BlickPunkt - DJV Baden-Württemberg
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
4 18 BlickPunkt das Medienmagazin des Deutschen Journalisten-Verbandes Baden-Württemberg MEDIENZUKUNFTFESTIVAL geht in die zweite Runde Seite 6 Das Gehirn liebt Tratsch: Widerlegen ist schädlich Seite 12 Tarifabschluss 2018: Ist Enttäuschung angebracht? Seite 16 Dezember 2018 · 33. Jahrgang · ISSN 0946-9303 · E 11168 F
IM BLICK I N H A LT S V E R Z E I C H N I S DJV Blickpunkt Ausgabe 4 · 2018 Liebe Leserinnen, liebe Leser, und Daniel Völpel und analysieren im Detail, wie die Verhandlungssituation aussah und wie der unser Gehirn liebt Tratsch, Wahrheit ist ihm Abschluss zu bewerten ist. wurscht und Besserwisser werden abgestraft, so die bittere Erkenntnis aus den letzten Unser Verbandstag hat viele Aufgaben beschlossen, Jahren mit Fake News und Konsorten. die ersten Zeugen der Umsetzung finden sich in Aber zumindest Hasskommentare sollten diesem Heft. Ein schon älterer Beschluss bescherte sich Journalist*innen nicht gefallen lassen, in uns das MedienZukunftFestival im Oktober, es war NRW startete dazu eine Initiative „Verfolgen eine großartige Veranstaltung, die nächstes Jahr statt löschen“. fortgeführt wird. Einen Rückblick zum #MZF18 lesen Sie in diesem Heft. Der Tarifabschluss 2018 hat viele Debatten aufge- worfen, zu den wichtigsten Fragen äußern sich aus Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihre der Verhandlungskommission Christoph Holbein Blickpunkt-Redaktion. E DITOR I AL 200 Jahre Ludwigsburger Kreiszeitung: Beginn eines Intelligenzblatts Seite 23 Das Immunsystem schwächelt Seite 5 Fachausschusse Betriebsratsarbeit u. Tageszeitungen: Mit neuen Kräften frisch an die Arbeit Seite 24 TOP TH E MA Kreisverband Neckar-Alb Erfolg fortführen: Medien|Zukunft|Festival Ja, es geht: geht in die zweite Runde Seite 6 Mobile Reporting mit dem Smartphone Seite 25 MEDIEN MEDIEN UND PRESSEFREIHEIT Das Gehirn liebt Tratsch: Palm-Preis für zwei starke Frauen: Widerlegen ist schädlich Seite 12 Journalistinnen aus Bosnien und dem Südsudan ausgezeichnet Seite 22 VERBAND VORSORGE Solidaritätsstreik: Altersvorsorge und Geldanlage: Stuttgarter Drucker*innen unterstützt Seite 15 Autorenversorgungswerk – was ist das? Seite 26 Tarifabschluss 2018: MEDIENNACHRICHTEN Seite 27 Ist Enttäuschung angebracht? Seite 16 REZENSION Wissensaustausch organisieren: Verbandsarbeit des DJV-BW digitalisieren Seite 19 Das neue „Journal für Kultur“: Lebensart mit Heimatkunde Seite 29 Bundesverbandstag in Dresden Seite 20 Journalisten-Akademie Seminare Seite 30 Unterstützung gesucht: Mentoring- Programm für Exiljournalist*innen Seite 23 Wir gratulieren /Impressum Seite 31
EDITORIAL Das Immunsystem schwächelt Mich fröstelt. Nicht wegen der kalt-nassen Jahreszeit konzern SWMH. Aufgrund und der Angst vor Erkältungsviren, sondern mit sinkender Auflagen und Blick auf die Medienlandschaft und die leider wieder Anzeigenbuchungen bei notwendige Diskussion darüber, wie unabdingbar steigenden Vertriebskos- ein freier und unabhängiger Journalismus für die ten setzt man aufs Sparen Demokratie ist. Das Immunsystem unserer De- in den Redaktionen, sprich battenkultur muss im Sinne der Meinungs- und den Abbau von Redak- Pressefreiheit dringend gestärkt werden. tionsstellen. Zentralredak- tionen sparen Kosten, aber Unsere Menschenrechte feierten dieses Jahr den die Wettbewerbsvielfalt 70. Geburtstag. Die Verabschiedung der der Lokalpresse schrumpft. Im Business-Jargon heißt „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ am das Portfolio-Bereinigung. Siehe Esslinger Zeitung, 10. Dezember 1948 durch die UN-Menschen- Kreiszeitung Böblinger Bote oder aktuell Bietigheimer rechtskommission war ein historischer Moment: Zeitung. Die Ludwigsburger Kreiszeitung ist das letzte „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und gallische Dorf mit einer eigenen Vollredaktion in der Rechten geboren,“ lautet der erste Satz. In Artikel 19 Metropolregion Stuttgart. Wie lange noch? heißt es: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt Wir Journalisten sind Geiseln dieses Systems, weil wir die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen über unsere Probleme in der Presse nicht einmal be- sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf richten können. Das gilt ebenso bei Zeitschriften. Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, Wenn wir um ein kritisches Vertrauen werben, dann zu empfangen und zu verbreiten.“ Ein Quanten- dürfen Redakteur*innen nicht einfach zu Content- sprung kurz nach dem 2. Weltkrieg. Managern degradiert werden. Weil beispielsweise im Medizin-Bereich Artikel und Themenumfelder für ein Heute zeigt sich, dass wir uns dieses Grundrecht ganzes Jahr festgezurrt werden, samt überwiegend immer wieder neu erkämpfen müssen. Das Gerede Gratis-Bildmaterial, wie dies bei Burda geschieht. von der „Lügenpresse“ hatte auch dieses Jahr Hoch- Damit entscheiden Kundenbetreuer und nicht mehr konjunktur an den virtuellen Stammtischen. Natür- die Redakteur*innen über die Inhalte. Großverlage lich gibt es immer wieder Beispiele für Fehl- haben die Folgen für den freien, recherchierenden informationen. Doch hinter dem Begriff „Lügen- Journalismus offensichtlich nicht begriffen. In der presse“ steckt die Zielsetzung, recherchierenden Folge reagieren Redaktions-Kolleg*innen resigniert. Journalismus insgesamt zu diskreditieren. Und leider bleiben die Fake News besser in den Köpfen haften Wenn wenigen Verlagsmilliardären die Medienmacht als die nachgelieferten Fakten. Diesem Dilemma und obliegt, funktioniert das demokratische Immun- wie man dagegen vorgeht bzw. damit umgeht, system nicht mehr. Da darf auch die Politik nicht widmet diese Ausgabe des Blickpunkt weiten Raum. länger wegschauen. Zur Zerrüttung der Orientierung und der Schwächung Ich wünsche Ihnen nicht nur für die kalte Jahreszeit des medialen Immunsystems tragen allerdings auch ein gesundes Immunsystem und alles Gute für das die großen Verlagsgruppen mit ihrer Medienmacht neue Jahr! selbst bei. 2018 ist die Pressekonzentration wieder rasant angestiegen. Mittlerweile geht 99,5% der am Ihre Kiosk verkauften Tageszeitungen auf das Konto von fünf Großkonzernen – so die Forschungsergebnisse von Horst Röper zum Zeitungsmarkt. Ein markt- und meinungsbestimmender Gemischtwarenkonzern, bei Dagmar Lange dem der Journalismus nur noch ein untergeordnetes DJV-Landesvorsitzende Geschäftsfeld darstellt, ist der Stuttgarter Medien- Baden-Württemberg 4 · 2018 DJV Blickpunkt 5
Im Foyer der SRH Hochschule Heidelberg. Alle Fotos: Stefan Bau Eine attraktive Veranstaltungsreihe Blickpunkt: Was hat dir besonders gut hat im Oktober 2018 begonnen: gefallen? das Medien|Zukunft|Festival des DJV Baden-Württemberg. Ein Erfolg schon Julia Schweizer: Das MZF war ein Pre- im Startjahr, ein informativer und mierenprojekt – und dafür war ich über- kommunikativer Tag, aus dem die Teil- rascht, wie viele Teilnehmer wir hatten und nehmer*innen viel mit nach Hause mit- wie gut der Tag funktionierte. Vor allem, nehmen konnten. weil alle aus dem Organisationsteam viel Zeit und Hirnschmalz investiert haben. Die Arbeit des Teams – Christoph Hol- Und sich auch unsere Referent*innen und bein, Jannis Kuhlencord, Gregor Land- Standbetreiber (das Journalisten-Cocktail- wehr, Julia Schweizer, Meena Stavesand Angebot der Presse-Versorgung war top!) und Daniela Zumpf – hat sich mehr als engagiert eingebracht haben. gelohnt. Blickpunkt: Woran hast du am meisten Der DJV Baden Württemberg hat daher gelernt? bei seiner Vorstandssitzung im November Julia Schweizer, Foto: Martin Kalb sehr deutlich entschieden: Auch 2019 Julia Schweizer: Wie viel Arbeit und wird es wieder ein Medien|Zukunft|Festi- Vorlaufzeit doch hinter einem solchen Blickpunkt: Welche Möglichkeiten siehst val geben. Nun geht es an die Planung des Projekt stehen, und was an "Drumherum" du für die Zukunft dieses Festivals? Termins, Orts und vor allem der Inhalte zu beachten ist. und Referenten des #MZF19. Wer mit- Julia Schweizer: Ich sehe für das MZF auf machen möchte, ist herzlich willkommen, Blickpunkt: Welches Format hat am jeden Fall eine Zukunft, und das größer ebenso freuen sich die Organisator*innen besten gezündet? als bei der Premiere. Denn nun hat das über Anregungen für Themen. Wer dazu Organisationsteam etwas in der Hand, etwas beitragen möchte, kann sich gerne Julia Schweizer: Puh, da fällt mir die Aus- mit dem es weitere Referent*innen ge- über den Facebook- oder den Twitter- wahl schwer. Vielleicht der Leserbrief- winnen kann, und dadurch auch mehr Account melden, oder an info@djv-bw.de Slam zum Abschluss, weil der das Teilnehmer*innen. schreiben. Julia Schweizer, eine der Orga- Überraschungsmoment der Veranstal- nisator*innen des diesjährigen Festivals tung war, bei der ansonsten ja das Erler- Die Fragen stellte Susann Mathis zieht ebenfalls eine überaus positive Bilanz, nen neuer Fähigkeiten und die kritische wir haben sie gebeten, ihr Fazit anhand von Auseinandersetzung mit Branchenthe- Lesen Sie Julia Schweizers Bericht auf den vier Fragen zusammenzufassen: men im Vordergrund stand. nachfolgenden Seiten. Ä 4 · 2018 DJV Blickpunkt 7
TOPTHEMA Viel Inspiration, Information und Interakt dakteurin der deutschsprachigen Ausgabe des Magazins VICE, war die Teilnahme wortwörtlich gefragt. Wie viel Zeit wendet die Redaktion für die Geschichten auf? Welchen Einfluss haben Werbekunden? Und ob es trotz der gezeigten Beispiele mit persönlichen Zugängen zu einem Thema auch eine Einordnung gebe, wollten Zu- hörer wissen, nachdem Himmelreich über ihre Arbeit und die ungewöhnliche He- rangehensweise der Redaktion berichtet und viele inspiriert hatte. MEHR zur Keynote unter: https://bit.ly/2BUIyqL Im Anschluss hielt Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident der Landesanstalt für Kommu- nikation, eine kurze Begrüßungsrede. Er Im Workshop „Videos – Die neue Macht im Netz“ mit Christian Bachmann und Tobias Wolf von der Sächsischen Zeitung betonte dabei die Wichtigkeit des Journa- lismus gerade auch im Lokalen, sprach Mehr als acht Monate Vorbereitung, ein reichte, ein abwechslungsreiches, vor aber auch die Herausforderungen der neues Konzept mit sieben Veranstaltungs- allem aber interaktives Programm ein- Branche an. formen, zehn Wochen mit intensiver Wer- fallen lassen. bung, mehrere Stunden Aufbau in der Fishbowl zum SRH-Hochschule Heidelberg, mehr als Aufstehn und Lokaljournalismus 100 Teilnehmer: Das war das erste Me- Hinsetzen dien|Zukunft|Festival. Organisiert wurde Und um diese ging es schwerpunktmäßig es von einem kleinen Team aus Mit- Das begann schon beim Auftakt, der Be- in der folgenden Diskussionsrunde zu „Ist gliedern des Deutschen Journalisten-Ver- grüßung durch die Moderatorin Alina der Lokaljournalismus tot?“ Diese war als bands Baden-Württemberg und Unter- Welser, die die Gäste in Bewegung brachte, „Fishbowl“ aufgebaut, das heißt, dass stützern. Und das hatte sich für das und nach und nach die für Online Täti- Gäste aus dem Publikum sich mit aufs Po- Publikum, das von Studierenden von gen, die Zeitungsliebhaber oder die Be- dium setzen konnten zu Petra Nann (Be- zumeist medienaffinen Fächern über in- rufserfahrenen aufstehen oder sich wieder treiberin des Blogs „ImLändle“), Alina teressierte Wissenschaftler bis zu langjäh- hinsetzen ließ. Und auch bei der Keynote, Welser (Jugendpresse, freie Printjourna- rigen Print- oder Online-Redakteuren gehalten von Laura Himmelreich, Chefre- listin), Gerhard Mandel (Redaktionsleiter Kurpfalz Radio des SWR), Götz Münster- mann (Online-Chef Rhein-Neckar-Zei- tung) und Dirk Lübke (Chefredakteur Mannheimer Morgen). Und es dauerte nicht lange, da war schon die erste Mutige oben, die die Frage stellte, warum es immer als so erstrebenswert gelte, jüngere Leser erreichen zu müssen – schließlich würden die doch auch mal älter. MEHR zur Fishbowl unter: https://bit.ly/2B1QiWf Diese Zielgruppe stand dann bei der zwei- ten Diskussion („Die Zukunft des Volon- tariats“) im Fokus. Die Runde war zwar klassisch ausgerichtet, aber auch hier waren Fragen aus dem Publikum möglich. Und die gingen durchaus teils ins Grund- sätzliche, etwa nach der Sinnhaftigkeit Workshop „Mobile Publishing“ mit Prof. Dr. Marie Elisabeth Müller dieser Ausbildung, wegen des relativ 8 DJV Blickpunkt 4 · 2018
hohen Alters, das man in der Regel nach Studium, eventuell freier Mitarbeit und dann noch einem Volontariat hat. Doch hier kam Widerspruch von den teilneh- menden Volontären, die durchaus einen Unterschied sahen, ob man als freier Mit- arbeiter Termine wahrnimmt, oder lernt, aus dem Wust eingehender Mails und Ein- ladungen herauszufiltern, was man be- setzt, und wie man Themen langfristig begleitet. Praxisnahe Workshops Parallel zu den beiden Diskussionsrunden liefen die drei Workshops, zu denen sich die Teilnehmer zuvor wegen einer Platz- Stephanie Geißler und Markus Pfalzgraf, beide SWR, genießen alkoholfreie Cocktails vom begrenzung hatten zeitig anmelden müs- Presseversorgungswerk. sen. Zur Auswahl standen die jeweils zwei Stunden dauernden Angebote zum Vorträge oder Diskussionsrunden in drei Thema Visualisierung (unter dem Titel verschiedenen Räumen – gab es aus den „Komm wir gehen auf Symbol-Safari“ Reihen der Teilnehmer für das Barcamp. von der Referentin: Lara Schmelzeisen), Mobile Publishing (Dr. Marie Elisabeth Besonders nachgefragt war das Angebot Müller: https://bit.ly/2E3P3t0 sowie der von Exiljournalisten aus der Türkei, die praktische Kurs zu Mobile Reporting „Vi- über ihre Fluchterlebnisse und ihre Arbeit deos – Die neue Macht im Netz“ (Chris- nun von Deutschland aus berichteten, tian Bachmann und Tobias Wolf von der und die ihre Gesprächsrunde auch nach Sächsischen Zeitung), der sich über vier der veranschlagten Zeit fortsetzten. Stunden erstreckte. Als Ergebnis entstand https://bit.ly/2G6Bpbj. In einer anderen zum Beispiel auch dieses Video über Session tauschten sich vornehmlich Jün- das Festival: https://bit.ly/2zMiVXG. gere darüber aus, wie sie für ihre Projekte oder Medien Social Media einsetzen und So vielfältig wie die Workshops präsen- welche Tipps es dabei gibt. Für Berufs- tierte sich auch das Barcamp nach der Mit- neulinge ging es in einer kleinen Runde tagspause, in der ebenso Zeit war, sich auf darum, welche Erwartungen Redaktionen dem „Markt der Möglichkeiten“ an den haben und wie man es zu einer freien Mit- Ständen von Medienunternehmen zu in- arbeit schafft. Und für Fortgeschrittene formieren und Kontakte zu knüpfen. Neun gab es Tipps zur Gründung eines Medien- Vorschläge für Sessions – im Fall des MZF Start-Ups. je 45 Minuten dauernde Zeitfenster für Leserbrief Im Workshop „Komm wir gehen auf Symbolsafari“ zeigt Lara Schmelzeisen, wie man garantiert eine Slam Bildidee zu einem Text findet Zum Abschluss wurde die zuvor schon oft genannte und als sinnvoll gerade für den umso intensiver aus, und das erste Lokaljournalismus erachtete Interaktion Medien|Zukunft|Festival endete mit viel mit dem Leser gefeiert – mit dem Leser- Applaus. brief-Slam. Juliane Schwertner und Ä Julia Schweizer Maximilian May von der Theatergruppe Die ARTbacken lasen einige besonders krude oder lustige Schreiben an Redak- tionen vor. Themen waren natürlich die Mehr über das Medien|Zukunft|Festi- Flüchtlings-Berichterstattung, aber auch val erfährt man auf der Website ein großes Lamento über Mannheim www.medien-zukunft-festival.de oder auf und die Schwierigkeit, in der Stadt eine Facebook (Medien.Zukunft.Festival). Partnerin zu finden, weshalb man sich Anregungen für Themen und Formate auch gerne der Redaktion für ein „intensi- für das nächste Medien|Zukunft|Festi- ves Interview“ zur Verfügung stellen val 2019, #MZF19, bitte über den Face- möchte, so ein Angebot. Zu viel der Inter- book- oder den Twitter-Account oder aktion. Die fiel dafür beim Publikum per Mail an info@djv-bw.de. Immer gut sichtbar: Team #MZF 4 · 2018 DJV Blickpunkt 11
MEDIEN Das Gehirn liebt Tratsch Veranstaltungen in Heidelberg und Stuttgart beschäftigen sich mit der zunehmenden Last der Desinformation Das menschliche Gehirn kann besser wahrscheinlich, wenn diese Falschinfor- sieren kann, so groß ist doch die Hilflo- Klatsch als harte Fakten. Es gibt sogar mationen aufs Herz zielen oder besser sigkeit, wie man dagegen vorgehen sollte. Studien, die dafür eine Ursache gefunden noch: kurz darunter. Daher setzen sie auf Ian McCulloh etwa forscht im Bereich der haben wollen. Mit einfachen „Stille-Post- Reflexe wie Empörung, Wut und Ohn- sozialen Netzwerkanalyse. Er weist an vie- Versuchen“ untersuchten die Wissen- macht, auf Reizthemen wie Migranten len Beispielen nach, dass Argumente schaftler*innen um Alex Mesoudi von der und Flüchtlinge oder auf Kinder und schädlich sind, dass Zensur die virale Ver- St. Andrews Universität in Schottland die Missbrauch. Die Hoffnung, dass durch breitung einer Falschmeldung erhöht. Qualität der Übermittlung. Sie stellten das Internet eine kollektive Vernunft ent- Eine besondere Aufmerksamkeit widmet fest, dass Klatsch (im Sinne von Informa- stehen könnte, wird dabei zunichte ge- er dabei Bots, also kleinen Computerpro- tion über soziale Beziehungen mit Drit- macht. grammen, die selbstständig sich wieder- ten) umfassender und mit größerer holende Aufgaben abarbeiten. Diese seien Genauigkeit weitergegeben wurde als Widerlegen ist bei der Verformung der Wirklichkeit be- gleichwertige nicht-soziale Informationen schädlich sonders schädlich, indem sie keine eige- über individuelles Verhalten oder die phy- nen Inhalte veröffentlichten, aber sische Umwelt. In Heidelberg veranstaltete das Deutsch- "passende" Inhalte an unterschiedlichen Amerikanische Institut DAI eine dreitä- Stellen verbreiten Nichts interessiert eine Person mehr, als gige Konferenz zum Thema Empfehlungen von einem Freund, lautet Desinformation mit dem Titel „Zwischen Dekonstruktion und Neu- eine Marketingregel unserer Zeit. So wer- Tatsache und Täuschung“. Prominente interpretation von Wirklichkeit den aber nicht nur Mützen verkauft oder Referent*innen aus den USA und aus Werbeeinnahmen generiert, genauso wer- Finnland berichteten über Trollfabriken Einer der Referenten, Nicco Mele, Direk- den auch Fake-News verbreitet. Deren vi- und Desinformation. Doch so präzise tor des Shorenstein Center on Media, Po- rale Verbreitung wird allerdings erst man die Mechanismen inzwischen analy- litics and Public Policy der Harvard Kennedy School sagte 2015 in einem Artikel die Wahl Trumps vo- raus. Auch da fragte er schon, was es denn be- deute, ein Journalist zu sein, also die Macht zur Verantwortung zu zie- hen, wenn die Macht (und die Öffentlich- keit?) sich nicht darum zu kümmern scheint, zur Verantwortung ge- zogen zu werden. Mele durchleuchtet in Heidelberg den übli- chen Trick, wie der US-amerikanische Prä- sident Trump ihn häufig verwendet: Trump be- Ian McCulloh im Heidelberger DAI, Foto: Mathis hauptet etwas Falsches, weil er mit Sicherheit 12 DJV Blickpunkt 4 · 2018
Bret Schafer: Fake News sind alter Wein in HighTech Schläuchen, Foto: DAI davon ausgehen kann, dass die Medien Fake-News einfach extrem genaue Zielgruppenansprache darüber berichten müssen, um die falsche abschaffen? und quasi unendliche Verstärkungsmög- Aussage zu widerlegen. Den Medien wird lichkeiten durch Dritte. dann aber nicht geglaubt, im Gegenteil. Das aktuelle Ausmaß an Desin- Da nämlich Leser*innen schon automa- formation, Fake News und soge- Damit werden Falschnachrichten in tisch davon ausgehen, dass die Medien nannten alternative Fakten war bis vor einem ganz fremden Kontext geparkt, wie Trump gegenüber feindlich eingestellt kurzem nicht vorstellbar. Und doch ist zu zum Beispiel bei Hundewelpen oder bei sind und falsch berichten werden, neh- befürchten, dass wir den Höhe- Pornos oder auch auf fiktiven Seiten. men sie die Richtigstellung – und enthalte punkt der Fake-News noch nicht erreicht Diese erscheinen nicht zuletzt dadurch sie noch so viele Beweise – gar nicht rich- haben. Man wünscht sich eine glaubwürdiger, dass ganz normale Wer- tig wahr. Dieses Phänomen ist auch als technische Lösung, die bei Fake News bung auf ihnen erscheint. Plattformen „Hostile Media Effect“ bekannt. einfach einen Selbstzerstörungsmecha- könnten solche gefälschten Accounts nismus aktiviere. Doch auch realistische übrigens hervorragend identifizieren, Widerlegen ist schädlich, sagt er und technische Lösungen sind nur begrenzt fügt Schafer in einer Nebenbemerkung empfiehlt, statt zu widersprechen, einer wirksam. hinzu. Diskussion weitere Aspekte beizufügen. Bret Schafer, Experte für digitale Propa- Seinen Untersuchungen nach ist es ganda bei der Alliance for Securing De- Fake-News einfach von größter Bedeutung, nicht frontal mocracy des German Marshall Fund of verbieten? gegen eine Falschmeldung zu argumen- the United States, zeichnet auf der Hei- tieren, sondern das Diskussionsfeld um delberger Konferenz ein düsteres Bild: In Frankreich wurde im November 2018 weitere Aspekte zu erweitern. Andernfalls Die technischen Möglichkeiten schaffen ein Gesetz gegen Fake-News erlassen. Die käme die Richtigstellung wie ein Bume- ein Paradies für Internet-Trolle und kos- neue Regelung sieht vor, dass, in den drei rang zu einem zurück. ten quasi nichts, garantieren Anonymität, Monaten vor einer landesweiten Wahl, 4 · 2018 DJV Blickpunkt 13
MEDIEN die Verbreitung von Falschinformationen Verfolgen statt Löschen durch richterliche Eilbeschlüsse unter- Weder abschaffen noch verbieten wird bunden werden kann. Richter müssen funktionieren, um Hassrede und Verleum- dann innerhalb von 48 Stunden entschei- dung in den Kommentarspalten journalis- den, ob es sich um eine gezielt verbreitete tischer Online-Angebote oder in den Falschnachricht handelt oder nicht. sozialen Netzwerken aus der Welt zu schaf- fen. Bereits 2017 hat die Landesanstalt für Die Nationale Journalistengewerkschaft Medien NRW (LfM) eine Initiative unter (Syndicat National des Journalistes, SNJ) dem Titel „Verfolgen statt nur Löschen“ stellten sich schon im Vorfeld gegen das ins Leben gerufen. Ziel ist die Rechts- Gesetz. Sie kritisierten die Schnellverfah- durchsetzung im Internet. Als Problem ren wegen der sehr vagen Definition von wurde erkannt, dass Medienhäuser straf- „falschen Informationen“. Außerdem be- rechtlich relevante Kommentare auf ihren werten sie eine auf nationale Grenzen be- Seiten löschen, um ein Haftungsrisiko zu schränkte Regulierung von sozialen vermeiden. Doch das Löschen bekämpft Netzwerken und Plattformen als unwirk- nur die Symptome, nicht den Ursprung. sam und sehen, last but not least, eine Stattdessen müssten die Urheber Konse- große Gefahr für die Pressefreiheit. quenzen erfahren und Verantwortung für ihr Handeln tragen. Allianz für Aufklärung Daher wurde zusammen mit dem NRW- Innenministerium eine Musterstrafan- Der Medienwissenschaftler Stephan zeige erarbeitet, beteiligt waren weiterhin Russ-Mohl forderte in der Stuttgarter die Zentral- und Ansprechstelle Cyber- Diskussionsrunde „Wirksam gegen crime NRW (ZAC), das Polizeipräsidium Fake News und alternative Fakten“ der Nico Mele, Shorenstein Center, Köln, die Mediengruppe RTL Deutsch- Foto: DAI Heidelberg Robert Bosch Stiftung eine „Allianz für land, Rheinische Post, Westdeutscher die Aufklärung“ von Journalismus und Rundfunk. Außerdem werden für Redak- Wissenschaft. Ansonsten gefährde die Medienbildung teur*innen und Programmbeobach- Digitalisierung die Demokratie. Das ist wichtig ter*innen aus den beteiligten Medienhäu- führte zu lebhaften Diskussionen. sern Schulungen angeboten. Schließlich Medienbildung und Aufklärung über die wurde im Juni ein Forschungsprojekt der Gerade Wissenschaftsjournalist*innen richtige Nutzung vor allem von Social LfM „Shitstorms, Hate Speech, Fake News: wie Eva Wolfangel wissen aus Erfahrung, Media sind wichtig, um gegen Desinfor- Wie journalistische Medien zur Zivilisie- dass Fehlinformationen ebenso aus jour- mation vorzugehen. So weit sind sich rung von Diskursen im Netz beitragen nalistischen wie auch aus wissenschaftli- viele Fachleute einig. Aber wie das am können“ auf einer Fachtagung vorgestellt. chen Quellen stammen können – besten gelingt, ist so umstritten wie viele Die Ergebnisse sind in folgenden PDFs Stichwort: Fake Science – und sich die andere Schulfächer. nachzulesen: https://bit.ly/2N0Ge4j und Anstrengungen daher darauf richten https://bit.ly/2tKoGSc sollten, die schwarzen Schafe in allen Be- Bret Schafer zum Beispiel empfiehlt reichen zu bekämpfen. Sie warnt denn strukturelle Arbeit statt Arbeit am Con- Die Zwischenbilanz der Initiative zeigt: auch vor einem voreiligen Schulter- tent, das bedeutet etwa, dass man eine Seit Projektstart im Mai 2018 gab es über schluss zwischen Journalismus und Wis- Gruppe von Kindern Informationen zur 150 Strafanzeigen. Der Anfangsverdacht senschaft und fordert vielmehr Mondlandung suchen lasse. In der auf Volksverhetzung, Beschimpfung von Anstrengungen, das verloren gegangene Gruppe würden sie dann schnell feststel- Religionsgemeinschaften, Verwendung Vertrauen wieder zu erlangen. len, auf welche Informationen sie sich von Kennzeichen verfassungswidriger Or- verlassen könnten und welche sie gegen- ganisationen und öffentliche Aufforde- Auch Russ-Mohl nennt die kritische über ihren Mitstreiter*innen nicht ver- rung zur Begehung von Straftaten wurde wechselseitige Distanz als Voraussetzung treten könnten. in bislang 32 Fällen bejaht. 17 Beschuldigte für den Erfolg einer solchen Allianz: konnten identifiziert werden. Die Landes- „Journalisten müssen es aushalten, dass Aber es wäre fatal, das Problem auf Kin- anstalt für Kommunikation Baden-Würt- sie von Wissenschaftlern beobachtet und der und Heranwachsende zu verkürzen. temberg (LfK) hat seit letztem Mai kritisch begleitet werden. Forscher müs- Die viralen Aufreger der letzten Monate ebenfalls den Austausch mit dem Justiz- sen tolerieren, dass Journalisten umge- haben gezeigt, dass viele Erwachsene und Sozialministerium sowie der Melde- kehrt den Forschungsbetrieb kritisch jeden Mist glauben, sofern er ihren Vor- stelle respect! des Demokratiezentrums unter die Lupe nehmen.“ stellungen von der Welt entspricht. Baden-Württemberg gesucht. Auch Me- dienhäuser in Baden-Württemberg sollen Ä Susann Mathis einbezogen werden. Ä Dagmar Lange 14 DJV Blickpunkt 4 · 2018
VERBAND Solidaritätsstreik Stuttgarter Drucker*innen unterstützt In Stuttgart haben sich am Mittwoch, Einmalzahlungen angeboten. Das lehnten Mediengestaltern die Forderungen der 21.11.2018, mehr als 150 Kolleginnen und die Arbeitnehmervertreter ab. Drucker nach 5 Prozent mehr Lohn. Kollegen aus verschiedenen Verlagsberei- Es beteiligten sich Stuttgarter Zeitung chen getroffen, um die Forderungen der Die fünfte Verhandlungsrunde am Don- und Nachrichten sowie die Kreiszeitung Drucker nach einer fairen Lohnerhöhung nerstag, 22. November, wurde daher von Böblinger Bote. in der aktuellen Verhandlungsrunde zu mehrtägigen Warnstreiks begleitet, zu unterstützen. Die Drucker befanden sich denen Verdi die Drucker aufgerufen hatte. Die Redakteurinnen und Redakteure im im Warnstreik, der nun auch von Solida- DJV sahen es als selbstverständlich an, den ritätsstreiks begleitet wurde. Gemeinsam riefen beide Gewerkschaften, Arbeitskampf zu unterstützen. Sie stellten DJV und dju in Verdi, nun zum Solidari- einen großen Teil der Streikenden auf der In der zurückliegenden 4. Verhandlungs- tärsstreik auf. Redakteurinnen und Re- zentralen Versammlung in Stuttgart. runde wurden 3,8 Prozent mehr Lohn auf dakteure unterstützen gemeinsam mit eine Laufzeit von 30 Monaten und zwei Assistentinnen, Mediengestalterinnen und Ä Christine Bilger 4 · 2018 DJV Blickpunkt 15
VERBAND Tarifabschluss 2018: Ist Enttäuschung angebracht? Zu Diskussionen und zum Teil Verwerfungen hat das Ergebnis der Verhandlungen zum neuen Gehaltstarifvertrag für die Redakteurinnen und Redakteuren an den Tageszeitungen geführt. Eine nicht unerhebliche Zahl an Mitgliedern vor allem im Südwesten war enttäuscht von dem, was dabei herausgekommen ist. Daniel Völpel und Christoph Holbein saßen für Baden-Württemberg in der DJV-Verhandlungskommission. Sie haben den Abschluss mitgetragen, warum, das erläutern sie in diesem Interview. Blickpunkt: Die Tarifkommission der dju nun im jeweiligen Betrieb gilt. Nach dem Pressemitteilung über den Stand der Ver- in ver.di hat Anfang November beschlossen, Tarifeinheitsgesetz sind bei kollidierenden handlungen nach der sechsten Runde und den Tarifabschluss des DJV mit dem Verle- Tarifverträgen in einem Betrieb nur die der abgesagte Warnstreik zur zweiten gerverband nicht nachträglich zu akzeptie- Rechtsnormen des Tarifvertrags derjeni- Runde, wo es wohl Kommunikationspan- ren. Was bedeutet das nun konkret für die gen Gewerkschaft anwendbar, die zum nen zwischen den Verhandlungsführern Kolleg*innen in den Betrieben? Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt ab- einerseits und der jeweiligen Basis gab. geschlossenen Tarifvertrags im Betrieb Das ist ärgerlich. Aber dass es so katastro- Völpel: Konkret wird sich erst einmal die meisten Mitglieder hat. Gleichzeitig phal gelaufen sei, dem muss ich wider- wenig ändern. In aller Regel profitieren muss gewährleistet sein, dass die Mehr- sprechen. Wir haben etwas erreicht! Was alle Beschäftigten in den Redaktionen von heitsgewerkschaft die Belange der Ange- die Höhe des Abschlusses angeht: Beide den Gehaltserhöhungen, die wir ausge- hörigen der Minderheitsgewerkschaft Gewerkschaften haben die Betroffenen handelt haben, auch diejenigen, die nicht ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifver- abstimmen lassen und bei uns hat die Mitglied in der Gewerkschaft sind – und trag berücksichtigt hat. Momentan sehe Mehrheit gesagt: Der Abschluss ist akzep- in diesem Fall auch die Mitglieder der dju. ich keine Anzeichen für eigene Tarifver- tabel. Und auch bei der dju wären knapp Etwas ändern könnte sich in dem Mo- handlungen der dju mit den Verlegern. 40 Prozent dafür gewesen, den Abschluss ment, in dem die dju beschlösse, den Ar- anzunehmen. Rechnet man hinzu, dass beitskampf fortzusetzen. Aber ich lese von Blickpunkt: Ein von vielen als zu niedrig wir wesentlich mehr Streikende stellten, dort im Moment nur, dass man alle Op- empfundener Abschluss unter der Infla- so muss man festhalten: Das Ergebnis hat tionen offen hätte – was auch immer das tionsrate, verweigerte Warnstreiks zur viele nicht zufrieden gestellt, aber eine nun heißt. zweiten Verhandlungsrunde, falsche Pres- knappe Mehrheit hielt es für gut genug, semitteilungen, kein unbefristeter Streik abzuschließen anstatt in einen unbefris- Holbein: Die Tariferhöhung, Nachzah- trotz Urabstimmung und nun auch noch teten Streik mit unsicherem Ausgang zu lung und Einmalzahlung sind in den ta- die Spaltung in der Arbeitnehmerschaft - gehen. Hätten die Mitglieder dagegen ge- rifierten Betrieben nach meiner Kenntnis schlechter hätte die Tarifrunde 2018 nicht stimmt, hätten wir weiterverhandelt. Das an alle tarifierten Beschäftigten ausbe- laufen können, oder? Was hat der DJV Verhältnis zur Inflationsrate kann man zahlt worden. Das ist Stand der Dinge. falsch gemacht? erst am Ende der Laufzeit bewerten, alles andere ist Spekulation. Natürlich hätten Blickpunkt: Und was bedeutet die Situa- auch wir uns alle mehr für alle ge- tion für die Tarifeinheit, also dass in einem wünscht, nicht nur für die Jungen. Re- Betrieb nur ein Tarifvertag gilt? Entsteht dakteur*innen sind seit fast 20 Jahren von eine Mehrklassengesellschaft? der allgemeinen Gehaltsentwicklung ab- gehängt. Auch dieser Abschluss wird das Völpel: Das kann ich mir nicht vorstellen. nicht aufholen können. Das liegt aber an Unsere Marschroute ist klar: Wir haben diversen Faktoren vom Medienwandel Verträge mit den Verlegern geschlossen, über den Organisationsgrad bis hin zu die eine Mindestlaufzeit enthalten. Der dem Unwillen vieler Beschäftigten, sich Gehalts-Tarifvertrag ist zum 31. Juli 2020 aktiv kämpferisch gegen den eigenen Ver- kündbar, der Manteltarifvertrag zum leger zu stellen. Was die Spaltung angeht: Ende des Jahres 2020. Was die dju bis Jede Gewerkschaft ist ihren Mitgliedern dahin vorhat, ist mir nicht bekannt. verpflichtet und die haben nun einmal unterschiedlich entschieden. Ich denke, Holbein: Ein Aufbrechen der Tarifeinheit dass wir wie in früheren Fällen auch wie- und möglicherweise eine Mehrklassenge- Daniel Völpel, Foto: privat der zur Verhandlungsgemeinschaft zu- sellschaft entstünden nur dann, wenn die rückkehren werden. Was mich wirklich dju einen anderen Tarifvertrag mit den Völpel: Natürlich sind Fehler passiert, wie stört, sind die Berichte von Kolleg*innen, Verlegern abschlösse. Dann müsste ge- überall, wo Menschen arbeiten. Die lassen dass in einigen wenigen Betrieben zum klärt werden, welcher Tarifvertrag denn sich erklären, wie etwa die fehlerhafte Teil massiv Front gemacht wird gegenei- 16 DJV Blickpunkt 4 · 2018
nander mit Kolportage, Unterstellungen Verleger die Gehälter schon einmal im die Volontärsausbildung und den Man- und einer Schärfe, die weder der Sache Vorgriff erhöht hatten. Ein noch besseres teltarifvertrag. Wollen wir das? Sind wir dient, noch ihr angemessen ist. Da würde Verhandlungsergebnis in einer nächsten so stark und unsere Gegenüber hier im ich mir etwas mehr Sachlichkeit und Mä- Runde hätte man aber nur mit einer mas- Südwesten so sachorientiert, dass wir ßigung wünschen. siven Eskalation erreicht. Dazu genügt es mehr erreichen könnten? Wenn unsere leider auch nicht, wenn bei einem bun- Mitglieder diese Fragen mit Ja beantwor- Holbein: Wir haben gerade für die jun- desweit gültigen Tarifvertrag 15 Redak- ten, dann wäre Regionalisierung sinnvoll. gen Redakteur*innen ein positives Ergeb- tionen in Baden-Württemberg statt an Meine Wahrnehmung aus dem Verleger- nis erreicht; und der Manteltarifvertrag fünf Tagen Warnstreik zehn Tage Dauer- lager war die, dass man dort meint, dem ist geschlossen geblieben, auch das kein streik machen. Das war aber die Realität, Südwesten geht es zwar gut und dort sind zu unterschätzendes Pfund. In jener mit der wir umgehen mussten, deshalb die Mitglieder kämpferisch. Aber dann Nacht, als wir von der DJV-Verhand- diese Entscheidung. Dass die Streikenden würde man einfach den Stand hier mit lungsgruppe zu der Entscheidung ge- motiviert waren, noch mehr Druck zu 100 Prozent annehmen und in den ande- kommen sind, dem vorliegenden machen, hat uns sehr geholfen. Aber nur ren Gebieten Deutschlands davon runter- ausgehandelten Angebot zuzustimmen, mit mehr Streikenden wären unsere gehen. Damit hätte keiner was gewonnen. haben wir keine bessere Perspektive gese- Chancen gestiegen. Die Frage hat die dju Für mich eher vorstellbar so etwas wie ein hen, um dafür in eine weitere Verhand- übrigens aus meiner Sicht bis heute nicht Pilotabschluss, wobei man schauen lungsrunde und weitere Streiks zu gehen. beantwortet, wie sie jetzt weitermachen müsste, wie das strukturell möglich wäre. Knackpunkt für den Ausstieg der dju, die will. Denn der größte Verlagskonzern, mit aus meiner Sicht ansonsten einig war mit dem in Baden-Württemberg ja inzwi- dem Ergebnis, ist gewesen, so habe ich es schen die meisten Zeitungen verbandelt verstanden, dass es keine lineare Erhö- sind, wurde auf Verlegerseite durch eine hung für 2020 gab, sondern nur eine Ein- Dame aus München vertreten. Damit malzahlung. Das ist sicherlich ein wäre also zumindest Bayern mit im Schwachpunkt des Abschlusses, lässt sich Boot – wo übrigens auch viel gestreikt aber heilen, wenn wir rechtzeitig 2020 wird! Wir sollten nicht so überheblich den Tarifvertrag kündigen, zeitnah dann sein, uns für die einzig Kämpferischen zu zu Verhandlungen auffordern, das nach halten. Gegenüber Bayern und Nord- Ende der Friedenspflicht mit entspre- rhein-Westfalen etwa sind wir verlags- chenden Aktionen begleiten und dann, so wie auch mitgliedsmäßig um Klassen hoffe ich, für 2020 rückwirkend eine pro- kleiner. zentuale Erhöhung erreichen. Holbein: Zu einem regionalen Tarif- Blickpunkt: Warum ist der DJV am 2. Juli abschluss gehören immer zwei in Hamburg eingeknickt und hat nicht ge- Seiten. Die Gewerkschaften benötigen meinsam mit der dju erneut abgebrochen, Christoph Holbein, Foto: privat einen Verhandlungspartner. Und ich um dann zum Streik aufzurufen und in sehe momentan keine Bereitschaft auf einer möglichen achten Runde noch mehr der Verlegerseite, sich auf eine solche zu erreichen, zum Beispiel höhere prozen- Holbein: Noch verhandeln wir in der und Regionalisierung einzulassen. Also tuale Tarifsteigerungen statt der Einmal- für die Fläche, deshalb müssen wir die müssten wir erst einmal streiken, zahlungen, die verpuffen? bundesweite Situation berücksichtigen. um die Verleger an den Verhandlungs- Und da war aus der Sicht der DJV-Ver- tisch zu zwingen, ehe wir dann um Völpel: Ich persönlich halte meine Ent- handlungskommission keine Steigerung Forderungen streiten. Freiwillig werden scheidung nach wie vor für richtig, am 2. der Streikbereitschaft zu erwarten, die sie nicht kommen. Und wie lang- Juli den Mitgliedern zu empfehlen, zuzu- den entsprechenden notwendigen Druck wierig so etwas sein kann, haben wir stimmen. Wir haben in der Nacht und bedeutet hätte. Abzuschließen, war also beim Schwarzwälder Boten gesehen. Es auch schon davor in Berlin lange und in- eine konsequente Entscheidung. braucht also einen langen und vor allem tensiv mit den Kolleg*innen der dju- starken Atem, das muss den Befürwortern Kommission diskutiert. Keiner hat uns Blickpunkt: Sie haben es gerade ange- eines regionalen Abschlusses bewusst die Frage beantwortet, wie wir bei einem sprochen: Der Süden trägt seit Jahren die sein. erneuten Abbruch weitermachen und zur Hauptlast der Streiks. Sollten wir künftig achten Verhandlungsrunde noch mehr nicht regional verhandeln? Blickpunkt: Was für Chancen haben wir Druck erzeugen. Es haben sich etwa 1200 nach den Erfahrungen aus dieser und der Kolleg*innen an den Streiks beteiligt, mir Völpel: Das kommt darauf an, was wir Kritik an dieser Tarifauseinandersetzung lagen keine Berichte vor, dass weitere erreichen wollen. Wenn wir die Flächen- überhaupt noch, beim nächsten Mal die dazu stoßen würden. Zwei Belegschaften tarifverträge aufgeben, müssten wir im Beschäftigten für Streiks und Aktionen zu waren zu diesem Zeitpunkt bereits aus schlimmsten Fall alles neu und regional mobilisieren? Es kommt doch eh nichts dem Streik ausgestiegen, nachdem deren verhandeln, auch die Altersversorgung, Gutes dabei heraus!? 4 · 2018 DJV Blickpunkt 17
VERBAND Völpel: Ich widerspreche vehement, dass haben erkennen lassen, dass sie da nicht die Tarifbindung aufgekündigt haben. Für nichts Gutes dabei herauskäme. Man mehr bereit sind nachzugeben, an anderer die gilt dieser Vertrag solange, bis neu schaue sich bitte einmal an, was die Verle- Stelle aber schon. Das wurde dann leider abgeschlossen wird. Ob wir unsere ger zur zweiten Runde in Düssel- nicht genutzt. Das ist wie bei den Brexit- aus unserer Sicht sehr berechtigten dorf angeboten haben: 2,4 Prozent auf 30 Verhandlungen: Eine Seite will eigentlich Gegenforderungen in eventuellen Ver- Monate, also zweimal 1,2 Prozent jeweils alles so belassen, wie es ist, die andere will handlungen zum Manteltarifvertrag 2021 zum 1.8.. Jetzt haben wir 6,9 Prozent für die im Idealfall das Paradies für alle und durchsetzen können, wird vom Willen und Volontäre, 6,5 Prozent für die Jungredak- spricht mit mehreren Stimmen. Und am Rückhalt der Mitglieder abhängen. Das gilt teure und 4,3 Prozent für alle anderen plus Ende muss man sich auf einen Kompro- übrigens auch für den nächsten Gehaltsta- mehr als 1000 Euro Einmalzahlungen. Wir miss einigen, der keinem gefällt, der aber rifvertrag: Wir sagen schon jetzt, da muss haben 4,5 Prozent auf zwölf Monate gefor- Schlimmeres verhindert. Als Gewerkschaft für das zweite Halbjahr 2020 noch was dert und 4,3 Prozent auf 30 Monate be- verabschiedet hätten wir uns meines Er- rausspringen, mit der Einmalzahlung ist es kommen. Das Ergebnis hat Schattenseiten achtens mit einem Dauerstreik, der wo- nicht getan. Entsprechend müssen wir und ist gerade so akzeptabel, aber ohne möglich recht schnell erlahmt wäre durch dann aber auch auftreten können mit einer Mobilisierung hätte es eben zweimal 1,2 die ohnehin erklärte Einkommenserhö- breiten Front der Unterstützung aus der Prozent gegeben. Das muss jedem klar sein hung und die Sommerferien. Am Ende Mitgliedschaft. Also: Bangemachen gilt – auch für die Zukunft: Wenn wir nicht alle hätten wir ohne Tarifvertrag dagestanden, nicht, sondern wir müssen uns vorbereiten, gemeinsam dafür kämpfen, dass sich die unsere Arbeitskampffähigkeit womöglich auch innerverbandlich. Jetzt ist der richtige Arbeitsbedingungen verbessern, tut sich verloren und auf gönnerhaft gewährte Ein- Zeitpunkt, mitzuentscheiden, wie wir die nichts. Schweigen heißt Zustimmung, im kommenserhöhungen hoffen müssen. Und Tarifpolitik der nächsten Jahre gestalten. Zweifel zum Status quo. um noch ein weiteres, gerne gestreutes Ge- Mein Kreisverband hat dazu dieses Jahr be- rücht aus der Welt zu schaffen: Die Höhe reits zwei Anträge vorgelegt, dass Volontäre Holbein: Wer nicht kämpft, hat schon ver- des Streikfonds und die Kosten des Streiks für mindestens ein halbes Jahr die Über- loren. Also den Kopf in den Sand spielten bei uns in der DJV-Verhandlungs- nahme als Redakteur*in garantiert zu stecken, ist die falsche Reaktion. kommission nie eine Rolle, darüber haben bekommen und dass wir keine Ab- Wir müssen vielmehr die Lehre aus der wir gar nicht gesprochen. Ich wiederhole striche mehr akzeptieren werden. vergangenen Tarifauseinandersetzung zie- mich: Die Mitglieder der anderen Gewerk- Wer eigene Vorschläge einbringen möchte, hen, dass wir noch rechtzeitiger in die Pu- schaft haben beim Gehalt Anspruch auf der kann das bei den Kreisversammlungen schen kommen, noch mehr mobilisieren, nichts, unsere haben Anspruch auf 4,3 Pro- tun. noch mehr überzeugen, noch mehr die zent mehr in einer Branche im Umbruch. Leute hinter dem Ofen hervorholen, noch Das bedeutet für mich Gewerkschaft. Holbein: Geplant ist, dass es regionale Ta- mehr mit den Zweiflern ins Gespräch müs- riftreffen gibt, die eine bundesweite Tarif- sen. Das ist Kernerarbeit, aber sie lohnt Holbein: Gewerkschaft heißt für mich konferenz vorbereiten sollen. Das alles soll sich. auch, Verantwortung zu übernehmen, Ver- im ersten Halbjahr 2019 über die Bühne antwortung dafür, dass es ein Ergebnis gibt gehen. Daraus wird ersichtlich, dass die Blickpunkt: Aber hat sich der DJV als für unsere Mitglieder. Das haben wir getan Verantwortlichen die Zeichen verstanden Gewerkschaft nicht verabschiedet? mit diesem Abschluss. haben und die Weichen stellen, damit wir uns in der gemeinsamen Diskussion und Völpel: Es ist das Wesensmerkmal einer Blickpunkt: Mit Blick auf den im Jahr 2020 Debatte mit den Mitgliedern auf die nächs- Gewerkschaft, Tarifverträge abzuschließen. auslaufenden Manteltarifvertrag, kann ten Tarifauseinandersetzungen vorbereiten. Der Streik ist dabei Mittel zum Zweck. Der einem da nicht angst und bange werden? Dabei darf es keine Denkverbote geben, DJV war bereit, in einer unerfreulichen wie die Tarifpolitik in Zukunft aussehen Verhandlungssituation einen Kompromiss Völpel: Ich rechne fest damit, dass uns die soll, gestaltet etwa auch mit neuen Ideen, mitzutragen. Es war in den Verhandlungen Verleger wieder eine Kürzungsorgie vorle- beispielsweise in Richtung einer besseren sehr deutlich erkennbar, wer an welcher gen werden, wenn der MTV das nächste Work-Life-Balance und gesünderen Ar- Stelle Spielräume hat und wo eine Seite Mal verhandelt wird. Wir haben ihn in der beitsbedingungen in den Betrieben. An- dichtmacht. Die dju hat sich letzten beiden bestehenden Form noch einmal verlängert, regungen dazu darf jeder einbringen: Der Verhandlungsrunden auf die Laufzeit ein- was ein riesen Vorteil zum Beispiel für die Landesvorstand hat dafür ein offenes Ohr. geschossen, obwohl die Verleger deutlich Kolleg*innen ist, deren Verlage nach 2014 Ä red 18 DJV Blickpunkt 4 · 2018
VERBAND Wissensaustausch organisieren: Verbandsarbeit des DJV-BW digitalisieren Bevor wir uns im Fachausschuss Online/Neue Medien näher mit dem Thema befassen und Firmen um entsprechende An- gebote bitten, möchten wir vorab das Wissen aller DJV Mit- glieder in unserem Landesverband zu diesem Thema abfragen. Bitte teilt uns per E-Mail (post@joachim-abel.de) mit, ob ihr schon mit entsprechenden Medien/Techniken gearbeitet habt, wie sind eure Erfahrungen? Wer hat die entsprechende Soft- ware konzipiert, geliefert und gewartet. Kennt ihr unabhän- gige Berater in diesem Umfeld? Bitte teilt uns eure Erfahrungen und Anregungen bis zum 15. Januar 2019 mit. Wir werden dann im Facharbeitskreis vorbe- raten und alle, die uns etwas gemailt haben, im Monat März zu einer weiterführenden Diskussionsrunde einladen. Auf dieser Basis werden wir dann Firmen bitten, uns entsprechende Lö- sungsmöglichkeiten zusammen mit den entstehenden Kosten mitzuteilen. Ä Joachim Abel Sprecher Fachausschuss Online/Neue Medien Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf dem 16. Gewerk- schaftstag des DJV in Karlsruhe bzw. auf dessen Fortsetzung auf dem 17. Gewerkschaftstag in Stuttgart ist in diesem Jahr von den Delegierten beschlossen worden, eine Digitalisie- rungsstrategie für den DJV-Landesverband zu erarbeiten. Beauftragt mit der Umsetzung wurde der Fachausschuss On- line/Neue Medien. In dem beschlossenen Antrag heißt es unter anderen „…diese Arbeitsgruppe erstellt bis Mitte 2019 Vorschläge, wie der DJV die Chancen digitaler Techniken nutzen kann, um die Ver- bandsarbeit zu vereinfachen und zu verbessern. Dabei prüft die Arbeitsgruppe insbesondere die Einrichtung eines eigenen Cloud-Netzwerkes für Mitglieder sowie die Möglichkeit, dazu die Webseite des DJV-Bundesverbandes zu nutzen. Über die Umsetzung entscheidet der Landesgesamtvorstand 2019…“ Was soll erreicht werden? Die bisherigen Strukturen führen nicht mehr dazu, dass sich Mitglieder in ausreichender Zahl bei wichtigen Projekten des DJV einbringen. Gleichzeitig sind die bestehenden Arbeitsgruppen/Fachausschüsse auf um- ständliche, privat eingerichtete E-Mail-Verteiler angewiesen. Auch die Webseite des DJV Baden-Württemberg lässt bislang keinen Intranetbereich oder ein vernetztes Arbeiten zu. Zeit- gemäße Formen des vernetzten Arbeitens können dazu füh- ren, diesen Zustand deutlich zu verbessern. Als Beispiel dafür kann unter anderem die vhs.cloud des Volkshochschulverbandes dienen, die es den Mitarbeitern ermöglichst, gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten und Arbeitsaufgaben vernetzt zu erledigen, Wissens- und The- menstände abzufragen, Dokumente abzulegen und zu archivieren, zu kommunizieren und Videokonferenzen abzuhalten. 4 · 2018 DJV Blickpunkt 19
VERBAND BundesVerbandstag in Dresden Kritisch wandte sich Überall ebenfalls an die Bundesregierung: „Schützt den Jour- nalismus! Denn in einer Welt alleine aus Fake-News, Reklamepostings und Hass- reden kann es dauerhaft keine Demokra- tie geben.“ Bekenntnis zur Pressefreiheit Deutlich sprachen sich die Delegierten in der Dresdner Erklärung gegen alle For- men von politischem Extremismus aus. Darin heißt es: „Der Deutsche Journa- listen-Verband lehnt alle Formen von politischem Extremismus gleich welcher Ine Dippmann, Vorsitzende DJV-Sachsen, im Gespräch mit Landespolizeipräsident Jürgen Georgie. Alle Fotos: Daniel Völpel Ausrichtung strikt ab. Journalistinnen und Journalisten im DJV treten in ihrem Während in der Dresdner Altstadt schon einandersetzung mit den Zeitungs- Beruf aktiv für die Demokratie und ihre die adventliche Kulisse lockte, disku- verlegern „über sieben Akte“ für einen Grundwerte, insbesondere für die Presse, tierten beim DJV-Verbandstag am 4. und Gehaltstarifvertrag. Rundfunk- und Meinungsfreiheit, ein. 5. November mehr als 230 Delegierte, Die Mitgliedschaft im DJV und Positio- darunter 18 Kolleg*innen aus Baden- nen, welche die Pressefreiheit bzw. die Württemberg, über Medien- und Tarif- freie, ungehinderte Ausübung des Jour- politik sowie über Innerverbandliches. nalistenberufs einschränken wollen, sind miteinander nicht vereinbar.“ Daneben Mit einem engagierten Appell zur Vertei- fordert der DJV alle politischen Parteien digung der Pressefreiheit eröffnete der auf, sich zur Pressefreiheit zu bekennen Bundesvorsitzende des Deutschen Jour- und die freie und ungehinderte Ausübung nalisten-Verbands, Frank Überall, den des Journalistenberufs zu sichern. Verbandstag. „Angriffe auf uns Medien- vertreter sind immer auch Angriffe auf Über das Thema Pressefreiheit und die Pressefreiheit. Wer die Axt an die Pres- Schutz der Journalist*innen bei Demon- sefreiheit legt, hat bei uns nichts zu su- strationen diskutierten die Delegierten chen“, so Überall. In seiner Rede ging er mit Sachsens Ministerpräsident Michael auch auf die Tarifflucht bei Verlagen und Kretschmer sowie mit dem Landes- Rundfunk ein und auf die lange Tarifaus- Bundesvorsitzender Frank Überall polizeipräsidenten Jürgen Georgie. 20 DJV Blickpunkt 4 · 2018
Pressefreiheit und Tarifthemen im Fokus Freie stärken und Kettenbefristungen bekämpfen Verabschiedet wurden Anträge gegen ein europäisches Leistungsschutzrecht für Presseverleger ohne Berücksichtigung der journalistischen Urheber und für eine Kennzeichnungspflicht automatisiert erstellter Inhalte. Der Verbandstag appel- lierte in einem Antrag an die Bundes- länder, den Auftrag des öffentlich- rechtlichen Rundfunks zu sichern: „Der Auftrag ist so zu fassen, dass er die grundgesetzlich garantierten Entwick- lungschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestätigt, seinen Bestand sichert und an dem Erfordernis seiner Bei der Stimmabgabe: Diana Seufert, Robert Bergmann und Hartmut Suckow Finanzierung keine Zweifel aufkommen.“ In einem weiteren Antrag wird der einen Bericht darüber vorlegen, wie sich Sieben Mitglieder stellt der DJV im Presse- BDZV aufgefordert, sich für eine bundes- das Ende der Tarifeinheit auf die Um- rat. Mit einem sehr guten Ergebnis wurde weite Geltung des Tarifvertrags 12a setzung der im Sommer ausgehandel- unser Mitglied Maria Ebert aus Stuttgart einzusetzen. ten Tarifverträge für Tageszeitungsredak- erstmals in das Gremium gewählt. teur*innen auswirkt. Das Problem prekärer Arbeitsbedingun- Ausführlich beschäftigte sich der Ver- gen durch Kettenbefristung von Arbeits- Wahl der DJV-Mitglieder im bandstag mit dem DJV-Zukunftspapier verträgen in Produktionsfirmen soll der Deutschen Presserat des Bundesfachausschusses Junge. Der Bundesvorstand öffentlich machen und fordert weiterhin alle DJV-Mitglieder auf, im Dialog mit der Bundesregierung Leider gab es aus Zeitgründen keine Anmerkungen und Ideen zurückzugeben. darauf hinwirken, dass mittelfristig auch Gelegenheit, mit den Delegierten die Das Dokument befindet sich unter in Produktionsfirmen verlässliche Ar- Anträge aus Baden-Württemberg www.djv.de im Intranetbereich. beitsbedingungen herrschen. Zumal zur Tarifpolitik zu diskutieren. Stichworte die Fremdfirmen nicht an die Tarifver- sind keine weiteren Kürzungen Einen guten Einblick in Themen und träge der Fernsehanstalten gebunden in Tarifverträgen und eine garantierte Ablauf des DJV-Verbandstags sowie Be- sind. Übernahme von Volontären. Mit wertungen unserer Delegierten gibt das diesen und weiteren Anträgen wird Video von Daniel Völpel auf unserer Außerdem wird der Bundesvorstand auf sich der Bundesgesamtvorstand be- Website: https://tinyurl.com/y7xu3w3g Beschluss der Delegierten Anfang 2019 schäftigen. Ä Dagmar Lange 4 · 2018 DJV Blickpunkt 21
MEDIEN UND PRESSEFREIHEIT Palm-Preis für zwei starke Frauen Štefica Galić und Josephine Achiro Fortelo ausgezeichnet Sie werden in ihrer Hei- kann immer nur ein kri- mat angefeindet und be- tisches Vertrauen sein.“ droht und setzen sich Autokraten hingegen trotzdem standhaft für wollten kein kritisches Menschlichkeit und Wahr- Vertrauen, sondern Ge- heit ein. Der 9. Johann- folgschaft. Philipp - Palm - Preis für Meinungs- und Pressefrei- Hanna Arendt zitierend heit wurde Anfang De- führte er aus, dass nicht zember in Schorndorf an die Lüge in der Politik die Journalistinnen Štefica das Problem sei, son- Galić aus Bosnien und dern wenn das Aufde- Josephine Achiro Fortelo cken der Lügen keine Olum aus dem Südsudan Schamreflexe mehr aus- verliehen. Der Preis ist mit löse. Heute bestehe die insgesamt 20.000 Euro Gefahr, dass „uns der dotiert und steht unter politische common der Schirmherrschaft des sense abhandenkommt“. baden-württembergischen Wenn die Unterschei- Ministerpräsidenten Win- dung zwischen Fakten fried Kretschmann. Štefica Galić aus Bosnien und Josephine Achiro Fortelo Olum und Mythen in einem Foto: Danijel Grbic/ Bebop-Media, mit freundlicher Unterstützung der Stadt Schorndorf endlosen Getwitter ver- Die Journalistin und Men- loren gehe, dann drohe schenrechtsaktivistin Štefica Galić klärt in licher Ethnien und politischer Überzeu- die Erosion des Weltvertrauens, weil Ori- ihrer Heimat Bosnien in Zeitungsartikeln, gungen zu Wort kommen. Sie ist Direk- entierung nicht möglich sei. „Ohne den auf ihrem Internetportal tacno.net und in torin des Radios „Bakhita“, das zu einem Boden recherchierter Tatsachen ist auch Vorträgen über die Verbrechen der bos- katholischen Radionetzwerk gehört. vor allem politische Kommunikation nisch-kroatischen Armee während der Ju- Außerdem engagiert sich Olum in ver- nicht möglich.“ goslawienkriege auf, benennt Täter und schiedenen Projekten, um lokale Radio- Tatorte, weil sie es als ihre moralische und stationen zu stärken und für den Solide Recherche menschliche Pflicht empfindet. Und weil Frieden zu werben. U.a. ist sie Geschäfts- unter Druck sie überzeugt ist, dass sich die Bevölke- führerin des Verbundes von Bürgerradios rungsgruppen in Bosnien nur aussöhnen namens ComNet South Sudan und koor- „Das Gerede von der Lügenpresse richtet können und eine gemeinsame Zukunft diniert das bi-nationale Journalistennetz- sich paradoxerweise gerade gegen die Me- haben, wenn die Vergangenheit aufgear- werk Cross-Border Network, ein Projekt dien, die sich noch um eine solide Re- beitet wird. Für die radikalen Nationalis- der Deutschen Welle Akademie. „Da ein cherche bemühen. Dahinter steht die ten ist sie eine Nestbeschmutzerin, immer Großteil der Bevölkerung nicht lesen Absicht, recherchierenden Journalismus wieder Repressalien und sogar tätlichen kann und deshalb auf das Radio als In- insgesamt zu diskreditieren“, betonte Bie- Angriffen ausgesetzt. In ihrer bewegenden formationsmedium angewiesen ist, kann lefeld. Der Angriff auf vermeintliche „Sys- Dankesrede hob Galić hervor, dass der die Bedeutung dieser Arbeit für die De- temmedien“ suggeriere, dass Journalisten Preis für sie Ansporn und Inspiration sei, mokratie und den Friedensprozess im nichts anderes seien als Söldner in einem weiter für eine bessere und gerechtere Südsudan kaum überschätzt werden,“ ur- Propagandakrieg. Friedensarbeit im Welt zu kämpfen. teilte die Jury. Sinne der Aufklärung hingegen schafften Persönlichkeiten wie die Preisträgerinnen Journalismus als Die Bedeutung des Journalismus für die des Palm-Preises. Friedensarbeit Demokratie hob Heiner Bielefeld, Inha- ber des Lehrstuhls für Menschenrechte Der Preis wird alle zwei Jahre im Geden- „Der Mangel an Gerechtigkeit ist uner- und Menschenrechtspolitik an der Uni- ken an den Schorndorfer Buchhändler träglich“, so Josephine Achiro Fortelo versität Erlangen-Nürnberg, in seiner Johann Philipp Palm (1766 – 1806) ver- Olum in Schorndorf über die Lage im Festrede hervor. „Journalistische Arbeit liehen. Er war wegen der Herausgabe und Südsudan. In ihrer Heimat würden Jour- kann Friedensarbeit sein“, so Bielefeld. des Verkaufs einer napoleon-kritischen nalisten verhaftet und sogar ermordet, sie Insbesondere der unabhängig recherchie- Flugschrift, deren Autor er nicht nennen selbst wurde mehrfach bedroht. Als Ra- rende Journalismus habe ein vertrauens- wollte, in einem Scheinprozess von einem diojournalistin setzt sich Olum für die stiftendes Potenzial, „weil er in Zeiten von französischen Militärgericht zum Tode Meinungs- und Pressefreiheit ein, lässt in Fake News mit Fakten kontert. Denn das verurteilt und erschossen worden. ihren Sendungen Menschen unterschied- Vertrauen, auf das eine Demokratie baut, Ä Dagmar Lange 22 DJV Blickpunkt 4 · 2018
Sie können auch lesen