"wir sind die gibb" GIBB INTERN - DAS MAGAZIN DER GEWERBLICH-INDUSTRIELLEN BERUFSSCHULE BERN / JUNI 2018
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«wir sind die gibb» GIBB INTERN – DAS MAGAZIN DER GEWERBLICH-INDUSTRIELLEN BERUFSSCHULE BERN / JUNI 2018
«Wir sind die gibb» – die Fotografien von Ruben Ung folgen diesem Titelmotto. Die sieben Porträtierten haben das Editorial und die Schwerpunktartikel dieses Hefts verfasst. Sie repräsentieren ihre Abteilung und gleichzeitig alle anderen Lernenden und Studierenden der gibb. Lea Krieg
GIBB INTERN / JUNI 2018 3 Editorial Wir sind die gibb – persönliche Geschichten von Lernenden Als grösste gewerblich-industrielle Berufsschule der Schweiz unterrichten wir junge, ambitionierte Menschen und unterstützen sie darin, ihren Zielen einen Schritt näher zu kommen. 7000 Lernende erlernen einen von 61 Berufen, unterrichtet von 600 Lehrpersonen und unter- teilt in sechs Abteilungen. Ich bin als lernende Kauffrau seit dem Sommer 2016 ein kleiner Teil dieser k antonalen Institution. Schon zu Beginn wurde mir klar, wie der Hase läuft. Immer ist viel los und immer gibt es etwas zu erledigen. Gerne vergleichen wir uns mit einem Bienenhaus: Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter surren durch die Gänge und gehen ihren Arbeiten nach. Personen aus verschiedenen Berufswelten treffen aufeinander, Schülerinnen und Schüler erweitern ihr Wissen und entwickeln sich beruflich und persönlich weiter. Dies macht die gibb für mich zu einer sehr vielseitigen und interessanten Arbeitgeberin. Im Abteilungssekretariat, in der Telefonzentrale wie auch in der Personaladministration lerne ich vielfältige Arbeitsplätze kennen und kann mithelfen. Da ich selbst Lernende bin, weiss ich, dass die Berufsschule einem nicht immer Freude bereitet. Nebst den Bewertungen im Betrieb wird verlangt, dass man Hausaufgaben erledigt und sich auf tonnenweise Prüfungen vorbereitet. Daneben soll man sich zum Ausgleich natürlich noch sportlich oder kreativ betätigen. Selbstverständlich dürfen auch Familie, Freunde und Freundinnen nicht zu kurz kommen. Das normale Leben eben, welches sich neben allem anderen noch abspielt. All das kann ganz schön viel werden. Manchmal fragt man sich, wie man mit all dem klarkommen soll? Wie bringt man als ambitionierter Sportler alles unter einen Hut? Welche Prioritäten setzt man als begeisterter Musiker? Wie bewältigt man die täglichen Herausforderungen als Autist? Die gibb versucht, die Lernenden zu unterstützen, ihnen die Ausbildung so a ngenehm wie möglich zu gestalten und sie angemessen auf den Berufsalltag vorzubereiten. Die Lernenden gehen ihre eigenen Wege und bereiten sich auf die Z ukunft vor. Mit ihren persönlichen Geschichten lassen sie uns in diesem Magazin in ihren Alltag blicken nach dem Motto: «Wir sind die gibb». In einem bunten Reigen an Texten – vielfältig wie die gibb und ihre Lernenden eben sind – können wir daran teilhaben, wie die Lernenden mit all den Freuden und Leiden umgehen und die von verschiedenen Seiten an sie gestellten Erwartungen erfüllen. Lea Krieg, lernende Kauffrau gibb, 2. LJ
4 GIBB INTERN / JUNI 2018 Inhalt Gut zu wissen Gut zu wissen Projekt- und Themenwoche BMS 4 Eine Reise durch Israel und Palästina Eine Reise durch Israel und Palästina Flurina Pauli, Miriam Rädler, Nikola Vucic, Manuel Iseli, Svenja Jost Wie wäre es, sich für einmal nicht nur aus 7 Fleissiges Schreiben am Business-Plan den Medien über Israel und Palästina zu Kathy Gerber, Céline Schüpbach informieren, sondern sich vor Ort mit den Menschen und ihrer Lebensrealität aus «Wir sind die gibb» einanderzusetzen? Eine BMS-Gruppe 9 Wie ich Sarah Grandjean unter der Leitung von Melanie Spori und Silvia Krauer hat diese Projektwochenidee 10 Wer achtet schon auf die Steckdosen! Raphael Iseli Realität werden lassen. Mit Unterstützung der Abteilungs- und Schulleitung und 12 Ein Asperger Autist zu sein ist Segen und Fluch zugleich unter Berücksichtigung der EDA-Empfeh Jonny Widmer lungen reisten sie Ende März eine Woche 13 Vom Glück, auf drei so empathische lang durch Israel und Palästina. Dabei und engagierte Wesen zu stossen sind folgende Texte entstanden, die wir in Alena Bütikofer leicht gekürzter Form veröffentlichen. 16 Unser Lohn sind die Freudenschreie, die wir auf der Bühne hören Florian Badertscher 17 «Schauen Sie beim nächsten Theaterbesuch mal nach oben!» Leon Gian Bichsel 20 Miniaturen «Wir sind die gibb» Lernende Atem holen 32 Ein Abendessen in Frankreich Severin Beutler
GIBB INTERN / JUNI 2018 5 Die Reisegruppe in Jerusalem. Eine Wand voller bunter Zeichen Eine mächtige Wand erstreckt sich über 759 Kilometer durch das Land. Sie führt über Hügel, durch Täler und lässt nichts und niemanden vorbei. Standhaft wie ein Berg und unüberwindbar wie die Sicher- heitswalle eines Gefängnisses. Sie trennt Strassenseiten, Dörfer, ja sogar Famili- en. Kein Grundstück ist vor ihr sicher, keine Plantage wird von ihr verschont. Sie besteht kaum aus geraden Linien, sondern aus Kurven und schlangenför migen Bewegungen. Laufend wird sie verlängert, weiterge- baut und erneuert. Teilweise ist sie aus Stahlbetonplatten gebaut und ragt bis zu acht Meter in die Höhe. Darüber befindet ist rau, grob und kalt. Sie strahlt kaum Begründet wird ihre Existenz mit dem sich ein kleiner Zaun, der mit Strom etwas anderes als Hass aus und ist zu Schlagwort «Sicherheit». Sie ist ein geladen ist, teilweise auch Stacheldraht. einem Symbol für die Ungerechtigkeiten Konfliktpunkt zwischen zwei Religionen An einigen Orten besteht nur ein Zaun, in diesem Land geworden. und zwei Völkern. Sie nimmt Freiheit, der ihre Rolle übernimmt und die Grenze Man kann viele Anzeichen von Rebellion schenkt anderen die gewünschte Sicher- weiterzieht. Auch er wird bald durch rie- an den mattgrauen Flächen sehen. heit und trennt sogar diejenigen, die sige Massen von Beton ersetzt werden. Unzählige Graffitis mit politischen Aus- nicht getrennt werden wollen. In regelmässigen Abständen ragen sagen zieren sie. Es sind farbige darun- Es ist die Mauer zwischen Israel und Wachtürme in die Höhe, die einen weiten ter, aber auch einfache Kunst mit einer Palästina. Überblick ermöglichen. Die ganze Mauer starken Aussage. Genau diese Kunst hat hat kleine Risse und Löcher und wirkt ein grosses Aufsehen in der Welt erregt Flurina Pauli porös. Sie wird von Wind und Wetter und viele Reisende kommen heute hier- nicht verschont und trägt deshalb viele her, um die Werke zu sehen. Durch die Zeichen der Abnutzung. Ihre Oberfläche Graffitis ist die hässliche und gehasste Mauer zu einer bunten, aussagestarken Wand geworden, die zeigt, dass die Bevölkerung nicht so schnell aufgibt. Manche hassen sie, manche l ieben sie.
6 GIBB INTERN / JUNI 2018 Interview with Mirvate, Mother of our even if I think there was serious war I Überwachungsturm des Militärs, welcher Palestinian Host Family in Bethlehem would not change my opinion. I grew up wie ein allessehendes Auge auf die How does the education system work here and I don’t know anything else than Siedlung schielt. Der massive Schlüssel in this region and do your children have Palestine. I would feel uneasy some- auf dem Torbogen ist ein Symbol dafür, good possibilities for the future? where else. dass die von den Israelis vertriebenen Actually very good, my daughter wants to What do you think about all the different Palästinenser noch immer die Schlüssel be a tourguide and my son is now study- forms of religion in Jerusalem? ihrer ehemaligen Häuser aufbewahren. ing to become an accountant. The gover- We are all just humans, we should all live Häuser, die heute fast alle nicht mehr ment wants that the children educate in peace with each other. existieren. So hat sich diese Siedlung, themselves but the problem is that they die es seit 1950 gibt und anfänglich aus cannot find a job afterwards. Further- Miriam Rädler, Nikola Vucic Zelten bestand, zu einem Quartier ent more, the Palestinian children can only wickelt, in dem bereits die nächsten attend a Palestinian school not like the Generationen aufgezogen worden sind. Israeli children who can go to schools Ein neues Zuhause Ein ganz normaler Tag im Aida Flüchtling- on both sides. Auf den ersten Blick könnte man meinen, scamp, in dem ungefähr 5500 geflüch What do you think about the man befinde sich in einer normalen tete ihr neues «Zuhause» gefunden Palestinian-Israeli conflict? palästinensischen Siedlung. Eng anein- haben. It will never end. In my opinion, the best andergebaute, eher rudimentäre, maxi- soulution for the conflict are two states, mal drei Stockwerke hohe Betonhäuser. Manuel Iseli Palestine and Israel. It is only the gover- Viele der Häuser sind nicht fertiggebaut ments which are arguing and fighting oder beschädigt. Die rauen Betonfas each other. The people who live here, saden sind teilweise durch bunte Male- Mit den Jeeps durch die Judäische Wüste they don’t care where you are from. reien verziert worden. Viele von ihnen Nur vage nehme ich durch meine müden They could live in peace with everybody. scheinen aber schon sehr alt zu sein, Augen die Umrisse des Wüstencamps But I have to admit if Palestine had its die Farbe blättert langsam ab. Aus den wahr, höre dumpf die flüchtigen Gesprä- own state, it would be hard for Palestine schmalen Gassen hört man Geschrei und che. Die Luft ist kühl, aber angenehm to build up the infrastructure for exam- Lachen spielender Kinder. Über ihren frisch von der Nacht. Ich ziehe den Reiss- ple water for everyone, the streets or Köpfen hängen zusammengebastelte verschluss meiner Jacke weiter nach airports for tourists like you. Stromkabel, die die Häuser mit Elektrizi- oben und laufe meinen Freunden hinter- Do you realize the war in your daily life? tät versorgen. her. Das einzige Geräusch neben dem We are living here in area A which is Die Strassen, auf denen die Kinder spie- Knirschen von Schuhen auf Sand und under Palestinian control but safe. I can- len, sind löchrig und uneben. Sie sind so Steinen ist das Brummen von Motoren. not really feel the war in my daily life. schmal, dass an einigen Stellen sogar Unser Tourguide Yamen läuft auf uns zu For instance I can go to the market and die Durchfahrt mit einem Auto schwierig und drückt uns seine mitgebrachten do my duties. The only thing where I can wird. Diese Strassen sind sehr lebendig. Wasserflaschen in die Hand, dann winkt notice the war is when I want to travel Viele, vor allem junge Menschen, sind er uns zu den Guides weiter. Der Duft somewhere further. There are a lot of unterwegs, sprechen miteinander, von Benzin steigt mir in die Nase. Ein checkpoints and I cannot pass without spielen Fussball, betreiben ein kleines halbes Dutzend weisser und weinroter valid papers. Geschäft oder schauen einfach nur zu. Jeeps wartet auf uns, ihre grellen Flut- Are you afraid of the military? Aus einer kleinen Gasse biegt ein altes lichter durchbrechen die Dunkelheit und Yes, I am expecially scared when I am in Auto auf die belebte Strasse. Sofort hält zwingen uns die Augen zuzukneifen. An Area C (Israeli control), they can shoot at der Fahrer an. Es werden Hände geschüt- den Flanken sind sie mit einem silbernen you no doubt. That’s why I almost never telt und Menschen gegrüsst. Nach einem Symbol gekennzeichnet; einem grossen go far away from my home. kurzen Schwatz auf Arabisch fährt der Stern mit einem Totenkopf in der Mitte Have you ever imagined to leave the Fahrer weiter. und dem Schriftzug «It’s a free nation». country? Am Eingang des Dorfes steht ein grosser Schweigsam hocken wir nebeneinander, No! I cannot imagine to live in another Torbogen aus Metall. Auf dem Bogen jeder in seine Gedanken versunken und country. Surely, I would like to visit other liegt ein ungefähr vier Meter langer damit beschäftigt, langsam wach zu wer- countries for some weeks like you guys Schlüssel, ebenfalls aus bereits etwas den. Selbst Yamen ist für seine Verhält- do. But my home is here in Palestine and verrostetem Metall. Blickt man durch nisse erstaunlich still und spricht nur hie das Tor, kann man die hohe Betonmauer und da ein paar arabische Worte zu sehen, die in diesem Fall die Palästinen- seinem Freund. Ich halte mich an den ser von ihren eigenen Leuten trennt. Direkt bei der Mauer steht ein hoher
GIBB INTERN / JUNI 2018 7 Entrepreneurseminar Fleissiges Schreiben am Business-Plan Zu dem Entrepreneurseminar «Der Weg zum eigenen Unternehmen» werden seit acht Jahren an der gibb leistungsstarke Lernende im zweiten Lehrjahr mit einem attraktiven Angebot eingeladen. Sie erhalten einen Überblick über den Grün- dungsprozess eines Unternehmens – von der Idee bis zur Implementierung eines Geschäftskonzeptes. Dieses Jahr fand das Seminar mit 54 Teilnehmenden aus der GDL, der BMS und erstmals auch aus der MTB statt. Die Inhalte sind in Zusam- menarbeit mit der Uni Fribourg und St. Gallen entstanden. Eine Teilnehmerin Vordersitzen fest und beobachte die sich überwältigt von der Schönheit der Natur. berichtet von ihrem ersten Eindruck. langsam erhellende Wüstenszenerie. «Yalla Yalla!» Yamen lotst uns zu den Die steinige Strasse rüttelt uns kräftig Jeeps zurück, die uns Richtung Jericho Kathy Gerber, durch und gerade als ich denke, dass bringen sollen. «Who wants to sit on the Leiterin Entrepreneurseminar mein eigenes Auto in dieser Umgebung loading space?», fragt er mit breitem herzlich fehl am Platz wäre, hält unser Grinsen in die Runde. Den Rest des Fahrer auf einen steilen Hügel zu. Ich Morgens verbringen die Guides damit Der Weg ins eigene Unternehmen rechne mit einer Links- oder Rechtskurve, uns zu zeigen, dass die Wüste nicht nur Selbstverständlich war die Freude gross, aber stattdessen schaltet er in e inen klei- eine wunderschöne Landschaft ist, als ich meine Einladung für dieses neren Gang, drückt aufs Gaspedal und sondern auch ein Vergnügungspark. Seminar erhalten hatte. So ging ich am überquert den Hügel mit einer solchen Mit den Ereignissen dieses Morgens voll- ersten Tag voller Erwartung an die gibb Selbstverständlichkeit, die einen das gepumpt, stehen wir nebeneinander in Bern. Hobby dieser Männer leicht e rraten lässt. hinten auf dem Jeep. In unseren Köpfen Die Kursleiter waren sehr freundlich und Einen Moment lang sieht man durch die ist alles, was ausserhalb der Wüste liegt, starteten sofort mit uns ins Thema Frontscheibe nur noch den blassen komplett in den Hintergrund gedrängt. Unternehmensgründung. Nie hätte ich Morgenhimmel, dann rüttelt es kräftig, Der kräftige Fahrtwind sprüht uns Sand gedacht, dass ich in einer so kurzen Zeit Metall reibt auf Stein, und wir sind auf ins Gesicht, sodass die Zähne knirschen, so viele neue Sachen lernen werde. Mein der anderen Seite des Hügels. Die Augen wenn man den Mund bewegt. Einige von Kopf füllte sich mit Themen wie Marke- des Fahrers widerspiegeln sein amüsier- uns waren klug und haben wie die ting, Finanzen und Alleinstellungsmerk- tes Grinsen, als er unsere begeisterten Guides Tücher oder ein Shirt um den malen. Obwohl es ganz anders war als Gesichter im Rückspiegel sieht und wir Kopf gewickelt. Wir fahren weiter und hie der normale Schulunterricht, konnten sie wie kleine Kinder betteln, das nochmals und da macht einer der Jeeps wieder es natürlich nicht lassen, uns auch dort zu tun. Jetzt bin ich hellwach. einen Abstecher und verschwindet kurz mit nervigen Arbeitsblättern zu über Gerade rechtzeitig erreichen wir unser im Niemandsland. Es tut gut, hier zu sein fallen. Doch zu meinem Erstaunen waren Ziel, den Rand einer Klippe mit atem und schlicht und einfach den Moment sogar diese spannend und ich konnte so beraubender Sicht auf das Tote Meer. Die zu geniessen. Wenn wir ehrlich sind, einiges lernen. Nachdem ich eine Idee Sonne hat bereits ihre ersten Strahlen machen wir das doch viel zu selten. für mein Unternehmen gefunden habe, hinter den weit entfernten Bergen her- schreibe ich fleissig an meinem Business- vorgestreckt und nun kommen wir in Svenja Jost Plan. den Genuss, ihren Aufgang über dieser Wer weiss, vielleicht ist mein Unterneh- Kulisse zu bestaunen. Für diesen Anblick men schon in einem Jahr ein weltweiter würde sogar ich jeden Morgen so früh Erfolg, und wenn nicht, habe ich auf aufstehen. Und auch, weil bereits der jeden Fall trotzdem viel für mich dazu Weg hierhin ein kleines Abenteuer war. gelernt. Hier sitzen wir also, am Rande des A bhangs, in Gespräche vertieft und Céline Schüpbach, Fleischfachfrau, 2. LJ
«Wir sind die gibb» GIBB INTERN / JUNI 2018 9 «Wir sind die gibb» Wie ich wenn wir beide genug Geld hätten, nächstes oder über- nächstes Jahr, und wenn alle wären wie ich, würde nie je- mand etwas des Geldes wegen nicht tun. Wir würden wild campieren, auf dem Gaskocher Nudeln kochen und an den Stränden entlang oder durch die Berge wandern, anstatt Sarah Grandjean, Grafikerin, 4. LJ, BM 1 Ausrichtung Gestaltung Museen und Nationalparks zu besuchen. Wir hätten keine und Kunst (ARTE), BMS CDs dabei, nur ein rauschendes Radio, vielleicht keine Klimaanlage und eine kaputte Heizung, wir hätten Woll decken im Gepäck, eine Gitarre und unsere Stimmen und all die zusammenhangslosen Liedfetzen, die sich in zwan- zig Jahren Leben in unseren Köpfen drehen und zu denen Ihre ersten kurzen Geschichten hat Sarah Grandjean uns weder der Anfang noch das Ende einfallen würde, nur von rechts nach links geschrieben. Heute schreibt dieser eine Fetzen in Endlosschleife. sie vor allem Kurzgeschichten und macht regelmässig Wir würden das schmutzige Geschirr nach draussen in bei Schreibwerkstätten und Wettbewerben mit. Beim den Regen stellen, die Türen schliessen und nahe beieinan- «Jungautorenwettbewerb RSGI» und beim «Hattinger derliegen. Ich würde fragen, warum zurück in die Schweiz, Förderpreis für Junge Literatur» landete sie auf wozu arbeiten, wozu eine Wohnung, eine Krankenversiche- dem ersten Platz. Wenn sie die Lehre abgeschlossen rung, einen 6-Uhr-Wecker und einen wöchentlichen Bow und wieder mehr Zeit fürs Schreiben hat, möchte lingabend, wozu und warum nicht für immer das, und ich sie sich an ein grösseres Projekt wagen. bin einfach glücklich. Wir würden näher zusammenrücken, der Regen auf dem Blechdach ein Trommelwirbel. Am nächsten Morgen Nieselregen und Nebel vor den Scheiben, die warme Fens- würden wir feststellen, dass einer von uns das Feuerzeug terbank unter mir und eine Tasse mit kalt gewordenem Tee draussen vergessen hat, und zwei Wochen später würden in meinen Händen. wir zurück in die Schweiz fahren, trotz allem. Wenn alle wären wie ich, würde jeder Schlechtwetter- Mein Blick hängt da, wo man an guten Tagen die Alpen samstag so aussehen. Niemand würde sich die Kapuze über sehen kann. Eine weisse Wand jetzt, behaglich und trostlos den Kopf ziehen und zum Auto eilen, mit rastlos zuckenden zugleich. Unvorstellbar, dass dahinter der Wald liegt, die Scheibenwischern in die Stadt fahren, ins Kino oder in ein ersten Hügel der Voralpen, die Berge, dahinter eine fremde italienisches Restaurant, zu einem Filmabend mit Freunden Sprache, fremde Menschen mit fremden Träumen und ir- oder einem Clubabend mit Fremden. gendwann das Meer. Unten auf der Strasse Scheinwerferlicht, unscharf Wenn alle wären wie ich, hätten alle einen VW-Bus für durch den Nebel, und einen Moment lang glaube ich, gleich den Norden und ein Fahrrad für den Süden. Für die Pinien- würde Milos gelber Mini auftauchen, aber er ist es nicht. wälder, Atlantikküsten und staubtrockenen Hochebenen, Wenn alle wären wie ich, hätte niemand einen gelben ein Zelt auf dem Gepäckträger gegen den Regen und Insek- Mini und auch sonst kein Auto, ausser vielleicht einem al- tenspray gegen die Mücken. ten VW-Bus für Reisen in den Norden. Ja, das schon. Nor- Ein Fahrrad auch für alle anderen Tage, die ich nicht wegen, die Fjorde, Milo hatte die Schultern gezuckt und weit weg, sondern an jenem Ort verbringe, den ich mal gesagt, Norwegen sei teuer. Aber die Fjorde – vielleicht, dankbar, mal angewidert mein Zuhause nenne. Um zur
10 GIBB INTERN / JUNI 2018 «Wir sind die gibb» A rbeit zu fahren und danach runter an den Fluss. Alle wür- den im Fluss schwimmen, sogar Milo, der Angst hat vor der Wer achtet schon Strömung, den Strudeln und Schleusen, sogar er, denn wenn alle wären wie ich, dann wäre auch Milo wie ich. auf die Steckdosen! Der Nebel lichtet sich ein wenig, sodass ich einen Teil des Waldes sehen kann und den roten Traktor, der seit Mo- naten zwischen Feld und Wald steht und von dem niemand weiss, wem er gehört. Raphael Iseli, Elektroinstallateur, 2. LJ, IET Wenn Milo wäre wie ich, hätte er mir nie gesagt, er habe versehentlich einen meiner Texte gelesen, dass dieser vergessen im Kopierer gelegen und er nur habe schauen wollen, wem er gehöre. Ein wunderbarer Text, so überra- schend, so ehrlich, und es tue ihm leid, dass er ihn gelesen Im April 2016 erhalte ich ein Mail aus Iowa. Der Coach des habe. Southwestern Community College bietet mir ein Leichtath- Er hätte mich nie entwaffnet mit seinem Lächeln, hätte letik-Stipendium an. Als mich das Mail erreicht, bin ich ge- mich nie dazu gebracht, alle Waffen fallen zu lassen und rade im Austauschjahr in Bellevue, Nebraska. An der Belle- mich ihm schutzlos zu öffnen. vue West High-School profitiere ich von der intensiven Wenn alle und auch Milo wären wie ich, hätten wir nie Sportförderung, die US-Schulen betreiben. Im Herbst davor nächtelang geredet, nie am Fluss gelegen und nach dem war ich im Cross-Country-Team, im Winter ging es mit hässlichsten Badeanzug gesucht, hätte er mir nie vom Ufer Schwimmen weiter und im Frühjahr entdeckte ich die Mit- aus zugewinkt, während ich mich rücklings von der Strö- teldistanz (800 Meter-Rennen). Als Teil des Schulteams mung tragen liess. Ich hätte nie Zigaretten gedreht, die er reiste ich an Wettkämpfe und sammelte unvergessliche Ein- dann rauchte, hätte mich nie neben ihn gesetzt, wenn er drücke. In den USA habe ich gemerkt, dass ich mich für den Gitarre übte, und erfundene Texte zu seinen Akkorden ge- Sport begeistern kann und mich gerne mit anderen messe. sungen, bis seine Genervtheit in Belustigung übergegangen Wie soll ich mich nun entscheiden? Nach Iowa gehen war. Wir hätten nie gemeinsam geweint, nachdem ein oder zurück in die Schweiz fliegen, um wie geplant meine Freund von ihm sich erhängt hatte, hätten nie diesen selt- Lehre als Elektroinstallateur zu beginnen? Wie man leicht samen Schwebezustand zwischen Freundschaft und Liebe nachrechnen kann, habe ich mich für den Lehrbeginn ent- durchbrochen. Wir wären nie nebeneinander aufgewacht, schieden. Ich habe es nicht bereut. hätten nie über Geld und Norwegen und das Zusammenzie- hen gestritten. Wenn alle wären wie ich, hätten wir uns nie kennenge- Kleiner Betrieb, vielseitige Arbeit lernt, weil wir nur warten würden. Warten, wie ich es auch Heute bin ich im zweiten Lehrjahr einer sehr vielfältigen jetzt tue, warten auf Milo, weil er gesagt hatte, vielleicht Lehre. Mein Lehrbetrieb ist die Marti elektrische Anlagen würde er noch vorbeikommen. AG in Jegenstorf, ein überschaubarer Betrieb mit rund 10 Ich stehe auf, Tee schwappt aus der Tasse auf den Bo- Mitarbeitenden. Drei davon sind Lernende. Als kleiner Be- den. Wenn alle wären wie ich, gäbe es keine Böden, nicht trieb sind wir vor allem am Bau oder Umbau von Einfamili- einmal Häuser. Es gäbe keine VW-Busse und keine Fahr enhäusern beteiligt. Bereits im ersten Lehrjahr konnte ich räder und keine Landkarten. Es gäbe nur stapelweise uto- beim Planen von Solaranlagen dabei sein; das ist ein Ar- pische, halb durchdachte Texte, absichtlich im Kopierer ver- beitsfeld, das mich interessiert und für mich den Beruf des gessen, damit irgendwer irgendwann sie lesen würde, und Elektroinstallateurs attraktiv macht. weil alle wären wie ich, würde nie jemand etwas dazu An meinem Beruf schätze ich den Kundenkontakt, die sagen, sie nur lesen und zurücklegen und warten, noch Arbeiten im Service, daneben auch die Breite der techni- mehr warten, auf dass andere das tun, wozu sie selbst zu schen Aufgaben vom Solar- bis zum Netzstrombereich. Wir feige sind. sind die Ersten und die Letzten, die beim Bauen dabei sind, Ich schütte den Rest Tee in die Spüle, ziehe Jacke und begleiten die Häuser also durch alle Phasen der Entste- Schuhe an und beginne, nach dem Schlüssel für mein Fahr- hung, bis sie abgabefertig sind. Doch anders als bei einem radschloss zu suchen. Alle würden alles verlieren, andau- Maurer oder Maler sieht man am Schluss leider kaum etwas ernd, die Welt wäre ein einziges Chaos – das Geräusch ei- von unserer Arbeit. Wer achtet schon auf die Steckdosen! nes Motors, es klingelt, Milos Gesicht und das Knistern Aber natürlich ist den Kunden bewusst, wie wichtig unsere unserer Regenjacken, als wir einander umarmen. Hintergrundarbeit ist. Und uns ist bewusst, dass wir viel «Wolltest du weg?» Verantwortung für die Sicherheit einer Elektroanlage haben. «Ich habe nachgedacht», sage ich, schaue ihm in die Augen. «Wenn alle gleich wären, wenn alle wären wie ich, zum Beispiel. Es wäre schrecklich, wir würden alle in einer Planen für die Zeit danach Traumwelt leben und Dinge wie Teetassen und Regenjacken Auf den Beruf bin ich durch meinen Vater, der eine Elektro- wären nie erfunden worden.» nikerausbildung gemacht hat, und meinen Bruder gestos Nieselregen und Nebel vor den Scheiben und meine sen, und er gefällt mir immer noch gut. Für die Zeit nach der kalten Hände in Milos warmen: «Und ich bin froh, dass es Lehre habe ich schon Pläne. Ich möchte die BMS machen dich nur ein einziges Mal gibt.» und eventuell ein Fachhochschulstudium im Bereich Wirt-
«Wir sind die gibb» GIBB INTERN / JUNI 2018 11 Raphael Iseli
12 GIBB INTERN / JUNI 2018 «Wir sind die gibb» schaft anschliessen. Mein Lehrmeister unterstützt mich Denn was bringt mir der Traumberuf, wenn man nur un- sehr; jedes Jahr nimmt er sich Zeit und geht mit uns Lernen- sympathische Menschen um sich hat? Oder was nützen mir den ein paar Tage fürs Lernen auf die Alp. Er ist auch damit die besten Mitarbeiter, wenn die Arbeit, die man jeden Tag einverstanden, dass ich am Samstag regelmässig einem machen muss, einfach zum Davonlaufen ist? NEIN, für mich Kollegen helfe, der spezielle Metallbau-Aufträge ausführt, muss beides ausgeglichen sein! Sonnenschutzvorrichtungen und Pergolas baut. Ich lerne Und genau diese Ausgeglichenheit, zwischen tollen da schweissen und kann in ein anderes Berufsfeld hinein- Mitarbeitern/Chefs und Arbeit, habe ich in meinem Lehrbe- schauen. trieb gefunden. An Berufsschultagen freue ich mich besonders auf die Ein weiterer Grund für diese Vielfalt von Schnupperleh- gleichaltrigen Kollegen und den Sportunterricht. Da in mei- ren ist sicherlich auch, dass ich ein Asperger Autist bin. In nem Beruf viel Grundwissen nötig ist und man Eigenverant- der Gesellschaft wird das eher als geistige Behinderung/ wortung übernehmen muss, ist mir auch die Berufskunde Krankheit aufgefasst. Aber ein Asperger Autist ist nicht wichtig. Wenn ich einen Wunsch äussern dürfte, dann wäre krank, nur anders. Wir haben Gefühle, Bedürfnisse und das ein noch stärkerer Einbezug aktueller Themen in den Wünsche wie jeder Nicht-Autist auch, obwohl wir diese eher ABU-Unterricht (zum Beispiel zum Thema Medien) und In- schlecht deuten und ausdrücken können. formationen über neue Berufsfelder und spezifische Wei- Als ich noch klein war, ist mir schon aufgefallen, dass terbildungsmöglichkeiten. Sonst bin ich mit der Schule sehr ich anders als die anderen war und nicht in die «gesell- zufrieden, besonders auch mit der Mensa und unserem schaftlichen Rahmenbedingungen» reinpasste. schönen Pausenplatz, dem Lorrainepärkli. Die Schule war bis in die 6. Klasse die Hölle für mich. Nur manchmal schaue ich mir die Überbleibsel meiner Beleidigungen, Mobbing und körperliche Gewalt standen USA-Zeit an, die Auszeichnungen, Mappen voller Trainings- an der Tagesordnung. Was sich alles andere als positiv auf dokumente, Wettkampfresultate und Bilder. Dann kommt das Selbstwertgefühl auswirkte. etwas Wehmut auf. War eine schöne Zeit! Erst im Sommer 2016 hatte man per Zufall herausge- funden, dass ich ein Asperger Autist bin. Was mir sehr vie- le Fragen beantwortete, warum ich bin, wie ich bin. Diese Diagnose hat mir sehr geholfen, mich selbst besser zu ver- stehen und mich zu akzeptieren, wie ich bin. Ein Asperger Autist zu sein ist Segen und Fluch zu- Ein Asperger Autist gleich. Ich habe je nachdem ein hervorragendes Gedächt- nis, bis jetzt musste ich für die Tests in der Berufsschule zu sein ist Segen und kaum bis nie lernen und mein 1. Semesterzeugnis habe ich mit 5x 6er und 1x 5,5 abgeschlossen. Worauf ich sehr stolz Fluch zugleich bin. Hingegen: einfache Alltagsaufträge kann ich mir manchmal kaum merken. Gesichtsausdrücke und Körper- sprache deuten oder Ironie von ernst Gemeintem zu unter- scheiden, ist für mich enorm schwer bis unmöglich. Aber jetzt, nach all den Umständen, habe ich einen Jonny Widmer, Metallbaupraktiker, 1. LJ, AVK hervorragenden Lehrbetrieb gefunden und mein Lehrmeis- ter ist einfach nur toll, menschlich wie auch fachlich. Mein Lehrbetrieb hat mir sogar die Stapler- und Hebe- bühnen-Prüfung ermöglicht. Wovon ich von beiden den Ausweis besitze. Mein Name ist Jonny Widmer, geboren am 08.05.1996 und Bei der Arbeit gehören Geländer, Rahmenkonstruktio- ich habe das Glück, meine Lehre als Metallbaupraktiker nen, Konsolen und Träger Schweissen zu meinen Hauptauf- EBA bei der Firma «Gerber macht’s» in Grosshöchstetten gaben. Auch kleinere Arbeiten mit verschiedenen Blechen machen zu dürfen. gehören dazu. In meiner Freizeit beschäftige ich mich meistens mit Am allerliebsten schweisse ich grössere Konstruktio- folgenden Dingen: gamen, Musik hören, Filme schauen, Re- nen, brenne Stahlteile mit der Autogenbrennanlage aus und cherchen über historische militärische Ereignisse, Key- transportiere Güter mit dem Stapler. board spielen, Air Soft, Armbrust und Gewehr schiessen. In späterer Zukunft würde ich sehr gerne das Schmiede Der Weg zu meiner Lehre war ein sehr steiniger und handwerk erlernen und noch weitere Prüfungen und Kurse schwerer, mit extrem vielen Hindernissen. Kurz gesagt, absolvieren wie: Kran, Lastwagen, Auto und Schweiss- habe ich 28 Schnupperlehren in 24 verschiedenen Berufsgat- Prüfung. tungen absolviert, bis ich zu meiner jetzigen Lehrstelle kam. Wie es dazu kam? Nun, ich bin der Meinung, einfach eine Lehre zu machen, damit man sie gemacht hat, ist ab- solut dumm! Für mich war während meiner Berufswahlzeit schon klar, dass mir die Arbeit zu mindestens 50% gefallen muss und dass das menschliche Miteinander das A und O ist.
«Wir sind die gibb» GIBB INTERN / JUNI 2018 13 Vom Glück, auf drei Momente der Überforderung Nun, vier Jahre nach diesem Entschluss, blicke ich auf eine so empathische ereignisreiche, anstrengende, aber nicht zuletzt auch schö- ne Lehrzeit zurück, die mich in diversen Hinsichten an mei- und engagierte Wesen ne Grenzen gehen liess. Oft war der Spagat zwischen Zwei- undvierzigstunden-Wochen, Haushaltsführung und zu stossen Privatleben nur schwer zu bewältigen – manchmal auch gar nicht. Wer behauptet, er könne Privat- und Berufsleben strikt trennen, ist meiner Meinung nach sowieso entweder ein Lügner oder ein Eisblock. Doch all die Momente der Überforderung der letzten paar Jahre, waren sie auch noch Alena Bütikofer, Cal, 4. LJ., MTB so überwältigend, haben mich geistig wachsen lassen. Ganz abgesehen von dem eingetrichterten Prüfungswissen hat mich die Zeitspanne über meine Lehre hinweg nicht nur auf einer intellektuellen, sondern vor allem auf der menta- len Ebene geprägt. Zum ersten Mal in meinem Leben kam Wer mir auf der Strasse begegnet und mein Angesicht nur ich körperlich und psychisch zugleich an meine Grenzen – mit einem flüchtigen Blick streift, würde wahrscheinlich und bewies mir dadurch selber immer wieder aufs Neue, nicht auf den Gedanken kommen, den Weg gerade mit einer dass ich imstande bin, jede erforderliche Hürde zu meis- beruflich hoch ambitionierten jungen Frau gekreuzt zu ha- tern, auch wenn dies nicht immer im ersten Anlauf gelingt ben. Zu dunkel sind die Ringe unter den Augen, zu verwu- und zum Teil mit Mühen, Zweifeln und einer Menge Umwe- schelt das Haar mit den zotteligen Dreadlocks, die hie und ge verbunden ist. da hervorblitzen, und zu grell leuchten die Festivalbänder, die in allen Regenbogenfarben und Variationen praktisch den ganzen rechten Unterarm tapezieren. «Ach komm, du schaffst das» Umso dankbarer bin ich für all die wunderbaren Menschen, die mich auf meinem Weg bisher begleitet, gestärkt, ge- Gründe für die gibb stützt – und immer wieder aufgefangen haben, wenn es Ja, ich würde sagen, auf die meisten Menschen mache ich gerade mal wieder nicht ganz rund lief. Leute, die einem weder einen besonders seriösen noch einen ausserordent- Steine in den Weg legen, wird es immer geben. Oft sind die- lich ehrgeizigen ersten Eindruck. Wer mich aber nur ein se Individuen ja nicht einmal bewusst bösartig, sondern bisschen näher kennen lernt, merkt schnell, dass hinter der schlichtweg zu egozentrisch, um die Konsequenzen ihres lockeren Hippie-Fassade ein sehr zielstrebiges und schon Handels gescheit abzuschätzen. In meinem bisherigen fast zwanghaft perfektionistisches Wesen steckt. Ich habe Leben habe ich leider die Erfahrung gemacht, dass der ziemlich hohe Ansprüche an mein Umfeld, die höchsten Grossteil der Bevölkerung zu oben genannter Gattung stelle ich jedoch ohne Zweifel schon immer an mich selber. Mensch gehört. Wie ich also das Glück haben konnte, mit Dies ist mitunter einer der Gründe, der mich auf meinem meinem Berufskundelehrer Daniel Bertschy, meiner Allge- (karrieretechnischen) Weg an die Gewerblich-Industrielle meinbildungslehrkraft Irène Roten und meinem Kursleiter Berufsschule Bern geführt hat. René Mundl, die ich in diesem Text alle aufgrund ihres aus Aufgrund familiärer Umstände war ich schon relativ serordentlichen und langjährigen Einsatzes für die Lernen- früh gezwungen, meinen Alltag selber zu organisieren, und den namentlich erwähnen möchte, auf drei so empathische führte mit sechzehn Jahren bereits meinen ersten eigenen und engagierte Wesen zu stossen, ist mir bis heute schlei- Haushalt. In dieser Zeit erschien mir eine Berufslehre als erhaft. Doch nicht nur sie, sondern auch meine Klassen- einer der realistischsten Wege, um eine solide Ausgangsla- und Arbeitskollegen haben mich über so manche Tiefen ge für mein berufliches Ziel, einen Beruf, der den aktiven hinwegkommen lassen. Sei dies ein «Ach komm, DU Umgang mit Medien wie z. B. im Journalismus, in Werbea- schaffst das doch locker!», das dir in einem Moment von genturen etc. beinhaltet, zu schaffen und mit dem ange- tiefsten Selbstzweifeln von einem Mitschüler entgegen- strebten EFZ-Abschluss in Richtung Berufsmatur/Studium kommt, oder ein Mitarbeiter, der dich einfach mal in den zu steuern. Für die Lehre als Carrossierin Lackiererei ent- Arm nimmt, weil er dir ansieht, dass du wohl gleich in nia- schloss ich mich, da ich auf Grund meines Zieles, später ein garaartige Tränenflüsse ausbrechen wirst. Ich kann es nur Studium in der Fachrichtung Kunst zu absolvieren, einen wiederholen: Ich bin dankbar! Lehr-Beruf wählen wollte, der mir eine gewisse gestalteri- sche Grundlage mit auf den Weg geben und mir gleichzeitig einen kleinen Einblick in die handwerkliche Ausführung der Optimistisch in die Zukunft Arbeit mit Formen und Farben gewähren würde. Gesagt, ge- Vor knapp zwei Wochen habe ich nun das Ergebnis meiner tan! Mit meinem Lehrstart 2014 bei der Schölly AG in Mün- Berufsmatura-Aufnahmeprüfung, die ich anfangs März ab- chenbuchsee nahm ich den ersten ernsthaften Schritt mei- gelegt hatte, erhalten. Da ich auf Grund meiner ungenügen- ner beruflichen Karriere in Angriff. den Fachnote in Mathematik, die zu meinem Pech doppelt gewertet wurde, leider nur den gestalterischen Teil der Auf- nahmeprüfung bestanden habe und im restlichen, separat
14 GIBB INTERN / JUNI 2018 «Wir sind die gibb» Jonny Widmer
«Wir sind die gibb» GIBB INTERN / JUNI 2018 15 Alena Bütikofer
16 GIBB INTERN / JUNI 2018 «Wir sind die gibb» gewerteten Prüfungsteil, durchgefallen bin, werde ich als rend andere auf dem Rasen kicken oder in der Halle turnen, nächstes nach dem Lehrabschluss im August ein Praktikum befinden wir uns im Luftschutzkeller der Gemeinde und in der Medienbranche absolvieren, das Grundvorausset- spielen uns die Finger wund. Ihr fragt euch jetzt sicher, was zung für meinen angestrebten Studiengang (Multimedia das heisst: Wir sind eine Hard-Rock-Band. Production an der HKB) ist und parallel dazu den EA-Kurs Schon von klein auf hat sich keiner von uns mit Techno der gibb für einen prüfungsfreien BM-Eintritt im Jahr 2019 oder Hip-Hop wohl gefühlt. Wir wollten etwas erschaffen, absolvieren, den ich, wenn möglich, mit dem Erwerben der etwas bewegen und haben uns alle zusammen im Rock wie- Sprachdiplome «DELF» und «Advanced» kombinieren wer- dergefunden. de, um mich so gut wie möglich auf die bevorstehende Die Band wurde im Jahre 2014 von mir und dem dama- Maturitäts-/Studienzeit vorzubereiten. ligen Bassisten Tom Zürcher gegründet, der aber nach zwei Auch wenn noch ein langer und teils steiniger Pfad vor Jahren rausgeworfen werden musste. mir liegt, schaue ich die meiste Zeit recht optimistisch in Bis vor 2 Jahren gab es einige Wechsel, von da an blieb die Zukunft. Denn wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg, die Besetzung aber immer gleich. Luca Gfeller am Bass, und falls der gewählte zu scheitern droht, ist ja allgemein Severin Held an der Rhythmusgitarre, Tobias Gerber an den bekannt, dass es noch viele andere gibt, die ebenfalls nach Drums und ich an der Leadgitarre und Stimme. Lücu, Seve Rom führen. und ich haben alle zusammen die Oberstufe besucht. Töbu, der ein Jahr jünger ist als wir, ging in einer anderen Gemein- de zur Schule. Wir sind alle zwischen 18–20 Jahre alt und machen dieses Jahr mit Ausnahme von Töbu unseren Lehr- abschluss. Unser Lohn sind die 30 Gigs und der Lehrabschluss Freudenschreie, die wir Es passte wie die Faust aufs Auge, dass wir alle die gleichen Interessen pflegten. Wir wollten Musik machen und die alte auf der Bühne hören Musik wieder neu aufblühen lassen. Wir nahmen die ganz alten Klassiker hervor: Guns’n’Roses, Chuck Berry, Bon Jovi, Lynyrd Skynyrd, aber am meisten hat uns der Sound der legendären Blues-Rockband AC/DC geprägt. Unser Mu- sikstil wird von den Leuten oft als «fadägradä Rock» be- Florian Badertscher, zeichnet und kommt beim Publikum sehr gut an. Fleischfachmann, 3. LJ, GDL Schon bald kamen die ersten eigenen Songs zur Welt, die vom Publikum auch sehr gut aufgenommen wurden. 2014 spielten wir im Jahr gegen die 5 Gigs, heute sind es bis zu 30 und es werden jedes Jahr mehr! Da wir dieses Jahr fast alle unseren Lehrabschluss erfolgreich abschlies sen wollen, mussten wir die Musik in der letzten Zeit etwas zurückfahren und uns voll auf die Lehre konzentrieren. Nach der LAP geht’s aber gleich wieder mit Vollgas los. Was uns in dieser Zeit sehr weit gebracht hat, ist, dass wir noch blutjunge Teenager sind und die Leute etwas ganz Ich bin Florian «Flopsi» Badertscher und besuche jeden anderes als solchen Rock erwarten, wenn sie uns auf die Mittwoch die gibb. Ich bin ein Fleischfachmann im 3. Lehr- Bühne kommen sehen. Dies wird von der Tatsache begleitet, jahr und komme aus Lützelflüh im Emmental. Lützelfüh ist dass es heute in der Schweiz kaum noch eine so junge Band ein kleines Dorf in der Nähe von Burgdorf. gibt, die diese Musik noch (oder wieder) so praktiziert. Neben meinem heutzutage etwas aussergewöhnlichen Beruf pflege ich auch ein spezielles Hobby. Gerade in der heutigen Zeit sind mein Hobby und mein Lebensstil sehr Mit Rock’n’Roll im Herzen ans Konzert wenig vertreten. Für mich gibt es in meinem Leben keine Etwa 2–3 Mal in der Woche sind wir auf der Bühne. Meist grössere Leidenschaft, als dies so zu leben und durchzu- im Kanton Bern, im Emmental, jedoch auch im Wallis, Aar- ziehen, auch wenn ich dafür manche Opfer bringen muss. gau, Solothurn und Luzern. Unser Weg hat uns bis jetzt in Lasst euch überraschen und mich euch erzählen, wie sich diverse Locations wie das Bierhübeli Bern, die Bikerparty in das Leben einer jungen Rockband namens «ROCK-OUT» im Sumiswald oder das Icerock Festival im Emmental geführt. 21. Jahrhundert gestaltet. Viel Spass. Es gibt nichts Schöneres, als mit den Jungs an einem sonnigen Samstagnachmittag im Bus voller Vorfreude und Rock’n’Roll im Herzen an ein Konzert zu fahren. Dahinter We Only Live For Rock’n’Roll steckt aber immer ein Haufen Arbeit. Das Volk sieht uns im- Die meisten Jugendlichen heutzutage üben meist die glei- mer nur auf der Bühne. Dies ist jedoch nur ein Bruchteil der chen 08/15-Hobbys aus wie überall auf der Welt: Fussball, Zeit, die wir in die Musik investieren. Proben, Sitzungen, Eishockey, Unihockey, Volleyball, Reiten. Nicht wir. Wäh- allgemeine Probleme und auch körperliche Arbeit gehören
«Wir sind die gibb» GIBB INTERN / JUNI 2018 17 «Schauen Sie beim zu unserem Alltag. Wenn man es nicht von ganzem Herzen will, macht man es als solche Band nicht lange. nächsten Theaterbesuch Die meisten Leute denken, dass die harte Arbeit mit der Gage bezahlt wird, die man bei jedem Konzert zur Genüge erhält. Dem ist aber nicht so. Man wird nicht reich, im Ge- genteil, man zahlt in den Anfängen vielfach noch drauf. Die mal nach oben!» Gage ist einfach eine kleine Entschädigung, die die Band als finanzielle Unterstützung vom Veranstalter erhält. Doch über das lohnt es sich nicht zu reden, denn wer es nur we- gen Geld macht, muss sofort damit aufhören. Unser Lohn Leon Gian Bichsel, Gebäudetechnikplaner Lüftung, 4. LJ, BAU ist es nicht, dass wir am Schluss die Gage einkassieren, Interview: Sabine Beyeler nein. Unser Lohn sind die Gesichter der Menschen, die wir mit unserer Musik in ihre Jugendzeit zurückversetzen kön- nen. Es sind die Freudenschreie, die wir auf der Bühne hö- ren, das Tosen der Menge, das Gefühl, wenn unter deinen gibb intern: Was für eine Ausbildung machen Sie? Füssen der Boden vibriert, das Rampenlicht, das dir den Leon Bichsel: Ich lerne Gebäudetechnikplaner Lüftung und letzten Schweiss aus den Poren treibt, das unbeschreibli- stehe kurz vor dem Abschluss meiner Lehre. Ich mache mei- che Gefühl im Bauch, wenn deine hart erarbeitete Leiden- ne Ausbildung bei der Gruner Roschi AG in Köniz. Wir sind schaft mit Ruhm, Applaus und Fortschritten erwidert wird, dort rund 60 Leute, die Firma gehört aber zu einer grossen und am Schluss schlicht und einfach die Geschichten, die Kette. Mir gefällts im Lehrbetrieb, es herrscht ein familiäres jedes Mal wieder aufs Neue geschrieben werden. Arbeitsklima, ich fühle mich dort wohl. Haben Sie ein Lieblingswerkzeug? Eine Portion Tradition Besonders gerne mag ich das Lasermessgerät. Das Ding hat Wir spielen diese Musik für uns und für unsere Zuhörer, mich schon immer fasziniert, vielleicht auch weil es diesen denn ohne sie gäbe es uns gar nicht! Auch an dieser Stelle roten Punkt durch alle möglichen Räume jagen kann. Ich ist es wieder einmal an der Zeit, Danke zu sagen und den wüsste schon gern, wie so etwas physikalisch möglich ist. Hut vor unseren treuen Zuhörern zu ziehen. Ihr seid unsere Auf jeden Fall benutzen wir es ständig. Versicherung. Diesen Sommer kommt auch schon unser zweites Al- Wie sind Sie zu diesem Berufswunsch gekommen? bum raus, das wir zurzeit gerade aufnehmen. Es trägt den Oder hat der Beruf eher Sie gefunden? Titel «Loud Hard And Dirty». Dies ist unser Motto. Auf dem Mir gefällt der Beruf – man kann aber auch sagen, dass die Album sind 9 Songs. 8 eigene und 1 Coversong. Es wird ab Wahl kein Zufall war. Mein Grossvater hat vor über 60 Jah- Ende Juni erhältlich sein. ren eine Bautechnik-Firma gegründet, in der mein Vater Neben unserem Rocksound werden wir immer mehr ebenfalls aktiv ist. Je nachdem werde ich auf diesem Job für wegen unserem Markenzeichen bekannt. Wir kombinieren immer bleiben, aber vielleicht entwickelt sich auch irgend- unsere Rockmusik seit einiger Zeit mit der Schweizer Lan- wann noch etwas anders. destracht, dem Edelweisshemd. Dies erscheint manchen auf den ersten Blick ungewöhnlich, ist aber ein wichtiger Welche Eigenschaften mögen Sie an sich? Teil von uns geworden und kommt beim Volk sehr gut an. Ich bin ein glücklicher Mensch, lache gerne, bin hilfsbereit Es hinterlässt beim Zuhörer einen bleibenden Eindruck und und höre mir gerne andere Meinungen an. Ich halte aber auch verkörpert gleichzeitig unsere Liebe zum Emmental und der an meiner Meinung fest. Zu sich zu stehen, finde ich wichtig. Heimat. Wir werden auf Grund dessen viel angesprochen, ob wir nationalsozialistisch veranlagt sind. Dies ist aber Wo und wie können Sie diese Eigenschaften beruflich nicht so. Wir gehen unseren Weg eher an der Politik vorbei, nutzen? weil wir schlicht und einfach nur Musik machen wollen und Die Hilfsbereitschaft ist wichtig, wenn man im Team arbei- die Leute begeistern. Und damit hat Politik leider nicht viel tet, und ich arbeite lieber in Teams als allein. Dass ich eine zu tun. Dies heisst jedoch nicht, dass man nicht trotzdem Meinung habe und diese klar äussere, ist im Gespräch mit stolz auf seine Heimat sein kann. Architekten und Bauherren wichtig. Man muss auch mal da- gegenhalten können, um bei Bauprojekten auf gute gemein- same Lösungen zu kommen. Hat der Lehrbetrieb Sie darin unterstützt, diese Kompetenz aufzubauen? Ja! Es beginnt im ersten Lehrjahr damit, dass man bei vielen Gesprächen dabei sein darf, genau zuhört, nachfragt und die Körpersprache beobachten lernt. Ich merkte zum Bei- spiel, dass nicht nur wichtig ist, was man sagt, sondern auch, wie man seine Sache vertritt, wie man beim Diskutie- ren sitzt und steht.
18 GIBB INTERN / JUNI 2018 «Wir sind die gibb» Leon Gian Bichsel
«Wir sind die gibb» GIBB INTERN / JUNI 2018 19 Haben Sie weitere Stärken, die Sie im Beruf und auch in Wenn Sie die Macht hätten, per sofort etwas an der der Berufsschule nutzen können? Schule einzuführen oder zu ändern: Was fällt Ihnen da Ich finde, dass ich eine planerische Begabung und ein gu- spontan ein? tes Vorstellungsvermögen habe. Mir liegt es, mir eine Auf- Mehr Frauen in der Klasse. Und auf die Berufskunde bezo- gabe zuerst im Kopf zurechtzulegen, Konzeptarbeit zu ma- gen: möglichst aktuelle Lehrmittel, denn in unserer Bran- chen. Das Stillsitzen hingegen mag ich nicht so, im Büro che verändern sich die Normen und technischen Bedingun- und in der Schule ist das eine Herausforderung. Ich bin gen ständig. «zablig», bin gern in Bewegung. Jetzt am Ende der Ausbil- dung bin ich oft auf der Baustelle, das gefällt mir. Welches Bauprojekt, das Sie mit Ihrer Lehrfirma ausge führt haben, hat Sie besonders beeindruckt? Heisst das, Sie suchen in der Freizeit bewusst den Ganz klar der Umbau des Stadttheaters. Das war etwas Ausgleich? Machen Sie Sport? ganz Besonderes, weil es ein altes Gebäude ist, das unter Früher habe ich das intensiv getan, insbesondere Fussball Denkmalschutz steht. Bei der Planung der neuen Lüftung gespielt und Kickboxen betrieben. Momentan bin ich durch musste man viele Schwierigkeiten bewältigen; zum Beispiel die Lehre und die Schule ausgelastet – aber nachher will sollten die Zuschauer in den oberen Geschossen nichts von ich wieder mehr hinaus an die Sonne. der Zu- und Abluft merken. Wir haben also die Luftzufuhr Eine kleine Oase ist für mich der Garten beim Viktoria- unter die Stuhlreihen verlegt, die Abluft entweicht über Schulhaus. Die Sitzbank beim grossen Baum ist ein Lieb- Schlitze, die rund um das Deckengemälde verlegt wurden. lingsort von mir. Schauen Sie beim nächsten Theaterbesuch mal nach oben! Damit sind wir beim Schulhaus und bei Ihren Erfahrun Ein Blick in Ihre Zukunft: Wo sehen Sie sich in zehn gen mit der Berufsschule angelangt. Was werden Sie von Jahren? den vier Jahren mitnehmen? Ein Wunschtraum wäre eine Pilotenausbildung. Realisti- Ich finde das Viktoria-Schulhaus – auch aus baufachlicher scher ist es, zuerst einmal die Rekrutenschule zu machen Sicht – sehr angenehm. Besonders die Mediathek, in der und in Australien mein Englisch zu verbessern. Gut mög- wir uns gerade befinden, ist ein offener, heller Raum, der lich, dass ich in zehn Jahren im Familienbetrieb arbeite, ein ideales Raumklima hat. In den Klassenzimmern ist es vielleicht eine Abteilung leite. etwas wärmer, dafür sind sie gut ausgestattet. Ein guter Ort ist auch die Migros-Mensa. Man kann da gut und preisgüns- Welche Art von Gebäude würden Sie gern einmal tig essen. bautechnisch mitplanen? Ebenso wichtig sind natürlich die Leute. Die Lehrperso- Ein Eishockey-Stadion! Ich stelle es mir besonders an- nen empfinde ich als freundlich, hilfsbereit und offen. Ich spruchsvoll vor, eine Lüftungsanlage für eine geschlossene bin früh von zuhause ausgezogen und habe allein gewohnt; Halle zu bauen, in der sich so viele Leute aufhalten. dass meine ABU-Lehrerin sich für meine private Situation interessiert und mir zugehört hat, war eine gute Erfahrung für mich.
20 GIBB INTERN / JUNI 2018 «Wir sind die gibb» Miniaturen Berufes. Von der ersten Idee bis zur zwei jährlichen Pfadilager. Daneben endgültigen Ausführung ist man immer spiele ich einmal wöchentlich Tennis im «Wir sind die dabei. Tennisclub Dählhölzli. Die Lehre hat auch ihren Tribut gefordert. gibb» Ich musste mit dem Fussball aufhören, weil ich einfach keine Zeit mehr dafür habe und weil mein Arbeitsweg relativ Fabienne Braun, OPT 8b, MTB lang ist. Aber ich habe ja immer noch meine Familie und Kollegen, mit denen Where do I stand in life? ich einen Grossteil meiner Freizeitakti Sometimes I feel like I’m on top of my vitäten teile. Ich bereue die Entschei- life. Like, I’m actually good at the things dung, diese Lehre zu beginnen, nicht. I do. I feel confident with what I am and Für mich ist sie definitiv ein perfekter what I know. Start in die Berufswelt. But more often than not, I don’t. I feel like I haven’t come anywhere so far. There is still so much I have and want to Joel Luca Blaser, Zeichner EFZ learn. I also just realized there are quite Fachrichtung Ingenieurbau, 3. LJ, BAU Silvan Oertle, Elektroinstallateur EFZ, some people my age in politics, travel- 2. LJ, IET ling the world or pursuing other dreams. Ein perfekter Start And I’m here asking myself, what the Noch ein gutes Jahr – dann ist das Fun- Motiviert und munter heck I’m doing with my life. I don’t know dament für meine berufliche Karriere Ich wohne mit meiner Familie in Wabern. what I want. I roughly even know myself. gelegt. Im Sommer beginnt das letzte Mein jüngerer Bruder Marius besucht But do I have to know it already? Lehrjahr und damit der Endspurt und der momentan das berufsvorbereitende Everyone you meet knows something you LAP-Stress. Die Zeit vom Unterrichts Schuljahr in der Didac Bern. Ich bin don’t but no one knows everything. thema «Berufswahl» bis heute ging wie 19 Jahre alt und habe die Schweizer For me, this puts things back into per- im Fluge vorbei. Dennoch werde ich nie Staatsbürgerschaft. spective. Life means progress. You can meinen ersten Arbeitstag vergessen. Ich arbeite bei der Firma Gfeller Elektro never be perfect at life. That’s exactly Alles war neu; eine gesunde Nervosität AG in Hinterkappelen BE. Das ist ein eher what makes it beautiful. There will hatte ich auch. grösserer Betrieb. Die Mitarbeitenden always be something you can improve tragen rötliche Arbeitskleider, die sehr on. Just remember this: It’s about the auffällig sind; man erkennt sie sofort an journey, not the destination. I hope I’ll ihrem Logo. Ich bin im zweiten von vier never stop learning! Lehrjahren. Wichtig in meiner Ausbildung ist ein guter Berufsabschluss, ein gutes Arbeitsumfeld zu haben und eine exakte, sorgfältige Arbeit zu erbringen. Meine Stärken liegen in der Pünktlichkeit In der Lehre als Zeichner kann ich so und Zuverlässigkeit. Ich bin immer richtig in mir aufgehen. Konzentriertes motiviert, zufrieden und munter. Hin Arbeiten unter ständigem Zeitdruck, gegen habe ich manchmal Mühe mit Teamfähigkeit, aber auch Probleme auf der Arbeitsgeschwindigkeit und dem eigene Faust zu lösen gehören zu meinen technischen Verständnis. grössten Stärken. All das konnte ich in In seiner Freizeit beschäftige ich mich den vergangenen Jahren stetig verbes- mit der Pfadi Falkenstein Köniz. Seit Silvana Anken, Fachfrau Information und sern und meine Arbeitsweise wurde effi- neun Jahren bin ich Mitglied in der Pfadi. Dokumentation, 2. LJ, GDL zienter. Das wohl Spannendste an die- Nach sieben Jahren absolvierte ich ein sem Beruf ist für mich, dass nichts gleich Jugend- und Sportkurs und wurde zum Schüler*innen auf dem Weg der ist. Ich bin hauptsächlich im Hochbau diplomierten Jugend- und Sportleiter. In Berufswahl unterstützen tätig. All die Häuser, welche ich gezeich- der Pfadi stehen spielerische Aktivitäten Mein Name ist Silvana Anken, ich bin net habe, sind zwar zum Teil ähnlich, in der Natur im Vordergrund. 17 Jahre alt und wohne mit meiner Fami- aber nie genau gleich, darum ist es wich- Was mir besonders gut gefällt, sind die lie im Wylergut, in Bern. Im Sommer tig, immer bei der Sache zu sein. Nicht 2016 habe ich meine Ausbildung zur nur die Abwechslung fasziniert mich am Fachfrau Information und Dokumenta Beruf, sondern auch die Karriereaussich- tion im Schweizerischen Bundesarchiv ten. Der Beruf bietet viele Möglichkeiten, begonnen. Die Ausbildung dauert drei um sich später weiterzubilden. Für mich Jahre und kann in Archiven, Bibliotheken steht schon fest, dass ich Richtung Bau- oder Dokumentationsstellen absolviert ingenieur gehen werde. Mich fasziniert werden. Während einer Arbeitswoche einfach das Abwechslungsreiche dieses verbringe ich normalerweise zwei Tage in
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