# 138 - P Stadtkultur Darmstadt

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# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
November 2021
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# 138
# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
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                                                                                                                                                                 WWW.
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                                                                                                                                                                 RHEINMAIN.
Bild: Hessisches Staatsballett | De-Da Productions

         Die Tanzplattform Rhein-Main, ein Projekt von Künstlerhaus Mousonturm und Hessischem Staatsballett, wird ermöglicht durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und ist
         gefördert vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stiftungsallianz [Aventis Foundation, BHF BANK Stiftung,
         Crespo Foundation, Dotter-Stiftung, Dr. Marschner Stiftung, Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main]
# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
Hallo Darmstadt.

                                                                                                                           Foto („Neues Nordbad“): Nouki Ehlers, nouki.co
                                               Inhalt
                                   P STADTKULTURMAGAZIN | AUSGABE 138 | NOVEMBER 2021

Thema                                              Seite          Thema                                           Seite
Editorial, Inhalt                                      03         Veranstaltungskalender                         51 – 65
Favoriten des Monats                              04 – 12         Out of Darmstadt                               68 + 69
Suche und finde, Folge 23                              14         Kunst & Performance Rhein-Main                 70 + 71
Das künstlerische Vermächtnis des „Gunsch“         16 – 19        Darmstädter Wortakrobat:innen, Folge 10:
Studieren in Coronazeiten                         20 – 22         Ella Theiss                                    72 + 73
Wissenschaft in Darmstadt, Folge 7:                               Reden wir über Integration in Darmstadt,
Auf Virensuche im Abwasser                        24 – 26         Folge 2: Hayat Abubakar aus Eritrea            74 + 75
Das gute Leben, Folge 20: Heinerblocks            28 – 30         Stay The Love Home, Folge 8: Tiny House        76 – 80
Darmstadt backt!                                  32 – 35         Kommen und Gehen                               82 – 87
Fiesas Welt, Folge 6: Digitalstadt Darmstadt      36 + 37         Stilsicher, Folge 73: artinsviertel            88 + 89
Aufgeschnappt: Stadtkultur-Neuigkeiten           38 – 40          Randsport im Rampenlicht, Folge 13: Capoeira   90 – 92
Objektiv: Open Air am Steinbrücker Teich 2002          41         Unter Pappeln, Folge 91                        94 + 95
Film-Tipps im November                           42 + 43          Wrede und Antwort                                  96
Das literarische Darmstadt                       44 + 45          Darmstädter Typ: Bettina Will                      97
Theater-Tipps                                    46 + 47          Rischdisch (un)wischdisch                          98
Darmstädter Kunst-Highlights                     48 + 49          Impressum                                          98
                                                             P | 03
# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
Favoriten des Monats
                                                                          Heiner, check your privilege!                SOLIDARISCHES MITEINANDER
                                                                         Um wohnungslose Menschen zu unterstützen, bietet Darmstadt Übernachtungs-
                                                                         möglichkeiten (wie die Diakonie im Zweifalltorweg 14) und Tagesangebote (wie
                                                                         die Teestube „Konkret“ in der Alicenstraße 29) an. Wichtig ist aber auch, mit
                                                                         offenen Augen durch die Stadt zu gehen und im Zweifelsfall selbst aktiv zu wer-
Abbildung: Teestube Konkret

                                                                         den. Tagsüber ist das Amt für Soziales und Prävention unter (06151) 133277 er-
                                                                         reichbar, das Diakonische Werk unter (06151) 926250 auch außerhalb der Dienst-
                                                                         zeiten, in Notfällen ebenso Polizei unter 110 oder Rettungsdienste unter 112. (as)

                                                                         Obdachlosenhilfe Darmstadt | Gemeinsam durch den Winter | jeden Tag |
                                                                         Solidarität hilft!

                                           Clemens J. Setz (Wien)                                GEORG-BÜCHNER-PREIS
                                          Der Georg-Büchner-Preis feiert Jubiläum! Seit 70 Jahren wird der bedeutendste
                                          Literaturpreis im deutschsprachigen Raum von der Deutschen Akademie
                                          für Sprache und Dichtung an herausragende Schriftsteller:innen vergeben.
                                          Preisträger des mit 50.000 Euro dotierten Preises ist dieses Jahr der Öster-
                                          reicher Clemens J. Setz, der Euch an diesem Abend sein Werk vorstellt. Einen

                                                                                                                                                               Abbildung: Max Zerrahn
                                          Tag später (am 06.11. um 16 Uhr) ist die Preisverleihung im Staatstheater
                                          Darmstadt. (ali)

                                          Orangerie | Fr, 05.11. | 20 Uhr | Eintritt frei (3G), Anmeldung erforderlich unter:
                                          anmeldung@deutscheakademie.de

                                                                          Das Blühende Leben (Mannheim)                                      ROCK-KONZERT
                                                                         Dem hoffnungsfrohen Bandnamen jagt das Trio direkt noch ein „Halleluja“
                                                                         als erste Single hinterher. Die neue, junge Band aus der Quadrate-Stadt macht
Abbildung: Simon & Alina von der Gathen

                                                                         Rock-Musik und präzisiert ihren Sound selbst als „ein Potpourri aus NDW und
                                                                         Punk“. Trifft's tatsächlich ganz gut. Was die drei zusammenzimmern, pendelt ir-
                                                                         gendwo zwischen Radiotauglichkeit und Radau. Nicht nur die Gitarre ist verzerrt,
                                                                         auch der Gesang pfeift schroff verfremdet durch die hitzigen Songs, während das
                                                                         Schlagzeug heftig peitscht und dennoch Raum für Melodien lässt. (mn)
                                                                         Klingt wie: Heisskalt, Milliarden, Madsen

                                                                         Goldene Krone (Kneipe) | Fr, 05.11. | 22 Uhr | Eintritt frei (2G)

                                           Tribute Night für Hans Hohe                               FEIERN & GEDENKEN
                                          Hans Hohe, heimlicher Chef des legendären Musikhauses Crusius, war ein
                                          Darmstädter Unikat – bis zu seinem Tod am 19.09.2021. Auch als Gitarrist und
                                          Sänger in Darmstädter Rock- und Beat-Bands (Rovers, Devils, Nickelbacks)
                                          schätzten und mochten ihn Generationen von Musiker:innen. Seine Darm-
                                          städter Freund:innen verabschieden ihn an diesem Abend gebührend in der
                                                                                                                                                              Abbildung: Renate Penn

                                          Krone: Im Saal spielen Bandkollegen von Hans Kurz-Gigs, Hauptband sind die
                                          zeitlos guten The Cox, im Odenwaldzimmer werden Bilder aus Hans' Vita an
                                          die Wand projiziert, in der Rockybar wird zu Oldies und Beat getanzt. Diese
                                          Party hätte Hans gefallen! (ct)
                                          Goldene Krone (kompletter 1. Stock) | Sa, 06.11. | 20 Uhr | 5 € (2G)
                                                                                                    P | 04
# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
Favoriten des Monats
                                                                      Esben And The Witch (Brighton/Berlin)                     POST-ROCK
                                                                    Die nach einem dänischen Märchen benannten Esben And The Witch suchen
                                                                    seit über zehn Jahren nach der perfekten Mischung aus uniquer Theatralik,
                                                                    melancholischen Songs und verhalltem Gitarrensound. Nach ausufernden,
Abbildung: Esben And The Witch

                                                                    beinahe doomigen Eskapaden besinnt sich die Band auf ihrer letzten Platte
                                                                    auf den reduzierten Post-Punk-Sound ihrer Anfänge: mitreißend, rau und
                                                                    ungeschliffen. Komplettiert wird der düster-schimmernde Abend durch den
                                                                    monumentalen Post-Rock von Kokomo aus Duisburg. (fr)
                                                                    Klingt wie: Chelsea Wolfe, Swans, Emma Ruth Rundle

                                                                    Oettinger Villa | Sa, 06.11. | 20 Uhr | 14 € (2G)

                                      Tanzsalon                                                              DISKOTHEK
                                     Raus mit den Möbeln! Zuletzt war die Griesheimer Kulturinstitution noch
                                     pandemiegerecht als „Sitzsaal“ bestuhlt, jetzt wurde im historischen Gründer-
                                     zeit-Bau die Tanzfläche wieder freigeräumt. „Tanzvergnügen für alle Genera-
                                     tionen“ verspricht der traditionsreiche Termin am ersten Samstag des Monats
                                     mit wechselnden DJs (im November: Daniel und Heiko von der Two Men Show,
                                     im Dezember: Kemal) sowie „Rock & Pop, Charts, Latin, RnB, Reggae, Black

                                                                                                                                                     Abbildung: Linie Neun
                                     und Disco“. (mn)

                                     Linie Neun (Griesheim) | Sa, 06.11. | 21.30 Uhr | 7 € (2G)

                                                                      Phonk D (DA) + Tilman Pleasant Systems (MZ)          ELEKTROLADEN
                                                                    Put on your dancing shoes! Es geht zurück auf den Dancefloor, der im 806qm
                                                                    wahrscheinlich noch glänzt und schimmert – nur etwas mehr als ein Jahr
                                                                    nach der Eröffnung des neuen Clubs grätschte die Pandemie rein. Für ein
 Abbildung: Nouki Ehlers, nouki.co

                                                                    absolutes Groove-Feuerwerk sorgt Phonk D. Ob mit seinen Labels Footjob und
                                                                    Dedicate oder an den Decks: Der nimmermüde Tausendsassa führt wie kein
                                                                    anderer das Beste aus Nu-Disco, House und Funk zusammen. (mn)

                                                                    806qm | Sa, 06.11. | 23 Uhr | 6 € (2G)

                                      Len Faki (Berlin) + Javier Bähr (FFM) + Felix Lücke (DA) HOUSE / TECHNO
                                     Len Faki ist bekannt als Peaktime-DJ und damit ein Garant für euphorisches,
                                     kompromissloses Raven, für beseelte Glücksmomente und für energetische
                                                                                                                                                 Abbildung: Alex Trebus, Liaison Artists

                                     Entladungen auf der Tanzfläche. Er spielt an diesem Abend eines seiner raren
                                     House-Sets, in denen Widersprüche gefeiert und Grenzen aufgehoben werden.
                                     Ein Clubabend, wie man ihn so wohl nur noch im Berghain erleben kann –
                                     dort ist Len Faki seit der Eröffnung im Jahr 2004 nämlich Resident. (fr)
                                     Klingt wie: Ben Klock, Chris Liebing, Monika Kruse

                                     Galerie Kurzweil | Sa, 06.11. | 23 Uhr | 15 € (2G)

                                                                                               P | 05
# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
Favoriten des Monats
                                                           „GO#Zeitgenössischer Zirkus“            JONGLAGE + PARTNERAKROBATIK
                                                         Das Finale dieser zeitgenössischen Zirkus-Reihe kommt mit zwei spannenden
                                                         Acts daher. Fabian Flender verzückt mit tollpatschiger Jonglage und seinem
                                                         stummen Humor das Publikum. Die preisgekrönten Chris und Iris zeigen ein
                                                         ganz besonderes Akrobatik-Stück, das durch den auffallenden Größen- und
                                                         Gewichtsunterschied der beiden (42 Zentimeter und 42 Kilogramm) kuriose
Abbildung: Daniel Korn

                                                         Anblicke inszeniert und zugleich mit Harmonie und Gefühl füreinander
                                                         besticht. (sms)

                                                         Bessunger Knabenschule (Halle) | Do, 11.11., 19 Uhr + Fr, 12.11., 16 und 20.30 Uhr
                                                         je 18 € (3G)

                           „Eisprung“ im Sumpf                   COVERFREIE AKUSTIKJAMSESSIONS
                          Auch wenn die Idee von Jamsessions das spontane Musizieren ist – häufig
                          müssen doch immer die selben Cover als Basis herhalten. Nicht so im

                                                                                                                                                Abbildung: Priscilla du Preez on unsplash
                          „Sumpf“: In der rauchigen Kult-Musikkneipe an der Kasinostraße kann
                          ohne Songbook oder Standards „freie akustische Musik spontan entstehen“.
                          Auch Anfänger:innen sind herzlich willkommen – Zitat der Veranstaltenden:
                          „Perfektionistische Musikkritiker oder selbsternannte Musikerpolizei wer-
                          den inhaliert oder gebeten, Sessions mit Gleichgesinnten aufzusuchen.“
                          Das ist doch mal ein Wort. (lm)

                          Sumpf | Do, 11.11. + 25.11. | 20 Uhr | Eintritt frei (2G)

                                                          16. Darmstädter Wochen des polnischen Films           KINO OHNE GRENZEN
                                                         Das Deutsche Polen-Institut ermöglicht auch 2021 feine cineastische Einblicke
                                                         in unser Nachbarland. Geboten werden vier sehr unterschiedliche Filme. Den
                                                         Auftakt macht „Der Gerichtsvollzieher“ von Andrzej Chyra, der auf der Berlinale
                                                         ausgezeichnet wurde und den polnischen Filmpreis erhielt. Besonders emp-
                                                         fehlenswert ist die Doku „Oberschlesien: Hier, wo wir uns begegnen“, die sich
Abbildung: Akson Studio

                                                         mit den politisch-ethnischen Veränderungen in der Region nach dem Zweiten
                                                         Weltkrieg beschäftigt. Regisseur Michael Majerski wird am 18.11. für ein Film-
                                                         gespräch anwesend sein. (kzd)

                                                         Programmkino Rex | Do, 11.11. + 18.11. + 25.11. + 02.12. | 20.15 Uhr | je 7 € (3G)

                           Amnesty-Straßenaktion                                               #KLIMASCHUTZ
                          Aktiv werden, wenn es nicht läuft – so handhabt es die Darmstädter Amnesty-
                                                                                                                                              Abbildung: Amnesty International Darmstadt

                          International-Gruppe und geht auf die Straße. In einer „Silent Line“, bei der
                          die Teilnehmenden still in einer Reihe stehen und Infotafeln in die Höhe halten,
                          will die Gruppe in der Innenstadt auf Missstände aufmerksam machen: Im
                          Fokus stehen die Zerstörung der Umwelt und die damit oft einhergehende
                          Verletzung von Menschenrechten. Anlass für die Aktion ist der anstehende
                          Glasgower Klimagipfel, bei dem es um die Zukunft unserer Erde geht. (gartl)

                          Darmstädter Fußgängerzone | Sa, 13.11. | 11 bis 14 Uhr | Teilnahme kostenfrei

                                                                                      P | 06
# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
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Favoriten des Monats

 w w w . 8 0 6 q m . d e ————––––––––––––––––––––———— Alexander straße 02 ————––––––––––––––––––––———— Darmstadt
# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
Favoriten des Monats
                                                                 The Bad Sugar Rush (Darmstadt)                                        ROCK
                                                               First time ever live! Die neue Darmstädter Supergroup The Bad Sugar Rush
                                                               gibt ihr erstes Konzert. Für das groovige Rock-Ensemble holte Bandgründer
                                                               und Gitarrist Josko Joketovic bekannte Gesichter der Darmstädter Musikszene
                                                               ins Boot: Minyeong Fischer (What The Funk) am Bass, Peter Zettl (Besidos)
                                                               an den Drums und René Hofmann (Wight) am Gesang. Der soulige Rock-
Abbildung: Thomas Kurek

                                                               Sound, den diese Kombo kreiert, geht durch Mark und Bein und regt zum
                                                               Kopfnicken an. (sg)
                                                               Klingt wie: Grand Funk Railroad, ZZ Top, Funkadelic

                                                               Oetinger Villa | Sa, 13.11. | 21 Uhr | 12 € (2G)

                                 V.Raeter (Berlin)                                                                KLUB
                                Man kennt V.Raeter als die eine Hälfte von Ecke Prenz, den DJ von Fatoni, von
                                Produktionen mit Morlockk Dilemma oder Damion Davis, als Becher-Illustra-
                                tor und Podcast-Papa. Da der Hans Dampf in allen Gassen immer noch über-
                                schüssige kreative Energie hat, steht seine zweite LP „Sunday On A Monday“
                                auf Kabul Fire bereits in den Startlöchern, um die Köpfe der Nation erneut
                                in wohliges Nicken zu versetzen. Absoluter Pflichttermin für alle anspruchs­

                                                                                                                                                  Abbildung: Oli Kristen
                                vollen Beat-Connaisseur:innen und HipHop-Liebhaber:innen. (fr)
                                Klingt wie: Suff Daddy, Dexter, J Dilla

                                806qm | Sa, 13.11. | 23 Uhr | 6 € (2G)

                                                                 „Wir sind alle deutsche Juden“          CINEASTISCHE IDENTITÄTSSUCHE
                                                               Wer kennt ihn nicht: Daniel Cohn-Bendit. Anführer der Mai-Revolte in Paris,
                                                               wesentlicher Teil der Frankfurter Sponti-Bewegung, Gründungsmitglied der
                                                               Grünen, Frankfurter Dezernent und Europapolitiker. Nach seinem Rückzug
                                                               aus der aktiven Politik ist es ruhiger geworden um ihn. Im Alter stellt er sich
Abbildung: Siècle Productions

                                                               jetzt die Frage nach seiner jüdischen Identität. Dafür hat er zusammen mit
                                                               seinem Ziehsohn Niko Apel einen begegnungsreichen Dokumentarfilm
                                                               gedreht und sich auf eine Reise nach Frankreich und Israel begeben.
                                                               Cohn-Bendit wird am Abend für eine Diskussion anwesend sein. (kzd)

                                                               Programmkino Rex | Di, 16.11. | 19 Uhr | 5 € (3G)

                                 Die Farce Die (Frankfurt)                                             NDW-PUNK
                                Hervorgegangen sind Die Farce Die aus dem Agitprop-Duo Amigos Del Auto-
                                bus, das sich ebenfalls in Frankfurt am Main formiert hatte. Programmatisch
                                bleibt auch das brandneue Projekt politisch: Mit NDW-Ästhetik und spekta­
                                                                                                                                                 Abbildung: Nouki Ehlers, nouki.co

                                kulärem Einsatz von Synthesizern wird ideologiekritischer Protest an den
                                Verhältnissen geübt. Melodisch, poppig und mit 80s-Spirit. Richtiger Kracher!
                                Präsentiert vom wuseligen „Raccoons“-Kollektiv, das jeden zweiten Mittwoch
                                auch bei Radio Darmstadt auf Sendung geht. (mn)
                                Klingt wie: Hans-A-Plast, Der Moderne Mann, The Robocop Kraus

                                Oetinger Villa | Fr, 19.11. | 20 Uhr | 5 € (2G)
                                                                                         P | 08
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Favoriten des Monats
                                                                      „Auroras Depri-Mission Impossible“                 GELÄCHTER IM GEWÖLBE
                                                                    Depristimmung im Herbst? Muss nicht sein. Bei einem Abend mit Aurora
                                                                    DeMeehl, viel Musik, unterhaltsamen Ständchen und Plaudereien lassen sich
                                                                    trübe Gedanken einfach vergessen. Passend zum jeweiligen Motto präsentiert
                                                                    Darmstadts beliebte Show-Ikone unterstützt von Ehemann Herrn Schmidt
                                                                    fröhlich umgedichtete Lieder, ein Quiz, bei dem die grauen Zellen gefordert
Abbildung: Aurora DeMeehl

                                                                    sind, und eine Hausaufgabe der musikalischen Art. Speisen und Getränke
                                                                    gibt's vom Jagdhofkeller-Team. Das kann nur gut werden! (gartl)

                                                                    Jagdhofkeller | Fr, 19.11. | 20.30 Uhr | 25 € (2G)

                                        10 Jahre Vielbunt e. V.                                  GEBURTSTAGSFEIER
                                       Vielbunt hat Nachholbedarf! Nachdem die Feier zum 10-jährigen Jubiläum im
                                       letzen Jahr coronabedingt ausfallen musste, gibt es diesen Monat eine bunte
                                       Geburtstagsfeier. Neben einem Einblick in die Arbeit des Queeren Zentrums
                                       lädt das Fest mit vielseitigem Angebot zu Austausch und Geselligkeit ein. Wie
                                       für einen guten Geburtstag üblich, geht ein mittägliches Get-together (nur für

                                                                                                                                                     Abbildung: vielbunt e. V.
                                       geladene Gäste) in eine abendliche Party (für alle!) über – mit DJs, Drinks &
                                       Dance! (as)

                                       Queeres Zentrum Darmstadt/Oetinger Villa | Sa, 20.11. | ab 21 Uhr | Eintritt frei (2G)

                                                                      Darmstadt spielt 2021                                           SPIELEFEST
                                                                    Es geht doch nichts über eine spannende Brettspielrunde mit der Familie
                                                                    oder Freunden. Die beste Gelegenheit dafür bietet sich Ende November im
Abbildung: Robert Coelho on Unsplash

                                                                    Darmstadtium. Nachdem „Darmstadt spielt“ 2020 eine Runde aussetzen
                                                                    musste, geht Hessens größtes Spielefest dank 3G-Regel nun endlich wieder
                                                                    an den Start. Damit beim Vier-Stunden-Zeitfenster keine Langeweile auf-
                                                                    kommt, kann man außerdem sein Glück bei der Tombola versuchen oder bei
                                                                    den vielzähligen Verkaufsständen vorbeibummeln. (lmj)

                                                                    Darmstadtium | Sa, 20.11. + So, 21.11. | Sa: ab 11.30 Uhr und ab 16 Uhr + So:
                                                                    ab 11 Uhr und ab 15.30 Uhr | Vierertisch: 24 € bis Sechsertisch: 36 € (3G),
                                                                    online Tisch buchen: darmstadt-spielt.de

                                        Gwen Dolyn & Toyboys (DA) + Shitney Beers (MA)                    GRUNGE-POP
                                       Im Sommer spielte Gwen Dolyn erstmals Konzerte mit ihrer Band im Rücken –
                                       mittlerweile sind die Musikerin und ihre Toyboys zu einer ziemlich packenden
                                       Live-Truppe gewachsen. Ihren Pop-Songs mit Grunge-Kante steht der volle
                                       Band-Sound richtig gut! Weiterhin als Solokünstlerin unterwegs ist Maxi
                                       Haug alias Shitney Beers. Die Slacker-Queen aus der Neckarstadt hat gerade
                                                                                                                                                    Abbildung: Gwen Dolyn

                                       ihre erste LP „Welcome to Miami“ via Zeitstrafe Records (Les Trucs, Trip Fon-
                                       taine, Captain Planet) rausgehauen. Lo-Fi-Indie at it’s best! (mn)
                                       Klingt wie: Hole, Courtney Barnett, Julien Baker

                                       806qm | Sa, 20.11. | 19.30 Uhr | 6 € (2G)
                                                                                              P | 09
# 138 - P Stadtkultur Darmstadt
Favoriten des Monats
                                                            Afro-Tanzfest 2021                                            LIVE-MUSIK & CO.
                                                           Nach 20 Jahren musste das Afro-Tanzfest letztes Jahr ausfallen, nun ist
                                                           es wieder so weit: Vorführungen verschiedener Tanzgruppen werden mit
                                                           Live-Musik begleitet, ein Bodypercussion- sowie kurze Tanz-Workshops in der
                                                           Vorführungspause laden zum Mittanzen ein und natürlich stillen afrikanische
                                                           Speisen den Hunger der Tanzenden und Zuschauenden. Mit dabei sind unter
Abbildung: Afro-Tanzfest

                                                           anderem der togolesische Musiker Anani Attih mit seiner Band Mile Novisi
                                                           und die zehnköpfige HipHop-Gruppe „afro_tude“. (lm)

                                                           Bessunger Knabenschule (Halle) | So, 21.11. | 15 bis 19 Uhr | Eintritt frei (3G),
                                                           Spenden willkommen, Reservierung empfohlen

                               Filme zum gesellschaftlichen Wandel              KINO FÜR VERÄNDERUNG
                             Schön, dass wir – jetzt, wo es kalt und ungemütlich wird – wieder in die Kinos
                             können! Noch schöner, dass die Initiative Transition Town für diesen Winter

                                                                                                                                                Abbildung: Transition Town Darmstadt
                             wieder eine Filmreihe zum gesellschaftlichen Wandel organisiert hat. Ohne
                             Eintritt zu zahlen, dürfen wir Filme wie „Motherload“ (19.12.), „Tomorrow – die
                             Welt ist voller Lösungen“ (16.01.) und „Bugs – ein gastronomisches Abenteuer“
                             (20.02.) im Programmkino Rex genießen. Diesen Monat läuft „But Beautiful“ –
                             ein Film darüber, wie auf unserer Erde alles zusammenhängt. (lm)

                             Programmkino Rex | So, 21.11. | 19 Uhr | Eintritt frei (3G)

                                                            Itay Dvori (Berlin)                                            COMIC-KONZERT
                                                           2016 spielte Itay Dvori erstmals eines seiner Comic-Konzerte. Mit dem von
                                                           ihm kreierten „synästhetischen Erlebnis“ gastiert der Komponist und Pianist
                                                           seither international auf Bühnen und bei Festivals. Zum Festakt „1700 Jahre
                                                           jüdisches Leben in Deutschland“ verzahnt er Erzählungen über prägende
                                                           deutsch-jüdische Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts mit selbst kompo-
Abbildung: Jakob Reinhardt

                                                           nierten wie improvisierten Jazz-Klängen zu den projizierten Bildern der
                                                           Comics. (mn)

                                                           Centralstation (Saal) | So, 21.11. | 20 Uhr | 16,50 € (2G)

                              „1.700 Jahre später“                                              FILMPREMIERE
                             1.700 Jahre. So lange schon leben Jüdinnen und Juden auf dem Teil der Erde,
                             der heute Deutschland ist. Auch in Darmstadt hat jüdisches Leben eine lange
                             Tradition. Der Film „1.700 Jahre später“ gibt Einblicke in die Leben von fünf
                             Jüdinnen und Juden im Alter von 16 bis 24 Jahren. Die jungen Darmstädter-
                             :innen filmen und erzählen von ihren alltäglichen Erfahrungen und Ängsten
                                                                                                                                               Abbildung: Gropperfilm

                             und erklären, was es für sie bedeutet, jüdisch zu sein. Zu sehen gibt es die
                             Doku erstmals an diesem Abend in der Centralstation! (lmj)

                             Centralstation (Saal) | Mo, 22.11. | 20 Uhr | 10 € (2G)

                                                                                       P | 10
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           Favoriten des Monats

     Auftritt/Enter Darmstadt: App -

                                                                                                                            Ausführung © Lisa-Marie Erbacher / Mockup © Rawpixel
     Rewriting the map
     Darmstädter*innen aufgepasst: Am 07.11. geht die neue, kostenlose
     App „Rewriting the map“ an den Start. Ihr könnt die Stadtkarte selbst
     mitgestalten, Euch mit anderen vernetzen, austauschen, zu Spazier-

                                                                                                                            Grafikdesign © Kanzy Hashish /
     gängen verabreden u.v.m.!
     Im Google Play Store (Android) und App Store (IOS) erhältlich.
     Im Rahmen des Projektes „Auftritt/Enter Darmstadt“
     Mehr Infos unter www.staatstheater-darmstadt.de
     Die App „Rewriting the map“ wird gefördert vom
     Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst.

Der Kulturfonds Frankfurt RheinMain
fördert das Projekt Auftritt/Enter Darmstadt
des Staatstheaters Darmstadt.

Getragen wird der gemeinnützige Fonds vom Land Hessen, von Frankfurt am Main, dem Hochtaunuskreis und dem Main-Taunus-Kreis,
Darmstadt, Wiesbaden, Hanau, Bad Vilbel, Offenbach am Main und Oestrich-Winkel. Weitere herausragende Kunst- und Kulturprojekte
finden Sie unter www.kulturfonds-frm.de / Facebook / Instagram / Newsletter
Favoriten des Monats
                                                             The Burning Hell (Neufundland)                                   GUTE STUBE
                                                            Während die „Gute Stube“ im Hoff-Art Theater noch im Dornröschenschlaf
                                                            liegt, findet die beliebte Konzertreihe im Jugendhof Bessunger Forst eine
                                                            „Zugabe“. Diesmal am Start sind die Garage-Folker The Burning Hell aus
                                                            Kanada. Neu mit im Boot ist die Singer/Songwriterin Kelly McMichael an
Abbildung: The Burning Hell

                                                            Gitarre und Tasten, die im Vorprogramm ihre eigene Musik zwischen
                                                            Americana, Synth-Pop und Grunge präsentieren wird. 2G steht an diesem
                                                            Abend für: ganz grandios. (as)

                                                            Fachwerksaal des Jugendhofs Bessunger Forst | Di, 23.11. | 20 Uhr | 8 bis 10 € (2G)

                               „Die Bar ist die Bühne“                  DARMSTADT_SPEAKERS SPEZIAL
                              Wenn sich Aktive aus zwei coronageplagten Berufsfeldern zusammentun, um
                              etwas auf die Beine zu stellen, macht das neugierig – und ergibt Sinn. Ende
                              November kooperieren „Darmstadt_Speakers“-Initiator Kai Schuber-Seel

                                                                                                                                                   Abbildung: Manfred Rademacher
                              und Sozialarbeiterin Elisabeth Lawonn mit drei Darmstädter Gastronomen
                              und stellen an drei Terminen ein buntes Programm auf die Bühne. Drei Profi-
                              künstler:innen und Laien treten im Wechsel auf. Bei dem Format können sich
                              Künstler:innen, Gastronomen und Gäste kennenlernen, netzwerken und vor
                              allem Spaß haben – denn darum geht's ja. (gartl)
                              Gastspielhaus am Mi, 24.11. + La Bodega (Innenhof) am Fr, 26.11. + Schlossgarten-
                              platz vorm Bedouin am Sa, 27.11. | 19 Uhr | Eintritt frei, Spende erwünscht

                                                             Florian Ostertag (Stuttgart)                         SINGER-SONGWRITER
                                                            Florian Ostertag ist dieser Musiker, der schon jahrelang die musikalische
                                                            Landschaft der Republik mitgestaltet und trotzdem unter dem Radar fliegt.
                                                            Egal, ob er Filmmusik komponiert, als Produzent tätig ist oder in den Bands
                                                            von Philipp Poisel oder Lena spielt – Florian Ostertag brennt für die Musik.
                                                            Zum zehnjährigen Jubiläum veröffentlichte der Songwriter im Frühjahr 2020
Abbildung: Florian Ostertag

                                                            sein langersehntes, zweites Album und jetzt ist natürlich ganz wild darauf,
                                                            die neuen Songs endlich auch live zu präsentieren. (fr)
                                                            Klingt wie: Moritz Krämer, Spaceman Spiff, Gisbert zu Knyphausen

                                                            Künstlerkeller | Fr, 26.11. | 20.30 Uhr | 11 € (2G)

                               Pentastone (DA)                            MODERN / ALTERNATIVE METAL
                              Frischen Wind in die Metal-Szene bringen Pentastone mit ihrer jungen Front-
                              sängerin Lou und Songtexten über mentale Gesundheit. Mal sind sie dabei
                              gefühlvoll und sphärisch, mal ballern aber auch einfach fette Gitarrenriffs
                              über Geschrei. Trotz des markant melodischen Stils behalten sie stets einen
                              metalligen Grundsound. Das Konzept zieht seinen roten Faden vom Album-
                                                                                                                                                  Abbildung: Florian Senger

                              Cover über das Bühnenbild, die Texte und Musikvideos bis hin zum Outfit.
                              Nicht ohne Grund inzwischen eine Bekanntheit des lokalen Metals. (pit)

                              Goldene Krone (Saal) | Fr, 26.11. | 22 Uhr | 6 € (2G)

                                                                                       P | 12
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   Favoriten des Monats
                Ausstellung bis 13. November 2021

                          Fotografien

     Pavel Odvody
          Körper, Raum und Licht

Galerie Netuschil                                       Gefördert von:

Schleiermacherstraße 8, 64283 Darmstadt
Geöffnet: Do - Fr 14.30 - 19.00, Sa 10.00 - 14.00 Uhr
www.galerie-netuschil.net
Suche und finde   Kunst im öffentlichen Raum, Folge 23: Ernst Vogel,
                          Sgraffito am Haus Finkeisen, 1955
                              TEXT: THOMAS GEORG BLANK | FOTO: NOUKI EHLERS, NOUKI.CO

Eher selten gelingt es Kunstwerken, die an oder                  langweiligen Gang. Doch im echten Leben, da geht
für Bauten entwickelt werden, eine neue Einheit                  es derzeit rund. Die Selbstinszenierungen scheitern
mit der Architektur einzugehen, um etwas zu                      vermehrt, zu häufig hat in den letzten Monaten die
schaffen, das – wie man so schön sagt – größer ist               Bühne zum Proben gefehlt. Begrüßungen gehen
als die Summe seiner Teile. Im vorliegenden Fall                 schief, der Abstand zur nächsten Person wird
gelingt dies beispiellos und eine für sich genom-                permanent falsch eingeschätzt und sogar Einsätze
men schon interessant angelegte Fassade wird                     im Dialog werden verpasst. Für geneigte Beobachter
durch Ergänzung eines relativ einfachen, geomet-                 der kleinen Momente ist es eine fruchtbare Zeit.
rischen Formspieles zur Bühne des Lebens.                        Es ist aber auch eine gute Gelegenheit, das eigene
                                                                 Management mal genau zu überprüfen. ❉
Wenige Gebäude in Darmstadt erwecken eine
derartige Schaufreude, das theatrale Potenzial geht
durch die Decke, jede Regung wird zum Spiel. Es                     Kunst im öffentlichen Raum
scheint fraglich, ob es sich bei gesichteten Personen               —­
um tatsächliche Bewohner oder doch eher um das                      Kunst findet man nicht nur in Museen und Ga-
Ensemble des Hauses handelt. Vielleicht ist die                     lerien, sondern oft auch im Freien und für jeden
Unterscheidung aber auch gar nicht so wichtig. Mit                  sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahr-
Blick auf die Soziologie sind die Grenzen zwischen                  hunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren
Darstellender Kunst und Leben sowieso unscharf                      es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen
– insbesondere, wenn man sich mit den Schriften                     des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders
von Erving Goffman beschäftigt. Der kanadische                      viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt.
Forscher hat den schönen Begriff des „Impression                    Ohne die schützenden Laborbedingungen eines
Managements“ geprägt. Gemeint ist damit der Ver-                    White Cube gehen sie allerdings schnell unter.
such, das eigene Erscheinungsbild unter anderem                     Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen
durch Wortwahl, Verhalten und Kleidung zu kontrol-                  unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verän-
lieren. In den sozialen Medien geht das Impression                  dern und unser Verständnis von Welt herausfor-
Management dank Filtern und selbst gewählten                        dern. Eine Einladung zum Fantasieren.
Ausschnitten weiterhin seinen gewohnt glatten und
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                Ausstellung bis 13. November 2021

                      Stahlskulpturen

     Matthias Will
           Kraftfeld Balance

Galerie Netuschil                                       Gefördert von:

Schleiermacherstraße 8, 64283 Darmstadt
Geöffnet: Do - Fr 14.30 - 19.00, Sa 10.00 - 14.00 Uhr
www.galerie-netuschil.net
»... ein Griechenland mit
dem Duft der Rosenhöhe.«

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Ausnahmemaler Carl Gunschmann und der künstlerische Aufbruch
        in Darmstadt – Enkel Gorry stellt zum 125. Geburtstag einen
                        Catalogue raisonné online
                               T E X T: J U L I A H I C H I | A BB I L DU NGE N: CA R L GU N S C H M A N N © VG B I L D-KU N ST
                          FOTO S: NOU K I E H L E RS, NOU K I.C O (E N KE L G ORRY VOR E X P RE SS I ON I SM US-P L A KAT) +
          STA DTA RC H I V (GU N S C H M A N N S AT E L I E R I M OBE RE N T U RM Z I M M E R EC KE RH E I N- U N D GR A F E N ST R A SSE U M 1915)

Zwei- bis dreimal in der Woche besuchte Gorry                                   Kulturpolitik für einen kulturellen Umschwung in
Gunschmann als Teenager seinen Großvater im                                     Darmstadt stark machte. Aus dem jungen Intellek-
Atelier, sah ihm beim Arbeiten zu und erlebte                                   tuellen-Kreis „Die Dachstube“, für die Gunschmann
die damalige Kunstszene in Darmstadt hautnah                                    in der gleichnamigen Zeitschrift und der daraus
mit. Das Atelier „Am kleinen Woog“ war ein Ort,                                 resultierenden Schrift „Das Tribunal“ Illustrationen
an dem sich viele Kunst- und Kulturschaffende                                   beisteuerte, entwickelte sich ein Neubeginn, der
trafen und über die Kunst und das Leben philo-                                  letztendlich mit der Gründung der Darmstädter
sophierten. Ohne damals zu wissen, dass diese                                   Sezession eine institutionelle und international
Zeit ihn sein ganzes Leben lang begleiten würde,                                beachtete Form erhielt. Die Vereinigung wird mit
pflegt Gorry heute den künstlerischen Nachlass                                  ihren progressiven kulturellen Werten als zweiter
seines Großvaters Carl Gunschmann und verwal-                                   revolutionärer Aufbruch nach der Reformbewegung
tet seit 2015 das Werkverzeichnis des begnade-                                  der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe gewer-
ten Künstlers.                                                                  tet. Insbesondere „auch das, was schockiert, muss
                                                                                gezeigt werden“, deklarierte Carl Gunschmann 1964
In Darmstadt bekannt geworden ist Carl Gunsch­                                  in einem Interview in Bezug auf die Ausstellungs­
mann als spätexpressionistischer Maler und Mit­                                 vorhaben der Sezession: „Entscheidend ist der
begründer der Darmstädter Sezession, die sich am                                künstlerische Elan und dann die Qualität.“
08. Juni 1919 gründete. „Gunsch“, wie er von seinen
Freunden seit der Schulzeit genannt wurde, etablier-                            „Gunsch“ wusste sehr genau, wovon er spricht,
te sich schnell in der Kunstszene und war weit über                             denn ein ebenso starker Zweig seiner Biografie ist
Darmstadt hinaus gut vernetzt. Er galt seinerzeit                               sein Werdegang als Bildender Künstler. In kon­
als Ausnahmetalent, der sich vor allem mit seiner                               sequenter Weise schuf er über sechs Jahrzehnte >
                                                                           P | 17
ein umfangreiches Werk aus Ölbildern, Zeichnun-               Nur einzelne Personen und Institutionen verfass-
gen und Grafiken. Mit seinen Arbeiten bewegte er              ten Publikationen und richteten Ausstellungen
sich bildmotivisch zwischen expressionistischen               ein. Um die Bedeutung und den Stellenwert
Formen und neusachlicher Distanziertheit. Er                  des Werkes weiter hervorzuheben, geht Gorry
malte vor allem Porträts, Stillleben, Landschaften            Gunschmann vom Martinsviertel aus den Spuren
oder sogenannte „Paradiesische Kompositionen“,                seines Großvaters nach und gestaltete einen
die damals ein hohes Aufsehen erzielten. Diese                frei zugänglichen, digitalen Catalogue raisonné.
stilisierte Werkgruppe mit nackten Figuren in                 Dieser ging, anlässlich des 125. Geburtstages von
üppiger Landschaft erinnert an Utopien und die                Carl Gunschmann, 2020 online. Bisher wurden
Idealkompositionen von Hans von Marées und                    rund 900 Bilder identifiziert und akribisch in eine
die malerische Tradition des 19. Jahrhundert. Die             Datenbank eingepflegt. Gorry Gunschmann geht
geometrischen Formen, die immer wieder im Werk                bei seinen Recherchen davon aus, dass er bisher
von Carl Gunschmann anzufinden sind, lassen sich              „gerade mal die Hälfte der noch existierenden
mit den kubistischen Anordnungen von Heinrich                 Bilder ausfindig machen konnte“. Besonders
Campendonk und Franz Marc sowie den expressio-                schwierig ist, so betont er weiter, eine lückenlose
nistischen Formen eines August Macke vergleichen.             Dokumentation des Frühwerkes, das fast voll-
Als Autodidakt inspirierten Gunschmann mehrere                ständig im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.
Stilbewegungen der Bildenden Kunst, aus denen er
sein ganz eigenes Formenvokabular entwickelte.                Aufgrund der Vielzahl der damals im Exil lebenden
                                                              Freunde von „Gunsch“ sind die Arbeiten des
Wortmalend formulierte Kasimir Edschmid, der mit              Künstlers in der ganzen Welt aufzufinden. Sogar
Carl Gunschmann zusammen die Sezession grün-                  aus Amerika, Australien und Neuseeland melde-
dete und ein Leben lang mit ihm verbunden war,                ten sich Personen, die in ihrer Sammlung einen
1949 bei der Überreichung des Georg-Büchner-Prei-             Gunschmann besitzen. Das Zusammentragen ist
ses: „Sie malen ein Arkadien mit Woogs-Luft,                  ein mühsamer Prozess: „Ich suche manchmal
ein Griechenland mit dem Duft der Rosenhöhe.“                 jahrelang nach Informationen zu einem Bild“, sagt
Politische Umstände zwangen Carl Gunschmann                   Gorry Gunschmann. Es brauche neben einem langen
Darmstadt zeitweise zu verlassen, dennoch war er              Atem immer auch ein wachsames Auge. So erzählt
von 1915 bis zu seinem Tod 1984 als wichtigster               er beispielsweise von einer skurrilen Entdeckung,
Künstler in Darmstadt allgegenwärtig und aus dem              die er beim nächtlichen Durchzappen durch die
damaligen Geschehen nicht wegzudenken.                        Fernsehprogramme machte und erkannte im Hin-
                                                              tergrund eines Interviews Gemälde an den Wänden,
Eine Hommage an den Großvater                                 die Ähnlichkeiten mit dem Malstil seines Großvaters
Trotz seiner Verdienste, die heute noch in der                hatten. Und siehe da: Nach akribischen Forschungen
Kulturlandschaft verankert sind, geriet Carl Gun-             bestätigte sich seine Vermutung. Es war das Bild
schmann mit der Zeit in kollektive Vergessenheit.             „Liebespaar in Landschaft“, ein Frühwerk Carl
                                                     P | 18
Gunschmanns. „Hier bin ich besonders auf der Suche           Hommage an seinen Großvater ist. Die globale Ver-
und freue mich über jeden Hinweis“, betont Gorry.            netzung kommt dem Online-Katalog zugute und so
                                                             hoffen wir, dass Gorrys laufendes Projekt weiterhin
Peu à peu und auf verschiedenen Wegen füllt sich             spannende Geschichten rund um das Werk des
das Verzeichnis, das weitaus mehr als bloß eine              Ausnahmekünstlers Carl Gunschmann bereithält. ❉

   „Gunschs“ Vita und Wirken
   —­
   Carl Gunschmann wurde am 18. Dezember 1895 in             Ehefrau Marga bekam er 1938 Sohn Peter. 1939
   Darmstadt geboren. 1910 erhielt er ein Stipen-            zog die Familie nach Gstadt am Chiemsee. 1949
   dium des Hessischen Großherzogs und nahm                  erhielt er den Georg-Büchner-Preis (als letzter
   ein Kunststudium bei Professor Adolf Beyer auf,           Nicht-Literat). Wenig später kehrte er nach
   welches er kurze Zeit später abbrach. Zusammen            Darmstadt zurück, wo ihm die Stadt eigens das
   mit dem Dichter Hans Schiebelhuth zog er 1912             Atelier „Am kleinen Woog“ bauen ließ. Im Jahr
   nach München, wo er die Bekanntschaft mit Else            1957 wurde er Präsident der Neuen Darmstädter
   Lasker-Schüler, Karl Wolfskehl, Fritz Usinger             Sezession. 1960 erhielt er die Bronzene Verdienst-
   und Adam Antes machte. Zwei Jahre später ging             plakette der Stadt Darmstadt, 1965 die Silberne.
   Gunschmann durch die Vermittlung des Generaldi-           1966 wurde er Ehrenpräsident der Neuen Darm-
   rektors der Frankfurter Museen, Georg Swarzenski,         städter Sezession. 1975 erhielt er die Johann-Hein-
   nach Paris und gehörte dort bis Kriegsausbruch            rich-Merck-Ehrung. Aufgrund einer zunehmenden
   dem Künstlerkreis des Café du Dôme an. 1915 bis           Sehbeeinträchtigung schränkte er das Malen seit
   1927 beteiligte er sich mit Grafiken an Publikati-        Beginn der 1970er-Jahre bis zur vollständigen
   onen des Darmstädter Verlags „Die Dachstube“              Erblindung ein. 1978 wurde er durch den hessischen
   und arbeitete unter anderem mit Joseph „Pepy“             Kultusminister mit dem Verdienstkreuz Erster Klasse
   Würth, Kasimir Edschmid, Theodor Haubach, Max             des Verdienstordnens der Bundesrepublik Deutsch-
   Krell und Carlo Mierendorff zusammen. Mit Kasimir         land ausgezeichnet. Am 26. September 1984 starb
   Edschmid gründete er 1919 die Darmstädter                 Carl Gunschmann in Darmstadt und fand auf dem
   Sezession. 1936 wurden drei von Gunschmanns               Alten Friedhof seine letzte Ruhe.
   Werken von den Nationalsozialisten als „entartet“
   betitelt und in diesem Zusammenhang in der Wan-           Das Werkverzeichnis und weiterführende Informatio-
   derausstellung „Entartete Kunst“ in der Darm-             nen, die sein Enkel Gorry Gunschmann zusammenge-
   städter Kunsthalle am Rheintor ausgestellt. 1937          tragen hat, findet Ihr online auf: gunschmann.de
   übersiedelte er nach München. Mit seiner zweiten

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FRUST DURCH DISTANZ
        Studieren in Corona-Zeiten – eine Darmstädter Studentin für
   Online-Journalismus berichtet vom Kampf für Präsenzveranstaltungen
                T E X T: C E L I NA B I S C HOF | I L LUST R AT I ON: A N N E-S OP H I E E NGE L H A RDT (W I N T E RH A RT ST U D I O S)

Die Corona-Pandemie hat viel von uns Studie-                                   Zwei aufregende sowie anstrengende Semester
renden abverlangt. In den Schulen herrscht                                     liegen schon hinter uns. Wir wussten nicht, was
bereits seit Monaten wieder „Normalität", eine                                 alles auf uns zukommen wird. Doch schnell war
neue mit wöchentlichen Schnelltests, Masken-                                   uns klar, dass wir unseren Campus erst mal nicht
pflicht und strengen Hygieneauflagen. Doch die                                 sehen werden: Vorlesungen, Seminare, Gruppen-
Seminarräume und Hörsäle in den Hochschu-                                      arbeiten und das Kennenlernen untereinander
len und Universitäten bleiben weitgehend leer.                                 – alles fand digital statt. Es war eine völlig neue
Wir, Student:innen der Hochschule Darmstadt                                    Situation für alle. Aber wir haben uns davon nicht
(h_da), haben uns die Frage gestellt, wie lange                                runterziehen lassen, sondern immer versucht,
das noch geht. Vor uns liegt das dritte Semester                               das Beste daraus zu machen. Der Zusammenhalt
im Studiengang Online-Journalismus. Unser                                      in dieser schwierigen und neuen Zeit war unter
Jahrgang wartete gespannt auf die erlösende                                    Kommiliton:innen sowie mit den Dozent:innen
Informationsmail für Präsenzveranstaltungen                                    sofort zu spüren: „Die Hochschule hat sich Mühe
am Mediencampus Dieburg – vergeblich. Es                                       gegeben, dass wir einander trotz der Situation
führte zu einem unablässigen Kampf schon vor                                   kennenlernen, miteinander lernen und interagie-
Semesterbeginn.                                                                ren können“, erzählt meine Kommilitonin Leonie
                                                                         P | 20
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                                                                                                                  DARMSTADT
Koppe. Doch die 20-Jährige bedauert auch, kaum
Student:innen über unseren Studiengang hinaus
kennengelernt zu haben.

Der Austausch mit Kommiliton:innen fehlt
Das Studium ist für alle eine prägende Zeit, an

                                                                                    Olga Tokarczuk
die wir uns später einmal gerne zurückerinnern
wollen. Wenn wir an ein erfüllendes Studienleben
denken, sehen wir eine Gemeinschaft von jungen
Menschen, die alle verschiedene Träume und Vor-
stellungen haben, aber dennoch das gleiche Ziel –
einen erfolgreichen Studienabschluss – verfolgen.
Durch den Austausch untereinander können wir
auch viel für unser späteres Leben mitnehmen. So-

                                                                     Wie Übersetzer
ziale Kontakte fehlen uns seit Corona. Besonders
schwer traf es Student:innen, die während dieser

                                                                        die Welt retten
schwierigen Zeit ihre Heimat für das Studium
verlassen mussten. Weit weg vom engsten Fami-
lien- und Freundeskreis – das war auch für Felix
Poser keine leichte Situation. Über 500 Kilometer
entfernt von seiner Heimat Pinneberg in Schles-
wig-Holstein zog der 21-Jährige nach Darmstadt.
Neue Menschen im neuen Umfeld treffen, ging                                    Lesung mit der Literaturnobelpreisträgerin
jedoch anfangs nicht: „Durch den Lockdown
kamen natürlich noch mehr Einschränkungen auf
                                                                               zum 100. Geburtstag von Karl Dedecius
mich zu. Da gab es schon Tage, an denen ich lieber
wieder zu Hause gewesen wäre.“
                                                                               12. November 2021, 19.30 Uhr
Die Online-Lehre ermöglichte es zwar, Leute ken-
nenzulernen. Doch es ist nicht das, was wir unter                              Evangelische Stadtkirche Darmstadt
sozialen Kontakten verstehen. „Gerade bei einem
kommunikativen Studiengang wie unserem freute                                  Moderation: Manfred Mack
ich mich umso mehr auf den Austausch mit meinen                                Übersetzung: Bernhard Hartmann
Kommiliton:innen. Stattdessen saß man allein in                                Musik: Vitold Rek & Leszek Żądło
seinem Zimmer und merkte schnell, dass virtuelles
Lernen vielleicht ansatzweise funktioniert, virtu-                             Eintritt: 10 Euro
elles Leben aber keinesfalls“, sagt Celine Georg.                              Tickets: www.stadtkirche-darmstadt.de
Für die 20-Jährige ist es belastend, zu wissen, dass                           /veranstaltungen
niemand uns die bisher verpasste gemeinsame                                    2G-Veranstaltung
Studienzeit angemessen ersetzen könne. Wie viele
andere auch vermisst sie die Präsenzlehre: Der Pra-
xis-Anteil, erzählt Leonie, sei etwas, das wir aus den
ersten beiden Semester nicht mehr wiederbekom-
men. Es fehle schon ein großes Stück, besonders
„wenn man im letzten Semester immer gehört hat,
wie bestimmte Aufgaben in Präsenz ausgesehen
hätten. Beispielsweise das gemeinsame Fotografie-
ren im Gegensatz zum Erklären einer Kamera auf
                                                         (c) Jens Balkenborg

einem Laptopbildschirm“, erzählt sie.

„Wir können nicht mehr!“
Während des zweiten Lockdowns war nur schwer
abzusehen, wann es endlich möglich sein wird,
den Campus von innen zu erkunden. Doch zum
Sommer 2021 verbesserte sich die Pandemie-Lage >
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zunehmend. Durch den Impffortschritt kam es                  nahmen. Wir können auch nicht für jeden Jahrgang
nach und nach zu Lockerungen. Die 3-G-Regel                  oder Studiengang der h_da sprechen. Wir wollten
brachte etwas Normalität in den Alltag zurück,               für uns mehr Transparenz schaffen. Das Ergebnis:
was sich auch auf Schulen sowie Universitäten                Rund 80 Prozent der 33 Online-Journalismus-Dritt-
ausgewirkt hat. Wir rechneten zwar nicht mehr mit            semester sind vollständig geimpft. Mehr als der
Präsenzveranstaltungen im Sommersemester, aber               Durchschnitt bundesweit.
unsere ganze Hoffnung lag auf dem kommenden
Wintersemester. Bestärkt wurden wir von einem                Daraufhin setzte Leonie eine Mail auf mit all un-
Bericht des Darmstädter Echos im Juli, in dem die            seren Gedanken und Gefühlen sowie dem Ergebnis
Hochschule mitteilte, dass es im Wintersemester              der Impfumfrage. Es war zwar mit viel Aufwand
„so viel Präsenz wie möglich“ geben wird. Es fühlte          verbunden, aber wir wollten endlich auch angehört
sich wie ein Traum an. Daran glauben konnten                 und ernstgenommen werden. „Das Thema von
wir jedoch erst, wenn unsere Studiengangleitung              möglicher Präsenz wurde allgemein vielleicht
dieses Vorhaben bestätigen würde. Doch in einer              zu spät angegangen, aber wir wurden ja auch
Mail von Anfang September zerplatzte der Traum:              wochenlang im Ungewissen gelassen, was uns
Studiengangleiterin Silke Heimes schrieb uns, dass           nächstes Semester erwartet“, erklärt Leonie.
vorerst keine Präsenzveranstaltungen geplant sind.
Gründe dafür sollen fehlende Raumkapazitäten                 Der Wunsch vom erfüllenden Studienleben
sein und die angebliche Tatsache, dass noch nicht            Wir erwarten keine Normalität wie vor der Pande-
genügend Student:innen vollständig geimpft sind.             mie, aber nach einem Jahr wollen wir Kompromis-
Wir alle mussten diese Mail erst mal verdauen.               se sehen, so wie es auch den Schulen gestattet
Wir waren fassungslos und frustriert zugleich. In            wurde – und auch funktioniert. In unserer weite-
unseren Köpfen sahen wir uns wieder den ganzen               ren Studienzeit wollen wir nicht länger durchgän-
Winter über allein vor dem Computer sitzen: „Ich             gig vor dem Bildschirm in Zoom-Meetings sitzen.
musste vor Verzweiflung weinen, als ich mir vor-
stellte, noch einmal sechs Monate allein in meinem           Nach unserer Mail vergingen sechs Tage ohne eine
Zimmer zu sitzen. Ich kann das einfach nicht noch            Antwort. Trotz der Angst, wieder enttäuscht zu
einmal. Vor allem nicht psychisch“, sagt Leonie.             werden, glaubten wir fest daran, etwas bewirken
                                                             zu können. Und tatsächlich hat unser Einsatz
Im dritten Semester, aber noch nie an der Uni                Wirkung gezeigt. Laut Silke Heimes haben die
Zwei Semester haben wir viel Geduld und Ver-                 Dozent:innen und das Dekanat Rücksprache
ständnis gezeigt. Wir wissen von der Herausforde-            gehalten. „Leider ist es uns weiterhin aus ver-
rung, Hygienevorschriften und Abstandsregeln für             schiedenen Gründen nicht möglich, im regulären
alle auf dem Campus adäquat umzusetzen. Aber                 Stundenplan einen alternierenden Hybrid-Unter-
dennoch konnten wir die Begründungen nicht                   richt anzubieten“, so Heimes. Doch es gibt endlich
einfach so hinnehmen – nicht noch länger. Die                einen Kompromiss: Es wird bei ausgewählten
Raumkapazität war für uns alle nicht greifbar, da            Lehrveranstaltungen einzelne Präsenztermine am
wir nie die Räume des Mediencampus gesehen                   Campus Dieburg geben.
haben. Doch es bleibt für uns unvorstellbar, dass
es für Seminargruppen von etwa 16 Studierenden               Für uns ist das ein Anfang, aber trotzdem nicht
keine Raummöglichkeiten gibt. Felix äußert das,              das, was für alle zufriedenstellend ist. „Der Großteil
was viele Student:innen schon lange denken: „Es              wird weiterhin online sein, vielleicht sehe ich in
ist für mich nicht nachvollziehbar, wie in Schulen           einem halben Jahr acht Mal meine Universität“,
seit Monaten die Schüler wieder in den Klassen-              sagt Leonie. Doch wir sagen auch: besser als nichts.
räumen sitzen, aber an den Unis Präsenzunterricht            Wir werden unseren Campus kennenlernen und
nicht ermöglicht werden kann.“                               das Gefühl vom Studieren zumindest für ein paar
                                                             Momente fühlen können. Niemand weiß, wann wir
Aktuell sind wir 33 Studierende in unserem Jahr-             wieder zur Normalität zurückkehren werden. Das
gang. Durch private Gespräche wussten wir von                vierte Semester wird das Praxissemester sein und
einigen, dass sie sich impfen ließen. Der vermeintli-        dann liegen nur noch drei Semester bis zum Bache-
chen Tatsache, dass nicht genügend geimpft seien,            lor vor uns, in denen wir hoffen, unser Studienleben
wollten wir nachgehen. Deshalb starteten wir eine            in vollen Zügen genießen zu können. Für jetzt
interne Umfrage innerhalb des Jahrgangs. Zwar gab            haben wir alles getan, was wir konnten, und wir
es von der Hochschule bereits eine Umfrage, aber             können stolz sein. Es ist ein kleines Zeichen für alle
keiner von uns wusste, wie viele genau daran teil-           Studierende, dass es sich zu kämpfen lohnt. ❉
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Auf Virensuche im
                Abwasser
     Wissen schafft in Darmstadt, Folge 7: das Forschungsprojekt
„SARS-CoV-2-Genom im Abwasser – Monitoring der Pandemieentwicklung
            mittels Sequenzierung“ an der TU Darmstadt
                          T E X T: F E L I X G ÖMÖRY | FOTO S: S USA N N E L AC KN E R/T U DA RM STA DT

Seit 1997 trägt Darmstadt den Beinamen Wis-                           Frühjahr 2020 stellten Forscher:innen fest, dass
senschaftsstadt im Titel und auf den Ortsschil-                       sich Coronaviren in den Ausscheidungen infizierter
dern. Mit ihren Ideen, Projekten und Lösungen                         Personen nachweisen lassen. Und zwar auch, wenn
füllen Forschende an TU und Hochschule                                die Personen keine Symptome zeigen. Auf Grundla-
Darmstadt oder den Fraunhofer-Instituten                              ge dieses Wissens untersuchen Wissenschaftler:in-
dieses Label mit Leben. Das P zeigt Ausschnit-                        nen der Technischen Universität Darmstadt nun in
te ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit:                          ganz Hessen das Abwasser.
Projekte, die sich auf Gesellschaft, Umwelt und
Alltag auswirken – und die Menschen dahinter.                         Verantwortlich für das Projekt ist das Team um
                                                                      Susanne Lackner, Professorin für Wasser- und
Was den Menschen in mittelalterlichen Pande-                          Umweltbiotechnologie an der TU Darmstadt. „Es
miezeiten zum Verhängnis werden konnte, lässt                         gibt zwei Dinge, die wir messen“, erklärt Lackner:
sich nun zum Vorteil nutzen: Abwasser. Schon im                       „Auf der einen Seite die Anzahl der Bruchstücke
                                                             P | 24
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von Coronaviren. So ermitteln wir Veränderungen
der Infektionszahlen. Das machen wir, ähnlich den
Medizinern, mit PCR-Tests. Auf der anderen Seite
sequenzieren wir die RNA, also das Erbgut der Vi-
ren, um eher qualitativ die Verteilung der Mutatio-
nen zu kennen.”

Abbild der Pandemie in Echtzeit
Die Vorteile des Abwassermonitorings gegenüber
den klassischen Humanproben: Entwicklungen
im Infektionsgeschehen werden fünf bis zehn
Tage früher erkannt als durch Personentestung.
Damit kann die Politik schneller mit entsprechen-
den Maßnahmen reagieren. Aber der laut Lack-
ner entscheidende Vorteil ist, dass die Methode
alle Personen miteinbezieht: „Wir sind komplett
unabhängig von jeglicher Art von Teststrategie und
Testwilligkeit“, sagt sie. Das heißt, jeder, der auf
eine ans Abwassersystem angeschlossene Toilette
geht, wird miterfasst.

Außerdem, so die Professorin, sei es – im Verhältnis
dazu, wie viele Menschen erfasst werden – wesent-
lich günstiger als die regulären Schnelltests. Diese
verlieren ohnehin an Bedeutung, da ein Großteil der
Bevölkerung geimpft ist und die Tests nun nicht            03.11. Monsters of Liedermaching
                                                           05.11. Kack & Sachgeschichten
mehr kostenfrei sind. „Dahingehend hat man über            07.11. PopKabarett Korff & Ludewig
die Abwasserseite noch einen gewissen Einblick,            09.11. Peter Stamm
was passiert. Auch, ob sich neue Mutationen bezie-         13.11. Füenf
hungsweise Varianten verbreiten.“                          14.11. Django Asül
                                                           15.11. Jan Weiler
                                                           16.11. Nils Wülker
Ein PCR-Test fürs Abwasser kostet zirka 300 Euro.          18.11. Alte Bekannte
„Zwei bis drei Tests pro Woche sind genug für zuver-       20.11. Quadro Nuevo
lässige Ergebnisse”, so Lackner. Eine RNA-Analyse          21.11. Itay Dvori
                                                           23.11. Eure Mütter (Staatstheater Darmstadt)
ist teurer, findet dafür aber nur alle zwei bis vier Wo-
                                                           26.11. Jan Plewka singt Rio Reiser
chen statt. Die monatlichen Analysekosten für ein          27.11. Johannes Floehr
Gebiet wie Südhessen schätzt die Wissenschaftlerin         28.11. Karsten Troyke & Trio Scho
auf rund 65.000 Euro. Das umfasst immerhin knapp           29.11. Judith Hermann
vier Millionen Menschen. Dieser Wert beziehe sich          02.12. Kristof Magnusson über Pet Shop Boys
                                                           05.12. Shantel & Bucovina Club Orkestar
aber nur auf die Analyse, „jemand muss die Daten           10.12. Sebastian Lehmann
dann noch auswerten.“ Insgesamt gibt das Land              13.12. Heinz Strunk
Hessen 1,5 Millionen Euro für das Monitoring aus.          17.12. The Disco Boys
                                                           21.12. Maybebop (darmstadtium)
In der Datenauswertung sieht Lackner momentan
auch die größte Herausforderung: „Wer verarbeitet          RESTART. THE. PARTY
die Daten in welcher Form und wer nutzt sie dann           Endlich wieder Party, richtig echte Party!
wie?“ Momentan schieben sich auf Bundesebene               Jeden Samstag in der Centralstation.
Umwelt- und Gesundheitsministerium gegenseitig
die Zuständigkeit hin und her. Die Kläranlagen
liegen im Zuständigkeitsbereich des Umweltminis-
teriums, aber wenn es um die Gesundheit geht, sind
das Gesundheitsministerium beziehungsweise das
Robert Koch-Institut (RKI) verantwortlich. Das Ab-
                                                             CENTRALSTATION / IM CARREE / DARMSTADT
wassermonitoring ist also technisch und finanziell               TICKETS UND INFORMATIONEN:
machbar, nur an der Bürokratie hapert es noch. >              WWW.CENTRALSTATION – DARMSTADT.DE
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                                                                    TELEFON: 06151 7806–999
                                                           FACEBOOK.COM/CENTRALSTATION DARMSTADT
Natürlich ist aber auch die Forschung noch nicht                die Behörden noch die Zuständigkeiten klären.
am Ende. Manche Fragen bleiben bislang ungeklärt:
zum Beispiel, wie viele Viren eine Person im Verlauf            Für die Zukunft wünscht sich Susanne Lackner
der Krankheit ausscheidet. Und auch, inwieweit die              mehr Austausch und Kooperation zwischen Um-
Zusammensetzung des Abwassers Einfluss auf die                  weltforscher:innen und Mediziner:innen. „Unsere
Nachweismöglichkeiten nimmt. Außerdem liegen                    Perspektive für die Zukunft ist, dass wir einen
die Messstellen sehr zentral. Die Forscher:innen                Katalog von Krankheitserregern haben und in re-
entnehmen die Proben nach der groben mecha-                     gelmäßigen Abständen schauen, was wir davon im
nischen Vorbehandelung des Abwassers in der                     Abwasser finden.“ Zwar wird das Abwasser heute
Kläranlage. „Sonst ist da zu viel anderer Schmodder             schon untersucht, aber nicht nach allen Erregern
drin“, erklärt Lackner. Das heißt aber auch, dass               und erst beim Verlassen der Kläranlage. Bisher
die Proben oft das Abwasser von mehr als 80.000                 ging es also vorrangig darum, wie man Rückstände
Menschen enthalten. Damit lassen sich neue                      im Abwasser von der Umwelt fernhält. Künftig soll
Ausbrüche nur schwer lokalisieren. Die TU ist aber              es nach Lackner auch darum gehen, was sich im
in Gesprächen mit der Stadt Darmstadt, um hier                  Zulauf der Kläranlage befindet. Also, wie es um
ein dezentrales Messsystem umzusetzen. Allein der               die Gesundheit der Menschen steht. „Vielleicht
personelle Aufwand ist bei einem solchen System                 entdecken wir im Abwasser plötzlich Erreger, die
um einiges höher und damit kostspieliger.                       bei uns gar nicht vorkommen sollten und die man
                                                                medizinisch nicht auf dem Schirm hat.“ Das wäre
Dezentrales Monitoring für Darmstadt ab November                etwa im Februar 2020 nützlich gewesen, als sich
Laut Stadtkämmerer André Schellenberg soll das                  Corona in Deutschland weitgehend unbemerkt
dezentrale Monitoring noch diesen November in                   ausgebreitet hat und die Menschen nichtsahnend
Darmstadt starten. Dann wird es, neben dem Zent-                Karneval gefeiert haben. Lackner und ihr Team se-
ralklärwerk im Nordwesten und dem Klärwerk Süd                  hen noch großes Potenzial im Abwasser. Wer hätte
in Eberstadt, zehn bis zwölf weitere Entnahmestel-              gedacht, dass es unserer Gesundheit noch mal so
len, „idealerweise an vorhandenen Pumpwerken“,                  von Nutzen sein wird. ❉
geben. Von Darmstadt-Ost bis Darmstadt-West und
von Eberstadt bis Wixhausen. Das soll monatlich
50.000 bis 60.000 Euro kosten.
                                                                  Vom Bund gefördert
Langfristig sollte sich, so Lackner, eine dauerhafte              —­
Messinfrastruktur etablieren. Dann ließe sich das                 Das im April 2021 gestartete Forschungsprojekt
Monitoring auf andere Erreger ausweiten, wie es                   „SARS-CoV-2 Genom im Abwasser – Monitoring
auch in Darmstadt geplant ist. Etwa auf multire-                  der Pandemieentwicklung mittels Sequenzierung“
sistente Bakterien. „In den Niederlanden gibt es                  ist auf eine Laufzeit von einem Jahr ausgelegt
solche Strukturen schon seit Jahrzehnten“, betont                 und wird vom Bundesministerium für Bildung und
Lackner. Auch die Europäische Union mahnte                        Forschung (BMBF) innerhalb der Strategie „For-
schon im März, dass ihre Mitglieder bis spätestens                schung für Nachhaltigkeit“ FONA gefördert. Die
Oktober ein landesweites Abwassermonitoring für                   BMBF-Fördersumme für die Forschungsarbeiten
Coronaviren entwickelt haben sollen. Etwas, wovon                 an der TU Darmstadt beträgt rund 720.000 Euro.
Deutschland noch weit entfernt zu sein scheint.
Gerade die Strukturen, um die Analysedaten zu                     Aktuelle Tweets: twitter.com/Lackner_TUDa
verwerten, fehlen noch weitgehend. Dazu müssen
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