Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 6 Juni 2021 zum Inhaltsverzeichnis TITELTHEMA: Soziale Ungleichheit
GEWERKSCHAFTSTAG HLZ 6/2021 2 Zeitschrift der GEW Hessen Landesdelegiertenversammlung am 23. und 24. September in Fulda für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 Die für November 2020 geplante or- • eine Leiterin oder ein Leiter der Ab- dentliche Landesdelegiertenversamm- teilung Rechtsschutz I M P R E S S U M lung der GEW Hessen (LDV) findet jetzt • die Leiterinnen und Leiter der Refera- in verkürzter Form am 23. und 24. Sep- te Schule und Bildung, Hochschule und Herausgeber: tember 2021 in Fulda statt, um die sat- Forschung, Sozialpädagogik, Weiterbil- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Hessen zungsmäßigen Wahlen durchzuführen dung und Bildungsmarkt, Tarif, Besol- Zimmerweg 12 und wichtige Weichen für die gewerk- dung und Beamtenrecht, Mitbestimmung 60325 Frankfurt/Main schaftlichen Schwerpunkte der nächs- und gewerkschaftliche Bildungsarbeit Telefon (0 69) 971 2930 ten Jahre zu stellen. Die Versammlung sowie Aus- und Fortbildung. Fax (0 69) 97 12 93 93 E-Mail: info@gew-hessen.de wird 2022 mit weiteren inhaltlichen Außerdem sind die folgenden weite- Homepage: www.gew-hessen.de Schwerpunkten fortgeführt. Nach der ren Wahlfunktionen durch die LDV zu Satzung sind die vorläufige Tagesord- besetzen: Verantwortlicher Redakteur: Harald Freiling nung und die zu besetzenden Wahl- • drei ständige und drei stellvertretende Klingenberger Str. 13 funktionen in der HLZ anzukündigen. Mitglieder der Landesschiedskommission 60599 Frankfurt am Main nach § 6 der Wahlordnung Telefon (0 69) 636269 Tagesordnung • fünf Mitglieder für das Präsidium der E-Mail: freiling.hlz@t-online.de • Begrüßung, Ehrung der Verstorbenen LDV nach § 2 der Geschäftsordnung Mitarbeit: • Wahl des Präsidiums, Wahl des Wahl- • fünf Mitglieder des Wahlausschusses Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch- ausschusses, Bestätigung der Mandats- nach § 2 Abs.1 der Wahlordnung schule), Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestim- prüfungskommission und der Antrags- mung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), kommission, Beschluss zur Tagesordnung Kollektive Mandatsausübung Karola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik • Ergänzungen zum Geschäftsbericht Für die ehrenamtlichen Wahlfunktionen und Gewerkschaften), Simone Claar (Hochschule) und Aussprache im Geschäftsführenden Vorstand und Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert † • Kassenbericht, Bericht der Revisoren in den Fach- und Personengruppenaus- schüssen können nach § 26 der Satzung Titelthema: Harald Freiling, Kai Eicker-Wolf • Entlastung des Vorstandes • Satzungsändernde Anträge Teams, Tandems und Einzelkandidatin- Illustrationen: • Beratung und Beschlussfassung nen und Einzelkandidaten gewählt wer- David-W- | photocase.com (Titel), Thomas Plaßmann den. Für die Funktion der oder des Lan- (S. 15, 25, 27 und 29), Ruth Ullenboom (S. 4) über den Haushaltsplan 2022-2024 • Antragsberatung desvorsitzenden können sich Tandems Fotos, soweit nicht angegeben: • Bestätigung der Vorstände der oder Einzelkandidatinnen und Einzel- GEW kandidaten bewerben, für die Funktion Verlag: Fach- und Personengruppen der stellvertretenden Landesvorsitzen- Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Wahl des geschäftsführenden Vorstands den ausschließlich Einzelkandidatin- Niederstedter Weg 5 61348 Bad Homburg Für die Funktionen im geschäftsführen- nen und Einzelkandidaten. Bis zu drei den Vorstand sind nach § 21 Abs.1 der gleichberechtigte Personen können als Anzeigenverwaltung: Team, zwei gleichberechtigte Personen Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Satzung zu wählen: Peter Vollrath-Kühne • eine Vorsitzende oder ein Vorsitzender als Tandem gewerkschaftliche Mandate Postfach 19 44 • zwei stellvertretende Vorsitzende ausüben. Dabei ist der jeweilige Anteil 61289 Bad Homburg • eine Schatzmeisterin oder ein Schatz- von Frauen einzuhalten. Werden gewerk- Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 schaftliche Mandate als Team ausgeübt, E-Mail: mlverlag@wsth.de meister • eine Redakteurin oder ein Redakteur entfallen die Wahlen der stellvertreten- Erfüllungsort und Gerichtsstand: der Zeitschrift des Landesverbands (HLZ) den Vorsitzenden. Bad Homburg Bezugspreis: Dieser Ausgabe der HLZ ist der Wandkalender Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein- schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten der GEW für das Schuljahr 2021/2022 beigelegt. sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag enthalten. Zuschriften: Aus dem Inhalt Rubriken Einzelbeiträge Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver- 4 Spot(t)light 5 Personalratswahlen 2021 öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen 5 Meldungen 6 Corona-Blog: Das sagt die GEW vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion 36 Recht: Pflichtstundenverordnung 23 Wahlen an den Hochschulen übereinstimmen. 37 Jubiläen | Nachrufe 24 Landesschülervertretung: Bildung für nachhaltige Entwicklung Titelthema: Soziale Ungleichheit Redaktionsschluss: 26 Digitale Leere im Videounterricht 7 Soziale Folgen der Pandemie 28 Auslese und Bildungsgerechtigkeit Jeweils am 5. des Vormonats 8 Ungleichheit in Hessen 30 Mehrsprachigkeit in Schule und 10 Jugendliche und Beruf: Lehrerbildung Nachdruck: Die Auswirkungen der Pandemie 32 Gedenkstätte Breitenau Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- 12 Ungleichheit und Steuerpolitik gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei- 34 Kolumbien: Bildungsgewerkschaft genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher 14 Was verdienen Frauen und Männer? unter Druck Genehmigung der Redaktion und des Verlages. 16 Hochbegabtenförderung: Zu viel 38 12. Juni: Tag gegen Kinderarbeit Geld für Schloss Hansenberg? Druck: Druck- und Verlagshaus Thiele & Schwarz GmbH 18 Reichtum und Demokratie 19-22 lea-Fortbildungsprogramm Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 6/2021 zum Inhaltsverzeichnis KOMMENTAR Ungleichheit bekämpfen Der gesellschaftliche Reichtum muss und kann ge- braucht es neben einem armutssicheren Mindest- rechter verteilt werden. Dazu brauchen wir eine stär- lohn auch die Absicherung durch ein Mindestkurz- kere Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und arbeitsgeld von 1.200 Euro und eine Ausdehnung des Spitzenverdiensten, aber auch mehr Einkommensge- Schutzes der Sozialversicherungen. Prekäre Arbeits- rechtigkeit. Das bedarf sowohl tarifpolitischer An- bedingungen müssen zurückgedrängt, 450-Euro-Jobs strengungen als auch dringender Korrekturen in der und sachgrundlose Befristungen abgeschafft werden. Arbeitsmarktpolitik. Betrachtet man den Arbeits- Es braucht eine verlässliche Absicherung von Fami- markt, so zeigt sich, dass die dortigen pandemiebe- lien, die ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, da- dingten Verwerfungen zu einer Verschärfung der so- mit der Gender Time Gap nicht noch weiter ansteigt. zialen Ungleichheit geführt haben. Die Betriebskultur muss sich ändern, damit Gleich- Erschreckend ist, dass sich die Ungleichheit zwi- stellung Realität wird und tradierte Rollenmuster bei schen Frauen und Männern verschärft. Der Gender sorgebedingten Freistellungen verdrängt werden. Und Time Gap ist pandemiebedingt gestiegen. Frauen ha- wir müssen konsequent die Einkommen in sozialen ben ihre Arbeitszeit stärker reduziert als Männer, wo- und Sorgeberufen aufwerten, tarifpolitisch und ge- durch die Arbeitszeitlücke um weitere zwei Stunden setzlich flankiert. pro Woche gestiegen ist. Alarmierend kommt hin- Der elementarste Schritt zu mehr sozialer Gerech- zu, dass die Entgeltlücke durch die Pandemie wach- tigkeit ist die bessere Tarifbindung. Höhere Gehälter, sen könnte. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit haben Sonderleistungen, bessere Arbeitszeitregelungen, eine für Frauen häufig negativere Auswirkungen auf das Aufstockung des Kurzarbeitsgeldes und eine kleine- Einkommen. Beides ist vom Nettoeinkommen abhän- re Entgeltlücke sind auf gute Tarifverträge zurück- gig, das bei Frauen in niedrigen Einkommensgrup- zuführen. Um das durchzusetzen, organisieren sich pen, auch aufgrund des Ehegattensplittings, wesent- Kolleginnen und Kollegen in starken Gewerkschaf- lich geringer ausfällt. ten. Die Bindung dieser Regelungen muss aber auch Bereits vor der Coronakrise waren die Einkommen gesetzlich gestärkt werden. Eine Grundbedingung in Deutschland ungleich verteilt. In der Krise sind es hierfür ist es, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nun aber vor allem die unteren Einkommensgruppen, von Tarifverträgen zu erleichtern. Öffentliche Aufträ- die von starken Einbußen betroffen sind. Besonders ge dürfen nur noch an Unternehmen gehen, die ih- offensichtlich wird dies in den Branchen mit relativ ren Beschäftigten Tariflöhne zahlen. Sonst untergräbt niedrigen Löhnen. Vielen Beschäftigten im Einzel- die öffentliche Hand die Tarifbindung selber und för- handel oder im Hotel- und Gaststättengewerbe droht dert den Dumpingwettbewerb. Die Hessische Landes- selbst bei 80 Prozent Kurzarbeitsgeld der soziale Ab- regierung ignoriert diesen Ansatz vollends. Hier gibt stieg. Auch prekär Beschäftigte - ganz gleich ob be- es noch viel zu tun. fristet oder geringfügig beschäftigt, mit Werkverträ- Wir dürfen nicht zulassen, dass die aktuellen Ver- gen oder in Leiharbeit – sind mehr als andere von werfungen auf dem Arbeitsmarkt zu einer Verschär- negativen Corona-Auswirkungen betroffen. Die sozi- fung der sozialen Ungleichheit in Deutschland führen. alen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pande- mie berühren daher Personen mit niedrigem Einkom- men und in prekären Beschäftigungsverhältnissen stärker. Durch die Pandemie sind besonders viele Ar- beitsplätze für Geringqualifizierte weggefallen und der Anteil Erwerbsloser ohne Berufsabschluss ist in Hessen um 26 Prozent gestiegen. Wenn wir soziale Ungleichheit abbauen wollen, gibt es mehrere Ansatzpunkte. Arbeit und Einkom- Michael Rudolph men müssen wieder konsequent und lückenlos durch Vorsitzender des DGB-Bezirks die Sozialversicherungen geschützt werden. Dafür Hessen-Thüringen
SPOT(T)LIGHT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 6/2021 4 Marlon, das Wunderkind „Bi-Ba-Butzemann“ tanzen. Lang Lang und Anne Sophie Mutter haben schließ- lich auch ganz früh angefangen! Mar- lon hat sogar schon was komponiert, behauptet die Mutter. Den Mäusewal- Bei Youtube gibt es nicht nur diese an- stellt das Video später stolz bei Youtube zer. Die Lehrerin gibt sich geschlagen. rührenden Katzenvideos, sondern auch ein. Mit Altersangabe. Von Larissa Jego- Sie unterrichtet Marlon eine halbe Stun- Sitzgymnastik für Senioren, silikonge- rowna Tschemschuschina gibt es schon de pro Woche. Die Mama ist immer da- stopfte Influencerinnen und jede Men- über 30 solcher Filme! In zehn Jahren bei und freut sich schon auf ihre ersten ge Wunderkinder. Wollen Sie für Ihre wird sie mit Sicherheit von den Orches- Interviews als engagierte Künstlermut- künstlerische Laientätigkeit am Kla- tern der Welt begleitet. ter. Leider kann sich Marlon höchstens vier wissen, wie ein bestimmter Cho- Marlon soll auch ein Wunderkind zehn Minuten lang konzentrieren. Da- pinwalzer klingen muss, geben Sie ein- werden! Er hat das richtige Alter (fast 5) nach hüpft er auf einem Bein durch den fach den Titel im Youtube-Suchfeld ein. und ein Klavier. Das haben die Großel- Raum, haut mal auf dieses Instrument, Mit Sicherheit ist bei den Pianisten, die tern spendiert. Es sieht entzückend aus, mal auf jenes. Rasselt mal hier mit den jetzt aufploppen, ein kleines japanisches wenn er auf dem Klavierhocker sitzt. Maracas und probiert, ob er den Schle- Mädchen dabei oder ein kleiner russi- Die Mama hat davon schon viele Fo- gel am Metallophon klein kriegt. scher Junge. Oder umgekehrt. Ungefähr tos an ihre Follower geschickt (noch „Tja, das sind alles die Orff-Instru- drei, vier Jahre alt, trippelt das Kind sind es nur die engsten Verwandten mente aus der musikalischen Früher- zum Flügel. Hat ein Prinzesskleidchen und Bekannten). Nun fehlt nur noch ziehung“, sagt die Lehrerin. Hat sie ei- an oder einen winzigen Samtanzug mit die richtige Lehrkraft. Leider hat man nen maliziösen Unterton? Die Mama Rüschen. Süüüß! Ein erwachsener Coach auf dem Land nicht allzu viel Auswahl. verspricht, mit Marlon mehr zu üben. hebt das Kind auf den Hocker, stellt die Die nächste russische Konzertpianis- Die Lehrerin rät dringend davon ab. Sie richtige Höhe ein, Kinderbeine baumeln tin unterrichtet 100 Kilometer entfernt. hält nichts von Drill. Aber auch nichts in der Luft – und los geht’s! Chopin, wie In der Kreisstadt gibt es in der Musik- von stundenlangen Diskussionen mit Sie ihn vermutlich nie performen wer- schule gerade mal einen freien Platz. Müttern. Manchmal lässt sie den Jun- den. Mit winzigen Händen und großem Die Lehrerin möchte eigentlich so klei- gen zum Unterrichtsschluss etwas ma- Ernst. Das Kind rasselt schnelle Läufe ne Kinder nicht unterrichten und emp- len. All die Tiere, die in den Klavierstü- herunter und verspielt sich kein einzi- fiehlt stattdessen die „Musikalische Frü- cken für die frühe Jugend herumhüpfen: ges Mal. Beifall brandet im Konzertsaal herziehung“. Aber Marlon soll Mozart Elefanten, Pinguine, Katzen. Das macht auf. Vati filmt die Pokalübergabe und und Beethoven spielen – und nicht den Marlon Spaß, Klavierspielen nicht. Sei- ne Mutter diskutiert mit ihm ausführlich die Folgen für sein späteres Leben, wenn er jetzt nicht am Klavier ausharrt. Mar- lon heult. Die Lehrerin steht am Fens- ter und trommelt. Klingt wie der Rhyth- mus von Ravels „Bolero“. Anstatt sich pädagogisch mehr zu bemühen, schlägt sie vor, den Unterricht auszusetzen, bis Marlon in die Schule kommt. Das dauert allerdings noch etwas. Die Ärztin hält das Kind für nicht schul- reif, weil es mit der linken Hand das rechte Ohrläppchen nicht erreichen kann. Außerdem malt Marlon noch Menschen, die Arme und Beine direkt am Kopf tragen. Das ist die Entwick- lungsstufe eines Dreijährigen. „Er ist doch noch so jung! Lassen Sie ihn ein Jahr länger spielen und Kind sein! Der Ernst des Lebens beginnt früh genug!“, meint die Ärztin. Wehmütig betrachtet die Mama das Fotoposter an der Wand: Marlon am Klavier. Wie schön hätte das werden können! Derzeit tobt Marlon nur drau- ßen rum, steigt auf Bäume und spielt mit den Nachbarskindern Fußball. Letz- tens hat er sich dabei einen seiner Pia- nistenfinger verstaucht. Aber vielleicht wird er ja ein zweiter Mario Götze??? Gabriele Frydrych
5 HLZ 6/2021 zum Inhaltsverzeichnis P E R S O N A L R AT S WA H L E N 2 021 Schulungen für neu GEW bleibt mit großem Abstand stärkste Kraft gewählte Personalräte Wahl des Hauptpersonalrats und der Gesamtpersonalräte der Lehrerinnen und Lehrer In der nächsten Zeit bieten die GEW Stimmenanteil: nur Beamte und die Schulungsteams des Haupt- GEW GEW DLH UL VBE Sitze: Beamte und Angestellte personalrats der Lehrerinnen und Leh- (%) (Sitze) (%) (%) (%) (Veränderung zu 2016) rer (HPRLL) zahlreiche Schulungen für Hauptpersonalrat 61,1 % 14 von 23 16,9 % 9,6 % 12,4 % neu gewählte Personalräte an. Termine der Lehrerinnen und Lehrer (-2,0 %) (15 von 23) (+2,2 %) (-3,4 %) (+3,2 %) und Anmeldemodalitäten findet man Gesamtpersonalräte der Lehrerinnen und Lehrer bei den Staatlichen Schulämtern unter anderem • für Schulungsveranstaltungen des 73,5 % 15 von 19 26,5 % 0 0 Stadt und Landkreis Kassel (-5,3 %) (15 von 19) (+5,3 %) (+/-0) (+/-0) GEW-Bildungswerks lea in dieser HLZ auf den Seiten 21 und 22 und unter Kreis Hersfeld-Rotenburg 62,1 % 9 von 15 23,3 % 0 14,6 % www.lea-bildung.de > Personal- und und Werra-Meißner-Kreis (-0,9 %) (10 von 15) (+2,6 %) (+/-0) (-1,7 %) Betriebsräte Schwalm-Eder-Kreis und 62,2 % 12 von 17 19,6 % 0 18,2 % • für Schulungsveranstaltungen der Kreis Waldeck-Frankenberg (-4,8 %) (12 von 17) (+0,5 %) (+/-0) (+4,3 %) GEW-Kreisverbände unter https://www. 50,7 % 8 von 15 33,4 % 0 15,9 % Landkreis Fulda % gew-hessen.de > Recht > Personalräte > (+0,7 %) (7 von 15) (+2,0 %) (+/-0) (-2,7 %) Schulung für Personalräte 2021 Landkreis 68,3 % 11 von 15 19,4 % 12,3 % 0 • für die Schulungsteams des HPRLL: Marburg-Biedenkopf (+2,9 %) (11 von 15) (+3,9 %) (-6,8 %) (+/-0) https://akkreditierung.hessen.de/cata- Lahn-Dill-Kreis und 52,9 % 11 von 21 16,5 % 10,9 % 19,7 % log > Thema: Qualifizierung für die Tä- Landkreis Limburg-Weilburg (-1,1 %) (11 von 19) (+2,1 %) (-1,6 %) (+0,6 %) tigkeit in Mitbestimmungsorganen > Landkreis Gießen 68,6 % 14 von 19 11,8 % 11,7 % 7,9 % Anbieter: Lehrkräfteakademie und Vogelsbergkreis (+5,8%) (13 von 19) (+0,1 %) (-5,7 %) (-0,2 %) Zu den Angeboten der HPRLL-Schu- Hochtaunuskreis 58,7 % 13 von 21 18,7 % 9,4 % 13,2 % lungsteams gehört auch eine Schulung und Wetteraukreis (+0,2 %) (13 von 21) (+0,5 %) (-3,1 %) (+2,4 %) für Personalräte an Studienseminaren Rheingau-Taunus-Kreis 57,1 % 12 von 21 23,8 % 0 19,1 % am Mittwoch, dem 15. September, von und Stadt Wiesbaden (-12,2 %) (12 von 19) (+6,8 %) (+/0) (+5,4 %) 10.15 Uhr bis 16.30 Uhr im DGB-Haus Landkreis Groß-Gerau 72,2 % 16 von 21 16,6 % 0 11,2 % in Frankfurt. und Main-Taunus-Kreis (-6,2 %) (15 von 19) (+3,7 %) (+/-0) (+2,5 %) Personalräten ist nach § 40 Abs. 2 HPVG für die Teilnahme an Schulungs- 74,8 % 17 von 23 17,0 % 0 8,2 % Stadt Frankfurt am Main veranstaltungen, die der Personalrats- (-3,6 %) (16 von 21) (+ 3,1 %) (+/-0) (+0,5 %) arbeit dienen, Dienstbefreiung zu ertei- Landkreis Offenbach 51,6 % 11 von 21 12,9 % 12,7 % 22,8 % len. Die Kosten trägt das Land. und Stadt Offenbach (-3,7 %) (12 von 21) (-0,7 %) (-2,3 %) (+6,7 %) 64,8 % 12 von 19 18,6 % 0 16,6 % GEW fordert Stopp von Main-Kinzig-Kreis (-7,0 %) (14 von 19) (+3,6 %) (+/-0) (+3,4 %) Abschiebungen aus Hessen Kreis Darmstadt-Dieburg 64,7 % 14 von 21 11,8 % 5,9 % 17,6 % und Stadt Darmstadt (-0,3 %) (12 von 19) (-2,9 %) (-2,9 %) (+6,1 %) Die GEW Hessen unterstützt den Auf- Kreis Bergstraße 66,3 % 11 von 17 19,0 % 0 14,7 % ruf für einen sofortigen Stopp aller Ab- und Odenwaldkreis (+2,4 %) (11 von 17) (-2,5 %) (+/-0) (+0,1 %) schiebungen aus Hessen. Immer wieder werden auch Menschen abgeschoben, Bei der Wahl des Hauptpersonalrats der Lehrerinnen und Lehrer entfielen in der Gruppe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Angestellte) 63,3 % der Stimmen die schon viele Jahre hier leben oder auf die GEW (-12,5 %). Die GEW stellt damit zwei der vier Vertreterinnen und Vertreter. sogar in Deutschland geboren wurden. Auf die Angestelltenliste des DLH entfielen 17,6 % (1 Sitz), auf die des VBE 19,2 % (1 Sitz). In der HLZ 5/2021 hatten wir über die 2016 waren die Lehrerverbände im Beamtenbund mit einer gemeinsamen Liste angetre- Abschiebung von Mervan und sei- ten. Eine ausführliche Analyse der Ergebnisse folgt in den nächsten Ausgaben der HLZ. ner Schwester Katia berichtet, die an der Walter-Lübcke-Schule in Wolfha- Die GEW bezeichnete das Wahlergebnis • Informationen zu den Personalrats- gen kurz vor ihrem Realschulabschluss der Personalratswahlen in Hessen als wahlen an den Hochschulen findet man stand. Das Bündnis gegen Abschiebung respektabel und zufriedenstellend. Trotz in dieser HLZ auf Seite 23. ruft am Mittwoch, dem 16. Juni, um der Schließung vieler Schulen war die • Auch bei den Wahlen in der Bil- 17 Uhr zu einer Kundgebung in Wies- Beteiligung an der Wahl zum Haupt- dungsverwaltung (Schulämter, Lehr- baden auf. personalrat der Lehrerinnen und Leh- kräfteakademie und Kultusministe- Junge GEW: Einladung zur rer (HPRLL) mit 70,2 % (-8,9) erfreu- rium) war die gemeinsame Liste von Mitgliederversammlung lich hoch. Hier bedankt sich die GEW GEW und ver.di erfolgreich. Sie erhielt insbesondere bei den ehrenamtlichen 48,9 % der Stimmen der Beamtinnen Die Junge GEW Hessen lädt alle inte- Wahlvorständen. Mit 14 von 23 Sitzen und Beamten und 80,1% der Ange- ressierten jüngeren Mitglieder (U35) verfügt die GEW weiter über eine über- stellten. Im Hauptpersonalrat Verwal- zur Mitgliederversammlung in hybri- zeugende Mehrheit im HPRLL. In der tung stellt sie 5 von 9 Mitgliedern. Ge- der Form am Samstag, dem 3. Juli, um neuen Amtszeit verfügt die GEW auch wählt sind Esther Heck, Ute Höhmann, 10.45 Uhr ein. Weitere Informationen wieder in allen 15 Gesamtpersonalräten Christopher Härmstädt, Regina Pomp in dieser HLZ auf Seite 23. über eine absolute Mehrheit der Sitze. und Gino Todisco.
CORONA-PANDEMIE zum Inhaltsverzeichnis HLZ 6/2021 6 Corona-Blog: Was sagt die GEW? Abiturprüfungen, Selbsttests und die Bundesnotbremse Dieser Blog informiert über Aktivitäten Freitag, 23. April stellung. Tatsächlich fordere die GEW der GEW Hessen in der Zeit von Mitte schon lange, die Schülerinnen und April bis zur Fertigstellung dieser HLZ Das Hessische Kultusministerium erläu- Schüler der Jahrgangsstufen 7 bis 11, Mitte Mai. Aktivitäten der Kreis- und Be- tert in einem Schreiben an die Schul- die mit Ausnahme der Abschlussklas- zirksverbände, der Personalräte und ande- leitungen die Regelungen der „Bundes- sen „seit Dezember nicht in der Schule rer Gremien der GEW sind hier nicht er- notbremse“, die bereits am folgenden waren“, nicht aus dem Blick zu verlie- fasst. Alle Statements im Wortlaut unter Tag in Kraft tritt. Dies führt dazu, dass ren und auch ihnen „mindestens einmal www.gew-hessen.de. an vielen hessischen Schulen bereits in der Woche ein Unterrichtsangebot zwei Wochen nach den Osterferien im Wechselmodell zu machen“. Damit Mittwoch, 21. April der Präsenzunterricht mit Ausnahme es möglich bleibt, die AHA-L-Regeln der Abschlussklassen wieder abgesetzt auch in der Schule weiterhin einzuhal- Zum Beginn der schriftlichen Abitur- wird. In diesen zwei Wochen hatten die ten, habe sie vorgeschlagen, auch für prüfungen kritisiert die GEW-Landes- verpflichtenden Selbsttests vor Beginn die Abschlussklassen ins Wechselmo- vorsitzende Maike Wiedwald, dass die des Unterrichts bei Lehrkräften, Schü- dell zu gehen. Die Stellungnahmen der Maskenpflicht während der Prüfung lerinnen, Schülern und Eltern zusätz- GEW kann man übrigens auch im Coro- für Schülerinnen und Schüler, die ne- lichen Stress ausgelöst. Viele Schulen na-Blog in der HLZ nachlesen, der jetzt gativ getestet sind, aufgehoben wird. sprechen von einer weiteren Vertrau- inzwischen seit mehr als einem Jahr er- Alle Fachleute seien sich einig, dass enskrise, „wenn die Schulen jetzt den scheint und die Kontinuität der GEW- die Selbsttests nur eingeschränkt zu- Eltern mit Engelsgeduld erläutern, dass Positionen zum Gesundheits- und Ar- verlässig seien. Außerdem fordert sie das Testen die Möglichkeit erhöht, die beitsschutz dokumentiert. „deutlich mehr Vorkehrungen zum Ge- Schulen offen zu halten, und unmit- sundheitsschutz“. Dazu gehörten etwa telbar nach der Einführung der Test- hochwertige Luftfilteranlagen und Montag, 26. April pflicht die Schulen wieder geschlos- Trennwände aus Plexiglas. sen werden“. Die GEW Hessen fordert die hessische Die Freude von Kultusminister Lorz, Landesregierung auf, bei der Regelung Donnerstag, 22. April dass nun auch die Schülerinnen und zur Notbetreuung für die hessischen Ki- Im Rahmen einer landesweiten Presse- Schüler der Jahrgangsstufen 7 und hö- tas nachzusteuern. Die Einschränkun- konferenz erläutern die GEW-Landes- her „endlich wieder vor Ort in der Schu- gen ab einer Inzidenz von 165 hät- vorsitzende Birgit Koch, der Vorsitzen- le unterrichtet werden“ können, wirkt ten mit einem „echten Lockdown“, mit de des hessischen Grundschulverbands wenig glaubwürdig, denn dies hatte er dem man die dritte Welle brechen wol- Mario Michel und Thomas Schwar- durch die Fixierung auf den vollen Prä- le, „nichts zu tun“. Die hessische Rege- ze vom Arbeitskreis der Direktorinnen senzunterricht für die Abschlussklassen lung werde dazu führen, dass der Ki- und Direktoren hessischer Gesamtschu- lange torpediert. Die „Bundesnotbrem- ta-Betrieb weitgehend weiterlaufe und len die gemeinsamen Forderungen zur se“ sieht dagegen den Wechselunter- komme „einer Kapitulation gegenüber Schulentwicklung unter Pandemiebe- richt für alle Jahrgangsstufen vor, wenn der Pandemie gleich“. Die GEW-Vorsit- dingungen. Die Schulen benötigten die Inzidenz regional den Wert von 165 zende Birgit Koch erneuert die Forde- dringend zusätzliche personelle Res- nicht überschreitet. Die GEW hatte sich rung nach einer verbindlichen Testung sourcen, um spätestens im kommenden zuvor für eine vorsichtige Rückkehr der von Kita-Kindern, um frühzeitig In- Schuljahr insbesondere Kinder und Ju- höheren Klassen mit einem Präsenztag fektionsketten unterbinden zu können. gendliche aus benachteiligten Famili- pro Woche ausgesprochen. Den Wert en „intensiv und individuell zu fördern von 165 hält sie allerdings weiterhin Samstag, 1. Mai und zu unterstützen“. Birgit Koch und für „deutlich zu hoch“ angesetzt. Birgit Koch erneuert bei ihrer Rede zum Thomas Schwarze verwiesen auf die immensen Belastungen, denen Lehr- Samstag, 24. April 1. Mai in Fulda die Kritik der Gewerk- schaften an der Schuldenbremse, die kräfte und Schulleitungen seit inzwi- Wenige Tage vor der Personalratswahl nach der Pandemie „fröhliche Urstän- schen einem Jahr ausgesetzt sind: „Der wartet die bei Kolleginnen und Kolle- de“ feiern könne. Aber auch nach der kurzfristige Wechsel zwischen Präsenz- gen beliebte Plattform News4Teachers Pandemie brauche man „Geld für In- unterricht, Wechselunterricht, Fernun- mit der anonymen, tendenziösen vestitionen und Daseinsvorsorge, für terricht und Notbetreuung, die häufig Falschmeldung auf, die GEW Hessen Bildung, Mobilität, Pflege, Gesundheit, auch noch parallel zu stemmen sind, habe „einen rasanten Schwenk hinge- Energie und Klimaschutz". zehrt an den Nerven." Die Schulleitun- legt“ und sich „von einer harten Kriti- gen mussten die Weisungen aus Wies- kerin der Schulöffnungspolitik der Lan- baden meist ausgesprochen kurzfristig desregierung hin zur Dränglerin für Alle weiteren Informationen: vor Ort umsetzen, häufig von Freitag schnelle Schulöffnungen“ entwickelt. www.gew-hessen. de auf Montag. Die GEW reagiert mit einer Gegendar-
7 HLZ 6/2021 zum Inhaltsverzeichnis TITELTHEMA Titelthema: Soziale Ungleichheit Auch in der Pandemie sitzen nicht alle im selben Boot „Das Virus macht keine Unterschiede.“ Diese und andere Pa- • Zu ähnlichen Ergebnisse kommt der Datenreport 2021 des rolen sollen den Zusammenhalt befördern und suggerieren, Statistischen Bundesamts. Danach berichteten während der dass „alle im selben Boot sitzen“. Aber die Behauptung ist wie ersten Welle von März bis Juli 2020 17 Prozent der an- und so oft, wenn dieses Bild bemüht wird, falsch. Denn Corona ungelernten Arbeiterinnen und Arbeiter und 14 Prozent der macht Unterschiede, trifft Arme häufiger als Reiche, Men- einfachen Angestellten von finanziellen Schwierigkeiten: schen in prekären Lebensverhältnissen mehr als in gut situ- „Bei Bezieherinnen und Beziehern von Niedrigeinkommen war es ierten Verhältnissen, soziale Brennpunkte mehr als wohlha- fast jede/-r Fünfte. Bei den Facharbeiter-, Meister- und qualifi- bende Wohngebiete. Das höhere Risiko betrifft nicht nur die zierten Angestelltenberufen fielen die Anteile mit rund 9 % deut- Häufigkeiten einer Infektion, sondern auch den Krankheits- lich niedriger aus. Am häufigsten waren Alleinerziehende (25 %) verlauf und die Gefahr, an Sars-CoV-2 zu sterben. und Selbstständige (20 %) von finanziellen Problemen im Zuge Die Gründe liegen auf der Hand: enge Wohnverhältnisse der Pandemie betroffen. Auch Menschen, die nach Deutschland im sozialen Brennpunkt oder in Gemeinschaftsunterkünften, zugewandert sind, berichteten mit 15 % fast doppelt so häufig schlechtere Zugänge zum Gesundheitssystem, Arbeitsplät- von finanziellen Schwierigkeiten wie Menschen ohne Migrati- onshintergrund.“ (2) ze im Niedriglohnbereich ohne ausreichenden Arbeitsschutz und ohne Chance auf Home-Office, Abhängigkeit vom öf- • Ein ähnliches Bild zeichnet eine Studie der Hans-Böck- fentlichen Personennahverkehr u.v.m. ler-Stiftung, für die im April und Juni 2020 mehr als 6.000 Nivellierende Aspekte wie der Ischgl-Tourismus der Schö- Erwerbspersonen befragt wurden (siehe Abbildung): nen und Reichen waren schnell verflogen. Seit August 2020 „Insgesamt gaben rund 32 Prozent der Befragten an, Einkommen nahm der Anteil von Menschen mit hohem Einkommen, die durch die Pandemie eingebüßt zu haben. Erwerbstätige mit Mi- grationshintergrund waren stärker betroffen: Selbst wenn man an Corona erkrankten, rapide ab. Faktoren wie das Bildungsniveau oder die Branche herausrech- Und schließlich sind Frauen stärker betroffen als Männer, net, kam es bei ihnen öfter zu Einkommensverlusten. Eltern da sie in Bereichen mit einem besonderen Infektionsrisiko bis mussten im Vergleich zu Kinderlosen häufiger Einbußen verkraf- zu 100 Prozent der Beschäftigten ausmachen: in Pflege, Be- ten. In der unteren Einkommensgruppe mit maximal 900 Euro treuung und Erziehung, im Bereich der körpernahen Dienst- netto monatlich waren fast 48 Prozent betroffen, während es in leistungen oder im Einzelhandel. der obersten Gruppe mit mehr als 4.500 Euro netto knapp 27 Die Pandemie trifft also nicht alle gleich. Das gilt aber Prozent waren. Auch Befragte in Leiharbeit oder Minijobs be- nicht nur für das Infektionsrisiko und das höhere Risiko, an richteten häufiger von einem Minus.“ (3) Sars-CoV-2 zu versterben, sondern auch für die sozialen und Stark betroffen sind aber auch Selbstständige, Kleingewer- gesellschaftlichen Folgen der Pandemie, für die Einkommens- betreibende oder Künstlerinnen und Künstler, die keinen An- entwicklung, für die Gefahr von Überschuldung und Arbeits- spruch auf Kurzarbeitergeld haben und lange vergeblich auf losigkeit oder für die Bildungschancen. staatliche Ausgleichszahlungen warten. Das Kurzarbeiter- All das ist leicht zu erahnen, aber inzwischen auch viel- geld konnte einige Härten ausgleichen und Menschen vor- fach begründet und belegt: erst in Arbeit halten. • Nach dem aktuellen Entwurf des neuen Armuts- und Harald Freiling Reichtumsberichts der Bundesregierung haben 30 Prozent (1) https://www.aerzteblatt.de/archiv/218459 der Befragten mit besonders niedrigen Einkommen seit Be- (2) Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 10.3.2021: ginn der Pandemie Probleme, ihre laufenden Ausgaben zu https://bit.ly/2PzG3Ea decken und zusätzlich auch noch Schutzmasken, Corona- (3) Böckler-Impuls 17/2020: https://www.boeckler.de/data/im- Selbsttests und Desinfektionsmittel zu finanzieren. Bei einem puls_2020_17_S1.pdf Fachgespräch der Friedrich-Ebert-Stiftung Hessen erneuer- te Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, ihre Forderung nach einem Corona-Zuschlag von 100 Euro zur Grundsicherung. Dafür sollten Menschen und Betriebe mit großem Vermögen mit einer einmaligen Vermögensabgabe herangezogen werden. • Die soziale Schere wird auch durch eine Studie des Ro- bert-Koch-Instituts (RKI) bestätigt (1). In den sozial benach- teiligten Regionen Deutschlands ist die Corona-Sterblichkeit um 50 bis 70 Prozent höher als in privilegierten Regionen. So lag der Inzidenzwert zu Beginn der zweiten Welle An- fang November bei ärmeren Menschen im Alter von 60 bis 79 Jahren bei rund 80, bis Januar stieg er auf 190. Bei den bessergestellten Senioren im gleichen Alter fiel der Wert in der gleichen Zeit von rund 110 auf rund 100, also auf knapp die Hälfte der Inzidenz der Ärmeren.
SOZIALE UNGLEICHHEIT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 6/2021 8 Ungleiches Hessen Regionale Disparitäten und ungleiche Bildungschancen Die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft spiegelt können. Sie wurde im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung sich auch in regionaler Hinsicht, denn die Gemeinden und von einem Team um Professor Stefan Fina am Institut für Regionen driften wirtschaftlich und sozial immer weiter aus- Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund er- einander. Während sich primär in den Universitätsstädten stellt. Dabei werden Regionen im Rahmen einer Cluster-Ana- wissensintensive Industrie- und Dienstleistungsunternehmen lyse anhand von einer Vielzahl an Indikatoren typologisiert. ansiedeln, qualifizierte Fachkräfte in diese oder in die attrak- Hier soll nicht versucht werden, diese umfangreiche Arbeit tiven Umlandgemeinden zuziehen, werden andere, vor allem in allen Facetten wiederzugeben, deren Ansatz auch kritisch ländliche Regionen mehr oder weniger abgehängt. Auch in gesehen werden kann. So droht hinter einer solchen Typolo- den an sich prosperierenden Städten konzentrieren sich die gisierung der Blick für divergierende Entwicklungstrends im sozialen Problemlagen. Andererseits gibt es auch Gemein- Detail verloren zu gehen, auch ließen sich alternative Clus- den und Städte, denen der Strukturwandel in einem schwie- terbildungen diskutieren. Gleichwohl ermöglicht die Fülle der rigen Umfeld gut gelingt. Die Herausforderungen, die sich regionalen Daten den mit dem Bundesland vertrauten Lese- den Bildungseinrichtungen vor Ort stellen, sind in vielerlei rinnen und Lesern vielfache Aha-Erlebnisse. Hinsicht durch ihr Umfeld bestimmt. Das gilt gerade auch für das Bundesland Hessen, das sich durch ausgesprochen star- Dynamische Städte - ländlicher Raum ke regionale Gegensätze auszeichnet – von der boomenden Rhein-Main-Region hin zu sehr ländlichen Kreisen in Mit- In die Analyse fließen Indikatoren zu fünf Themenberei- tel- und Nordhessen. Viele der größeren Städte, wo in alten chen ein: Industrien zahlreiche Arbeitsplätze weggebrochen sind, sind • Das Feld Arbeitsmarkt und Beschäftigung umfasst unter massiv vom Strukturwandel betroffen. anderem die regionale Arbeitslosigkeit und den Anteil der Dieser Thematik widmet sich die aktuelle Studie „Unglei- hochqualifizierten Beschäftigungsverhältnisse. ches Hessen“, Abbildung 27 die bereits in ihrem Untertitel die Frage auf- • Die Lebens- und Bildungschancen werden unter anderem Schulabgänger_innen wirft, ohneLebensverhältnisse wie gleichwertige Abschluss 2017 erreicht werden an den Ausmaßen der Kinderarmut sowie an der Erreichbar- Anteil der Schulabgänger_innen ohne Hauptschulabschluss an allen Schulabgänger_innen keit von Bildungseinrichtungen festgemacht. in Prozent • Beim dritten Feld geht es um Wohlstand und Gesundheit, Schulabgänger_innen beispielsweise bemessen an der Höhe der durchschnittlichen ohne Abschluss 2019 NIEDER- Entgelte und des Mietniveaus. SACHSEN • Das vierte Feld Staatliches Handeln und Partizipation Kassel fokussiert die kommunalen Steuereinnahmen und auch die Kassel Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl. • Fünftens geht es um Wanderungen, also um das Verhält- Waldeck-Frankenberg Werra-Meißner-Kreis nis von Zu- und Abwanderungsbewegungen. NORDRHEIN- WESTFALEN Daraus werden dann vier unterschiedliche Raumtypen Schwalm-Eder-Kreis konstruiert. Die Gebietskörperschaften, die dem gleichen Hersfeld-Rotenburg Raumtyp zugeordnet werden, weisen bei einer Vielzahl der Marburg-Biedenkopf Einzelindikatoren ähnliche Ausprägungen auf. THÜRINGEN Lahn-Dill-Kreis • Die dynamischen Städte und Umlandgemeinden mit Ex- Vogelsbergkreis klusionsgefahr finden sich vornehmlich in der Rhein-Main- Gießen Fulda Region und in Südhessen, auf sie entfallen 1,7 Millionen Ein- wohnerinnen und Einwohner. Limburg-Weilburg Wetteraukreis • Um diese herum liegt Hessens solide Mitte, in der 2,2 Mil- Hochtaunus- kreis BAYERN lionen Menschen leben. Auch diese zeichnen sich durch wirt- Rheingau-Taunus-Kreis Main-Kinzig-Kreis schaftliche Stärke und hohe Verdienstmöglichkeiten aus, die Main- Taunus- Frankfurt dynamischen Städte sind gut erreichbar. a.M. Wiesbaden Kreis Offenbach • Deutlich heterogener ist die Lage in den Städten und Ge- meinden mit deutlichen sozioökonomischen Herausforderun- gen, auf die 1,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Groß-Gerau Darm- Darmstadt- stadt RHEINLAND- Dieburg in Prozent PFALZ entfallen. Hier sind die Verdienstmöglichkeiten schlechter, Odenwaldkreis bis unter 4,5 die Arbeitslosigkeit höher. Dieses Cluster umfasst viele länd- Bergstraße 4,5 bis unter 5,0 liche Regionen im ganzen Bundesland, aber auch die Städ- te Kassel und Offenbach. 5,0 bis unter 5,5 • Die wenigsten Menschen, rund 0,9 Millionen, leben im BADEN- 0 10 20 km WÜRTTEMBERG 5,5 bis unter 6,0 flächenmäßig am stärksten vertretenen Raumtypus, den länd- 6,0 und mehr lichen Gemeinden mit langfristigen strukturellen Heraus- forderungen. Zu einem schwachen Arbeitsmarkt kommt die Anteil der Schulabgänger_innen Quelle: eigene Darstellung. ohne Hauptschulabschluss an allen Datengrundlage: INK AR: Statistik der allgemeinbildenden Schulen des Bundes Schulabgänger_innen in Prozent (Quelle: Fina/Heider 2021, S.34) und der Länder, GeoBasis-DE/BKG 2020.
9 HLZ 6/2021 zum Inhaltsverzeichnis TITELTHEMA schlechte Erreichbarkeit des Einzelhandels und der Einrich- die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen und für die tungen im Gesundheits- und Bildungssektor. sich der Übergang in Ausbildung oder auf den Arbeitsmarkt Kinderarmut wird an der Anzahl der Kinder unter 15 Jah- ausgesprochen schwierig gestaltet. Überdurchschnittlich hohe ren festgemacht, die sich im SGB II-Leistungsbezug befin- Quoten finden sich erwartungsgemäß primär in den größe- den. Die höchsten Quoten verzeichnen die Städte Kassel, Gie- ren Städten Kassel (7,0 Prozent), Offenbach (6,8 Prozent) ßen, Wetzlar und Offenbach, in denen jedes vierte Kind als und Wiesbaden (6,5 Prozent). Deutlich überdurchschnitt- arm gilt. Auch in den als dynamisch charakterisierten süd- liche Werte weisen allerdings auch zwei ländlich geprägte hessischen Städten ist die Armutsquote von Kindern hoch: Landkreise auf, der Odenwaldkreis und der Vogelsbergkreis. Sie beträgt 17 Prozent in Frankfurt, 22 Prozent in Wiesba- Diese wenigen Befunde machen hinreichend deutlich, dass den und 20 Prozent in Darmstadt, so dass der Zusatz „mit Bildungseinrichtungen in den verschiedenen Regionen Hes- Exklusionsgefahr“ durchaus berechtigt ist. In den ländlichen sens mit unterschiedlichen Ausgangslagen und mit stark di- Gemeinden spielt Kinderarmut eine deutlich geringere Rolle, vergierenden Anforderungen konfrontiert sind. Darauf müs- hier bewegt sich die Abbildung Abbildung 53Quote zumeist im einstelligen Bereich. 53 sen sie passgenaue Antworten finden. Das Bildungssystem Für KitasDigitalisierung und Schulen in Digitalisierung den Städten bedeutet das hohe Maß 2019 alleine kann allerdings nicht die Schäden reparieren, die Anteil an Kinderarmut Anteilderder Haushalte eine mit einem besondere Haushalte Breitbandanschluss mit Herausforderung. einem Da sie sich Breitbandanschluss entstehen, wenn Gemeinden NortheimundNIEDER- Regionen mit den Folgen von vonmindestens 50 Mbit/s mindestens an allen 50 Mbit/s anHaushalten allen Haushalten in bestimmten Stadtvierteln konzentriert, gilt das insbeson- des Strukturwandels alleine gelassen SACHSEN werden. Nicht zuletzt in inProzent Prozent dere für die in diesen angesiedelten Bildungseinrichtungen. die von der HöxterGEW aufgezeigten Unterschiede beim Schulbau machen deutlich, dass die finanziellen Handlungsspielräume der finanzschwächeren Schulträger dringend gestärkt wer- Auch die Kinderarmut ist ungleich verteilt Göttingen den müssen. Angesichts neuer Aufgaben für die Schulträger Wie gut sich Kommunen ihren Aufgaben stellen können, beispielsweise imKassel Bereich der IT-Ausstattung müssen zusätz- hängt maßgeblich von dem vor Ort gegebenen Steueraufkom- liche Ressourcen bereitgestellt werden. Die Entwicklung der men ab. Wenn die Steuereinnahmen gerade so ausreichen, um „dynamischen Städte“ Kassel muss so gestaltet werden,Eichsfeld dass „Ex- die gesetzlichen Pflichtaufgaben zu erfüllen, schrumpft der klusionsgefahren“ abgebaut werden. Handlungsspielraum für eine gestaltende Kommunalpolitik Hochsauer- landkreis Roman George auf ein Minimum. Wenn durch den Strukturwandel Steuer- Werra-Meißner-Kreis einnahmen wegbrechen und sich die Möglichkeiten für In-Waldeck-Frankenberg Stefan Fina und Bastian Heider (2021): Ungleiches Hessen. vestitionen immer weiter reduzieren, NORDRHEIN-droht eine sich selbst Wie können gleichwertige Lebensverhältnisse erreicht wer- verstärkende Abwärtsspirale: DieWESTFALEN sinkende Attraktivität als den. Herausgeber: Friedrich-Ebert-Siftung, Landesbüro Hes- Unternehmensstandort führt zur Abwanderung mobiler Fa- sen Wiesbaden. Download: https://ungleiches-hessen.de milien, wodurch das Steueraufkommen letztendlich noch Schwalm-Eder-Kreis Eisenach Siegen- weiter sinkt. Angesichts der kommunalen Wittgenstein Zuständigkeit für den Schulbau, für die Schulsozialarbeit und für die außer-Abbildung Abbildung 5353 Hersfeld-Rotenburg THÜRINGEN Digitalisierung schulische Bildung in Musikschulen oder VolkshochschulenAnteil der Haushalte mit einem Breitbandanschluss Digitalisierung Digitalisierung 2019 Marburg-Biedenkopf 2019 Anteil der Haushalte mit einem Breitbandanschluss NIEDER- Northeim von mindestens 50 Mbit/s an allen Haushalten ist das Bildungssystem davon ganz unmittelbar betroffen. invon mindestens 50 Mbit/s an allen Haushalten inProzent Prozent SACHSEN Wartburgkreis Höxter Die kommunale Steuerkraft wird im Landesdurchschnitt Göttingen mit 841 Euro pro Einwohnerin bzw.Lahn-Dill-Kreis Einwohner im Jahr be- Kassel ziffert. Die Spannweite ist allerdings extrem und reicht bis Vogelsbergkreis Eichsfeld knapp 6.000 Euro in Eschborn. Westerwaldkreis Auch die Stadt Frankfurt und Kassel weitere Umlandgemeinden weisen deutlich erhöhte Werte Hochsauer- Gießen Fulda landkreis Werra-Meißner-Kreis auf. Ursächlich hierfür ist die Ansiedlung von umsatzstar- NORDRHEIN- Waldeck-Frankenberg ken Großunternehmen. Im Zeitverlauf ist das Steueraufkom- WESTFALEN men zudem dort besonders gewachsen, wo es ohnehin schon Schwalm-Eder-Kreis Eisenach Limburg-Weilburg Siegen- Wittgenstein hoch war, während es andernorts stagniert. Eine GEW-Unter- THÜRINGEN Hersfeld-Rotenburg Wetteraukreis Marburg-Biedenkopf suchung der Schulbauinvestitionen in Hessen hat aufgezeigt, Wartburgkreis Hochtaunus- dass diese ausgesprochen stark zwischen den Schulträgern kreis Lahn-Dill-Kreis Vogelsbergkreis variieren (www.gew-hessen.de Rhein-Lahn-Kreis > Themen > Finanzpolitische Westerwaldkreis BAYERN Gießen Arbeitspapiere 4). Dabei überrascht es nur wenig, dass die mit Fulda Main-Kinzig-Kreis Rheingau-Taunus-Kreis Abstand höchsten Schulbauinvestitionen für den Hochtau- Limburg-Weilburg Main- nuskreis und den Main-Taunus-Kreis zu konstatieren Taunus- Frankfurtsind, BAYERN Wetteraukreis Kreis ausfällt.a.M. Hochtaunus- wo die kommunale Steuerkraft amWiesbaden höchsten Rhein-Lahn-Kreis kreis BAYERN Im Zusammenhang mit dem Distanzunterricht während Aschaffenburg Rheingau-Taunus-Kreis Main-Kinzig-Kreis Offenbach Main- der Corona-Pandemie hat auch dieMainz Versorgung mit schnel- Wiesbaden Taunus- Kreis BAYERNFrankfurt a.M. lem Internet massiv an Brisanz gewonnen: Ohne Breitband- Aschaffenburg Offenbach Aschaffenburg Mainz-Bingen Groß-Gerau in Prozent anschluss sind Videokonferenzen nicht durchführbar. Nur in Mainz Darm- in Prozent Aschaffenburg stadt Darmstadt- Mainz-Bingen Groß-Gerau Darm- den größeren Städten, in weiten Teilen Südhessen und in ei-Dieburg Darmstadt- bis unter 65 stadt Dieburg bis unter 65 65 bis unter 90 nigen mittelhessischen Regionen verfügt eine Mehrheit der Miltenberg RHEINLAND- Miltenberg PFALZ 65 bis unter 90 90 bis unter 95 Haushalte über einen – immer RHEINLAND- noch vergleichsweise langsa- Odenwaldkreis 95 bis unter 98 90 bis unter 95 men – Breitbandanschluss vonPFALZ Bergstraße mindestens 50 Megabit pro Odenwaldkreis 98 und mehr Worms keine Daten Sekunde. In Nordhessen ist diese Bandbreite außerhalb der 95 bis unter 98 Mittelwerte der Stadt- Stadt Kassel praktisch nicht verfügbar. Worms Bergstraße 0 10 20 km BADEN- und Gemeindetypen in Prozent 98 und mehr Heidelberg Im Zusammenhang mit Bildungsthemen betrachtet die WÜRTTEMBERG 81,4 Hessen keine Daten 98,9 Studie auch den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die Anzahl der Kreise im Wertebereich 96,9 Großstadt Mittelstadt 50 40 Anteil der Haushalte mit Breitbandanschluss Mittelwerte der Stadt- von mind. 50 Mbit/s große Kleinstadt 80,6 kleine Kleinstadt 91,1 0 10 20 km 30 an allen Haushalten undin Prozent (Quelle: Gemeindetypen Fina/Heider 66,4 Landgemeinde 2021, S.57) Heidelberg 20 BADEN- in Prozent 10 0 WÜRTTEMBERG 81,4 Hessen 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Indikatorenausprägung in Prozent
SOZIALE UNGLEICHHEIT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 6/2021 10 Jugend und Beruf Wer sind die Verliererinnen und Verlierer der Pandemie? Abitur, Prüfungen, Abschlüsse, Versetzungsregelungen: Das sich die Zahl der jungen Menschen, die in das sogenannte Über- sind die großen Themen, wenn es um Schule in der Pande- gangssystem einmünden, in den vergangenen Jahren deutlich auf mie geht. Aber wie geht es Jugendlichen und jungen Erwach- über 250.000 erhöht.“ senen beim Übergang von der Schule in den Beruf? Was ist Eine Befragung von jungen Menschen, die im Februar und mit jungen Menschen, die ihre Ausbildung in der Gastrono- März 2021 im Auftrag der Bertelsmannstiftung durchgeführt mie oder in der Veranstaltungsbranche machen? Was ist mit wurde, zeigt ein ähnlich gespaltenes Bild: Azubis, deren Betriebe die Pandemie nicht überstehen oder „71 % aller Befragten – das sind 10% mehr als im Vorjahr – sind die gut ausgebildete junge Menschen nicht mehr überneh- der Ansicht, dass sich die Chancen auf einen Ausbildungsplatz men? Wer „sozialer Ungleichheit“ begegnen will, darf seinen durch Corona verschlechtert haben. Für zukünftige Studierende Blick nicht nur auf Abiturientinnen und Abiturienten richten. sieht es deutlich besser aus: Weniger als ein Viertel (24 %) al- Im Vergleich zum Vorjahr wurden laut Berufsbildungs- ler Befragten glaubt, die Chancen auf einen Studienplatz seien bericht 2020 in Hessen 13 % weniger Ausbildungsverträ- durch Corona beeinträchtigt.“ ge abgeschlossen. Im Februar 2021 verzeichneten die Ar- Auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack beitsagenturen einen Rückgang der gemeldeten Stellen um warnt vor „Langzeitschäden auf dem Ausbildungsmarkt“, 12,8 %, aber auch die Zahl der Bewerberinnen und Bewer- nachdem das Minus von 11 % bei den neuen Ausbildungs- ber ging um 15,6 % zurück. Die Ursachen sind vielschichtig: verträgen jetzt schon das in der globalen Finanzkrise 2009 Praktika zur Berufsorientierung fielen aus, Berufsberaterin- übersteigt (-8,4 %): nen und Berufsberater der Bundesagentur für Arbeit wurden „Vor allem junge Menschen mit niedrigen oder mittleren Schul- für die Bearbeitung des Kurzarbeitsgeld eingespannt, Bera- abschlüssen sowie Jugendliche aus Einwandererfamilien drohen tungen an Schulen und in den Berufsberatungszentren, Tage zu den Verlierern der Krise zu werden. Die Corona-Krise trifft der Offenen Tür und Berufsbildungsmessen wurden gecan- auf einen ohnehin schon angespannten Ausbildungsmarkt. Schon vor Corona blieb gut jeder dritte Jugendliche mit Hauptschulab- celt und viele Jugendliche entscheiden sich aufgrund der Un- schluss ohne Ausbildung. Insgesamt hatten bereits vor der Pan- sicherheiten der Pandemie für einen längeren Schulbesuch. demie mehr als 1,3 Millionen junge Menschen im Alter von 20 Unter dem Titel „Kein Anschluss trotz Abschluss?“! be- bis 29 Jahren keine abgeschlossene Ausbildung. Das sind 14 % fasst sich eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts für dieser Altersgruppe.“ Bildungs- und Sozialökonomie (FIBS) mit der Situation be- Im Ausbildungsplatzförderungsprogramm des Landes wur- nachteiligter Jugendlicher am Übergang Schule – Ausbil- de die Förderberechtigung auf Betriebe mit bis zu 499 Be- dung. Danach sank die Zahl der neuen Ausbildungsverträge schäftigten ausgeweitet (bisher 299). Kleinere Betriebe mit schon in den letzten Jahren vor der Pandemie deutlich und 249 Beschäftigten können einen Zuschuss von 75 Prozent erreichte 2020 mit unter 470.000 „einen historischen Tief- der Ausbildungsvergütung erhalten, wenn der Betrieb in stand“. Diese Entwicklung werde lediglich durch die Tatsache Kurzarbeit ist und jungen Menschen trotzdem die Fortfüh- gebremst, dass der Anteil der Abiturientinnen und Abiturien- rung der Berufsausbildung ermöglicht. ten, die im Anschluss an das Abitur eine duale Ausbildung Nach Angaben der Agentur für Arbeit werden in Hes- absolvieren, steigt: sen für das neue Ausbildungsjahr 27.600 Ausbildungsstel- „Stattdessen sind die Chancen sowohl für Jugendliche mit als len angeboten, dem stehen 27.532 Bewerberinnen und Be- auch ohne Hauptschulabschluss deutlich schlechter als noch werber gegenüber. Aus dem laufenden Ausbildungsjahr sind Anfang des letzten Jahrzehnts - in beiden Fällen sind die Über- gangsquoten mit knapp 50 % bzw. knapp 80 % um etwa zehn noch 16.000 Stellen unbesetzt, dem stehen 15.800 unver- Prozentpunkte niedriger als noch 2012. Dementsprechend hat sorgte Bewerberinnen und Bewerber gegenüber. Die Zahl der Jugendlichen, die weitere schulische Maßnahmen an- streben, ist deutlich höher als in Zeiten vor der Pandemie. Das Ausmaß der Krise wird an der Tatsache deutlich, dass jetzt sogar die wirtschaftsnahe Bertelsmannstiftung Ausbil- dungsprämien für Betriebe für „nicht mehr ausreichend“ hält und sich der Forderung nach einer Ausbildungsga- rantie anschließt, wie sie auch von DGB-Vize Elke Han- nack gefordert wird: „Notwendig ist eine Ausbildungsgarantie nach dem Vorbild Ös- terreichs, um den Jugendlichen, die keinen betrieblichen Aus- bildungsplatz finden, den Einstieg in das erste Ausbildungsjahr zuzusichern. Und dies notfalls auch bei einem außerbetriebli- chen Träger. Diese Garantie muss immer die Möglichkeit um- fassen, die Ausbildung komplett zu absolvieren und eine Ab- schlussprüfung zu machen.“ Ralf Becker Abbildung: Bertelsmann-Stiftung (https://bit.ly/33sU2Pb)
11 HLZ 6/2021 zum Inhaltsverzeichnis TITELTHEMA Nachgefragt Auszubildende vor verschlossenen Türen Vor genau einem Jahr berichteten die Berufsschullehrerinnen Der schulische Teil bietet eine größere Kontinuität, aber auch Frauke Matthes und Sonja Steppich in der HLZ 6/2020 über hier fehlen die Praxis in der Schulküche, das legendäre Prü- die Herausforderungen in multinationalen Lerngruppen, über fungsessen, bei dem die Prüflinge die erweiterte Prüfungs- sprachsensiblen Unterricht und über den großen Ehrgeiz von kommission bewirten, und natürlich der Austausch mit den Schülerinnen und Schülern der Bergiusschule in Frankfurt, anderen Azubis und den Lehrkräften. Praxisaufgaben im The- die sich allen Widrigkeiten zum Trotz, mit noch unzureichen- orieunterricht zu erläutern und zu hoffen, dass sie dann im den Deutschkenntnissen, ohne gesicherten Aufenthaltsstatus Betrieb umgesetzt werden können, funktioniert nach Fraukes „durchbeißen“. Die Ausbildung im Bereich der Gastronomie Erfahrungen nur bei wenigen, größeren Betrieben. und des Hotelgewerbes ist für sie ein wichtiger Schritt in ein In den Gastroberufen findet der Berufsschulunterricht im Berufsleben, das ihnen das bieten soll, was ihnen bisher oft Blockmodell statt: Die Schülerinnen und Schüler sind zwei verwehrt war: Sicherheit, eine materielle Existenz, die Mög- Wochen im Betrieb und eine Woche in der Schule. Dankbar lichkeit, eine Familie zu gründen oder ihre Angehörigen zu ist Frauke, dass die Schule im Projekt „Der zweite Berufs- unterstützen. Das Gespräch wurde damals noch vor Beginn schultag“ einen zusätzlichen Schultag anbieten kann, der ge- der Pandemie aufgezeichnet. rade für die Klassen, in denen alle Schülerinnen und Schü- Aber wie geht es den Azubis im Service, im Hotel oder ler einen Migrationshintergrund haben, extrem wichtig ist. in der Küche eines Altenheims heute, nach einem Jahr des Schon im letzten Jahr gab es einen massiven Einbruch bei Lockdowns, der kaum eine Branche so hart trifft wie das Ho- den Ausbildungsverträgen, die Zahl der Parallelklassen ist tel- und Gaststättengewerbe? Darüber sprach HLZ-Redakteur von vier auf drei reduziert worden: Harald Freiling mit Frauke Matthes, der Klassenlehrerin der „Im neuen Schuljahr werden es wohl nur noch zwei Parallelklas- 11Kö – so das schulische Kürzel für Köchinnen und Köche im sen sein. Vor einem Jahr waren die Betriebe noch optimistisch zweiten Ausbildungsjahr. Schon meine Frage, wie es ihren und es gab kein Szenario, dass die Gaststätten ein Jahr später Schülerinnen und Schülern geht, bringt Frauke ins Grübeln: immer noch dicht sind. Die Zeit, in der es viel zu wenige Bewer- „Wenn ich das nur wüsste? Auch bei uns ist fast alles dicht. berinnen und Bewerber für die Ausbildungsstellen gab, ist vor- Selbst die Abschlussklassen sind vor der Kammerprüfung in frei- bei. Heute sind wir schon froh, wenn die Ausbildungsverträge willige Quarantäne gegangen, damit niemand am Prüfungstag auch bei einer Insolvenz fortbestehen, dass andere Betriebe ein- infiziert ist und ein halbes Jahr auf den nächsten Termin warten springen oder die Förderprogramme des Landes oder des Bun- muss. Wir machen natürlich Online-Unterricht und der klappt des zum Zuge kommen. Aber machen wir uns nichts vor: Viele auch viel besser als beim ersten Lockdown. Aber viele Schü- Jugendliche werden in kleinen Betrieben, in Familienunterneh- lerinnen und Schüler machen ihre Kamera nicht an. Und das men ausgebildet. Von denen werden viele auf der Strecke blei- nicht nur, um das Datenvolumen zu reduzieren, nein, sie schot- ben. Das will ich mir noch gar nicht ausmalen, auch nicht, wie ten sich und ihre Sorgen ab, sie wollen keinen Blick in die oft viele ausgebildete Jugendliche nicht mehr übernommen werden.“ beengten Wohnverhältnisse zulassen. Und auch das beschäftigt Unzufrieden ist Frauke Matthes mit der Organisation der mich sehr: Wenn eine Schülerin im Präsenzunterricht bedrückt Abschlussprüfungen. Die aufwändigen Hygienemaßnahmen wirkte, stiller war als sonst, dann konnte ich sie nach dem Un- würden es zwar möglich machen, dass auch der praktische terricht ansprechen. Jetzt ist Stille und nur vereinzelt erreicht Teil absolviert werden kann, denn schließlich könne man die mich ein persönlicher Hilferuf.“ Abschlussprüfung für den Koch oder die Köchin nicht „rein Natürlich hat Frauke Matthes Informationen, was in den theoretisch“ durchführen. Für den Theorieunterricht wünscht Betrieben läuft. Viele Jugendliche sind in Kurzarbeit, seit ei- sich Frauke mehr Flexibilität: nem Jahr nicht mehr im Betrieb oder nur noch tageweise. We- „In der theoretischen Prüfung müsste man dringend an die Inhal- nige Hotels haben noch für Geschäftsreisende geöffnet, aber te ran, nicht nur in den sprachsensiblen Klassen. Auch wir wol- auch hier ist die praktische Ausbildung nur noch rudimentär: len keine Corona-Köche oder Corona-Servicekräfte. Aber so zu „Gut, sie können dann das Frühstück servieren, aber die Viel- tun, als gäbe es Corona nicht, das geht nicht. Gerade bei Schü- falt des Berufs ist tot: Es gibt keine Veranstaltungen, kein Ban- lerinnen und Schülern aus benachteiligten Familien lässt sich kett, keinen Brunch, kein Catering. Auch viele Ausbilderinnen der Präsenzunterricht nicht in dem Umfang, wie wir es jetzt er- und Ausbilder sind in Kurzarbeit.“ leben, durch Distanzunterricht ersetzen.“ Auch in der Lehrküche der Bergiusschule in Frankfurt fehlt der Präsenzunterricht. (Foto: Atelier Altenkirch)
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