wieder Rücksichtnahme und Hilfs- troffen, während des Lockdowns war fast täglich bereitschaft unter der Bevölkerung. Mancher lernte Kontakt. Ich stelle auch fest, dass man jetzt mit Le- dadurch erstmal seine Nachbarn näher kennen. bensmitteln, Fleisch etc. sorgsamer und bewusster Christine Ziegerer (73) umgeht. Herbert Janousch (65) Ich freue mich, dass einige, vor allem junge Men- schen, bereit sind zu helfen. Das Positive an Corona ist, dass es doch noch sehr Anonym (69) viel Hilfsbereitschaft gibt, die es vor Corona in die- sem Maße nicht gab. Inge Kriegbaum (73) Ja, ich war überrascht, dass doch so viele Menschen an einem Strang zogen und relativ vernünftig wa- ren. Anonym ➜ Zitate aus Politik und Wissenschaft „Ich glaube, wir alle, die wir nicht die Experten sind, haben am Anfang das Coronavirus unter- … dass die Leute aufeinander so stark Rücksicht schätzt.“ nehmen und den Mindestabstand einhalten. Keiner Ursula von der Leyen drängelt sich mehr in die Straßenbahn. Natürlich EU-Kommissionspräsidentin, 18.3.2020 fahren auch weniger Menschen Straßenbahn, den- noch hilft der Mindestabstand, dass es etwas gedul- diger zugeht. Marga Einhardt (81)
9 Stimmen 2020 Ich habe einen Corona-Engel Wir leben in einer außergewöhnlichen Zeit. Manchmal hat man als alter Mensch den Eindruck, die junge Generation hat die Tu- genden von Anstand und Sitten abgelegt und wollen nur ihren Spaß am Leben ha- ben. Corona hat mich eines Besseren be- lehrt. Als Anfang des Jahres zu uns die Kunde drang, dass in China ein neues Virus sich verbreitet und was man dort dagegen tat, nämlich Ausgangssperren über das ganze Land verhängte, dach- te ich mir: „das könnte man bei uns gar nicht machen, denn wir sind ja ein frei- es Land, sowas kann nur in einer Dikta- tur geschehen!“ Aber als dann die ersten Ansteckun- gen passierten war es plötzlich auch bei uns möglich. Zuerst sollten ja Alte und Kranke geschützt werden und gar nicht aus dem Haus gehen und bald war auch bei uns alles ruhig, die Straßen leer, wie ausgestorben usw. Ich gehöre altersmäßig zu den Ge- fährdeten. Ich lebe allein und ko- che noch selbst. Wer kauft nun für mich ein, war die große Frage. Aber als ich – es war ungefähr Mit- te März – aus meiner Wohnung ging, fiel mir das beigefügte Blatt Papier entgegen. Es war an meine Wohnungstür geklebt. Ich war so überrascht und natürlich erfreut, dass mir die Tränen kamen. Bei mir wohnt im Haus ein junges Ehepaar und der junge Mann war der Schreiber dieses Angebotes. Mit den beiden habe ich schon länger eine Abmachung. Wenn ich mit meinem Einkaufswagen einkaufen gehe und es für mich zu schwer zum hochtragen in den 3. Stock ist, darf ich im Erdgeschoss den Wagen stehen lassen und wenn Thomas von der Arbeit heimkommt, bringt er mir den Wagen hoch. Für mich verlief Corona also folgendermaßen. Ich brauchte wochenlang nicht aus dem Haus zu gehen und auch heute noch kauft Thomas für mich ein. Wir kommen prima miteinander zurecht. Ich schreibe einen Zet- tel mit Dingen, die ich brauche, lege Geld in ein Kuvert und wir rechnen später miteinander ab. Thomas macht das ganz prima, schreibt einen Gruß auf die Abrechnung und malt mir ein Blümchen dazu. Er ist wirklich ein Engel! Ich habe im Haus dann später noch mehrere Helfer gefunden, worüber ich sehr glücklich bin. Corona hat mir aber gezeigt, es gibt wirklich auch jetzt Menschen, die für andere da sind und einander helfen. Annemarie Seitz (92)
10 Ehrenamtliches Engagement Der vorige Beitrag zeigt, wie sehr Frau Seitz sich Haben Sie Interesse, sich zu engagieren? Dann freu- über die Einkaufshilfe ihres Nachbarn gefreut hat. en wir uns, wenn Sie sich bei Frau Angelika Thiel, Er war für sie ein echter „Corona-Engel“, indem er beim Seniorenamt der Stadt Nürnberg melden. Einkäufe für sie erledigte. Während der Pandemie schränken gerade viele ältere Menschen aus Sorge um die Gesundheit ihre sozia- Ansprechpartnerin: len Kontakte ein. Sie bleiben viel zu Hause und sind Angelika Thiel weniger unterwegs. Hier können Ehrenamtliche hilf- reich tätig werden. Sie können mit älteren Menschen E-Mail: telefonieren und damit Gefühlen der Einsamkeit angelika.thiel@stadt.nuernberg.de entgegenwirken oder als Einkaufshilfe einen wert- Telefon: vollen Beitrag zur Organisation des Alltags leisten. 09 11 / 2 31 66 59 Unterstützung durch Freiwillige schenkt uns in diesen schwierigen Zeiten Hoffnung, deshalb: Werden Sie ehrenamtlich tätig und unterstützen Sie ältere Menschen. Gerade jetzt ist Ihr Engagement besonders wichtig! ©Foto: Andrey Popov – stock.adobe.com
11 Stimmen 2020 Sorgen teilen tut gut Meine „Coronazeit“ als Völlig überraschend ist dieses Virus in einem sicheren Ehrenamtliche Land aufgetreten. Zu spät haben Regierungen diese Seuche erkannt, richtig eingeschätzt und gehandelt. Mitte März 2020 war plötzlich alles anders. CORONA Dieses Virus hat sich dann sehr schnell in vielen Län- Pandemie! Infektionsgefahr! Plötzlich sollten meine dern verbreitet. Es ist ja die Frage, wann klingt diese Aktivitäten außer Haus ruhen. Da ich zu den Corona Seuche wieder ab und wann haben wir wieder den gefährdeten Personen gehöre (über 65 Jahre) wur- Normalzustand. z.B. für volle Ränge beim Fußball, de sogar ich gefragt, ob ich einen Einkaufsdienst im Tennis und Sporthallen etc., vielleicht in einem Jahr? Rahmen der Nachbarschaftshilfe brauche. Solange wir immer wieder Corona-Fälle im Ausland Aber ICH wollte doch etwas für andere Menschen und Deutschland haben, ich sage Nein. tun. Einkaufen für Andere durfte ich ja nicht, jeman- Trotz dieser Ereignisse habe ich mich jedenfalls im- den, der plötzlich einsam geworden ist besuchen, mer wieder beruhigt, da es für mich derzeit ande- war anfangs auch nicht erlaubt. Also rief ich Frau re Probleme der Gesundheit gibt. Ich wohne allei- Thiel vom Seniorenamt Nürnberg an und fragte, ob ne. Doch eine erfreuliche Begebenheit hat meine denn ein telefonischer Besuchskontakt erwünscht Einsamkeit gelockert. Das Seniorenamt der Stadt wäre. Nürnberg hat mir eine sehr nette Dame für einen So bekam ich die Rufnummer von Herrn E. Ich sollte wöchentlichen Besuch zugeteilt. In unseren Gesprä- ihn mal anrufen, da er sich einsam fühle, allein le- chen teilen wir auch das Thema „Corona“ und wis- bend sei, da seine Frau im Altenheim wohne und er sen auch, dass dieses Thema noch lange nicht abge- sie nicht besuchen dürfe. Seit 23. März telefonieren schlossen ist. wir nun fast täglich abends, und wir erzählen gegen- Rudolf Eberle (84) seitig, was so am Tage geschehen ist. Beim 3. Tele- fonanruf hat Herr E. mir schon das „DU“ angeboten. Ende April besuchte ich Herrn E. das erste Mal zu Hause. Wir wollten beide sehen, wer sich am Ende der Telefonleitung verbirgt. Mit Mundschutz, Abstand und Hände desin- fiziert begutachteten wir uns neugierig. Der erste Kontakt war beiderseits positiv. Seither besuche ich Herrn E. einmal in der Woche. Daraus entstanden persönliche Gespräche, Spaziergänge, Malen (Herr E. ist ein Künstler), Gedichte und andere Ge- schichten. Meisten sitzen wir auf der Ter- rasse im Garten und trinken Kaffee und es- sen dabei Kuchen. Aus einem Telefonanruf ist ein wirklicher Besuchsdienst geworden, trotz Maske, Ab- stand und Hygienevorschriften. Roswitha Weinert (71)
12 Corona-Tagebuch von Herbert Heinzelmann 12.3.2020 terferien zu. Wie werden all die Kinder lich, wenn man dazu das Haus verlassen Morgen ist Freitag der Dreizehnte. Ein und Jugendlichen reagieren, die nun muss. Als der Erlass verkündet wurde, Unglückstag für Abergläubische. Aber nicht verreisen können, wie gewohnt? saßen wir zur Feier des Hochzeitstages wir sind in einer unglaublichen Situati- Alle wichtigen Gesichter zeigen sich im mittags im Restaurant von W. Der kam on. Das Leben wird global zum Erstarren Fernsehen auf Pressekonferenzen. Die und sagte, dass sei nun erstmal die letz- gebracht. Ziel ist das Ersterben sozialer Pandemie ist offensichtlich total global. te Mahlzeit im Restaurant. Gastronomie Kontakte. Damit sich das Corona-Virus Ihre Infektionen breiten sich gleicher- muss schließen – zunächst für zwei Wo- nicht weiter verbreitet. Indien nimmt maßen biologisch wie medial aus. Gäbe chen. Baumärkte, Friseure müssen auch. keine Touristen mehr. Amerika unter- es alle politischen Maßnahmen, wenn Irgendwie regt man sich kaum auf – in sagt die Einreise von Europäern. Tsche- wir nicht mit Informationen überschüt- den Medien, in den Foren, in den Tele- chien und Polen schließen die Grenzen. tet würden? Könnten Gesellschaften fonaten. Schwager E. sieht viele Arbeits- Und die Börse stürzt in eine tiefe Grube. mit dem Virus leben und sterben, ohne lose kommen, ist sonst aber frommen So muss es in den Tagen vor dem Aus- dass es alarmierend registriert würde? Mutes. Aber wie lange es immer dauert: Das wissen wir nun nicht mehr. Das Ein- alles wird verschuldet sein: der Staat, frieren der Gesellschaft beschleunigt die Behörden, viele Unternehmen. Kein sich rasant. Wie lange können wir uns Kinobetreiber verdient etwas, keine ➜ Zitate aus Politik und noch in einer Parallelwelt aufhalten, in Band kassiert für einen Auftritt. „Freie Wissenschaft der wir so tun, als könnten wir Pläne Mitarbeiter“ haben keine Termine. um machen wie immer und über Projekte den Tourismus wachsen die Dornen. Die „Das Wichtigste ist die Ge- reden, die sich in ein paar Wochen rea- weltweite Reisewarnung des Außenmi- sundheit. Danach kommen lisieren sollen? nisteriums reicht über die Osterferien soziale Sicherheit und Arbeits- hinaus. Im Restaurant schlug ein trau- plätze.“ 16.3.2020 riger Mitarbeiter („in Kurzarbeit sind Ach ja, die Börse: Tief, tief, tief. Herr wir schon“) vor, doch wenigstens Gut- Hubertus Heil W. von der Sparkasse tröstet: Gold wird scheine zu kaufen für den Neustart. Der Bundesminister für Arbeit und auch verkauft. Die Gelder warten in der Trotz, im Treppenhaus, wie gestern, „die Soziales, 19.3.2020 Schleife. Bald wird es wieder brummen. Gedanken sind frei“ zu singen, wirkt Ach ja: Eilmeldungen, Reise-Untersa- beinahe kindlich. Aber die Fallzahlen gungen, Ansprache des Bundespräsi- steigen, die Toten nehmen zu. In itali- denten, Pressekonferenz der Kanzlerin. en transportieren Militärfahrzeuge die bruch des Ersten Weltkriegs gewesen Das Virus mutiert nicht, die Gesellschaft Leichen zum verbrennen. Da assoziiert sein. Man hält den Atem an. Jedenfalls mutiert. Die Liste der verbotenen Orte man die Kinobilder aus den Pestfilmen. medial vermittelt. Im Kaufhaus herrscht wächst und wächst. Mein Schnupfen Im Supermarkt, dessen Regale hektisch allerdings Normalbetrieb. Noch streiten auch wieder. nachgefüllt wurden, der aber nicht auf- sich die Bundesländer, ob sie Schulen fällig überlaufen war, kräuselte sich die dicht machen. Fußballfelder und Thea- 21.3.2020 Stimmung heute morgen ein wenig ag- ter bleiben schon leer. Enkel sollen ihre Seit gestern gibt es in Bayern also tat- gressiv. Aber ja: es gab Klopapier. Und Großeltern nicht treffen. Und manche sächlich die Ausgangsbeschränkung. wir kauften. meinen, man hätte viel früher die strik- Gänge mit Lebenspartner (oder so) sind ten Maßnahmen ergreifen sollen, die erlaubt zur Lebensmittelversorgung, andere für Hysterie halten. zum Arzt, in die Apotheke, zur einsa- men sportlichen Betätigung oder um 13.3.2020 die tatsächlich frischere Luft zu schnap- In Deutschland machen ab Montag die pen. Schnapp! Auch zur Arbeit ist mög- meisten Schulen bis zum Ende der Os- Bestätigte Neuinfektionen pro Tag in Deutschland 2020/21 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mär Apr Quelle: RKI, 18.04.2021
13 Wir haben im Juni 2020 gefragt ... ... wie finden Sie die Maskenpflicht? ... empfinde ich oft als unangenehm und dennoch ist sie wichtig. Solange es keinen gesicherten Impfstoff gibt, hal- Inge Kriegbaum (73) te ich es für sinnvoll, die Mund-Nasen-Bedeckung A.d.R.: Diese Aussage steht stellvertretend für viele zu tragen und neben der Hygiene die Abstandsre- gleich lautende Einsendungen. geln zu beachten. Das Virus ist nicht lange genug erforscht und sehr tückisch. Rosemarie Geier (85) Masken sind eine lästige Pflicht, ich bin sogar ein Leidtragender, denn ich fahre Mittagstisch (Essen D ie Maske – kein Problem. Es gibt viele lächelnde Augen trotz Maske. Margarete Hoffmann auf Rädern) mit Maske aus. Bei diesen Temperaturen ist das kein Spaß, aber ich trage sie pflichtbewusst. Ich bin kein Wissenschaftler, aber anscheinend sind die Masken auch gut gegen Erkältungskrankheiten, Sie erinnert stets an den Ernst der Lage. denn man hört und sieht fast nicht, dass aktuell Leu- Christine Ziegerer (73) te erkältet sind. Herbert Janousch (65) Das Schlimmste an der Corona-Pandemie war für mich das Masketragen. Mir war sämtliche Lust am Ich habe keine Angst mich mit dem Virus zu infizie- Einkaufen vergangen, weil ich unter der Maske ren, ich bin jedoch vorsichtig. Mit den vorgeschrie- schrecklich schwitzte und die Brille vom Atem be- benen Maßnahmen bin ich zufrieden und halte mich schlug. daran. Gertraud Krammer (66) Renate Petrowski (85) Wer von den normalen Menschen trägt schon gerne eine Maske? Die Begründung für und gegen Masken waren so vielfältig wie das Nichtwissen. Karl-Heinz Roiger (76) ➜ Pressemitteilung Stadt Nürnberg Gesundheitsamt schließt für Publikumsverkehr. 20.03.2020
14 Stimmen 2020 Sprachforscher und Corona Corona von A bis Z Kein anderes Thema hat den Wortschatz 2020 so Das Coronavirus selbst steht schon seit 2003 im Du- stark geprägt wie die Corona-Krise. Zu diesem den, weil damals der Erreger SARS-C0V 1 ins Land Schluss kommt das Leibniz-Institut für Deutsche kam. Ein „Virustyp, der Wirbeltiere infiziert und Sprache (IDS) in Mannheim. beim Menschen Erkältungskrankheiten auslöst.“ Wie das IDS am Montag in Mannheim mitteilte, ha- Die Sprache der Seuche reicht von: ben Forscher etwa 1.000 neue Wörter rund um das A = wie Abstandsgebot und AHA-Regel, über Thema Corona gesammelt. Die Wörter und Wort- C = Corona-Frisur verbindungen reichen etwa von Abstandsgebot und D= Desinfektionsspender AHA-Regel über Balkonklatscher, C-Wort, Coronials, L = Lockdown Drive-in-Test, Superspreaderereignis und Wellenbre- N = Niesetikette cherlockdown bis zu Zoomparty. Die Forscher führen Ö = Öffnungsdiskussions-0rgien (Rede v. Fr. Merkel) auf einer Internetseite alle Corona-Begriffe mit Er- P = Präventionsparadox klärung auf. S = Spendenzaun Neben der Pandemie fanden auch andere Begriffe W = Wohnzimmer Work-out und aus der Politik Eingang in das Wortschatz-Verzeich- Z = Zweite Welle. nis der Sprachforscher. Brexiteer und Remainer fin- Unser Wortschatz hat sich in der Corona-Krise erwei- den sich dort nun ebenso wie Reichsbürger und der tert! Pegidist. Die Corona-Krise ist eine unglaubliche Belastung für Quelle: www.ndr.de/kultur/Sprachforscher-sammeln-rund- alle Bürgerinnen und Bürger, für den Staat und für 1000-neue-Woerter-rund-um-Corona,sprache188.html (Stand: 07.12.2020 14:27 Uhr) die Wirtschaft. Corona fördert aber auch Missstän- de zutage, über die man jahrelang den Mantel des Schweigens gebreitet hat, wie zum Beispiel die Aus- beutung von zehntausenden Arbeitern in deutschen Keine Freundin gibt sich mehr die Klinke Schlachthöfen. und mein Hirn macht auch schon winke, winke. Die Wirtschaft setzt mehr denn je auf ein „Weiter so“. Gudrun Morhoff-Marwitz (86) Manfred Kriegbaum ©Foto: Ulrich Matz
15 Stimmen 2020 Plötzlich Risikogruppe… Risikogruppe eine Diskriminierung und Bevormun- dung dar. Nach meiner Meinung muss jeder selbst Mich bedrückte und ärgerte gleich zu Beginn des entscheiden können, ob er ein erhöhtes Risiko we- Lock-Downs, dass ich plötzlich zur Risikogruppe ge- gen einer Herz- oder Lungenerkrankung oder einer hören sollte. Dass diese Klassifizierung einfach auf- anderen Erkrankung hat. Auch Prof. Lang vom IPG grund des Alters entschieden wurde. Ich, über 60 ist darüber verwundert, wie sich der Blick der Ge- Jahre – Risikogruppe – das ist für mich ein Unding. sellschaft auf Ältere gerade ändert. Er meint, dass Auch wenn das Bundesministerium für Gesundheit bis jetzt eine Risikogruppe Leute darstellten, die für meint, dass ihr Umfeld gefährlich sind. Im aktuellen Sprachge- 1. bei über 60-Jährigen aufgrund des Alterungspro- brauch ist es jetzt plötzlich andersherum. zesses das Immunsystem nicht mehr so gut funkti- Gertraud Krammer (66) oniert wie bei Jüngeren. 2. bei über 60-Jährigen wesentliche Symptome oft ausbleiben oder sich nur schwach zeigen wie z.B. Ich selbst bin 76 Jahre jung, und daher verwundert, Fieber. dass man mich zur „Risikogruppe“ zählt. Da mich Für meine Person (66 Jahre) stelle ich fest, dass es mir nur wenige kennen, die diese Einschätzung vorneh- gesundheitlich sehr gut geht. Ich leite einen Sport- men, empfinde ich es durchaus als Diskriminierung. verein, bin auch Übungsleiterin in zwei Abteilungen, Ich habe schon halb ernst daran gedacht, mich beim mache mindestens 4 Mal/Woche Sport (bis Corona Bundesverfassungsgericht dagegen zu wehren, aber kam), bin stellvertretende Leitung im Krankenpfle- ich weiß, es lohnt der Mühe nicht. geverein Nbg.-Reichelsdorf und jetzt auch im StSR Karl-Heinz Roiger (76) aktiv. Zudem kümmere ich mich noch um einen al- leinstehenden 92-jährigen Mann, der keine Fami- lie mehr hat. Ich bin voll ausgelastet, denn Familie Außerdem fand ich, die vielen Hinweise auf Corona- habe ich auch noch. Ich kenne viele Sportkollegen Erkrankungen in den „Risiko-Gruppen“ wurden ent- und Freunde, die sich in der Altersgruppe 60+ be- schieden zu allgemein gehalten. Daraus folgte bei finden, die total fit sind. Vergleichsweise dazu sind der jungen Generation sehr oft eine spürbare, un- viele Jüngere nicht so beweglich, elastisch und vital liebsame Abneigung gegenüber den „sogenannten und des Öfteren krank. Alten“. Zu Punkt 2. hat sich ja inzwischen herausgestellt, Christine Ziegerer (73) dass die Symptome, unabhängig von der Altersstufe, nicht oder unterschiedlich auftreten können. Für die Die Gleichstellung als Risikogruppe ab 60/65. Ich bin Klassifizierung in die Risikogruppe ab 60 Jahre sind 66 und werde nun in diese „Schublade“ gesteckt. für mich die Vorerkrankungen und natürlich Multi- Mir ist jedoch völlig klar, dass es schwierig ist, eine morbidität entscheidend. Da ich Gott-sei-Dank keine Grenze zu ziehen. mir bekannte, diesbezüglich relevante Vorerkran- kung habe, stellt für mich die Einstufung in diese Anonym COVID-19-Todesfälle in Deutschland nach Altersgruppe und Geschlecht (Stand: 18.04.2021) 40.000 20.000 Männlich Weiblich 0 bis 4 Jahre 5 bis 14 Jahre 15 bis 34 Jahre 35 bis 59 Jahre 60 bis 79 Jahre 80+ Jahre Quelle: RKI, 18.04.2021
16 Stimmen 2020 Erfahrungen eines sigkeit wurde entnommen. Wenige Tage nach der Operation kehrten bei mir alle normalen Fähigkei- Patienten ten wieder zurück. Ich merkte: Ich kann wieder flüs- sig sprechen, auf dem linken Ohr konnte ich wieder Im Jahr 2014 wurde bei mir durch EKG vom Haus- besser hören usw. arzt erstmals festgestellt, dass ich Vorhofflimmern/ Vorhofflattern habe. Von jenem Zeitpunkt an wurde Gegenwärtig werde ich während einer dreiwöchi- mir von Ärzten empfohlen, das Blutverdünnungs- gen Reha gut betreut in der Fachklinik Herzogen- mittel „Marcumar“ fortan einzunehmen. Dadurch aurach. Nur muss noch in Gesprächen mit Ärzten sollte die Bildung eines Blutgerinnsels im Herzen entschieden werden, welches Blutverdünnungsmit- verhindert werden, das zu einem Schlaganfall füh- tel ich in Zukunft statt Marcumar einnehme, damit ren könne. nicht wieder eine Ansammlung von blutiger Flüssig- keit im Schädel erfolgt. Gleichzeitig soll aber das zu- Bis vor Kurzem ging alles gut. Aber in den Monaten künftige Blutverdünnungsmittel dafür sorgen, dass April und Mai stellte ich fest, dass deutliches Spre- kein Schlaganfall durch Blutgerinnsel entsteht. Zur- chen mir schwerfiel. Dann merkte ich, dass ich auf zeit erhalte ich zu Blutverdünnung täglich 2 Spritzen dem linken Ohr schlecht hören konnte. Diese Män- Clexane. gel betrachtete ich zunächst als hinzunehmende Alterserscheinungen. Als aber in den allerersten Ta- Als Patient habe ich folgende Beobachtung gemacht: gen im Juni 2020 plötzlich Inkontinenz bei mir auf- Während meines Aufenthaltes in der Nürnberger trat und mein langsamer Gang von meiner Frau und Süd Klinik und jetzt während der Reha in Herzogen- unserem Sohn beobachtet wurde, besorgten meine aurach tragen alle Patienten und alle vom Kranken- Angehörigen einen Einweisungsschein für meine hauspersonal wegen der Corona-Pandemie vorbild- Untersuchung im Krankenhaus. lich und konsequent die Mund-Nasenmaske. Heute betrachte ich diese Einweisung als eine le- Ich danke Gott, meinen Angehörigen und dem me- bensrettende Maßnahme. Ich kann mich überhaupt dizinischen Personal, dass man mir im Alter von nicht daran erinnern, dass ich nachmittags am 03. 89 Jahren in einer solchen lebensbedrohlichen Situa- Juni 2020 mit dem Krankenwagen in die Nürnber- tion so gut geholfen hat. ger Nord-Klinik gefahren wurde. Mein Zustand muss Dieser Bericht wurde von mir geschrieben am Sonn- erbärmlich gewesen sein, denn im Bericht der Klinik tag, den 05. Juli 2020 in Herzogenaurach. ist die Rede von: „zunehmender Somnolenz, Verwir- rung, ausgeprägtes Subdural-Hämatom“ Rudolf Ovenhausen (89) Ohne dass ich es merkte, wurde ich am 04. Juni 2020 PS. Als ich vor genau 89 Jahren am 05. Juli 1931 ge- mit dem Krankenwagen zur Nürnberger Süd-Klinik boren wurde, war jener Tag auch ein Sonntag. gefahren. Dort wurde ich vormittags in der Neu- rochirurgischen Abteilung durch Aufbohren des Kopfes operiert, und die angesammelte blutige Flüs- ➜ Zitate aus Politik und Wissenschaft „Dies sind die wichtigsten Säulen, um das Coronavirus in Deutschland zu bekämpfen: • Das Virus eindämmen, z.B. durch ausreichend Tests und Abstand halten, • Schutz derer, die Schutz brauchen, • Versorgungskapazitäten erhöhen“ Prof. Dr. Lothar H. Wieler Präsident des Robert Koch-Instituts, 26.3.2020
17 Corona-Tagebuch von Herbert Heinzelmann 23.3.2020 RKI: In Deutschland 32000 Fälle, 150 Das Wochenende ist vergangen. Der Tote. 5600 Genesene „Wir stehen am Samstag war regnerisch, der Sonntag Anfang dieser Epidemie…“ Seit Tagen. schön und kalt. Hoffnung – gibt es ir- Wann gibt es erstmal eine Mitte? ➜ Zitate aus Politik und gendwo nicht. Gestern bei Anne Will Ach ja: Auf RTL gibt es ein seltsames Wissenschaft sprachen Medizinerinnen wieder da- Format: „Die Quarantäne-WG“; Gün- „Die überwältigende Mehr- von, dass wir erst am Anfang einer ther Jauch und Thomas Gottschalk Katastrophe seien. Ach, ja. Wir sind ja quatschen sinnlos vor Kameras mit dem heit der Menschen hat ver- nun – außer mit triftigen Gassi-Gründen quarantierten Oliver Pocher. Soll hohe standen, dass es jetzt auf – zum Heimverbleib verpflichtet. Ges- Einschaltquoten bei Jungen haben. So jeden und jede ankommt. tern schlossen sich die anderen Bun- schnell gesundet die ohne Virus absurde Dass jeder und jede seinen desländer den Verfügungen aus Bayern Welt in der Krankheit nicht. Teil dazu beitragen kann, weitgehend an. Mehr als zwei Personen miteinander sind demnach eine verbo- 29.3.2020 aber auch muss, das Virus tene Versammlung. E. und M. waren als Die Normalität der Ausnahmesituation. aufzuhalten.“ Kernfamilie dennoch zu Gurkensuppe Aber so recht gewöhnt man sich nicht Angela Merkel und Meerrettichgulasch bei uns. Wir ein. Am Freitag war ich bei Karstadt. imitieren das Leben. Wir strukturieren Kanzlerin, 22.03.2020 Karolinenstraße wie früher an einem es mit Ritualen. Gestern Balkonsingen Sonntag im Regen. Beim Kaufhaus ver- mit „Freude, schöner Götterfunken“. dichten sich ein paar Menschen. In der Um 21 Uhr läuteten alle Glocken der Lebensmittelabteilung sind nur drei Stadt. H. und ich klatschen, wie aus dem Kassen besetzt. Alles vorhanden, auch 5.4.2020 großen weiten Netz gewünscht, einsam Mehl, nur Hefe nicht. U-Bahn fast nor- Da bäumt sich die metaphorische Wol- auf dem Balkon. Kerzen stellten wir mal besetzt, die Passagiere umschlei- kenwand in die gnadenlos freundliche nicht in die Fenster. Aber während Anne chen einander. Auch ich habe Leder- Sonne. Wir haben uns als Flucht aus der Will habe ich gesagt: Wir sollten uns mit handschuhe dabei. Kulturwüste die ersten vier Folgen der dem Begriff Abschied vertraut machen. alten Serie „Lost“ angeschaut. Alles ist so wahnsinnig perspektivlos. 1.4.20 Mediziner und Politiker sorgen für Be- Trotzdem reden viele Menschen von Zu- 7.4.2020 atmungsbetten. Doch das Virus scheint kunft, als sähe sie genauso aus wie die Uns geht es gut, weil wir privilegiert einfach zu bleiben. Vielleicht ist es ja Vergangenheit. Ich kann das nicht nach- sind. Die Rente fließt. Wir hüten keine eine gute Nachricht, dass die Zahl der empfinden. Kinder. Am Abend wieder die geballten Toten in Deutschland noch unter 100 Heute Morgen auf dem Weg zum Bahn- Informationen vom Bildschirm. sein soll. Und wären die vielleicht sowie- hof und zurück versteckte kaum jemand so gestorben? Eine Milliarde Inder aber die Nase. Ganz leer war der Bahnhof lebt unter Ausgangssperre. Wie darf ich nicht, und dort wenigstens hat der Zeit- mir das vorstellen? schriftenladen noch auf. Ein bisschen Lesestoff geholt. Aber ich lese ja gar 25.3.2020 nicht viel, weil ich ständig die Lage son- Keiner weiß was, alle tappen im Dun- diere oder mit Menschen medial kom- keln. Und manche Mediziner sprechen muniziere. Ach ja: die Sterbezahlen in weiter davon, dass wir am Beginn der Altenheimen steigen. Krise sind. Gerade kommen Zahlen vom Bestätigte Neuinfektionen pro Tag in Deutschland 2020/21 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mär Apr Quelle: RKI, 18.04.2021
18 Wir haben im Juni 2020 gefragt ... ... w elches Buch kann ich allen ganz Ich habe viel gelesen: - Daniel, mein jüdischer Bruder besonders ans Herz legen? von Marianne J. Voelk; - Angstfrei Leben von Lucinda Bassett Zum Nachdenken kann ich das Buch „Die Hütte“ von und bin noch dabei: William Paul Young empfehlen. - Der Drache kommt! von Frank Gräsel Inge Kriegbaum (73) – unbedingt zu empfehlen – Günther Weiß (71) Ferdinand von Schirach: Der Fall Collini (Psychologie, Recht, Geschichte – alles in einem Buch und auch „Wovon wir träumten“ von Julie Otsuka und „Deine noch spannend). Ich lese hauptsächlich Biografien, Juliett“ von Mary Ann Shaffer zurzeit von Jade Godall. Das ist eventuell nicht nach Anonym jedem Geschmack, aber empfehlenswert. Anonym Leider lese ich keine Bücher, da bin ich ganz schlecht, aber die tägliche Tageszeitung ist ein Muss, das kann Die Tageszeitung und historische Romane nehme ich ich gerne empfehlen, wenn man die Fake News im gerne zur Hand. Internet so liest, sollte die Tageszeitung für Jeden Anonym Pflicht sein. Herbert Janousch (65) ©Foto: Kzenon – stock.adobe.com
19 Stimmen 2020 Die Kuh ist noch nicht vom Unsere in Norddeutschland lebenden Kinder trafen wir per Videokonferenz. Unsere Nachbarn aus dem Eis Erdgeschoss, deren Kinder in unmittelbarer Nach- barschaft wohnen, trafen sich regelmäßig am Kü- Eigentlich bin ich kein ängstlicher Mensch und Pro- chenfenster mit Kindern und Enkeln mit gebühren- bleme waren für mich immer dazu da, um sie zu lö- dem Abstand von ca. 3 Metern. sen. Zu Beginn der Coronazeit wusste ich noch wenig über das Virus und dachte nur, dass viel zu viel Panik Alles in Allem haben wir die Zeit bis jetzt gut über- gemacht wird. Schulschließungen waren für mich standen, wofür ich sehr dankbar bin. Dankbar bin ich undenkbar. Dann ging aber alles Ratz Fatz! Glück- auch für mein in der Regel wunderbar unbeschwer- licherweise bekam ich 2 Tage vor dem allgemeinen tes Leben, welches ich vor der Pandemie hatte. Und „Lockdown“ einen Haarschnitt. Zu diesem Zeitpunkt trotz vermeintlich überstandener Probleme dürfen waren die meisten Geschäfte schon geschlossen. wir nicht nachlassen, die erlernten Hygienevorschrif- ten einzuhalten, denn wie sagt ein altes Sprichwort: Daraufhin begann die Zeit, in der ich über die Me- „Die Kuh ist noch nicht vom Eis.“ dien von Tag zu Tag mehr über Systemrelevanz und das Virus lernte. Die TV-Beiträge aus Bergamo wa- Anonym (67) ren dramatisch und machten mir klar, dass es sich bei dem Virus nicht um eine „kleine Grippe“ handelt. Inzwischen begegnete ich dem Thema mit Respekt. Oft rieb ich mir die Augen, weil ich das Alles nicht Bewegt in der Natur für möglich gehalten hätte. Mit viel Rad- und Rennradfahren bin ich CORONA Mit ein paar Wochen Kontaktbeschränkung war es in der Natur entkommen. GOTTES Schöpfung ist so dann auch nicht getan. Sie wurde immer wieder vielfältig. verlängert, bis die ersten zaghaften Lockerungen kamen. Obwohl ich mit meinem Ehemann zusam- Habe viel mit unseren Anvertrauten telefoniert – menlebe, wurde mir die Zeit während der Kontakt- mehr war leider nicht möglich – Abstand! beschränkung lang. Abwechslung boten die vielen Ich hoffe stark, dass die Medizin bald ein Mittel ge- Telefonate, nette Videos über Whats-App und na- gen CORONA findet und ich wieder Besuche in Al- türlich meine Fahrradausflüge in der Frühlingsonne. tenheimen und Krankenhäusern machen kann. Ach ja, und dann war da noch das Essen. Gutes Es- Günther Weiß (71) sen war in dieser Zeit wichtiger denn je. Während wir früher oft mehr beiläufig gegessen haben, weil nun gerade die Mahlzeit dran war, haben wir jetzt bewusst genossen, denn wir hatten genug Zeit und wussten um die Kostbarkeit der Nahrung und die Zerbrechlichkeit des Lebens. ➜Z itate aus Politik und Wissenschaft In der Bundespressekonferenz hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, auch über Ostern die Kontakteinschränkungen einzuhalten. „Bleiben wir konsequent, wird die schrittweise Rückkehr zur Normalität wahrscheinlicher. Werden wir nachlässig, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verlängerung der Auflagen nötig wird“, so Spahn in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, RKI-Präsident Prof. Lothar H. Wieler und Stressforscher Mazda Adl. 09.4.2020
20 Stimmen 2020 Meine unterschiedlichen Corona-Schreck Rollen Seit knapp drei Jahren besuchte ich meinen Mann täglich im Pflegeheim. Am 14. März 2020, meinem Ich fange an mit der Rolle des aufmerksamen, neu- 86. Geburtstag, stand ich plötzlich vor verschlosse- gierigen, lernenden Zeitzeugen: Gespannt habe ich ner Tür. Welch ein Schock! Ich heulte. Meine Tochter den Virologen im Fernsehen zugehört. Gründlich wie musste mich erst beruhigen. Gott sei Dank haben ein Schüler vor der Prüfung habe ich alle möglichen wir beide ein Handy, ich telefonierte mit ihm. Er war (Fach-)Artikel in Zeitungen und Magazinen gelesen sauer, weil er nicht mit durfte. Auf der Fahrt zum – und versucht, zu verstehen. Und habe so die Welt Lokal rief ich nochmal an. Er entschuldigte sich und der Viren entdeckt: Ihre Vervielfältigungs-Mechanis- gratulierte mir. men und ihre Andock-Tricks, um in einen Körper ein- zuwandern und dessen Abwehr auszuschalten. Ich Als wir im Lokal ankamen, warteten die Enkel. Sie habe gelernt, dass Virus nicht gleich Virus ist (und waren sehr enttäuscht, weil der Opa nicht dabei war. warum ich deshalb jedes Jahr eine neue und etwas Nach vier Wochen (am 16. April) hatten wir unsere anders wirkende Grippe-Impfung brauche). Und in Eiserne Hochzeit. Aus acht Metern Entfernung konn- den letzten Wochen, dass bei den einen Viren die ten wir uns zuwinken. Es war sehr deprimierend, ich überstandene Infektion immunisiert für lang oder war seelisch und körperlich fix und fertig. Ich heulte immer. Und bei anderen eben nicht – möglicherwei- immer wieder. Ab 20. Mai konnte ich meinen Mann se nicht bei COVID-19. Das bremst den Optimismus. mit fester Maske und zwei Metern Abstand für eine halbe Stunde besuchen. Es ist trostlos. Wie lange Eine andere Rolle ist vollgepackt mit unbeschreiblich noch? großer Dankbarkeit: die des unabhängigen und ge- sunden Ruheständlers. Alle jüngeren Generationen Seit Mitte Juni kann ich meinen Mann nach Verein- haben massive, oft existenzbedrohende Einschnitte barung besuchen. Es ist eine harte Zeit. Die Masken- hinnehmen müssen (und müssen noch): KiTa-Kinder pflicht ist sehr anstrengend. Mal ziehe ich die Brille, und Schüler, Kurzarbeiter und Selbständige, Home- mal das Hörgerät oder beides mit runter, wenn ich Officer und Pflegepersonal. Und natürlich die Alters- die Maske abnehme. Saublöd. Ich hoffe und wün- genossen in Heimen und Kliniken. sche nur, dass es bald besser wird. Ich wäre froh, wenn die Gymnastik im Bleiweiß bald wieder statt- Noch in Jahren (wenn ich sie erlebe) werde ich da- findet, das Zusammentreffen fehlt. von schwärmen, welche Ruhe über das Land und an den Himmel kam. Auto-leere Autobahnen. Kon- Anonym densstreifen-freies Blau am Himmel. Die ungestörte Schönheit der Nürnberger Altstadt – in vierzig Jah- ren nicht gesehene Details an Häusern und Brücken. Merkwürdiges 2020 Eine dritte Rolle noch: die des inständig Vertrauen- Zahlen sind für viele Menschen etwas sehr Ab- den – auf die Vernunft und Geduld und Verantwor- straktes. Besonders die Geschichtszahlen, die tungsbereitschaft ganz, ganz vieler. Damit die Glut- wir uns als Schüler merken mussten. Da gab es Nester des Virus (so hat’s ein Mediziner beschrieben) dann die sogenannten Eselsbrücken wie: „333 nicht immer wieder neue Nahrung bekommen. bei Issos Keilerei“, „753 Rom kroch aus dem Denn: Ich trage die Maske selbstverständlich und Ei“. Wie werden sich die Menschen die Jahres- problemlos. Und ich halte angemessenen Abstand zahl der Corona-Pandemie zeitstabil merken zu Bekannten und Fremden. Aber ich freue mich rie- können? Ich glaub, dass es sehr einfach ist, da sig auf den Tag, an dem ich ohne Voranmeldung und es zwischen Corona und der Jahreszahl 2020 ohne Namensangabe in den fast vollen Biergarten zufällig eine Parallele gibt. Ihnen wird das gehen kann und mit dem mir unbekannten, aber sicherlich auch schon aufgefallen sein. netten Nachbarn am Tisch fröhlich anstoßen kann. Ja es ist 2x das O und 2x die Null Raimund Loebermann (76) Anonym
21 Stimmen 2020 Unsicherheit & Vertrauen zu unserem Unverständnis Schöpfer Am Anfang war Angst. Unsicherheit, diesen Gegner Die Entwicklung ist, dass diese Pandemie uns Men- nicht zu sehen, nur zu wissen, dass es das Virus gibt. schen auseinandergebracht hat, aber auf der ande- Masken tragen, Hände waschen, keinen Kontakt zu ren Seite wieder zusammenführt in Gedanken mit Freunden, Kindern und Enkeln, schnell zum Einkau- Hilfe jeglicher Art. Wir müssen Abstand halten, aber fen, wieder nach Hause. Was machen, dass die Zeit die Freundschaft und Liebe nimmt zu! Der Mensch vergeht? Bücherschrank durchsuchen und lesen. Le- ist ein soziales Wesen und wir brauchen uns gegen- sen, das war meine Rettung. Bücher, die ich schon seitig. mal gelesen habe und doch anders waren, wie vor Wir sollten alle mehr Vertrauen zu unserem Schöp- Jahren. Telefonieren mit Freundinnen, Kindern und fer haben, denn er liebt seine Geschöpfe und wird Enkeln, die Drähte glühten (die Rechnung auch). uns sicher aus der Krise helfen! Spazieren gehen, aber Abstand halten. Kein Kino, keine Kultur, keine Bibliothek, immer Corona im Ich persönlich denke darüber nach, was kann ich Kopf, Trauer um die vielen Toten und kranken Men- nach der Corona-Krise noch tun und wie könnte ich schen bei uns in der Welt. Aber auch das Glücksge- noch helfen. fühl, die eigene Familie ist gesund. Eva Maria Panahi (81) Das Unverständnis gegenüber den Demonstranten, das Vertrauen in die Politiker, die ihr Bestes gaben und die Hoffnung, dass es bald besser wird und die ➜ Zitate aus Politik und Wissenschaft Welt sich doch ein wenig zum Positiven ändert. „Diese Pandemie ist eine demokratische Zumu- tung.“ Martina Chini (70) Angela Merkel Kanzlerin, 20.4.2020 ©Foto: Peter Maszlen – stock.adobe.com
Sie können auch lesen