ZEME - MENSCHEN UFBRUCH - Kantonsschule Sargans

Die Seite wird erstellt Svenja Kretschmer
 
WEITER LESEN
GAZETTA     NUMMER 6

            27. JANUAR 2004   AUFLAGE 1800

          ZEME

          MENSCHEN

          UFBRUCH
2                                             GAZETTA

EDITORIAL
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser

Liebe Leserinnen und Leser,

Sie halten die sechste Ausgabe der Schüler-
zeitung «Gazetta» in der Hand, die zweite,
                                                INHALT
die mit Schülerinnen und Schüler in einem
Freifachkurs entstanden ist. Sie befasst sich       «Bildung ist uns nicht einfach Wurst» Seite 3
mit zwei Hauptthemen. Wir blicken auf die
Aktivitäten anlässlich 200-Jahr-Feier des
Kantons St. Gallen zurück. Zum anderen              Rektor Stephan Wurster nimmt
beschäftigte sich das «Gazetta-Team» mit            zu den Sparmassnahmen Stellung        Seite 5
den drohenden Sparmassnahmen im Bereich
der Bildung und deren unangenehmen Fol-
gen.                                                «zeme»-Projektwochen fanden
     Wir befassen uns ausführlich mit dem           in Sargans ihren Abschluss            Seite 7
Projekt «zemä – ensemble – insieme – en-
semen». Im Vordergrund steht dieses Mal
die Projektwoche an der Kantonsschule Sar-
gans. Schülerinnen und Schüler aus den              Mit dem Workshop «Land-Art» die
Kantonen Graubünden, Tessin, aus der                Natur erlebt                          Seite 9
Waadt und der Kanti Sargans nahmen ge-
meinsam an verschiedenen Worksshops teil.
Wir haben einige dieser Workshops besucht           Gelungene Zeitreise im Workshop
und werden auf deren Tätigkeiten näher ein-         «Jugendliche gestern und heute» Seite 10
gehen.
     Wir berichten auch von der zweiten
Jubiläumsveranstaltung, dem Musical                 Von Grenzen unterschiedlichster
«ufbruch» von Elmar Brunner, das in der             Art umgeben                         Seite 11
Alten Spinnerei Murg aufgeführt wurde.
Viele Schülerinnen und Schüler der Kanti
haben dabei als Statisten mitgewirkt. Wir           Menschen haben die
haben eine Vorführung besucht und dabei             Kantonsschule als Arbeitsplatz      Seite 13
einen Blick hinter die Kulissen geworfen.
     Die Ankündigungen der Sparmassnah-
men im Bildungswesen haben an der Kanti             Diskussion nach den Bundesrats-
Sargans grosse Wellen geworfen. Die Unzu-           wahlen
friedenheit und Unruhe unter den Schüle-                                                Seite 15
rinnen und Schülern waren gross. Darum
hat sich praktisch die gesamte Schülerschaft        Blick hinter die Kulissen vom
in einer «Schulnacht» gegen diese Reduk-            Alten Kino, fabriggli und TaK       Seite 16
tionen in der Bildung gewehrt. Wir versu-
chen zu klären, was es mit diesen Sparmass-
nahmen auf sich hat.                                «Dr ufbruch isch nümme ufz’halta» Seite 19
     Grosses Lesevergnügen wünschen im
Namen des «Gazetta-Teams»
                                                    Ein Rückblick mit «ufbruch»-Autor
                                                    Elmar Brunner                       Seite 21
    Die Chefredaktoren
    Jonas Vetter und Andreas Hofmänner
                                                    Steingeschichten vom Pizol          Seite 22

                                                    «Das unter meinen Füssen
                                                    ist kein Dreck»                     Seite 23

                                                    Von der Bedeutung der Regional
                                                    Didaktischen Zentren                Seite 25

                                                    Am Chlausrock gabs Probleme         Seite 28
GAZETTA                                                                      3

«BILDUNG IST UNS NICHT EINFACH WURST»
Die Schulnacht an der KSS            ation und wies auf die verschiede-
begann in der Aula. Die              nen Veränderungen hin, die die
kurzfristig organisierte             KSS wahrscheinlich in nächster
Demonstration der Schü-              Zeit durchmachen muss (siehe
lerorganisation lockte uner-         Interview «Wichtig, das Bewusst-
wartet viele Schülerinnen            sein zu wecken»).
und Schüler an. Auch die,                  Captatio benevolentiae – der
die an diesem Abend                  Wunsch, allseits guten Willen zu
etwas zu sagen hatten,               wecken
haben sich auf die Schnelle                Mit Lehrer Walter Ziltener
einige bissige Kommentare            stand an diesem Abend eine dritte
zum Thema Sparmassnah-               Person im Rampenlicht. Er wies in
men einfallen lassen.                seiner Rede auf viele Missverhält-
                                     nisse hin und legte die Fragen, die
Von Alice Mosberger                  im Raum schwebten, offen.
                                           Die Kürzungen in Englisch
Grosser Applaus erfüllte die Aula,   und Informatik an den Mittelschu-
als die angeregte Stimmung durch     len im Gegensatz zu der Informa-
die Begrüssung von SO-Präsiden-      tikbildungsoffensive und dem
tin Evelyne Hutter durchbrochen      Englischobligatorium an der
wurde. Die Freude über das zahl-     Sekundarschule müssten wohl ein
reiche Erscheinen der Schüler-       «offensives Rückzugsgefecht»
schaft stand ihr ins Gesicht ge-     genannt werden. «Die rechte
schrieben, als sie das Programm      Hand scheint nicht zu wissen, was
für diesen besonderen Abend vor-     die linke tut», stellte er fest. Wie-
stellte.                             der eine Verkürzung des Wegs zur
     Rektor Stefan Wurster erläu-    Matura; wenigstens würde die
terte unter weniger grossem          Regierung diesmal zugeben, dass
Applaus die momentane Sparsitu-      dies nicht ohne einen Bildungsab-
                                     bau möglich sei. Denn vor weni-
                                     gen Jahren, als der Maturatermin
                                     ein halbes Jahr zurückgesetzt wur-
                                     de, hatte man noch behauptet, es
                                     werde keine Auswirkungen auf
                                     die Bildung der Schüler haben.              Damit die Demo-Schulnacht niemandem Wurst bleibt: Zur Stärkung
                                     Was aber bei gründlichem Nach-              gabs eine heisse Demo-Bratwurst.      Bilder Thomas Schwizer
                                     denken als Humbug bezeichnet
                                     werden muss.
                                                                                 Schulnacht in der Freizeit seien            Auch Religionslehrer Peter
                                           Walter Ziltener fragte sich, ob
                                                                                 sie bestimmt auf dem richtigen         Heinisch hatte sich etwas ein-
                                     wirklich proportional gespart wer-
                                                                                 Weg.                                   fallen lassen und unterhielt das
                                     de. In kaum einem anderen
                                                                                                                        Publikum zum Schluss mit einem
                                     Bereich sei in einem vergleichba-
                                                                                                                        etwas spezielleren Kabarett. Er
                                     ren Ausmass gespart worden wie              Weitere Denkanstösse
                                                                                                                        demonstrierte den Schülern eine
                                     bei den Mittelschulen in letzter
                                                                                 Anlässlich dieses besonderen           Schulstunde, wie sie angesichts
                                     Zeit.
                                                                                 Abends organisierte die Klasse         der Sparrunden in Zukunft einmal
                                           «Wird nach sinnvollen                 4Wb mit Klassenlehrer Roger            sein mag. Mit 200 Schülerinnen
                                     Grundsätzen gespart oder vor                Eugster ein kleines Theater, das die   und Schülern in einer Klasse und
                                     allem bei denen, die keine starke           Stimmung im Saal wieder etwas          einer Lektion von 25 Minuten,
                                     Lobby im Rücken haben?», fragte             auflockerte. Die kleine Aufführung     bemühte er sich den Bildungsstan-
                                     er sich zudem. Bildung sei unsere           war mit Slogans wie «Bildung ist       dard zu erhalten... und scheiterte
                                     Zukunft, aber welche Lobby ver-             Nahrung, und nun lässt man uns         kläglich.
                                     tritt die Zukunft?                          verhungern» gespickt. Sie erreich-
200 Schülerinnen und Schüler in            Vergleiche mit anderen Berei-         te ihren Höhepunkt, als zum                Zum Schluss des ersten Teils
einer Klasse und einer Lektion       chen seien wichtig, meinte er, aber         Schluss der eine Schüler, der bei      der Schulnacht konnte man sich
von 25 Minuten: Damit kann nie-      man müsse auch bei sich selber              der ganzen Sache nicht mitzukom-       im Innenhof der KSS – unter dem
mand dem Bildungsstandard hal-       nachfragen. Was wollen wir? Was             men schien, von der Gesellschaft,      Thema «Bildung ist uns nicht
ten – was Religionslehrer Peter      sind wir bereit zu leisten? Diese           in Form von zwei anderen Schü-         Wurst» – mit einer Bratwurst ver-
Heinisch mit seinem Kabarett         Fragen müsse sich die Schüler-              lern, von der Bühne geschleppt         pflegen und die gesagten Worte
aufzeigte.                           schaft stellen, und mit dieser              wurde.                                 überdenken.
4                                                    GAZETTA

                                                                                                                                       Nachdenkende
                                                                                                                                       Schüler im Work-
                                                                                                                                       shop Ethik
                                                                                                                                       anlässlich der
                                                                                                                                       Schulnacht, an
                                                                                                                                       der gegen das
                                                                                                                                       Sparen in der
                                                                                                                                       Bildung demon-
                                                                                                                                       striert wurde.

                                                                                                                                       Bild Johanna
                                                                                                                                       Hürlimann

«WIR SIND DIE ZUKUNFT!»
                                                                                                                       schlimm, dass es überhaupt so weit
                                                                                                                       kommen konnte. Sie seien ja
                                                                                                                       schliesslich freiwillig an dieser
               Viele Kantischüler setzten ein Zeichen gegen Stundenkürzungen                                           Schule, hiess es.

Donnerstagabend, 19 Uhr.               te aus ihnen entnehmen, dass die        beinhalteten und somit die Schü-        Meinungen kund getan
Die meisten Schüler der                meisten Schüler Angst vor der           ler für den unerwarteten Einsatz
Kantonsschule Sargans                  Zukunft und ihrer finanziellen          belohnten.                              Ob Anregungen aus der Schüler-
denken noch nicht ans                  Lage haben. «Vor zehn Jahren                                                    schaft zu Herzen genommen wer-
Nach-Hause-Gehen.                      hätten die Schüler ganz andere                                                  den, wird sich noch zeigen. Auf
Sie drücken selbst an ihrem                                                    Schlimm, dass es so weit                jeden Fall wurden die Meinungen
                                       Antworten gegeben», meint Leh-
freien Abend die Schulbank                                                     kommen musste                           der Schüler und Lehrer mitgeteilt
                                       rer Peter Heinisch, «der Grund
um ein Zeichen gegen die               ist die momentane Wirtschafts-          Nach einigen Umfragen auf dem           und damit ein erster entschiedener
Stundenkürzung zu setzen.              lage.»                                  Schulhof stellten wir fest, dass alle   Schritt getan.
                                            Als Abschluss des gelunge-         befragten Schüler die gleiche Mei-          Denn: «Nicht die Kämpfe, die
Von Ruzica Tepsic,                     nen Abends wurden verschiedene          nung vertraten: «Nicht an der Bil-      wir verlieren, sondern die Kämpfe,
Johanna Hürlimann und                  Filme in der Aula gezeigt, welche       dung soll gespart werden, denn wir      die wir gar nicht führen, sind unse-
Nicole Grüninger                       als Schwerpunkt einzelne Fächer         sind die Zukunft!» Alle fanden es       re Niederlagen.»

Trotz kurzfristiger Ankündigung
der Schülerorganisation über die
Schulnacht war die Beteiligung an
Schülern an diesem Abend
erstaunlich gross. Nach einführen-
den Referaten in der Aula (weitere
Berichte siehe Seite 3 und 5) ver-
teilten sich die Schüler in die ver-
schiedenen Workshops.
     Der Wille etwas zu erreichen,
war sichtlich spürbar. Alle zogen
am gleichen Strick, gemeinsam
wollte etwas erreicht werden.

Verschiedene Workshops
Dank verschiedenster Lehrer wur-
den zahlreiche Fächer angeboten:
Von Chemie über Französisch bis
hin zu Ethik.
     «Was würde man mit 100’000
Franken machen?» war die Frage,
welche im Workshop Ethik ge-
stellt wurde. Die Antworten waren
sehr überraschend und man konn-        Die SO hat gerufen und viele kamen: Das Thema dieses Abend war wirklich wichtig. Bild Thomas Schwizer
GAZETTA                                                                     5

«SPAREN MÖGLICHST OHNE GROSSE
QUALITÄTSVERLUSTE UMSETZEN»
An der Schulnacht der KSS             Das Fach Englisch soll auch
hat auch Rektor Stephan               gekürzt werden. In der Primar-
Wurster seinen Standpunkt             schule wird darüber verhandelt,
dargelegt. Unter geringem             Englischstunden einzuführen,
Beifall hat er die Aufgabe,           weil die Sprache im Berufsleben
vor den Schülerinnen und              immer wichtiger wird. Dass diese
Schülern die Spar-Tat-                Stunden nun am Gymnasium
sachen auf den Tisch zu               gekürzt werden sollen, wirft einige
legen, gemeistert. Die                Fragen auf. Wie erklären Sie die-
«Gazetta» wollte es später            sen Eingriff?
ganz genau wissen.                         Stephan Wurster: Wir sind
                                      uns der Bedeutung von Englisch
Mit Stephan Wurster sprach            sehr wohl bewusst und bedauern
Alice Mosberger                       die Kürzungen. Diese Sparmass-
                                      nahmen bedeuten einen Bildungs-
Die Massnahmen, die die KSS           und Qualitätsabbau in allen
einzuleiten hat, sind den Schülern    betroffenen Fächern. Das Erzie-
nach der Schulnacht wohl mehr         hungsdepartement hat dies auch
oder weniger bekannt. Es wird oft     klar so formuliert. Auf der ande-
von Jahreswochenlektionen gere-       ren Seite liegt ein Sparauftrag des
det. Wir möchten wissen, was das      Parlamentes vor, den wir zu erfül-
genau heisst. Was bedeuten die        len haben.
Einsparungen für den einzelnen             Bei der Formulierung der
Schüler an der KSS?                   konkreten Lektionskürzungen in
     Stephan Wurster: Der Kanton      Englisch spielte eine Rolle, dass
hat beschlossen, dass in den          die Schülerinnen und Schüler
Mittelschulen 4 Millionen Fran-       nach der Sekundarschule auf-
ken zu sparen sind. Daraufhin hat     grund des neuen Englischobliga-
die kantonale Rektorenkonferenz       toriums in Zukunft bessere Kennt-
den an der Schulnacht vorgestell-     nisse haben werden. Der Unter-            KSS-Rektor Stephan Wurster: « Ich finde es gut, dass die Schüler und
ten Vorschlag ausgearbeitet. Es ist   richt an der KSS kann daher auf           Lehrer an der Schulnacht ein Zeichen gesetzt haben.»
zu betonen, dass dieser Vorschlag     höherem Niveau starten. Zudem                                                              Bild Reto Neurauter
noch in der Vernehmlassung ist.       war das Fach Englisch bei den
Die Fächer Turnen, English,           Sparmassnahmen 1997 nicht                     Die Kantonale Rektorenkon-       wusstsein zu schaffen. Wenn die
Musik/Bildnerisches Gestalten,        betroffen. Eine weitere Kürzung           ferenz hat ihre Bedenken klar for-   aktuellen Proteste einen weiteren
Informatik,      Religion     oder    zum Beispiel im Fach Französisch          muliert und darauf hingewiesen,      Bildungsabbau verhindern helfen,
Ethik/Philosophie, das Schwer-        wollten wir vermeiden, da Franzö-         wie wichtig die Bildung für die      so haben sie eine grosse Bedeu-
punktfach und Freifächer werden       sisch bereits bei der letzten Spar-       Schweiz ist. Doch der Rahmen des     tung.
voraussichtlich um eine Jahreswo-     runde 1997 betroffen war.                 Sparpakets ist fest und trotz Pro-        Wir haben alle die Entschei-
chenlektion gekürzt. Auf den                                                    testen, auch von unserer Seite,      dungen des Parlamentes und der
Stundenplan wirkt sich dies mit       Wir Schüler wissen, dass an der           können daran nur der Kantonsrat      Regierung zu akzeptieren, auch
zwei Lektionen weniger Unter-         ganzen Sparsache eigentlich               oder ein Referendum etwas än-        wenn wir selbst manchmal einen
richt für die Schülerinnen und        nichts mehr zu rütteln ist.Wie war        dern.                                anderen Weg wählen würden. Als
Schüler pro Woche aus. Dies gilt      das bei den Rektoren, als sie                                                  Betroffene ist das oft schwierig
vom ersten bis zum dritten bezie-     davon erfahren haben? Gab es              Wie fühlen Sie sich als Rektor       und hinterlässt zwiespältige Ge-
hungsweise vierten Schuljahr.         Leute, die sich zur Wehr gesetzt          und Lehrer angesichts der Spar-      fühle. Trotzdem ist es nun unsere
     Des Weiteren sind Sparmass-      haben?                                    situation?                           Aufgabe, die Sparmassnahmen
nahmen vorgesehen, die sich in            Stephan Wurster: Der Kan-                  Stephan Wurster: Ich finde es   gut und möglichst ohne grosse
Verwaltungsgebühren von rund          tonsrat hat auf demokratischem            gut, dass die Schüler- und Lehrer-   Qualitätsverluste umzusetzen. Es
200 Franken/Jahr und der Erhö-        Weg einen politischen Entscheid           schaft an der Schulnacht ein         liegt im Interesse unserer Schüle-
hung des Schulgeldes für ausser-      gefällt. Auch wenn wir mit diesem         Zeichen gesetzt haben. Dieses        rinnen und Schüler und unserer
kantonale Schülerinnen und Schü-      Entscheid nicht glücklich sind, so        Zeichen wurde übrigens auch in       Gesellschaft, dass wir trotz Lek-
ler äußern. Auch die Verlegung        ist er doch zu akzeptieren und            positivem Sinn von vielen Politi-    tionsabbau Ziele wie «Allgemein-
des Maturatermins vor die Som-        umzusetzen. Es bleibt jeder Bür-          kern wahrgenommen. Es hat viel-      bildung, fachliche und soziale
merferien ab dem Jahr 2005            gerin und jedem Bürger offen,             leicht zurzeit noch keine Wirkung.   Kompetenzen, Leistungsfähigkeit
betrifft die Schülerschaft wesent-    sich zu engagieren und den politi-        Für zukünftige Entscheidungen ist    und Verantwortungsbewusstsein»
lich.                                 schen Prozess zu beeinflussen.            es aber wichtig, ein Problembe-      hochhalten.
GAZETTA                                                                  7

         ZEME-PROJEKT IN SARGANS
                 ABGESCHLOSSEN
 Im Zusammenhang mit dem Projekt «zeme – ensemble – insieme – ensemen» zum 200-Jahr-Jubiläum des
 Kanton St. Gallen fand auch in Sargans eine Austauschwoche mit Schülern aus den Partnerkantonen Waadt,
 Tessin und Graubünden statt.
      Wie bei den Partnerschulen in den vorhergehenden Austauschwochen – die Klosterschule Disentis, le
 Gymnase de la Cité Lausanne und das Liceo cantonale die Bellinzona – fand auch an der Kantonsschule
 Sargans ein vielfältiges und interessantes Angebot an Workshops. Rund 400 Schülerinnen und Schüler
 sowie rund 50 Lehrpersonen beteiligten sich am Projekt. Die Beteiligten konnten sich für die verschie-
 densten Themen anmelden.
      Die Gazetta hat in eine kleine Auswahl von Workshops «rasende Reporter» geschickt, die die Kurse
 einen Tag lang begleitet haben. Was sie dort so erlebt und mitbekommen haben, können Sie in den Berich-
 ten auf den folgenden vier Seiten lesen.                                                    Ines Rütten

                                                                                                                  Interesse am Romanischen:
                                                                                                                  In Disentis versuchten die Aus-
                                                                                                                  tauschschüler bereits am ersten
                                                                                                                  Tag die romanische
                                                                                                                  «La Quotidiana» zu entziffern.
                                                                                                                                   Bild Theo Gstöhl

Romanisch singen: Zusammen mit dem ehemaligen Furbaz-Bandmit-
glied Ursin Defuns (am Klavier) üben die Projektteilnehmer ein
romanisches Volkslied ein.                           Bild Theo Gstöhl

                                                                             Bild oben:
                                                                             Schnell der Kontrollblick: Sind
                                                                             meine Schulkameraden auch
                                                                             richtig gut im Bild?
                                                                                            Bild Christian Lenz

                                                                                                 Bild rechts:
                                                                               Im Museum des Schlosses von
                                                                               Grandson: Viel gab es über die
                                                                                Geschichte des Mittelalters zu
Auch wenn das Wetter nicht allzu gut war: Alle Beteiligten genossen                                 erfahren.
die kleine Pause am Genfersee.                     Bild Christian Lenz                    Bild Christian Lenz
8                                                      GAZETTA

                                        KANTISCHÜLER HINTER GITTERN
                                                       Der «zeme»-Workshop «Gewalt» führte in die Strafanstalt Saxerriet

«Wie du mir, so ich dir.»               gend in die Runde. Peinliches
Gewalt ist auch hinter                  Schweigen erfüllte den Raum, bis
Gefängnismauern ein The-                Herr Guido die Jugendlichen end-
ma. Der Workshop «Gewalt»               lich beruhigte, indem er mit krat-
besuchte die Strafanstalt               zender Stimme sagte: «Kei
Saxerriet in Salez.                     Angscht, eu mach i scho nüt», und
                                        begann zu erzählen.
Von Ruzica Tepsic und                        Herr Guido, 41 Jahre alt,
Aurelia Caliebe                         ledig, hat keine Kinder und hatte
                                        eine schwere Kindheit, über die er
Mittwoch Morgen, der Zug fährt          aber nicht sprechen wollte. Er war
Richtung St.Gallen. Zielort der         im Rotlichtmilieu als Zuhälter
Exkursion aber ist die Stafanstalt      tätig, bis es im Jahr 1997 zwischen
Saxerriet. Nach einem längeren          seiner und einer anderen Bande zu
Fussmarsch kam das Gefängnis in         einer Schiesserei kam. «Man kann
Sicht. Keine Mauern und kein Sta-       es sich so wie in einem Film vor-
cheldraht, so haben es sich die         stellen», sagt er. Bei beiden Ban-
Schüler nicht vorgestellt.              den gab es Verletzte. Herr Guido
    Ein kleiner Rundgang durch          brachte seine verletzten Kollegen
die Räume verschaffte einen Ein-        anonym ins Spital und ver-
blick in den Tagesablauf einzelner      schwand. Kurz darauf kam die
Insassen. Nach einem hervorra-          Polizei zum Tatort, doch Herr             Ein kleiner Rundgang durch die Strafanstalt Saxerriet.
genden Mittagessen von der              Guido wurde erst ein Jahr später                                                        Bilder Aurelia Caliebe
Gefängnisküche und einer Pause          in seiner Wohnung verhaftet. Man
begann der wichtigste Teil des          hatte ihn verraten.                       menschenunwürdig. Die Strafan-           Kraft gebe, doch Herr Guido ant-
Tages: Das Gespräch mit einem                                                     stalt Saxerriet ist seine erste offene   wortete lachend: «Mit Gott bin i
Gefangenen.                                                                       Anstalt. Am Tag der Verhandlung          no keis go suffe, ich glaub nu a das
                                        «Das Schlimmste in meinen
                                                                                  wurde er wegen versuchter Tötung,        wo i gseh!» Er bereut auch nichts,
                                        Leben»
                                                                                  Nötigung und Körperverletzung zu         was er in seinem Leben gemacht
«Es geschah im
                                        Drei Monate lang war er in Unter-         fünf Jahren verurteilt. Er muss aber     hat, er hätte nur drei Jahre von sei-
Rotlichtmilieu»
                                        suchungshaft, das Schlimmste in           davon nur drei Jahre absitzen, die       nem Leben verloren, mehr nicht.
Bekleidet mit einem Trainer und         seinem Leben. Doch Herr Guido             restlichen zwei gehen auf Bewäh-         Nachdem er seine Strafe abgeses-
einem Basekap, nervösen Bewe-           schwieg und verriet niemanden. Es         rung. Der Anführer der anderen           sen hat, wird er dort weiter
gungen und unsicheren Blicken,          war Februar und er war in einem           Bande «hockte» nur ein Jahr.             machen, wo er aufgehört hat.
setzte er sich neben den Gefängnis-     Keller eingesperrt, drei Meter                 Im Gefängnis lebt es sich           Wenn er dies nicht tut, wäre er
pfarrer, welcher zuvor über die         unter dem Boden, ohne Decke und           nicht leicht, es gibt Spielregeln,       «vogelfrei». Unter einem erfüllten
psychischen Zustände des Insassen       nichts zu rauchen. Dieses Gefäng-         und jene, die sich nicht daran hal-      Leben versteht er Aktion, Reisen
aufgeklärt hatte. Er stellte sich als   nis wurde kurz nach seiner Ver-           ten, bekommen es zu spüren. Es           und Geld.
Herr Guido vor. Der Blick ging fra-     schiebung geschlossen, es war             gibt unter den Insassen Gruppen,
                                                                                  und wenn einer die anderen ver-
                                                                                                                           Nicht nur in Filmen...
                                                                                  pfeift, fliegen die Fäuste. Gewalt
                                                                                  bekämpft man dort mit Gewalt,            Einen Tag darauf sprach die Grup-
                                                                                  «wie du mir, so ich dir». Im Kraf-       pe des Workshops «Gewalt» noch
                                                                                  traum versucht er seine Wut              einmal über das Erlebte im Saxer-
                                                                                  gegenüber dem Leben im Gefäng-           riet. Die meisten Schüler machten
                                                                                  nis auszulassen.                         sich über die Lebensziele von Herr
                                                                                                                           Guido Gedanken und fragten sich,
                                                                                                                           ob ihm auch wirklich alles so
                                                                                  «Mit Gott bin i no keis
                                                                                                                           gleichgültig ist, wie er es sagt. Die
                                                                                  go suffe»
                                                                                                                           Gruppe spürt in diesem Fall Ratlo-
                                                                                  Freunde findet man im Gefängnis          sigkeit, Ohnmacht, Hilflosigkeit,
                                                                                  nicht und Geschäfte unter Insassen       aber auch Staunen. Ihr wurde klar,
                                                                                  macht man nicht. Die «Schmier»,          dass in der Schweiz auch solche
                                                                                  so nennt Herr Guido die Wärter,          Verbrechen geschehen, die man
                                                                                  arbeiten manchmal mit den Gefan-         nur aus Filmen kennt. Eine Welt
                                                                                  genen zusammen.                          ohne Moral und Gesetze, nach dem
Ein Mitarbeiter der Strafanstalt erklärt den Workshopteilnehmern eini-                Ein Schüler fragte ihn, ob er        Motto «Aug’ um Aug’, Zahn um
ges über den Landwirtschaftsbetrieb.                                              an Gott glaube und ob er ihm auch        Zahn».
GAZETTA                                                                  9

DIE MAGIE DER NATÜRLICHEN KUNST
                                                             Faszinierende Erlebnisse am «zeme»-Workshop «Land-Art»

Die Natur erleben, sich in
sie hineinfühlen. Freund-
schaft mit einem Baum
schliessen und seine Heil-
kraft spüren. Kunstwerke
schaffen mit Steinen, Holz,
Erde oder anderen natür-
lichen Materialien. Seine
Kreativität ausleben. Den
Alltag vergessen. Orte und
seine Geschichte entdek-
ken. Verstehen, warum ein
Stein dort ist, wo er ist.

Von Johanna Hürlimann und
Michelle Oesch

Nach der Theorie die Praxis zu
Land-Art. Die Workshopteilneh-
mer konnten ihre Fantasien in der
Natur umsetzen, mit dem Fahrrad
fuhr man nach Fläsch.
    Es wurden vier Gruppen            Bild oben:
gebildet mit je drei bis vier Teil-   Die Teilnehmer wollen mit einer
nehmern und jede der vier Lan-        Steinmauer die Pflanze vor Um-
dessprachen war innerhalb der         weltschäden schützen.
Gruppe vertreten.
    Inspiriert durch das Leben,                           Bild rechts:
flogen die Gedanken durch die               Verschiedenfarbige Steine
Natur um die Möglichkeiten der              werden zu einem Mandala
Materialien zu entdecken.                           zusammengesetzt.

                                                                             Von der Sandbank zur                 Fläscher Allmend. Es entstand ein
                                                                             Kunstgallerie                        Weg aus Steinen und Laub, der
                                                                                                                  sich über eine Wiese schlängelte
                                                                             Symbolhaft nahmen die Kunstwer-
                                                                                                                  und hinter einem Hügel ver-
                                                                             ke die verschiedenen Gedanken
                                                                                                                  schwand.
                                                                             jedes Einzelnen an, und das Ufer
                                                                             des Rheins verwandelte sich in
                                                                                                                  Zurück bleiben die
                                                                             eine geheimnisvolle «Land-Art».
                                                                                                                  Erinnerungen
                                                                             Keines der Kunstwerke sah sich
                                                                             irgendwie ähnlich. Die eine Grup-    Leider durften die Kunstwerke
                                                                             pe baute mit Steinen eine Burg       nicht ihren eigenen Weg durch
                                                                             ähnliche Mauer um einen Weide-       Wind, Regen oder Schnee finden,
                                                                             baum als Symbol zum Schutz vor       sondern mussten von menschlicher
                                                                             Umweltverschmutzungen. Neben-        Hand wieder fortgetragen werden.
                                                                             an wurden verschiedenfarbige         Zuvor aber wurden sie von Anfang
                                                                             Steine gesucht und zu einem Man-     an dokumentiert, fotografiert und
                                                                             dala zusammengesetzt.                gefilmt.
                                                                                 «Der Weg ins Paradies» aus           Die Tage waren nicht nur von
                                                                             Steinen und Holz in Form einer       den Teilnehmern als spannend und
                                                                             ansteigenden Spirale wurde von       interessant empfunden, sondern
                                                                             der dritten Gruppe in einer Sand-    auch von den Kursleitern Esther
Auf der Fläscher Allmend wird ein Weg in die Wiese gesetzt.                  bank gesetzt. Die letzte Gruppe      Bosshard, Ursula Frischknecht
                                           Bilder Johanna Hürlimann          arbeitete an ihrem Projekt auf der   und Stefan Hesske.
10                                              GAZETTA

VON DEN 68-ERN ZUM GEIST VON HEUTE
                                       «zeme»-Workshop «Jugendliche gestern und heute» als gelungene Zeitreise

Wie leben Jugendliche in
den Kantonen Graubün-
den, Waadt, Tessin und
St.Gallen? Gibt es Unter-
schiede zwischen den
Sprachregionen, und wenn
ja, welche und warum? Wie
sieht es mit ihren politi-
schen Interessen aus, wie
mit ihrem sozialen Engage-
ment?

Von Nicole Grüninger und
Alice Mosberger

Solche und ähnliche Fragen stan-
den im Zentrum dieses Workshops.
Die Jugendlichen der vier Sprach-
regionen befassten sich intensiv
mit der früheren Jugendkultur. Wie
sieht es mit Gemeinsamkeiten, wie
mit Unterschieden zur heutigen         Wie sah die Jugendkultur früher aus, wie heute? Schüler aus allen vier Sprachregionen versuchen in Grup-
Zeit aus? Wesentliche Themen           penarbeit, das Gesehene und Gehörte zu ordnen und zu werten.                       Bild Nicole Grüninger
waren die 68-Bewegung, als Ju-
gendliche auf den Strassen prote-
stierten oder als sie 1980 autonome    Thema. Die Schüler werden sich        ein wenig Mut werden doch ein         lern die Verhältnisse in Zürich.
Zentren forderten.                     den ganzen Morgen mit der             paar Stichworte zusammengetra-        Man ist wahrscheinlich vor allem
                                       Jugend von gestern und deren          gen.                                  unter den KSS Schülern über-
     Unter Leitung von Daniel          Errungenschaften befassen. Der             Die Lehrer versuchen den         rascht über die Stärke, die die
Kaeser und Matthias Ehrensper-         Einstieg erfolgt mit einem Film       Schülern Anregungen für eine          Jugend vor nur 23 Jahren in
ger hatten die Teilnehmenden die-      über die 68er-Bewegung in den         Diskussion zu bieten, sie stellen     Zürich gewonnen hatte. Aktionen
ses Workshops auch die Gelegen-        USA. Die fremdsprachigen Schü-        Fragen über die Ziele der Jugend      wie Demonstrationen vor dem
heit sich mit Punks und Drogen-        ler scheinen nur wenig vom Text       oder was denn zum Beispiel «to-       Opernhaus und altbekannte Slo-
süchtigen zu unterhalten, um mit       zu verstehen, doch der Film lässt     taler Sozialismus» bedeute. Doch      gans wie «mached usem Staat
einem Gespräch einen besseren          auch Bilder sprechen. Durch Sze-      das ist dann doch ein wenig zu        Gurkesalat» haben damals etwas
Einblick in das Ganze zu bekom-        nen aus dem Musical «Hair» und        anspruchsvoll. Es ist schwierig für   bewirkt und der Jugend ein Kul-
men.                                   dem Woodstock-Konzert, Bilder         die West- und Südschweizer den        turzentrum in der Stadt Zürich
                                       von Vietnam-Demonstrationen           Lehrer zu verstehen und so bleibt     eingebracht. Die Schüler sehen,
                                       und Jugendprotesten in Paris kann     das Gespräch ein bisschen ober-       wie in dieser eiskalten Zeit durch
Zurück in die Jugend
                                       der Geist dieser Zeit gut über-       flächlich.                            die Jugend etwas verändert wurde.
unserer Eltern
                                       mittelt werden.
Es ist 8 Uhr an der KSS, die Lehrer
                                                                             Überrascht von der Stärke             Gelungene Zeitreise
Matthias Ehrensperger und Daniel
                                       Es bleibt etwas                       der Slogans
Kaeser treffen die letzten Vorberei-                                                                               Für die fremdsprachigen Schüler
                                       oberflächlich
tungen im Schulzimmer, bevor                                                 Nach einer Erholungspause auf         wurden die Dialektteile im Film
auch schon die ersten Schüler ein-     In Gruppen von je einem Schüler       dem Schulhof werden die Stich-        freundlicherweise von Schülern
treffen. Man merkt bereits, dass       pro Sprachregion sollen die Works-    worte der Schüler an der Tafel        der KSS und den Lehrern ins Fran-
dies keine normale Schulstunde         hop-Besucher nun zusammenfas-         gegliedert. Es wird nochmals          zösische übersetzt. So konnte jeder
wird.                                  sen, was sie gesehen haben. Es        wiederholt, was die Voraussetzun-     den Grundgedanken des Films mit-
     Nach wenigen Anfangs-             braucht verständlicherweise ein       gen und die Ergebnisse der 68er-      nehmen und Ausschnitte von Reto
schwierigkeiten mit der deutschen      wenig Zeit, bis das Gespräch ins      Bewegungen waren und das Thema        Hännys Texten verfestigten die
Sprache versucht Matthias Ehren-       Rollen kommt. Nicht alles ist         wird mit dem Lied «Summer 68»         Gedanken zum Schluss noch.
sperger den Tagesablauf auf Fran-      ihnen im Gedächtnis geblieben,        von Polo Hofer abgeschlossen.
zösisch zu erklären. Diese Spra-       und auch nicht alles können sie in        Dann ein Sprung, zwölf Jahre           Alles in allem war es ein ge-
che scheint den Gästen eher zu         den Fremdsprachen erklären, aber      später. Die 80er Jahre in Zürich.     lungener Morgen mit einer Zeit-
behagen. Dann geht es rein ins         mit dem Duden in der Hand und         Ein zweiter Film zeigt den Schü-      reise in die Jugend unserer Eltern.
GAZETTA                                                                    11

GRENZEN BESETZEN, SCHÜTZEN
UND ERFAHREN
            «zeme»-Workshop «Grenzen» liess unbekannte Grenzen entdecken
Wir sind von Grenzen ver-
schiedenster Arten umge-
ben. In diesem Workshop
                                                                                                                 Der Grenzziehung im Spätmittel-
konnte man unter der Lei-
                                                                                                                 alter und in der Neuzeit bis zur
tung von Otto Ackermann
                                                                                                                 Franzosenzeit galt die Exkursion
und Mathias Bugg neue
                                                                                                                 zur Festung St. Luzisteig.
unbekannte Grenzen ent-
                                                                                                                                 Bilder Jonas Vetter
decken und aufspüren.
«Grenzerfahrungen» aus                                                                                           erstellen konnte, unternahmen die
anderen Sprachregionen                                                                                           Teilnehmer zwei Exkursionen.
austauschen stand eben-                                                                                          Diese wurden in Gruppen durch
falls im Zentrum.                                                                                                verschiedene Arbeiten und Refe-
                                                                                                                 rate vorbereitet. Dabei wurde der
Von Jonas Vetter                                                                                                 Rhein häufig als territoriale Gren-
                                                                                                                 ze genannt.
                                                                                                                      Als erstes besuchten die
Es wurde also nicht nur über terri-                                                                              Schüler die Befestigung auf St.
toriale Grenzen, die verschiedene     Der Talkessel von Sargans als politische Grenzregion und strategischer     Luzisteig und die Anlage des
Länder voneinander trennen, ge-       Punkt stand im Mittelpunkt der Fragestellungen. Die Kurs-Teilnehmer-       «Artillerie-Forts Magletsch». Mit
sprochen. Auch Grenzen im men-        Innen vor dem Modell Wartau im Festungsmuseum Magletsch.                   der Besichtigung dieser militäri-
talen und kulturellen Bereich wur-                                                                               schen Anlagen konnte das Thema
den in den Blickpunkt gerückt.        erfuhr, wie diese beiden Regionen     und Personenkontrolle an der         «Grenzen schützen» ausgezeich-
                                      zum Grenzraum der Eidgenossen-        Grenze waren Gegenstände diese       net vertieft werden.
                                      schaft wurde.                         Kapitels. Auch aktuelle Themen            Die zweite Exkursion führte
Vergangene und aktuelle
                                           «Grenzen schützen» umfasst       wie das Asylwesen der Schweiz in     die Gruppe nach Buchs zum
Grenzen
                                      die späteren Epochen bis zum          Vergangenheit und Gegenwart          Grenzbahnhof. Die «Grenze»
Der Hauptbestandteil dieser           zweiten Weltkrieg. Dabei wollte       wurden diskutiert.                   konnte dort intensiv erlebt wer-
Woche bildete die Schweizer Ost-      man erkennen, was die Grenzen                                              den. Im Gespräch mit einem Zoll-
grenze und ihre geschichtliche        der Schweiz im Kriegsfall für eine                                         beamten konnten viele interessan-
                                                                            Die Grenzen erlebt
Ausbildung. Dabei traten drei         Rolle spielten und wie sie vertei-                                         te Details entdeckt werden. Vor
Aspekte in den Vordergrund. In        digt wirksam wurden.                  Damit man nicht nur mit Filmen       allem die Migrationspolitik gab zu
«Grenzen besetzen» ging man                In «Grenzen erfahren» liess      und Gesprächen, das heisst, in der   reden. Persönliche Schicksale und
näher auf die Situation der Regio-    man den Blick von der Vergangen-      Theorie Erfahrungen sammeln und      Erlebnisse von Flüchtlingen, die
nen Sarganserland und Werden-         heit bis in die Gegenwart schwei-     austauschen, sondern zum Ganzen      häufige Machtlosigkeit der Be-
berg im Spätmittelalter ein und       fen. Warenimport, Warenexport         auch eine praktische Verbindung      hörden und Erfahrungen des Zoll-
                                                                                                                 beamten beeindruckten und gaben
                                                                                                                 zu denken.

                                                                                                                 Grenzen in positivem Sinn
                                                                                                                 überschritten
                                                                                                                 In dieser Woche wurde sehr viel
                                                                                                                 entdeckt und gestaunt. Verschiede-
                                                                                                                 ne Grenzen wurden aus unter-
                                                                                                                 schiedlichsten Blickwinkeln ange-
                                                                                                                 schaut. Die eine oder andere Gren-
                                                                                                                 ze konnte sogar im positiven Sinne
                                                                                                                 überschritten werden, so zum Bei-
                                                                                                                 spiel die «Sprachbarriere», nah-
                                                                                                                 men doch Schülerinnen und Schü-
                                                                                                                 ler aus Graubünden, dem Tessin
                                                                                                                 und Sargans an diesem Workshop
                                                                                                                 teil. Die Kursteilnehmer sammel-
                                                                                                                 ten vielerlei Erfahrungen und Er-
Auch das wurde bewusst gemacht: Der Grenzbahnhof Buchs als Tor zum Osten war in Kriegen und Krisen               kenntnisse, die weit über den
eine wichtige Drehscheibe und Durchgangsstation von Flüchtlingen.                          Bild pd.              Workshop hinausreichen.
GAZETTA                                                                      13

«KOCHEN IST KREATIV UND MACHT SPASS»
                       Die Kantonsschule Sargans als Arbeitsplatz: Heute Mensa-Köchin Regula Buchmann

Jeden Tag begeben sich                                                        mich jedoch mit der Zeit noch
die meisten von uns in den                                                    interessieren würde, wäre ein           FÜNF TAGE
Pausen in die Mensa der                                                       administrativer Job.
Kantonsschule Sargans,                                                                                                FÜRS LEIBLICHE
um sich zu verpflegen.
Dass das grosse Angebot
                                                                              Wie empfinden Sie das Verhältnis
                                                                              zu den Schülern und das Verhal-
                                                                                                                      WOHL
                                                                                                                      «Klug is(s)t, wer in der Mensa
an Pausen-Snacks, Menüs                                                       ten der Schüler Ihnen gegenüber?
                                                                                                                      isst», lautet einer der Kernsätze
und vielem mehr nicht von                                                          Regula Buchmann: Damit
                                                                                                                      für die SV-Mensa in der Kantons-
alleine zu Stande kommt,                                                      habe ich keine Probleme. Ich ver-
                                                                                                                      schule Sargans. Die vier Frauen
ist allen klar.                                                               stehe mich eigentlich gut mit den
                                                                                                                      sind für die Schülerinnen und
                                                                              Schülern und ich kann zum Bei-
                                                                                                                      Schüler sowie die Lehrerschaft
                                                                              spiel auch mal Spass mit ihnen
                                                                                                                      montags bis freitags von 9.20 bis
Von Franziska Kohler und                                                      haben.
                                                                                                                      13.30 Uhr und von 15 bis 16 Uhr
Judith Kaspar
                                                                                                                      da.
                                                                              Kürzlich ist in die Mensa einge-
                                                                                                                           Die Auswahl ist gross und
                                                                              brochen worden. Wie haben Sie
                                                                                                                      vielfältig und immer frisch zube-
Zuständig für das leibliche Wohl                                              das erlebt?
                                                                                                                      reitet. Im Angebot gibt es etwas
der Schüler ist das Mensa-Team,                                                    Regula Buchmann: Auf jeden
                                                                                                                      für den grossen Hunger wie auch
bestehend aus den vier Mitarbei-                                              Fall bin ich froh, dass ich nicht die
                                                                                                                      für Linienbewusste. Denn richtig
terinnen Margrith Grassi-Kressig       Mensa-Köchin Regula Buch-              Erste war, die den Einbruch ent-
                                                                                                                      essen macht nicht nur fun, son-
(Bad Ragaz, Betriebsleiterin),         mann: «Für mich ist das kreative       deckte. Das wäre für mich ziem-
                                                                                                                      dern auch fit. Für den SV-Servi-
Regula Buchmann (Bad Ragaz,            Arbeiten in diesem SV-Betrieb          lich erschreckend gewesen. Da
                                                                                                                      ce steht auch Ökologie an vor-
Köchin) und den beiden Mitarbei-       sehr positiv.»                         hätte ich wahrscheinlich auch bald
                                                                                                                      derster Stelle. Fast alles wird
terinnen Irene Pfister (Sargans)                                              einmal Angst bekommen.
                                                                                                                      recycelt, der Umwelt zuliebe.
und Nina Zimmermann (Vättis).          plan und organisiere den Einkauf.
                                                                                                                      Wichtig aber sind für das Team
Die in Basel geborene Regula           Ich bin zuständig für das Salatbuf-    Wie haben Sie die ganzen Diskus-
                                                                                                                      zufriedene Gäste. Wenn das ein-
Buchmann hat eine vierjährige          fet, die Snacks und so weiter.         sionen um die Preiserhöhungen
                                                                                                                      mal nicht der Fall sein sollte,
Ausbildung zur Köchin und                                                     in der Mensa empfunden?
                                                                                                                      nimmt es begründete Kritik ger-
zusätzlich zur Diät-Köchin absol-      Sind Sie zufrieden mit Ihrem Job?           Regula Buchmann: Das war
                                                                                                                      ne direkt entgegen.           nr.
viert. Damit wir etwas mehr über       Welche Verbesserungen würden           für mich ziemlich schwierig.
ihre Funktion in der Mensa erfah-      Sie sich wünschen?                     Wenn es noch länger so weiterge-
ren, hat sie sich uns für ein Ge-           Regula Buchmann: Über Ver-        gangen wäre, hätte ich mir etwas        fach nur dazustehen und nichts zu
spräch zur Verfügung gestellt.         besserungen kann ich nicht viel        anderes gesucht und wäre gegan-         tun. Meiner Meinung nach hätte
                                       sagen. Im Grossen und Ganzen           gen. Für mich ist es wichtig, rich-     man die Preiserhöhungen von
Frau Buchmann, was sind Ihrer          bin ich eigentlich zufrieden, was      tige Arbeit zu haben, anstatt ein-      Anfang an bekannt machen sol-
Meinung nach die positiven be-                                                                                        len. Es ist mir zwar schon klar,
ziehungsweise negativen Aspekte                                                                                       dass der Boykott der Schüler nicht
Ihres Berufes?                                                                                                        gegen uns persönlich gerichtet
      Regula Buchmann: Positiv ist                                                                                    war, aber es ist trotzdem sehr
sicher das kreative Arbeiten. Sehr                                                                                    mühsam, wenn die Schüler nicht
negativ ist es für mich, wenn zum                                                                                     in die Mensa kommen und wir
Beispiel das Wetter schön ist und                                                                                     unsere Schichten durchbringen
die Schüler nicht in die Mensa                                                                                        müssen.
kommen. Ich mag es, wenn etwas
läuft. Die Arbeitszeiten sind natür-                                                                                  Macht sich die Preiserhöhung
lich ideal, da ich am Wochenende                                                                                      denn jetzt noch bemerkbar?
und an den Feiertagen frei habe.                                                                                           Regula Buchmann: Ein Pro-
Früher war das noch nicht so, da                                                                                      blem war dieses Jahr sicherlich
habe ich in einem Spital gearbei-                                                                                     der lange Sommer. Das haben wir
tet. Ich kann auch sehr selbständig                                                                                   sehr zu spüren bekommen. Ich
arbeiten, Menüs schreiben, den                                                                                        mag zwar schönes Wetter, aber für
Einkauf organisieren und vieles                                                                                       uns, die Mensa, ist es nicht ideal.
andere mehr.                                                                                                          Die Schüler gehen ja dadurch viel
                                                                                                                      öfters nach draussen. Ob die
Was ist genau Ihre Funktion in                                                                                        Preiserhöhungen auch einen Ein-
der Mensa?                             Auch bei der Arbeit heisst es abwaschen: Die beiden Mensa-Mitarbei-            fluss gehabt haben, kann ich nicht
    Regula Buchmann: Ich bin           terinnen Irene Pfister und Nina Zimmermann sowie Betriebsleiterin              beurteilen, ich arbeite ja noch
die Köchin, ich mache den Menü-        Margrith Grassi-Kressig tun es mit Elan.        Bilder Reto Neurauter          nicht lange hier.
14                                                  GAZETTA

                           DER MENSCH ALS HANDELSWARE
                          Das Buch «Sklavin» von Mende Nazer bringt Unglaubliches, aber Wahres ans Licht

«Sklavin» schrieb Mende               zwölf Jahren in ihrem Teil der             Mende und ihre Familie ver-           te. Nun war Mende der Besitz von
Nazer mit Hilfe von Damien            Welt über sich ergehen lassen          suchten zu fliehen, doch Mende            Rahab.
Lewis, einem Sudankenner              müssen: das brutale Ritual der         wurde von einem Araber gepackt
und Schriftsteller. Es be-            Beschneidung, das für den Eintritt     und auf sein Pferd gerissen. Wie
                                                                                                                       Schlecht behandelt
inhaltet die Lebensge-                ins Erwachsenenalter gilt. Mit         viele andere Kinder aus ihrem
schichte von Mende Nazer.             einer Scherbe oder alten Rasier-       Dorf wurde Mende zum Hauptla-             Ihre Herrin behandelte Mende mit
Die heute etwa 22-Jährige             klinge werden den Mädchen –            ger gebracht.                             Ekel, als hätte sie eine ansteckende
schreibt aus ihrem persön-            ohne Betäubung – ihre Genitalien                                                 Krankheit. Morgens wurde sie früh
lichen Blickwinkel heraus,            abgeschnitten. Viele Mädchen                                                     geweckt und spät abends, nachdem
                                                                             Verkauft
mit jeder schmerzhaften               sterben kurz nach ihrer Beschnei-                                                sie ihre Arbeiten erledigt hatte,
Einzelheit. Eine unglaubli-           dung an den Folgen.                    Wenige Tage darauf kamen die              sperrte man sie wieder in ihre
che Geschichte, die schein-                                                  Milizen mit fremden Männern in            Baracke. Ihr wurde verboten in
bar ins Mittelalter gehört                                                   ihr Zelt, schauten jedes Kind an          ihrer Sprache zu sprechen, sie
                                      Der Überfall
und doch tägliche Realität                                                   und zeigten auf die Kinder, die sie       musste ihren Nuba-Namen «Men-
für Tausende von afrikani-            Frühling 1992. Der Tag verlief wie     wollten. Einer der Männer nahm            de» ablegen und wurde nur noch
schen Mädchen ist.                    gewohnt. Doch mitten in der            Mende mit. Er lud sie mit zehn            «Yebit» genannt, was «Mädchen,
                                      Nacht schreckte Mende plötzlich        anderen Kindern auf die Lade-             das es nicht wert ist einen Namen
                                      aus dem Schlaf. Sie hörte das          fläche seines Wagens und fuhr             zu tragen» heisst. Sie hatte nichts
Von Johanna Hürlimann und
                                      Schreien und Rufen der Leute im        weg. Keines der Kinder hatte eine         was sie an ihr früheres Leben erin-
Michelle Oesch
                                      Dorf. Sie stürzte mit ihrem Vater      Ahnung, was geschehen würde.              nern könnte.
                                      aus dem Haus und sah, dass am          Nach tagelanger Fahrt kamen sie in             Der Kontakt nach aussen wur-
Mende verbrachte die frühen Jahre     Ende des Dorfes die Häuser in          Khartum, Sudans Hauptstadt, an.           de ihr verboten. Sie wusste nicht,
ihrer Kindheit in einem Dorf in den   Flammen standen. Zunächst              Mitten in der Stadt, in einem vor-        ob ihre Eltern den Überfall überlebt
Nubabergen im Sudan. Sie lebte        glaubten sie, das zufällig ein Haus    nehmen Haus, wurden sie in den            hatten. Mende wurde regelmässig
als jüngstes von fünf Kindern mit     Feuer gefangen hatte, was öfters       Keller gesteckt.                          geschlagen und gedemütigt.
ihren Eltern in einer Lehmhütte.      passierte. Doch dann bemerkten              Später kamen Frauen, die sich
Die Nuba bestreiten ihren Lebens-     sie Menschen mit brennenden Fa-        Mende und die anderen Kinder
                                                                                                                       Gedanken an Selbstmord
unterhalt mit Jagd, Ackerbau und      ckeln, die zwischen den Häusern        ansehen wollten. Eine der Frauen
Viehzucht. Mendes Vater galt mit      umherliefen und die Fackeln auf        entschied sich für Mende. Die             Im Sommer 2000 sandte Rahab
50 Rindern als verhältnismässig       die Dächer warfen. Sie verstanden,     Frau namens Herrin Rahab steckte          Mende nach London zu der Fami-
wohlhabend.                           dass sie von den Mudschaheddin,        sie zu Hause in eine kleine Gar-          lie ihrer Schwester um als «Haus-
     Mende musste erdulden, was       den arabischen Milizen, überfallen     tenbaracke, die ihr als Behausung         mädchen» zu arbeiten. Durch
alle Mädchen zwischen zehn und        wurden.                                für ihr weiteres Leben dienen soll-       Lügengeschichten bekam Mende
                                                                                                                       ein Visum und wurde nach London
PROJEKT K SPIELT LABICHES «FLORENTINERHUT»                                                                             geschickt. Dort dachte sie zuerst,
                                                                                                                       bei einer netten Familie gelandet
Nach Schnitzlers Groteske             insgesamt 175 Komödien, die er             dabei gar bei einer Baronin, in       zu sein. Doch je länger sie dort
«Der grüne Kakadu» hat sich           zwar nach altbekanntem Muster              deren Salon er als italienischer      arbeitete, ohne Lohn und Freizeit,
das Ensemble von projekt K            strickte, aber immer wieder zu neu-        Tenor vorgestellt wird. Die Ver-
                                                                                                                       desto schrecklicher ging ihre neue
für eine handfeste Komödie            em Leben zu erwecken verstand.             wicklungen häufen sich, bis end-
                                                                                                                       Herrin mit ihr um. Es kam soweit,
entschieden und steckt                     Labiches Komödien, Vaude-             lich ein identischer Florentinerhut
bereits seit vergangenem              villes und Possen sind einfallsrei-        unter den Hochzeitsgeschenken         dass Mende an starken Depressio-
Dezember mitten in den Pro-           che Inhalte, rasant und spritzig.          entdeckt und damit die Hochzeits-     nen zu leiden begann. Sie dachte
ben: «Der Florentinerhut» des         Das ist bei «Der Florentinerhut»           feier gerettet wird.                  immer häufiger an Suizid. Um das
Parisers Eugène Labiche ist           nicht anders: Eine Hochzeitsge-                 Mit wahnwitziger Motorik         Leid dieses Mädchens zu erfahren
eines der wenigen Werke der           sellschaft befindet sich auf der           nimmt das Stück vor allem bor-        und vor allem, wie das Buch
dramatischen Unterhaltungs-           hektischen Suche nach dem identi-          nierte Kleinbürger gehörig aufs       endet, sollte man es sich in der
literatur, welche einen Zeit-         schen Duplikat eines Florentiner-          Korn, was wesentlich zur Komik        Bibliothek der KSS ausleihen,
rahmen von über 100 Jahren            huts, der vom Pferd des Bräuti-            des Erfolgsstücks beiträgt (Auf-      denn dort ist es seit kurzem vor-
schadlos überlebten.                  gams gefressen wurde. Der Hut              führungsdaten siehe Veranstal-        handen.
                                      gehörte Madame Beauperthuis, die           tungskalender).
                                                                                                                            Das Buch weckt Gefühle wie
     Schon bei der Uraufführung       ein Techtelmechtel mit einem Offi-              Es spielen Elisabeth Dürr,
                                                                                                                       Wut, Trauer und Mitleid. Durch die
(1851) war das Echo enorm; bald       zier hat. Und ohne diesen Hut wäre         Nathalie Rutz, Selina Dürr, Rahel
fand sich das Oeuvre auf der Best-    sie bei ihrem Ehemann kompro-              Koller, Angelo Frei, Fabienne Ber-    detaillierten Schilderungen wird
sellerliste der meist aufgeführten    mittiert. Nun folgt die ganze Hoch-        negger, Dagmar Rootering, Corne-      man gefangen genommen und fühlt
Theaterstücke in Mitteleuropa. Mit    zeitsgesellschaft Bräutigam Fadi-          lia Britt, Sonja Kesselring, Tanja    Mendes Schmerzen mit. Es soll
sicherem Gespür und leichter Hand     nard durch temporeiche Abenteuer,          Kohlen, Jonas Vetter, Andrea          zum Nachdenken anregen und die
für die Pariser Gesellschaftskomö-    um einen Ersatz für die fehlende           Schmassmann, Viviane Aggeler,         Augen öffnen. Wie wenig man
die des 19. Jahrhunderts verfasste    Kopfbedeckung zu finden. Der               Karin Meier, André Götte und          doch über die Sklaverei im 21. Jahr-
der studierte Rechtswissenschafter    entnervte Protagonist poussiert            Andres Wachter.                 eb.   hundert weiss.
GAZETTA                                                                      15

BEI WAHLEN UNEINS, BEIM SPAREN AUCH
                                           Kantonsschüler diskutierten über Bundesratswahlen und Sparübungen

Die Bundesratswahlen
haben an der Kantonschule
schon vor dem 10. Dezem-
ber des vergangenen Jah-
res für Gesprächsstoff
gesorgt. Nach der Wahl
wurde umso heftiger über
den Ausgang und die Fol-
gen für die Schweiz disku-
tiert. Auch die anstehenden
Sparmassnahmen waren
ein Thema. Dabei gingen
die Meinungen stark aus-
einander.

Von Andreas Hofmänner und
                                      War auch an der Kantonsschule Sargans ein Thema: Der Ausgang der Bundesratswahlen vom 10. Dezem-
Jonas Vetter
                                      ber vergangenen Jahres wurden in der Klasse 2M zusammen mit Vertretern der Jungen SP und SVP disku-
                                      tiert.                                                                          Bild Andi Hofmänner
Im Rahmen dieser Bundesratswah-
len organisierte die «Gazetta»-       Jonas Vetter jedoch hatte seine         vor allzu langer Zeit bekannt
Redaktion ein kleines Podiumsge-      Zweifel. Er meint, Bundesrat Blo-       gegeben wurden, beschäf-
spräch mit Schülern aus Jungpar-      cher würde es schwer haben im           tigte auch hier immer noch
teien und der Klasse 2M unter Lei-    Bundesrat, wenn er sich nicht           die Schüler. Sabrina Schle-
tung von Christoph Wick. An die-      anpasse und so extrem bleibe. Er        gel als SVP-Vertreterin fand
sem Mittwochmorgen verfolgte die      befürchtet, dass nun die Schweiz        die Massnahmen völlig in
Klasse die Bundesratswahlen und       den Blick primär nach Innen wen-        Ordnung, was sie von den
danach wurde darüber heftig           det und sich mit diesem stark           meisten Schülern unter-
diskutiert.                           «rechten» Bundesrat nicht nach          scheidet. Sie findet es nicht
                                      Aussen richtet.                         schlimm, wenn sie eine Lek-
                                          Die Linke müsse nun dagegen         tion weniger Religion oder
Nur SP und SVP dabei, leider…
                                      halten und ihre Ansichten vertei-       Turnen in der Woche hat.
Wie nicht anders zu erwarten war,     digen. Auch in Bezug auf die            Vetter und die Klasse 2M
liessen sich an der Kantonsschule     Sozialwerke hat er Bedenken und         waren offensichtlich anderer
für dieses Podium nur Mitglieder      befürchtet Einbussen infolge von        Meinung. Vetter findet das
der Jungparteien SP und SVP fin-      Sparmassnahmen. Auch die jetzi-         Sparen an der Bildung
den. Jeglicher Aufruf nach FDP-       ge Untervertretung der Frau im          riskant und unfair verteilt,
und CVP-Mitgliedern verlief im        Bundesrat gab zu denken.                weil zum Beispiel an den
Sand. Durch einen unglücklichen                                               Berufsschulen viel weniger
Zufall fielen auch noch die SP-                                               gespart werde.
                                      Die Klasse legt los
Kandidaten aus und Gazetta-Chef-
redaktor Jonas Vetter sprang in die   Als dann die Klasse auch mitdisku-
                                                                              Zurück zum
Diskussion mit Sabrina Schlegel,      tieren durfte, bemerkte man, dass
                                                                              Schulalltag
Jungpartei-Mitglied der SVP, und      sie gegen die Wahl von Christoph
Christoph Wick als Leiter der         Blocher und seine Ansichten war.        Die Diskussion war im vol-
Diskussion ein.                       Die Klasse regte sich sichtlich über    len Gange, als Christoph
                                      die SVP auf. Bundesrat Blocher          Wick gegen Ende der Schul-
                                      wurde als verfilzter Jurist betitelt    lektion die Diskussion been-
Wahlergebnisse
                                      und die Vorgehensweise der SVP          den musste. Die Schüler
Nach der Wahl von Christoph Blo-      als Frechheit bezeichnet. Die           waren nicht zufrieden mit
cher lanciert Wick das Gespräch       Spannung im Klassenzimmer war           der Einstellung der SVP und
mit der Frage, wie die beiden Ver-    spürbar und eine hitzige Diskus-        weitere kleine Gespräche
treter der Jungparteien die Wahler-   sion entstand.                          nahmen in der Mittagspause
gebnisse beurteilen. Sabrina Schle-                                           ihren Lauf. Am Nachmittag
gel war klar zufrieden mit der nun                                            hatten die Schüler dann wie-    Und dann ein Tag später: Die regionalen
                                      Sparmassnahmen immer
gerecht verteilten Sitzzahl im                                                der normalen Unterricht und     Medien berichteten ausführlich über
                                      noch ein Thema
Bundesrat und der Wahl des neuen                                              bestimmt wurde noch lange       den angeblichen Rechtsrutsch.
Bundesrates Christoph Blocher.        Die Sparmassnahmen, die nicht           diskutiert.                                        Bild Reto Neurauter
16                                              GAZETTA

KULTURELLE VIELFALT IN DER REGION LEBT
                     Altes Kino Mels, fabriggli Buchs und TaK Schaan bieten Kleinkunst und Weltbekanntes

Die Kulturstätten in der
Region sind Institutionen,
die uns mit ihrem umfassen-
den Programmen eine
beliebte Abwechslung zum
üblichen Kinogang bieten.
Die drei bekanntesten sind
wohl das fabriggli in Buchs,
das Alte Kino Mels und das
TaK in Schaan, auch
bekannt als Theater am
Kirchplatz.

Von Ines Rütten

Das fabriggli hat das Ziel, ein Kul-
tur- und Begegnungszentrum zu
sein. Mit Engagement und Kreati-
vität wird die Leitidee «Kultur in
der Region – Kultur für die            Das Alte Kino Mels (www.alteskino.ch)                                                       Bild Hans Bärtsch
Region» umgesetzt.
     Auch die Kulturvereinigung        penspielen, Musicals und vielem       Hugo von Hofmannsthal oder            Jack Stroeher. Im März dann steht
«Altes Kino Mels» ist eine führen-     mehr zusammensetzt.                   «Der Fall Furtwängler» von            das antike Drama «Die Bakchen»
de Anbieterin von kulturellen                                                Ronald Harwood, die alle dem-         von Euripides auf dem Programm.
Anlässen. Das Ziel ist es, die kul-                                          nächst im TaK oder in der Pfarrkir-   Konzerte, Lesungen und vor allem
                                       TaK: Grosse Produktionen
turellen Ansprüche aller Alters-                                             che Schaan zur Aufführung gelan-      ein reichhaltiges Programm für
                                       aller Richtungen
klassen abzudecken. Dadurch,                                                 gen (www.tak.li). Den Schülern        Kinder und Jugendliche gehören
dass das Alte Kino finanziell un-      Vor allem das Tak hat häufig Thea-    können die Stücke gut als Ergän-      zum festen Angebot des TaK.
abhängig ist, ist eine grosse Viel-    terstücke auf dem Programm, wel-      zung von Gelesenem dienen.                Auch auf das Portemonnaie
falt möglich.                          che berühmte Literatur wiederge-          In jeder Spielzeit zeigt das      der Jugendlichen wird Rücksicht
     Alle drei Kulturstätten bieten    ben, wie zum Beispiel «Faust I»       TaK Eigenproduktionen. In der         genommen. So kostet im TaK
ein umfangreiches Programm,            von Goethe, «Die Zähmung der          Laufenden war es bereits «Brook-      jeder Eintritt für Schüler nur zehn
welches sich aus Konzerten aller       Widerspenstigen» von William          sie – The Jazz Age Musical» mit       Franken, egal wie hoch der regulä-
Art, Theater, Kindertheater, Pup-      Shakespeare, «Jedermann» von          Musik von Sandro Moreni und           re Preis ist.

Das fabriggli in Buchs (www.fabriggli.ch)                                    Das Theater am Kirchplatz Schaan (www.tak.li) Bilder Reto Neurauter
GAZETTA                                                                    17

«KULTUR IST BALSAM FÜR DIE SEELE»
                     Die aktuelle Situation der regionalen Kleintheaterund die Zukunft der Kleinkunstszene

Hans Bärtsch ist Aktuar
des Alten Kino Mels,
Peter Eggenberger Leiter
des fabriggli in Buchs. Die
«Gazetta» hat den beiden
Fragen zur aktuellen Situa-
tion ihres Theaters, aber
auch zum Programm und
zur Zukunft der Kleinkunst-
szene gestellt.

Von Ines Rütten

Nach welchen Kriterien stellen
Sie Ihr Programm auf?
      Hans Bärtsch (Altes Kino): Es
sind verschiedenste Kriterien,
nach denen wir unser Programm         Hans Bärtsch: «Das Erlebnis im Kleintheater ist           Peter Eggenberger: «Kulturelle Angebote in den
zusammenstellen. Eines der wich-      von der Nähe zur Bühne, dieser Intimität und ein-         Regionen tragen entscheidend zur Lebensqualität
tigsten ist das Angebot. Ist von      maligen Atmosphäre geprägt.»                              bei.»                                 Bilder pd
einer Band wie Züri West, Stiller
Has, Plüsch, Patent Ochsner,          von Besuchern und andern Veran-       Billetteinnahmen die Gagen zu          beständig und von relativ wenigen
Lovebugs ein neues Album zu           staltern oder die Medienpräsenz       decken, was in der Regel auch          personellen Wechseln der ent-
erwarten, verbunden mit Liveauf-      eines Künstlers. Grundsätzlich        gelingt.                               scheidenden Ansprechpartner ge-
tritten? Planen Theaterschaffende     schauen wir uns Produktionen erst         Peter Eggenberger: Was wir         prägt. Etwas, was die Künst-
wie Gardi Hutter, Lorenz Keiser       an, bevor wir ein Engagement täti-    anstreben, ist, dass wir keine Steu-   ler/Agenturen besonders zu schät-
oder Acapickels neue Produktio-       gen, oder verlassen uns auf ein       erung des Programms übers Geld         zen wissen.
nen und suchen damit Auftritts-       Netzwerk von Theaterleitern in        hinnehmen müssen. Wir versu-                Peter Eggenberger: Die
möglichkeiten an ähnlich grossen      der ganzen Schweiz. Dann sind es      chen, in etwa gleich viele Theater-    Schweiz hat ein sehr dichtes Netz
Orten (250 Sitz-, 500 Stehplätze)     auch «äussere Gründe», die das        anlässe und Konzerte anzubieten.       an Kleintheatern. Alle diese Spiel-
mit einer ähnlichen Infrastruktur     Programm mitbestimmen. Etwa                                                  stätten fördern und bereichern das
wie das Alte Kino?                    die Lage (in einem Wohnquartier),     Wie denken Sie über die Zukunft        kulturelle Leben in ihrer Region.
      Ein weiteres wichtiges Krite-   die es nicht erlaubt, jedes Wo-       kleinerer Theater/Kulturstätten?       Sie haben eine wichtige und ver-
rium sind die Erfahrungswerte.        chenende open-end Konzerte/Par-            Hans Bärtsch: Wie der 1.          antwortungsvolle Vermittlerfunk-
Wir wissen beispielsweise, dass es    tys durchzuführen. Und nicht          Schweizer KleinKunstTag am 13.         tion zwischen Kunstschaffenden
deutsches (wortlastiges) Kabarett     zuletzt setzt natürlich das Geld      September des vergangenen Jah-         und Bevölkerung. Hier können
schwer hat, Comedy hingegen gut       Grenzen.                              res gezeigt hat, ist unser Land        unter anderem viele junge Künst-
ankommt. Figurentheater kommt                                               unglaublich reich an kleineren         lerinnen und Künstler erste «Geh-
bei Kindern, beziehungsweise den           Peter Eggenberger (fabrigg-      Theatern und Kulturstätten. In der     versuche» machen. Denn vom
Eltern, die die Entscheidung tref-    li): Wir wollen vielseitig, breit     Summe übertreffen die der Klein-       Himmel ist noch nie ein Meister
fen, in der Regel besser an als       gefächert – entsprechend der Viel-    theater jene der grossen Häuser!       gefallen.
Menschentheater. Ganz bewusst         falt der Klein-Kunst-Szene – sein.    Der Zukunft kann durchaus hoff-             Soweit ich Einblick in die
planen wir indes auch «Minder-        Und wir möchten für alle Alters-      nungsvoll entgegengeblickt wer-        Kleintheaterszene habe, habe ich
heitenprogramme», wenn wir -          klassen, Kinder, Jugendliche und      den. Zum einen (und fast wichtig-      nicht den Eindruck, dass in den
eine Gruppe von sechs Leuten -        Erwachsene, etwas bieten.             sten), dass es immer ein Publikum      vergangenen Jahren viele Spiel-
von einer Produktion überzeugt                                              gibt, das die Nähe zur Bühne und       stätten eingegangen wären. Ver-
sind. Dann schauen wir auf ein        Wie setzen Sie ihr Budget ein?        dem, was darauf passiert, sucht.       einzelt mag es das geben, es eröff-
ausgewogenes Programm, das                Hans Bärtsch: Für die rund        Das Erlebnis im Kleintheater ist       nen aber auch immer wieder neue.
heisst auf eine vernünftige Vertei-   40 Veranstaltungen in der laufen-     von dieser Nähe, Intimität, Atmo-      Jüngstes Beispiel in unserer Re-
lung von Musik, Theater und so        den Saison 2003/04 von Septem-        sphäre geprägt. Nicht umsonst          gion ist der Schlösslekeller in
weiter. Es ist auch unser Anliegen,   ber bis Juni sind rund 100000         kehren auch Künstler, die es           Vaduz. Ich denke, dass es auch in
verschiedene Alters- und Interes-     Franken budgetiert. Theater und       «geschafft haben», wie Acapi-          Zukunft in der Schweiz eine star-
sengruppen anzusprechen. Und          Musik beanspruchen je rund zwei       ckels oder Ursus & Nadeschkin,         ke Kleintheaterszene geben wird.
Eigenleistungen wie «Frau Holle»      Fünftel dieser Summe, der Rest ist    immer wieder gerne auf kleinere        Das ist wichtig. Denn kulturelle
sind neben dem Gastspielangebot       für spezielle Veranstaltungen         Bühnen zurück. Auch für Musiker        Angebote in den Regionen tragen
sehr willkommen. Einfluss auf die     reserviert (Literatur, Ausstellun-    ist ein Auftritt in einem Club         entscheidend zur Lebensqualität
Programmgestaltung haben weite-       gen, Tanz, Eigenproduktionen).        etwas Besonderes. Die Klein-           bei. Kultur ist somit auch Balsam
re Kriterien wie Empfehlungen         Wir verfolgen das Ziel, mit den       theaterszene ist im übrigen sehr       für die Seele.
Sie können auch lesen