HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund

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HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
Ausgabe 01-2020

                                                 FÜR ANWENDUNGSBEZOGENE WISSENSCHAFT UND KUNST

      HAW-Forschung
      (be)wirkt!

Campusnotizen                  hlb aktuell             Aus Wissenschaft         Wissenswertes
Soziale Arbeit in Indien       Datenschutz im          & Politik                Abweichungsbefugnis
                               Hochschulalltag         FH/HAW steigern Anteil   von „Dreierliste“
                                                       an Erstsemestern

                           4                     21                       32                    34
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
2     Inhalt

    Campusnotizen                             Titelthema:                                  hlb aktuell
4 Hochschule Ostfalia: Ostfalia-
                                              HAW-Forschung                             20 Datenschutz im Hochschulalltag:
  Studierende auf Exkursion in Indien         (be)wirkt!                                   Praxishinweise zum Datenschutz
    Beuth Hochschule: Zukunftsfähige                                                    21 hlb -Kolumne: Digitalisierungs-
    Stromnetze                                                                             dilemma | Von Ali Reza Samanpour,
                                           8 Hochschulalltag trifft auf                    Vizepräsident der hlb Bundesver-
5 Fachhochschule Münster: 30 Jahre
                                             Klimaschutz: Das CC4E der HAW                 einigung
  Seite an Seite
                                             Hamburg | Von Elvira Hinz
                                                                                           Die hlb -Bundesvereinigung
    HAW Hamburg und Universitäts-
                                           12 Herausforderung strategische                 trauert um ihren ehemaligen
    klinikum Eppendorf: Hamburg
                                              Netzwerke: Von Wunschdenken                  Vizepräsidenten und Herausgeber
    richtet neuen Studiengang
                                              und Verstetigung | Von Georg                 der DNH Professor Günther Edler
    Hebammenwissenschaft ein
                                              Overbeck und Prof. Dr. Christian Facchi
6 Hochschule Stralsund:
                                           16 Lehrforschung zum
  Energiesparen mit neuer App
                                              Management von Sozial- und
                                                                                           Wissenswertes
    Hochschule Niederrhein:                   Gesundheitsbetrieben | Von Prof.
    Weniger Mikroplastikausstoß beim          Dr. Clemens Koob
                                                                                        34 Alles, was Recht ist
    Textilwaschen
                                                                                        35 Neue Bücher von Kolleginnen
7 Duales Studium: Große
                                                                                           und Kollegen
  Unterschiede zwischen den                   Fachaufsätze
  Bundesländern beim dualen Studium                                                     36 Neuberufene
                                           22 An einer Hochschule angestellt
                                              – an einer Hochschule
    Aus Wissenschaft                          benachteiligt? | Von Prof. Dr.               Standards
                                              Werner Müller-Geib
    & Politik
                                           26 Das Hochschulzertifikat                   3 Editorial
                                              „Modernes Projektmanagement“
32 Deutschsprachige Studiengänge:                                                       35 Autorinnen und Autoren gesucht
                                              | Von Prof. Dr. Holger Timinger, Prof.
   25 Jahre erfolgreiche Wissenschafts-                                                    & Impressum
                                              Dr. Matthias Vieth und Prof. Dr. Harald
   kooperation mit Mittel- und Osteuropa
                                              Wehnes                                    38 Stellenanzeigen
    Gemeinsame Wissenschafts-
                                           30 Anspruchsvolle Aufgaben                   40 hlb -Seminartermine 2020
    konferenz: Personalgewinnung an
                                              erfordern Konzentration | Von
    Fachhochschulen
                                              Prof. Dr. Anne Lequy
33 Inklusive Hochschule:
   Nachteilsausgleiche auch für
   Studierende mit chronischen
   Erkrankungen
    Statistisches Bundesamt: Zahl
    der Studierenden im WS 2019/2020
    erreicht neuen Höchststand

                                                                                                                   01 | 2020 DNH
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
Grußwort       3

                                 Der Fachaufsatz
                                 ist uns nicht genug
                                 An einer HAW zu forschen, bedeutet, die Welt verändern zu wollen.

                                                                „Forschung ist gewissermaßen der autis-         Clemens Koob lässt uns an den Erfah-
                                                                tische Aspekt des Universitären. [...] Das    rungen seiner Studierenden teilhaben,
                                                                Erfolgskriterium ist die Publikationsfähig-   die innerhalb einer Lehrveranstaltung
                                                                keit und Zitierwürdigkeit.“1 Mit diesen       über ihr eigenes zukünftiges Berufsfeld
                                        Foto: Fotoladen Wedel

                                                                Worten beschreibt der Soziologe Armin         forschen (Seite 16).
                                                                Nassehi das Selbstverständnis der Univer-
                                                                sitäten. Das sehen wir an den Hochschu-          Überraschen kann dieser andersartige
                                                                len für angewandte Wissenschaften für         Fokus eigentlich nur diejenigen, die HAW
                    Christoph Maas                              uns dann doch etwas anders. Natürlich         als Möchtegern-Universitäten sehen, die
                    Chefredakteur                               beteiligen wir uns, wenn wir forschen,        den neuen Namen gewählt haben, „um
                                                                an der Fachdiskussion, aber unsere größ-      am Reputationswettbewerb partizipieren
                                                                te Befriedigung ziehen wir nicht daraus,      zu können“ (Nassehi). Keine Bange, wir
                                                                dass wir unseren Namen in einer Fachzeit-     werden unserer DNA treu bleiben. Wir
                                                                schrift gedruckt sehen, sondern daraus,       werden uns weiterhin dem Bildungsauf-
                                                                dass die Ergebnisse unserer Arbeit in der     stieg verpflichtet fühlen (mehr dazu im
                                                                Welt um uns herum Einfluss haben und          nächsten Heft), werden weiterhin Berufs-
                                                                Veränderungen bewirken.                       felder, die dafür reif sind, akademisieren
                                                                                                              und werden weiterhin die Studienangebo-
                                                                  Die Aufsätze zum Titelthema dieses          te als Kristallisationskerne der Zusammen-
                                                                Heftes machen exemplarisch deutlich,          arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen
                                                                welcher Antrieb hinter der Forschung an       erleben – deren Bewerbungen wir zuvor
                                                                unseren Hochschulen steckt.                   auch nicht nach Zitationsstärke vorsor-
                                                                                                              tiert haben.
                                                                  Elvira Hinz zeigt, wie gerade dadurch,
                                                                dass in einer länderübergreifenden              Nassehi sieht übrigens für die Univer-
                                                                Modellregion praktische Veränderungen         sitäten die einzige schlüssige Ausrich-
                                                                wirksam werden sollen, Zusammenhänge          tung der Lehre in der Ausbildung des
                                                                ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken,        wissenschaftlichen Nachwuchses. Da
                                                                die bei einem rein disziplinären Vorge-       bin ich jetzt doch versucht zu fragen:
                                                                hen wohl unbeachtet geblieben wären           Brauchen 30.000 Universitätsprofesso-
                                                                (Seite 8).                                    rinnen und -professoren dafür tatsäch-
  1 Armin Nassehi: Zwischen Schat-
                                                                                                              lich 2 Millionen Studierende? Wäre
    tendasein und Achtungsappell,
    Frankfurter Allgemeine – Hörsaal,                              Gerhard Overbeck und Christian Facchi      dann ein Großteil dieser Studienplätze
    24.10.2019, https://www.faz.                                stellen Netzwerke vor, in denen nicht nur     gemessen an den Berufs- und Lebens-
    net/aktuell/karriere-hochschule/                            Partner mit unterschiedlichem Selbstver-      zielen der Studierenden nicht vielleicht
    hoersaal/universitaere-leh-
    re-muss-ausbildung-des-wissen-                              ständnis zusammen forschen, sondern in        doch besser an einer HAW aufgehoben?
    schaftlichen-nachwuchses-die-                               denen der Austausch zwischen wissen-
    nen-16412615. html, abgerufen                               schaftlicher und außerwissenschaftlicher                           Ihr Christoph Maas
    am 27.01.2020.
                                                                Welt als „Zweibahnstraße“ ausgestaltet
                                                                ist (Seite 12).

DNH 01 | 2020
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
4     Campusnotizen

                   Hochschule Ostfalia

                 Ostfalia-Studierende auf
                 Exkursion in Indien
                                                                                                                             Austauschdienstes (DAAD) konnten die
                                                                                                                             Studierenden aus Wolfenbüttel viel über
                                                                                                                             das Bildungssystem in Indien erfahren
                                                                                                                             und auch selbst aktiv werden. Sie wurden
                                                                                                                             eingeladen, ihre Eindrücke in den Soci-
                                                                                                                             al-Media-Kanälen des DAAD zu dokumen-
                                                                                                                             tieren.
Foto: Ostfalia

                                                                                                                                Neben den Themen Kindersterblichkeit
                                                                                                                             und Umgang mit Menschen mit Behinde-
                                                                                                                             rungen beschäftigten sich die Studieren-
                 Die Exkursionsgruppe der Fakultät Soziale Arbeit besuchte in Indien unter anderem den Delhi House e. V.     den während ihrer Indienreise intensiv
                                                                                                                             mit dem Thema informelle Beschäftigung.
                 Für 18 Studierende der Fakultät Soziale                    prekären Situationen eine Unterkunft und         In Delhi besuchten sie dazu die Deutsche
                 Arbeit in Wolfenbüttel ging es im Dezem-                   Hilfe finden, konnten wir durchaus Paral-        Gesellschaft für internationale Zusam-
                 ber nach Indien, um einen Einblick in den                  lelen zu uns bekannten Strukturen der            menarbeit, die sich unter anderem für
                 Alltag dortiger sozialer Einrichtungen und                 Sozialen Arbeit wiederfinden“, sagt Exkur-       eine bessere Unterstützung von Menschen
                 ihrer Herausforderungen zu bekommen.                       sionsteilnehmerin Marie Hinze. Es sei aber       starkmacht, die in Indien ohne Arbeits-
                 Unter der Leitung von Prof. Dr. Kolhoff                    deutlich geworden, dass die Finanzierung         vertrag als Tagelöhner, Landarbeiter ohne
                 besuchten die Studierenden unter ande-                     Sozialarbeitende in Indien vor besondere         Grundbesitz oder als Kleinhändler infor-
                 rem eine Organisation, die Obdachlose                      Herausforderungen stellt.                        mell beschäftigt sind. „Ziel des Programms
                 betreut und Bildungsangebote für Kinder                                                                     ist es, ein System der sozialen Sicherung
                 aus einem benachbarten Slum organisiert,                     In Jaipur besuchten die Studierenden           für informell Beschäftigte und ihre Fami-
                 eine Wäscherei am Fluss und eine Einrich-                  die Organisation „Chatra Pathashala“, die        lien auf den Weg zu bringen“, berichtet
                 tung für Menschen mit Behinderungen.                       eine Schule in einem Slum betreibt. Diese        Prof. Dr. Kolhoff.
                 Auch der Besuch einer Schule für taube                     Schule wurde schon mehrmals von Studie-
                 und schwerhörige Kinder sowie eines länd-                  renden der Ostfalia besucht. „Während die          Für die Studierenden bleibt die Exkursi-
                 lichen Krankenhauses standen auf dem                       Kinder vor einigen Jahren noch unter frei-       on eine wichtige Erfahrung. „Der Blick über
                 Programm.                                                  em Himmel auf dem Boden sitzen muss-             den Tellerrand erweitert den Horizont – dies
                                                                            ten, sind jetzt Räume, Tische und Stühle         haben wir hier in Indien wieder und wieder
                   „Bei den Besuchen der sozialen Einrich-                  vorhanden. Eine sehr erfolgreiche Entwick-       erlebt“, sagt der Studierende Philipp Eisfeld.
                 tungen, beispielsweise dem ‚Delhi House‘,                  lung“, stellt Prof. Dr. Kolhoff fest. Im Regi-
                 in dem kranke, bedürftige Menschen aus                     onalbüro des Deutschen Akademischen                                     Hochschule Ostfalia

                   Beuth Hochschule

                 Zukunftsfähige Stromnetze
                 Für eine erfolgreiche Energiewende                         einer optimalen Steuerung des Strom-             Industriepartnern im BMBF-geförderten
                 braucht es ein gut funktionierendes                        netzes, um beispielsweise auf schwanken-         Forschungsprojekt „Monalisa“. Ein inte-
                 Stromnetz. Das Verbundprojekt „Mona-                       de Stromerzeugung aus Wind und Solar-            griertes Betriebsmittel-Monitoring soll
                 lisa“ macht Stromtrassen sicher: Auf der                   energie effektiv reagieren zu können,            mit einer Online-Diagnostik eine umfas-
                 Basis optischer Technologien entwickeln                    hat auch das sorgfältige Überwachen              sende Schadensfrüherkennung liefern.
                 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-                     der Betriebsmittel von Hochspannungs-            Kleinste Stromimpulse (Teilentladun-
                 ler ein Frühwarnsystem, um Störungen                       und Mittelspannungsanlagen essenzielle           gen) können auf Fehler in den Anlagen-
                 schneller aufspüren zu können.                             Bedeutung. Denn so können Komponen-              teilen des Netzes hinweisen. Diese
                                                                            tenausfälle bzw. komplette Anlagenaus-           werden aber durch andere elektrische
                   Der Anteil von Strom, der aus erneuer-                   fälle vermieden werden.                          Signale überlagert und sind darum kaum
                 baren Energien gewonnen wird, nimmt                                                                         messbar. Daher greifen die Forsche-
                 zu. Damit dieser schließlich auch in                         An einer Fehler-Früherkennung                  rinnen und Forscher zu einem Trick:
                 Steckdosen landet, muss eine sichere und                   arbeiten Berliner Hochschulen, darun-            Nicht die elektrischen Signale, sondern
                 günstige Stromversorgung gewährleistet                     ter die Beuth Hochschule, und die                die optischen Signale der gleichzei-
                 sein – und dafür sind viele neue Strom-                    Bundesanstalt für Materialforschung              tig entstehenden Lichtimpulse sollen
                 trassen in Deutschland nötig. Neben                        und -prüfung (BAM) gemeinsam mit                 gemessen und so für die Überwachung

                                                                                                                                                             01 | 2020 DNH
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
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genutzt werden. Dazu integrieren die         Damit die Lichtimpulse erfasst werden           dem abgeschirmten Hochspannungslabor
Projektpartner unterschiedliche opti-        können, muss das Material durchsich-            gut in den Projektverbund einbringen,
sche Sensoren in Anlagenteilen und           tig sein – bisher war aber nur undurch-         weil wir hier die kleinsten elektrischen
Komponenten künftiger Versorgungs-,          sichtiges Material im Hochspannungs-            Impulse störungsfrei messen können“,
Verteilungs- und Übertragungsnetze.          netz erprobt.                                   so Professor Pepper.

  Im Hochspannungslabor der Beuth              Weiterhin untersuchen Prof. Pepper                                        Beuth Hochschule
Hochschule wird unter der Leitung            und sein Team, ob mit den Sensoren
von Prof. Dr.-Ing. Daniel Pepper die         genug Licht erfasst werden kann, um auch        Link zum Projekt:
elektrische Stabilität der neuen Isolie-     kleine Störungen erkennen zu können.               https://www.sichere-stromnetze-
rung der Kabelverbindungen überprüft.        „Die Beuth Hochschule kann sich mit                durch-monitoring.de/beuth.php

  Fachhochschule Münster

30 Jahre Seite an Seite
Bereits seit 30 Jahren arbeitet der Fach-    von Kooperationsfeldern mit der UEK
bereich Wirtschaft der FH Münster nun        zusammenzuarbeiten.“

                                                                                                                                                   Foto: Piotr Malec
mit der Cracow University of Economics
(UEK) zusammen. Anlässlich des Jubilä-         Um den hohen Stellenwert dieser
ums veranstalteten die beiden Partner-       Verbindung zu verdeutlichen, nahmen
hochschulen in Krakau eine Konferenz         an der Tagung neben Prof. Baaken und
                                                                                             Prof. Dr. Ute von Lojewski (Präsidentin der FH
zum Thema „Management sciences and           seinem Team auch die Präsidentin der            Münster, r.) und die Kooperationsbeauftragte
challenges of digitalization“.               FH Münster, Prof. Dr. Ute von Lojews-           Dr. Kerstin Kurzhals (FH Münster, l.) tauschen sich
                                             ki, der Kanzler der FH Münster, Guido           mit den polnischen Partnern aus
  „Die Digitalisierung ist in aller Munde,   Brebaum, sowie der Dekan des Fachbe-
deshalb haben wir dieses spannende           reichs Wirtschaft, Prof. Dr. Dirk Kiso, teil.      Und es gibt noch eine weitere Erneue-
Thema als Schwerpunkt für die Konfe-         Einen Höhepunkt stellte die Unterzeich-         rung. Prof Baaken, der bislang für die Zusam-
renz ausgewählt“, berichtet Nachwuchs-       nung des gemeinsamen Agreements der             menarbeit verantwortlich war, übergibt die
professorin Dr. Kerstin Kurzhals, die das    Hochschulverantwortlichen dar. Kurz-            Kooperation in neue Hände an Nachwuchs-
Event seitens des Science-to-Business        hals erklärt: „Ein Kooperationsvertrag ist      professorin Kurzhals. „Ich freue mich, dazu
Marketing Research Centres maßgeb-           sonst nur für fünf Jahre gültig, da aber        beizutragen, dass die Kooperation auch
lich organisiert hat. Dem bisherigen         die Zusammenarbeit in diesem Fall ein           weiterhin so lebendig und erfolgreich beste-
Kooperationsbeauftragten, Prof. Dr.          solches Erfolgsmodell darstellt, unter-         hen bleibt, und finde es spannend, mit inter-
Thomas Baaken, war diese Konferenz           zeichneten unsere Präsidentin und der           nationalen Studierenden an der Völkerver-
eine Herzensangelegenheit: „Es ist etwas     Vize-Rektor der UEK nun einen Vertrag           ständigung zu arbeiten“, sagt Kurzhals. „Die
ganz Besonderes, wenn die Zusammenar-        für einen unbegrenzten Zeitraum – für           Zusammenarbeit ist also auch für die nächs-
beit bereits seit 30 Jahren so erfolgreich   uns ein besonderer Ausdruck dieser lang-        ten Jahre gesichert“, so Baaken.
funktioniert. Wir sind sehr stolz darauf     jährig erfolgreichen und vertrauensvol-
und freuen uns, in einer solchen Vielzahl    len Partnerschaft.“                                                Fachhochschule Münster

  HAW Hamburg und Universitätsklinikum Eppendorf

Hamburg richtet neuen Studiengang
Hebammenwissenschaft ein
Die Medizinische Fakultät der Universi-      akademische Berufsqualifizierung auf            anderem forschungsbezogene Erfahrun-
tät Hamburg am Universitätsklinikum          der Basis neuester Erkenntnisse aus der         gen und Praxiserkenntnisse von Hebam-
Hamburg-Eppendorf (UKE) und die Hoch-        Forschung.                                      men, Ärztinnen und Ärzten sowie
schule für Angewandte Wissenschaften                                                         Best-Practice-Modelle aus dem In- und
(HAW) Hamburg richten gemeinsam                Hebammen müssen zunehmend                     Ausland. Die wissenschaftsbezogenen und
den hochschulübergreifenden Bache-           auch über umfassende wissenschaft-              berufspraktischen Inhalte nehmen die
lor-Studiengang Hebammenwissenschaft         liche Erkenntnisse verfügen und                 gesamte Betreuungsphase von Familien-
ein. Der duale Studiengang kombiniert        komplexe physiologische und psychi-             planung bis zum ersten Lebensjahr des
wissenschaftliche und berufspraktische       sche Prozesse begleiten. Das vom UKE            Kindes in den Blick.
Ausbildungsangebote miteinander und          und der HAW Hamburg entwickel-
ermöglicht in sieben Semestern eine          te Studienkonzept berücksichtigt unter                                        BWFG Hamburg

DNH 01 | 2020
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
6    Campusnotizen

                                     Hochschule Stralsund

                                   Energiesparen mit neuer App
                                   Ein um 20 Prozent geringerer Stromver-      entwickelt, um Nutzer zum Energiesparen       entwickelt worden ist. Das Spiel hilft
                                   brauch ist das Ergebnis der von der Hoch-   zu bewegen, indem sie ihnen Informatio-       ihnen, Kenntnisse über das Energiespa-
                                   schule Stralsund mit entwickelten Ener-     nen, Tipps und interaktive Visualisierun-     ren zu sammeln.
                                   giespar-App MyEnCOMPASS. In einem           gen ihres Verbrauchs anbietet.
                                   Pilotprojekt wurde sie an zwei deut-                                                        Innerhalb der zwölf Monate, in denen
                                   schen Schulen getestet. Die App wurde        14 Klassen der Jean-Paul-Grundschule         die App getestet wurde, hat die Schu-
                                   innerhalb des EU-Projekts enCOMPASS         Wunsiedel und acht Klassen des Schul-         le in Wunsiedel ihren Stromverbrauch
                                                                                   hauses im Nassachtal in Haßfurt           um 20,1 Prozent reduziert, während die
                                                                                   testeten die enCOMPASS-App zum            Schule in Haßfurt 18,1 Prozent weniger
                                                                                   Energiesparen ab November 2018.           Energie verbraucht hat.
                                                                                   Die App ist zum einen mit Smart-
                                                                                   metern verbunden und zeigt Echt-            Jasminko Novak, Professor für Wirt-
                                                                                   zeit-Daten zum Stromverbrauch in          schaftsinformatik an der Hochschule
                                                                                   den zwei Schulgebäuden. Schü-             Stralsund: „Das sind sehr vielversprechen-
                                                                                   ler und Lehrer nutzen die App             de Ergebnisse, die das Potenzial von digi-
                                                                                   wöchentlich. Sie können interak-          talen Technologien zeigen und Schüler für
                                                                                   tiv visualisierte Information über        energieeffizientes Verhalten im Alltag sensi-
                                                                                   ihren Energiekonsum sehen und             bilisieren. Dadurch trägt die App zur Förde-
Screenshot: Hochschule Stralsund

                                                                                   erhalten personalisierte Tipps            rung von nachhaltigen Lebensstilen bei.“
                                                                                   zum Energiesparen. Passend dazu
                                                                                   spielen die Schüler das FUNERGY                                    Hochschule Stralsund
                                                                                   Spiel, das ein Kartenspiel mit einer
                                                                                   App kombiniert und auch inner-
                                                                                   halb des enCOMPASS-Projekts

                                     Hochschule Niederrhein

                                   Weniger Mikroplastikausstoß beim
                                   Textilwaschen
                                   Das Forschungsinstitut für Textil und       der Produktion stammende lose Faser-
                                   Bekleidung der Hochschule Niederrhein       fragmente im Produkt befinden, die erst
                                   forscht daran, wie beim Waschen von         bei der Haushaltswäsche ausgetragen
                                   synthetischen Textilien der Ausstoß von     werden“, sagte Professorin Ellen Bendt.
                                   Partikeln, die kleiner als fünf Millime-    Ein möglicher Lösungsansatz könnte ein
                                   ter sind, verringert werden kann. Denn      der Herstellung unmittelbar angeschlosse-
                                   diese auch Mikroplastik genannten Parti-    ner Verarbeitungsschritt (z. B. Vorwäsche
                                                                                                                                                                                     Foto: Octavian Carare

                                   kel können über den Weg der Wäsche in       oder Vortrocknung) sein. Eine Vortrock-
                                   die Kläranlagen, Klärschwämme und           nung hätte mehrere Vorteile: Die für den
                                   Oberflächengewässer in die Weltmeere        Verkauf wichtige Haptik und das Volu-
                                   gelangen. Jetzt haben Forscherinnen aus     men der neuen Kleidungsstücke würden
                                   Mönchengladbach auf einer Konferenz         weniger stark beeinflusst als bei einer       Professorin Ellen Bendt bei ihrem Vortrag in Brüssel
                                   in Brüssel erste Ergebnisse vorgestellt.    Wäsche. Diese Lösung würde zu Beginn
                                                                               des Produktlebenszyklus greifen.                 Die Hochschule Niederrhein forscht
                                     Auf dem Campus Mönchengladbach                                                          nicht nur an den Ursachen für Mikro-
                                   der Hochschule Niederrhein ist ein            Auch für Verbraucher während der            plastikverlust, sondern auch an der Entwick-
                                   Wasch- und Filterlabor aufgebaut, mit       Nutzungsphase gibt es Tipps. Einer ist:       lung von Sport- und Outdoortextilien, die
                                   dessen Hilfe der Einfluss des Waschver-     Die Waschmaschine immer so voll wie           von Anfang an einen geringeren Mikroplas-
                                   haltens auf den Mikroplastikausstoß         möglich zu beladen. „Der niedrigste           tikausstoß aufweisen. Das vom Bundesmi-
                                   untersucht wird. Ein Ergebnis: Während      Eintrag von Mikroplastik in die aquati-       nisterium für Bildung und Forschung geför-
                                   der ersten Waschgänge eines neuen           sche Umwelt lässt sich bei einer voll bela-   derte Verbundprojekt Textile Mission läuft
                                   Kleidungsstücks werden die meisten          denen Waschmaschine und anschließen-          noch bis September 2020.
                                   Mikropartikel freigesetzt. „Dies deutet     der Trocknung im Trockner beobachten“,
                                   darauf hin, dass sich häufig noch aus       erklärte Ellen Bendt.                                               Hochschule Niederrhein

                                                                                                                                                                     01 | 2020 DNH
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
7

  Duales Studium

Große Unterschiede zwischen den
Bundesländern beim dualen Studium
Das duale Studium in Deutschland boomt
zwar, aber nicht in jedem Bundesland.
Während im Saarland rund 30 Prozent
und in Baden-Württemberg rund 14
Prozent der Studienanfänger in einem
dualen Studiengang eingeschrieben
sind, trifft dies in Sachsen-Anhalt und
in Bremen nur auf rund ein Prozent zu.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersu-
chung des CHE Centrum für Hochschul-
entwicklung, die erstmals die Entwick-
lung des dualen Studiums in allen 16
Bundesländern vertieft analysiert.

                                                                                                                                           Infografik: CHE
   Die Zahl der Studierenden, die paral-
lel an einer Hochschule und in einem
Betrieb lernen, ist zwischen 2005 und
2017 um das Elffache angestiegen. Aktu-
ell sind fast 105.000 Studierende in einem     es in Bayern, Nordrhein-Westfalen und           ob Studienangebote zu Recht die Bezeich-
der rund 1.100 dualen Studiengänge an          Baden-Württemberg. Hier können Studi-           nung ‚dual‘ tragen. Hier haben Hochschu-
einer deutschen Hochschule eingeschrie-        eninteressierte unter bis zu 200 entspre-       len und Politik eine Verantwortung, für
ben. „Dennoch ist das duale Studium in         chenden Angeboten wählen. Eine rela-            mehr Transparenz und Verlässlichkeit zu
Deutschland mit einem durchschnittli-          tiv neue Entwicklung ist das Angebot            sorgen“, erklärt Sigrun Nickel, Koautorin
chen Erstsemesteranteil von aktuell 5,3        dualer Masterstudiengänge, welches sich         der Studie und Leiterin Hochschulfor-
Prozent und einem Studierendenanteil           an Bachelorabsolventinnen und -absol-           schung beim CHE. Nach wie vor gibt es
von 3,7 Prozent noch keine Massenbewe-         venten richtet, die sich parallel zu ihrer      etliche Studienangebote, die das Etikett
gung, sondern ein sehr exklusives Ange-        Berufstätigkeit weiterqualifizieren möch-       „dual“ verwenden, obwohl die notwendi-
bot“, so Lisa Mordhorst, die gemeinsam         ten. Hier weisen Berlin (37), Baden-Würt-       ge enge Verzahnung zwischen hochschu-
mit Sigrun Nickel die Untersuchung             temberg (33) und Bayern (31) bundesweit         lischer und betrieblicher Bildung nicht
durchgeführt hat. Allerdings zeigt ein         die meisten Studienangebote auf.                gegeben ist, so ein Fazit der Studie.
genauerer Blick auf die einzelnen Bundes-
länder, dass diese beim dualen Studium           „Die Entwicklung des dualen Studiums                                              CHE
zum Teil sehr unterschiedlich aufgestellt      in Deutschland ist trotz großer regiona-
sind.                                          ler Unterschiede eine Erfolgsgeschichte“,         Mordhorst, Lisa; Nickel, Sigrun: Gren-
                                               bilanziert Frank Ziegele. „Es ist richtig und     zenloses Wachstum? Entwicklung des
  So liegt das Saarland mit einer landes-      wichtig, dass sich immer mehr Anbie-              dualen Studiums in den Bundeslän-
bezogenen Erstsemesterquote so weit            ter von akademischer und beruflicher              dern, Gütersloh, CHE, ISBN 978-3-
über dem Bundesdurchschnitt wie kein           Bildung nicht als Konkurrenz, sondern             947793-04-4, ISSN 1862-7188.
anderes Bundesland. Hier entschei-             als Kooperationspartner bei der nach-             https://www.che.de/wp-content/
det sich ein Drittel aller Studienanfän-       schulischen Bildung verstehen“, so der            uploads/upload/CHE_AP_212_duales_
ger für ein duales Studienangebot. Auch        CHE-Geschäftsführer. Ein weiterer zen-            Studium_Bundeslaendervergleich.pdf
Baden-Württemberg (14,3 Prozent), Berlin       traler Faktor für die Unterschiede beim
(7,2 Prozent) und Thüringen (6 Prozent)        dualen Studium ist die wirtschaftliche
überschreiten mit ihren Anfängerquoten         Situation in den Bundesländern. Diese hat
im dualen Studium mehr oder weniger            Einfluss auf die Zahl der Unternehmen,
deutlich das statistische Mittel. Alle ande-   die in Kooperation mit den Hochschu-
ren Bundesländer liegen mit ihrem Wert         len ein duales Studium anbieten können.
jeweils unter dem Bundesdurchschnitt.          Führend ist hier Baden-Württemberg mit
                                               aktuell rund 4.500 Unternehmen, die sich
   Diese deutlichen Unterschiede hängen        im dualen Studium engagieren. Dagegen
dabei wesentlich mit der unterschiedli-        sind es in Mecklenburg-Vorpommern oder
chen Angebotsdichte in den einzelnen           Bremen nicht einmal 100 Betriebe. Eine
Bundesländern zusammen: Im Saarland            bundesländerübergreifende Herausforde-          Die Meldungen in dieser Rubrik, soweit
ist jeder dritte Bachelorstudiengang ein       rung bleibt weiterhin die Qualitätssiche-          sie nicht namentlich gekennzeichnet
duales Angebot. Die größte Auswahl             rung der dualen Studienangebote: „Für             sind, basieren auf Pressemitteilungen
an dualen Bachelorstudiengängen gibt           Studieninteressierte ist häufig nicht klar,         der jeweils genannten Institutionen.

DNH 01 | 2020
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
8                             Titel: HAW-Forschung (be)wirkt!

Hochschulalltag trifft auf
Klimaschutz: Das CC4E der
HAW Hamburg
Seit über 10 Jahren beweist die HAW Hamburg mit dem Competence Center für
erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E), dass anwendungsorientierte
Forschung zu gesellschaftlich relevanten Fragestellungen an einer
Fachhochschule gut aufgehoben ist. | Von Elvira Hinz

                                                                           Im Jahr 2008 als eine fakultätsübergrei-      mit erneuerbaren Energien und die intel-
                                                                           fende wissenschaftliche Einrichtung           ligente Vernetzung verschiedener Syste-
                                                                           gegründet, hat das CC4E an der HAW            me aufzeigen. Mit dem deutschlandweit
                                                                           Hamburg die Aufgaben, die Kompeten-           einzigartigen Konzept des Forschungs-
                                                                           zen im Bereich der erneuerbaren Energien      windparks Curslack, der in einem Kilo-
                                                                           und Energieeffizienz über die verschiede-     meter Entfernung zum Energie-Cam-
                                            Foto: privat

                                                                           nen Fakultäten und Departements hinaus        pus erbaut und im Jahr 2017 in Betrieb
                                                                           hochschulintern zu bündeln. Das überge-       genommen wurde, ist tagesaktuelle
                                                                           ordnete Ziel dabei ist es, Lösungen für die   Forschung im Realbetrieb zur Versor-
                                                 Elvira Hinz, M. Sc.       Energiewende zu entwickeln und damit          gung und Netzeinspeisung mit grünem
                                 Referentin für Öffentlichkeitsarbeit u.   Klimaschutz aktiv voranzutreiben. Mit der     Strom durchführbar.
                                          Veranstaltungsmanagement         Zeit haben sich die Aufgaben weiterent-
                                                                           wickelt und seit einigen Jahren realisiert
                                      HAW Hamburg, Alexanderstr. 1         das CC4E eigenständig Projekte in unter-      Windenergie
                                                 20099 Hamburg             schiedlichen Bereichen der erneuerbaren
                                                                           Energien. Die Kompetenzen liegen dabei        Im Forschungsbereich Windenergie
                                        elvira.hinz@haw-hamburg.de         sowohl in Projektmanagement, Marke-           werden Projekte zur Lebensdauer und
                                               www.haw-hamburg.de          ting und Administration als auch in der       Optimierung von Windenergieanla-
                                                                           inhaltlichen Gestaltung und Durchfüh-         gen sowie ihrer Betriebskonzepte durch-
                                                           www.cc4e.de     rung von Projekten aus den Bereichen          geführt. Ein Leuchtturm ist dabei das
                                                                           Windenergie, Sektorkopplung, Wärme            Multirotor-Projekt, das statt der klassi-
                                                                           und Gesellschaft & Akzeptanz. Eine solch      schen dreiblättrigen Windenergieanla-
                                                                           breit ausgelegte inhaltliche Ausrichtung      ge die Funktion verschiedener Multiro-
                                                                           gebündelt an einer Institution führt          tor-Modelle berechnet und erprobt. Im
                                                                           zu einer ganzheitlichen Sichtweise auf        nächsten Schritt soll die vielverspre-
                                                                           Energie-Themen, die für eine erfolgrei-       chendste Variante als Labormodell für
                                                                           che Realisierung der Energiewende von         Versuche hergestellt und getestet werden
                                                                           großer Bedeutung ist.                         (Abbildung 2). Ein weiteres Projekt dieses
                                                                                                                         Forschungsbereiches nennt sich FatWake
                                                                              Mit dem Technologiezentrum Ener-           und untersucht mittels LiDAR-Systemen
                                                                           gie-Campus, das im Jahr 2015 in               im Windpark Curslack den Nachlauf
                                                                           Hamburg-Bergedorf eröffnet wurde, hat         von Windenergieanlagen, der die Lasten
Foto: Isabela Pacini_CC4E

                                                                           das CC4E einen zusätzlichen Standort          von nachfolgenden Anlagen beeinflus-
                                                                           zur technologischen Erprobung und             sen kann. Mit den Ergebnissen sollen die
                                                                           Erforschung der Energiewende errich-          Leistungs- und Ertragsprognosen durch
                                                                           ten können (Abbildung 1). Das Gebäude         eine verbesserte Windparkplanung erhöht
                                                                           ist mit innovativen Anlagen ausgestattet,     werden.
                            Abbildung 1: Technologiezentrum                die modellhaft die Gebäudeversorgung
                            Energie-Campus des CC4E in Hamburg-
                            Bergedorf

                                                                                                                                                       01 | 2020 DNH
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
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                                                                                       „Um alle Ebenen der Energieversorgung auf
                                                                                       erneuerbare Energien umstellen zu können,
                                                                                       muss weit mehr als nur die Stromversorgung
                                                                                       bedacht werden. Von hoher Relevanz sind vor
                                                                                       allem die Sektoren Industrie, Mobilität und
                                                     Foto: Denphumi Jaisue/123rf.com   Wärme.“

Sektorkopplung                                                                         durchgeführt. Mit dem Speicherregelkraftwerk im
                                                                                       Windpark Curslack werden beispielsweise Möglich-
Um alle Ebenen der Energieversorgung auf erneuer-                                      keiten zur Systemintegration erneuerbarer Energien
bare Energien umstellen zu können, muss weit mehr                                      praxisnah erforscht (Abbildung 3). Im Projekt READi-
als nur die Stromversorgung bedacht werden. Von                                        PtL wird ein verfahrenstechnischer Prozess entwi-
hoher Relevanz sind vor allem die Sektoren Indus-                                      ckelt, mit dem aus Altfetten und -ölen ein alternati-
trie, Mobilität und Wärme. Dieser Herausforderung                                      ver Dieselkraftstoff hergestellt werden kann. Und im
nimmt sich das CC4E im Forschungsbereich Sektor-                                       EU-geförderten Projekt mySMARTLife werden digi-
kopplung an. Dort werden Projekte zu den unter-                                        tale Lösungen für städtische Herausforderungen in
schiedlichsten Themen von Speicherung über die                                         den Bereichen Zusammenleben, Mobilität, Produkti-
Nutzung von alternativen Kraftstoffen bis zur nach-                                    on und Konsum erarbeitet – und direkt im Hambur-
haltigen Versorgung von ganzen Wohnquartieren                                          ger Bezirk Bergedorf umgesetzt.
                                                                                                                                               Foto: Steffi Grimme_HAW Hamburg

Abbildung 2: Multirotor-Modell des Verbundprojektes X-Energy

DNH 01 | 2020
HAW-Forschung (be)wirkt! - hlb Hochschullehrerbund
10 Titel: HAW-Forschung (be)wirkt!

                                                                                        Foto: Daniel Reinhardt_NEW 4.0
Abbildung 3: Speicherregelkraftwerk im Windpark Curslack in Hamburg-Bergedorf

Wärme                                                          die Potenziale der Energiewende im Norden näher-
                                                               bringt (Abbildung 4).
Da die Wärmeversorgung einen großen Anteil des
Energieverbrauchs ausmacht, ist es dringend notwen-               Diese Schlaglichter zeigen die Breite der inhalt-
dig, an dieser Stelle eine nachhaltige und umwelt-             lichen Ausrichtung der Forschungsprojekte am
schonende Versorgung herzustellen. Im Forschungs-              CC4E. Sie geht einher mit einer Vielzahl an fachli-
bereich Wärme des CC4E laufen aktuell die Projekte             chen Disziplinen der Mitarbeiterinnen und Mitar-
Smart Heat Grid Hamburg und Smart Pro HeaT. Diese              beiter sowie der Professorinnen und Professoren.
Vorhaben beschäftigen sich mit der Entwicklung                 Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ingeni-
intelligenter Konzepte für alle Ebenen des Wärme-              eur-, Sozial- und Umweltwissenschaften gewähr-
netzes. Deren Wirksamkeit wird durch umfangreiche              leistet verschiedene Blickwinkel auf die wichtigsten
Feldtests im Nahwärmenetz Hamburg-Wilhelmsburg                 Themen der Energiewende. Eine weitere Besonder-
getestet. In Smart Pro HeaT gehen die Wissenschaftle-          heit: Die Forschungsvorhaben werden immer mit
rinnen und Wissenschaftler noch einen Schritt weiter           Partnerschaften zu Unternehmen, Behörden, Verbän-
und untersuchen, wie mit intelligenten Wärmeab-                den und anderen Forschungseinrichtungen durch-
nehmern die Gesamtsystemeffizienz und der Anteil               geführt, woraus sich praxisnahe Ansätze und Lösun-
erneuerbarer Strom- und Wärmeerzeugung erhöht                  gen ergeben. Die Durchführung und die Ergebnisse
werden kann. Dabei werden Flexibilitätspotenziale in           der Projekte werden außerdem in die Lehre der HAW
Gebäuden identifiziert und durch geeignete Konzep-             Hamburg eingebracht, sodass auch die Studierenden
te nutzbar gemacht.                                            hautnah an der angewandten Forschungsarbeit teil-
                                                               haben können.

Gesellschaft & Akzeptanz                                          Für die Zukunft hat das CC4E noch viel vor: Weite-
                                                               re Großprojekte stehen in den Startlöchern – z. B. das
In seinem vierten Forschungsbereich fokussiert sich            Norddeutsche Reallabor, das momentan in der Voll-
das CC4E auf die Betrachtung gesellschaftlicher                antragsphase für eine Förderung des BMWi steckt.
Aspekte. Denn die Akzeptanz der Bevölkerung ist für            Eine Erweiterung des Energie-Campus in Bergedorf
eine erfolgreiche Realisierung der Energiewende von            ist mit dem „Demonstrationszentrum Sektorkopp-
höchster Relevanz. Um diese Akzeptanz zu steigern,             lung“ geplant, das sich unter anderem mit Wasser-
werden am CC4E verschiedene Ansätze verfolgt. Im               stoff als zukünftigem Energieträger beschäftigen
Feld der Akzeptanzforschung gibt es beispielsweise             will. In diesem Zusammenhang wird aktuell in einer
in Teilprojekten von NEW 4.0 und X-Energy diver-               engen strategischen Partnerschaft mit dem Fraun-
se Umfragen zur Wahrnehmung und Umsetzung der                  hofer Institut für Windenergiesysteme (IWES) das
Energiewende. Ebenso wird Forschung zu den Risi-               Anwendungszentrum „Integrierte Lokale Energiesys-
ken von Windenergieanlagen für Fledermäuse betrie-             teme für die Sektorkopplung“ (ILES) aufgebaut. In
ben, um diese in Zukunft minimieren zu können.                 diesem werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Zur gezielten Förderung der öffentlichen Akzeptanz             des CC4E und des Fraunhofer IWES gemeinsam an
ist das Projekt NEW 4.0 außerdem mit einer eigens              praxisnahen Lösungsansätzen für die immer komple-
konzipierten Roadshow unterwegs – ein 4 x 2 Meter              xeren Fragestellungen der Energiewende und der
großes Exponat, das die Modellregion Hamburg und               zunehmenden Dezentralität der Energieerzeugung
Schleswig-Holstein darstellt und interessierten Bürge-         arbeiten – ein weiterer Gewinn für die norddeutsche
rinnen und Bürgern mithilfe von Augmented Reality              Forschungslandschaft.

                                                                                                                         01 | 2020 DNH
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                                                                                                            Foto: Daniel Reinhardt_NEW 4.0
Abbildung 4: Die NEW 4.0-Roadshow

  Aktuell laufende Forschungsprojekte am CC4E

  NEW 4.0 – Norddeutsche Energiewende                   Smart Heat Grid Hamburg
    Projektziel: Möglichkeiten aufzeigen, wie die        Projektziel: Integration eines maximalen Anteils
    Modellregion bis 2035 zu 100 % mit regenerati-       erneuerbarer Energien bei der Wärme- und Strom-
    vem Strom versorgt werden kann                       produktion durch intelligente Nutzung der
    Förderlaufzeit: 2016–2020                            gesamten Wärmenetzinfrastruktur
    Partner: ca. 60 Partner aus Wirtschaft, Wissen-      Förderlaufzeit: 2017–2020
    schaft und Politik                                   Partnerzahl: 3 Partner
    Mittelgeber: Bundesministerium für Wirtschaft        Mittelgeber: Bundesministerium für Wirtschaft
    und Energie                                          und Energie
    Modellregion: Hamburg und Schleswig-Holstein         Modellregion: Hamburg-Wilhelmsburg
    Informationen:     www.new4-0.de                     Information:
                                                            www.haw-hamburg.de/cc4e/c4dsi/projekte
  mySMARTLife
    Projektziel: Smarter Einsatz von Energie im urba-   Smart Pro HeaT
    nen Lebensraum in drei europäischen Leucht-          Projektziel: Untersuchung der wärmenetzdienli-
    turmstädten (Nantes, Helsinki & Hamburg), um         chen Integration von Verbrauchern und dezentra-
    Energieverbrauch und ökologischen Fußabdruck         len Erzeugungsanlagen, um die Gesamtsystemef-
    zu reduzieren                                        fizienz und den Anteil erneuerbarer Strom- und
    Förderlaufzeit: 2016–2021                            Wärmeerzeugung zu erhöhen
    Partner (Hamburg): 14 Partner aus Stadt, Wirt-       Förderlaufzeit: 2018–2021
    schaft und Wissenschaft                              Partnerzahl: 5 Partner
    Mittelgeber: Europäische Union                       Mittelgeber: Bundesministerium für Wirtschaft
    Modellregion: Hamburg-Bergedorf                      und Energie, Zweite Deutsch-Finnische Förder-
    Informationen:                                       initiative
       www.mysmartlife.eu/cities/hamburg/                Modellregion: Hamburg-Wilhelmsburg
                                                         Information:
  X-Energy                                                  www.haw-hamburg.de/cc4e/c4dsi/projekte
    Projektziel: Die Metropolregion Hamburg als
    führendes Innovationszentrum für Windener-
    gie, Systemintegration und Speicher aufbauen
    Förderlaufzeit: 2017–2021
    Partnerzahl: 16 Unternehmenspartner
    Mittelgeber: Bundesministerium für Bildung und
    Forschung
    Modellregion: Norddeutschland
    Information:
       www.haw-hamburg.de/cc4e/x-energy

DNH 01 | 2020
12 Titel: HAW-Forschung (be)wirkt!

Herausforderung strategische
Netzwerke: Von Wunschdenken
und Verstetigung
Komplementär zur klassischen Forschung und Lehre sowie den bekannten Innovations- und
Wertschöpfungsketten kommt neuen, institutionsübergreifend angelegten Netzwerken
speziell an forschungsintensiven Hochschulen für angewandte Wissenschaft (HAW) zuneh-
mende Bedeutung zu. Die Herausforderungen und Chancen sind groß, insbesondere im
Zuge der in den letzten Jahren speziell aufgelegten Förderprogramme auf Bundesebene.
| Von Georg Overbeck und Prof. Dr. Christian Facchi

                                              Nicht zuletzt im Zuge der Bund-Län-         die o. g. DAAD-Ausschreibung Strategi-
                                              der-Förderinitiative Innovative Hoch-       sche Partnerschaften und Thematische
                                              schule haben sich umfangreiche und auf      Netzwerke geförderte Brasilienprojekt
                                              Verstetigung angelegte Netzwerkprojek-      Applied Network on Automotive Re-
                                              te mit HAW als Koordinatorinnen fest        search and Education (AWARE), über dessen
                                              etabliert. Wurden im Jahr 2016 in der für   Projekttitel sich die THI als einzige geför-
                                              HAW vorgehaltenen Nische „Forschung         derte Institution mit dezidiert angewand-
                Foto: THI

                                              an Fachhochschulen“ bzw. im Programm        tem Profil positionierte. Bemerkenswert
                                              FH-Impuls nur zehn ausgewählte HAW          war dabei, dass die THI in der ersten
                Georg Overbeck, MBA           bzw. deren Forschungskooperationen          Förderrunde des Programms als eine von
                   Dipl.-Kulturwirt (Univ.)   gefördert, waren es 2018 im Rahmen der      zunächst zwei, in der zweiten Förderrunde
               Dipl.-Verwaltungswirt (FH)     Förderinitiative Innovative Hochschule      als einzige HAW zum Zuge kam, während
                                              bereits 35 HAW, die derzeit gemeinsam       ansonsten ausschließlich Universitäten
   Kaufmännischer Leiter des Zentrums für     und im Wettbewerb mit Universitäten         gefördert wurden. In diesem Rahmen
   Angewandte Forschung der Technischen       und anderen Akteuren neue Transfer-         liefen ab 2013 erste größere Kooperatio-
                   Hochschule Ingolstadt      netzwerke insbesondere im breiten gesell-   nen zu verkehrssicherheitsthematischen
                                              schaftlichen Kontext spannen. Für inter-    Forschungsfragen sowie Automotive-Dou-
                                              nationale Netzwerke legte der DAAD im       ble-Degree-Programmen an. Zentrale Ziel-
                                              Jahre 2012 das Förderprogramm Strate-       setzung war von Anfang an die Entwick-
                                              gische Partnerschaften und Thematische      lung eines primär anwendungsbezogenen
                                              Netzwerke auf.                              Netzwerks insbesondere mit Unterneh-
                                                                                          men, Politik sowie den beiden Landesfor-
                                                                                          schungsstiftungen der südbrasilianischen
                Foto: THI

                                              Netzwerke an der THI                        Bundesstaaten und Automotive-Regio-
                                                                                          nen Paraná und Santa Catarina. Damit
                                              Diese und weitere öffentliche Förderlini-   verschoben sich die Koordinaten des
    Prof. Dr. rer. nat. Christian Facchi      en ermöglichten der Technischen Hoch-       HAW-Selbstbildes vom vornehmlich
    Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums    schule Ingolstadt (THI) in den vergan-      regionalen Innovationsmotor zu einem
           für Angewandte Forschung der       genen Jahren den gezielten Aufbau           international vernetzenden, thematisch
       Technischen Hochschule Ingolstadt      von drei großen strategischen Netzwer-      und zunehmend geografisch vielseitigen
                                              ken. Darin fungiert die THI jeweils als     Akteur. Bislang nahmen über 500 geför-
                                              Anker und verbindendes Element und          derte Personen über Gastvorträge und
                                              baut gleichzeitig ihre Position als Mobi-   -professuren, Praktika und Forschungs-
                                              litätshochschule weiter aus. Nach sechs     aufenthalte (Master Doppelabschluss und
                                              Jahren öffentlicher Förderung wird nun      PhD), Summer Schools sowie Vernet-
                                              das erste dieser drei Netzwerkprojekte      zungs- und Transferveranstaltungen am
                                              verstetigt. Es handelt sich um das über     Austausch teil. AWARE warb (exklusive

                                                                                                                         01 | 2020 DNH
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der Forschungsvolumina der an der THI forschenden        Netzwerk entlang der Themenfelder Innovative Mobi-
Gastwissenschaftler) rund 3 Mio. Euro ein. Diesem        lität, Digitale Transformation, nachhaltige Entwick-
Umstand wird nun Rechnung getragen, indem                lung und Bürgerschaftliches Engagement auf. Die
AWARE als THI-internes Bavarian Center for Applied       aktive Öffnung gegenüber der breiten Gesellschaft
Research and Technology with Latin America institu-      ist bidirektional angelegt – nicht nur der Wissens-
tionalisiert wird. In dem neuen Rahmen werden das        transfer aus dem Hochschulbereich in die Gesell-
aufgebaute Erfahrungswissen sowie die Landes- und        schaft wird gefördert, sondern es werden explizit auch
Regionenexpertise künftig auch anderen bayerischen       Impulse aus dem fachlichen und zivilgesellschaftli-
Einrichtungen zur Verfügung stehen.                      chen Umfeld bewusst durch Transferformate gesucht
                                                         und gefördert. Fruchtbar ist in diesem Kontext auch
  Im Zeichen des regionalen Kompetenzaufbaus steht       die Verzahnung der beiden Hochschulen mit ihren
das zweite Netzwerkprojekt Safety for all – Innovati-    unterschiedlichen Profilen und Kulturen. Entspre-
ve Research Partnership on Global Vehicle and Road       chend neuartige Transferformate sowie ein erweiter-
Safety Systems (SAFIR). Dieses startete im Jahr 2017     ter, technologische und gesellschaftliche Innovati-
im Verbund mit der städtischen Wirtschaftsförde-         onen gleichermaßen erfassender Innovationsbegriff
rung sowie rund 20 Unternehmenspartnern als eines        verankern die beiden Hochschulen noch stärker in
von bundesweit zehn Vorhaben, die über die o. g.         der Mitte der Gesellschaft.
Förderlinie FH-Impuls finanziert werden. SAFIR setzt
dabei auf den Arbeiten des THI-eigenen Forschungs-         Den drei genannten Netzwerken ist gemein, dass
und Testzentrums CARISSMA sowie dessen Fernziel          sie ihre jeweilige Perspektive bei der Lösung gesell-
von null Verkehrstoten, der „Vision Zero“, auf. Aus      schaftlicher Herausforderungen komplementär zuei-
CARISSMA als Nukleus heraus wird mit SAFIR ein           nander einbringen, von der Mobilität für morgen
projektgetriebenes strategisches Forschungsnetzwerk      über die Künstliche Intelligenz bis hin zur gesell-
mit regionalen Partnern aufgebaut. Ähnlich wie in        schaftlichen Teilhabe an dem, was an der Hochschu-
AWARE erfolgt derzeit die Bewerbung um eine zwei-        le passiert. Die Synergiepotenziale zwischen den
te Förderrunde, die sogenannte Intensivierungspha-       Projekten waren und sind enorm: Der Impuls zum
se. Die bisherigen Förderumfänge betragen inkl. der      Aufbau von AWARE lief zeitlich parallel zur Bewer-
Barmittel der Partner rund 7,4 Mio. Euro.                bung von CARISSMA um den bundesweit ersten
                                                         Forschungsbau an einer HAW. Beide Bewerbungen
  Als drittes großes Netzwerkprojekt konnte die THI      profitierten stark voneinander: CARISSMA von dem
zusammen mit der Katholischen Universität Eich-          in der Entstehung begriffenen Brasiliennetzwerk,
stätt-Ingolstadt in der Bund-Länder-Initiative Innova-   AWARE von der Strahlkraft des neuen Forschungs-
tive Hochschule mit der Innovationsallianz Mensch        und Testzentrums. Entsprechendes galt ebenso für
in Bewegung (MiB) rund 15 Mio. Euro einwerben. Die       die Netzwerke SAFIR und MiB, sodass etwa Test-
Partner bauen ein ebenfalls regionales, forschungsba-    stellungen im Bereich des Autonomen Fahrens
siertes, im Unterschied zu den beiden anderen Netz-      mangels geeigneter Laboreinrichtungen nur mit
werken jedoch auf Transferaktivitäten ausgerichtetes     der Infrastruktur von CARISSMA realisierbar waren.

DNH 01 | 2020
14 Titel: HAW-Forschung (be)wirkt!

Umgekehrt konnte CARISSMA sein eigenes Netz-
werk über die beiden genannten Vorhaben konkret
um weitere Hochschul- und Unternehmenspartner
erweitern. Speziell für die Vision Zero entwickelt
SAFIR die CARISSMA-Forschungsprogrammatik
weiter, schafft Anwendungsszenarien und berei-
tet somit den Weg für Transfer-Fragestellungen im
Rahmen von Mensch in Bewegung (MiB). Speziell
MiB leistet als Transferprojekt einen gewichtigen
Beitrag in kontrovers diskutierten Themen (z. B.
Autonomes Fahren, Nachhaltige Wirtschaft und
Wirtschaftswachstum, Faktor Mensch und Digita-
lisierung), weil sich diesen nicht nur mittels tech-
nischer, sondern auch gesellschaftlicher Fragestel-
lungen bzw. Innovationen angenähert werden
kann.

Herausforderungen in der Antragstellung                    Tabelle 1: Strategische THI-Netzwerke mit der Keimzelle Mobi-
                                                           lität und den großen gesellschaftlichen Herausforderungen als
                                                           übergreifendes Leitthema
Mit Blick auf die spätere Projektdurchführung hat
sich in allen drei Netzwerken gezeigt, dass die im
Prozess der Antragstellung herausgebildeten Chan-          Antragstellung ist essenziell, dass der Antragsteller
cen und Risiken sich meist als Stärken und Schwä-          genügend Forschungserfahrung sowie Erfahrung im
chen im Projekt manifestieren. Was die drei genann-        Projektmanagement mitbringt, um zu belegen, dass
ten Netzwerke anbetrifft, so war die Unterstützung         das Vorhaben umgesetzt werden kann. Perspekti-
durch die Hochschulleitung eine der großen Stär-           visch erfolgte vor diesem Hintergrund die interne
ken. Diese reichte von maßgeblichen Impulsen für           Erweiterung des Netzwerks durch die Einbindung
die Antragstellung über die Gewinnung von Netz-            neuer Kollegen, die wiederum zunehmend mehr
werkpartnern in SAFIR bis hin zu Reisen zu Projekt-        Verantwortung übernahmen. Aufgrund der strategi-
partnern und Fördermittelgebern (AWARE und MiB).           schen Bedeutung von SAFIR und MiB lag die Feder-
Als eine der größten Stärken im AWARE-Antragsstel-         führung beim MiB-Antrag sowie beim SAFIR-Stra-
lungsprozess ist zu vermerken, dass in der Endpha-         tegieantrag jeweils beim Hochschulpräsidenten.
se des Vollantrags (zweistufiges Antragsverfahren)         Zudem leitet der Vizepräsident Forschung und Trans-
fünf THI-Professoren mobilisiert werden konnten,           fer diese beiden Netzwerkprojekte. Dem kommt
eine Explorationsreise nach Brasilien zu unterneh-         entgegen, dass eine interdisziplinäre, überfachli-
men. Ziel und Zweck der Reise war es, unter unmit-         che Qualifikation des Leiters dem Kerngedanken
telbarem Eindruck der parallel laufenden Koopera-          eines Netzwerkprojekts entspricht und von hohem
tionsgespräche mit den brasilianischen Partnern            Nutzen ist.
die eigenen Themenfelder in den Antrag einzu-
bringen. Dadurch erfuhr der Antrag eine qualita-
tive Aufwertung. Eine weitere Stärke im Antrags-           Herausforderungen im Projektverlauf
verfahren bestand darin, dass die dem Vollantrag
vorgelagerte Skizze in Bezug auf Partnerauswahl und        Zentral für ein erfolgreiches, in Richtung Netz-
-struktur bereits partizipativ mit dem Hauptpartner        werkverstetigung laufendes Projekt ist sicher-
UFPR gestaltet wurde. Insbesondere die Offenheit           lich die Auswahl eines geeigneten Koordinators.
und Motivation der Partner, im Sinne des Gesamt-           Entscheidend ist hier eine gleichermaßen initiativ
vorhabens mitzudenken, zeichnet die Arbeitswei-            und integrativ wirkende Persönlichkeit im Drei-
se des AWARE-Netzwerks bis heute aus. Freilich             eck zwischen Wissenschaft, Hochschulverwaltung
bleibt angesichts der zeitintensiven Überseereise          sowie den jeweiligen Netzwerkpartnern, mithin
von fünf Professoren zu konstatieren, dass es an der       im sogenannten „Third Space“. Die drei großen
THI seinerzeit intern keine „Konkurrenz“ zu ande-          Netzwerke haben gezeigt, dass dieser Third Space
ren Netzwerkprojekten gab. Umso deutlicher zeig-           tatsächlich in der Form von Handlungsräumen
ten die beiden anderen Netzwerkanträge die Ratio           von Wissenschaft und Verwaltung besteht und
zwischen deren Erfolg und der internen Ressour-            diesen Richtung Netzwerkpartner erweitert. Dazu
cenmobilisierung: An der THI haben sich insbe-             gehört insbesondere, dass die wissenschaftliche
sondere in den Antrags- und Anlaufphasen regel-            Leitung bestimmte operative Aufgaben wie etwa
mäßig bereits forschungsaktive Professorinnen und          die regelmäßige Pflege von Partnerkontakten weit-
Professoren engagiert. Mit der Zeit kristallisierte sich   gehend an den Koordinator abgeben kann. Indem
immer mehr heraus, dass diese Lasten von mehre-            der jeweilige Koordinator eine Brücke zur Verwal-
ren Teams getragen werden müssen, ohne Austausch           tung schlägt, erfährt diese eine Aufwertung von
und Synergien zu gefährden. Insbesondere bei der           einer ursprünglich eher vollziehenden in Richtung

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einer gestaltenden Funktion. Erwähnenswert ist in
diesem Zusammenhang, dass komplementär zu den
inhaltlich ingenieurwissenschaftlich ausgerichte-
ten Netzwerkprojekten AWARE und SAFIR deren
Koordination durch Geisteswissenschaftler erfolgt
und diese ihre dadurch bereichernden Denkwei-
sen und interkulturellen Kompetenzen einbringen
können. Weiter ist für einen erfolgreichen Projekt-
verlauf erforderlich, dass das jeweilige Netzwerk
möglichst weitere „Anstifter“ und „Mittäter“ an
sich bindet. Bei AWARE war der Vorteil, dass sich
die Aktivitäten breit auf Forschung, Lehre sowie
Hochschulverwaltung und -governance verteilten.

Herausforderungen im Hinblick auf die
Verstetigungsphase

Allerspätestens in der Verstetigungsphase ist die
vormals personen- und projektgebundene Ausrich-
tung des Netzwerks in eine nachhaltig institutionelle
Verortung zu überführen. Damit werden insbesonde-
re die mit dem Weggang von Hauptakteuren verbun-
denen Risiken gepuffert. Im Rahmen dieser instituti-
onellen Verortung personell in die Breite zu gehen,
fördert nicht nur frisches Denken; es ist auch eine      Grafik 1: Aggregierte SWOT-Analyse ausgewählter Aspekte aus
Frage der gelebten Kultur: Wie offen ist das jeweilige   den drei Netzwerken
Netzwerk, wie breit ist es sowohl innerhalb als auch
außerhalb der Hochschule verwurzelt? Schlaglichtar-
tig zeigen die Erfahrungen aus AWARE: Der Anstoß
kam von der Kaufmännischen Leitung des hoch-
schulinternen Zentrums für Angewandte Forschung
und die folgenden Antragsaktivitäten wurden stark        „Nicht nur der Wissenstransfer aus
vom Hochschulpräsidenten unterstützt. Durch eine
rasche Verbreiterung von einigen wenigen Initiato-       dem Hochschulbereich in die Gesellschaft
ren zu sehr vielen Akteuren erreichte das Netzwerk
                                                         wird gefördert, sondern es werden auch
rasch die für eine Verstetigung kritische Masse. Hilf-
reich waren dabei weiterhin regelmäßige Formate          Impulse aus dem fachlichen und zivilgesell-
und feste „Rituale“. Beispiel AWARE: Regelmäßig
zwischen Deutschland und Brasilien rollierende           schaftlichen Umfeld durch Transferformate
Workshop-Formate mit Hochschul- und Industrie-
partnern wie ein U4I-Workshop (Universities for
                                                         gesucht und gefördert.“
Industries) bringen Studierende, Partnerhochschu-
len, Unternehmen, Stiftungen und Politikgestalter
zusammen. Ein weiteres derartiges Format ist die         Netzwerks durch alle Stakeholder stellen unseres
nun bereits zum zweiten Mal erschienene gemein-          Erachtens die Grundlagen für den Erfolg dar. Und
same AWARE-Publikation, die sämtliche Instituti-         Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft. Somit
onen und Kooperationsprojekte bis 2019 auf 180           drängt sich bei den drei Projekten AWARE (2012),
Seiten vorstellt – jeweils eingebettet in die Hoch-      SAFIR (2016) und MiB (2018) die Assoziation von
schulorganisationsformen sowie die Forschungs-           Geschwisterbeziehungen zwischen den Polen „Indi-
und Förderlandschaft beider Länder. So entsteht          viduation“ und „Verbundenheit“ auf. So gibt es
ein transparenter Überblick über sämtliche Netz-         zwischen AWARE und SAFIR sich überschneiden-
werkaktivitäten, welchen ein Einzelpartner nicht         de Forschergruppen, ebenso werden brasilianische
in vollständigem Ausmaß haben könnte.                    Promovierende als wissenschaftliche Mitarbeiter
                                                         in SAFIR eingesetzt. Letztendlich muss sich jedes
                                                         Netzwerkprojekt jedoch die kritische Frage nach
Resümee                                                  dem eigenen Mehrwert bzw. Alleinstellungsmerk-
                                                         mal stellen. Dem AWARE-Netzwerk als neuem Zen-
Fundierte strategische Positionierung, kondensier-       trum, dessen Nukleus auf dem Spannungsfeld bzw.
te und zielführende Partnergespräche sowie ein           den Faktorkombinationen Grundlagenforschung
fortlaufender partizipativer Abgleich von Stärken,       und Anwendung speziell in den Mobilitätstechno-
Schwächen und der Zielerreichung des jeweiligen          logien aufbaut, ist dies überzeugend gelungen.

DNH 01 | 2020
16 Titel: HAW-Forschung (be)wirkt!

Lehrforschung zum Management von
Sozial- und Gesundheitsbetrieben
Wie sich Qualifizierung, Erkenntnisgewinn und Praxisnutzen verbinden lassen.
| Von Prof. Dr. Clemens Koob

                                              Hochschulen stellen als Organisationen          Im Idealfall trägt forschendes Lernen
                                              eine strukturelle Kopplung von Bildungs-     aber nicht nur zum Bildungsauftrag bei,
                                              und Wissenschaftssystem her (vgl.            sondern berücksichtigt, dass Hochschu-
                                              Luhmann 2019). Als Teil des Bildungs-        len „zugleich zur Forschung und zur Erzie-
                                              systems zählt es zu ihren gesellschaftli-    hung beitragen sollen“ (Luhmann 2019,
                 Foto: KSH München

                                              chen Aufgaben, akademisch qualifizier-       S. 186): Auch der Erkenntnisgewinn ist ein
                                              ten Nachwuchs auszubilden, der sein          wesentliches Anliegen der Lehrforschung.
                                              Wissen in anderen Typen von Organi-          Die studentischen Forschungsteams des
                                              sationen, wie Sozial- und Gesundheits-       Masterstudiengangs „Management von
                  Prof. Dr. Clemens Koob      betrieben, anwenden kann (vgl. Nassehi       Sozial- und Gesundheitsbetrieben“ haben
                  Professor für Management    2019). Nassehi (2019, S. 8) weist darauf     in dieser Hinsicht in den zurückliegenden
  Katholische Stiftungshochschule München     hin, dass „diese Ausbildung forschungs-      Semestern einige Forschungsergebnisse
                          Preysingstraße 83   nah erfolgen [soll], damit die Absolventen   generiert, die für die Managementpraxis
                            81667 München     auch lernen, dass Wissen nicht einfach       und Fachöffentlichkeit interessant sind.
                                              vorhanden ist, sondern in seiner Gene-
                    clemens.koob@ksh-m.de     se von Voraussetzungen abhängig ist“.1
                                                                                           Arbeitsengagement in Sozial- und Ge-
                                                                                           sundheitsbetrieben als Rahmenthema
                                              Ziele des forschenden Lernens
                                                                                           Thematischer Schwerpunkt des forschen-
                                              Eine Möglichkeit dazu bietet die Lehr-       den Lernens war das „Arbeitsengage-
                                              forschung bzw. bieten Lehrforschungs-        ment von Mitarbeitenden in Sozial- und
                                              projekte. Im Modul „Empirische Sozi-         Gesundheitsbetrieben“. Arbeitsengage-
                                              alforschung“ des Masterstudiengangs          ment wird in der Forschung grundsätz-
                                              „Management von Sozial- und Gesund-          lich verstanden als positiver, erfüllender
                                              heitsbetrieben“ der Katholischen Stif-       arbeitsbezogener Motivationszustand, der
                                              tungshochschule (KSH) München                relativ überdauernd ist (vgl. Schaufeli et
                                              werden die Studentinnen und Studen-          al. 2002). Engagierte Mitarbeitende setzen
                                              ten mit Anleitung selbst forschend           sich mit ihren körperlichen, emotionalen
                                              tätig. Sie gestalten, erfahren und reflek-   und kognitiven Ressourcen ein (vgl. Rich
                                              tieren den kompletten Forschungspro-         et al. 2010). Sie zeigen ein hohes Ener-
                                              zess mit seinen einzelnen Phasen, von        gielevel, mentale Stärke und Ausdauer
                                              der Entwicklung der Forschungsfrage          auch bei Herausforderungen (Vitalität),
                                              und Hypothesen über die Konzeption           empfinden Inspiration, Begeisterung und
                                              des Untersuchungsdesigns bis hin zur         Stolz beim Arbeiten (Hingabe) und arbei-
                                              Auswertung, Darstellung und Einord-          ten konzentriert und vertieft (Absorbiert-
                                              nung der Ergebnisse. Dieses forschende       heit) (vgl. Schaufeli et al. 2017). Eine Viel-
                                              Lernen trägt dazu bei, eine wissenschaft-    zahl an Studien (für einen Überblick vgl.
                                              liche Grundhaltung auszubilden, inhalt-      Christian et al. 2011, Kim et al. 2013)
                                              liches Wissen aufzubauen, methodische        bestätigt, dass engagierte Mitarbeitende
                                              Kompetenzen zu erwerben und persona-         eine überlegene Arbeitsleistung erbringen
                                              le Kompetenzen (z. B. Verantwortung,         und sich darüber hinaus für ihre Organi-
                                              Gewissenhaftigkeit, Reflexivität, Team-      sation einsetzen. Bekannt ist aus diesen
                                              und Kommunikationsfähigkeit) zu stär-        Untersuchungen auch, dass das Arbeits-
                                              ken (vgl. Huber 2014, Weidemann 2010,        engagement von mannigfachen organi-
                                              Hiß/Schulte 2016).                           sationalen Faktoren (z. B. Arbeitstätigkeit,

                                                                                                                           01 | 2020 DNH
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