2021 Zwischen Michelsberg - FAN

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2021 Zwischen Michelsberg - FAN
2021
     Zwischen Michelsberg
   und früher Trichter-
   becherkultur

     Berichte über die
   Beusterburg bei Betheln

     Auswertung der
   Laserscanning-Daten
   der Landesvermessung

      Römische Militär-
   plätze bei Bad Ems an
   der unteren Lahn
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
Editorial
                               Liebe Leserinnen und Leser,                        haben erste Schritte unternommen, unsere
                               liebe Mitglieder,                                  homepage neu aufzustellen. Hat jemand von
                                                                                  Ihnen Lust, sich hier zu engagieren? Dabei
                               die FAN-Post hat sich als Plattform etabliert,     sollen die Schwerpunkte des FAN deutlicher
                               erinnern wir uns an das Erscheinen der letzten     herausgearbeitet werden:
                               Ausgabe: Das war unmittelbar vor dem Lock-
                               down im März letzten Jahres. „Unsere letzte        Schwerpunkt 1: Die Römer AG registriert
                               Jahrestagung sowie die meisten Veranstaltun-       jeden römischen Neufund in Niedersachsen.
                               gen mussten leider entfallen.‟                     Wichtig ist auch der informelle Gedankenaus-
                                                                                  tausch bei den Stammtischen und bei den be-
                               Zugleich haben die Ereignisse eine erstaun-        liebten Exkursionen, - auch über die Grenzen
                               liche Kreativität freigesetzt. Wer hätte sich      Niedersachsens hinaus.
         Dr. Utz Böhner
                               denn träumen lassen, dass der FAN-Vorstand
        FAN Vorsitzender
                               noch vor Ende 2020 im Chatroom zusammen-           Schwerpunkt 2: Die Luftbildarchäologie möch-
                               kommt, um zu planen und zu diskutieren? Und        te Pilotinnen und Piloten sowie ganz normale
                               dass wir die Jahreshauptversammlung schrift-       FAN's zur archäologischen Spurensuche aus
                               lich abwickeln konnten.                            der Luft motivieren. Luftfotos mit fraglichen
                                                                                  Befunden aus Niedersachsen - auch aus
                               Ihnen allen sei an dieser Stelle nochmals          virtuellen Portalen wie GoogleEarth - nehmen
                               herzlich gedankt für Ihre Abstimmung mit           wir jederzeit gern entgegen und melden uns
                               Postkarte.                                         sofort bei den Entdecker*innen.

                               Natürlich ist ebenso klar, dass es nicht ewig so   Schwerpunkt 3: Die Erdwerksforschung. In
                               weiter gehen kann, denn der Verein (jeder!)        den Jahren 2009 bis 2013 wurde das neolithi-
                               lebt von persönlichen Begegnungen, Gedan-          sche Erdwerk von Müsleringen, Gem. Stolze-
                               kenaustausch, Diskussionen und schönen             nau im Landkreis Nienburg gemeinschaftlich
                               Erlebnissen.                                       mit der Universität Hamburg ausgegraben
                                                                                  und erforscht. Inzwischen gibt es viele weitere
                               Aber im Hintergrund ist auch im CORONA-Jahr        Anlagen, die auf ihre Erforschung und Datie-
                               2020 so Einiges gelaufen: Ulrich Werz hat in       rung warten. Lesen Sie dazu die Beiträge von
                               der Reihe Fonts for Numismatics, die vom           Benedikt Knoche in diesem Heft.
                               FAN unterstützt wird, zwei Hefte mit digi-
                               talen Sonderzeichen für die Publikation von        Sobald die fachlichen Genehmigungen vorlie-
                               antiken griechischen und römischen Münzen          gen und die Pandemie-Lage es zulässt, soll es
                               herausgebracht. In einer neu gegründeten           2021 zu diesen drei Themenbereichen auch
                               Whats-App-Gruppe „Silex und Keramik (FAN)‟         praktische Einsätze im Felde geben.
                               diskutieren die Teilnehmer*innen ihre Funde,
                               die sich bei Prospektionen mit und ohne tech-      Ich hoffe sehr, dass wir uns bei diesen
                               nische Hilfsmittel finden lassen. Moderiert wird   „Events‟ persönlich treffen, natürlich auch
         Bilder Titelseite:    sie von den Mitgliedern Nadja Lüdemann, Felix      bei der FAN-Jahrestagung. Nun bleibt mir nur
                 Hauptmotiv:   Bernau und Ronald Reimann, die auch eine           noch ein herzlicher Dank an alle, die zum Ge-
    Digitales Geländemodell
                               AG Archäologie Digital auf den Weg gebracht        lingen der FAN-Post 2021 beigetragen haben,
    der Aller-Leine Mündung
     bei Grethem basierend     haben. Die sommerliche Luftbildprospektion         und - wie es jetzt immer heißt - bleiben Sie
    auf den neuen Airborne-    hat 2020 im gewohnten Rahmen stattgefun-           gesund!
       Laserscanning-Daten     den und über die interessanten Befunde finden                                        Utz Böhner
     der Landesvermessung
     Niedersachsen (LGLN).
                               Sie einen Bericht in diesem Heft mit einem
                               Wegweiser zu der virtuellen Luftbildschau
              Reihe links:     2021. Alexandra Philippi, die Preisträgerin
Bruchstück einer Bronze-       unseres Studienpreises 2020, hat ihre Mas-
 dolchklinge. Gemarkung
  Bötenberg Fst. 6, Gde.       terarbeit über die „Fundstelle Müsleringen und
   Balge, Ldkr. Nienburg.      die jungneolithischen Erdwerke im Leine-We-
    (Foto: H.-D. Freese).      ser-Gebiet‟ vollendet, auch darüber berichten
                               wir in diesem Heft. Heinz-Dieter Freese hat
               Reihe mittig:
     Schnitte der Kampagne     die Lockdown-Wochen für eine ausführliche
         Heiligenberg, 2020    Darstellung und Interpretation kleiner Gra-
         (Foto: W. Lüdtke).    ben-Wall-Anlagen in Niedersachsen genutzt;
               Reihe rechts:   wir wollen den Beitrag in diesem Jahr noch
              Luftbild-Team    publizieren. Außerdem haben wir mit Hilfe von
          des FAN startklar.
       (Foto: H.-D. Freese).
                               Werner Pollak einen Werbeflyer entworfen,
                               der im Sommer in Druck gehen soll. Und wir

2      FAN-POST 2021
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
Inhalt

JAHRESTAGUNG | FÖRDERPREIS   FAN – Jahrestagung 2020.................................................................. 4

                             Zwischen Michelsberg und früher Trichterbecherkultur .......................... 5

                             Studienpreisträgerin FAN 2020........................................................... 8

      ERDWERKSFORSCHUNG      Die „Beusterburg‟ bei Betheln............................................................ 9

                             Visualisierung eines jungneolithischen Erdwerks ................................. 11

      LUFTBILDARCHÄOLOGIE    Luftbildschau 2021.......................................................................... 14

                             Auswertung niedersächsischer LiDAR-Daten........................................ 16

                             Airborne-Laser und Archäologie im Wald............................................. 20

                             Celtic fields im Mini-Format .............................................................. 22

                             Vorschau: „FAN-Schriftreihe Band 3................................................... 26

       ARCHÄOLOGIE DIGITAL   Die neue Arbeitsgruppe „Archäologie digital‟ stellt sich vor................... 27

          RÖMERFORSCHUNG     Neue römische Militärplätze an der Lahn............................................. 28

       MEGALITHFORSCHUNG     „Die sie riefen, die Geister‟, Totenbeschwörung im Neolithikum............. 32

            AUSGRABUNGEN     Heiligenberg – Kampagne 2020 ........................................................ 36

            PROSPEKTIONEN    Geheimnisvolle Kornkreise................................................................ 39

             KURZBERICHTE    FAN mit FIN-derglück ...................................................................... 41

                             „Am Bues‟, Geschichten um die Marienkirche in Isernhagen ................. 42

                             Das Schicksal archäologischer Funde ................................................. 43

                             Mein „besonderer Fund‟ .................................................................. 44

                             26 Jahre gewartet ........................................................................... 45

                             Unser Fund für die FAN-POST............................................................ 45

              REZENSIONEN    Rezensionen................................................................................... 46

                             FAN-Veranstaltungen 2021/2022 ..................................................... 48

                                                                                                      FAN-POST 2021         3
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
JAHRESTAGUNG | FÖRDERPREIS

                            FAN – Jahrestagung 2020

                              1

                 Abb. 1:    Das Jahr 2020 war mit dem Ausbruch der          lich gelang es, die juristisch relevanten Ab-
           Coronabedingt    COVID-19-Pandemie ein Jahr der Verschie-        stimmungen einer Jahreshauptversamm-
      wurde der Vortrag     bungen, Absagen, Schließungen und das           lung in schriftlicher Form durchzuführen.
    ausschließlich virtu-   „normale‟ Leben einschränkender Verfü-          Unsere Mitglieder haben sich an der Ge-
      ell abgehalten, als   gungen, die zwischendurch ein wenig gelo-       nehmigung des Jahresabschlusses und der
    Livestream auf dem      ckert, dann wieder verschärft wurden. Be-       Entlastung des Vorstands in ausreichender
     YouTube-Kanal des      sonders betroffen von diesen Maßnahmen          Anzahl mit einem klaren Ergebnis beteiligt
                    NLD.    war u.a. vor allem der Kulturbetrieb unseres    – vielen Dank dafür! Die große Zustimmung
                            Landes, dem auch unsere Vereinstätigkeit        zu seiner Arbeit wird für den Vorstand wei-
                            zuzuordnen ist. Konnte im Januar die Luft-      terer Ansporn sein.
                            bildschau noch wie geplant stattfinden, war
                            das für die zentrale Veranstaltung des FAN,     Hoffen wir, dass das Jahr 2021 es ermöglicht,
                            die Jahrestagung mit ihren interessanten        unsere nächste Jahrestagung in gewohntem
                            Vorträgen, den Berichten zur Arbeit in den      Rahmen abzuhalten. Vorsichtshalber hat der
                            verschiedenen Arbeitsgruppen und der Vor-       Vorstand sie auf einen späteren Zeitpunkt
                            stellung neuer Planungen, nicht mehr mög-       als gewohnt verlegt. Auch die FAN-Post
                            lich. Zweimal wurde – vielleicht ein wenig in   erscheint in diesem Jahr etwas später als
                            Unterschätzung der Pandemiewucht – ver-         üblich.
                            sucht, die Jahreshauptversammlung durch
                            Verschiebung zu retten, um sie dann doch                                   Wilfried Haase
                            absagen zu müssen. Es entfiel damit auch
                            eine wesentliche Möglichkeit für Gespräche
                            und Gedankenaustausch.

                            Über eine Jahrestagung zu berichten, die
                            nicht stattgefunden hat, mag paradox er-
                            scheinen, doch findet das seine Berechti-
                            gung in dem Bemühen des Vorstands, die
                            Arbeit im Verein so weit wie nur irgend mög-
                            lich aufrecht zu erhalten und dabei auch
                            einige Teile der Jahrestagung umzusetzen.
                            Die jährliche FAN-Post konnte noch zum üb-
                            lichen Termin versandt werden. Alexandra
                            Philippi, die Preisträgerin des FAN-Studien-
                            preises, konnte ausgezeichnet werden und
                            ihren Vortrag zum Erdwerk in Müsleringen
                            im November online im Netz halten. Schließ-

4    FAN-POST 2021
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
Zwischen Michelsberg und früher
Trichterbecherkultur
Neue Ergebnisse zum jungneolithischen Erdwerk von Müsleringen

  1

Unweit des heutigen Weserverlaufes konnte      leringen, Raum für Überlegungen bezüglich     Abb. 1:
2008 durch Heinz-Dieter Freese auf einem       der Fragen nach den Nordbeziehungen der       Luftbild des Müsleringer
Geländesporn ein neolithisches Erdwerk         Region und der Genese der frühen Trichter-    Erdwerkes (links)
entdeckt werden. Neben positiven Bewuchs-      becherkultur im Norddeutschen Tiefland.       und Ergebnisse der
                                                                                      2
merkmalen, die auf Siedlungsgruben bzw.        Die damit verbundene Neolithisierung des      geomagnetischen
Grubenhäuser jüngeren Datums hindeuten,        Nordens ist seit Jahrzehnten ein spannen-     Untersuchungen
zeigte sich eine Doppelgrabenanlage, deren     des Forschungsfeld, das durch die Vorlage     sowie eingezeichnete
unregelmäßiger Verlauf durch mindestens        des Müsleringer Fundmaterials und der Be-     Grabungsflächen, die
zwei Erdbrücken unterbrochen wird. In den      funde bereichert wird. Denn die Weser, als    die Gräben aufdeckten
Folgejahren wurde das Erdwerk bei Müsle-       Korridor weitreichender Beziehungen, hat      (rechts).
ringen, Ldkr. Nienburg (Weser), u.a. durch     im Jungneolithikum eine Schlüsselstellung     (Foto: H.-D. Freese;
den Freundeskreis für Archäologie in Nieder-   bei der Verbreitung der Erdwerksidee wie      Geomagnetik:
sachsen e.V. und die Universität Hamburg       auch weiterer Neolithisierungsimpulse inne    Universität Hamburg;
archäologisch sowie geophysikalisch unter-     gehabt.                                       grafische Bearbeitung/
sucht. Die vorläufigen Ergebnisse wurden in                                                  Montage: A. Philippi).
Vorberichten publiziert (Freese 2010; Ram-     Das halbkreisförmige, stark segmentierte
minger/Sedlaczek/Kegler-Graiewski 2013).       Erdwerk von Müsleringen umfasst lediglich
Etwa 10 Jahre nach der Entdeckung konnten      eine Innenfläche von etwa 4 ha und liegt in
nun die Grabungen der Jahre 2011 bis 2013      seichter Spornlage. Es besitzt mindestens
abschließend ausgewertet werden. Der Fo-       sechs Durchlässe, die in unregelmäßigen
kus der Arbeit lag hierbei auf dem kerami-     Abständen die Gräben unterbrechen (Abb.
schen Fundmaterial.                            1). Auf den Erdbrücken ließen sich Pfosten-
                                               verfärbungen und Gräbchen beobachten.
Für das Leine-Weser-Gebiet sind – im Ge-       Sie lassen Palisaden vermuten, die an die-
gensatz zum Braunschweiger Land (Ge-           sen Stellen auf besondere Konstruktionen
schwinde/Raetzel-Fabian 2009) – die            hinweisen. Die schon aus der Luft imposant
jungneolithischen Erdwerke bislang nicht       wirkenden Erdwerksgräben erreichen an
systematisch bearbeitet und erforscht          manchen Stellen Tiefen von über 2 m und
worden. Es wurden lediglich einzelne Vor-      sind bis zu 5,20 m breit.
berichte publiziert. Die archäologischen
Untersuchungen am Müsleringer Erdwerk          Die untersuchten Abschnitte des äußeren
eröffnen der Forschung neue Perspektiven       Grabens zeigten eine sehr homogene, san-
im Gebiet zwischen Leine und Weser, sind       dige und gebänderte Verfüllung, die bislang
aber auch darüber hinaus von Wichtigkeit.      weitgehend keine Schichtung erkennen
So gibt insbesondere das Erdwerk von Müs-      lässt. Lediglich im Sohlbereich konnte an-

                                                                                               FAN-POST 2021       5
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
JAHRESTAGUNG | FÖRDERPREIS

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                   Abb. 2:     deres, lehmigeres Verfüllmaterial beobach-     Für das Erdwerk von Müsleringen kann ne-
     In den Grabenverfül-      tet werden, das womöglich auf Staunässe        ben einer rituellen Funktion (Deponierungen
       lungen fanden sich      zurückzuführen ist. Ein in den Graben ge-      in den Erdwerksgräben, „Recuttings‟) auch
    u.a. kompakte Scher-       rutschter Sedimentblock weist auf einen        eine enge Verbundenheit zu einem alten,
    benpflaster. Während       Ausbruch der Grabenwandung in der Nut-         überregionalen Wegenetz – dem Weser-
      der Bearbeitung und      zungszeit hin.                                 korridor – beobachtet werden. Das in das
     Auswertung konnten                                                       Norddeutsche Tiefland reichende Wegesys-
    einige Gefäße nahezu       Anders präsentierte sich der innere Graben.    tem lässt Kontakte vermuten, die sich u.a.
       vollständig zusam-      In den Verfüllungen wurden klar differen-      in der Architektur des Erdwerkes selbst wie-
      mengesetzt werden.       zierbare Schichten beobachtet, die auf un-     der finden. Mit seinem halbovalen Grund-
             (Fotos: H.-D.     terschiedliche sedimentalogische Prozesse      riss in seichter Spornlage und seinen stark
       Freese/A. Philippi).    oder intentionelle Verfüllungen hinweisen.     segmentierten Gräben sowie seiner Größe
                               Die Grabenverfüllung entspricht größten-       von etwa 4 ha entspricht es am ehesten den
                   Abb. 3:     teils dem umgebenden Sediment, allerdings      Grabenanlagen der Trichterbecherkultur, die
         Längsprofil durch     in durchmischter Lagerung. Die eingeflos-      mit einem Schwerpunkt von 5 ha Größe zu
    den Erdwerksgraben.        senen Schichten der inneren Grabenfüllung      den kleineren Anlagen des europäischen
     Die wannenförmigen        geben schwache Hinweise auf eine auf der       Neolithikums zählen (vgl. Klatt 2009, 88).
     Eingrabungen heben        Innenseite abgelagerte mögliche Wallschüt-     Die Auswertung des keramischen Fundma-
    sich deutlich von dem      tung. So sind die eingeflossenen Sedimente     terials bekräftigt die These weitreichender
             umgebenden        leicht schief nach innen an der Grabenwan-     Beziehungen in den Norden. Auffällig wa-
            Sediment ab.       dung abgelagert.                               ren neben charakteristischen Formen der
        (Foto: Universität                                                    Michelsberger Kultur der große Anteil von
      Hamburg; grafische       Aus der Grabenverfüllung stammen auch          Gefäßformen und Verzierungsarten, die im
             Bearbeitung:      zerdrückt wirkende Gefäße, die in kompak-      Fundmaterial eines erwarteten Michelsberg
               A. Philippi).   ten Scherbenpflastern auf den Einfüllschich-   Komplexes selten in Erscheinung treten.
                               ten lagen und sich nahezu vollständig zu-      Deshalb wurde eine eigene Systematik für
                               sammensetzen ließen (Abb. 2). In manchen       die Gefäßkeramik erarbeitet und versucht
                               Fällen fanden sich diese Gefäße mit Mahl-      diese mit den allgemein üblichen typochro-
                               steinen, Läufern oder Unterliegern verge-      nologischen Studien zum Michelsberger Ge-
                               sellschaftet. In seltenen Fällen ließen sich   fäßspektrum in Einklang zu bringen (z.B. Lü-
                               auch sog. „Recuttings‟ beobachten (Abb. 3).    ning 1967). Neben den Arkadenrandgefäßen
                               Es handelt sich hierbei um Eingrabungen in     (Abb. 4), die eine Leitform der Michelsber-
                               die Grabenverfüllung. Das Zusammenspiel        ger Kultur bilden, dominieren im Müslerin-
                               der Befundsituationen erweckt den Eindruck     ger Fundmaterial die Trichterrandgefäße mit
                               von Deponierungen in den Gräben.               unterrandständiger Stich- oder Eindruck-

6      FAN-POST 2021
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
verzierung (Abb. 2 und 5), die vor allem      gräben geborgene Gefäßkeramik weist in
im Formen- und Verzierungsspektrum der        diesen Horizont, wobei in Müsleringen ein
frühen Trichterbecherkultur des südwestli-    Keramikensemble vorliegt, das sowohl klas-
chen Ostseeraumes und in einigen, wenigen     sische Michelsberger Formen, wie auch sol-
Fundkomplexen Niedersachsens und im an-       che der frühen Trichterbecherkultur umfasst
grenzenden westfälischen Gebiet Entspre-      und somit die Schlüsselrolle der Michelsber-
chungen finden. Sie werden gemeinhin mit      ger Kultur bei der Neolithisierung der Nord-
der Genese der frühtrichterbecherzeitlichen   deutschen Tiefebene bekräftigt. Auch ist die
Keramik und der damit verbundenen Neoli-      Nordausdehnung des Michelsberger Kom-
thisierung der Norddeutschen Tiefebene in     plexes mit der Existenz eines Erdwerkes der
Verbindung gebracht.                          ersten Konstruktionsphasen zwischen 4200
                                              bis 3900 v.Chr. an der Mittelweser von weit-
                                              aus dynamischerem Charakter gewesen,
                                              als bislang angenommen. Die Flusssysteme
                                              Leine und Weser mit ihren zahlreichen klei-
                                              neren Nebenflüssen begünstigten sicher-
                                              lich diese Entwicklung − und ermöglichten
                                              den Austausch von Rohstoffen, Gütern und
                                              Ideen, wie etwa der „Erdwerksidee‟ −, die
                                              am Ende des 5. Jahrtausends v.Chr. mit der
                                              „Neolithisierung des Nordens‟ schließlich ih-
                                              ren Höhepunkt erreichte.

                                                                      Alexandra Philippi

                                              Literatur:                                      Abb. 4:
                                              Freese 2010                                     Großes
                                              Freese, Heinz-Dieter: Ein neolithisches Erd-    Arkadenrandgefäß.
                                              werk an der Weser nahe Stolzenau im Land-       (Foto: A. Philippi).
                                              kreis Nienburg (Weser), in: Nachrichten aus
                                              Niedersachsens Urgeschichte 79,                 Abb. 5:
                                              Link zu: (https://jornals.ub.uni-heidelberg.    Mit Fingernagelein-
                                              de/index.php/nnu/issue/view/4918).              drücken verziertes
  4                                           Geschwinde/Raetzel-Fabian 2009                  Trichterrandgefäß.
                                              Geschwinde, Michael/Raetzel-Fabian, Dirk        (Foto: A. Philippi).
                                              (Hg.): EWBSL: Eine Fallstudie zu den jung-
                                              neolithischen Erdwerken am Nordrand der
Das in der Nähe zur Weser gelegene Erd-       Mittelgebirge, Rahden/Westf. 2009 [Beiträ-
werk ist am nördlichsten Ausläufer des Nie-   ge zur Archäologie in Niedersachsen, Bd.
dersächsischen Berglandes zu lokalisieren,    14].
das hier in das Norddeutsche Tiefland über-   Klatt 2009
geht. Aus der Grabenverfüllung gewonne-       Klatt, Stefan: Die neolithischen Einhegun-
ne 14C-Daten an Holzkohlen datieren die       gen im westlichen Ostseeraum. Forschungs-
Nutzungszeit der Anlage zwischen 4100 bis     stand und Forschungsperspektiven, in: Ter-
3900 v.Chr., sodass das Erdwerk von Müsle-    berger, Thomas (Hg.): Neue Forschungen
ringen in den älteren Konstruktionshorizont   zum Neolithikum im Ostseeraum, Rahden/
der jungneolithischen Grabenanlagen ein-      Westf. 2009, S. 7-134 [Archäologie und Ge-
zuordnen ist. Auch die aus den Erdwerks-      schichte im Ostseeraum , Bd. 5].
                                              Lüning 1967
                                              Lüning, Jens: Die Michelsberger Kultur. Ihre
                                              Funde in zeitlicher und räumlicher Gliede-
                                              rung, in: Berichte der Römisch-Germani-
                                              schen Kommission 48, 1967, S. 1-350.
                                              Ramminger/Sedlaczek/Kegler-Graiewski
                                              2013
                                              Ramminger, Britta/Sedlaczek, Hubertus/
                                              Kegler-Graiewski, Nicole: Vorläufige Ergeb-
                                              nisse zum neolithischen Erdwerk aus Müsle-
                                              ringen, Ldkr. Nienburg/Weser, in: Nachrich-
                                              ten aus Niedersachsens Urgeschichte 82,
                                              2013, S. 3-26, Link zu: (https://freundes-
                                       5      kreis-fuer-archaelogie.de/grabung-muesle-
                                              ringen-2013/).

                                                                                                FAN-POST 2021        7
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
JAHRESTAGUNG | FÖRDERPREIS

                           Alexandra Philippi M.A.
                           Studienpreisträgerin FAN 2020

                           Nach dem Abitur am städtischen Archigym-        Alexandra Philippi erhält den diesjährigen
                           nasium in Soest studierte Alexandra Philippi    Studienpreis des FAN für ihre Masterarbeit
                           ab 2013 an der Georg-August-Universität in      zum Thema „Die Fundstelle Müsleringen,
                           Göttingen Ur- und Frühgeschichte und Deut-      Ldkr. Nienburg (Weser), und die jungneoli-
                           sche Philologie. Im Jahr 2020 schloss sie ih-   thischen Erdwerke im Leine-Weser-Gebiet‟,
                           ren Masterstudiengang mit dem Hauptfach         die an der Georg-August-Universität Göttin-
                           Ur- und Frühgeschichte sowie den Nebenfä-       gen im März 2020 eingereicht und von Prof.
                           chern Deutsche Philologie und Neuere Deut-      Dr. Thomas Terberger betreut wurde.
                           sche Literatur ab.
                                                                                                      FAN Vorstand
                           Die geschätzte Nachwuchswissenschaftlerin
    Alexandra Philippi     arbeitet seit November 2017 als studenti-
          Preisträgerin    sche Hilfskraft im Niedersächsischen Landes-
                           amt für Denkmalpflege Hannover als Redak-
                           tionsassistenz für die Fundchronik. Derzeit
                           ist Frau Philippi als Archäologin für den Di-
                           gitalen Denkmalatlas am Niedersächsischen
                           Landesamt für Denkmalpflege angestellt.

                           Dr. Peter Glüsing (1934-2011)
                 Abb. 1:                                                   Vor 10 Jahren verstarb überraschend unser
                                                                    1
            Vor der Burg                                                   durch Vorträge, Exkursionen und vielfälti-
           Dringenberg.                                                    gen Austausch bekanntes engagiertes FAN-
    (Foto: G. Steinborn)                                                   Mitglied Dr. Peter Glüsing.

           Abb. 2 u. 3:                                                    Zu seinem Gedenken seien hier Fotos bis
  Dr. Peter Glüsing bei                                                    zum Jahre 2009, seinem letzten unverges-
     einem Vortrag im                                                      senen Vortrag im Industriemuseum Lohne,
     Industriemuseum                                                       beigegeben.
                Lohne.
(Fotos: H. Haßmann).                                                                                  FAN Vorstand

                                                                    2                                             3

8     FAN-POST 2021
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
ERDWERKSFORSCHUNG

Die „Beusterburg‟ bei Betheln
(Ldkr. Hildesheim)
Ein neues Forschungsobjekt

Das Objekt                                       also innerhalb des jüngeren Bauhorizonts
In der Nähe der Ortschaft Betheln (Ldkr. Hil-    derartiger Einhegungen. Dieser vorläufige
desheim), einige Kilometer östlich der Lei-      Ansatz bedeutet nicht, dass es nicht auch
ne, befindet sich die „Beusterburg‟ auf dem      zeitlich nachgelagerte Bauaktivitäten und
Westhang des „Schiefen Berges‟, einer An-        Begehungen des Geländes gegeben haben
höhe des Hildesheimer Waldes. Eingerahmt         könnte (vgl. noch unpublizierte, vereinzelte
wird das ausgedehnte, einzügige Wall-Gra-        Funde eiserner Geräte aus Sondenbegehun-
ben-System von den Bachtälern des „Rot-          gen des Innenraums; Wikipedia: Stichwort
tebachs‟ im Süden und des „Nordbachs‟ im         „Beusterburg‟). Unabhängig von der Da-
Norden. Ihren Namen verdankt die „Beus-          tierungsfrage ist hinsichtlich der aus einem
terburg‟ dem in rund 400 m Entfernung ent-       einzelnen Grabenzug bestehenden Anlage
springenden „Beusterbach‟. Etwa zwei Kilo-       noch in vielfacher Hinsicht Klärungsbedarf
meter nördlich befinden sich die Solequellen     vorhanden. Das mit 15 Hektar Flächeninhalt
von Heyersum. Unmittelbar nördlich von           monumental ausgeführte Erdwerk ist neben
Heyersum verläuft die heutige Bundesstra-        seiner imposanten Größe und prominenten
ße B 1, welche den historischen „Hellweg‟        Lage aus zwei Gründen bemerkenswert:
aufgreift. Von dem Weserübergang bei Ha-
meln kommend, streicht die Route von West        (1.) Es ist forschungsgeschichtlich betrach-
nach Ost in Richtung Braunschweig am Hil-        tet das erste für Nordwestdeutschland be-
desheimer Wald vorbei. Es kann gemutmaßt         kannt gewordene Erdwerk.
werden, dass die mit einem Flächeninhalt
von rund 15 Hektar monumentale „Beus-            (2.) Mit einem mutmaßlichen Alter von rund
terburg‟ in einem Bezug zu dieser günsti-        5.800 Jahren wäre das Erdwerk der ältes-
gen naturräumlichen und infrastrukturellen       te substantiell erhaltene Baukörper Nie-
Ausstattung steht. Nur einige Kilometer          dersachsens! Das Erdwerk ist noch in sei-
nördlich von der „Beusterburg‟ befindet sich     ner ganzen Ausdehnung als geschlossene
bei Nordstemmen-Rössing ein jungneolithi-        Wall-Graben-Anlage oberflächlich erhalten
sches Erdwerk.                                   geblieben. Die langfristige Bewaldung des
                                                 Gebiets hat sich konservierend ausgewirkt.
Die Datierung der Anlage ist strittig. In den    Noch heute sind die Bodeneingriffe in Form
1930er Jahren erbrachten die Ausgrabun-          von bis zu zwei Meter tiefen Sohlgräben mit
gen K. Tackenbergs Hinweise auf ein neoli-       teils vor-, teils nachgelagerten Wällen im
thisches Alter der Anlage (Tackenberg 1951;      Gelände deutlich wahrnehmbar. Die etwa
vgl. Heine 2000, 117ff.). Eine Reevaluation      zwei Kilometer lange Grabenlinie besteht
der Grabungsergebnisse und Funde durch           aus zahlreichen Einzelsegmenten.
E. Cosack zieht eine latènezeitliche Datie-
rung der Anlage in Betracht (vgl. Cosack         Ansatzpunkte
2008, 24ff. bes. 29ff.). Eine jüngst fertigge-   Im Rahmen des FAN-Schwerpunktthemas
stellte Göttinger Masterarbeit (A. Philippi)     „Erdwerke‟ sind für eine Beschäftigung der
erhärtet erneut eine jungneolithische Zeit-      „Beusterburg‟ eine Reihe an Ansatzpunkten
stellung. Insgesamt sprechen schon Form,         vorhanden. Diese müssen sich jedoch daran
Größe, fehlende Innenbesiedlung sowie die        orientieren, was im Rahmen einer Vereins-
Struktur der Bodeneingriffe für ein jung-        arbeit machbar ist:
neolithisches Erdwerk. Die bei der Grabung
Tackenbergs geborgenen Scherben und Si-          (1.) Die vorliegenden LiDAR-Daten sollen in
lices deuten grundsätzlich in dieselbe Rich-     eine 3D-Modellierung des Erdwerks trans-
tung (ungefähr MK III–V; hierzu Knoche           formiert werden. Diese im Wesentlichen
2008, 154. 171; 2013, 282; Geschwinde/           rechnergestütze Visualisierung der Befunde
Raetzel-Fabian 2009, 190). Und – was übri-       kann als ein Pilotprojekt für moderne Formen
gens als ein nahezu typisches Element vie-       einer Verarbeitung und öffentlichkeitswirk-
ler jungneolithischer Erdwerke gelten darf:      samen Veranschaulichung archäologischer
„Für eine Besiedlung der Beusterburg liegen      Daten verstanden werden. Darüber hinaus
[…] definitiv keinerlei Hinweise vor‟ (Cosack    könnte es neue Ansatzpunkte für zukünftige
2008, 28). Bis auf Weiteres plädieren die        Untersuchungen der „Beusterburg‟ liefern.
vorliegenden Funde und Befunde für eine
wahrscheinliche Anlage der „Beusterburg‟         (2.) Idealerweise könnte im Rahmen klein-
während des 38./37. Jahrhunderts v.Chr.,         räumiger archäologischer Sondagen eine

                                                                                                FAN-POST 2021   9
2021 Zwischen Michelsberg - FAN
ERDWERKSFORSCHUNG

                                                                          maligen Regierungsbezirk Hannover, Neu-
                                                                          münster 2008 [Göttinger Schriften zur Vor-
                                                                          und Frühgeschichte, Bd. 31].
                                                                          Heine 2000
                                                                          Heine, Hans-Wilhelm: Die ur- und frühge-
                                                                          schichtlichen Burgwälle im Regierungsbezirk
                                                                          Hannover, Hannover [Materialhefte zur Ur-
                                                                          und Frühgeschichte Niedersachsens, Bd. A
                                                                          28].
                                                                          Knoche 2003
                                                                          Knoche, Benedikt: Das jungsteinzeitliche
                                                                          Erdwerk von Rimbeck bei Warburg, Kreis
                                                                          Höxter, Münster 2003 [Frühe Burgen in
                                                                   1      Westfalen, Bd. 20].
                                                                          Knoche 2008
                                                                          Knoche, Benedikt: Die Erdwerke von Soest
                Abb. 1:    weitergehende Klärung des Alters der An-       (Kr. Soest) und Nottuln-Uphoven (Kr. Coes-
      Betheln „Beuster-    lage herbeigeführt werden. Dabei könn-         feld). Studien zum Jungneolithikum in West-
   burg‟. Die Wälle und    ten einige der von Tackenberg angelegten       falen, Rahden/Westf. 2008 [Münstersche
  Gräben, des vermut-      Schnitte erneut geöffnet werden, um (a) die    Beiträge zur Prähistorischen Archäologie,
 lich jungneolithischen    Profilstruktur zu überprüfen und (b) aus den   Bd. 3].
   Erdwerks, kann man      noch unberührten angrenzenden Bereichen        Knoche 2013
im Wald gut verfolgen.     oder auch aus dem Abraum absolutchrono-        Knoche, Benedikt: Zur Chronologie und Ty-
      (Foto: W. Pollak).   logisch datierbares Material zu gewinnen,      pogenese der jungneolithischen Ösenleis-
                           beispielsweise Holzkohle oder Knochenfrag-     tenflaschen, in: Melzer, Walter (Hg.): Neue
                           mente. Es wären invasive Eingriffe, die ge-    Forschungen zum Neolithikum in Soest und
                           ringstmöglich die Substanz des Bauwerks        am Hellweg, Soest 2013, S. 275-298 [Soes-
                           tangieren, bei gleichzeitig gegebenen guten    ter Beiträge zur Archäologie, Bd. 13].
                           Chancen, radiometrisch datierbares Probe-      Knoche 2018
                           material extrahieren zu können.                Knoche, Benedikt: Jungneolithische Erdwer-
                                                                          ke. Forschungsperspektiven in Niedersach-
                           (3.) Eine gezielte Grabungstätigkeit könnte    sen aus Sicht des FAN, in: Freundeskreis
                           zudem weiter abklären, inwieweit der aus-      für Archäologie in Niedersachsen e.V. Post,
                           buchtende Teil im Süden des Erdwerks eine      2018, S. 23-27.
                           Erweiterung einer älteren Grabenanlage         Tackenberg 1951
                           darstellt. In diesem Fall ist im Sinne einer   Tackenberg, Kurt/Mit Beiträgen von B. Uhl
                           Arbeitshypothese mit einem bislang noch        und S. Schneider: Die Beusterburg ein jung-
                           nicht entdeckten, dann schon im Jungneo-       steinzeitliches Erdwerk in Niedersachsen ,
                           lithikum verfüllten und eingeebneten Gra-      Hildesheim 1951 [Veröffentlichungen der
                           benzug zu rechnen, der die ursprüngliche       urgeschichtlichen Sammlung des Landes-
                           Südflanke des Erdwerks gebildet hätte. Geo-    museums zu Hannover, Bd. 13].
                           magnetische Untersuchungen könnten – in-       Bd. 3].
                           soweit das bewaldete Gelände eine solche       Knoche 2013
                           Vorgehensweise überhaupt zulässt – bei der     Knoche, Benedikt: Zur Chronologie und Ty-
                           Klärung dieser Frage flankierend zum Ein-      pogenese der jungneolithischen Ösenleis-
                           satz kommen. Sollte diese Arbeitshypohese      tenflaschen, in: Melzer, Walter (Hg.): Neue
                           zutreffen, läge eine vergleichbare Situati-    Forschungen zum Neolithikum in Soest und
                           on wie bei dem etwa zeitgleichen Erdwerk       am Hellweg, Soest 2013, S. 275-298 [Soes-
                           von Warburg-Rimbeck (Kr. Höxter) vor (vgl.     ter Beiträge zur Archäologie, Bd. 13].
                           Knoche 2003). Im Zuge dieser Untersu-          Knoche 2018
                           chung könnte zudem Fundmaterial anfallen,      Knoche, Benedikt: Jungneolithische Erdwer-
                           welches eine präzisiere chronologische An-     ke. Forschungsperspektiven in Niedersach-
                           sprache der Grabenanlage ermöglicht.           sen aus Sicht des FAN, in: Freundeskreis
                                                                          für Archäologie in Niedersachsen e.V. Post,
                               Benedikt Knoche, Heinz-Dieter Freese,      2018, S. 23-27.
                            Jens Broszeit, Werner Pollak & Jörg Friede-   Tackenberg 1951
                                                           Buchholz       Tackenberg, Kurt/Mit Beiträgen von B. Uhl
                                                                          und S. Schneider: Die Beusterburg ein jung-
                           Literatur                                      steinzeitliches Erdwerk in Niedersachsen ,
                           Cosack 2008                                    Hildesheim 1951 [Veröffentlichungen der
                           Cosack, Erhard/unter Mitarbeit von Vero-       urgeschichtlichen Sammlung des Landes-
                           nica König (Hg.): Neue Forschungen zu den      museums zu Hannover, Bd. 13].
                           latènezeitlichen Befestigungsanlagen im ehe-

10    FAN-POST 2021
Die „Beusterburg‟ bei Betheln
(Ldkr. Hildesheim)
Visualisierung archäologischer Denkmäler am Beispiel eines jungneolithischen Erdwerks

                                               lerweile vorhanden und können in Hannover      Abb. 1:
                                               realisiert werden. Eine 3D-Rekonstruktion      Betheln „Beusterburg‟.
                                               der Wälle und Gräben im Verhältnis zum         Grundplan der „Beus-
                                               Höhenrelief visualisiert stärker als zweidi-   terburg‟ zwischen
                                               mensionale Pläne die Einbettung des Erd-       Rottebach und Nord-
                                               werks in das Gelände. Es bietet also ganz      bach. Zusätzlich sind
                                               allgemein eine höhere Anschaulichkeit. In      die Grabungsschnitte
                                               welchen Maßstäben und Reliefierungen die-      K. Tackenbergs aus
                                               se am besten zu bewerkstelligen sind, muss     den 1930er Jahren
                                               im Rahmen des Arbeitsprozesses ausgelotet      eingetragen.
                                               werden. Außerdem lassen sich im virtuellen     (Grafik: nach
                                               Raum des Rechners verschiedene Perspekti-      Tackenberg 1951).
                                               ven einnehmen, welche auch eine eventuell
                                        1      weitergehende bildhafte Inszenierung der       Abb. 2:
                                        1      Befunde unterstützen. Wie auch bei einigen     Bis heute sind die
                                               westfälischen Anlagen (Warburg-Rimbeck,        Erdwälle gut im
                                               Nottuln-Uphoven) liegt hier wahrschein-        Gelände zu erkennen.
Ziele und Konzept                              lich eine Form von Architekturinszenierung     (Foto: W. Pollak).
Das sehr wahrscheinlich jungneolithische       vor: Das Erdwerk erstreckte sich teilweise
Erdwerk Betheln „Beusterburg‟ (Ldkr. Hil-      hangabwärts Richtung Süden, sodass sich
desheim) ist mit seiner Ausdehnung von 15      zumindest Teile des abgegrenzten Bezirks
Hektar und vor allem seiner noch fast voll-    dem Betrachter darboten. Erdwerke dieser
ständig erhaltenen Wall-Graben-Struktur        Positionierung offenbarten den eingehegten
das älteste in seiner Grundsubstanz erhal-     Raum mitsamt den hier womöglich abgelau-
tene Bauwerk Niedersachsens. Trotz dieser      fenen rituellen Prozessen dem zeitgenössi-
herausragenden Eigenschaften führt die         schen Betrachter. Mit anderen Worten: Sie
„Beusterburg‟ bislang aber eher ein »Schat-    machten das mutmaßlich Sakrale im wahrs-
tendasein«. Das im Rahmen des FAN-The-         ten Sinne des Wortes anschaulich. Dieses
menschwerpunktes „Erdwerke‟ geplante           unterscheidet sie von Erdwerken ohne Hang-
Projekt "BauWerk": “Die „Beusterburg‟ bei      wirkung, die eher auf »Verhüllung« angelegt
Betheln – Visualisierung archäologischer       scheinen, also die Sichtbarkeit des Innen-
Denkmäler am Beispiel eines jungneolithi-      raums durch Wälle und Pfostensetzungen
schen Erdwerks“ soll das Bodendenkmal          behinderten. Mehr als eine Hypothese kann
stärker in das Bewusstsein von Öffentlich-     dieses aber nicht sein. So sind unterschied-
keit und Forschung bringen. Gleichzeitig       liche Nutzungsaspekte und magisch-rituelle
sollen transdisziplinär archäologische, geo-
physikalische, architektonische und künst-
lerische Ansätze zusammengefasst werden,
um neue Betrachtungsweisen auf das Phä-
nomen »Erdwerk Beusterburg« zu entwi-
ckeln.

Ausgangspunkt       sind    LiDAR-Datensätze
(Light Detection And Ranging, Airborne La-
serscanning) der LGLN, die von U. Böhner
(NLD) und A. Thiemann (Leibnitz Universität
Hannover) landesweit prozessiert und aus-
gewertet worden sind. Deren Ergebnisse zur
„Beusterburg‟ wurden auf der letzten „Luft-
bildschau‟ des FAN im Januar 2020 vorge-
stellt. Das Projekt verfolgt zwei Ziele:

(1.) Aus den vorliegenden LiDAR-Datensät-
zen lässt sich ein digitales und darauf auf-
bauendes plastisches Modell der „Beuster-
burg‟ erstellen. Technische Möglichkeiten                                                                      2
hierfür sind in Form von 3D-Druckern mitt-

                                                                                              FAN-POST 2021        11
ERDWERKSFORSCHUNG

                          Perspektiven, vielleicht sogar abweichende      Beispiel für diese spezifische Wechselwir-
                          rituelle Systeme, zu vermuten, die jeweils      kung zwischen Archäologie und Architek-
                          ihren baulichen Ausdruck fanden. Compu-         tur ist das „Crysler-Building‟ in New York.
                          tergestützte Visualisierungen ermöglichen       Während der moderne Architekt im Idealfall
                          eventuell, diese Perspektivenwechsel unmit-     aber wie eine Art »Demiurg« in seiner fach-
                          telbarer nachzuvollziehen als dieses bislang    lichen Welt agiert, ist die Herangehensweise
                          auf Grundlage zweidimensionaler Karten          an eine bauliche Rekonstruktion archäologi-
                          der Fall ist. Jede Rekonstruktion archäolo-     scher Daten abweichend gelagert: Einerseits
                          gischer Befunde bietet einerseits die Mög-      existieren grundsätzlich geringere kreative
                          lichkeit, zeitgenössische Lebensäußerungen      Freiheitsgrade aufgrund der vorgegebenen
                          anschaulich und öffentlichkeitswirksam dar-     Befunde. Andererseits sind diese Befunde
                          zustellen. Andererseits deckt sie aber auch     aber auch nicht so eindeutig, als dass eine
                          schnell die Lücken im archäologisch gewon-      künstlerische – gleichwohl fachlich-architek-
                          nenen Kenntnisstand auf. Im Falle der Erd-      tonische – Herangehensweise etwa in den
                          werke betrifft dieses Fragen wie: „Waren alle   Hintergrund träte. Eine architektonische Vi-
                          Grabensegmente gleichzeitig in Gebrauch         sualisierung archäologischer Daten erfordert
                          oder nur einige wenige, vielleicht sogar nur    also – wie jedes Lebensbild urgeschichtli-
                          jeweils einzelne? Welche konstanten Ele-        cher Existenz – neben einem fachlichen und
                          mente eines Erdwerks waren vorhanden;           kreativen Einfühlungsvermögen auch einen
                          eventuell nur Pfostensetzungen, kleinere        ausgesprochenen »Mut zur Lücke«. Insofern
                          Gräbchen oder Ähnliches? Welche Vegetati-       sind es eigentlich weniger Rekonstruktionen
                          on ist vorauszusetzen? Gab es eine gleich-      als vielmehr Szenarien.
                          zeitige Innen- oder sogar Außenbebauung?
                          Was geschah im Innern der Einhegung?‟           Perspektiven
                                                                          In erster Linie verwirklicht das Projekt eine
                                                                          Erweiterung der Applikationsmöglichkeiten
                                                                   3      des LiDAR innerhalb archäogischer Daten-
                                                                          aufbereitung. Dabei soll nicht nur ein an-
                                                                          schauliches 3D-Modell und eventuell auch
                                                                          ein Hologramm erstellt werden. Zusätzlich
                                                                          wäre der gesamte Bereich einer daran ange-
                                                                          schlossenen Visualisierung der Messdaten in
                                                                          ein jungneolithisches Szenario auszuleuch-
                                                                          ten. Die an dem Projekt beteiligten Personen
                                                                          decken fachlich alle relevanten Kompetenz-
                                                                          bereiche ab. Diese reichen von der geophy-
                                                                          sikalischen Erhebung und Auswertung der
                                                                          Daten über die archäologische sowie archi-
                                                                          tektonische Beurteilung bis hin zur künstle-
                                                                          rischen Visualisierung. Aus dieser fachüber-
                                                                          greifender Synergie lassen sich dann die
                                                                          angedachten theoretischen Implikationen
                                                                          der Tätigkeit ableiten. Visualsierungen der
                Abb. 3:   (2.) Es soll zudem eine theoretische Refle-     geplanten Art sind damit gleichermaßen ein
     Betheln "Beuster-    xion der Rekonstruktionsarbeit an sich vor-     Mittel einer Erkenntnisgewinnung sowie ein
  burg". Die Wall-Gra-    genommen werden. Diese Metaebene bein-          Instrument einer öffentlichkeitswirksamen
  ben-Anlage zeichnet     haltet die ganze Problematik einer aktuellen    Vermittlung fachlicher Befunde.
sich deutlich im farbig   Architekturinszenierung im Spannungsfeld
    unterlegten LiDAR-    zwischen Befundgrundlage und Deutung.           Das wissenschaftliche Bild der Erdwerke wird
 Kartenbild ab. Gut ist   Gibt es Analogien zwischen einer modernen       stark durch ihren Grundriss geprägt, also ih-
  auch die Einbindung     Architekturinszenierung durch Gebäudemo-        rer projektiven Aufsicht. Dieses ist nicht nur
  des Erdwerks in das     delle, welche den Bauherren oder der Öf-        durch den Planzeichnungen, sondern auch
 Geländerelief erkenn-    fentlichkeit präsentiert werden? Wie insze-     den Luftbilder geschuldet, hat also eine Ur-
  bar, wobei vor allem    niert ein Architekt archäologische Befunde      sache im pragmatisch-technischen Erkennt-
  der südliche, annex-    im Gegensatz zu einem in der Archäologie        nisprozess. Nur: Diese Perspektive gab es
artige Teil in Hanglage   beheimateten Künstler? R. Koldewey, der im      im Jungneolithikum praktisch nicht. Die
      angelegt wurde.     Vorderen Orient Ende des 19. Jahrhunderts       Erbauer der Erdwerke haben ihre Anlagen
                 (Foto:   Teile Babylons ergrub, war eine Personal-       nicht aus der Luft betrachten können; ledig-
     DGM: NLD/LGLN).      union von Architekt und Archäologe. Seine       lich die bereits weiter oben angesprochene
                          zeichnerischen Rekonstruktionen der vor Ort     Lage im Hang oder aber eine Betrachtung
                          teilweise erhaltenen Nischenfassaden reg-       eines Erdwerks von einer Erhebung aus leis-
                          ten Jahre später sogar Art déco-Architekten     tete ansatzweise diese Perspektive. Trotz-
                          und mittelbar Designer an. Das bekannteste      dem gibt es einige Erdwerkskategorien (wie

12   FAN-POST 2021
die polygonalen, entfernt »schlüssellochför-     ieren nach tradierten Mustern oder gewissen
migen« Erdwerke [Salzkotten-Oberntudorf,         gestalterischen Vorstellungen. Der zeitlich,
Calden, Wittmar etc.], welche eine zeitge-       architektonisch und ideell ausdifferenzierte
nössisch vorhandene, relativ formale Vor-        Konstruktionsprozess folgte also einem in
stellung eines (spezifischen) Aufrisses be-      vielen Aspekten noch unbekannten impli-
sessen haben dürften. Auch hier wären die        zierten Modell. Es war eine den jeweiligen
kognitiven Implikationen dieser Form eines       Ort und seine Gegebenheiten aufgreifende
Architektursymbolismus‘ bild- und wahrneh-       Herangehensweise. Auch diesen kognitiven
mungspsychologisch einmal eingehender zu         Mechanismus einer Architektur(re)produk-
betrachten.                                      tion unter jungneolithischen Bedingungen
                                                 einmal näher zu beleuchten, wäre ein wei-
Weitere Fragen betreffen die für die mo-         terführender theoretischer wie psychologi-
derne Architektur so wesentliche Frage der       sierender Ansatz.
Ästhetik: Wie unterscheiden sich die Ästhe-
tiken moderner und vormoderner Architek-         In diesem Zusammenhang ist auf einer
turinszenierungen? Ist überhaupt ein im          weiteren Metaebene übrigens der Gedanke
modernen Sinne ästhetisch ausgerichtetes         reizvoll, dass es sich bei dem 3D-Modell um
Bauwollen erkennbar? Und wenn ja, wie sah        eine Architekturinszenierung zweiter Ord-
dieses wohl aus? Und inwieweit wirkt sich        nung handelt: Die erste erfolgte bereits im
eine am Zeichentisch oder am Bildschirm          Neolithikum mit der Anlage des Erdwerks
entwickelte, ganz bestimmte Ästhetik auf         selbst sowie mutmaßlichen im Rahmen einer
den fachlichen Erkenntnisprozess aus?            bewusst in Hanglage positionierten Graben-
Das hier skizzierte Projekt kontrastiert in-     führung des Annex‘. Die zweite entfaltet sich
direkt den Duktus moderner Architekturvi-        dann in der virtuellen Welt spezialisierter IT-
sualisierungen. Es nähert sich so vor dieser     Tools. Eine »Archaetektur«, wenn man so
Folie gleichermaßen alten Baukörpern mit         will.
den technischen Mitteln und dem visuellen
Ideenfilter moderner Architekturinszenie-                   Benedikt Knoche, Jens Broszeit,
rungen an.                                              Werner Pollak, Andreas Thiemann &
                                                                         Wilhelm Dräger
Baukörper insbesondere repräsentativer Art
sind nicht nur »Konstrukte, um sich darin        Literatur
einfach nur aufzuhalten«. Sie sind immer         Cosack 2008
mit einer Funktion, Ideologie und einer da-      Cosack, Erhard/unter Mitarbeit von Veroni-
mit intendierten spezifischen Erlebnisqua-       ca König (Hg.): Neue Forschungen zu den
lität (Affekte) verbunden. Gerade kollektiv      latènezeitlichen Befestigungsanlagen im
verankerte Monumentalbauten wie jungneo-         ehemaligen Regierungsbezirk Hannover,
lithische Erdwerke, antike Tempel oder ka-       Neumünster 2008 [Göttinger Schriften zur
tholische Kathedralen sind im Rahmen dieser      Vor- und Frühgeschichte, Bd. 31].
Trias (Funktion, Ideologie, Affektion) Refle-    Heine 2000
xionen ihrer kulturellen und rituellen Matrix.   Heine, Hans-Wilhelm: Die ur- und frühge-
Sie werden damit architektonisch verdich-        schichtlichen Burgwälle im Regierungsbezirk
tete Memplexe. Es waren Orte maßgeblich          Hannover, Hannover [Materialhefte zur Ur-
einer sakralen Funktion, der sich moderne        und Frühgeschichte Niedersachsens, Bd. A
Architekten und Künstler in unserer säku-        28].
larisierten Welt nur noch selten gedanklich      Knoche 2003
wie praktisch annähern können. Wie würden        Knoche, Benedikt: Das jungsteinzeitliche
heutige Architekten die soweit ablesbaren        Erdwerk von Rimbeck bei Warburg, Kreis
Funktionen des Konzepts »Erdwerk« mit            Höxter, Münster 2003 [Frühe Burgen in
modernen Baustoffen und aktuellen tech-          Westfalen, Bd. 20].
nischen Mitteln im Sinne einer Architektur-      Knoche 2008
studie modellieren? Wie würde heute wohl         Knoche, Benedikt: Die Erdwerke von Soest
ein »Erdwerk« als architektonisch konkreti-      (Kr. Soest) und Nottuln-Uphoven (Kr. Coes-
siertes Gedankenspiel unter den definierten      feld). Studien zum Jungneolithikum in West-
Parametern aussehen können?                      falen, Rahden/Westf. 2008 [Münstersche
                                                 Beiträge zur Prähistorischen Archäologie,
Man wird sich bei dieser Frage aber immer
vor Augen halten müssen, dass es im Jung-
neolithikum keine eigentliche »Architektur«
als bewusste Planungen von (professionel-
len) Spezialisten gab, also auch keine ve-
ritablen »Architekten«. Es war vielmehr ein
implizites und handlungslogisches Konstru-

                                                                                                   FAN-POST 2021   13
LUFTBILDARCHÄOLOGIE

                          Luftbildschau 2021
                          Kurze Flugsaison mit sehenswerten Luftaufnahmen

                          Auf das traditionelle Jahrestreffen im Nieder-
                                                                             2
                          sächsischen Landesamt für Denkmalpflege
                          mussten die FAN´s im Januar 2021 aufgrund
                          der Pandemie verzichten. Stattdessen gibt es
                          die „Archäologische Luftbildschau‟ in voller
                          Länge im YouTube-Kanal des Denkmalatlas
                          Niedersachsen (www.denkmalatlas.nieder-
                          sachsen.de ).

                          Ein herzlicher Dank an Susanne Brahms und
                          Uli Merkel für diese filmische Präsentation!
                          Fünf besonders schöne Fotos möchten wir
                          Ihnen hier in Kürze präsentieren.

                          Müsleringen
                          Ein Foto des Erdwerkes Müsleringen zeigt
                          die Verwerfungen des Oberbodens durch die
                          Ausgrabungskampagnen 2011-2013 (Abb.
                          1). Trotzdem ist der Verlauf der Erdwerks-
                          gräben noch gut zu erkennen, ebenso die
                          Spuren der Grubenhäuser aus dem frühen
                          und hohen Mittelalter. Bei der weißen Mar-
                          kierung sehen wir sogar den Schnitt der FAN-

                Abb. 1:
                            1
    Müsleringen FSt. 2,
  Gde. Stolzenau, Ldkr.
      Nienburg/Weser,.
(Foto: H.-D. Freese am
          25.06.2020).

                Abb. 2:
   Steyerberg FSt. 90,
Gde. Steyerberg, Ldkr.
       Nienburg/Weser.
(Foto: H.-D. Freese am
          13.07.2020).

                          Grabung 2009. „Minimalinvasiv‟ ist wohl die      (Abb. 2). Diese Wohnform hat sich in Euro-
                          beste Bezeichnung für diesen Schnitt, der        pa schon früh weit verbreitet. Vielleicht war
                          sehr viel grundlegende Erkenntnisse brachte      einer der Gründe, dass das Vieh im Winter
                          und auch viel Freude bei den Mitwirkenden.       leichter erreichbar und kontrollierbar war.
                                                                           Die mit dem Vieh anfallende Arbeit konnte
                          Steyerberg                                       aufgrund der Lichtquelle des Herdfeuers auch
                          Ganz in der Nähe des bekannten Altsachsen-       abends erledigt werden, ohne das Haus ver-
                          Friedhofes Liebenau sahen Rolf Meinking und      lassen zu müssen. Und durch das Aufstallen
                          Heinz-Dieter Freese das helle Rechteck eines     immer größerer Viehbestände wurden die
                          vorgeschichtlichen Hauses im Korn schim-         Bauten immer länger. Das neu entdeckte
                          mern. Es ist der Grundriss eines Wohnstall-      Haus ist 27 m lang und 6 m breit und deutlich
                          hauses, in dem der Bauer mit seiner Familie      in mehrere Abschnitte gegliedert. Vermutlich
                          und seinem Vieh unter einem Dach wohnte          stammt es aus der Zeit der Altsachsen. Das

14    FAN-POST 2021
3                                                5

                                                 Wildeshausen                                      Abb. 3:
  4
                                                 Bei Wildeshausen, Ldkr. Oldenburg, entdeck-       Kleinenheerse FSt. 14,
                                                 te Pilot Rolf Meinking diese seltsamen hellen     Gde. Raddestorf, Ldkr.
                                                 Strukturen in einem Getreidefeld (Abb. 5).        Nienburg/Weser.
                                                 Während man bei den hellen Ringen durch-          (Foto: H.-D. Freese am
                                                 aus an Bombenkrater oder - in Wiesenflächen       25.06.2020).
                                                 - auch an Hexenringe denken könnte, ist die
                                                 Entstehung des hellen Ovals nur als gewollter     Abb. 4:
                                                 Bodeneingriff durch Menschen denkbar. Wer         Wechold FSt. 12, Gde.
                                                 genau hinschaut, sieht als Erweiterung die-       Hilgermissen, Ldkr.
                                                 ser Struktur sogar noch eine sehr lange und       Nienburg/Weser.
                                                 schmale Fortsetzung am Kopfende. Damit ist        (Foto: H.-D. Freese am
                                                 die Interpretation als eisenzeitlicher Friedhof   25.06.2020).
                                                 am wahrscheinlichsten,- ein äußerst seltener
                                                 Befund in Sichtweite des berühmten Pestru-        Abb. 5:
                                                 per Gräberfeldes.                                 Wildeshausen FSt.911,
                                                                                                   Gde. Wildeshausen,
                                                 Rückblick                                         Ldkr. Oldenburg.
                                                 Am 07. Oktober übergab der Verfasser dem          (Foto: H.-D. Freese am
hier gezeigte Foto wurde fünf Tage nach der      Luftbildarchiv im NLD insgesamt 43 Fotos zu       07.07.2020).
Entdeckung abends um 19:43 Uhr von Bernd         archäologischen Fundstellen mitsamt Fund-
Kunze, Martfeld, mit einer Drohne aufge-         meldebögen. Das NLD erstattete im Gegen-
nommen. Die tief stehende Sonne lässt die        zug 680 Euro Spritkosten für vier Fotoflüge
Konturen hell hervortreten. Links neben dem      über den Landkreisen Verden, Nienburg,
Haupthaus liegen zwei Grubenhäuser dicht         Diepholz und Heidekreis. Damit ist die Kos-
bei einander.                                    ten-Nutzen-Bilanz für die ehrenamtliche ar-
                                                 chäologische Flugprospektion wieder äußerst
Kleinenheerse                                    positiv. Wo sonst lässt sich mit 680 Euro eine
Auf einer leichten Bodenwelle im Weser-Ur-       derartige Menge an archäologisch bedeut-
stromtal erhebt sich als positives Bewuchs-      samen Informationen gewinnen? Größter
merkmal sehr plastisch ein Kreisgraben von       Nachteil: die Methode bleibt unberechenbar
ca. 15 m Durchmesser, vermutlich der Rand        aufgrund von Witterung, Bewuchs und Flug-
eines ehemaligen Grabhügels (Abb. 3).            verläufen. Im Sommer 2020 starteten wir
                                                 erst am 25. Juni zu einem ersten Prospek-
Wechold                                          tionsflug. Zuvor gab es kaum Farbkontraste
Bei Wechold im Ldkr. Nienburg zeigt sich ein     in den Feldern, das Frühjahr war zu feucht.
Ringgraben von etwa 160 Metern Durchmes-         Und nur dieser erste Flugtag war gesegnet
ser. An drei Stellen scheint der Grabenverlauf   mit Abendsonne unter einem blauen Him-
unterbrochen. Handelt es sich um Tore, bzw.      mel. Alle weiteren Fotoflüge wurden durch
Erdbrücken oder um moderne Veränderun-           Wolkenbildung stark beeinträchtigt. Für ein
gen durch Landwirtschaft (Abb. 4)? Für die       schnelles Ende der Luftbildsaison sorgten die
Interpretation als neolithisches Erdwerk er-     Mähdrescher dann bereits Mitte Juli.
scheinen sowohl die kleine Innenfläche als
auch die Breite und der Verlauf der Gräben                              Heinz-Dieter Freese
eher untypisch.

                                                                                                    FAN-POST 2021     15
LUFTBILDARCHÄOLOGIE

                               Die Ehrenamtliche Auswertung der
                               niedersächsischen LiDAR-Daten
                               eine faszinierende Herausforderung

                                                       1                                                                2

                                                       3                                                                4

                    Abb. 1:    LiDAR steht für die Abkürzung (Light De-          den herunterkommen. Durch digitale Fil-
          Celtic Fields sind   tection And Ranging, Airborne Laserscan-          terverfahren lässt sich bestimmen, welcher
 kleine rechteckige Äcker      ning). Diese Methode wird zur optischen           Punkt möglicherweise einen Baum oder ein
      der Ur- und Frühge-      Abstand- und Geschwindigkeitsmessung              Gebüsch gemessen hat und welcher bis zum
 schichte zum Anbau von        mittels Laserstrahlen eingesetzt. Das Prin-       Boden gekommen ist. Für die Archäologie
   Getreidearten wie Ein-      zip ist einfach. Von einem Messgerät wird         ein Verfahren, mit dem Bodendenkmäler
korn, Emmer und Dinkel.        ein unsichtbarer Laserstrahl ausgesendet,         in Wäldern entdeckt werden. Während an-
         (Foto: ADABweb,       der reflektiert wird, worauf er trifft. Es wird   dere Bundesländer bereits vor vielen Jah-
               DGM LGLN).      die Zeit berechnet, die der Lichtimpuls bis       ren mit der systematischen Befliegung der
                               zu einem Objekt benötigt. Grundlage zur           Landschaften begonnen haben, folgte die
                 Abb. 2:       Berechnung ist die Konstante der Lichtge-         Befliegung in Niedersachsen in den Jahren
       Pingenfelder sind       schwindigkeit. Von einem Flugzeug oder            2015 bis 2017 und die Daten werden durch
 nebeneinander gesetzte        Hubschrauber wird die Landschaft streifen-        das Landesamt für Geoinformation und Lan-
    kleine Schächte aus        weise systematisch abgeflogen und mittels         desvermessung Niedersachsen (LGLN) dem
      dem Bergbau, die         LiDAR vermessen. Das einzigartige an dem          Niedersächsischen Landesamt für Denkmal-
        eingestürzt sind.      Verfahren ist, dass die Messgeräte eine sehr      pflege zur Verfügung gestellt (NLD).
       (Foto: ADABweb,         hohe Anzahl von Laserstrahlen aussenden
            DGM LGLN) .        und damit genügend Strahlen auch durch            Bei den Daten handelt es sich um Laserscans
                               einen Wald mit Blätterbewuchs bis zum Bo-         der Bodenoberfläche in den Abmessungen

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                                                Abb. 4), die andere in Spornlage zwischen       Abb. 3:
                                                Weser und Leine (Abb. 5 und Abb. 6). Bei        Die Wallstrukturen
                                                allen drei Befunden zeichnet sich der Ver-      reihen sich in Höhen-
                                                lauf von Wallstrukturen im LiDAR teilweise      befestigungen der
                                                verwaschen ab und im Gelände sind diese,        vorrömischen Eisen-
                                                bis auf wenige Ausnahmen, erosionsbedingt       zeit an der Weser ein.
                                                kaum mit bloßem Auge erkennbar. Auch            (Foto: ADABweb, DGM
                                                neuzeitliche Schanzen finden sich im Ergeb-     LGLN).
                                                nis. Zwei im Zusammenhang mit den Befes-
                                                tigungsanlagen am „Klüt‟ bei Hameln, und        Abb. 4:
                                                weitere zwei Schanzen im östlichen Bereich      Der Wall im nördlichen
                                         7      der Stadt. Die Existenz einer davon war be-     Hangbereich zeichnet
                                                reits durch den Flurnamen „Morgenstern‟         sich deutlich im
                                                vorgegeben (Abb. 7). Doch bei Forschungen       Gelände ab.
von 1 x 1 km. Bei Niedersachsen handelt es      in der Vergangenheit blieb sie im Gelände       (Foto: R. Reimann).
sich um über 50.000 Kacheln. In den Jahren      unentdeckt, dass änderte sich im November
2018 und 2019 hatte ich die Gelegenheit das     2018 (Abb. 8). Die Lage der zweiten Schan-      Abb. 5:
NLD ehrenamtlich bei der Auswertung der         ze überraschte mich. Statt im Schutz von        In exponierter Hö-
LiDAR-Daten zu unterstützen. In unzähligen      dichtem Unterholz oder Bewuchs, liegt sie       henlage zeichnen
Stunden habe ich alle Kacheln gesichtet und     halbseitig frei und innerhalb der Schanze       sich verwaschene
konnte über 3.500 Befunde registrieren. Um      befindet sich eine Wiese mit einem Picknick-    Wallstrukturen ab die
systematisch vorgehen zu können, arbei-         platz (Abb. 9 und 10). Die Wälle zeichnen       wohl zu einer Befesti-
tete ich mit zwei Rechnern und insgesamt        sich recht deutlich im Gelände ab, und trotz-   gungsanlage gehören.
drei Bildschirmen. Ein Bildschirm stellte die   dem blieb die Schanze bisher unentdeckt.        (Foto: ADABweb, DGM
Laserdaten zur Verfügung, am zweiten ori-                                                       LGLN).
entierte ich mich mit einer topographischen     Bei einigen bereits bekannten größeren
Karte um eine Systematik der Auswertung         Wallburgen entdeckte ich jeweils mit gerin-     Abb. 6:
zu gewährleisten, und mit dem dritten Bild-     gem Abstand kleinere Wallformationen die        Die Steinwälle zeich-
schirm erfasste ich die GPS-Koordinaten in      im Zusammenhang der Hauptanlage zu be-          nen sich nur noch bis
einer Tabelle. Übersicht der Bodendenkmä-       trachten sind. Bei anderen isoliert befindli-   etwa 20 cm Höhe ab
ler in alphabetischer Reihenfolge:              chen kleineren Wallanlagen ist die Funktion     und ähneln einem
                                                auf den ersten Blick nicht zu erahnen. Ent-     Steinweg.
Ackerterrassen, Altwege (Hohlwege), Bie-        weder sind es kleinere Befestigungsanlagen      (Foto: R. Reimann).
nenzäune, Celtic Fields (Abb. 1), Flachsrot-    (Motte), oder einfach nur neuzeitliche Vieh-
ten, Glasöfen, Grabhügel, Kalkbrennereien,      gehege oder Bienenzäune. Bei einem sehr         Abb. 7:
Köhlerplatten von Kohlenmeilern, Landweh-       großen Teil von Befunden handelt es sich        Die neuzeitliche
ren, Parzellengrenzen, Pingenfelder (Abb.       um Köhlerstellen, insbesondere mit Schwer-      Schanze war namens-
2), Schanzen, Viehgehege, Verhüttungsplät-      punkt im Harz. Die Anzahl war so hoch,          gebend für den Flurna-
ze, Wallanlagen (Befestigungs-/Burgwälle,       dass ein genaues Erfassen jedes Befundes        men „Morgenstern‟.
Grenzwälle, Ringwälle), Wölbäcker, Wurten.      unmöglich erschien. Auch Wölbäcker sowie        (Foto: ADABweb „DGM
                                                Grabhügel (Abb. 11 und 12) zählen zu der        LGLN‟).
Von den entdeckten Befunden sind drei,          großen Masse von Befunden. Durch zahl-
wohl prähistorische Befestigungsanlagen in      reiche Bestandssichtungen an Grabhügeln
exponierter Höhenlage hervorzuheben. Zwei       hat sich im Laufe der Jahre ein geschultes
in Wesernähe im Weserbergland (Abb. 3 und       Auge für die Identifizierung von Grabhügeln

                                                                                                 FAN-POST 2021      17
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