175 Jahre Koch, Neff & Oetinger Verlagsauslieferung und Koch, Neff & Volckmar - 175 Jahre Familienunternehmen - Tradition
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Tradition, die mit der Zeit geht. 175 Jahre 175 Jahre Koch, Neff & Oetinger Verlagsauslieferung und Koch, Neff & Volckmar – 175 Jahre Familienunternehmen Jubiläums-Feier am 24. September 2004
Tradition, die mit der Zeit geht. 175 Jahre Liebe Gäste, wir freuen uns sehr, mit Ihnen unser 175-jähriges Firmenjubiläum feiern zu dürfen. Mit Stolz blicken wir auf eine erfolgreiche Firmengeschichte zurück, die von sechs Generationen Familiengeschäftsführern zusammen mit engagier- ten und treuen Mitarbeitern und langjährigen Kunden und Geschäftspartnern gestaltet werden konnte. Dafür möchten wir Ihnen allen unseren herzlichen Dank aussprechen. Seit 175 Jahren zeichnen sich KNO VA und KNV durch ein Höchstmaß an Qualität und Zuverlässigkeit, durch den außerordentlichen Einsatz unserer Mitarbeiter sowie durch Innovationen für die Buchbranche und eine klare Kontinuität und Berechenbarkeit unserer Geschäftspolitik aus. Mit großem Engagement werden wir auch in der Zukunft unsere unternehmerische Zielsetzung von Unabhängigkeit, Stabilität und Solidität konsequent ver- folgen und umsetzen. 175 Jahre Familienunternehmen – das bedeutet, damals wie heute, sich Herausforderungen zu stellen, Krisen zu bewältigen und den Mut zu Innovationen zu haben. Wir möchten Sie auf den folgenden Seiten zu einer spannenden Reise in die Firmengeschichte einladen. Oliver Voerster betrachtet die Historie unserer Unternehmen als eine Geschichte von Herausforderungen und Krisenbewältigungen, während Frank Thurmann die Innovationen als Triebfeder der unternehmerischen Entwicklung darstellen wird. Frank Thurmann Oliver Voerster 1829 1900 2
175 Jahre Familienunternehmen Eine Geschichte von Herausforderungen und Krisenbewältigungen Von Oliver Voerster Wenn wir heute auf eine Firmengeschichte von 175 Jahren zurückblicken, an der sechs Generationen mitgewirkt haben, können wir aus der Fülle interessanter Ereignisse leider nur einige davon eingehender betrachten. In diesem langen Zeitraum lassen sich drei besonders bedeutende Phasen unterscheiden: die ersten 90 Jahre nach der Unternehmensgründung waren durch großes Wachstum, die Jahre vom Ende des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren durch Krisenbewältigung, und die Zeit nach 1948 war vom Wiederaufbau geprägt. Über sechs Generationen hinweg gab Überraschend groß ist die Anzahl • mehrere Währungsvereinheit- es Herausforderungen, die eher der Themen, die sich mehrmals lichungen verschiedenster einmaligen Charakter hatten, wie in 175 Jahren wiederholt haben, wie Länderwährungen auf Mark • die Fusion von F. Volckmar mit dem • die Diskussionen über Transport- in den 1870er Jahren, zwei fast gleich großen Unternehmen gebühren und Auslieferungszeiten Währungsreformen 1924 und K. F. Koehler um die Zeit des Ersten • der Ausgleich zwischen Arbeit- 1948 sowie eine Währungs- Weltkriegs nehmer- und Arbeitgeberinteres- union von DDR-Mark auf • der Wiederaufbau nach dem sen über Arbeitszeiten und Ent- D-Mark Zweiten Weltkrieg lohnung etc. • Auseinandersetzungen mit der • die Enteignung der Unternehmen • 5 Generationswechsel Zensur nicht nur im Dritten Reich in Leipzig • 3 Kriege mit den unterschiedlichs- und unter der Besatzung nach • das Beschwerdeverfahren in Brüssel ten Auswirkungen: 1870/71 gegen dem Zweiten Weltkrieg, sondern 2000–2002 im Kampf um die Preis- Frankreich, der Erste und der auch gleich von Anfang an in den bindung. Zweite Weltkrieg Jahren 1829–1848. 1950 1980 2004 3
I. Firmengründung und Unternehmenswachstum Zensur Mit kreativen Ideen wurde immer wie- den von den Zensur- und Zollbehörden Friedrich Volckmar war nicht nur der versucht, das System der Zensur für ein rein geographisches Werk unser Firmengründer, sondern auch zu überlisten. Manchmal wurden bean- angesehen. In dem Zusatz Nota bene der Firmenchef, der die meisten Vor- standete Bücher mit unverfänglichen unten auf der Faktur wird das Werk strafen und Haftstrafen in seinen zusammengeheftet oder gar als Ver- kurz als „unstreitig die wichtigste Akten angesammelt hatte. Hierfür packungsmaterial deklariert. Erscheinung der neuern Literatur“ waren die Zensurgesetze und seine Eine große Herausforderung bestand in angepriesen und daher wird auch emp- liberale Geisteshaltung die Ursache. der Auslieferung des Verlags Hoffmann fohlen, „aus triftigen Gründen um ... Volckmar war stets der Rekordhalter & Campe, der aufgrund seiner revolu- möglichst schnelle Verbreitung“ zu unter den Leipziger Kommissionären, tionären Autoren Heinrich Heine, sorgen. Die „schnelle Verbreitung“ wenn es um Zensurverstöße ging. Ludwig Börne und Karl Gutzkow auf sollte den geübten Leser darauf hin- Seit 1841 war er fast jährlich durch die permanentem Kriegsfuß mit den Zen- weisen, dass das Werk aufgrund von Verbreitung verbotener Schriften auf- surbehörden stand. Das Verbot von Zensurverstößen der Gefahr einer gefallen und wurde dementsprechend Hoffmann & Campe in Preußen und die polizeilichen Beschlagnahmung unter- bestraft. In den Jahren 1841 und 1842 strengen Zensurgesetze in Österreich liege und deshalb schnell an interes- erhielt er jeweils Gefängnisstrafen von machten Kreativität und Geschicklich- sierte Leser verkauft werden sollte. mehreren Tagen – 1842 waren es 6 –, keit des Kommissionärs nötig. Ein gern Auch an dem Beispiel der „Reisebilder“ die glücklicherweise in hohe Geldstra- angewandtes Mittel, um die Behörden von Heinrich Heine lässt sich gut erken- fen umgewandelt wurden. zu täuschen, waren falsche Titel. nen, dass es der junge Kommissionär Friedrich Volckmar machte die bis So gingen die bei Hoffmann & Campe Friedrich Volckmar mit seinem Verlag 1848 bestehende Zensur viel zu schaf- erschienenen „Briefe aus Paris“ von Hoffmann & Campe, der es sogar darauf fen. Er stand in dem Ruf, gerade bei Ludwig Börne unter dem Titel „Mitthei- angelegt hatte, die Zensurbehörden Titeln, die von der Zensur betroffen lungen aus dem Gebiete der Länder- und bloßzustellen und zu provozieren, wirk- waren, „Hervorragendes zu leisten“. Völkerkunde“ nach Österreich und wur- lich nicht einfach gehabt hat. Friedrich Volckmar Buchhändlerfaktur zu Ludwig Börnes „Briefe aus Paris“ 4
Wachstum kaum mehr bewältigen. verlief, wenn der Kassierer nicht zuge- Es häuften sich Reklamationen und gen war oder der betreffende Sortimen- Beschwerden der Sortimenter über ter seinen Kommissionär nicht mit Kommissionäre, der Kommissionäre „Kasse“ (= Bargeld) versehen hatte. Die über Sortimenter, und der Verlage über Abrechnung mit den Sortimenterkom- Kommissionäre und Sortimenter. Kurz- mittenten war aufgrund des Markt- um: Alle waren mit allen unzufrieden. wachstums nicht mehr am Ende der Auf der Grundlage eines Memoran- Messetermine möglich. Zu Beginn der dums unseres Firmengründers aus dreißiger Jahre mussten auswärtige dem Jahre 1833 verfassten 1846 fast Buchhändler mit einem Aufenthalt von alle wichtigen Kommissionäre in Leip- drei bis vier Wochen rechnen. Einer zig ein gemeinsames Memorandum, Anregung Friedrich Volckmars aus dem das sie im ganzen Buchhandel Jahr 1836 ist es zu verdanken, dass die verbreiteten. Zum einen sollten die Umwandlung der Messeabrechnung in Sortimenterkommittenten darüber ein einfaches Zahlungsgeschäft allge- aufgeklärt werden, warum es Liefer- mein als notwendig erkannt wurde und verzögerungen gab und Bestellungen auch umgesetzt werden konnte. Die nicht vollständig ausgeführt werden Sortimenter blieben verstärkt weg und konnten, zum anderen sollten sowohl übergaben den Kommissionären zu- den Sortimentern als auch den Ver- sammengestellte Rechnungslisten lagen Regeln vorgegeben werden, die sowie das nötige Bargeld zur Bezah- Reisebilder von Heinrich Heine, diese Probleme reduzieren würden lung. Zu Beginn der sechziger Jahre Hoffmann & Campe 1827 und damit zu einer zuverlässigeren dauerte die Messe nur noch wenige Zusammenarbeit führen sollten. Tage. Mit dieser Erleichterung vollzog sich der Bedeutungsaufschwung des Probleme des Zahlungsverkehr Leipziger Kommissionärs. Marktwachstums Buchhaltung war damals sehr personal- In den ersten beiden Jahrzehnten der aufwändig. Da es das System von Über- Unvollständige Sendungen Firmengeschichte prallten zwei Gegen- weisungen noch nicht gab, wurde meis- und Paketverluste sätze aufeinander: die Zensurgesetze tens als Barpaket geliefert. Diese Pakete Eine der Ursachen für unvollständige mit einschränkenden und lähmenden mussten also bei Übergabe bar bezahlt Lieferungen war, dass über 25% der Auswirkungen auf der einen Seite, und werden, was nicht immer reibungslos Verlagstitel nicht im Lager der auf der anderen Seite ein rasantes Wachstum im Buchhandel. Durch die Mechanisierung und Automatisierung im Zuge der industriellen Revolution entstanden ungeahnte Produktions- kapazitäten. Parallel entstand eine un- geheure Nachfrage nach Lesestoff durch Lesegesellschaften und Leih- bibliotheken. Von 1830 bis 1850 hatte sich der Buch- markt verdreifacht. Das junge Unter- nehmen F. Volckmar wuchs noch schneller und hatte sich in diesem Zeitraum verfünffacht. Zu den Kommit- tenten von F. Volckmar gehörten einige noch heute bekannte Namen wie Carl Heymanns, Herder, Hoffmann & Campe und Julius Springer. Die alte Organi- sation des Buchmarktes konnte dieses Hauptkontor/Buchhaltung 5
10, 8, 4 und 2 Jahren lässt erkennen, dass die Unterschlagungen sehr bedeutend gewesen sein mussten. Lieferzeiten Das enorme Marktwachstum hatte zur Folge, dass es nicht mehr ausreichte, 2-3 mal pro Woche auszuliefern, son- dern dass eine tägliche Auslieferung nötig wurde. Lieferverzögerungen von ein bis zwei Wochen entstanden ent- weder durch die Versendungsweise der Verleger, die die Nova in alphabe- tischer Reihenfolge der Sortimenter Buchhändlerischer Paket-Transport und Kommissionäre vorhanden waren verschickten, oder durch die Unmög- Austausch in Leipzig um 1900 und erst vom Verlag besorgt werden lichkeit, sämtliche Pakete gleichzeitig mussten. an alle Leipziger Sortimenterkommis- Die Aufgabe der Markthelfer bestand sionäre weiterzuleiten. darin, die fertigen Pakete von den Es ist überraschend, aber auch beru- Kommissionären zur Post oder Bahn higend, dass wir uns auch heute zu bringen und dort aufzugeben. Im noch immer wieder mit den gleichen Memorandum wurde darüber auf- Themen beschäftigen. geklärt, dass die Hauptursache für Mit dem Memorandum von 1846 Paketverluste falsche oder unleserliche wollten die Kommissionäre Klarheit Adressen waren. 1836 häuften sich schaffen und Regeln für eine bessere Klagen über verloren gegangene Zusammenarbeit vorgeben. Entgegen Pakete in erschreckendem Maße. Bei den Befürchtungen der Verfasser gab F. Volckmar war Hoffmann & Campe es nur positive Reaktionen. besonders davon betroffen. Unter- suchungen ergaben, dass eine Bande von Markthelfern unter Mitwirkung Generationswechsel eines Antiquars und eines früheren Ein wichtiger Schritt für die Zukunft Berliner Geschäftshaus: Strumpffabrikanten ihr Unwesen von Tradition war der erfolgreiche Über- Ausfahrt der Burschen trieb. Die Schwere der Haftstrafen mit gang von der ersten zur zweiten Genera-
Carl Voerster 1826-1899 Alfred Voerster 1859-1944 Hans Volckmar 1875-1942 tion, und mit diesem erklärt sich auch, Wachstum durch Firmen- stamm nach wie vor in unserem was es mit dem Namen Voerster auf sich käufe und Fusionen Gesellschafterkreis vertreten ist und hat und warum dieser in keinem Während das Unternehmenswachstum bis vor kurzem durch Johannes Vogel Firmennamen vertreten ist. in den ersten Jahrzehnten nach der auch an der Geschäftsführung aktiv In der Zeit großer Expansion gelang Firmengründung hauptsächlich durch beteiligt war. es dem Firmengründer, seinen ein allgemeines Marktwachstum 17-jährigen Neffen Carl Voerster, geprägt war, stand die zweite Hälfte Konkurrenzkampf mit dem meinen Ururgroßvater, von Soest des 19. Jahrhunderts ganz unter der Koehler-Konzern nach Leipzig zu holen, auszubilden, Strategie, durch Fusionen und Firmen- Die Entwicklung des Koehler-Konzerns ihn zunächst zu seinem „ersten und zukäufe weiter zu wachsen (siehe Kas- ab 1850 war beeindruckend. Nach besten Mitarbeiter“ zu entwickeln ten). Diese Expansionsstrategie wurde der Trennung des Verlags vom Kom- und ihn nach 11 Jahren 1854 zum auch unter der dritten Generation mit missionsgeschäft wurde letzteres Mitinhaber zu machen. Die Familien- Alfred Voerster und Hans Volckmar konsequent ausgebaut. 1888 wurde bande wurden dann nochmals enger, intensiv fortgeführt. ein Barsortiment gegründet, das als sich die Herzen seines Neffen und Im Hinblick auf das Volumen war die einen Schwerpunkt auf wissen- seiner Tochter Maria Emilie fanden Fusion mit L. Staackmann heraus- schaftliche Titel legte und schnell und er den bewährten jungen Freund ragend. Staackmann brachte Verlag, expandierte. und Teilhaber auch als Schwieger- Barsortiment und Kommissions- Zwischen den Konzernen Volckmar sohn in seine Arme schließen konnte. geschäft mit ein. Erwähnenswert ist und Koehler entbrannte ein scharfer Das Verhältnis zwischen Friedrich auch, dass es das einzige fusionierte Konkurrenzkampf, der beide Firmen Volckmar und Carl Voerster wurde so Unternehmen ist, dessen Familien- über zwei Jahrzehnte viel Geld kostete „intim“, dass zwar getrennt gekocht, aber an einem Tisch gemeinsam 1872 Beteiligung an der Pierer’schen Hofdruckerei gegessen wurde. 1880 Übernahme J.G. Mittler (89 Kommittenten) 1858 zog sich Friedrich Volckmar mit 1888 Übernahme T.O. Weigel (34 Kommittenten) 59 Jahren aus der operativen Geschäfts- 1893 Übernahme Justus Naumann (45 Kommittenten) leitung zurück und verkaufte das Kom- 1901 Übernahme Reinsche Buchhandlung (59 Kommittenten) missionsgeschäft und Barsortiment 1903 Übernahme Albert Koch in Stuttgart (234 Kommittenten) zu gleichen Teilen an seinen Sohn Otto 1907 Fusion mit L. Staackmann (202 Kommittenten) und Barsortiment und an seinen Neffen Carl Voerster. 1907 Übernahme R. Mickisch in Berlin (116 Kommittenten) Fast zwei Jahrzehnte widmete er sich 1908 Fusion mit Carl Cnobloch (372 Kommittenten), Übernahme 1910 bis zu seinem Tod 1876 der Entwick- 1908 Fusion mit A. Oetinger in Stuttgart (159 Kommittenten) lung des F. Volckmar Verlags und des 1911 Übernahme J.F. Steinkopf, Kommissionsgeschäft in Stuttgart C. F. Amelang Verlags, die er zu erfolg- 1918 Fusion Koehler & Volckmar reichen Verlagen ausbaute. 7
und zu Engagements führte, die teil- Bild von der anscheinend guten wirt- Abteilungen beider Firmen. Kommis- weise große Verluste nach sich zogen. schaftlichen Lage Deutschlands ist sionsgeschäfte und Verlage blieben Besaß Koehler eine Lehrmittelabtei- ein Trugbild ... Deshalb meine ich, getrennt, folgten 1923 aber nach. lung, baute auch Volckmar eine auf; sollten unsere Firmen schon jetzt für Für die Koehler-Familie war Dr. Kurt ging Volckmar 1900 mit einer Filiale diese kommenden schweren Zeiten Koehler der Entscheidungsträger und des Kommissionsgeschäfts nach Berlin, eine noch größere Konsolidierung Verhandlungsführer. Er war der ein- kam auch Koehler; hatte Volckmar und eine Reduzierung ihres Risikos zige Repräsentant der dritten Genera- 1903 ein Kommissionsgeschäft in anstreben.“ tion. Seine beiden Brüder waren im Stuttgart durch die Übernahme von Beide Unternehmen hatten beein- Ersten Weltkrieg gefallen. Albert Koch erworben, zog 1907 druckende Geschäftshäuser erbaut. Das Ergebnis der verschiedenen Koehler mit dem Kauf von Paul Neff 1878 wurde durch Carl Voerster und Fusionen führte dazu, dass 1925 die nach, worauf Volckmar wieder nach- Otto Volckmar ein neues Geschäfts- Koehler-Seite mit 40% und die legte und 1908 A. Oetinger in Stuttgart haus in der Hospitalstraße 10 erstellt, Volckmar-Seite mit 60% am gemein- übernahm. das in den Jahren 1906/07 deutlich samen Konzern Koehler & Volckmar vergrößert wurde. 1893/94 war bei beteiligt waren. Mit dem Tod von Fusion mit Koehler Koehler ein großes Gebäude am Täub- Dr. Kurt Koehler im Jahre 1945 schied Die Initiative zur Fusion ging auf das chenweg mit 4.850 qm Grundfläche die Koehler-Familie komplett aus Betreiben des Volckmar-Konzerns entstanden. dem Konzern aus. Sein Sohn als zurück. Man war zu der Überzeugung 1918 fusionierten die beiden Unter- potenzieller Nachfolger war 1943 im gelangt, dass eine freundschaftliche nehmen mit ihren beeindruckenden Krieg gefallen, und die Erben seiner Vereinigung dieser beiden Großfirmen Geschäftshäusern zur Koehler & Brüder waren schon 1938 ausgeschie- dem unwirtschaftlichen Wettbewerb Volckmar AG. Der Zusammenschluss den und abgefunden worden. So fand vorzuziehen sei. 1917 schrieb Hans betraf zuerst nur die Barsortimente die Beteiligung der Koehler-Familie Volckmar an Karl Franz Koehler: „Das sowie die Lehrmittel- und Auslands- ein tragisches Ende. Das Koehler-Haus Dr. Kurt Koehler 1893-1945 8
II. Krisenjahre Vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Dritten Reichs Nach 90 Jahren Wachstum und Aufschwung begann mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, kurz nach der großen Fusion von Koehler und Volckmar, eine Zeit der Krisen. Die nächs- ten 30 Jahre waren geprägt durch sozialistische und rechtsradikale revolutionäre Entwicklungen, Wirtschaftskrisen entstanden durch Inflation, Isolation und Zerstörung, auf die rechtsstaatliche Sicherheit war kein Verlass mehr, Steuern und Gesetze wurden immer mehr zu einer außerordentlichen Belastung für Unternehmen und über allem stand eine Erfahrung und ein Gefühl: Unsicherheit! Alfred Voerster hat sich über viele lation“, und die Steuer-Gesetzgebung Situation gab es nur eine Möglichkeit, Jahre hinweg intensiv bei sozialen sei einseitig auf Arbeitnehmer und nämlich nach innen zu arbeiten, um Einrichtungen wie der „Vereini- gegen Unternehmer ausgerichtet. nach der Fusion durch Zusammen- gung für Krankenvorsorge“, einer fassungen der Betriebe Kosten zu gemeinnützigen Baugesellschaft Inflation und reduzieren. und einem Verein für Obdachlose Weltwirtschaftskrise engagiert. Im eigenen Unternehmen Die dritte Generation mit Alfred Inflation wurde 1891 von ihm die Friedrich Voerster und Hans Volckmar begeg- Ein wichtiger Bestandteil der Volckmarsche Hilfskasse ins Leben nete den Krisen der Zeit mit einem Leistung eines Kommissionärs für gerufen. In seiner Familienchronik Gründerbewusstsein: „Wir wollten seine Sortimenterkommittenten war schreibt er: „Ich suchte die Gefah- uns nicht damit begnügen, das die Abwicklung des Zahlungs- ren, die unserem Personal durch Ererbte allmählich unter unseren verkehrs und das Verwalten von Krankheit und Tod drohten, auf dem Händen schwinden zu sehen, sondern Vorschüssen, oder eine Zwischen- Wege der Versicherung, unter Beihilfe wollten selbst wieder eine erste finanzierung, wenn Vorschüsse nicht der Beteiligten, erträglicher zu Generation begründen, die sich aus da waren oder nicht ausreichten. machen.“ Nach dem verlorenen Ersten eigenen Kräften eine neue Wirt- Nur wenige Kommissionäre waren Weltkrieg war aber vieles aus dem schaftsstellung erwirbt.“ 1921 war finanziell so abgesichert, dass Gleichgewicht geraten. Nicht nur das sich Alfred Voerster bezüglich der sie die teils enormen Liquiditäts- Wirtschaftsleben blieb noch lange Zukunftsaussichten unsicher: „Ver- engpässe überbrücken bzw. über ihre Zeit fieberhaften Schwankungen aus- änderungen im Politischen, im Buch- Bankverbindungen zwischenfinan- gesetzt, sondern auch das politische handel und die Geldentwertung hät- zieren konnten. Leben. ten Verhältnisse geschaffen, die die Nach dem verlorenen Ersten Welt- Aus der Unternehmersicht von Alfred Zukunft des Zwischenhandels unge- krieg wurde die Situation durch Voerster brachte die „Alleinherr- wiss erscheinen lassen.“ Er stellte ein die Inflation verschärft. Die Banken schaft der Sozialdemokraten und die bedeutendes Thema zur Diskussion: erlitten enorme Geldentwertungs- Nebenregierung der Gewerkschaftler“ „Ob die Bestrebungen, das Geschäft verluste, obwohl die Zinssätze bis unternehmerfeindliche Rahmen- auf eine breitere Basis zu stellen, auf mehrere Hundert Prozent erhöht bedingungen: Der 8-Stunden Tag und Erfolg haben werden, kann erst die wurden. Dies führte dazu, dass alle die strengen Vorschriften bezüglich Zukunft lehren.“ bisher in Anspruch genommenen Überstunden seien nicht dazu geeignet, Um das Jahr 1919 bestand eine kriti- Kreditquellen vollständig versagten. ein Land, das durch Reparationen sche Ergebnissituation. Für das Hier sah Koehler & Volckmar für die geschwächt war, wieder aufzubauen; Barsortiment gelang es trotz größter Kommissionsgeschäfte die Möglich- unberechenbare Tarif-Verhandlungen Anstrengung nicht, von den Verlegern keit einer reichlicheren Kredit- führten zu einer „Unsicherheit in und Lieferanten günstigere Einkaufs- gewährung an sichere Firmen, da allen Fragen der geschäftlichen Kalku- bedingungen zu erzielen. In dieser Kreditgewährung in geldarmen 9
Zeiten das wirksamste Kampfmittel gegen die Konkurrenz zur Gewinnung von Kommittenten darstellt. Im Rück- blick hält Alfred Voerster Folgendes fest: „Grosse Kredite an Verleger- Kommittenten waren nicht zu ver- meiden. Die Verlage befanden sich in einer Krise, da die Kauflust sich immer mehr auf Neuerscheinungen fokussierte und alte bewährte Bücher vernachlässigt wurden. Bedeutende Kapital-Abschreibungen bei Verlagen auf alte Bestände waren daher auch in den nächsten Jahren notwendig.“ Die schweren Erschütterungen der Infla- Monotype Setzmaschinen 1933 tionsjahre mit verlustreichen Abschrei- bungen aller Art konnten 1924-26 über- die Entwicklung unserer verschie- wunden werden. Alfred Voerster setzte denen Geschäftszweige, besonders auf sich ab 1929 für eine Sicherheitspolitik unsere eigene psychologische Einstel- ein und verabschiedete sich von der lung zu den Zeit-Ereignissen, haben Strategie des Jahres 1921, alles auf eine würde.“ breitere Basis zu stellen. Er forderte nun, In bewundernswerter Selbstkritik von allen uferlosen Plänen Abstand zu zählt er die verlustbringenden nehmen, die finanziellen Kräfte nicht zu Fehler auf, die er zusammen mit überschätzen und durch zähe und flei- Hans Volckmar gemacht hat, und ßige Arbeit Ersparnisse zu erzielen. bekennt: „Erst seit dem Jahre 1928/29 Das Auslandsgeschäft, das eigentlich haben wir mit vollem Bewusstsein Lehrmittelabteilung: Physikalische Werkstätten immer ein Sorgenkind des Konzerns uns von diesen Tendenzen frei gewesen war, wurde intensiviert und gemacht und den rücksichtslosen entwickelte sich zur Hauptprofit- Abbau unrentabler Zweige des quelle während der Inflation, da es Konzerns durchgeführt, um damit überwiegend gelang, die Bezahlung eine innere Gesundung des Konzerns in stabiler ausländischer Währung herbeizuführen.“ Die Ursachen für zu erhalten. diese Maßnahmen bestanden in dem Die Jahre 1927-29 zeigten die ersten Zwang, sich „die nötigen Geldmittel Erfolge der Unternehmenskonsolidie- für Steuerzahlungen beschaffen“ zu rung und einer vorsichtigen Bilanz- müssen, und in einer Unterauslas- Politik. Das Ergebnis des Jahres-Ab- tung der „Geschäfts-Maschine schlusses 1927 ließ erstmals wieder infolge ungenügenden Umsatzes“. Herstellung anatomischer und zoologischer Modelle eine Verzinsung der Einlage-Kapital- Die beiden Hauptzweige Kommissions- Konten mit 4,5% zu. geschäft und Barsortiment sollten nunmehr zum Dreh- und Angel- Neubewertung der Konzernstrategie punkt der Geschäftspolitik gemacht 1931 bewertete Alfred Voerster die werden. strategische Zielsetzung aus dem Zu den Sorgenkindern gehörten auch Jahre 1921, „das Geschäft auf eine die Pappenfabriken, die 1922 gekauft breitere Basis zu stellen“, als Fehlent- worden waren. Diese Politik der Aus- scheidung, allerdings mit dem Zusatz, breitung in die Produktion wurde spä- dass die Geschäftsleitung „nicht ter wieder fallen gelassen. Die Lehrmit- voraussehen konnte, welche Wirkung tel-Werkstätten waren seit 30 Jahren die damals einsetzende Inflation auf ohne Reingewinn. Skelettierraum 10
war aber die richtige Maßnahme, um stellen. So ist es nicht verwunderlich, Substanzen zu erhalten. dass er sich 1926, aufgrund persön- Infolge der Schrumpfung der Geschäf- licher Beziehungen zum Führer, bereit te in den meisten Konzernabteilungen erklärte, das Buch „Mein Kampf“ zu nahm die Liquidität der Finanzab- verlegen. Dazu kam es erfreulicher- teilung im Jahre 1933 durch Firmen- weise nicht. verkäufe außerordentlich zu. Hans Den beiden Familien Voerster und Antiquarium K.F. Koehler Volckmar, der das Unternehmen Volckmar war diese Entwicklung im zusammen mit Alfred Voerster gut eigenen Konzern sehr unangenehm. Ein weiteres Sorgenkind war das Anti- durch die Krisen der 20er Jahre Die Geschäftsführer der vierten Gene- quarium K.F. Koehler. Aus Prestige- geführt hatte, entwickelte eine neue ration, Theodor Volckmar-Frentzel und gründen von der Koehler-Partei vor Strategie: „Das Unternehmen solle Karl Voerster, mein Großvater, waren der Fusion zurück erworben, sorgte für die kommende Generation auf mit der Konzernleitung beschäftigt es jahrelang nur für hohe Abschrei- mehrere „tragende Säulen“ gestellt und konnten immer weniger Einfluss bungen. werden. Ländlicher Großgrundbesitz auf die Verlagsleitung eines überzeug- Die Weltwirtschaftskrise von 1929 würde stets seinen großen Wert ten Nationalsozialisten nehmen. Es erfasste auch den Konzern. Das profi- behalten, sein Mangel an Rentabilität gelang ihnen nicht, auf Hermann von table Auslandsgeschäft brach zusam- wäre unbeachtlich.“ Hase mäßigend einzuwirken, und dies men. In den Jahren 1931 und 1932 Aus damaliger Sicht war diese Strate- wurde auch zunehmend politisch erfolgte weder eine Verzinsung des gie Hans Volckmars sicherlich richtig. gefährlicher. Die Familien Voerster Eigenkapitals noch eine sonstige Aber 25 Jahre später, mit der Enteig- und Volckmar hatten es abgelehnt, Gewinnausschüttung. nung 1949 durch die DDR, verloren sich der NSDAP anzuschließen. Eine der erfreulichsten Konzernfirmen die Unternehmen und die Inhaber- Dies wurde von Hermann von Hase war die Stuttgarter Firma Koch, Neff & familien einen erheblichen Grund- systematisch dazu verwendet, sich Oetinger GmbH, die eine ruhige und besitz. mittels seiner guten politischen Bezie- stetige Entwicklung auf allen Gebieten hungen immer mehr Einfluss zu des Zwischenbuchhandels erreicht Nationalsozialismus Lasten der anderen Mitinhaber zu hatte. Hier wurde sogar das schwierige Die Zeit des Nationalsozialismus ist verschaffen. Problem gelöst, treue Kunden sowohl durch drei Themen geprägt: Unter Verletzung der Treuepflicht gab aus dem regulären Sortiment, als auch 1. das Familienunternehmen von den er Informationen über Interna an aus dem Kreise des Auch-Buchhandels Nazis nicht enteignen zu lassen die Dienststelle des Reichsführers SS bedienen zu können. 2. mit Neutralität an der Tradition weiter. Er wollte über die Kapital- der liberalen Geisteshaltung festzu- beteiligung seiner Frau seine Macht Bewertung der Krisenbewältigung halten im Konzern vergrößern, um schließlich Die Einspareffekte der großen Fusion 3. mit den Folgen des Kriegs zurecht nach Ausschaltung der Volckmar- von 1918 und der gemeinsame zu kommen. Gruppe an die Spitze des Konzerns Konsolidierungskurs haben wesent- zu treten. Da ihm das notwendige lich dazu beigetragen, dass der Wie man die Unabhängigkeit Kapital fehlte, versuchte er es über Konzern die Zeiten trübster bewahrt und einen nationalsozialis- politische Denunziation. deutscher Wirtschaftsgeschichte – tischen Denunzianten los wird Mit einer sehr riskanten Schiedsklage wenn auch mit Blessuren – über- Hermann von Hase, ein eingeheirate- gegen Hermann von Hase, aufgrund standen hat. Dies lag unter anderem tes Mitglied der Koehler-Familie, seines Denunziantenverhaltens inner- auch daran, dass immer wieder in leitete seit 1927 den juristisch eigen- halb der Familiengesellschaft, gelang Sachanlagen wie Grundstücken und ständigen K.F. Koehler Verlag. Er der entscheidende Befreiungsschlag. Gebäuden investiert wurde. Diese unterstützte mit seiner Verlagsproduk- Der Verlauf der Klage führte zu einem Strategie brachte zwar nur sehr tion lange Zeit aktiv die Bewegung Eingreifen der Geheimen Staatspolizei, kleine Reingewinne ein, weil für „Rache für Versailles“ und lehnte das die es als unangenehm empfand, dass die damaligen Hauseigentümer auf- System der Weimarer Demokratie ab. vor Gericht der Eindruck entstand, ein grund der künstlichen Niederhaltung 1933 wurde er überzeugtes Mitglied „Reichsführer der SS bediene sich der Mieten der städtische Grund- der NSDAP und begann den Verlag in unmoralischer Denunzianten“. Die besitz unrentabel geworden war, sie nationalsozialistischer Richtung umzu- Gestapo drängte auf einen Vergleich 11
beider Parteien, der 1938 zu einem Zweiter Weltkrieg Ausscheiden von Hermann von Hase In zwei Bombenangriffen im Oktober und seiner Familienangehörigen und Dezember 1943 wurde fast der führte. Die Abfindung bestand haupt- ganze Buchhandel in Leipzig zerstört. sächlich aus nationalsozialistischen In dem Feuerinferno flogen manche Büchern, die Hermann von Hase ver- Reclamhefte bis weit über die Stadt- legt hatte. So gelang es mit einem kon- grenzen hinaus. Die grauenvollen sequenten und äußerst gefährlichen Zerstörungen besonders des zweiten Vorgehen, nicht nur einen unangeneh- Luftangriffs führten zu einem nahezu men Widersacher loszuwerden, son- kompletten Verlust der Arbeits- und dern zugleich auch diejenigen Titel, Lagerräume für den Kommissions- für die man keine Sympathien auf- und Zwischenbuchhandel. Noch bringen konnte. größere Mengen an fertigen oder halb- fertigen Büchern und Rohvorräten Liberalität und Neutralität wurden in den Herstellungsbetrieben Die Haltung der Familien Volckmar vernichtet. Bücherschutt in Leipzig vor dem und Voerster gegenüber dem National- Im Reichspropaganda-Ministerium Volckmar-Haus sozialismus war distanziert. Strategie und im Börsenverein wurden Pläne war es, beim Hervortreten nach zur Dezentralisierung des Leipziger Kommunismus außen Neutralität in politischer Hin- Kommissions- und Zwischenbuch- Die Jahre unter der sowjetischen sicht zu zeigen, um eine möglichst handels in 20 Gau-Kommissions- Besatzung waren wieder von beson- große Unabhängigkeit zu wahren. geschäfte entworfen. Wenige Tage deren Herausforderungen geprägt. Die Politik der Nazis wurde nicht vor- nach dem großen Bombenangriff Durch die Teilung Deutschlands behaltlos unterstützt. wurde aufgrund der Verkehrsver- verlor Leipzig seine Bedeutung als Anhand der Barsortimentskataloge, hältnisse erst einmal ein Verbot Zentralplatz für den Buchhandel. die immer ein Spiegel des Buchmarkts von Buchlieferungen nach Leipzig Dafür entstand ein Russengeschäft. und damit der gesellschaftlichen und erlassen, was einer Stilllegung des Die gesamte Produktion russischer politischen Verhältnisse waren, lässt Leipziger Buchhandels gleichkam. Bücher, die im Zuge von Reparations- sich klar feststellen, dass es keinen Um den Aufbau der dezentralen leistungen durch ostdeutsche Drucke- vorauseilenden Gehorsam gab und Kommissionsgeschäfte in 20 Gauen reien hergestellt werden musste, viele Titel verbotener Autoren erst her- zu unterstützen, wurden Beschrän- ging zentral über Koehler & Volckmar ausgenommen wurden, wenn dies kungen für den Verkehr über nach Russland. Täglich wurden unbedingt nötig war oder von Behör- Leipzig erlassen und ein Verbot der tonnenweise in russischer Sprache den per Kontrolle durchgesetzt wurde. Lagerhaltung für Barsortimente gedruckte Bücher im Volckmar-Haus So gab es im Barsortimentskatalog ausgesprochen. Mit Hilfe von Aus- eingelagert, von zeitweilig mehr als bis 1936/37 noch Titel von Thomas weichlagern rund um Leipzig hat 1.500 Mitarbeitern geprüft, verpackt Mann, obwohl dieser seit Ende 1936 Koehler & Volckmar versucht, und in Waggons für den Abtransport ausgebürgert worden war. Auch Erich zum einen die Verbote geschickt zu nach Russland verladen. Dieses Kästner wurde noch bis 1936 geführt, umgehen und zum anderen Alter- Russengeschäft, das 1946 begann, obwohl er seit 1935 auf der „Liste der nativen für die zerstörten Gebäude wuchs in den folgenden Jahren weiter, schädlichen und unerwünschten Auto- zu finden. so dass Ende 1948 fast wieder 2.000 ren“ stand, und auch der Jude Felix Überraschend gering war nach den Mitarbeiter bei Koehler & Volckmar Mendelssohn Bartholdy blieb mit sei- vorliegenden Quellen die Anzahl der beschäftigt waren. nen Kompositionen im Katalog von Opfer durch Bombenangriffe innerhalb Es gab aufgrund von Todesfällen und 1937, obwohl sein Denkmal in Leipzig der Belegschaft. Kriegsgefangenschaft nur noch einen schon Ende 1936 demontiert worden Das Unternehmen hatte in den 30er geschäftsführenden Gesellschafter war. Dass wir die Titel dieser Autoren Jahren weit über 2.000 Mitarbeiter der Koehler & Volckmar Firmen in in den Katalogen noch verzeichneten, beschäftigt. Durch den kriegsbe- Leipzig, Karl Voerster. 1948 war sollte unter anderem später fast zu dingten Abzug von Arbeitskräften Koehler & Volckmar mit fast 2.000 Mit- einer Enteignung durch die National- waren es gegen Kriegsende noch arbeitern einer der letzten großen Pri- sozialisten führen. circa 1.500 Mitarbeiter. vatbetriebe im kommunistischen Ost- 12
sönlicher Bedrohung. Fast monatlich wurde Karl Voerster zu Berichten und Verhören vorgeladen, und als er über den Ausfall der Strom- und Heizungs- anlage des Konzerns aufgrund eines gerissenen Treibriemens berichtete, hieß es: „Du machen Sabotage, du wollen nach Sibirien?“ Unter diesen unsicheren Verhältnissen hatte man sich auf eine mögliche Flucht in den Westen gut vorbereitet und die wich- tigsten Sachen in hunderten von 1 kg- Päckchen nach Stuttgart geschickt, wo die Filiale Koch, Neff & Oetinger bestand. Durch Zufall erfuhr Karl Voerster von der unmittelbar bevorste- Karl Voerster 1893-1966 henden Enteignung. Die Entscheidung der Familie zur Flucht nach dem Wes- Enteignungsurkunde 1950 deutschland. Als Chef eines solchen ten fiel zu Weihnachten 1948. Man Unternehmens lebten Karl Voerster wollte sich nicht mehr länger solchen tung aussetzen und wurde in Berlin und seine Familie ständig unter per- Risiken und einer möglichen Verhaf- von den Amerikanern ausgeflogen. III. Wiederaufbau und der Weg in das nächste Jahrtausend Wiederaufbau beschädigt, aber als eines der ganz und Sortiment wurden in altgewohn- Koch, Neff & Oetinger, die Filiale in wenigen Gebäude in der Innenstadt ter Weise gepflegt, und die Funk- Stuttgart, bot nicht nur der Familie nicht völlig zerstört war. Voerster die Möglichkeit zu einem Der Einsatz aller Mitarbeiter beim Der Eberhardbau Neuanfang, sondern auch vielen Mit- Wiederaufbau war phänomenal. arbeitern aus Leipzig, die bei KNO Der schwäbische und der sächsische anklopften, um beim Wiederaufbau Fleiß der geflohenen Mitarbeiter aus des Unternehmens im Westen mitzu- Leipzig fanden sich in einer idealen arbeiten. Partnerschaft. Es bestanden exzessive Die Zerstörungen in Stuttgart waren Arbeitszeiten, im Weihnachtsgeschäft ähnlich verheerend wie die in wurde ab Mitte November samstags Leipzig, aber drei entscheidende voll und am Sonntag vormittags Rahmenbedingungen versprachen gearbeitet, und unter der Woche oft deutlich bessere Zukunftsaussichten: bis 1 oder 2 Uhr nachts. Aus diesen Stuttgart war unter amerikanischer Gründen war für viele Mitarbeiter bis Besatzung, motivierte Mitarbeiter in die 80er Jahre hinein der Begriff standen zur Verfügung, und es gab Weihnachten negativ besetzt. den 1907 in Eisenbeton erstellten Seit 1950 begannen sich die Verhält- Eberhardbau, der zwar ausgebrannt nisse wieder zu stabilisieren. Freund- und durch einen Bombeneinschlag schaftliche Beziehungen zu Verlag
Stuttgart nach dem Zweiten Weltkrieg tionen als Kommissionär und Bar- Diese Neugründung erhielt den meines Vaters in die Geschäftsleitung sortiment wurden wieder aufgenom- Firmennamen Koehler & Volckmar. über Jahre hinweg durch die Familie men. Der große alte Name aus Leipzig Volckmar-Frentzel blockiert. Die Aus- Immer wieder werden wir gefragt, wurde also hier weitergeführt. einandersetzungen gingen über warum es nach dem Krieg in Stuttgart 13 Jahre, wurden vielfach vor Gericht mit dem Firmennamen Koch, Neff & Auseinandersetzung geführt und fanden erst 1966 mit dem Oetinger weiterging und nicht der mit der Familie Abschluss eines neuen Gesellschafts- große Firmenname Koehler & Volckmar-Frentzel vertrags ein Ende. Volckmar eingeführt wurde. Dies lag Nach über 100 Jahren friedlicher Zum 1.1.1973 kündigte die Familie ganz einfach daran, dass man den Zusammenarbeit der Familien Volckmar-Frentzel ihre Geschäfts- Namen der Filiale in Stuttgart bei- Volckmar und Voerster entstand ab anteile und schied aus dem Unter- behalten hat, um die damals über- 1953 nach der Rückkehr von nehmen mit einer Abfindung aus. wiegend regionalen Kunden nicht vor Theodor Volckmar-Frentzel, dem Erst ab diesem Zeitpunkt konnte sich den Kopf zu stoßen, die Koehler & Adoptivsohn von Hans Volckmar, das Unternehmen wieder frei ent- Volckmar nicht kannten und einer ein Gesellschafterstreit. wickeln, überfällige Investitionen Veränderung der bestehenden Verhält- Theodor Volckmar-Frentzel wollte eine wurden nachgeholt, und unter der nisse eher ablehnend gegenüber stan- Änderung des alten Gesellschafts- Leitung der heutigen Senioren den. Und schließlich gab es bei den vertrags durchsetzen. Es sollten nur florierte das Unternehmen und Sorgen des Wiederaufbaus Wichtige- noch „die Stimmen des Stammes wuchs wieder zu der alten Größe. res zu tun, als sich mit Umfirmierun- Volckmar den Ausschlag geben“. 1989 hatten unsere Firmen wieder gen zu beschäftigen. Er wollte den Einfluss seiner Familie die Anzahl von 1.500 Mitarbeitern 1955 wurde in Köln ein zweiter Bar- zum Nachteil der anderen Familien erreicht, eine Größe, die der Leipziger sortiments-Standort aufgebaut, um ausbauen, um im Unternehmen die Konzern Koehler & Volckmar bis auch die nördliche Hälfte Deutsch- Macht übernehmen zu können. zum Ende des Zweiten Weltkriegs ge- lands besser bedienen zu können. So wurde zum Beispiel der Eintritt halten hatte. 14
Außenlager in Haiterbach (außen) Außenlager in Haiterbach (innen) Die Wiedervereinigung Auch am Stuttgarter Standort wurde Expansionsschub in der KNO VA durch ein Hochregallager im Unterge- Im Oktober 1990, dem ersten Monat schoss mit Platz sparenden Verschie- der deutschen Einheit, hatte unsere beregalen zusätzliche Palettenkapazi- Verlagsauslieferung ein Wachstum von tät geschaffen. über 60% zu bewältigen. Für das Beim Personalaufbau war kein Hinter- Gesamtjahr entstand ein Plus von fast herkommen möglich, da neue Mitarbei- 40%. Ein solches Wachstum ist zwar ter nicht so schnell eingestellt und aus- sehr erfreulich, es bringt aber auch gebildet werden konnten. Zur Über- gewaltige Probleme mit sich. brückung nahmen wir die Unterstüt- Wir waren vor logistische und perso- zung von sieben Unternehmen in nelle Herausforderungen gestellt. Anspruch, die uns Personal zur Ver- Innerhalb eines Jahres mussten fügung stellten. Darunter waren die 20.000 zusätzliche Paletten, das sind Firma Schuon in Haiterbach, aber auch circa 350 Sattelschlepper-Ladungen, das Leipziger Komissionsgeschäft untergebracht werden. Da die räum- (LKG), das uns bei mancher Nova-Aus- lichen Lagerkapazitäten noch nicht lieferung zuverlässig unterstützt hat. geschaffen waren, mussten teils bis zu Der Einsatz unserer bewährten Mitar- Hochregallager mit Verschieberegalen im fünf Außen- und Notlager eingerichtet beiter in dieser Expansionsphase war Untergeschoss in Stuttgart und verwaltet werden. durch ein außergewöhnliches Engage- Dem Raummangel wurde durch den ment geprägt, das teilweise bis zum allerdings in guter Gesellschaft, denn Bau eines großen Hochregallagers Erschöpfungszustand ging. In diesen vielen Verlagen erging es mit ihren Aus- in Haiterbach begegnet, das sogar Zeiten war es nicht zu vermeiden, dass lieferungen ebenso, und auch unser noch vor Fertigstellung gefüllt die Qualität unserer Dienstleistungen größter Wettbewerber hatte ähnlich zu wurde. gelitten hat. Hier befanden wir uns kämpfen wie wir. 15
Mobile Akquisition in der DDR März 1990 Barsortimentslieferung über Nacht verstehen, dass, wenn man 500 Exem- Diese hatten nämlich die Erzählungen oder Grimms Märchen plare eines gefragten Titels bestellen ihrer Oma über die alten Zeiten mit Erste Kontakte zu Buchhändlern in der würde, man auch diese Zahl von einer Belieferung durch Koehler & DDR entstanden auf der Leipziger uns geliefert bekäme und nicht etwa Volckmar binnen 1 oder 2 Tagen Buchmesse im März 1990. nur 5, wie das über so viele Jahre immer als eines von Grimms Märchen Kurz nach der Messe begann die bei dem Quoten- und Zuteilungs- bezeichnet. Kundenakquisition vor Ort in der system in der DDR üblich war. Die Für die Buchhändler, die bis 1989 in DDR. Ausgerüstet mit einem Bücher- Kürzung von Bestellmengen und der DDR mit circa 25.000 Titeln laster und zwei Wohnmobilen unser Argument, man solle nur das ein recht überschaubares Angebot sind wir in verschiedenen Etappen bestellen, was man in den nächsten hatten, war das Titelangebot des und Besetzungen in die wichtigsten Tagen auch verkaufen könne, und Westens mit circa 600.000 lieferbaren Städte der DDR gereist und haben dann nachbestellen – man werde Büchern und mit 140.000 Titeln im dort auf Parkplätzen die zuvor einge- ja über Nacht beliefert – war für viele Barsortiment absolut überwältigend. ladenen Kunden empfangen, infor- Kunden unverständlich und unglaub- Um hier eine Hilfestellung zur richti- miert und beraten. Der Bücherlaster würdig. In einem solchen Kunden- gen Auswahl zu bieten, wurden war mit Regalen ausgebaut worden gespräch erhielten wir von einer zusätzlich zum Bücherlaster Spezial- und bot so die Möglichkeit, unseren erfahrenen Buchhändlerin, die um die kataloge erstellt: für die Erstaus- potenziellen neuen Kunden eine 80 Jahre alt war, unerwartete Hilfe. stattung „Die 600 gängigsten Titel Auswahl der 1.000 wichtigsten Titel Den jungen Kollegen, die uns kaum aus der Bundesrepublik“, und als vorzustellen. Die Wohnmobile ermög- glauben wollten, erklärte die alte Grundsortiment für den Buchhandel lichten in Zeiten eines nicht auf den Dame, dass sie über viele Jahre vor der DDR eine Bestell-Liste mit circa Andrang von Westdeutschen aus- der DDR-Zeit mit Koehler & Volckmar 4.000 Titeln aus allen Literaturberei- gerichteten Hotelwesens eine maxi- zusammengearbeitet habe, man chen, einschließlich Sach- und Fach- male Flexibilität. So gelang es uns in damals auch schon in kürzester Zeit büchern. wenigen Wochen, Kontakt zu fast zuverlässig beliefert worden sei, Um unsere neuen Kunden weiter zu allen Buchhändlern in der DDR und wenn jetzt ein Voerster (gemeint beraten und den Kontakt zu festigen, aufzunehmen. Diese Reisen waren war mein Vater, der in Leipzig gebo- luden wir zu Seminaren in Stuttgart durch Pioniergeist und unvergess- ren und aufgewachsen war) wieder- und Köln ein. Es kamen mehr als 1.300 liche Kundenbegegnungen gekenn- gekommen sei, gäbe es keinen Grund, Teilnehmer aus DDR-Buchhandlungen zeichnet. daran zu zweifeln. Und übrigens und Verlagen. Es wurde nicht nur über In unseren Beratungsgesprächen würde sie jetzt, nachdem Koehler & unsere Leistungen informiert, sondern stießen wir immer wieder auf Ungläu- Volckmar wieder da sei, nicht in den auch über allgemeine Themen wie bigkeit und Zweifel an unserem Ruhestand gehen, sondern noch ein Bilanzierung, Finanzierung, Bankge- Leistungsangebot. Es war für viele paar Jahre weitermachen, um ihren spräche, Mietvertragsrecht, Ladenbau DDR-Buchhändler nur sehr schwer zu Enkeln den Beweis dafür zu geben. und -einrichtung. 16
Der Kampf mit Brüssel Brüssel war groß, nicht nur bei KNO. um die Preisbindung Die Ungewissheit, ob wir eine Strafe Im Juli 2000, kurz nachdem in Öster- abwehren könnten, beeinflusste reich das neue Preisbindungsgesetz unsere unternehmerischen Entschei- und in Deutschland der neue Sammel- dungen gravierend. Viele Investi- revers in Kraft getreten waren, hatte tionen wurden, da der Ausgang des die in ganz Österreich tätige Buch- und Verfahrens und die Höhe der drohen- Schreibwarenkette Libro über ihre den Strafe ungewiss waren, vorerst Internetanwendung lion.cc deutschen zurückgestellt. Käufern rund 80 Bestseller zu 20% Nachdem wir unsere Stellungnahme unter Ladenpreis angeboten. Darauf- zur EU-Beschwerde abgegeben hatten, hin wurde von KNO die Belieferung fand Ende November 2001 eine Anhö- der Firma Libro eingestellt, ebenso von rung vor der EU-Kommission statt. den meisten Verlagen. Über 7 Stunden haben 17 Vertreter der Libro beschwerte sich bei der EU-Kom- EU-Wettbewerbs-Kommission, 13 Ver- mission in Brüssel und rief die Gerichte treter der Wettbewerbsbehörden aus Europäische Kommission in Brüssel an, die überwiegend einstweilige Ver- 9 europäischen Ländern, 6 Simultan- fügungen gegen Libro erließen. Ende übersetzer für 3 Sprachen, der Börsen- das Verfahren von Brüssel eingestellt Juli kehrte Libro zur Preisbindung verein mit 4, Random House mit 7 und werden musste und wir somit zu zurück. KNO nahm die Belieferung KNO ebenfalls mit 7 Vertretern inklu- Unrecht angeklagt waren. wieder auf. sive Anwälten, also insgesamt 54 Per- Unser Familienunternehmen hat die- Am Morgen des 2. Augusts 2000 wur- sonen getagt. sen Kampf auch für die Branche den wir von sieben Beamten der EU- Schon vor dem Hearing hatten wir uns geführt und einen wichtigen Erfolg für Kommission und des Bundeskartell- gefragt, ob die Veranstaltung in Brüs- die Preisbindung gegen die Bestrebun- amts überrascht, die verschiedene sel nicht ins Absurde abgleiten würde. gen aus Brüssel errungen. Abteilungen bei KNO durchsuchten Libro als Beschwerdeführer hatte sich und über 600 Seiten Akten kopierten. nicht angemeldet, und die EU-Kommis- Generationswechsel Ebenso erging es an diesem Morgen sion hatte in den vielen Monaten der Ganz im Gegensatz zum letzten dem Börsenverein, Random House, Ermittlungen keinen einzigen halt- Generationswechsel im Jahr 1966 dem Aufbau Verlag und Libro selbst. baren Beweis auf den Tisch legen kön- hatten mein Cousin Frank Thurmann Im Juli 2001 ging eine 35-seitige nen. Dabei blieb es auch. und ich 1995 traumhafte Voraus- Beschwerdeschrift bei uns ein. Dem Im März 2002, nach eineinhalb Jah- setzungen und Startbedingungen. Börsenverein, Random House und ren, wurde das Verfahren von der EU- Die Unternehmen waren unter der KNO drohte ein Bußgeld bis zu 10% Kommission eingestellt. Führung der Senioren erfolgreich des Vorjahres-Umsatzes wegen rechts- Der EU-Kommission waren in diesem gewachsen, hatten über die Buch- widrigen Boykotts von Libro. Wir Feldzug um die Preisbindung Mittel branche hinaus ein hervorragendes konnten nicht nachvollziehen, warum recht, die rechtsstaatlich mehr als Image, die Finanzlage war stabil, die EU-Kommission nur drei Unter- bedenklich sind. Wir hatten das und uns standen loyale, erfahrene und nehmen herausgriff und anklagte. Gefühl, zusammen mit Bertelsmann engagierte Führungskräfte zur Seite, Im weiteren Verlauf wurde uns klar, beispielhaft an den Pranger gestellt die sich auf die nächste Generation dass es sich um einen Schauprozess worden zu sein, damit dadurch die freuten. Den Senioren rechne ich es gehandelt hat, in dem der hartnäckige Buchbranche eingeschüchtert wird. sehr hoch an, dass wir Junioren als Börsenverein, das größte Verlagshaus Für KNO war dieser Prozess auch ein gleichberechtigte Geschäftsführer und das größte Barsortiment so abge- finanzielles Risiko, das in dieser Trag- aufgenommen wurden. Nach fast 10 straft werden sollten, dass deren weite seit über 30 Jahren nicht mehr Jahren Zusammenarbeit darf ich aus Festhalten an der Preisbindung nach- bestanden hat. Der Prozess hat uns meiner Erfahrung und Perspektive haltig erschüttert wird und sich in über 1.300.000 DM allein externer sagen, dass dies sicherlich einer der Zweifelsfällen niemand in der Buch- Anwaltsgebühren gekostet, und zusätz- wichtigsten Faktoren für einen erfolg- branche mehr traut, in vergleichbaren lich viel Zeit und Nervenkraft. Wir reichen Generationswechsel gewesen Fällen die Belieferung einzustellen. haben keinen Pfennig unserer Unkos- ist. Nach den Jahren der Einarbeitung Das Gefühl der Ohnmacht gegenüber ten zurückbekommen, auch wenn entstanden bei den Junioren eigen- 17
ständige Gedanken und Ziele, die nicht immer von allen Senioren mit- getragen und akzeptiert wurden. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Veränderungen in der Führung und Struktur der Unterneh- men, aber auch die neuen Projekte ebenfalls erfolgreich sind, auch wenn vieles anders ist, als es früher war. Die Unternehmen gehen weiterhin ihren Weg in eine erfolgreiche Zukunft. Wir freuen uns darauf, das Werk unserer Väter fortzusetzen, und damit meinen wir das Werk von 5 Generationen von Vätern in 175 Jahren. Andreas Thieme Johannes Vogel Wenn man auf unsere Firmen- geschichte zurückblickt, dann gilt unser Dank zum einen unseren enga- gierten Mitarbeitern, die es möglich gemacht haben, dass Tradition mit der Zeit geht. Ohne ihren Einsatz wären die vielfältigen Herausforderungen und Krisen in 175 Jahren Firmen- geschichte nicht zu bewältigen gewe- sen. Zum anderen gilt unser Dank all unseren Kunden und Geschäftspart- nern, die unseren Unternehmen in die- ser langen Zeit verbunden waren und es bis heute sind. Ihr Vertrauen ist die Basis dafür, dass wir heute mit Ihnen unser Jubiläum feiern können. Werner Thurmann Jürgen Voerster Ab heute haben wir ein neues Ziel: die Erfolgsgeschichte unserer Unter- nehmen bis zum 200-jährigen Firmen- jubiläum fortzuschreiben. Frank Thurmann Oliver Voerster 18
175 Jahre Familienunternehmen Innovationen als Triebfeder der unternehmerischen Entwicklung Von Frank Thurmann Die Buchbranche in Deutschland ist für die Verfügbarkeit von Titeln und deren schnelle Lieferung bekannt. Über 175 Jahre hat unser Familienunternehmen wesentlich zu dieser Leistungsfähigkeit beigetragen. Innovationen wurden sowohl für die eigenen Unternehmen entwickelt, aber auch vielfach der gesamten Buchbranche zur Verfügung gestellt. Um heute fast 400.000 verschiedene Lager auswärtiger Verleger zwischen dern nun auch die der Sortimenter. Artikel von 3.800 Lieferanten über den Messen verwalteten und die Die Sortimenter blieben verstärkt Nacht zu über 5.000 Buchhändlern zu Verleger damit von den hohen Risiken der Messe fern und übergaben den bringen, musste über sechs Generatio- und Kosten des Hin- und Rücktrans- Kommissionären zusammengestellte nen hinweg, von den Anfängen des ports befreiten. In Frankfurt und Rechnungslisten sowie die nötigen Leipziger Messeplatzes im 19. Jahrhun- Leipzig lässt sich diese frühe Form Deckungen zum Zahlungsausgleich. dert bis hin zum Buchhandelsportal des Zwischenbuchhandels seit dem Schließlich dauerte die Messe nur im Internet im 21. Jahrhundert, nach Beginn des 16. Jahrhunderts nach- noch wenige Tage. erfinderischen Ansätzen gesucht weisen. Die Bezeichnungen dafür Der damalige Kommissionär hatte eine werden. variieren, und erst mit der Übernahme andere Bedeutung als heute, wenn wir Unser Unternehmen hat vor allem von weiterer Dienstleistungen für die von einem Kommissionär im Sinne der den großen Erfindungen des 19. und Verleger, später aber auch für die Verlagsauslieferung, des Büchersam- 20. Jahrhunderts profitiert: Sortimenter, bildete sich im 18. Jahr- melverkehrs oder der Bestellanstalt • Entwicklung der Eisenbahn und der hundert der Begriff des „Kommissio- sprechen. Damals hatte der Kommis- Buchbindemaschine närs“ heraus. sionär sowohl auf Verlags- als auch auf • Industrialisierung mit der Arbeits- In der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- Sortimentsseite feste Vertragspartner, teilung und den Neuerungen in derts gab es ein enormes Wachstum sogenannte Kommittenten. der Bautechnik und Automati- der Buchhandlungen auf dem deutsch- Die Gründung des Kommissionsge- sierung sprachigen Gebiet. Die Abwicklung der schäftes F. Volckmar im Jahre 1829 • Computer und das Internet. Messen, das heißt die zwischenbuch- war an sich bereits die erste unter- Ich möchte im Folgenden verschie- händlerische Bestellung, Auslieferung nehmerische Innovation, weil sie die dene Stationen dieser Entwicklung und Abrechnung war jedoch in einem Arbeitsteilung zwischen Verleger, in der Unternehmensgeschichte völlig veralteten Zustand geblieben. Zwischenbuchhändler und Sortimen- beleuchten, an denen Innovationen Auswärtige Buchhändler mussten bei ter revolutionierte. Heute würde man einschneidende Veränderungen der Leipziger Ostermesse mit einem diese Arbeitsteilung als Outsourcing bewirkten. Aufenthalt von drei bis vier Wochen bezeichnen. rechnen. Als Ausweg erschien die Gründung des Suche nach einem Vertreter vor Ort, Schaffung der Kommissionsgeschäftes und für diese Aufgabe bot sich der Bestellanstalt Die Geschichte des deutschen Zwischen- schon erwähnte Kommissionär an. Der Ein Innovationsschub wurde Mitte des buchhandels beginnt mit den Lager- Kommissionär nahm damit nicht nur 19. Jahrhunderts durch die Rivalität haltern, die an den Messeplätzen das die Interessen der Verleger wahr, son- zwischen der Post und dem Buch- 19
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