2021 magazin(e) - frühling sommer printemps été - Epi Suisse
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magazin(e) Schweizerischer Verein für Epilepsie Association suisse de l’Epilepsie Associazione svizzera per l’Epilessia 2021 frühling · sommer printemps · été
E D I TO R IA L INHALT / CONTENU DEU TSC H Liebe Leserin, lieber Leser Chère lectrice, cher lecteur, 3 Engagement Jeder Mensch sollte wissen, was Epilepsie ist Für diese Ausgabe durfte ich einen jungen Pour cette édition, j’ai eu le privilège de Mann porträtieren, der seinen ersten Anfall dresser le portrait d’un jeune homme qui mit zehn Jahren hatte. Er hatte eine sehr a eu sa première crise à dix ans. Il a connu 4 Porträt – Lars Reinfried schwere Zeit in der Schule, wurde gemobbt une période très difficile à l’école, où il a été „Wenn ich die höchsten Berge bezwingen und ausgeschlossen. Doch Lars Reinfried harcelé et mis à l’écart. Mais Lars Reinfried kann, dann auch diese Krankheit“ hat nie aufgegeben. Die Begegnung mit n’a jamais abandonné. J’ai été très impres- dem 23-Jährigen hat mich tief beein- sionnée par ma rencontre avec ce jeune druckt. Stets hat er seinen Kampfgeist und homme de 23 ans. Il a toujours gardé sa Optimismus behalten. Heute erklimmt er combativité et son optimisme. Aujourd’hui, die höchsten Gipfel dieser Welt. Lesen Sie il escalade les plus hauts sommets du seine eindrückliche Geschichte. monde. Lisez son histoire marquante. 6 Fachartikel Kinder bekommen trotz Epilepsie? Ist das Avoir des enfants malgré l’épilepsie? Est-ce „Epilepsie ist praktisch nie ein Grund, überhaupt möglich? Ja, ist es. „Epilepsie ist seulement possible? Oui, ça l’est. «L’épilepsie auf Kinder zu verzichten.“ praktisch nie ein Grund, auf Kinder zu ver- n’est pratiquement jamais une raison de zichten“, sagt die Neurologin Dr. med. Silke renoncer à avoir des enfants», explique Silke 8 Kinderwunsch Biethahn. Erfahren Sie im Interview mit der Biethahn, neurologue. Découvrez dans son Betroffene erzählen Ärztin, worauf Betroffene besonders achten interview à quoi les femmes atteintes d’épi- müssen, wenn sie schwanger werden lepsie doivent être particulièrement atten- wollen, und ob das Anfallrisiko während tives lorsqu’elles veulent tomber enceintes 10 Mitgliederumfrage 2020 einer Schwangerschaft steigt. Ausserdem et si le risque de crises augmente pendant la kommen drei betroffene Frauen und ein grossesse. Nous donnons en outre la parole angehöriger Mann zu Wort. Wie war es à deux femmes concernées l’un de leurs 11 Neues von Epi-Suisse für sie, trotz ihrer Krankheit schwanger zu compagnons. Comment ont-ils vécu cette Aktuelle Infobroschüren werden? Sie erzählen offen und ehrlich. grossesse en dépit de la maladie? Ils en parlent ouvertement et en toute franchise. Weiter erfahren Sie in dieser Ausgabe, 12 Sozialberatung welche Veranstaltungen in diesem Jahr ge- Cette édition récapitule également les ma- Ich habe Epilepsie und bin 18 Jahre alt – plant sind, was die Sensibilisierungsaktion nifestations prévues cette année, présente kann ich den Führerausweis machen? „100 Millionen Schritte für die Welt, über la campagne de sensibilisation «100 millions 6.9 Millionen für die Schweiz“ war und wie de pas pour le monde, plus de 6.9 millions sie endete. pour la Suisse» et précise comment elle s’est 13 Events 2021 terminée. Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Lesen. Je vous souhaite une agréable lecture! E N FR A N Ç A I S 14 Portrait – Carole Bolliger Redakteurin / Rédactrice Lars Reinfried «Je me sentais comme une erreur qu’il faut corriger» Mit freundlicher Unterstützung von 16 Article spécialisé Ces sociétés ont la gentillesse de soutenir les projets d’Epi-Suisse «L’épilepsie n’est pratiquement jamais une raison de renoncer à avoir des enfants» 19 Méli-mélo 20 Conseil social Permis de conduire et réduction de primes d'assurance-maladie IM PR E S S U M 22 Enquête 2020 Herausgeber/Editeur Redaktion/Rédaction Layout/Concept/Réalisation auprès des membres Epi-Suisse Carole Bolliger holiframes.ch, Zürich Schweizerischer Verein für Epilepsie Seefeldstrasse 84 Korrektorat/Correction Produktion/Production Helen Gysin, Anne Fournier Stutz Medien AG, Wädenswil CH-8008 Zürich Auflage/Tirage 1800 Ex. 23 Nouveautés 2 © 2021 Epi-Suisse, Schweizerischer Verein für Epilepsie, Zürich
ENGAG E ME NT Jeder Mensch sollte wissen, was Epilepsie ist Meggie Kelmendi, 39 Jahre Aufgezeichnet von Carole Bolliger „2011 wurde bei mir Epilepsie diagnostiziert. meine eigene Betroffenheit durfte ich vieles für Procap tätig sein. Diese Organisation unter- Da stehst du mitten im Leben, bist am Arbeiten sehen und lernen: wie es für mich war, meine stützt viele Projekte, um über Beeinträchtigun- und Studieren und ‚wusch‘ geht fast eine Familie und mein Umfeld. Ich habe Gutes und gen aufzuklären und den Menschen zu zeigen, Welt unter. Auf der Suche nach Informationen Schlechtes erleben dürfen. Und diese Erfahrun- wie man bei einem Anfall ‚richtig‘ reagiert. über diese Krankheit stiess ich online auf die gen möchte ich mit anderen Betroffenen teilen Denn die Öffentlichkeit muss besser aufgeklärt Website von Epi-Suisse. Ausserdem sah ich in und ihnen hoffentlich damit helfen. sein über diese Krankheit und die Folgen. den Spitälern Prospekte über die Patientenor- ganisation. Wobei ich finde, dass diese leider Seitdem wir die Selbsthilfegruppe in Biel Betroffene und Angehörige brauchen mehr nur so nebenbei dort rumliegen. Epi-Suisse half gegründet haben, leite ich diese. Ich mache Aufklärung, kein Fachchinesisch, sondern eine mir damals, in Biel eine Selbsthilfegruppe zu dies mit viel Freude und Engagement. Was ich klare und verständliche Sprache und direkte gründen. Die Organisation beantwortet Fragen, damit erreichen möchte? Am liebsten, dass Hilfe. Epi-Suisse wünsche ich, dass die Organi- hilft, wo es geht, und ist immer für einen da, jeder Mensch weiss, was Epilepsie ist und die sation noch mehr Wertschätzung und Bekannt- das ist unbezahlbar. Durch Epi-Suisse habe ich Krankheit kennt. Dass die Menschen keine heit in der Öffentlichkeit bekommt. Ich bin sehr gemerkt, dass ich nicht alleine bin. Angst davor haben und Betroffenen gegenüber froh, dass es Epi-Suisse gibt. Ich weiss, dass ich offener sind. Ich versuche, mit meinem Engage- jederzeit zu Epi-Suisse kommen kann und dass Es ist mir ein grosses Anliegen, mich für Betrof- ment diesem Ziel täglich einen Schritt näher zu ich dort immer ernst genommen werde, das ist fene und Angehörige einzusetzen. Denn durch kommen. Durch Epi-Suisse darf ich nun auch ein schönes Gefühl und dafür bin ich dankbar.“ BUCHV ORS TE LLU NG Eine Geschichte über Freundschaft und Anderssein Das Kinderbuch Elepsiquadrie erzählt die fen wissen, bringen sie Theo ins Waldkran- Geschichte vom Dachs Theodor, dem Wild- kenhaus. Dort erfahren die drei Freunde vom schwein Greta und dem Fuchs Willibald. Die Arzt, Dr. Lurch, dass Theo an Epilepsie leidet. drei Tiere leben im Sonnenwald und lieben es, „Elepsiquadrie? – Das merk ich mir nie“, sagt ihre Zeit draussen zu verbringen und Fuss- darauf Theo. Die drei Freunde erfahren, was ball zu spielen. Theodor ist der beste Torhüter Epilepsie ist, und der Arzt erklärt ihnen, wie überhaupt, doch eines Tages passiert etwas sie bei einem nächsten Mal richtig reagieren Unerwartetes: Theo fängt den Ball nicht, son- können. Theo ist froh und dankbar, dass er Das Kinderbuch „Elepsiquadrie“ geschrieben dern liegt am Boden und schaut so anders als seine Freunde an seiner Seite hat. Dr. Lurch und illustriert mit Zeichnungen, Artwork und sonst. Die Freunde wissen nicht, was mit ihm bringt es auf den Punkt: „Was wirklich zählt Fotos von Filzfiguren hat die Österreicherin Ka- los ist, bis Theo nach zwei Minuten wieder bei auf dieser Welt, ist, dass jemand da ist, der thrin Reiter. Sie ist Mutter und selbstständige sich ist und klagt, dass er hungrig und müde einen hält, wenn man fällt.“ Grafikdesignerin. Dies ist ihr erstes Kinderbuch. sei. Da sich Greta und Willibald nicht zu hel- Infos und Bestellung unter: www.farbregen.at · Das Buch ist auch in der Bibliothek von Epi-Suisse ausleihbar. 3
PO R T R ÄT „Wenn ich die höchsten Berge bezwingen kann, dann auch diese Krankheit“ Lars Reinfried erklimmt die höchsten Gipfel dieser Welt. Doch den härtesten Kampf erlebte er in der Schule, als er wegen seiner Epilepsie gemobbt und zum Aussenseiter wurde. Der 23-Jährige ist heute als Epi-Coach bei Epi-Suisse aktiv und will anderen Betroffenen Mut machen. Text: Carole Bolliger · Foto: Reto Schlatter My.Epi-Coach Im Mai 2019 lancierte Epi-Suisse die Vernet- zungsplattform My.EpiCoach. Sie ermöglicht Betroffenen, Eltern und anderen Angehörigen, rasch und unkompliziert einen Gesprächspartner zu finden, um sich über die Krankheit auszutau- schen. Das Angebot stiess auf grosse Resonanz. Bis heute sind schon über 50 Epi-Coaches im Einsatz und eine grosse Zahl Betroffener und Eltern haben zugesagt, in Einzelfällen für einen Austausch zu Verfügung zu stehen. Infos und Anmeldung: www.myepicoach.ch, Telefon 043 488 68 80 oder info@epi-suisse.ch 4
A ls er zehn Jahre alt war, hatte er seiner grossen Stütze und Vertrauensperson. sagt der 23-Jährige. Und dieses Gefühl liess seinen ersten Anfall. „Ich sass mit „Trotzdem fühlte ich mich total verloren“, ihn nicht mehr los. Er wollte noch mehr, noch meiner Familie vor dem Fernseher, sagt Lars Reinfried. Einmal in der Oberstufe steiler, noch höher. So bestieg er bald darauf wir haben Pizza gegessen, dann erinnere ich passierte es und er hatte einen Anfall in der in einer fünftägigen sogenannten Spaghetti- mich an nichts mehr“, erzählt Lars Reinfried. Schule. „Danach war ich total untendurch, Tour zehn 4000er. „Während dieser Tour habe Der junge Mann sitzt auf dem Sofa in sei- niemand wollte mehr etwas mit mir zu tun ich das Matterhorn jeden Tag gesehen und ich nem Elternhaus im Kanton Glarus. Er will mit haben“, erinnert er sich. Der gesellige junge wusste, das ist das nächste Ziel“, erzählt Lars seiner Geschichte an die Öffentlichkeit, um Mann wurde ungewollt zum Einzelgänger. anderen Mut zu machen, nicht aufzugeben. „Ich fühlte mich wie ein Fehler, den man In der Epi-Klinik in Zürich wurde ihm Epilep- korrigieren muss.“ sie mit starken Anfällen diagnostiziert. „Die „DA OBEN WAR ICH Anfälle dauerten etwa zehn Minuten, aber Nach der harten Oberstufenzeit fing er eine EINFACH LEBENDIG“ für mich waren sie nie schlimm, da ich gar Lehre als Koch an. Trotz seiner Anfälle und nichts davon mitbekam“, sagt der 23-Jährige. obwohl die Ärzte über seine Wahl nicht be- Doch nach den Anfällen litt er: er schlief geistert waren. Aber alles wollte er sich nicht mindestens zwölf Stunden am Stück, war von der Krankheit nehmen lassen. Er absol- Reinfried, der mittlerweile seine Leidenschaft körperlich ausgelaugt, an die zwei, drei Tage vierte die Ausbildung, ging gerne in die Be- auch zum Beruf gemacht hat und in einem vor dem Anfall hatte er nur noch bruchhafte rufsschule, wo er zum ersten Mal einen Leh- Sportgeschäft, spezialisiert auf Bergsteigen Erinnerungen. rer hatte, der ihn förderte und unterstützte und Klettern, arbeitet. Gesagt, getan. Mit sei- und auf seine Bedürfnisse eingehen konnte. nem Bergführer bestieg er den Berg und er- Nach der Ausbildung ging er für drei Mona- reichte den Gipfel, trotz verletztem Knie. „Ich te nach England in einen Sprachaufenthalt. stand da, auf diesem berühmten Berg, ganz „ICH FÜHLTE MICH WIE „Das war ein Neuanfang für mich, niemand alleine, ein Wahnsinnsgefühl“, erzählt er. Sei- EIN FEHLER, DEN MAN kannte mich da oder meine Vorgeschichte, da ne Augen leuchten wie Kinderaugen zu Weih- KORRIGIEREN MUSS“ bin ich richtig aufgeblüht“, erzählt er. Es ge- nachten. fiel ihm so gut und er machte auch in der Sprachschule so grosse Fortschritte, dass er Es folgten weitere Berge und Gipfel in der gleich nochmals drei Monate anhängte. Nach Schweiz und dem nahen Ausland und eigent- Obwohl er nie in der Schule einen Anfall der Schule wollte er noch nicht nach Hause. lich hätte er im vergangenen Sommer nach hatte, fingen seine schulischen Leistungen „Ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Kirgistan und im Herbst nach Nepal reisen erheblich an zu sinken. Durch viele Absen- Leben so richtig frei und hatte meine Lebens- wollen, um in Kirgistan verschiedene Gipfel zen, weil er direkt nach einem Anfall nicht freude wieder gefunden“, sagt er und strahlt und in Nepal den Himlung Himal mit einer zur Schule konnte. Er wurde vergesslich und übers ganze Gesicht. So suchte und fand er Höhe von 7126 Metern zu erklimmen. Beides seine Mitschüler fanden ihn plötzlich „ko- eine Stelle als Sushikoch und blieb insgesamt musste abgesagt werden wegen Corona. Doch misch“. Auch die Lehrer konnten nicht mit 1.5 Jahre in England. Er fing mit intensivem Lars Reinfried lässt sich nicht aufhalten, weder der Situation umgehen und setzten sich auch Sport an, trainierte vier bis fünf Mal die Wo- von Corona noch von der Epilepsie: „Im Ap- nicht damit auseinander. Für sie war Lars che mit einem Personaltrainer. ril versuche ich, den Elbrus, mit 5642 Metern Reinfried einfach faul und wollte nicht. „Es der höchste Berg Europas und einer der Se- war eine verdammt harte und schwierige Zeit TRAUM VOM BERGSTEIGEN LIESS ven Summits, zu besteigen und im November für mich“, sagt er und der Schmerz von da- IHN NICHT LOS geht’s nach Nepal, wo ich den Chulu Far-East mals ist ihm auch heute noch anzumerken. (6038 m) erklimmen möchte“, erzählt Lars Immer mehr wurde er von seinen Mitschülern Irgendwann musste er zurück in die Schweiz. Reinfried seine nächsten Pläne. Ein grosser verstossen. „Ich habe mich mit aller Kraft da- Aber er kam gerne nach Hause. „Ich konnte bei Traum von ihm ist sicherlich auch, den Mount gegen gestemmt, ich wollte diese Krankheit null anfangen, ein gutes Gefühl.“ Lars Rein- Everest zu besteigen, und das Ziel aller Ziele nicht haben. Ich war wütend auf die anderen, fried arbeitete kurze Zeit als Metzger, merkte ist die Eiger-Nordwand. Unzählige Berge hat auf mich, auf die Krankheit, auf die ganze aber bald, dass das nicht der richtige Beruf für der 23-Jährige schon erklommen und den Welt.“ Der heute 23-Jährige fühlte sich allei- ihn war. Er absolvierte die Handelsschule und wohl wichtigsten Kampf gewonnen: seine ne. „Niemand sonst hatte das, ich war für die wechselte in einen Bürojob. Und sein grosser Krankheit als Teil von sich zu akzeptieren. Seit anderen einfach der Komische.“ Traum vom Bergsteigen liess ihn nicht los. Im fast 1.5 Jahren ist er mithilfe von Medikamen- Mai 2019, nachdem er seit vielen Monaten ten anfallsfrei. „Wenn ich die höchsten Berge NEUANFANG IN ENGLAND ohne Anfall lebte und es ihm so gut ging wie dieser Welt bezwingen kann, dann auch diese nie, machte er Nägel mit Köpfen. Und er fing Krankheit“, ist er überzeugt und es ist diesem Als Ausgleich zu diesem Kampf, den er tag- nicht langsam an, sondern ging sogleich steil. jungen, sympathischen Mann zu wünschen. täglich führte, wollte Lars Reinfried, der Und zwar 4000 Meter hoch. Im Juni, nur einen mittlerweile die Oberstufe besuchte, berg- Monat, nachdem er sich entschied, sich seinen Lars Reinfried ist auch als Epi-Coach (siehe steigen und klettern. Doch die Ärzte rieten Traum von nichts und niemandem nehmen zu Kasten) aktiv und tauscht sich als solcher mit ihm davon ab. „Ich fühlte mich von nieman- lassen, auch nicht von der Epilepsie, bestieg er anderen Betroffenen individuell aus. Dieses dem verstanden.“ Seine Eltern waren für ihn das Allalinhorn zum ersten Mal. „Das Gefühl, Engagement ist ihm wichtig. „Ich will anderen da und sein älterer Bruder, mit dem er schon da zuoberst zu stehen, war unglaublich, unbe- Mut machen und zeigen, dass man nie auf- immer ein gutes Verhältnis hatte, wurde zu schreiblich. Ich fühlte mich einfach lebendig“, geben und an seinen Träumen festhalten soll.“ 5
FAC HA R T I KE L „Epilepsie ist praktisch nie ein Grund, auf Kinder zu verzichten“ Die Ängste einer Betroffenen vor einer Schwanger- und Mutterschaft sind oft grösser als die Gefahren. Trotzdem gibt es einige Punkte, worauf Frauen mit Epilepsie achten müs- sen, wenn sie schwanger werden möchten. Dr. med. Silke Biethahn, Nerologin FMH, sagt, welche dies sind und was betroffene Mütter besonders brauchen, wenn das Kind da ist. Interview: Carole Bolliger WAS SIND DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN, WENN EINE BE- so hoch wie möglich sein – gerade generalisierte Anfälle können in TROFFENE SCHWANGER WERDEN MÖCHTE? Frauen mit Epilep- der Schwangerschaft mit einer Gefährdung von Mutter und Kind ein- sie werden weniger häufig schwanger als Frauen ohne Epilepsie. hergehen. Auch sollte bei Planung einer Schwangerschaft mit einer Dies hat verschiedene Gründe: Zum einen besteht die Angst, dass Folsäureprophylaxe begonnen werden, die ebenfalls das Risiko einer man aufgrund der Epilepsie der Rolle als Mutter nicht gewachsen Fehlbildung in der Schwangerschaft senkt. ist. Zum anderen befürchten viele Patientinnen, dass die Medika- tion in der Schwangerschaft ihrem Baby schaden würde oder dass IST EPILEPSIE EIN GRUND, AUF KINDER ZU VERZICHTEN? Epilepsie sie die Epilepsie vererben würden. Weiter kann das sexuelle Ver- ist praktisch nie ein Grund, auf Kinder zu verzichten. langen durch manche Epilepsiemedikamente vermindert werden. Die Fruchtbarkeit allgemein ist gemäss neueren Studien wohl kaum WAS SIND DIE SCHWIERIGKEITEN WÄHREND EINER SCHWANGER- vermindert. Es gibt allerdings einzelne Medikamente, die Verände- SCHAFT? WAS SIND DIE RISIKOFAKTOREN? In der Schwangerschaft rungen auslösen können, die die Fruchtbarkeit mindern. muss die medikamentöse Therapie besonders genau eingehalten wer- den. Ziel ist es, die Medikamente so einzustellen, dass das ungeborene WORAUF MUSS EINE FRAU MIT EPILEPSIE ACHTEN, WENN SIE Kind so wenig wie möglich dadurch gefährdet ist, gleichzeitig aber SCHWANGER WERDEN WILL? WAS IST WICHTIG? Wichtig ist, dass auch Anfälle vermieden werden. Erschwerend ist dabei, dass sich in der man das Thema frühzeitig mit seinem Neurologen bespricht. Es ist Schwangerschaft viele Medikamentenspiegel verändern. wichtig, dass ein Schwangerschaftswunsch bei der medikamentösen Einstellung berücksichtigt wird. Es gibt Medikamente, die tatsächlich STEIGT DAS ANFALLRISIKO WÄHREND EINER SCHWANGERSCHAFT? ein klar erhöhtes Risiko haben, dem Baby zu schaden, in erster Linie 70 Prozent der Schwangeren mit Epilepsie stellen gar keine Ver- ist hier der Wirkstoff Valproat zu nennen. Es gibt jedoch auch einige änderungen ihrer Epilepsie fest, etwa 15 Prozent registrieren eine Medikamente, bei deren Einnahme die Gefahr einer Fehlbildung nur Besserung, und bei den restlichen 15 Prozent kommt es zu einer Ver- minimal erhöht ist. Gleichzeitig muss die Wirksamkeit der Medikation schlechterung. Um das Risiko einer Verschlechterung zu reduzieren, ist es wichtig, die Medikamentenspiegel regelmässig zu kontrollieren. WELCHE RISIKEN FÜR DAS KIND BESTEHEN BEI EINER EPILEPSIE Für Fachpersonen DER MUTTER? Epileptische Anfälle können zu einem Sauerstoff- mangel führen, der Mutter und Kind schaden kann, vermutlich mehr, als die Epilepsiemedikamente. Ausserdem besteht die Gefahr EURAP ist das internationale Register für Schwangerschaften einer fetalen Blutung, einer Fehlgeburt oder sogar Totgeburt. Beim unter Einnahme von Antikonvulsiva (European Registry of Antiepi- anfallsbedingten Sturz einer Schwangeren kann es zu Gebärmutter- leptic Drugs and Pregnancy). GynäkologInnen (oder NeurologIn- verletzungen, Plazentablutungen oder einer vorzeitigen Plazenta- nen) sollten dieses Register jeweils führen, wenn sie Schwangere lösung kommen. Ganz falsch wäre es also, aus Angst vor der un- mit Antiepileptika begleiten. Es dient dazu, Nebenwirkungen und erwünschten Medikamentenwirkung die Behandlung während der Folgen von Medikamenten auf die Schwangerschaft besser zu Schwangerschaft plötzlich zu unterbrechen. erfassen, zu dokumentieren und zu erkennen: KÖNNEN DIE MEDIKAMENTE DAS UNGEBORENE KIND BEEINTRÄCH- www.eurapinternational.org TIGEN, IHM SCHADEN? Ja, Medikamente gegen Epilepsie können zu Fehlbildungen führen, auch ist das Risiko einer Fehlgeburt leicht Das International Bureau for Epilepsy IBE führte eine Umfrage in erhöht. Insgesamt kommen jedoch etwa 95 Prozent der Kinder von Europa durch, wie gut Frauen mit Epilepsie im gebärfähigen Alter Müttern mit Epilepsie gesund zur Welt, im Vergleich von etwa 98 über die Risiken einer Schwangerschaft informiert sind und wie Prozent der Kinder von Müttern ohne Epilepsie. Grundsätzlich ist verständlich diese Informationen sind. Mehr Infos: das Risiko einer Fehlbildung durch folgende Faktoren zu reduzieren: je weniger Wirkstoffarten eingenommen werden desto besser; die www.ibe-epilepsy.org/ 6
Online-Veranstaltung Dr. med. Silke Biethahn ist Fachärztin für Neurologie in der Hirslan- den Klinik Aarau sowie im Neurozentrum Aarau. Am 27. April 2021 referiert sie am Online-Anlass von Epi-Suisse und der Schweizeri- schen Epilepsie-Liga zum Thema „Epi und Hormone“. Sie gibt einen Überblick über die wichtigsten Aspekte rund um dieses Thema. Den Zoom-Link erhalten Interessierte unter: www.epi-suisse.ch/veranstaltungen Menge des Wirkstoffs sollte so gering wie möglich sein; es ist besser, Betreuung des Kindes erfolgen kann. Auch empfehle ich, die Entbin- zwei bis drei Mal täglich eine kleine Menge des Wirkstoffs einzu- dung in einem Zentrum vorzunehmen, wo nach der Geburt im Not- nehmen, als einmal täglich eine entsprechend grosse Menge; wenn fall auch eine intensivmedizinische Versorgung für Kinder möglich irgend möglich, sollte eine Behandlung mit dem Wirkstoff Valpro- ist, also in einem Spital mit Kinderklinik und Neonatologie. at vermieden werden; es sollte insbesondere im ersten Drittel der Schwangerschaft neben einer ausgewogenen Ernährung eine höher- IST DAS BABY ERST MAL DA, GIBT ES VIELE SCHLAFLOSE NÄCHTE – dosierte Gabe von Folsäure erfolgen. WAS GIFT IST FÜR BETROFFENE, DIE REGELMÄSSIG SCHLAF BRAU- CHEN. WAS RATEN SIE? WORAUF SOLL MAN ACHTEN? Grundsätz- IST EPILEPSIE VERERBBAR? WIE HOCH IST DAS RISIKO EINER VER- lich ist es wichtig, dass in diesen Situationen der Vater des Kindes ERBUNG? Es gibt seltene erbliche Epilepsien, in der Regel ist keine unterstützt. Es ist zu empfehlen, dass die Mutter Milch abpumpt, klare Vererbbarkeit vorhanden. Insgesamt ist das Risiko, dass ein Kind die der Vater dann nachts mit dem Schoppen geben kann, damit die von einer Frau mit Epilepsie ebenfalls an Epilepsie erkrankt, etwa zwei Mutter ein paar Stunden am Stück schlafen kann. bis fünf Prozent, im Vergleich von etwa einem Prozent bei Kindern von Müttern ohne Epilepsie. Je nach Medikament rate ich auch teilweise dazu, die Dosis des Me- dikamentes in den ersten Monaten nach der Entbindung etwas höher zu lassen, um das Risiko epileptischer Anfälle zu senken. „IN DER SCHWANGERSCHAFT MUSS DIE Dann gibt es auch noch pragmatische Aspekte: So sollte eine Mutter mit Epilepsie (je nach Anfallsart) ihr Kind nicht allein auf einem MEDIKAMENTÖSE THERAPIE BESONDERS hohen Wickeltisch wickeln, sondern eher auf dem Boden – wenn die GENAU EINGEHALTEN WERDEN“ Mutter in so einer Situation einen Anfall hat, ist die Gefahr gross, dass das Kind unbeaufsichtigt vom Wickeltisch fällt. Auch bietet es sich an, das Kind in einer Trage zu haben, wenn man umher- geht, damit einem das Kind bei einem Anfall nicht aus den Armen WAS, WENN DER WUNSCH SO GROSS IST UND EIN PAAR UNBEDINGT fällt. „Umkehrbremsen“ am Kinderwagen, Bremsen, die man drücken EIN KIND WILL – GEGEN JEDEN ÄRZTLICHEN RAT? WAS RATEN SIE muss, damit der Wagen fährt, der Wagen stoppt, wenn man diese DIESEM PAAR? Die Situation, dass man von einem Kinderwunsch loslässt, sind auch zu empfehlen. klar abraten muss, ist sicher ausgesprochen selten. Hingegen gibt es Umstände, in denen eine Schwangerschaft neurologisch und frauen- WENN NICHT DIE FRAU, SONDERN DER MANN BETROFFEN IST, IST ärztlich besonders eng begleitet werden muss. Dies gilt insbeson- ES FÜR DAS PAAR DANN SCHWIERIGER, SCHWANGER ZU WERDEN? dere für Frauen mit häufigen Anfällen und mit einer komplizierten Bei Männern mit Epilepsie kommt es in der Tat vor allem in Ab- Behandlung mit mehreren, teilweise hochdosierten Medikamenten. hängigkeit von der Medikation etwas gehäuft zu vermindertem Ver- Ganz besonders diesen Frauen rate ich, dass sie in einer Klinik für langen nach Geschlechtsverkehr, verminderter Potenz oder etwas Geburtshilfe betreut werden, die mittels eines speziellen Ultraschalls verminderter Fruchtbarkeit. Die Verordnung erektionsverstärkender auch schon im Mutterleib zum Beispiel Fehlbildungen des Herzens Mittel wie Sildenafil (Viagra®) oder ähnlichen Präparaten an Männer erkennen können. So kann frühzeitig entschieden werden, welche mit Epilepsie wird in der Regel als unproblematisch eingeschätzt, es Behandlungsmöglichkeiten bestehen, ob die Eltern einen Schwan- gibt keinen klaren Hinweis darauf, dass es darunter zu vermehrten gerschaftsabbruch in Betracht ziehen oder wie die spätere optimale Anfällen kommt. 7
FAC HA R T IKE L Eltern erzählen von ihrem Weg zum Kind Wie gehen betroffene Frauen mit dem Christine Leu, 38 Thema Kinderwunsch um? Wir haben drei Jahre, ist Mutter eines Mütter und einen Vater gefragt, wie es für 10-jährigen Sohnes. sie war. Sie hat Epilepsie mit fokalen Anfällen und Aura seit ihrem 6. Al- tersjahr. Heute hat sie stressbedingt noch etwa zwei Anfälle pro Jahr. „Mutter zu sein, habe ich nie bereut“ „Mir wurde von meinem Umfeld und auch den Ärzten immer gesagt, dass es nicht verständlich wäre, wenn ich mit meiner Krankheit ein Kind Marisa Grob ist hätte. Deshalb war das lange kein Thema für uns. Mein Mann und ich 26 Jahre alt. Seit haben eine Weltreise gemacht und da kam der Wunsch nach einem Kind immer mehr auf. Als wir zurück waren, haben wir uns mit dem Thema 15 Jahren hat sie befasst und mein Gynäkologe sagte mir, dass ich auch mit Medikamen- Epilepsie mit Ab- ten schwanger werden könne. Meine Neurologen waren nicht so begeis- tert. Ein Epi-Medikament musste ich absetzen. Ich wurde sehr schnell senzen, etwa alle schwanger und in der ersten Hälfte meiner Schwangerschaft war alles zwei bis drei Wo- gut, danach hatte ich einen oder zwei Anfälle pro Monat. Ich hatte aber nie Angst, ich war immer davon überzeugt, dass alles gut kommt. Gegen chen, manchmal Ende der Schwangerschaft wurde es etwas schwieriger, weil ich nicht mehrere hinterein- mehr gut schlafen konnte und Schlaf doch sehr wichtig ist für mich. ander. Dann hatte ich auch mehrere Anfälle im Schlaf. Mein Mann hatte Angst, dass ich und das Kind zu wenig Luft bekommen. „Ich bin die, die sich Sorgen macht“ Als unser Sohn auf der Welt war, habe ich wieder angefangen, Medika- mente zu nehmen. Die erste Zeit war sehr schwierig, weil ich zu wenig „Ich bin noch keine Mutter. Wenn möglich, möchte ich später aber Schlaf hatte. Dann hat mein Mann die Nachtschichten übernommen sehr gerne Kinder haben. Ich bin verlobt und mein zukünftiger Mann und ich kam wieder zu genügend Schlaf. Als unser Sohn zwei Jahre alt möchte auch sehr gerne Kinder haben. Wir haben uns noch nicht gross war, war es besonders schwierig für mich. Er forderte viel, ich hatte häu- mit dem Thema Schwangerschaft und Epilepsie auseinandergesetzt fig Anfälle, auch tagsüber, was vorher nie vorkam. Er war im Laufgitter oder mit dem Arzt gesprochen, aber ich selber mache mir grosse Sor- und ich hatte neben ihm Anfälle. Das war natürlich nicht schön. Als er gen, dass in der Schwangerschaft oder später, wenn das Kind geboren dann in die Kita kam, wurde es etwas besser. Bis vor zwei Jahren war ist, dem Kind etwas passiert, wenn ich eine Absenz habe. Da ich bei es ein purer Stress, ich hatte viele Anfälle, musste die Medikamente in einer Absenz den Körper nicht ganz unter Kontrolle habe, mache ich höchster Dosis nehmen und hatte Selbstmordgedanken. Trotzdem habe mir Sorgen, dass ich das Kind fallen lassen könnte und es sich verletzt. ich die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, nie bereut. Mein Mann Ebenfalls mache ich mir Sorgen, dass das Kind eventuell auch Epilep- hat von Anfang an gesagt, dass wenn wir Eltern werden, wir sicher nur sie bekommt, da es vererbbar ist. ein Kind bekommen. Ich hätte es schön gefunden, ein Geschwisterchen für unseren Sohn zu haben, aber es ist schon vernünftiger so. Mit mei- Der Wunsch, Mutter zu werden, ist sehr gross, aber zurzeit sind meine nem Sohn rede ich ganz offen über meine Krankheit, für ihn ist es ganz Ängste noch grösser. Trotzdem bin ich sehr optimistisch, dass es einen normal, dass ich Medikamente nehme und zum Beispiel nicht mit ihm in Weg geben wird und wir trotz meiner Epilepsie Eltern werden können. den Europapark kann. Er hat auch schon Anfälle von mir miterlebt und Unser Umfeld steht hinter uns und unterstützt uns, das weiss ich.“ fand das eher lustig als beängstigend.“ 8
RETO MACHT DAS FANTASTISCH. ER HAT AUCH SCHON ANFÄLLE VON MIR MITERLEBT UND WEISS, WIE ZU REAGIEREN UND DAMIT UMZUGEHEN IST. DASS ER IN DEN NÄCHTEN FÜR UNSEREN SOHN AUFSTEHT, IST FÜR IHN SELBSTVERSTÄNDLICH. ICH BIN SEHR FROH.“ Jeannette Wiss Jeannette Wiss (41 Jahre) und Reto Lampart den Anfall gut überstanden hatte. Die Neurologin vermutete, dass mein (45) haben zusammen einen 4-jährigen Medikament, aufgrund des steigenden Östrogenspiegels in der Schwanger- schaft zu diesem Zeitpunkt zu niedrig dosiert war. Sohn. Jeannette Wiss ist von Epilepsie be- troffen. Sie hatte grosse Krampfanfälle. Seit Als unser Sohn Niall 1.5 Jahre alt war, erlitt ich einen weiteren Anfall. Am frühen Morgen, geweckt durch sein Weinen, wurde alles zu viel. Es ein paar Jahren ist sie mit Medikamenten war eine anstrengende Woche bei der Arbeit und zugleich eine intensive anfallsfrei. Jeannette Wiss ist Mitarbeiterin Betreuungszeit, da Niall zahnte und jede Nacht nahezu ununterbrochen vor Schmerzen schrie. Mein Mann und ich hatten bereits von Anfang an von Epi-Suisse. vereinbart, dass er sich um die Nachtschichten kümmern wird. In dieser Woche konnte ich jedoch das intensive und laute Weinen unseres Sohnes nicht ausblenden. Und dies, obwohl ich wusste, dass Niall bei Reto in den „Der Vater kümmert sich besten Händen war. Ein geregelter Schlafrhythmus war einfach nicht mög- um die Nachtschichten“ lich und ich hatte diesen epileptischen Anfall. Jeannette Wiss: „Eine Familie zu gründen, war für uns lange kein The- Reto Lampart: „Jeannette hat ihre epileptischen Anfälle durch die Me- ma. Das hatte aber nichts mit meiner Krankheit zu tun. Als ich dann 36 dikamente unter Kontrolle. Ich hatte somit nie Angst oder irgendwelche Jahre alt war, wurde der Wunsch stärker. Meine Epilepsie-Medikamen- Bedenken bezüglich gemeinsamer Kinder. Trotz der Hektik des Alltags te waren mit einer Schwangerschaft gut verträglich. Ich hatte auch eine mit einem kleinen Kind ist es wichtig, die Medikamente konsequent ein- gute Ärztin, die uns sehr ausführlich über das Thema Schwangerschaft zunehmen. Ich hatte manchmal Sorgen, dass Jeannette dies vergessen und Antiepileptika aufgeklärt hat. So musste ich häufiger zu Kontrollen könnte. Mit einer Pillenbox hat man jederzeit einen guten Überblick – bei meiner Gynäkologin. Bis auf die vermehrten Arztbesuche hat mich die und, es gibt sie auch in «schön». Die ersten beiden Jahre mit Niall waren Epilepsie in meiner Schwangerschaft nicht beeinträchtigt. Meine Gynä- sehr anstrengend. Er war viel krank, benötigte täglich seine Medikamente kologin und meine Neurologin haben sich regelmässig ausgetauscht. Ich und wir mussten täglich mehrmals mit ihm inhalieren. Natürlich konzen- war in besten Händen. In der 28. Woche bestand bei einer Routineunter- trierten wir uns während dieser Zeit stark auf das Wohlergehen unseres suchung plötzlich der Verdacht auf eine Schwangerschaftsvergiftung und Sohnes, trotzdem darf man sich selbst nicht vergessen oder vernachläs- ich musste für detaillierte Abklärungen ins Spital. Ab diesem Zeitpunkt, sigen. respektive wenige Stunden nach Spitaleintritt, verlief alles sehr, sehr viel schneller als eigentlich geplant. Unser Glitzerstern erblickte noch während Für Jeannette ist es sehr wichtig, auf den Schlaf zu achten, und sie braucht meines ersten Tages im Spital das Licht der Welt. einen geregelten Schlafrhythmus. Für mich war es daher selbstverständ- lich, dass ich die Nachtschichten übernommen habe. Der kurze Anfall in Während der Schwangerschaft erlitt ich einen einzigen Anfall, obwohl ich der Schwangerschaft hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es bereits jahrelang anfallsfrei war. Für uns sowie auch für meine Neurologin ist, konsequent auf den Schlafrhythmus und die Einnahme der Medika- war dies jedoch unerklärlich, da dieser Anfall untypisch verlief. Es pas- mente zu achten. sierte am Abend, dauerte weniger als eine Minute, die Zuckungen waren kaum wahrnehmbar und ich war unmittelbar danach wieder ansprechbar. Nach aussen hin scheint alles ‚normal‘ und auch wir vergessen die Epilepsie Eine anschliessende Kontrolle bei der Gynäkologin zeigte, dass unser Baby fast.“ 9
MI TG L IE D E R U M FRA G E Mitgliederumfrage 2020 Die Meinung der Mitglieder Print oder Postversand? Projekte: ist Epi-Suisse sehr wichtig. Psychologische Beglei- Epi-Suisse wollte von den Mitgliedern Aus diesem Grund haben wir wissen, ob sie den Versand verschiede- tung und My.EpiCoach 2020 eine Mitgliederumfrage ner Publikationen wie zum Beispiel dem Jahresprogramm, dem Magazin oder all- In der Beratung wird Epi-Suisse häuft mit verschickt. Mit einem Rück- gemeinen Mitgliederinformationen als Anfragen nach psychologischer Beglei- lauf von über 20 Prozent der Print und Postversand oder per E-Mail tung zur Bewältigung der Krankheit kon- bevorzugen. Das Ergebnis ist ziemlich frontiert. Dank der Rückmeldung einzel- Fragebogen dürfen wir auf deutlich mit 65 Prozent für E-Mail und ner Umfrageteilnehmer konnte nun eine überdurchschnittlich aktive 35 Prozent für Print. Die Zeichen stehen Anzahl Kontakte von Psychologen und deutlich auf elektronischen Versand. Bis Psychologinnen ermittelt werden, die von und interessierte Mitglieder auf die Mitgliederrechnung und das Ma- Epi-Suisse weitervermittelt werden kön- zählen, was uns ausgespro- gazin wünscht sich die Mehrheit der Mit- nen. chen freut und motiviert, un- glieder einen elektronischen Versand statt gedruckte Produkte in der Post zu finden. Das Projekt My.EpiCoach ist erst seit sere Arbeit im Sinne unserer Wir werden nun prüfen, inwieweit wir 2019 aktiv. Die Antworten in der Umfra- Mitglieder fortzuführen. Der diesem wachsenden Bedürfnis in der Zu- ge machten deutlich, dass dieses Projekt kunft gerecht werden können. einen grossen Rückhalt geniesst. Zahlrei- Vergleich Deutschschweiz che Mitglieder haben sich bereit erklärt, und Romandie zeigt, dass sich künftig als Epi-Coach zu engagieren und eine noch grössere Zahlt zeigte die der Rücklauf in der Welsch- Online-Veranstaltungen Bereitschaft, dass wir sie in Einzelfällen schweiz mit 25 Prozent sogar anfragen dürfen, wenn Ratsuchende nach Online-Veranstaltungen sind wegen der einem Austausch mit anderen Betroffe- noch deutlicher ausfiel. Wir Corona-Krise in aller Munde. Auch unter nen oder Eltern suchen. konnten sehr viele Erkennt- den Mitgliedern von Epi-Suisse spüren wir wachsendes, wenn auch noch verhal- nisse aus der Auswertung tenes Interesse. Veranstaltungen vor Ort ziehen. ermöglichen Kontakte und Gespräche un- ter Teilnehmenden, die eine Online-Teil- nahme niemals ersetzen kann. Deshalb Hier die Auswertungen: werden physische Veranstaltungen wei- terhin ein gewichtiger Bestandteil unseres Programms sein. 10
SAMME LS U RI U M Neues von Epi-Suisse Neuste Broschüre Für Menschen mit Epilepsie Schulalltag „Erwachsene und Epi- 3 mit Epilepsie ERWACHS lepsie“ erschienen ENE UND EPILEP SIE bewältigen Epilepsie vers tehen – mit der Kran kheit leben „Erwachsene und Epilepsie“ – so heisst die Die sehr beliebte Broschüre, die sich mit dem neuste Broschüre der vierteiligen Reihe Thema Schule und Epilepsie auseinander- E PILE P SIE N im Sc hu la llt ag von Epi-Guide. Sie ist auf Deutsch und setzt, wurde stark überarbeitet und ist unter Französisch erhältlich. dem neuen Titel „Epilepsien im Schulalltag“ erschienen. Epilepsien fordern Betroffene und Ange- hörige in jedem Lebensalter und jeder Lebensphase auf ganz In der komplett überarbeiteten Version „Epilepsien im eigene Weise. „Mit dieser Broschüre möchten wir ihnen einen prak- Schulalltag“ werden die neuen Begebenheiten in der Schule stärker tischen Ratgeber an die Hand geben, der sie im Alltag unterstützen gewichtet. An dieser sind heute neben den Lehrpersonen weitere soll“, erklärt Dominique Meier, Geschäftsführerin von Epi-Suisse. Fachpersonen engagiert, zum Beispiel HeilpädagogInnen, Schul- Dabei wird nicht allein auf die medizinischen Aspekte der Krankheit sozialarbeiterInnen, schulische und soziale Betreuungspersonen. fokussiert, sondern versucht, die Folgen im Alltagsleben nach- Diese Publikation informiert umfassend über die Auswirkungen von zuzeichnen. Betroffene mit einer Neudiagnose werden ebenso Epilepsien im Schulalltag. Lehrpersonen sollen mit der Broschüre angesprochen wie Menschen, die schon seit Jahren mit Epilepsie in ihrer Arbeit unterstützt und der Dialog mit allen beteiligten leben. „Neben den medizinischen Grundlagen sprechen wir die Personen soll gefördert werden. Diese Broschüre richtet sich haupt- Bewältigung der Krankheit im Alltag an, beleuchten die Sicht der sächlich an Lehrpersonen, aber auch an Eltern von schulpflichtigen Angehörigen und gehen auf das grosse Thema „Arbeit und Epilep- Kindern mit Epilepsie. sie“ ein“, so Meier. Ein eigenes Kapitel bildet das Thema „Sprechen über Epilepsie“, wo sich die Tabus und Vorurteile, die rund um die „Epilepsien im Schulalltag“ ist für 8.50 Franken auch auf Krankheit kolportiert werden, stark auswirken. Die Broschüre wird Französisch und Italienisch erhältlich. Bezug und Infos: abgerundet von Tipps und Empfehlungen für den Alltag. www.epi-suisse.ch/infomaterial Die Broschüre „Erwachsene und Epilepsie“ kann kostenlos bezogen werden unter: www.epi-suisse.ch/infomaterial. Weiter in der vierteiligen Serie von Epi-Guide sind bereits erschienen: „Kinder mit Epilepsie“ und „Jugendliche und Epilepsie“. Auch sie sind kostenlos erhältlich. 2021 Veranstaltungen 2021 – online und vor Ort Viele Veranstaltungen mussten letztes Jahr aufgrund der Pandemie abge- Wurden die Ferienwochen für Kinder sagt werden oder sie wurden auf dieses Jahr verschoben. Einige Anlässe und Jugendliche bisher vor allem nach konnten aber trotzdem stattfinden, einfach als Online-Veranstaltun- Alter angeboten, so haben die Verant- V ER A N STA gen. Dies wird sich sicherlich auch noch ins erste Halbjahr 2021 weiter wortlichen auf dieses Jahr nachjustiert M AN IFESTA LT U N G EN Schwe izeriscTI O NS her Verein ziehen. „Das gibt auch jenen eine Chance auf eine Teilnahme, denen und neupositioniert. „Wir versuchen, Association für Epilepsie suisse de l'Épile psie sonst der Weg an einen Veranstaltungsort zu weit ist“, sagt Geschäfts- die unterschiedlichen Stärken der führerin Dominique Meier. Auch wenn sich das Team von Epi-Suisse die Kinder in den Ferienwochen besser zu Stimmung und Atmosphäre von Veranstaltungen vor Ort zurückwün- berücksichtigen“, erklärt Dominique Meier. So könne man für stärker sche, ist Meier überzeugt, dass auch in fernerer Zukunft Online-Anlässe betroffene Kinder und Jugendliche ein angepasstes Programm ermög- zur Normalität zählen würden. Eine gute Mischung aus Online- und lichen und besser auf die individuellen Bedürfnisse eingehen. Dank in- Vor-Ort-Veranstaltungen ist das Ziel. tensiver Betreuung sind so in der Erlebniswoche in Stalden auch stärker beeinträchtigte Kinder gut aufgehoben. Weniger beeinträchtigte Kinder Neben den fünf beliebten Ferienwochen – Sportcamp, Adventureweek, und Jugendliche kommen in der Adventureweek auf ihre Kosten. Erlebniswoche, Wander- und Plauschwoche sowie der Bauernhofwoche – bietet Epi-Suisse in diesem Jahr auch noch zwei Weekends an. Einmal für Mehr Infos zu allen Veranstaltungen, Ausflügen und Ferienwochen Erwachsene und einmal für Jugendliche und junge Erwachsene. Letzeres finden Sie in dieser Ausgabe auf Seite 11 oder im Jahresprogramm findet heuer zum ersten Mal statt und kommt einer grossen Nachfrage unter: www.epi-suisse.ch/veranstaltungen nach diesem Angebot nach. 11
SO Z I A L B E R AT U N G Ich habe Epilepsie und bin 18 Jahre alt – kann ich den Führerausweis machen? Fragen zum Führen von Kraftfahrzeugen gehören in der Regel zu den Hauptanliegen der Patientinnen und Patienten. Bezüglich der Fahreignung liegen Richtlinien von der Verkehrskommission der Schweizerischen Epilepsie-Liga vor. Die letzten Änderungen dieser Richtlinien wurden im November 2019 veröffentlicht. Generell können Epilepsiebetroffene, die seit weise für Nutzfahrzeuge unterliegen strengeren mindestens einem Jahr anfallsfrei sind, einen Bedingungen: Die Fahrkarenz kann hier bis zu 5 Personenwagen oder ein Motorrad lenken. Eine Jahre betragen. Verkürzung dieser Frist ist möglich, wenn Anfälle ausschliesslich schlafgebunden oder im Zusam- Generell wird Personen mit bestehender Epilepsie menhang mit einem vermeidbaren auslösenden von Berufen abgeraten, die einen Führerausweis Faktor auftreten. Kommt es plötzlich wieder zu der Kategorien C, C1, BPT, D und D1 voraussetzen. einem Anfall nach mindestens 3-jähriger Anfalls- Wer bei der erstmaligen Manifestation der Epi- freiheit und bei bekanntem klinischem Verlauf, lepsie bereits einen solchen Beruf ausübt, sollte beträgt die Fahrkarenz 3 Monate (isoliertes pro- sich an die Sozialberatung von Epi-Suisse wen- Neue Sozialberaterin voziertes Anfallsrezidiv) bzw. 6 Monate (isoliertes den, um sich über die Unterstützungsmöglich- bei Epi-Suisse unprovoziertes Anfallsrezidiv). Voraussetzung ist keiten während der Fahrkarenz oder über einen jedoch eine neurologische Abklärung. Nach ei- Berufswechsel zu informieren. Anfang Oktober 2020 hat Nina Wie- nem erstmaligen epileptischen Anfall gilt in Ab- derkehr ihre Arbeit bei Epi-Suisse auf- hängigkeit von mehreren Kriterien (Behandlung, Leider gibt es bei fehlender Fahreignung keine genommen. Sie bringt über 16 Jahre neurologische Beurteilung, provozierter oder un- spezifische Unterstützung bei der Bewältigung Berufserfahrung im Sozial- und Ge- provozierter Anfall) eine Fahrkarenz von 3 Mona- des plötzlichen Führerausweisentzugs, zum Bei- sundheitswesen mit, davon über 10 als ten bis zu einem Jahr. spiel Arbeitswege oder generell Berufstätigkeit. Sozialarbeiterin. Nina Wiederkehr ist Schon eine kurze Fahrkarenz kann grosse Pro- Sozialarbeiterin FH und verantwortlich In jedem Fall sind Sie verpflichtet, alle Anfälle Ih- bleme bereiten. Kontaktieren Sie uns einfach und für die Sozialberatung von Epi-Suisse rem Neurologen oder Ihrer Neurologin zu melden. schildern Sie uns Ihre Probleme, wir sind Ihnen und berät Klientinnen und Klienten gerne bei der Suche nach einer Lösung behilflich. (Erwachsene und Eltern betroffener Für die anderen Führerausweiskategorien gelten Kinder) in Fragen rund um die sozialen davon abweichende Bestimmungen. Führeraus- Folgen der Epilepsie. 100 Millionen Schritte für die Welt, über 6.9 Millionen für die Schweiz Weltweit sind 50 Millionen Menschen von Epilepsie betroffen – davon rund 80’000 in der Schweiz. Gemeinsam mit dem International Bureau for Epilepsy führte Epi-Suisse vom 4. Januar bis zum 8. Februar 2021, dem internationalen Tag der Epilepsie, eine Sensibilisierungsaktion durch. Damit woll- te Epi-Suisse Schritt für Schritt mehr Bewusstsein für diese häufige und doch zu wenig bekannte neurologische Krankheit schaffen. Die Kampagne war ein grosser Erfolg und regte über 150 Frauen, Männer und Kinder zum Mitlaufen an. So erzielten die Schweizerinnen und Schweizer bis zum 8. Februar 6'918'942 Schritte im Rah- men dieser Aktion. Epi-Suisse freut sich über die vielen Frauen, Männer und Kinder, die mitgemacht haben, und bedankt sich bei ihnen für ihre unermüdliche Mitwirkung. 12
EPI- SUISSE A G E ND A Events 2021 Events Ferienwochen April April Online-Anlass: Epilepsie und Hormone Sportcamp (13 bis 22 Jahre), Klosters, GR 27. April 2021 10.-17. April 2021 Mai Juli Generalversammlung Epi-Suisse, Bern Adventureweek (13 bis 22 Jahre), Stalden, OW 22. Mai 2021 31. Juli - 7. August 2021 Juni August Famoses-Kurs: Familienalltag mit Epilepsie, Basel Erlebniswoche (8 bis 15 Jahre), Stalden, OW 4.-5. Juni 2021 7.-14. August 2021 Workshop Selbst handeln: Die eigene Stärke fördern, Olten September 12.-13. Juni 2021 Wander- und Plauschwoche (Erwachsene), Alt St. Johann, SG Juli 11.-18. September 2021 Crashkurs (2): Was ist Epilepsie?, Zürich Oktober 2. Juli 2021 Bauernhofwoche (8 bis 15 Jahre), Hallau, SH September 9.-16. Oktober 2021 Patiententag Bern: Alltag und Epilepsiechirurgie, Bern 4. September 2021 Crashkurs (3): Was ist Epilepsie?, Zürich Freizeit und Ausflüge 10. September 2021 Mai Oktober Familienausflug in den Tierpark, Arth-Goldau, SZ Workshop: Schreiben über Epilepsie, Zürich 29. Mai 2021 8. und 22. Oktober 2021 Elterntag: Ablösung und Loslassen, Zürich Juli 30. Oktober 2021 Plausch-Weekend für Erwachsene, Neuenburg, NE 5.-6. Juni 2021 November Online-Anlass: Epilepsie und ADHS September 13. November 2021 Weekend für junge Erwachsene, Morschach, SZ Patiententag: Älter werden mit Epilepsie, Zürich 3.-5. September 2021 27. November 2021 Dezember Ausflug auf den Weihnachtsmarkt in Einsiedeln, SZ 4. Dezember 2021 Infos & Anmeldung 2021 Zu allen Veranstaltungen finden Sie detaillierte Informationen über die Referenten, das Programm, die Anreise und allfällige Teilnahmebedingungen auf unserer Website unter www.epi-suisse.ch/veranstaltungen Anmeldungen online unter www.epi-suisse.ch, telefonisch unter 043 488 68 80 oder VE RA NS TA LT UN GE per Mail über info@epi-suisse.ch M AN IFE STAT IO NS N Schweizerisch Association er Verein für Epilepsie suisse de l'Épilep sie 13
PO R T R A I T «Je me sentais S a première crise est survenue lorsqu’il avait dix ans. «Nous étions assis en famille devant la télé, nous mangions une pizza. Ensuite, je ne me souviens plus de comme une erreur rien», raconte Lars Reinfried. Le jeune homme est assis sur le canapé de la maison de ses parents, dans le canton de Glaris. Il veut qu’il faut corriger» rendre son histoire publique pour encourager les autres à ne pas baisser les bras. Son dia- gnostic d’épilepsie avec des crises sévères a été posé par la clinique spécialisée de Zurich. «Les crises duraient une dizaine de minutes, mais elles n’étaient jamais pénibles pour moi, puisque je n’en avais aucune conscience», Il escalade les plus hauts sommets du monde. Mais explique le jeune homme de 23 ans. C’est c’est à l’école qu’il a livré sa plus grande bataille, ensuite qu’il souffrait: il dormait au moins douze heures d’affilée, était physiquement lorsque son épilepsie lui a valu d’être harcelé et épuisé et n’avait plus que des souvenirs épars mis à l’écart. Lars Reinfried est aujourd’hui Epi- des deux ou trois jours précédant la crise. coach chez Epi-Suisse et veut encourager d’autres Bien qu’il n’ait pas eu de crise à l’école à personnes atteintes d’épilepsie. cette époque, ses résultats scolaires ont commencé à dégringoler, du fait de ses Texte: Carole Bolliger, photos: Reto Schlatter nombreuses absences, parce qu’il ne pou- vait pas retourner en cours juste après une crise. Il est devenu distrait et ses camarades de classe se sont mis à le trouver «bizarre». Ses enseignants non plus n’ont pas su gérer la situation et ne s’y sont pas intéressés. À leurs yeux, Lars Reinfried était simplement paresseux et n’avait pas envie de travailler. «Ça a été une période sacrément difficile et pénible pour moi», dit-il, et sa souffrance de l’époque transparaît encore aujourd’hui. Ses camarades l’excluaient de plus en plus. «Je me suis rebellé de toutes mes forces, je ne voulais pas avoir cette maladie. J’étais en colère contre les autres, contre moi-même, contre la maladie, contre le monde entier.» Le jeune homme se sentait seul. «Personne d’autre n’avait ça, pour le reste des élèves, j’étais juste le gars bizarre.» 14
My.Epi-Coach Epi-Suisse a lancé la plateforme de mise en réseau My.EpiCoach en mai 2019. Elle permet aux personnes atteintes d’épilepsie, aux parents et à d’autres proches de trouver rapidement et facilement un interlocuteur avec lequel échanger au sujet de la maladie. L’offre a rencontré un grand succès. A ce jour, plus de 50 Epi-coaches sont déjà en activité et un grand nombre de personnes atteintes d’épilepsie et de parents a accepté de se mettre ponctuellement à disposition pour des échanges. Informations et inscription: www.myepicoach.ch téléphone 043 488 68 80 ou info@epi-suisse.ch Pour équilibrer cette lutte quotidienne, Lars Angleterre pendant un an et demi au total. Il sitôt dit, aussitôt fait. Avec son guide, il s’est Reinfried, alors à l’école secondaire, voulait a commencé un entraînement sportif intensif attaqué à la montagne et l’a vaincue, malgré se lancer dans l’alpinisme et l’escalade. Ses à raison de quatre à cinq séances par semaine une blessure au genou. «J’étais là, tout seul, médecins le lui ont déconseillé. «J’avais l’im- avec un coach personnel. sur ce sommet mythique, c’était un sentiment pression d’être incompris de tous.» Ses pa- grandiose», se souvient-il, avec les yeux bril- rents le soutenaient et son frère aîné, avec A un moment donné, il a dû rentrer en Suisse, lants d’un enfant à Noël. qui il s’était toujours bien entendu, est de- mais il l’a fait avec plaisir. «Je pouvais repar- venu son roc et son confident. «Mais ça ne tir de zéro, c’était agréable.» Lars Reinfried a UN RÊVE D’ALPINISME VIVACE m’empêchait pas de me sentir complètement alors travaillé quelque temps comme boucher perdu», explique-t-il. Ce qu’il redoutait s’est et s’est rapidement aperçu que ce n’était pas D’autres montagnes et crêtes ont suivi en produit: il a eu une crise en classe à l’école un métier pour lui. Il a fréquenté une école de Suisse et dans les pays voisins. Il avait d’ail- secondaire. «Après ça, j’étais complètement commerce puis trouvé un emploi de bureau. leurs prévu de se rendre au Kirghizistan l’été grillé, plus personne ne voulait avoir quoi Son grand rêve d’alpinisme le taraudait tou- dernier pour y escalader plusieurs sommets, que ce soit à faire avec moi», se souvient-il. jours. En mai 2019, après de nombreux mois puis au Népal à l’automne pour une ascen- A son corps défendant, le jeune homme so- sans crise et en meilleure forme que jamais, il sion de l’Himlung Himal (7126 mètres). Les ciable est devenu un solitaire. «Je me sentais l’a réalisé. Et il n’a pas commencé en douceur, deux projets ont dû être annulés à cause de comme une erreur qu’il faut corriger.» s’attaquant d’emblée à une ascension raide et la pandémie. Mais rien n’arrête Lars Rein- à un sommet de 4000 mètres. En juin, un mois fried, pas plus le coronavirus que l’épilep- NOUVEAU DÉPART EN ANGLETERRE à peine après avoir décidé qui rien ni per- sie: «En avril, je tenterai de vaincre le mont sonne, pas même l’épilepsie, ne le priverait de Elbrouz, la plus haute montagne d’Europe Après cette période difficile, il a entamé un son rêve, il a gravi l’Allalinhorn pour la pre- (5642 mètres) et l’un des Sept Sommets, et apprentissage de cuisinier. Malgré ses crises mière fois. «Etre tout là-haut m’a procuré une en novembre, je pars au Népal, où j’aimerais et en dépit du fait que son choix n’enchantait sensation incroyable, indescriptible. Je me escalader le Chulu Far East (6038 mètres).» pas les médecins. Mais il refusait que la ma- sentais tout simplement vivant», raconte le L’un de ses grands rêves est l’ascension de ladie lui prenne tout. Il a donc suivi la forma- jeune homme. Et ce sentiment l’a rendu accro. l’Everest et son objectif suprême, la face nord tion. Il aimait fréquenter l’école profession- Il voulait se mesurer à d’autres cimes, encore de l’Eiger. Le sympathique jeune homme de nelle où, pour la première fois, un professeur plus hautes, encore plus raides. C’est ainsi que 23 ans a déjà escaladé d’innombrables mon- l’a encouragé et épaulé et a tenu compte de tagnes et sans doute remporté sa bataille la ses besoins. Après son apprentissage, il est plus importante: accepter que sa maladie fait parti trois mois en Angleterre pour un séjour partie de lui. Grâce à ses médicaments, il n’a «JE POUVAIS REPARTIR DE linguistique. «Ça a été un nouveau départ plus eu de crises depuis près d’un an et demi. pour moi. Personne ne me connaissait, n’était ZÉRO, C’ÉTAIT AGRÉABLE» Il est convaincu que s’il peut gravir les plus au courant de mon passé et je me suis vrai- hauts sommets de ce monde, il peut vaincre ment épanoui», raconte-t-il. Il s’est tellement la maladie. Et c’est ce qu’on lui souhaite. plu là-bas et a tant progressé à l’école de lan- peu de temps après, il a enchaîné dix sommets gues qu’il a enchaîné trois mois supplémen- de 4000 mètres lors d’un «Spaghetti Tour» de Lars Reinfried est également Epi-coach (voir taires. Ceux-ci achevés, il n’avait toujours cinq jours. «Je voyais chaque jour le Cervin encadré) et, en tant que tel, dialogue avec pas envie de rentrer. «Pour la première fois de pendant cette traversée et je savais que ce se- d’autres personnes atteintes d’épilepsie. Cet ma vie, je me sentais vraiment libre et j’avais rait l’objectif suivant», raconte Lars Reinfried, engagement lui tient à cœur: «Je veux en- retrouvé ma joie de vivre», se souvient-il et qui a entre-temps transformé sa passion en courager les autres et leur montrer qu’il ne son visage est radieux. Il a donc cherché et métier et travaille dans un magasin de sport faut jamais baisser les bras mais croire en ses trouvé un emploi de chef sushi et est resté en spécialisé dans l’alpinisme et l’escalade. Aus- rêves.» 15
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