Neue Präventions-kampagne - Unfallkasse Hessen
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Vorwort Bild: ©Dominik Buschardt Liebe Leserinnen und Leser, nach den Anschlägen in Nizza, London und Berlin, die uns allen noch allzu gut im Gedächtnis sind, stellt sich natürlich auch die Frage, wie wir hier bei der Unfallkasse Hessen eigentlich für ein solches „Groß- 7 schadensereignis“ aufgestellt sind. Die gute Nachricht: Im Be- reich der hessischen Schulen existiert bereits ein funktionie- rendes Netzwerk, das unmittelbar nach einem Anschlag oder einem Amoklauf greift und aktiv einsetzt. Die Betroffenen (Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Helferinnen und Helfer) erhalten sofort Hilfe und Unterstützung. Das Top-Thema dieser Ausgabe beleuchtet ab Seite 6 Strukturen und Abläufe nach solchen Ereignissen an hessischen Schulen. Ein Krisenmanage- ment-Plan für alle Berufsgenossenschaften und Unfallkassen für die Bundesländer wird übrigens zurzeit konzipiert. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Menschen mitten ins Leben bringen, keine Ausgrenzung, son- 9 dern Inklusion: Das ist das Ziel der VITOS Teilhabe Behinderten- IMPRESSUM hilfe in Riedstadt, eines unserer Mitgliedsbetriebe. UKH und Mitgliedsbetrieb haben erfolgreich Projekte ins Leben gerufen, inform – Informationen zur Fax: 069 29972-133 kommunalen und staatlichen Internet: www.ukh.de die den Beschäftigten helfen, mit möglichen Aggressionen und Unfallversicherung in Hessen – E-Mail: ukh@ukh.de Magazin der Unfallkasse ISSN 1437-594X Angriffen von Seiten der Bewohner*innen souverän umzugehen Hessen (UKH), Gesetzliche Unfallversicherung, Newsletter-Abo und diese möglichst gar nicht entstehen zu lassen (ab Seite 16). Sitz Frankfurt am Main Newsletter abonnieren auf www.ukh.de/Informationen inform erscheint quartalsweise Webcode: U897 und geht den Mitgliedern kostenlos Jeder von uns hat schon einmal den Nachbarn um Hilfe gebeten, zu. Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Quellenangabe. Der Druck W. B. Druckerei GmbH wenn es in Haus oder Garten etwas zu erledigen gab. Nur: Was Bezugspreis von 2 Euro ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Dr.-Ruben-Rausing-Straße 10 65239 Hochheim am Main ist, wenn bei dem „Freundschaftsdienst“ ein Unfall passiert? Verantwortlich für den Inhalt Lektorat/Korrektorat Bernd Fuhrländer (Geschäftsführer) Ines Balcik Sind die Helfer dann versichert? Aufklärung gibt es ab Seite 19. Dipl.-Fachsprachenexpertin Redaktion Am Römerkastell 7 Sabine Longerich (CR) 61197 Florstadt Yvonne Klöpping (CR inform-online) Die Sommerferien stehen kurz bevor. Ich wünsche Ihnen einen Senta Knittel (inform-online) Gestaltung Thiemo Gartz Gerhards Design GmbH erholsamen Urlaub, stressfreie Tage und allzeit sichere Fahrt. Cordula Kraft Kölner Straße 50 Dr. Torsten Kunz 50259 Pulheim Alex Pistauer Pia Ungerer Titelbild Andre Stenda, Bürgermeister Bezugsquellennachweis, von Hohenroda Herausgeber Unfallkasse Hessen Alle nicht extra gekennzeich- Leonardo-da-Vinci-Allee 20 neten Fotos: Jürgen Kornaker 60486 Frankfurt am Main für Unfallkasse Hessen Servicetelefon 069 29972-440 Bernd Fuhrländer (montags bis freitags von 7:30 bis 18:00 Uhr) Geschäftsführer der Unfallkasse Hessen klimaneutral natureOffice.com | DE-202-108537 gedruckt 2 inform | Juni 2018
Inhalt 4 Aktuelles Bild: ©Adobe Stock SICHERHEIT UND GESUNDHEIT SCHUTZ UND LEISTUNGEN 12 Unfallfrei durchs Praktikum 6 Das Krisenmanagement der UKH Sicher und gesund durchs bei schulischen Krisen Schulpraktikum Ist Ihre Schule gut gerüstet für den Ernstfall? 15 Handlungsanleitungen für die Praxis Neue Bände in UKH Schriftenreihe 9 Im Gespräch mit Psychologie- erschienen! direktorin Marion Müller-Staske Das Schulpsychologische Krisen- 16 Serie Mitgliedsbetriebe: interventionsteam (SKIT) in Hessen Sicherheit und Gesundheit bei Vitos Teilhabe 19 Unfallschutz bei Nachbarschaftshilfe 19 Teilhabe mitten im Leben ermöglichen Freundschaftsdienst oder günstige Arbeitskraft? 22 Kampagne kommmitmensch: 24 Neue Entscheidungen zu Kommunikation und Partizi- Wegeunfällen pation – Bausteine einer guten Auf der Suche nach dem richtigen Präventionskultur Weg … Beschäftigte in Prozesse einbinden und ernst nehmen EHRENAMT 26 Serie Wertvolle Netzwerke: Bürgermeister Andre Stenda 35 Sozialwahl 2017 aus Hohenroda Selbstverwaltung ist gelebte 26 „Ein wunderbarer Platz zum Leben …“ Demokratie 29 Erlebnis Wald Bild: ©Winfried Eberhardt Waldtage in der Kita sicher gestalten 32 Serie ASK-Spezial: Georg Mösbauer, Universität Kassel „Man kann nicht nur fordern, man muss auch fördern!“ Fachkraft Karin Wieskotten 38 Handhabung, Lagerung (rechts) mit Bewohnerin Anastasia Alexandridou (Vitos Teilhabe) und Transport: Sicherer Umgang mit Lithium-Ionen-Akkus 16 29 inform | Juni 2018 3
Aktuelles Unfallschutz für freiwillige Feuerwehrleute Seit Jahren Rückgang der Unfallzahlen Mehr als 1,3 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland im freiwilligen Feuerwehr- dienst. Sie alle stehen dabei unter dem Schutz der Unfallkassen und Feuerwehr-Unfallkassen der Bundesländer. 2016 verzeichneten diese insgesamt 5.458 meldepflichtige Arbeitsunfälle von freiwilligen Feuerwehrleuten, das sind 346 weniger als im Vorjahr. Die Unfallzahlen gehen mit einzelnen Schwankungen seit Jahren zurück – glücklicherweise. Deutlich angestiegen – um 77 Fälle – ist der Allgemeinheit verlassen kann. Die Dr. Joachim Breuer: „Diese Fälle sind sel- hingegen 2016 die Zahl der Wegeunfälle: Absicherung für die ehrenamtlich Tätigen ten, sie kommen jedoch vor. Die meisten 368 Feuerwehrleute verunglückten auf der Feuerwehren und des Katastrophen- Bundesländer haben daher inzwischen dem Weg zum Einsatz oder vom Einsatz- schutzes geht deshalb sogar über die Härtefallfonds geschaffen, die da helfen ort nach Hause. Das ist der höchste Stand Absicherung bei Arbeitsunfällen von Be- können, wo das Gesetz der Unfallversi- seit 2010. Für fünf Menschen endete 2016 schäftigten hinaus.“ cherung eine klare Grenze setzt. Wir be- ein Unfall im Feuerwehrdienst oder auf grüßen diese Fonds, denn sie erbringen dem Weg dorthin tödlich. 2.110 freiwillige Abgesehen von den Leistungen, die regu- Leistungen in einem Bereich, den die ge- Feuerwehrleute erhielten 2016 erstmals lär Beschäftigte aus der gesetzlichen Un- setzliche Unfallversicherung nicht abde- eine Verletztenrente. Das bedeutet: Fast fallversicherung erhalten, sehen die Sat- cken kann.“ 40 Prozent aller meldepflichtigen Unfälle zungen der Unfallkassen und Feuerwehr- waren so schwer, dass eine Rentenzah- Unfallkassen individuelle Mehrleistungen Wie die Auszahlungen aus diesen Fonds lung notwendig wurde. Renten werden in für freiwillige Feuerwehrleute vor. Grund organisiert werden, liegt in der Verantwor- der gesetzlichen Unfallversicherung ab dafür ist eine besondere Anerkennung für tung der Bundesländer. In einzelnen Län- einer Erwerbsminderung von 20 Prozent Personen, die ehrenamtlich im Interesse dern kommen die Mittel für diese Unter- gezahlt. der Allgemeinheit tätig werden. Wie genau stützungsleistungen aus dem Landes- die Mehrleistungen geregelt sind, legen haushalt und beziehen alle Feuerwehren „Diese Zahlen zeigen, wie wichtig eine Arbeitgeber- und Versichertenvertreter in ein. In anderen Ländern müssen die Kom- gute Absicherung ist“, sagt Dr. Joachim der Selbstverwaltung der einzelnen Kas- munen diese Mittel aufbringen. Im letzt- Breuer, Hauptgeschäftsführer der Deut- sen fest. genannten Fall gibt es teilweise Regelun- schen Gesetzlichen Unfallversicherung, gen, dass die Kommunen selbst entschei- Spitzenverband der Berufsgenossen- Dieser umfassende Schutz greift aber nur den können, ob sie sich an den Fonds schaften und Unfallkassen. „Wer sich im dann, wenn ein Gesundheitsschaden tat- beteiligen oder nicht. Dienst der Allgemeinheit in Gefahr begibt, sächlich auf einen Unfall im Dienst zu- muss die Sicherheit haben, dass er sich rückgeht und nicht die Folge beispiels- Quelle: Pressemeldung der DGUV, April 2018 im Fall des Falles auf die Unterstützung weise natürlicher Alterungsprozesse ist. Bild: ©Adobe Stock 4 inform | Juni 2018
Aktuelles In eigener Sache Farbgestaltung im Büro Einfluss auf das Wohlbefinden Bild: ©Adobe Stock In Ergänzung zu unserem Artikel „Be- leuchtung und Farbe im Büro“ (inform 4/2017) möchten wir Sie heute auf eine interaktive Seite der Verwaltungs-Berufs- genossenschaft (VBG) aufmerksam ma- Datenschutz bei der chen. Dass Farben in einem Raum die Unfallkasse Hessen Stimmung und das Wohlbefinden beein- flussen können, ist allgemein bekannt. Bild: ©Adobe Stock Ab 25.05.2018 gilt unmittelbar die euro- Farbe als Gestaltungselement lässt Räu- päische Datenschutzgrundverordnung me weiter und offener oder enger und (DSGVO). In diesem Zusammenhang sind gemütlicher erscheinen. Die durch die boden und Einrichtungsgegenstände ver- besondere Informationspflichten zu be- Farbgebung bestimmten Reflexionsgrade schieden „einfärben“ und so mit Farbe rücksichtigen – Details auf www.ukh.de. großer Flächen können zusammen mit der spielen. Wir wünschen viel Spaß beim Beleuchtungsstärke beeinflussen, wie Ausprobieren. Mehr: hell und kontrastreich ein Raum wahrge- nommen wird. In einem vorgegebenen Mehr: ǣǣwww.ukh.de, Webcode U364 Raum können Sie Wände, Decken, Fuß- ǣǣ http://vbg.de/wbt/farbmodul/daten/html/1.htm Rentenanpassung 2018 26. bis 27. November 2018 Mehr Geld für UKH Rentner*innen 3. IAG Wissensbörse Prävention Wie die Altersrentner*innen erhalten auch Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt kräfte, Personalvertretungen, freie die Bezieher*innen von Unfallrenten, Pfle- entstehen neue Rahmenbedingungen Berater und Aufsichtspersonen sowie gegeld und Mehrleistungen der UKH dem- für Sicherheit und Gesundheit bei der Personen aus dem normsetzenden Be- nächst mehr Geld. Der Anpassungsfaktor Arbeit. Wie wirken sich Vernetzung, reich. der Renten ist für beide Sozialversiche- Erreichbarkeit und Kontrolle durch In- rungszweige gleich. formationstechnologien aus? Welche Themen: Unfallgefahren stecken in neuen Ferti- • digitales Lernen Grundlage der Rentenanpassung ist die gungstechnologien und Arbeitsmetho- • Arbeitsschutz-Apps Lohnentwicklung. Auch in diesem Jahr den? Für die Beschäftigten bietet der • Kultur und Führung führen die gute Lage am Arbeitsmarkt und digitale Wandel neben möglichen Risi- • Gefahrstoffe die Lohnsteigerungen der Vergangenheit ken auch ein großes Potenzial, die • Präventionskampagne zu besseren Renten. Ab 1. Juli 2018 wer- Arbeit künftig sicherer, gesünder, flexib- kommmitmensch – Sicher. Gesund. den die Renten im Westen kräftig um ler und integrativer zu gestalten. Miteinander 3,22 Prozent erhöht. Das ist eine erfreu- • Die vierte industrielle Revolution – liche Nachricht. Nach der erheblichen Die Wissensbörse Prävention richtet Entwicklungen und Konsequenzen Rentensteigerung im Jahr 2016 (4,25 %) sich an Fachkräfte für Arbeitssicherheit, für die Qualifizierung und der etwas moderateren im letzten Betriebsärzte, betriebliche Führungs- Jahr (1,9 %) gibt es dieses Jahr wieder ein Seit 2014 findet die interdisziplinäre sattes Plus. Zur Erinnerung: In den Jahren Fachtagung im Rhythmus von zwei Jah- 2004 bis 2010 gab es insgesamt vier Null- ren statt und wird vom Institut für Arbeit runden, was damals auch der schlechten und Gesundheit der Deutschen Gesetz- Lohnentwicklung geschuldet war. lichen Unfallversicherung (IAG), Dres- den veranstaltet. Ein Rentner mit 1.000 Euro Monatsrente erhält ab 1.7.2018 32,20 Euro mehr. Da Die Anmeldung ist bis 12.10.2018 bei von unseren Renten keine Sozialversiche- Simone Grünberg möglich (0351 457- rungsbeiträge abgeführt werden, fließt 1551, wissensboerse.iag@dguv.de). die gesamte Erhöhung in die Portemon- naies unserer Leistungsempfänger. Mehr: ǣǣwww.dguv.de, Webcode d1099950 Der Pflegegeldrahmen erstreckt sich ab Bild: ©DGUV 1. Juli von 362 bis 1.445 Euro. inform | Juni 2018 5
Schutz und Leistungen Das Krisenmanagement der UKH bei schulischen Krisen Ist Ihre Schule gut gerüstet für den Ernstfall? Jeder hofft, dass sich in Schulen keine tragischen Ereignisse und Gewaltakte ereignen. Trotz aller präventiven Maßnahmen sind solche schulischen Krisen aber niemals vollständig auszuschließen. Wichtig ist: Eine gute Vorbereitung auf den „Ernstfall“ ist die beste Garantie für schnelle und wirksame Hilfe. Wir möchten Schulen ermutigen, sich auf eventuelle Krisen gut vorzubereiten. Die Unfallkasse Hessen steht den hessischen Schulen dazu auch präventiv zur Seite. Bild: ©Adobe Stock 6 inform | Juni 2018
Schutz und Leistungen Großschadensereignisse und Krisensitu- ationen bestimmen zum Glück nicht den Wichtige Bestandteile eines schulischen Alltag. Aber gerade weil sie »»Es ist eine per- schulischen Krisen- und Notfall- nicht alltäglich, aber auch niemals voll- managements sind: ständig auszuschließen sind, erfordern manente Aufgabe, sie besondere Vorbereitungen und be- dieses Netzwerk • ein schulinternes Krisenteam wusste Präventionsmaßnahmen aller Be- • aktuelle Krisen- und teiligten. Schulen werden nicht allein ge- mit beteiligten Notfallpläne lassen, wenn es darum geht, auf mögliche Institutionen und • erprobte und belastbare Krisensituationen angemessen und pro- Netzwerke fessionell zu reagieren. In den vergange- Personen fortlaufend nen Jahren wurden in Hessen geeignete Strukturen geschaffen, um Verantwortli- zu überprüfen che in den Einrichtungen professionell zu und zu erweitern. « tionen in hessischen Schulen, um unterstützen: angefangen vom Bedro- sicherzustellen, dass betroffenen Alex Pistauer hungsmanagement über Krisenvorberei- Schülern und Beschäftigten zeitnah tung bis hin zu Bewältigungsstrategien professionelle Unterstützung und nach einer schweren zielgerichteten Ge- Krisenmanagement ist Netzwerk- größtmögliche Hilfe nach einem Kri- walttat an einer Schule. Dabei ist das Kri- management senfall zuteil wird. sen- und Notfallmanagement in der Schu- le selbst wichtigster Baustein in der Kri- In diesem Sinne hat die UKH schon seit Durch die Zusammenarbeit soll ge- senprävention. längerem Instrumente eines professio- währleistet werden, dass die UKH die nellen Krisenmanagements in ihrer Orga- Durchführung, Steuerung und Über- Hilfe für verletzte Seelen nisation etabliert. Gerade im schulischen wachung des Heilverfahrens als pri- Bereich setzen wir darauf, uns mit den märe Rehabilitationsaufgabe wahr- Die Unfallkasse Hessen (UKH) ist die ge- unterschiedlichen Akteuren zu vernetzen nehmen kann. Zum Beispiel stellen setzliche Unfallversicherung für hessische und diese zu stärken. Die Bildung von die Vertragsparteien im Krisenfall Schülerinnen und Schüler. Und unsere Netzwerken zur Bewältigung von Krisen wechselseitig eine möglichst frühzei- Leistungen beschränken sich nicht nur in und an Schulen unter Einbeziehung von tige Information über Art und Umfang auf Körperschäden nach „klassischen“ schulpsychologischen Diensten, Krisen- der Krisenlage sicher. Es ist geregelt, Schulunfällen. Auch die „Verletzung der teams, Erziehungsberatungsstellen, Ju- dass und wie sich UKH und SKIT über Seele“ – der psychische Gesundheits- gendhilfe, sonstigen psychologischen Maßnahmen zur psychologischen schaden nach einem traumatisierenden Fachkräften sowie Polizei, Rettungswe- Notfallversorgung und zur Entwick- Ereignis – gilt als Versicherungsfall, den sen, Notfallseelsorge und Kriseninterven- lung einer mittel- und langfristigen die UKH mit allen geeigneten Mitteln zu tionsdiensten ist nach unserer Überzeu- psychologischen Nachsorge unter- entschädigen hat. Dies gilt sowohl bei gung Voraussetzung für ein effektives einander abstimmen. Zusätzlich wird Einzelfällen (schwerer Unfall, Suizid eines Krisenmanagement an Schulen. Es ist die Arbeit des SKIT durch die Koopera- Schülers oder einer Lehrkraft) als auch eine permanente Aufgabe, dieses Netz- tion immer weiter professionalisiert, bei schulischen Krisen oder anderen werk mit beteiligten Institutionen und indem sich die UKH regelmäßig an Großschadensereignissen, wenn Ver- Personen fortlaufend zu überprüfen und den Kosten für Fortbildung und Quali- sicherte der UKH betroffen sind. Aber an- zu erweitern. fizierung der Mitglieder von SKIT und ders als „normale“ Arbeits- bzw. Schul- deren professioneller Ausstattung für unfälle sind diese Vorfälle getrieben von einen Einsatz im Krisenfall beteiligt. großer Dynamik. Die Situation ist unüber- Die Säulen des sichtlich, eine Vielzahl von beteiligten UKH Krisenmanagements Organisation und Arbeitsweise von Helfer*innen muss koordiniert werden. SKIT beschreibt dessen Leiterin, Ma- Es geht um Krisenmanagement und dabei SKIT rion Müller-Staske, im Interview mit ist vor allem eines wichtig: informieren inform ab Seite 9 in diesem Heft. und netzwerken. Es geht um den Aufbau Erste wichtige Säule im Krisen- bzw. verlässlicher Strukturen, die die Informa- Notfallmanagement der UKH ist die ZTK tion und Unterstützung schnell und zu- enge Zusammenarbeit mit dem schul- verlässig an die richtigen Stellen weiter- psychologischen Kriseninterven- Die zweite wichtige Säule beim UKH leiten. Nur eine intensive Zusammenar- tionsteam (SKIT). Diese basiert auf Krisenmanagement bildet die vertrau- beit zwischen allen Beteiligten sichert die einer vertraglichen Vereinbarung zwi- ensvolle Zusammenarbeit mit dem erfolgreiche Bewältigung einer Krise. schen dem Hessischen Kultusminis- „Zentrum für Trauma und Konflikt- Schnelle und effektive Hilfe für die Betrof- terium (HKM), dem Hessischen Minis- management (ZTK) GmbH“ in Köln. fenen ist bei solchen Ereignissen zentral. terium des Innern und für Sport (HMdI) Die Mitarbeiter*innen dort gelten als und der UKH. Sie regelt unter anderem anerkannte Experten*innen auf dem die Zusammenarbeit bei Krisensitua- Gebiet der Traumabewältigung und >> inform | Juni 2018 7
Schutz und Leistungen Die Notfallordner mit dem Leitfaden „Handeln in Krisen- situationen“ sind über die Schulpsychologie der staat- lichen Schulämter zu beziehen. Akteure in einem funktionierenden Not- der betroffenen Schule eine enorme Fülle >> des Krisenmanagements. Das TZK fall- und Krisenmanagement. Von jetzt auf an Aufgaben, ein erheblicher Zeit- und wird regelmäßig weltweit nach Groß- gleich können Schulen von schweren Entscheidungsdruck, vor allem aber auch schadenslagen oder Naturkatastro- Unfällen, Suiziden oder Amoktaten betrof- eine große Verantwortung zu. In einer sol- phen in Krisengebieten mit der Be- fen und emotional erschüttert werden. Bei chen Ausnahmesituation kann ein funk- treuung und Schulung von Hilfs- und solch belastenden Ereignissen ist gutes tionierendes, schulinternes Krisenteam anderen Organisationen im Bereich Krisenmanagement gefragt. Voraussetzung eine nicht zu unterschätzende Entlastung Stressmanagement und Krisennach- dafür ist jedoch, dass Pläne und Hand- und Hilfe für die Schulleitung darstellen. sorge beauftragt. lungsabläufe vorbereitet sind und jedes Aus diesem Grund ist es überaus wichtig, Kollegium für den Ernstfall gerüstet ist. dass das schulinterne Krisenteam gut auf- Die Unfallkasse Hessen hat sich, wie gestellt ist. Ein lebendiges schulisches viele andere Unfallkassen im Bundes- Krisenteam – intern wie extern gut ver- gebiet, die Unterstützung des ZTK nach Leitfaden in Hessen: netzt – zählt zu den wichtigsten Baustei- einem eventuellen Großschadensereig- Handeln in Krisensituationen nen in der Krisenprävention. nis in ihrem Zuständigkeitsgebiet ge- sichert. So wird gewährleistet, dass Auch hierfür wurde in Hessen schon Hessen ist gut vorbereitet z. B. nach einem „School-Shooting“ vor vielen Jahren beispielgebend oder einer anderen schulischen Krise Vorsorge getroffen. So hat das HKM Damit die Verantwortlichen zur Bewälti- durch eine enge Zusammenarbeit zwi- in Zusammenarbeit mit dem HMdI und gung möglicher Gefahren- und Krisensi- schen ZTK, SKIT und UKH die psycho- Experten aus der Schulpsychologie tuationen im schulischen Umfeld optimal logische Notfallversorgung der Betrof- einen Leitfaden für Schulen „Handeln vorbereitet sind, unterstützt die UKH fenen, aber auch die mittel- und lang- in Krisensituationen“ erarbeitet, der schon viele Jahre aktiv das Notfallma- fristige Nachsorge in unserem Auftrag den Verantwortlichen wichtige Hand- nagement der hessischen Schulen. Denn sichergestellt wird. reichungen und Hilfen zur Gewaltprä- ein professionelles Krisenmanagement, vention, zur Einschätzung von Gefah- wie es in Hessen mit der Verpflichtung AK PSNV renpotenzial und zum effizienten und zum Aufbau von Krisenteams in Schulen, zielgerichteten Krisenmanagement der Erstellung von Krisenplänen und der Die Mitarbeit im „Arbeitskreis psy- gibt. Der Leitfaden enthält wichtige Unterstützung durch die schulpsycholo- chosoziale Notfallversorgung der Hinweise und Anregungen, wie sich gischen Kriseninterventionsteams prak- Stadt Frankfurt am Main (AK PSNV)“ eine Schule auf die Bewältigung mög- tiziert wird, hilft uns, unseren Auftrag zur ist ein weiterer wichtiger Bestandteil licher Gefahren- und Krisensituatio- Rehabilitation traumatisierter Kinder und unseres UKH Krisennetzwerks. Auch nen im schulischen Umfeld vorberei- Erwachsener zielgerichtet erfüllen zu die dort vertretenen Hilfeleistungsor- ten kann. Von allgemeinen Präven- können. >| ganisationen, die Notfallseelsorger tionsbemühungen über Krisenmana- bis hin zum „Einsatzabschnitt Bera- gement, Umgang mit Bedrohungen zu Alex Pistauer 069 29972-300, a.pistauer@ukh.de tung der Polizeiakademie Hessen“ psychosozialer Nachsorge wird die sind wichtige Partner und Akteure in gesamte Thematik umfassend darge- Mehr: der psychologischen Notfallversor- stellt. gung und im Krisenmanagement. ǣǣwww.kultusministerium.hessen.de/ lehrer/gewaltpraevention/ausgewaehltes- informationsmaterial Der Leitfaden enthält u. a. die Verpflich- Schulische Krisen- und Notfallteams tung, schulische Krisenteams zu bilden und sich aktiv mit der Prävention und In- Neben den beschriebenen Vorkehrungen, tervention in Krisenfällen auseinander- Initiativen und Netzwerken bleiben zusetzen. Insbesondere in der Akutphase jedoch die Schulen selbst wichtigste einer Krise kommen auf die Schulleitung 8 inform | Juni 2018
Schutz und Leistungen Im Gespräch mit Psychologiedirektorin Marion Müller-Staske Das Schulpsychologische Kriseninterventionsteam (SKIT) in Hessen Schon im Sommer 2006 wurde in Hessen das Schulpsychologische Kriseninterventionsteam (SKIT) gebildet, ein Team mit in der Notfallpsychologie qualifizierten Schulpsycholog*innen. Die Arbeit von SKIT wurde im Laufe der Jahre – auch mit Unterstützung der UKH – immer weiter professionali- siert. Im Interview erklärt Psychologiedirektorin Marion Müller-Staske – sie ist Leiterin von SKIT und verantwortlich für die landesweite Koordination Krisenintervention und Bedrohungsmanagement –, wie notfallpsychologische Soforthilfe im Krisenfall organisiert ist und wie Schulen selbst wirksame Krisenprävention betreiben können. In Teil 1 unseres Interviews sprechen wir mit Marion Müller- Staske über Organisation und Arbeitsweise von SKIT. »»Wir haben geschaut, welche Länder in diesem Bereich schon Erfahrungen haben. « Marion Müller-Staske Bilder: © Dominik Buschardt Frau Müller-Staske, Sie sind „Frau der zielgerichtete Gewalttaten an Schulen Als ein Element von verschiedenen haben ersten Stunde“ von SKIT und inzwi- noch ein sehr neues Phänomen. Wir ha- die Vereinigten Staaten an den Schulen schen dessen Leiterin. Wie beurteilen ben geschaut, welche Länder in diesem „Schulische Krisenteams“ gebildet und Sie rückschauend die Entwicklung des Bereich schon Erfahrungen haben. Das diese entsprechend qualifiziert. Dieses Kriseninterventionsteams in Hessen? waren in erster Linie die Vereinigten Staa- zentrale Element haben wir übernommen. ten von Amerika. Dabei hat uns interes- Dann sahen wir aber, dass es für den Fall Wir haben bereits 2006 begonnen, uns siert, was dort an Instrumenten und Kon- einer größeren Schadenslage auch Struk- auf die Intervention bei schulischen Kri- zepten entwickelt worden ist, um dem turen und Konzepte für die Arbeit der sen vorzubereiten. Zu dieser Zeit waren Phänomen auch präventiv zu begegnen. Schulpsychologie brauchte. So haben >> inform | Juni 2018 9
Schutz und Leistungen »»Unser vorrangiges Ziel ist es, früh- zeitig Stabilität zu vermitteln und Sicherheit wieder- herzustellen. « >> wir begonnen, das „Schulpsychologi- Marion Müller-Staske sche Kriseninterventionsteam (SKIT)“ auf- zubauen. Einerseits, um Schulen schon im Vorfeld für Krisenfälle zu sensibilisie- ren und ihnen Konzepte an die Hand zu geben, aber andererseits auch gleichzei- tig, um im Falle eines Ereignisses den kommnis dem eigenen Schulamt. Die Schulen eine zeitnahe, enge Unterstüt- Kollegen*innen aus dem Schulamt neh- zung zu bieten. men den Vorfall auf, planen die Krisenin- tervention und machen konkrete psycho- Die UKH ist überzeugt: „Hessen ist logische Angebote. In aller Regel ge- gut vorbereitet für den Fall einer schieht dies eigenständig. Immer dann, schulischen Krise.“ Teilen Sie diese wenn die Anzahl der Betroffenen so hoch Einschätzung? ist, dass die Kollegen*innen das alleine nicht leisten können, z. B. weil das Ereig- Ja, ich denke, Hessen ist tatsächlich gut nis sehr groß ist, können sie Unterstüt- vorbereitet. Seit 2007 gibt es für die Schu- zung aus den umliegenden Schulämtern len den Leitfaden „Handeln in Krisensi- anfordern. Vorrangig erst einmal aus den tuationen“, ein Handlungsleitfaden von Schulämtern aus dem Regionalverbund, Hessischem Kultus- und Hessischem In- aber grundsätzlich auch darüber hinaus. terstützung anbieten. Hierfür ist eine Hot- nenministerium. Dieser ist verbindlich line mit zwei Notfallnummern eingerich- umzusetzen. Darin haben wir den Schulen In diesem Fall, wenn sich die Kollegen*- tet. Die Telefonnummern stehen allen nahegelegt, sich gut vorzubereiten und innen über die Schulamtsgrenzen hinweg Mitgliedern im schulischen Krisenteam ein schulisches Krisenteam zu bilden. unterstützen, melden sie mir diesen Ein- zur Verfügung. So wird sichergestellt, Daneben gibt es, wie bereits dargelegt, satz. Bei einem sehr großen Ereignis – dass wir auch an Wochenenden oder Fei- das „Schulpsychologische Kriseninter- man spricht dann von einer Großscha- ertagen die zuständigen Kollegen*innen ventionsteam (SKIT)“. Vor einigen Jahren denslage – kann es auch passieren, dass alarmieren können, die dann frühzeitig hat eine Evaluation durch Prof. Dr. Sieg- alle 15 Schulämter aktiviert werden müs- Kontakt aufnehmen, die Schulleitung und fried Preiser, damals am Institut für Päd- sen. Bei diesen großen Schadenslagen das Schulische Krisenteam beraten und agogische Psychologie an der Universität wird die Einsatzleitung vom Ministerium schon erste Planungen für den nächsten Frankfurt am Main, bestätigt, dass das bestimmt. Aller Voraussicht nach wird das Schultag vornehmen. organisatorische Konzept und die Rah- dann meine Aufgabe sein, wobei ich dann menbedingungen in Hessen von hoher natürlich sehr eng mit den zuständigen Was sind beispielhafte Einsatzanlässe Professionalität und Aktualität zeugen Kollegen*innen vor Ort kooperieren wer- für SKIT? und den aktuellen Stand der Wissenschaft de. Das sind die Grundsätze für die Ein- und der evaluierten Praxis („best prac- satzsituation. Hier gibt es die ganze Bandbreite: Von tice“) auf internationaler Ebene berück- tödlichen Unfällen von Schülern*innen sichtigen. Dies ist aus meiner Sicht auch Wie läuft die Alarmierungskette im über einen Ehemann, der seine Frau vor ein Beleg, dass wir in Hessen gut vorbe- Ernstfall ab? den Augen seiner drei Kinder tötet, bis reitet sind. hin zu Suiziden bei Kindern und Jugend- Bei Ereignissen, bei denen die Anzahl der lichen oder auch von Lehrkräften. Unfäl- Wie ist SKIT in Hessen organisiert und Betroffenen nicht so hoch ist, sind die le auf Klassenfahrten sind ein weiteres wer bestimmt dessen Einsatz? Schulen gehalten, diese sogenannten Beispiel für einen möglichen Einsatz. Vor „besonderen Vorkommnisse“ der vorge- einigen Monaten wurden wir in Hessen Wir haben in Hessen 15 staatliche Schul- setzten Dienstbehörde, also dem Schul- auch mit der Situation konfrontiert, dass ämter. In jedem dieser Schulämter arbei- amt, zu melden. In der Regel werden sie Schüler Augenzeugen von terroristisch ten Schulpsychologinnen und Schulpsy- die vorgesetzten schulfachlichen Dezer- motivierten Attentaten im Ausland wur- chologen. Der allergrößte Teil davon ist nenten*innen ansprechen, aber manch- den. Es gibt die unterschiedlichsten Kri- inzwischen Mitglied im SKIT. Wir sind also mal rufen sie auch direkt bei der Schul- sen, bei denen der Unterstützungsbedarf relativ breit aufgestellt. Wenn es zu einem psychologie an. Vorkommnisse geschehen hoch ist und in denen die Schulen uns krisenhaften Ereignis in einer Schule auch an Wochenenden oder Feiertagen. anfordern und unsere Unterstützung sehr kommt, meldet die Schule dieses Vor- Auch dann können wir den Schulen Un- schätzen. 10 inform | Juni 2018
Schutz und Leistungen Wie können Schulpsychologen*innen in einer Krisensituation konkret helfen? Ein ganz wichtiger Wirkfaktor ist meines Erachtens, dass wir mit sehr viel Ruhe in die Situation hineinkommen, eine klare Struktur haben und wissen, welche Auf- gaben im Krisenmanagement zu bewäl- tigen sind. Unser vorrangiges Ziel ist es, frühzeitig Stabilität zu vermitteln und Sicherheit wiederherzustellen. Ein wich- tiges Ziel im Krisenmanagement ist die Unterstützung und Begleitung der Schul- leitung. Es müssen u. a. folgende Fragen geklärt werden: Wie komme ich an ge- sicherte Informationen, wer muss alles informiert werden, wie kann ich angemes- sen informieren, wie informiere ich das Kollegium, welche Information bekommt Aber es gibt auch viele Einsätze, die auf Schulpsychologie so in der Notfallpsycho- die Schulgemeinde zu welchem Zeit- den ersten Blick gar nicht so spektakulär logie geschult. punkt? Es ist sehr wichtig, dass die Eltern scheinen – wenn z. B. ein Kind einen Un- erleben, dass die Schule offen und trans- fall hatte und es um die Aufarbeitung des Neben dieser Qualifizierung, in der unter parent und handlungsfähig ist und auch Ereignisses geht. Es ist schon einige Zeit anderem vermittelt wird, was Krisen sind, für die kommenden Tage einen Handlungs- her, da ereignete sich ein Ertrinkungsun- welche Traumafolgestörungen es gibt und plan hat. Das sind zentrale Elemente. fall beim Schwimmunterricht. Die Lehr- wie Einzel- und Gruppengespräche ge- kräfte haben das Kind vom Boden hoch- führt werden, gibt es weitere Schulungen. Im nächsten Schritt beraten wir die Lehr- geholt und reanimiert. Es sind zum Glück Eine wichtige Schulung betrifft das „Be- kräfte, wie sie an diesem und an den keine Folgeschäden verblieben. Auch in drohungsmanagement“. Diese führen wir nächsten Tagen mit ihren Klassen arbei- diesem Fall haben wir die Schule beraten regelmäßig gemeinsam mit der Unfallkas- ten. Dabei sollen sie wissen, was ange- und empfohlen, mit den Kindern das Ver- se Hessen durch. Wir wollen nicht warten, messen ist und was nicht. Wenn es not- halten zu besprechen: Wie sollen wir uns bis Schüler schon weit auf dem Weg hin wendig wird, bieten wir auch Einzel- oder im Schwimmunterricht verhalten? Was zu einer zielgerichteten Gewalttat, unter Gruppengespräche für Schüler und Lehr- sind die Regeln? Warum ist es so wichtig, Umständen schon in der Tatplanung sind, kräfte an. Auch wenn wir nach dem Schul- sich daran zu halten? sondern wollen, dass frühzeitig Warnsi- gesetz nicht für die Schulsekretärin oder gnale wahrgenommen werden. Dann den Hausmeister zuständig sind, haben Welche Zusatzqualifikationen haben muss ein gutes Fallmanagement instal- wir diese natürlich auch im Blick und ste- Schulpsychologen*innen, um in SKIT liert werden, um Lösungen zu entwickeln, hen für Fragen zur Verfügung, denn dies mitarbeiten zu können? damit diese jungen Menschen zurück in sind Menschen, die ganz zentral in so den normalen Alltag finden. Dies ist ein eine Krisensituation mit eingebunden Schulpsycholog*innen in Hessen haben effektiver, präventiver Ansatz. sind. alle ein Diplom, die jüngeren Kolleg*innen haben einen Masterabschluss. Mit dieser Das hessische Kultusministerium bietet Teil 2 des Interviews (inform 3/2018) wid- Qualifikation besuchen sie dann einen noch weitere Qualifizierungen für die met sich den Aufgaben der schulischen einwöchigen Lehrgang, „Crisis Manage- SKIT-Mitglieder an, z. B. Umgang mit dem Krisenteams sowie Aspekten des Bedro- ment in Schools“. Wir sind bei dem eng- Thema Tod und Trauer oder Krisenmana- hungsmanagements und der Gewaltprä- lischen Namen geblieben, weil dieser gement. Nach den Herbstferien wird, auch vention. >| Kurs sich auf ein europäisches Curriculum in Kooperation mit der Unfallkasse Hes- stützt. Wir haben diese Qualifizierung in sen, ein Fortgeschrittenen-Kurs angebo- Interview: Alex Pistauer 069 29972-300, a.pistauer@ukh.de Hessen nicht selbst entwickelt, sondern ten, da geht es um das Bedrohungsma- gemeinsam mit europäischen Partnern. nagement in der digitalen Welt und um In vielen europäischen Ländern wird die das Thema Suizidalität in der Schule. inform | Juni 2018 11
Sicherheit und Gesundheit Unfallfrei durchs Praktikum Sicher und gesund durchs Schulpraktikum Das erste Praktikum vergisst man nicht. Jugendlich unerfahren und neugierig stand ich seinerzeit plötzlich auf einer Baustelle in einer mir unbekannten Arbeitswelt. Keine Mitschülerinnen und Mitschüler mehr, nur „alte“ Männer … Mein Betreuer wirkte zum Glück nicht so alt und schien okay zu sein. Das Praktikum war dann schon ein echter Schritt ins echte Leben, aus heutiger Sicht sogar ein nicht ganz ungefährlicher: Da kam „Gutes von oben“, da konnte man in Gruben stürzen, vom Gerüst fallen und überall war Staub und Lärm. Wie steht es heute um die Sicherheit im Praktikum? Damals hat mich das ganze Gefahren- beurteilen. Unerlässlich sind hierbei die spektrum wenig beeindruckt. Gefahren Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und Unfälle? Mit 15 Jahren waren dies Betrieb zur sicherheitstechnischen und betriebs- nicht meine Themen. Gut, dass andere ärztlichen Betreuung, sowie eine Gefähr- auf mich geachtet haben! Werfen wir ei- dungsbeurteilung. Gerade bei Kleinbe- nen Blick ins „Hier und Heute“. trieben wird man hier auf Mängel stoßen. Betriebs- Ein Betrieb, der diese Voraussetzungen Schwere Unfälle beim Schulpraktikum praktikum nicht erfüllt, ist als Praktikumsbetrieb völlig ungeeignet. Die genannten Min- In Hessen verunglücken im Praktikum deststandards lassen zwar eine gewisse jährlich ca. 350 Schülerinnen und Schüler. Schule Schüler Sicherheitskultur erwarten. Ein Garant für Das sind zwar weniger als 0,5 Prozent al- ein sicheres Praktikum sind sie jedoch ler Unfälle dieser Personengruppe, doch nicht. Abb. 1 die Unfallschwere ist gegenüber den sonstigen Schulunfällen deutlich höher. So kam es in den letzten zehn Jahren zu Die Rolle der Schule Daher sollte die Schule vorab zwei tödlichen und einigen sehr schweren mit dem Betrieb klären: Unfällen (z. B. massiver Fingerverlust). Bei Die Schule gibt beim Praktikum ihre Schü- den Themen Unfallverhütung und Ge- lerinnen und Schüler in die Obhut eines • Gibt es geeignete Tätigkeiten für sundheitsschutz im Schülerpraktikum Betriebs. den Praktikanten/die Praktikantin? besteht offenbar nach wie vor Verbesse- • Sind zuverlässige, qualifizierte rungsbedarf. Insbesondere bei schweren Auf die eigentliche Praktikumstätigkeit Betreuungspersonen und An- Unfällen zeigt sich, dass Schüler und hat sie keinen Einfluss. Der Lehrkraft feh- sprechpartner dauerhaft verfüg- Schülerinnen die Gefahren gar nicht er- len zudem häufig spezifische Kenntnisse bar? kannt hatten und die Betriebe zum Teil zu Abläufen eines Werkstattbetriebs oder • Welche Erwartungen stellt der erhebliche Defizite im Arbeitsschutz auf- einer Baustelle. Schule und Lehrkräfte Betrieb an die Praktikantin/den wiesen. Präventiv gilt es daher bei allen müssen sich letztlich auf den Betrieb ver- Praktikanten? Gibt es ggf. Schü- Beteiligten anzusetzen. lassen (können). Damit kommt der Eig- lerinnen oder Schüler, die auf- nung und Auswahl des Betriebs eine hohe grund dieser Erwartungen für Prävention auf allen Ebenen Bedeutung zu. In der Praxis kann sich diesen Betrieb ungeeignet sind? durchaus ein Interessenskonflikt erge- • Sind dem Betrieb die Vorgaben Grundsätzlich ist das Praktikum ein Zu- ben, wenn aus einer geringen Anzahl von und Einschränkungen des Jugend- sammenspiel von Schule, Betrieb sowie Betrieben noch vermeintlich ungeeigne- arbeitsschutzgesetzes bekannt Schülerinnen und Schülern. Dies gilt na- te aussortiert werden müssen. Welche (keine gefährliche Arbeiten, türlich auch für die Belange der Sicher- Kriterien kann die Schule für die Auswahl z. B. an Maschinen wie Kreissäge, heit. Alle Beteiligten müssen ihren Teil eines sicheren Betriebs anwenden? Häcksler etc.)? dazu beitragen, um ein sicheres Prakti- • Hat der Betrieb Erfahrung mit kum zu gewährleisten. Die Details ver- Mindeststandards für ein sicheres Praktikant*innen? deutlicht Abbildung 2. Praktikum: gesetzliche Vorgaben und • Welche Unterweisungen sind Gefährdungsbeurteilungen notwendig bzw. geplant? • Ist Schutzkleidung notwendig und Ob ein Betrieb für ein Praktikum geeignet wird diese auch gestellt? ist, lässt sich anhand bestimmter Kriterien 12 inform | Juni 2018
Sicherheit und Gesundheit • qualifizierter Betreuer Betrieb • Auswahl geeigneter Aufgaben • Kommunikation mit der Schule • Auswahl geeigneter Betriebe Schule • Kommunikation mit dem Betrieb • Vorbereitung der Schüler*innen • Interesse Schüler • Motivation • umsichtiges Verhalten Abb. 2: Alle drei beteiligten Parteien müssen ihren Teil zu einem erfolgreichen und sicheren Schulpraktikum beitragen. Sowohl während (z. B. beim Besuch der ten Kindheit bestimmte Erfahrungen, wie angebracht sein, derartiges Wissen erleb- Lehrkraft) als auch nach dem Praktikum „Höhe tut weh“, nicht mehr machen kön- nisorientiert zu gestalten und spielerisch sollte mit den Schülerinnen und Schülern nen. Ungenügend ausgebildet bleibt bei- (z. B. pantomimisch) darstellen zu lassen. das Thema Sicherheit reflektiert und Auf- spielsweise die Grenzhöhe, die bei einem fälligkeiten sollten dem Betrieb kommu- Sturz oder Sprung unbeschadet überstan- Aufgaben der Betriebe niziert werden. den werden kann. Dabei besteht im schu- lischen Sportunterricht die Möglichkeit, Für minderjährige Praktikantinnen und Gut auf Gefahren vorbereiten Höhe erlebbar zu machen und Höhenkom- Praktikanten ist der Betrieb letztendlich petenz zu vermitteln. Ähnliche Möglich- der Garant für ihre Sicherheit. Daher muss Von besonderer Bedeutung ist die Vorbe- keiten bieten Physik und Chemie für Strom ihre Aufnahme sorgfältig vorbereitet wer- reitung der Schülerinnen und Schüler. bzw. Gefahrstoffe. Gerade bei lernschwa- den. >> Hierzu gibt es branchenspezifische Ma- chen Schülerinnen und Schülern kann es terialien. Gerade schwere Unfälle zeigen jedoch, dass eine solide Kompetenz ge- genüber „Basisgefahren“ hier ggf. den „Eigenschutz“ der Jugendlichen deutlich verbessern könnte. Basisgefahren im Berufsleben und Alltag sind: Schul- • Höhe erkennen und die Absturz- bzw. Verletzungsgefahr einschät- zen können • Gefahrstoffe erkennen: Arten praktikum und Aufnahmemöglichkeiten (z. B. Hautkontakt, Einatmen) • Brand- und Verbrennungsgefahren erkennen, verhüten • Maschinen • elektrischer Strom • schwere Lasten heben, tragen; Herabsturzgefahr • sehen und gesehen werden im (Werks-)Verkehr Diese Themen finden sich in diversen Un- Bild: ©Adobe Stock terrichtsfächern, so dass man frühzeitig solides Wissen aufbauen kann. Vielen Jugendlichen fehlt heute ein Höhenge- fühl, weil sie aufgrund einer überbehüte- inform | Juni 2018 13
Sicherheit und Gesundheit Schul- praktikum • notwendige und geeignete Schutz- gen durch monotone, langweilige Tätig- >> Folgende Fragen sind zu klären: ausrüstungen zur Verfügung stellen keiten sind ebenfalls problematisch. Sie • Besuche der Lehrkraft mit der Schule verleiten zu Ausweichverhalten. Schnell • Sind wir in der Lage, einen Prakti- abstimmen und Kommunikation un- kommt es dann mal zum „Besuch“ ande- kanten, eine Praktikantin sinnvoll tereinander verabreden rer Betriebsbereiche (Dächer, Fahrzeuge zu beschäftigen, zu betreuen etc.), wo unerwartete Gefahren lauern. (inhaltlich, zeitlich, personell)? Besonders wichtig ist die Auswahl der • Haben wir geeignete Betreuungs- Tätigkeit. Durch Überforderung (z. B. Be- Was müssen Schülerinnen und Schüler personen mit den entsprechenden wegung zu hoher Lasten, Umgang mit sowie deren Eltern tun? Qualifikationen? Maschinen oder Gefahrstoffen) können • Sind Arbeitsschutzstandards auf rasch kritische Situationen entstehen, die Die schulische Vorbereitung und betrieb- dem notwendigen Niveau (sicher- der Praktikant, die Praktikantin nicht liche Begleitung der Schülerinnen und heitstechnische, arbeitsmedizi- beherrscht. Unabhängig hiervon dürfen Schüler sind wesentlich für ein sicheres nische Betreuung, Gefährdungs- Jugendliche auch gemäß Jugendarbeits- Praktikum. Schülerinnen und Schüler soll- beurteilung, Jugendarbeitsschutz- schutzgesetz nicht mit gefährlichen ten sich mit ihren Eltern über das Betriebs- gesetz, Unterweisungen)? Arbeiten betraut werden. Unterforderun- praktikum austauschen. Erkennbare De- fizite in Sachen Sicherheit müssen unver- züglich mit der Schule und dem Betrieb Sind vorstehende Aspekte geklärt, kann geklärt werden. Alarmzeichen sind bei- sich der Betrieb auf weitere Sicherheits- spielsweise Schülerarbeiten an Häcks- überlegungen im Praktikumsablauf kon- lern, auf Dächern etc. >| zentrieren. Dabei ist zu bedenken, dass der noch unbedarfte junge Mensch eine Herbert Hartmann 069 29972-201, h.hartmann@ukh.de verlässliche Führung (auch im Sinne einer Beaufsichtigung) benötigt. Der Betreuer Mehr: bzw. die Betreuerin sollte mit der Alters- Bild: ©Adobe Stock gruppe vertraut sein, wobei eine Ausbil- ǣǣschule.ukh.de, Webcode S1343 dereignung ideal wäre. ǣǣ www.dihk.de/themenfelder/Schülerpraktium Der Rahmen für den sicheren Praktikumsverlauf sieht so Rein in den Beruf – aber sicher! aus: Die Unfallkasse Hessen ist die ge- • Planung des Praktikanten- setzliche Unfallversicherung für Schü- einsatzes mit zugeteilter lerinnen und Schüler. Passiert ein Un- Betreuung fall im Praktikum oder auf dem Weg • Erteilung notwendiger dorthin oder zurück nach Hause oder Unterweisungen und Kon- zur Schule, dann kümmern wir uns trolle des Verhaltens der um alle Weitere: medizinische Versor- Praktikanten gung, Krankenhaus, im Ernstfall auch • zugeteilte Aufgaben sollen um finanzielle Entschädigung und fordern, aber nicht über- oder Renten. unterfordern 14 inform | Juni 2018
Sicherheit und Gesundheit Handlungsanleitungen für die Praxis Neue Bände in UKH Schriftenreihe erschienen! Die UKH gibt eine eigene Schriftenreihe zu Themen der Sicherheit und Gesundheit am Arbeits- und Ausbildungsplatz heraus. Die Schriften sind für Verantwortliche im Arbeitsschutz gedacht und bieten nachvollziehbare und praxisnahe Beispiele für die tägliche Arbeit. Beide Bände sind ab sofort bei uns erhältlich. Band 19: Arbeitsschutz und Arbeitsgestaltung des Regierungspräsidiums Gießen erstellt und Organisation von Sicherheit und wird inhaltlich vom Hessischen Ministe- Gesundheit bei der Arbeit rium für Soziales und Integration mitge- Wege zu einer funktionierenden Auf- tragen. gabenverteilung und Pflichtenübertra- gung Auch dieser Leitfaden ist Ausfluss eines Pilotprojekts, an dem verschiedene kom- Dieser Band entstand in enger Zusam- munale Ordnungsdienste, ein Vertreter menarbeit mit dem Hessischen Städte- der Bundesfachgruppe kommunale Ver- und Gemeindebund und ist das Ergebnis waltung von ver.di und andere Personen einer intensiven Projektarbeit zur Verbes- aus der Praxis beteiligt waren. serung der Organisation von Sicherheit und Gesundheit in der Verwaltung. Er Der Leitfaden bietet ausgearbeitete Bei- dient den Kommunen, aber auch anderen spiele möglicher Gefährdungen und Be- Mitgliedsbetrieben als praxisorientierter lastungen der kommunalen Ordnungs- Ratgeber und als Handbuch für rechtliche dienste an. Als erstes Schwerpunktthema und organisatorische Grundlagen der werden ausführlich die möglichen psy- Organisation von Sicherheit und Gesund- chischen Belastungsfaktoren behandelt, heit und der Pflichtenübertragung. Erfah- die anderen Gefährdungsfaktoren folgen rungen aus dem oben genannten Projekt danach. Im Anhang sind weitere praxis- und Beispiele aus der Praxis zur Pflich- nahe Hilfen für die Umsetzung von Maß- tenübertragungen finden sich ebenfalls nahmen angefügt. in diesem Band. So werden Kommunal- verwaltungen in die Lage versetzt, ihre Darüber hinaus findet sich dort auch der Arbeitsschutzorganisation an die spezi- „Projektbericht zum Praxisleitfaden zur fischen Strukturen und Bedürfnisse an- Erstellung der Gefährdungsbeurteilung, zupassen und damit Sicherheit und Ge- Schriftenreihe UKH, Band 20“. Dieser Pro- sundheit bei der Arbeit zu verbessern. jektbericht enthält eine Beschreibung des Projekts und richtet sich in erster Linie an Der Band liegt gedruckt vor und kann be- die politisch Verantwortlichen, die Exper- stellt werden (ukh@ukh.de), Download- ten der Branche und an andere Unfallver- Link am Ende des Textes. sicherungsträger. Band 20: Achtung: Dieser Praxisleitfaden ist aus- schließlich als Download erhältlich (Link Gefährdungsbeurteilung für siehe unten). >| kommunale Ordnungsdienste Praxisleitfaden zur Erstellung der Martina Lotter, Stephanie Caspar Gefährdungsbeurteilung Mehr: Dieser Leitfaden wurde gemeinsam mit ǣǣukh.de, Webcode U370 dem Fachzentrum für systemischen inform | Juni 2018 15
Sicherheit und Gesundheit Mitgliedsbetriebe Sicherheit und Gesundheit bei Vitos Teilhabe Teilhabe mitten im Leben ermöglichen Menschen mit Behinderung mitten ins Leben bringen, keine Ausgrenzung, sondern Inklusion: Das ist das Ziel der Vitos Behindertenhilfe in Riedstadt. Sie ist Teil der Vitos Teilhabe gGmbH, einer von zwölf Gesellschaften der hessenweit tätigen Vitos GmbH. In der vor 2016 sogenannten Heil- pädagogischen Einrichtung werden die Bewohner in Wohngruppen betreut, erleben Entwicklungs- förderung und gehen in der Tagesstätte einer Tätigkeit nach. Das verläuft nicht immer reibungslos, denn wie in jeder zwischenmenschlicher Beziehung entstehen Konflikte. Konflikte, die für Men- schen mit einer geistigen Behinderung oder Traumatisierung oft schwieriger zu managen sind und sich auch in Aggressionen gegenüber den Betreuern äußern können. für Menschen mit Behinderung nicht alle treuenden Personen. Insgesamt zählt der Bewohner aufnehmen können. Trotzdem voll- und teilstationäre Bereich etwas über wollen wir, dass die Bewohner tagsüber 120 Menschen. In den Wohngruppen le- die Wohngruppen verlassen, in ein an- ben 96 Bewohner. Hinzu kommen die deres Milieu gehen und arbeiten, be- Menschen im betreuten Wohnen und schäftigt werden, Entwicklungsförderung einige externe Besucher der Tagesstätte, Tagesstätte in Riedstadt erleben. Dadurch, dass wir diese Struktur die noch bei ihren Familien wohnen und hier vor Ort haben, können wir eine sehr nur für die Tagesstruktur in die Tagesstät- Auf dem großzügigen Parkgelände in gute Betreuung sicherstellen,“ erläutert te kommen. Riedstadt-Philippshospital befinden sich Andreas Glomb, Leiter der Heilpädago- drei Wohnstätten für Menschen mit be- gisch-therapeutischen Intensivgruppe Historie sonderem Betreuungsbedarf und eine (HTI). Tagesstätte. Durch diese Struktur profi- Bevor 1989 die Heilpädagogischen Ein- tieren die Bewohner*innen von individu- Weitere Wohnstätten befinden sich inmit- richtungen gegründet wurden, war die ellen Förder-, Arbeits- und Beschäfti- ten der Gemeinden Trebur und Erfelden. Einrichtung in Riedstadt ein psychiatri- gungsangeboten. „Wir haben eine eigene Hier kümmert sich ein Team von Mit- sches Krankenhaus mit einem Funktions- Tagesstätte, weil die Menschen mit arbeiter*innen rund um die Uhr in einem bereich für geistige Behinderung. Um die Behinderung einen intensiven Betreu- Vollschichtbetrieb mit Früh-, Spät- und Menschen adäquat unterbringen zu kön- ungsbedarf haben und die Werkstätten Nachtdienst und vielen unterschiedlichen nen, wurden in den Häusern pädagogisch Dienstmodellen um die Menschen. orientierte Wohngruppen installiert. Durch die Veränderung der Fachkräfte und Neben den Wohngruppen werden Men- die Qualifizierung der Mitarbeiter entwi- schen im betreuten Wohnen durch am- ckelten sich nach und nach heilpädago- bulante Dienste versorgt. Hier leben sie gische Einrichtungen in ganz Hessen. entweder in einer eigenen Wohnung oder Durch die Gründung der Vitos Teilhabe sie leben noch bei ihren Familien, be- im Jahr 2016 wurden die Einrichtungen in nötigen aber eine pädagogische und so- ganz Hessen zusammengefasst. ziale Versorgung. „Die uns anvertrauten Menschen sollen auch an der Gesellschaft „Unser langfristiges Ziel ist es, uns vom teilnehmen, Ausflüge machen und ihren Klinikgelände zu lösen,“ erläutert Ange- Hobbys nachgehen,“ erklärt Andreas lika Birle von der Unternehmenskommu- Glomb. „Das findet alles in der Freizeit nikation Vitos Teilhabe gGmbH. „Das ist »»In der Tagesstätte statt. In der Tagesstätte herrscht ein ge- ein großes Thema der Vitos Teilhabe: regelter Wochenbetrieb, montags bis frei- Inklusion, die Menschen mitten ins Leben herrscht ein geregel- tags von ca. 8 bis 16 Uhr, wie bei einem holen. Dahin soll unser Weg führen. Daher ter Wochenbetrieb. « normalen Arbeitsverhältnis.“ rührt auch der Name Vitos Teilhabe. Das war der ursprüngliche Gedanke bei der Andreas Glomb, Leiter der Heilpädago- Die Anzahl der Mitarbeiter*innen in Ried- Namensgebung.“ gisch-therapeutischen Intensivgruppe stadt deckt sich in etwa mit den zu be- 16 inform | Juni 2018
Sicherheit und Gesundheit Fachkraft Karin Wieskotten arbeitet am Webrahmen mit Bewohnerin Anastasia Alexandridou (links). den Betreuer*innen kommen. „Es gibt erklären oder eine Anforderungssituation Menschen, die können die auf sie einwir- beenden. kenden Reize nicht gut verarbeiten, z. B. Wichtiges von Unwichtigem unterschei- Andreas Glomb: „Wir gehen davon aus, den oder in einem Gespräch Umgebungs- dass die Bewohner sich wohlfühlen und reize ausblenden,“ erklärt Andreas Glomb. auch nicht wütend oder aggressiv werden „Jede Reizverarbeitung ist dann ein gro- müssen, wenn wir sie gut betreuen. Dem- ßes Problem: Unaufmerksamkeit und entsprechend schauen wir, dass wir indi- Überforderung durch Reizüberflutung viduelle Betreuungsmodelle schaffen.“ sind die Folge. Das kann dazu führen, dass Menschen sich von der Überforde- Auch eine gute Ausstattung ermöglicht rung befreien wollen und die Kontrolle es, besser mit Gewalt umzugehen. Dazu »»Inklusion, die über ihr Verhalten verlieren, um sich gehören Mobiltelefone und Notrufsyste- schlagen, etwas an die Wand werfen. me, aber auch Strukturen bei der Versor- Menschen mitten Es kann vorkommen, dass Mitarbeiter gung der Bewohner, wie Betreuungs- und ins Leben holen. angeschrien, geschlagen, gebissen, Interventionspläne oder gute Verabredun- getreten, geschubst, gekratzt oder an den gen, bis hin zu ausgebildeten Trainern. Dahin soll unser Haaren gezogen werden. Aber auch Weg führen. « Selbstverletzung ist ein Thema.“ Zusammenarbeit mit der UKH – das PART-Konzept Angelika Birle, Ein weiterer Auslöser von Aggression Unternehmenskommunikation kann die Erinnerung an eine früher erlit- Andreas Glomb: „Etwa im Jahr 2000 kam tene Situation sein. Bewohner sind viel- die Unfallkasse Hessen auf uns zu und Andreas Glomb ergänzt: „Es ist nicht zu- leicht traumatisiert, weil sie in ihrer Kind- die Aufsichtsperson hat mit uns über die träglich, auf Dauer in solch großen Ein- heit etwas erlebt haben, das sie nicht Unfallzahlen geredet. Gemeinsam haben richtungen zu leben. Für manche Men- gut verarbeitet haben. Wenn dann je- wir überlegt, welches Konzept hilfreich schen ist es in Ordnung, da die Einrichtung mand ein „falsches“ Wort sagt oder Ver- wäre, um eine Einrichtung so zu qualifi- auch Schutz bietet. Man kann manchen halten zeigt, welches zu Missverständ- zieren, dass sie sich konzeptionell und Menschen einfach nicht zumuten, in eine nissen oder zu Frustrationen führt, kann strukturell dem Thema Gewalt und quirlige Großstadt zu ziehen, das wäre dies dazu führen, dass diese Person sich Aggression annähert. So haben wir das eine Überforderung für sie. Aber es ist sehr stark aufregt. In solch einem Fall Deeskalationstraining PART eingeführt. schon sinnvoll, gemeindenah und mitten- wird das Konzept der verbalen Deeska- Hier lernen alle Mitarbeiter, wie man mit drin zu wohnen. Daher geht die Entwick- lation angewandt. Dabei wird z. B. ein Gewalt umgeht, wie ihnen geholfen wer- lung in Richtung Teilhabe.“ deutliches Stopp-Signal mit der Hand den kann und was Gewalt bei den Bewoh- gesetzt und somit eine Grenze aufge- nern und Betreuten auslöst. Wie kann ich Deeskalation und Gewaltprävention zeigt, um dann in die Kommunikation mit jemanden festhalten, um ihn daran zu der Person eintreten zu können und so hindern, gewalttätig zu werden? Oder ihn In der Behindertenhilfe kann es auch im- zu einer Lösung zu kommen. Man kann aus Überforderungssituationen befreien, mer wieder zu Aggressionen gegenüber z. B. den Raum verlassen, eine Situation ohne dass ich selbst Gewalt ausübe? >> inform | Juni 2018 17
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