2021 Zwischen Michelsberg - FAN
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2021 Zwischen Michelsberg und früher Trichter- becherkultur Berichte über die Beusterburg bei Betheln Auswertung der Laserscanning-Daten der Landesvermessung Römische Militär- plätze bei Bad Ems an der unteren Lahn
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, haben erste Schritte unternommen, unsere liebe Mitglieder, homepage neu aufzustellen. Hat jemand von Ihnen Lust, sich hier zu engagieren? Dabei die FAN-Post hat sich als Plattform etabliert, sollen die Schwerpunkte des FAN deutlicher erinnern wir uns an das Erscheinen der letzten herausgearbeitet werden: Ausgabe: Das war unmittelbar vor dem Lock- down im März letzten Jahres. „Unsere letzte Schwerpunkt 1: Die Römer AG registriert Jahrestagung sowie die meisten Veranstaltun- jeden römischen Neufund in Niedersachsen. gen mussten leider entfallen.‟ Wichtig ist auch der informelle Gedankenaus- tausch bei den Stammtischen und bei den be- Zugleich haben die Ereignisse eine erstaun- liebten Exkursionen, - auch über die Grenzen liche Kreativität freigesetzt. Wer hätte sich Niedersachsens hinaus. Dr. Utz Böhner denn träumen lassen, dass der FAN-Vorstand FAN Vorsitzender noch vor Ende 2020 im Chatroom zusammen- Schwerpunkt 2: Die Luftbildarchäologie möch- kommt, um zu planen und zu diskutieren? Und te Pilotinnen und Piloten sowie ganz normale dass wir die Jahreshauptversammlung schrift- FAN's zur archäologischen Spurensuche aus lich abwickeln konnten. der Luft motivieren. Luftfotos mit fraglichen Befunden aus Niedersachsen - auch aus Ihnen allen sei an dieser Stelle nochmals virtuellen Portalen wie GoogleEarth - nehmen herzlich gedankt für Ihre Abstimmung mit wir jederzeit gern entgegen und melden uns Postkarte. sofort bei den Entdecker*innen. Natürlich ist ebenso klar, dass es nicht ewig so Schwerpunkt 3: Die Erdwerksforschung. In weiter gehen kann, denn der Verein (jeder!) den Jahren 2009 bis 2013 wurde das neolithi- lebt von persönlichen Begegnungen, Gedan- sche Erdwerk von Müsleringen, Gem. Stolze- kenaustausch, Diskussionen und schönen nau im Landkreis Nienburg gemeinschaftlich Erlebnissen. mit der Universität Hamburg ausgegraben und erforscht. Inzwischen gibt es viele weitere Aber im Hintergrund ist auch im CORONA-Jahr Anlagen, die auf ihre Erforschung und Datie- 2020 so Einiges gelaufen: Ulrich Werz hat in rung warten. Lesen Sie dazu die Beiträge von der Reihe Fonts for Numismatics, die vom Benedikt Knoche in diesem Heft. FAN unterstützt wird, zwei Hefte mit digi- talen Sonderzeichen für die Publikation von Sobald die fachlichen Genehmigungen vorlie- antiken griechischen und römischen Münzen gen und die Pandemie-Lage es zulässt, soll es herausgebracht. In einer neu gegründeten 2021 zu diesen drei Themenbereichen auch Whats-App-Gruppe „Silex und Keramik (FAN)‟ praktische Einsätze im Felde geben. diskutieren die Teilnehmer*innen ihre Funde, die sich bei Prospektionen mit und ohne tech- Ich hoffe sehr, dass wir uns bei diesen nische Hilfsmittel finden lassen. Moderiert wird „Events‟ persönlich treffen, natürlich auch Bilder Titelseite: sie von den Mitgliedern Nadja Lüdemann, Felix bei der FAN-Jahrestagung. Nun bleibt mir nur Hauptmotiv: Bernau und Ronald Reimann, die auch eine noch ein herzlicher Dank an alle, die zum Ge- Digitales Geländemodell AG Archäologie Digital auf den Weg gebracht lingen der FAN-Post 2021 beigetragen haben, der Aller-Leine Mündung bei Grethem basierend haben. Die sommerliche Luftbildprospektion und - wie es jetzt immer heißt - bleiben Sie auf den neuen Airborne- hat 2020 im gewohnten Rahmen stattgefun- gesund! Laserscanning-Daten den und über die interessanten Befunde finden Utz Böhner der Landesvermessung Niedersachsen (LGLN). Sie einen Bericht in diesem Heft mit einem Wegweiser zu der virtuellen Luftbildschau Reihe links: 2021. Alexandra Philippi, die Preisträgerin Bruchstück einer Bronze- unseres Studienpreises 2020, hat ihre Mas- dolchklinge. Gemarkung Bötenberg Fst. 6, Gde. terarbeit über die „Fundstelle Müsleringen und Balge, Ldkr. Nienburg. die jungneolithischen Erdwerke im Leine-We- (Foto: H.-D. Freese). ser-Gebiet‟ vollendet, auch darüber berichten wir in diesem Heft. Heinz-Dieter Freese hat Reihe mittig: Schnitte der Kampagne die Lockdown-Wochen für eine ausführliche Heiligenberg, 2020 Darstellung und Interpretation kleiner Gra- (Foto: W. Lüdtke). ben-Wall-Anlagen in Niedersachsen genutzt; Reihe rechts: wir wollen den Beitrag in diesem Jahr noch Luftbild-Team publizieren. Außerdem haben wir mit Hilfe von des FAN startklar. (Foto: H.-D. Freese). Werner Pollak einen Werbeflyer entworfen, der im Sommer in Druck gehen soll. Und wir 2 FAN-POST 2021
Inhalt JAHRESTAGUNG | FÖRDERPREIS FAN – Jahrestagung 2020.................................................................. 4 Zwischen Michelsberg und früher Trichterbecherkultur .......................... 5 Studienpreisträgerin FAN 2020........................................................... 8 ERDWERKSFORSCHUNG Die „Beusterburg‟ bei Betheln............................................................ 9 Visualisierung eines jungneolithischen Erdwerks ................................. 11 LUFTBILDARCHÄOLOGIE Luftbildschau 2021.......................................................................... 14 Auswertung niedersächsischer LiDAR-Daten........................................ 16 Airborne-Laser und Archäologie im Wald............................................. 20 Celtic fields im Mini-Format .............................................................. 22 Vorschau: „FAN-Schriftreihe Band 3................................................... 26 ARCHÄOLOGIE DIGITAL Die neue Arbeitsgruppe „Archäologie digital‟ stellt sich vor................... 27 RÖMERFORSCHUNG Neue römische Militärplätze an der Lahn............................................. 28 MEGALITHFORSCHUNG „Die sie riefen, die Geister‟, Totenbeschwörung im Neolithikum............. 32 AUSGRABUNGEN Heiligenberg – Kampagne 2020 ........................................................ 36 PROSPEKTIONEN Geheimnisvolle Kornkreise................................................................ 39 KURZBERICHTE FAN mit FIN-derglück ...................................................................... 41 „Am Bues‟, Geschichten um die Marienkirche in Isernhagen ................. 42 Das Schicksal archäologischer Funde ................................................. 43 Mein „besonderer Fund‟ .................................................................. 44 26 Jahre gewartet ........................................................................... 45 Unser Fund für die FAN-POST............................................................ 45 REZENSIONEN Rezensionen................................................................................... 46 FAN-Veranstaltungen 2021/2022 ..................................................... 48 FAN-POST 2021 3
JAHRESTAGUNG | FÖRDERPREIS FAN – Jahrestagung 2020 1 Abb. 1: Das Jahr 2020 war mit dem Ausbruch der lich gelang es, die juristisch relevanten Ab- Coronabedingt COVID-19-Pandemie ein Jahr der Verschie- stimmungen einer Jahreshauptversamm- wurde der Vortrag bungen, Absagen, Schließungen und das lung in schriftlicher Form durchzuführen. ausschließlich virtu- „normale‟ Leben einschränkender Verfü- Unsere Mitglieder haben sich an der Ge- ell abgehalten, als gungen, die zwischendurch ein wenig gelo- nehmigung des Jahresabschlusses und der Livestream auf dem ckert, dann wieder verschärft wurden. Be- Entlastung des Vorstands in ausreichender YouTube-Kanal des sonders betroffen von diesen Maßnahmen Anzahl mit einem klaren Ergebnis beteiligt NLD. war u.a. vor allem der Kulturbetrieb unseres – vielen Dank dafür! Die große Zustimmung Landes, dem auch unsere Vereinstätigkeit zu seiner Arbeit wird für den Vorstand wei- zuzuordnen ist. Konnte im Januar die Luft- terer Ansporn sein. bildschau noch wie geplant stattfinden, war das für die zentrale Veranstaltung des FAN, Hoffen wir, dass das Jahr 2021 es ermöglicht, die Jahrestagung mit ihren interessanten unsere nächste Jahrestagung in gewohntem Vorträgen, den Berichten zur Arbeit in den Rahmen abzuhalten. Vorsichtshalber hat der verschiedenen Arbeitsgruppen und der Vor- Vorstand sie auf einen späteren Zeitpunkt stellung neuer Planungen, nicht mehr mög- als gewohnt verlegt. Auch die FAN-Post lich. Zweimal wurde – vielleicht ein wenig in erscheint in diesem Jahr etwas später als Unterschätzung der Pandemiewucht – ver- üblich. sucht, die Jahreshauptversammlung durch Verschiebung zu retten, um sie dann doch Wilfried Haase absagen zu müssen. Es entfiel damit auch eine wesentliche Möglichkeit für Gespräche und Gedankenaustausch. Über eine Jahrestagung zu berichten, die nicht stattgefunden hat, mag paradox er- scheinen, doch findet das seine Berechti- gung in dem Bemühen des Vorstands, die Arbeit im Verein so weit wie nur irgend mög- lich aufrecht zu erhalten und dabei auch einige Teile der Jahrestagung umzusetzen. Die jährliche FAN-Post konnte noch zum üb- lichen Termin versandt werden. Alexandra Philippi, die Preisträgerin des FAN-Studien- preises, konnte ausgezeichnet werden und ihren Vortrag zum Erdwerk in Müsleringen im November online im Netz halten. Schließ- 4 FAN-POST 2021
Zwischen Michelsberg und früher Trichterbecherkultur Neue Ergebnisse zum jungneolithischen Erdwerk von Müsleringen 1 Unweit des heutigen Weserverlaufes konnte leringen, Raum für Überlegungen bezüglich Abb. 1: 2008 durch Heinz-Dieter Freese auf einem der Fragen nach den Nordbeziehungen der Luftbild des Müsleringer Geländesporn ein neolithisches Erdwerk Region und der Genese der frühen Trichter- Erdwerkes (links) entdeckt werden. Neben positiven Bewuchs- becherkultur im Norddeutschen Tiefland. und Ergebnisse der 2 merkmalen, die auf Siedlungsgruben bzw. Die damit verbundene Neolithisierung des geomagnetischen Grubenhäuser jüngeren Datums hindeuten, Nordens ist seit Jahrzehnten ein spannen- Untersuchungen zeigte sich eine Doppelgrabenanlage, deren des Forschungsfeld, das durch die Vorlage sowie eingezeichnete unregelmäßiger Verlauf durch mindestens des Müsleringer Fundmaterials und der Be- Grabungsflächen, die zwei Erdbrücken unterbrochen wird. In den funde bereichert wird. Denn die Weser, als die Gräben aufdeckten Folgejahren wurde das Erdwerk bei Müsle- Korridor weitreichender Beziehungen, hat (rechts). ringen, Ldkr. Nienburg (Weser), u.a. durch im Jungneolithikum eine Schlüsselstellung (Foto: H.-D. Freese; den Freundeskreis für Archäologie in Nieder- bei der Verbreitung der Erdwerksidee wie Geomagnetik: sachsen e.V. und die Universität Hamburg auch weiterer Neolithisierungsimpulse inne Universität Hamburg; archäologisch sowie geophysikalisch unter- gehabt. grafische Bearbeitung/ sucht. Die vorläufigen Ergebnisse wurden in Montage: A. Philippi). Vorberichten publiziert (Freese 2010; Ram- Das halbkreisförmige, stark segmentierte minger/Sedlaczek/Kegler-Graiewski 2013). Erdwerk von Müsleringen umfasst lediglich Etwa 10 Jahre nach der Entdeckung konnten eine Innenfläche von etwa 4 ha und liegt in nun die Grabungen der Jahre 2011 bis 2013 seichter Spornlage. Es besitzt mindestens abschließend ausgewertet werden. Der Fo- sechs Durchlässe, die in unregelmäßigen kus der Arbeit lag hierbei auf dem kerami- Abständen die Gräben unterbrechen (Abb. schen Fundmaterial. 1). Auf den Erdbrücken ließen sich Pfosten- verfärbungen und Gräbchen beobachten. Für das Leine-Weser-Gebiet sind – im Ge- Sie lassen Palisaden vermuten, die an die- gensatz zum Braunschweiger Land (Ge- sen Stellen auf besondere Konstruktionen schwinde/Raetzel-Fabian 2009) – die hinweisen. Die schon aus der Luft imposant jungneolithischen Erdwerke bislang nicht wirkenden Erdwerksgräben erreichen an systematisch bearbeitet und erforscht manchen Stellen Tiefen von über 2 m und worden. Es wurden lediglich einzelne Vor- sind bis zu 5,20 m breit. berichte publiziert. Die archäologischen Untersuchungen am Müsleringer Erdwerk Die untersuchten Abschnitte des äußeren eröffnen der Forschung neue Perspektiven Grabens zeigten eine sehr homogene, san- im Gebiet zwischen Leine und Weser, sind dige und gebänderte Verfüllung, die bislang aber auch darüber hinaus von Wichtigkeit. weitgehend keine Schichtung erkennen So gibt insbesondere das Erdwerk von Müs- lässt. Lediglich im Sohlbereich konnte an- FAN-POST 2021 5
JAHRESTAGUNG | FÖRDERPREIS 2 3 Abb. 2: deres, lehmigeres Verfüllmaterial beobach- Für das Erdwerk von Müsleringen kann ne- In den Grabenverfül- tet werden, das womöglich auf Staunässe ben einer rituellen Funktion (Deponierungen lungen fanden sich zurückzuführen ist. Ein in den Graben ge- in den Erdwerksgräben, „Recuttings‟) auch u.a. kompakte Scher- rutschter Sedimentblock weist auf einen eine enge Verbundenheit zu einem alten, benpflaster. Während Ausbruch der Grabenwandung in der Nut- überregionalen Wegenetz – dem Weser- der Bearbeitung und zungszeit hin. korridor – beobachtet werden. Das in das Auswertung konnten Norddeutsche Tiefland reichende Wegesys- einige Gefäße nahezu Anders präsentierte sich der innere Graben. tem lässt Kontakte vermuten, die sich u.a. vollständig zusam- In den Verfüllungen wurden klar differen- in der Architektur des Erdwerkes selbst wie- mengesetzt werden. zierbare Schichten beobachtet, die auf un- der finden. Mit seinem halbovalen Grund- (Fotos: H.-D. terschiedliche sedimentalogische Prozesse riss in seichter Spornlage und seinen stark Freese/A. Philippi). oder intentionelle Verfüllungen hinweisen. segmentierten Gräben sowie seiner Größe Die Grabenverfüllung entspricht größten- von etwa 4 ha entspricht es am ehesten den Abb. 3: teils dem umgebenden Sediment, allerdings Grabenanlagen der Trichterbecherkultur, die Längsprofil durch in durchmischter Lagerung. Die eingeflos- mit einem Schwerpunkt von 5 ha Größe zu den Erdwerksgraben. senen Schichten der inneren Grabenfüllung den kleineren Anlagen des europäischen Die wannenförmigen geben schwache Hinweise auf eine auf der Neolithikums zählen (vgl. Klatt 2009, 88). Eingrabungen heben Innenseite abgelagerte mögliche Wallschüt- Die Auswertung des keramischen Fundma- sich deutlich von dem tung. So sind die eingeflossenen Sedimente terials bekräftigt die These weitreichender umgebenden leicht schief nach innen an der Grabenwan- Beziehungen in den Norden. Auffällig wa- Sediment ab. dung abgelagert. ren neben charakteristischen Formen der (Foto: Universität Michelsberger Kultur der große Anteil von Hamburg; grafische Aus der Grabenverfüllung stammen auch Gefäßformen und Verzierungsarten, die im Bearbeitung: zerdrückt wirkende Gefäße, die in kompak- Fundmaterial eines erwarteten Michelsberg A. Philippi). ten Scherbenpflastern auf den Einfüllschich- Komplexes selten in Erscheinung treten. ten lagen und sich nahezu vollständig zu- Deshalb wurde eine eigene Systematik für sammensetzen ließen (Abb. 2). In manchen die Gefäßkeramik erarbeitet und versucht Fällen fanden sich diese Gefäße mit Mahl- diese mit den allgemein üblichen typochro- steinen, Läufern oder Unterliegern verge- nologischen Studien zum Michelsberger Ge- sellschaftet. In seltenen Fällen ließen sich fäßspektrum in Einklang zu bringen (z.B. Lü- auch sog. „Recuttings‟ beobachten (Abb. 3). ning 1967). Neben den Arkadenrandgefäßen Es handelt sich hierbei um Eingrabungen in (Abb. 4), die eine Leitform der Michelsber- die Grabenverfüllung. Das Zusammenspiel ger Kultur bilden, dominieren im Müslerin- der Befundsituationen erweckt den Eindruck ger Fundmaterial die Trichterrandgefäße mit von Deponierungen in den Gräben. unterrandständiger Stich- oder Eindruck- 6 FAN-POST 2021
verzierung (Abb. 2 und 5), die vor allem gräben geborgene Gefäßkeramik weist in im Formen- und Verzierungsspektrum der diesen Horizont, wobei in Müsleringen ein frühen Trichterbecherkultur des südwestli- Keramikensemble vorliegt, das sowohl klas- chen Ostseeraumes und in einigen, wenigen sische Michelsberger Formen, wie auch sol- Fundkomplexen Niedersachsens und im an- che der frühen Trichterbecherkultur umfasst grenzenden westfälischen Gebiet Entspre- und somit die Schlüsselrolle der Michelsber- chungen finden. Sie werden gemeinhin mit ger Kultur bei der Neolithisierung der Nord- der Genese der frühtrichterbecherzeitlichen deutschen Tiefebene bekräftigt. Auch ist die Keramik und der damit verbundenen Neoli- Nordausdehnung des Michelsberger Kom- thisierung der Norddeutschen Tiefebene in plexes mit der Existenz eines Erdwerkes der Verbindung gebracht. ersten Konstruktionsphasen zwischen 4200 bis 3900 v.Chr. an der Mittelweser von weit- aus dynamischerem Charakter gewesen, als bislang angenommen. Die Flusssysteme Leine und Weser mit ihren zahlreichen klei- neren Nebenflüssen begünstigten sicher- lich diese Entwicklung − und ermöglichten den Austausch von Rohstoffen, Gütern und Ideen, wie etwa der „Erdwerksidee‟ −, die am Ende des 5. Jahrtausends v.Chr. mit der „Neolithisierung des Nordens‟ schließlich ih- ren Höhepunkt erreichte. Alexandra Philippi Literatur: Abb. 4: Freese 2010 Großes Freese, Heinz-Dieter: Ein neolithisches Erd- Arkadenrandgefäß. werk an der Weser nahe Stolzenau im Land- (Foto: A. Philippi). kreis Nienburg (Weser), in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 79, Abb. 5: Link zu: (https://jornals.ub.uni-heidelberg. Mit Fingernagelein- de/index.php/nnu/issue/view/4918). drücken verziertes 4 Geschwinde/Raetzel-Fabian 2009 Trichterrandgefäß. Geschwinde, Michael/Raetzel-Fabian, Dirk (Foto: A. Philippi). (Hg.): EWBSL: Eine Fallstudie zu den jung- neolithischen Erdwerken am Nordrand der Das in der Nähe zur Weser gelegene Erd- Mittelgebirge, Rahden/Westf. 2009 [Beiträ- werk ist am nördlichsten Ausläufer des Nie- ge zur Archäologie in Niedersachsen, Bd. dersächsischen Berglandes zu lokalisieren, 14]. das hier in das Norddeutsche Tiefland über- Klatt 2009 geht. Aus der Grabenverfüllung gewonne- Klatt, Stefan: Die neolithischen Einhegun- ne 14C-Daten an Holzkohlen datieren die gen im westlichen Ostseeraum. Forschungs- Nutzungszeit der Anlage zwischen 4100 bis stand und Forschungsperspektiven, in: Ter- 3900 v.Chr., sodass das Erdwerk von Müsle- berger, Thomas (Hg.): Neue Forschungen ringen in den älteren Konstruktionshorizont zum Neolithikum im Ostseeraum, Rahden/ der jungneolithischen Grabenanlagen ein- Westf. 2009, S. 7-134 [Archäologie und Ge- zuordnen ist. Auch die aus den Erdwerks- schichte im Ostseeraum , Bd. 5]. Lüning 1967 Lüning, Jens: Die Michelsberger Kultur. Ihre Funde in zeitlicher und räumlicher Gliede- rung, in: Berichte der Römisch-Germani- schen Kommission 48, 1967, S. 1-350. Ramminger/Sedlaczek/Kegler-Graiewski 2013 Ramminger, Britta/Sedlaczek, Hubertus/ Kegler-Graiewski, Nicole: Vorläufige Ergeb- nisse zum neolithischen Erdwerk aus Müsle- ringen, Ldkr. Nienburg/Weser, in: Nachrich- ten aus Niedersachsens Urgeschichte 82, 2013, S. 3-26, Link zu: (https://freundes- 5 kreis-fuer-archaelogie.de/grabung-muesle- ringen-2013/). FAN-POST 2021 7
JAHRESTAGUNG | FÖRDERPREIS Alexandra Philippi M.A. Studienpreisträgerin FAN 2020 Nach dem Abitur am städtischen Archigym- Alexandra Philippi erhält den diesjährigen nasium in Soest studierte Alexandra Philippi Studienpreis des FAN für ihre Masterarbeit ab 2013 an der Georg-August-Universität in zum Thema „Die Fundstelle Müsleringen, Göttingen Ur- und Frühgeschichte und Deut- Ldkr. Nienburg (Weser), und die jungneoli- sche Philologie. Im Jahr 2020 schloss sie ih- thischen Erdwerke im Leine-Weser-Gebiet‟, ren Masterstudiengang mit dem Hauptfach die an der Georg-August-Universität Göttin- Ur- und Frühgeschichte sowie den Nebenfä- gen im März 2020 eingereicht und von Prof. chern Deutsche Philologie und Neuere Deut- Dr. Thomas Terberger betreut wurde. sche Literatur ab. FAN Vorstand Die geschätzte Nachwuchswissenschaftlerin Alexandra Philippi arbeitet seit November 2017 als studenti- Preisträgerin sche Hilfskraft im Niedersächsischen Landes- amt für Denkmalpflege Hannover als Redak- tionsassistenz für die Fundchronik. Derzeit ist Frau Philippi als Archäologin für den Di- gitalen Denkmalatlas am Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege angestellt. Dr. Peter Glüsing (1934-2011) Abb. 1: Vor 10 Jahren verstarb überraschend unser 1 Vor der Burg durch Vorträge, Exkursionen und vielfälti- Dringenberg. gen Austausch bekanntes engagiertes FAN- (Foto: G. Steinborn) Mitglied Dr. Peter Glüsing. Abb. 2 u. 3: Zu seinem Gedenken seien hier Fotos bis Dr. Peter Glüsing bei zum Jahre 2009, seinem letzten unverges- einem Vortrag im senen Vortrag im Industriemuseum Lohne, Industriemuseum beigegeben. Lohne. (Fotos: H. Haßmann). FAN Vorstand 2 3 8 FAN-POST 2021
ERDWERKSFORSCHUNG Die „Beusterburg‟ bei Betheln (Ldkr. Hildesheim) Ein neues Forschungsobjekt Das Objekt also innerhalb des jüngeren Bauhorizonts In der Nähe der Ortschaft Betheln (Ldkr. Hil- derartiger Einhegungen. Dieser vorläufige desheim), einige Kilometer östlich der Lei- Ansatz bedeutet nicht, dass es nicht auch ne, befindet sich die „Beusterburg‟ auf dem zeitlich nachgelagerte Bauaktivitäten und Westhang des „Schiefen Berges‟, einer An- Begehungen des Geländes gegeben haben höhe des Hildesheimer Waldes. Eingerahmt könnte (vgl. noch unpublizierte, vereinzelte wird das ausgedehnte, einzügige Wall-Gra- Funde eiserner Geräte aus Sondenbegehun- ben-System von den Bachtälern des „Rot- gen des Innenraums; Wikipedia: Stichwort tebachs‟ im Süden und des „Nordbachs‟ im „Beusterburg‟). Unabhängig von der Da- Norden. Ihren Namen verdankt die „Beus- tierungsfrage ist hinsichtlich der aus einem terburg‟ dem in rund 400 m Entfernung ent- einzelnen Grabenzug bestehenden Anlage springenden „Beusterbach‟. Etwa zwei Kilo- noch in vielfacher Hinsicht Klärungsbedarf meter nördlich befinden sich die Solequellen vorhanden. Das mit 15 Hektar Flächeninhalt von Heyersum. Unmittelbar nördlich von monumental ausgeführte Erdwerk ist neben Heyersum verläuft die heutige Bundesstra- seiner imposanten Größe und prominenten ße B 1, welche den historischen „Hellweg‟ Lage aus zwei Gründen bemerkenswert: aufgreift. Von dem Weserübergang bei Ha- meln kommend, streicht die Route von West (1.) Es ist forschungsgeschichtlich betrach- nach Ost in Richtung Braunschweig am Hil- tet das erste für Nordwestdeutschland be- desheimer Wald vorbei. Es kann gemutmaßt kannt gewordene Erdwerk. werden, dass die mit einem Flächeninhalt von rund 15 Hektar monumentale „Beus- (2.) Mit einem mutmaßlichen Alter von rund terburg‟ in einem Bezug zu dieser günsti- 5.800 Jahren wäre das Erdwerk der ältes- gen naturräumlichen und infrastrukturellen te substantiell erhaltene Baukörper Nie- Ausstattung steht. Nur einige Kilometer dersachsens! Das Erdwerk ist noch in sei- nördlich von der „Beusterburg‟ befindet sich ner ganzen Ausdehnung als geschlossene bei Nordstemmen-Rössing ein jungneolithi- Wall-Graben-Anlage oberflächlich erhalten sches Erdwerk. geblieben. Die langfristige Bewaldung des Gebiets hat sich konservierend ausgewirkt. Die Datierung der Anlage ist strittig. In den Noch heute sind die Bodeneingriffe in Form 1930er Jahren erbrachten die Ausgrabun- von bis zu zwei Meter tiefen Sohlgräben mit gen K. Tackenbergs Hinweise auf ein neoli- teils vor-, teils nachgelagerten Wällen im thisches Alter der Anlage (Tackenberg 1951; Gelände deutlich wahrnehmbar. Die etwa vgl. Heine 2000, 117ff.). Eine Reevaluation zwei Kilometer lange Grabenlinie besteht der Grabungsergebnisse und Funde durch aus zahlreichen Einzelsegmenten. E. Cosack zieht eine latènezeitliche Datie- rung der Anlage in Betracht (vgl. Cosack Ansatzpunkte 2008, 24ff. bes. 29ff.). Eine jüngst fertigge- Im Rahmen des FAN-Schwerpunktthemas stellte Göttinger Masterarbeit (A. Philippi) „Erdwerke‟ sind für eine Beschäftigung der erhärtet erneut eine jungneolithische Zeit- „Beusterburg‟ eine Reihe an Ansatzpunkten stellung. Insgesamt sprechen schon Form, vorhanden. Diese müssen sich jedoch daran Größe, fehlende Innenbesiedlung sowie die orientieren, was im Rahmen einer Vereins- Struktur der Bodeneingriffe für ein jung- arbeit machbar ist: neolithisches Erdwerk. Die bei der Grabung Tackenbergs geborgenen Scherben und Si- (1.) Die vorliegenden LiDAR-Daten sollen in lices deuten grundsätzlich in dieselbe Rich- eine 3D-Modellierung des Erdwerks trans- tung (ungefähr MK III–V; hierzu Knoche formiert werden. Diese im Wesentlichen 2008, 154. 171; 2013, 282; Geschwinde/ rechnergestütze Visualisierung der Befunde Raetzel-Fabian 2009, 190). Und – was übri- kann als ein Pilotprojekt für moderne Formen gens als ein nahezu typisches Element vie- einer Verarbeitung und öffentlichkeitswirk- ler jungneolithischer Erdwerke gelten darf: samen Veranschaulichung archäologischer „Für eine Besiedlung der Beusterburg liegen Daten verstanden werden. Darüber hinaus […] definitiv keinerlei Hinweise vor‟ (Cosack könnte es neue Ansatzpunkte für zukünftige 2008, 28). Bis auf Weiteres plädieren die Untersuchungen der „Beusterburg‟ liefern. vorliegenden Funde und Befunde für eine wahrscheinliche Anlage der „Beusterburg‟ (2.) Idealerweise könnte im Rahmen klein- während des 38./37. Jahrhunderts v.Chr., räumiger archäologischer Sondagen eine FAN-POST 2021 9
ERDWERKSFORSCHUNG maligen Regierungsbezirk Hannover, Neu- münster 2008 [Göttinger Schriften zur Vor- und Frühgeschichte, Bd. 31]. Heine 2000 Heine, Hans-Wilhelm: Die ur- und frühge- schichtlichen Burgwälle im Regierungsbezirk Hannover, Hannover [Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens, Bd. A 28]. Knoche 2003 Knoche, Benedikt: Das jungsteinzeitliche Erdwerk von Rimbeck bei Warburg, Kreis Höxter, Münster 2003 [Frühe Burgen in 1 Westfalen, Bd. 20]. Knoche 2008 Knoche, Benedikt: Die Erdwerke von Soest Abb. 1: weitergehende Klärung des Alters der An- (Kr. Soest) und Nottuln-Uphoven (Kr. Coes- Betheln „Beuster- lage herbeigeführt werden. Dabei könn- feld). Studien zum Jungneolithikum in West- burg‟. Die Wälle und ten einige der von Tackenberg angelegten falen, Rahden/Westf. 2008 [Münstersche Gräben, des vermut- Schnitte erneut geöffnet werden, um (a) die Beiträge zur Prähistorischen Archäologie, lich jungneolithischen Profilstruktur zu überprüfen und (b) aus den Bd. 3]. Erdwerks, kann man noch unberührten angrenzenden Bereichen Knoche 2013 im Wald gut verfolgen. oder auch aus dem Abraum absolutchrono- Knoche, Benedikt: Zur Chronologie und Ty- (Foto: W. Pollak). logisch datierbares Material zu gewinnen, pogenese der jungneolithischen Ösenleis- beispielsweise Holzkohle oder Knochenfrag- tenflaschen, in: Melzer, Walter (Hg.): Neue mente. Es wären invasive Eingriffe, die ge- Forschungen zum Neolithikum in Soest und ringstmöglich die Substanz des Bauwerks am Hellweg, Soest 2013, S. 275-298 [Soes- tangieren, bei gleichzeitig gegebenen guten ter Beiträge zur Archäologie, Bd. 13]. Chancen, radiometrisch datierbares Probe- Knoche 2018 material extrahieren zu können. Knoche, Benedikt: Jungneolithische Erdwer- ke. Forschungsperspektiven in Niedersach- (3.) Eine gezielte Grabungstätigkeit könnte sen aus Sicht des FAN, in: Freundeskreis zudem weiter abklären, inwieweit der aus- für Archäologie in Niedersachsen e.V. Post, buchtende Teil im Süden des Erdwerks eine 2018, S. 23-27. Erweiterung einer älteren Grabenanlage Tackenberg 1951 darstellt. In diesem Fall ist im Sinne einer Tackenberg, Kurt/Mit Beiträgen von B. Uhl Arbeitshypothese mit einem bislang noch und S. Schneider: Die Beusterburg ein jung- nicht entdeckten, dann schon im Jungneo- steinzeitliches Erdwerk in Niedersachsen , lithikum verfüllten und eingeebneten Gra- Hildesheim 1951 [Veröffentlichungen der benzug zu rechnen, der die ursprüngliche urgeschichtlichen Sammlung des Landes- Südflanke des Erdwerks gebildet hätte. Geo- museums zu Hannover, Bd. 13]. magnetische Untersuchungen könnten – in- Bd. 3]. soweit das bewaldete Gelände eine solche Knoche 2013 Vorgehensweise überhaupt zulässt – bei der Knoche, Benedikt: Zur Chronologie und Ty- Klärung dieser Frage flankierend zum Ein- pogenese der jungneolithischen Ösenleis- satz kommen. Sollte diese Arbeitshypohese tenflaschen, in: Melzer, Walter (Hg.): Neue zutreffen, läge eine vergleichbare Situati- Forschungen zum Neolithikum in Soest und on wie bei dem etwa zeitgleichen Erdwerk am Hellweg, Soest 2013, S. 275-298 [Soes- von Warburg-Rimbeck (Kr. Höxter) vor (vgl. ter Beiträge zur Archäologie, Bd. 13]. Knoche 2003). Im Zuge dieser Untersu- Knoche 2018 chung könnte zudem Fundmaterial anfallen, Knoche, Benedikt: Jungneolithische Erdwer- welches eine präzisiere chronologische An- ke. Forschungsperspektiven in Niedersach- sprache der Grabenanlage ermöglicht. sen aus Sicht des FAN, in: Freundeskreis für Archäologie in Niedersachsen e.V. Post, Benedikt Knoche, Heinz-Dieter Freese, 2018, S. 23-27. Jens Broszeit, Werner Pollak & Jörg Friede- Tackenberg 1951 Buchholz Tackenberg, Kurt/Mit Beiträgen von B. Uhl und S. Schneider: Die Beusterburg ein jung- Literatur steinzeitliches Erdwerk in Niedersachsen , Cosack 2008 Hildesheim 1951 [Veröffentlichungen der Cosack, Erhard/unter Mitarbeit von Vero- urgeschichtlichen Sammlung des Landes- nica König (Hg.): Neue Forschungen zu den museums zu Hannover, Bd. 13]. latènezeitlichen Befestigungsanlagen im ehe- 10 FAN-POST 2021
Die „Beusterburg‟ bei Betheln (Ldkr. Hildesheim) Visualisierung archäologischer Denkmäler am Beispiel eines jungneolithischen Erdwerks lerweile vorhanden und können in Hannover Abb. 1: realisiert werden. Eine 3D-Rekonstruktion Betheln „Beusterburg‟. der Wälle und Gräben im Verhältnis zum Grundplan der „Beus- Höhenrelief visualisiert stärker als zweidi- terburg‟ zwischen mensionale Pläne die Einbettung des Erd- Rottebach und Nord- werks in das Gelände. Es bietet also ganz bach. Zusätzlich sind allgemein eine höhere Anschaulichkeit. In die Grabungsschnitte welchen Maßstäben und Reliefierungen die- K. Tackenbergs aus se am besten zu bewerkstelligen sind, muss den 1930er Jahren im Rahmen des Arbeitsprozesses ausgelotet eingetragen. werden. Außerdem lassen sich im virtuellen (Grafik: nach Raum des Rechners verschiedene Perspekti- Tackenberg 1951). ven einnehmen, welche auch eine eventuell 1 weitergehende bildhafte Inszenierung der Abb. 2: 1 Befunde unterstützen. Wie auch bei einigen Bis heute sind die westfälischen Anlagen (Warburg-Rimbeck, Erdwälle gut im Nottuln-Uphoven) liegt hier wahrschein- Gelände zu erkennen. Ziele und Konzept lich eine Form von Architekturinszenierung (Foto: W. Pollak). Das sehr wahrscheinlich jungneolithische vor: Das Erdwerk erstreckte sich teilweise Erdwerk Betheln „Beusterburg‟ (Ldkr. Hil- hangabwärts Richtung Süden, sodass sich desheim) ist mit seiner Ausdehnung von 15 zumindest Teile des abgegrenzten Bezirks Hektar und vor allem seiner noch fast voll- dem Betrachter darboten. Erdwerke dieser ständig erhaltenen Wall-Graben-Struktur Positionierung offenbarten den eingehegten das älteste in seiner Grundsubstanz erhal- Raum mitsamt den hier womöglich abgelau- tene Bauwerk Niedersachsens. Trotz dieser fenen rituellen Prozessen dem zeitgenössi- herausragenden Eigenschaften führt die schen Betrachter. Mit anderen Worten: Sie „Beusterburg‟ bislang aber eher ein »Schat- machten das mutmaßlich Sakrale im wahrs- tendasein«. Das im Rahmen des FAN-The- ten Sinne des Wortes anschaulich. Dieses menschwerpunktes „Erdwerke‟ geplante unterscheidet sie von Erdwerken ohne Hang- Projekt "BauWerk": “Die „Beusterburg‟ bei wirkung, die eher auf »Verhüllung« angelegt Betheln – Visualisierung archäologischer scheinen, also die Sichtbarkeit des Innen- Denkmäler am Beispiel eines jungneolithi- raums durch Wälle und Pfostensetzungen schen Erdwerks“ soll das Bodendenkmal behinderten. Mehr als eine Hypothese kann stärker in das Bewusstsein von Öffentlich- dieses aber nicht sein. So sind unterschied- keit und Forschung bringen. Gleichzeitig liche Nutzungsaspekte und magisch-rituelle sollen transdisziplinär archäologische, geo- physikalische, architektonische und künst- lerische Ansätze zusammengefasst werden, um neue Betrachtungsweisen auf das Phä- nomen »Erdwerk Beusterburg« zu entwi- ckeln. Ausgangspunkt sind LiDAR-Datensätze (Light Detection And Ranging, Airborne La- serscanning) der LGLN, die von U. Böhner (NLD) und A. Thiemann (Leibnitz Universität Hannover) landesweit prozessiert und aus- gewertet worden sind. Deren Ergebnisse zur „Beusterburg‟ wurden auf der letzten „Luft- bildschau‟ des FAN im Januar 2020 vorge- stellt. Das Projekt verfolgt zwei Ziele: (1.) Aus den vorliegenden LiDAR-Datensät- zen lässt sich ein digitales und darauf auf- bauendes plastisches Modell der „Beuster- burg‟ erstellen. Technische Möglichkeiten 2 hierfür sind in Form von 3D-Druckern mitt- FAN-POST 2021 11
ERDWERKSFORSCHUNG Perspektiven, vielleicht sogar abweichende Beispiel für diese spezifische Wechselwir- rituelle Systeme, zu vermuten, die jeweils kung zwischen Archäologie und Architek- ihren baulichen Ausdruck fanden. Compu- tur ist das „Crysler-Building‟ in New York. tergestützte Visualisierungen ermöglichen Während der moderne Architekt im Idealfall eventuell, diese Perspektivenwechsel unmit- aber wie eine Art »Demiurg« in seiner fach- telbarer nachzuvollziehen als dieses bislang lichen Welt agiert, ist die Herangehensweise auf Grundlage zweidimensionaler Karten an eine bauliche Rekonstruktion archäologi- der Fall ist. Jede Rekonstruktion archäolo- scher Daten abweichend gelagert: Einerseits gischer Befunde bietet einerseits die Mög- existieren grundsätzlich geringere kreative lichkeit, zeitgenössische Lebensäußerungen Freiheitsgrade aufgrund der vorgegebenen anschaulich und öffentlichkeitswirksam dar- Befunde. Andererseits sind diese Befunde zustellen. Andererseits deckt sie aber auch aber auch nicht so eindeutig, als dass eine schnell die Lücken im archäologisch gewon- künstlerische – gleichwohl fachlich-architek- nenen Kenntnisstand auf. Im Falle der Erd- tonische – Herangehensweise etwa in den werke betrifft dieses Fragen wie: „Waren alle Hintergrund träte. Eine architektonische Vi- Grabensegmente gleichzeitig in Gebrauch sualisierung archäologischer Daten erfordert oder nur einige wenige, vielleicht sogar nur also – wie jedes Lebensbild urgeschichtli- jeweils einzelne? Welche konstanten Ele- cher Existenz – neben einem fachlichen und mente eines Erdwerks waren vorhanden; kreativen Einfühlungsvermögen auch einen eventuell nur Pfostensetzungen, kleinere ausgesprochenen »Mut zur Lücke«. Insofern Gräbchen oder Ähnliches? Welche Vegetati- sind es eigentlich weniger Rekonstruktionen on ist vorauszusetzen? Gab es eine gleich- als vielmehr Szenarien. zeitige Innen- oder sogar Außenbebauung? Was geschah im Innern der Einhegung?‟ Perspektiven In erster Linie verwirklicht das Projekt eine Erweiterung der Applikationsmöglichkeiten 3 des LiDAR innerhalb archäogischer Daten- aufbereitung. Dabei soll nicht nur ein an- schauliches 3D-Modell und eventuell auch ein Hologramm erstellt werden. Zusätzlich wäre der gesamte Bereich einer daran ange- schlossenen Visualisierung der Messdaten in ein jungneolithisches Szenario auszuleuch- ten. Die an dem Projekt beteiligten Personen decken fachlich alle relevanten Kompetenz- bereiche ab. Diese reichen von der geophy- sikalischen Erhebung und Auswertung der Daten über die archäologische sowie archi- tektonische Beurteilung bis hin zur künstle- rischen Visualisierung. Aus dieser fachüber- greifender Synergie lassen sich dann die angedachten theoretischen Implikationen der Tätigkeit ableiten. Visualsierungen der Abb. 3: (2.) Es soll zudem eine theoretische Refle- geplanten Art sind damit gleichermaßen ein Betheln "Beuster- xion der Rekonstruktionsarbeit an sich vor- Mittel einer Erkenntnisgewinnung sowie ein burg". Die Wall-Gra- genommen werden. Diese Metaebene bein- Instrument einer öffentlichkeitswirksamen ben-Anlage zeichnet haltet die ganze Problematik einer aktuellen Vermittlung fachlicher Befunde. sich deutlich im farbig Architekturinszenierung im Spannungsfeld unterlegten LiDAR- zwischen Befundgrundlage und Deutung. Das wissenschaftliche Bild der Erdwerke wird Kartenbild ab. Gut ist Gibt es Analogien zwischen einer modernen stark durch ihren Grundriss geprägt, also ih- auch die Einbindung Architekturinszenierung durch Gebäudemo- rer projektiven Aufsicht. Dieses ist nicht nur des Erdwerks in das delle, welche den Bauherren oder der Öf- durch den Planzeichnungen, sondern auch Geländerelief erkenn- fentlichkeit präsentiert werden? Wie insze- den Luftbilder geschuldet, hat also eine Ur- bar, wobei vor allem niert ein Architekt archäologische Befunde sache im pragmatisch-technischen Erkennt- der südliche, annex- im Gegensatz zu einem in der Archäologie nisprozess. Nur: Diese Perspektive gab es artige Teil in Hanglage beheimateten Künstler? R. Koldewey, der im im Jungneolithikum praktisch nicht. Die angelegt wurde. Vorderen Orient Ende des 19. Jahrhunderts Erbauer der Erdwerke haben ihre Anlagen (Foto: Teile Babylons ergrub, war eine Personal- nicht aus der Luft betrachten können; ledig- DGM: NLD/LGLN). union von Architekt und Archäologe. Seine lich die bereits weiter oben angesprochene zeichnerischen Rekonstruktionen der vor Ort Lage im Hang oder aber eine Betrachtung teilweise erhaltenen Nischenfassaden reg- eines Erdwerks von einer Erhebung aus leis- ten Jahre später sogar Art déco-Architekten tete ansatzweise diese Perspektive. Trotz- und mittelbar Designer an. Das bekannteste dem gibt es einige Erdwerkskategorien (wie 12 FAN-POST 2021
die polygonalen, entfernt »schlüssellochför- ieren nach tradierten Mustern oder gewissen migen« Erdwerke [Salzkotten-Oberntudorf, gestalterischen Vorstellungen. Der zeitlich, Calden, Wittmar etc.], welche eine zeitge- architektonisch und ideell ausdifferenzierte nössisch vorhandene, relativ formale Vor- Konstruktionsprozess folgte also einem in stellung eines (spezifischen) Aufrisses be- vielen Aspekten noch unbekannten impli- sessen haben dürften. Auch hier wären die zierten Modell. Es war eine den jeweiligen kognitiven Implikationen dieser Form eines Ort und seine Gegebenheiten aufgreifende Architektursymbolismus‘ bild- und wahrneh- Herangehensweise. Auch diesen kognitiven mungspsychologisch einmal eingehender zu Mechanismus einer Architektur(re)produk- betrachten. tion unter jungneolithischen Bedingungen einmal näher zu beleuchten, wäre ein wei- Weitere Fragen betreffen die für die mo- terführender theoretischer wie psychologi- derne Architektur so wesentliche Frage der sierender Ansatz. Ästhetik: Wie unterscheiden sich die Ästhe- tiken moderner und vormoderner Architek- In diesem Zusammenhang ist auf einer turinszenierungen? Ist überhaupt ein im weiteren Metaebene übrigens der Gedanke modernen Sinne ästhetisch ausgerichtetes reizvoll, dass es sich bei dem 3D-Modell um Bauwollen erkennbar? Und wenn ja, wie sah eine Architekturinszenierung zweiter Ord- dieses wohl aus? Und inwieweit wirkt sich nung handelt: Die erste erfolgte bereits im eine am Zeichentisch oder am Bildschirm Neolithikum mit der Anlage des Erdwerks entwickelte, ganz bestimmte Ästhetik auf selbst sowie mutmaßlichen im Rahmen einer den fachlichen Erkenntnisprozess aus? bewusst in Hanglage positionierten Graben- Das hier skizzierte Projekt kontrastiert in- führung des Annex‘. Die zweite entfaltet sich direkt den Duktus moderner Architekturvi- dann in der virtuellen Welt spezialisierter IT- sualisierungen. Es nähert sich so vor dieser Tools. Eine »Archaetektur«, wenn man so Folie gleichermaßen alten Baukörpern mit will. den technischen Mitteln und dem visuellen Ideenfilter moderner Architekturinszenie- Benedikt Knoche, Jens Broszeit, rungen an. Werner Pollak, Andreas Thiemann & Wilhelm Dräger Baukörper insbesondere repräsentativer Art sind nicht nur »Konstrukte, um sich darin Literatur einfach nur aufzuhalten«. Sie sind immer Cosack 2008 mit einer Funktion, Ideologie und einer da- Cosack, Erhard/unter Mitarbeit von Veroni- mit intendierten spezifischen Erlebnisqua- ca König (Hg.): Neue Forschungen zu den lität (Affekte) verbunden. Gerade kollektiv latènezeitlichen Befestigungsanlagen im verankerte Monumentalbauten wie jungneo- ehemaligen Regierungsbezirk Hannover, lithische Erdwerke, antike Tempel oder ka- Neumünster 2008 [Göttinger Schriften zur tholische Kathedralen sind im Rahmen dieser Vor- und Frühgeschichte, Bd. 31]. Trias (Funktion, Ideologie, Affektion) Refle- Heine 2000 xionen ihrer kulturellen und rituellen Matrix. Heine, Hans-Wilhelm: Die ur- und frühge- Sie werden damit architektonisch verdich- schichtlichen Burgwälle im Regierungsbezirk tete Memplexe. Es waren Orte maßgeblich Hannover, Hannover [Materialhefte zur Ur- einer sakralen Funktion, der sich moderne und Frühgeschichte Niedersachsens, Bd. A Architekten und Künstler in unserer säku- 28]. larisierten Welt nur noch selten gedanklich Knoche 2003 wie praktisch annähern können. Wie würden Knoche, Benedikt: Das jungsteinzeitliche heutige Architekten die soweit ablesbaren Erdwerk von Rimbeck bei Warburg, Kreis Funktionen des Konzepts »Erdwerk« mit Höxter, Münster 2003 [Frühe Burgen in modernen Baustoffen und aktuellen tech- Westfalen, Bd. 20]. nischen Mitteln im Sinne einer Architektur- Knoche 2008 studie modellieren? Wie würde heute wohl Knoche, Benedikt: Die Erdwerke von Soest ein »Erdwerk« als architektonisch konkreti- (Kr. Soest) und Nottuln-Uphoven (Kr. Coes- siertes Gedankenspiel unter den definierten feld). Studien zum Jungneolithikum in West- Parametern aussehen können? falen, Rahden/Westf. 2008 [Münstersche Beiträge zur Prähistorischen Archäologie, Man wird sich bei dieser Frage aber immer vor Augen halten müssen, dass es im Jung- neolithikum keine eigentliche »Architektur« als bewusste Planungen von (professionel- len) Spezialisten gab, also auch keine ve- ritablen »Architekten«. Es war vielmehr ein implizites und handlungslogisches Konstru- FAN-POST 2021 13
LUFTBILDARCHÄOLOGIE Luftbildschau 2021 Kurze Flugsaison mit sehenswerten Luftaufnahmen Auf das traditionelle Jahrestreffen im Nieder- 2 sächsischen Landesamt für Denkmalpflege mussten die FAN´s im Januar 2021 aufgrund der Pandemie verzichten. Stattdessen gibt es die „Archäologische Luftbildschau‟ in voller Länge im YouTube-Kanal des Denkmalatlas Niedersachsen (www.denkmalatlas.nieder- sachsen.de ). Ein herzlicher Dank an Susanne Brahms und Uli Merkel für diese filmische Präsentation! Fünf besonders schöne Fotos möchten wir Ihnen hier in Kürze präsentieren. Müsleringen Ein Foto des Erdwerkes Müsleringen zeigt die Verwerfungen des Oberbodens durch die Ausgrabungskampagnen 2011-2013 (Abb. 1). Trotzdem ist der Verlauf der Erdwerks- gräben noch gut zu erkennen, ebenso die Spuren der Grubenhäuser aus dem frühen und hohen Mittelalter. Bei der weißen Mar- kierung sehen wir sogar den Schnitt der FAN- Abb. 1: 1 Müsleringen FSt. 2, Gde. Stolzenau, Ldkr. Nienburg/Weser,. (Foto: H.-D. Freese am 25.06.2020). Abb. 2: Steyerberg FSt. 90, Gde. Steyerberg, Ldkr. Nienburg/Weser. (Foto: H.-D. Freese am 13.07.2020). Grabung 2009. „Minimalinvasiv‟ ist wohl die (Abb. 2). Diese Wohnform hat sich in Euro- beste Bezeichnung für diesen Schnitt, der pa schon früh weit verbreitet. Vielleicht war sehr viel grundlegende Erkenntnisse brachte einer der Gründe, dass das Vieh im Winter und auch viel Freude bei den Mitwirkenden. leichter erreichbar und kontrollierbar war. Die mit dem Vieh anfallende Arbeit konnte Steyerberg aufgrund der Lichtquelle des Herdfeuers auch Ganz in der Nähe des bekannten Altsachsen- abends erledigt werden, ohne das Haus ver- Friedhofes Liebenau sahen Rolf Meinking und lassen zu müssen. Und durch das Aufstallen Heinz-Dieter Freese das helle Rechteck eines immer größerer Viehbestände wurden die vorgeschichtlichen Hauses im Korn schim- Bauten immer länger. Das neu entdeckte mern. Es ist der Grundriss eines Wohnstall- Haus ist 27 m lang und 6 m breit und deutlich hauses, in dem der Bauer mit seiner Familie in mehrere Abschnitte gegliedert. Vermutlich und seinem Vieh unter einem Dach wohnte stammt es aus der Zeit der Altsachsen. Das 14 FAN-POST 2021
3 5 Wildeshausen Abb. 3: 4 Bei Wildeshausen, Ldkr. Oldenburg, entdeck- Kleinenheerse FSt. 14, te Pilot Rolf Meinking diese seltsamen hellen Gde. Raddestorf, Ldkr. Strukturen in einem Getreidefeld (Abb. 5). Nienburg/Weser. Während man bei den hellen Ringen durch- (Foto: H.-D. Freese am aus an Bombenkrater oder - in Wiesenflächen 25.06.2020). - auch an Hexenringe denken könnte, ist die Entstehung des hellen Ovals nur als gewollter Abb. 4: Bodeneingriff durch Menschen denkbar. Wer Wechold FSt. 12, Gde. genau hinschaut, sieht als Erweiterung die- Hilgermissen, Ldkr. ser Struktur sogar noch eine sehr lange und Nienburg/Weser. schmale Fortsetzung am Kopfende. Damit ist (Foto: H.-D. Freese am die Interpretation als eisenzeitlicher Friedhof 25.06.2020). am wahrscheinlichsten,- ein äußerst seltener Befund in Sichtweite des berühmten Pestru- Abb. 5: per Gräberfeldes. Wildeshausen FSt.911, Gde. Wildeshausen, Rückblick Ldkr. Oldenburg. Am 07. Oktober übergab der Verfasser dem (Foto: H.-D. Freese am hier gezeigte Foto wurde fünf Tage nach der Luftbildarchiv im NLD insgesamt 43 Fotos zu 07.07.2020). Entdeckung abends um 19:43 Uhr von Bernd archäologischen Fundstellen mitsamt Fund- Kunze, Martfeld, mit einer Drohne aufge- meldebögen. Das NLD erstattete im Gegen- nommen. Die tief stehende Sonne lässt die zug 680 Euro Spritkosten für vier Fotoflüge Konturen hell hervortreten. Links neben dem über den Landkreisen Verden, Nienburg, Haupthaus liegen zwei Grubenhäuser dicht Diepholz und Heidekreis. Damit ist die Kos- bei einander. ten-Nutzen-Bilanz für die ehrenamtliche ar- chäologische Flugprospektion wieder äußerst Kleinenheerse positiv. Wo sonst lässt sich mit 680 Euro eine Auf einer leichten Bodenwelle im Weser-Ur- derartige Menge an archäologisch bedeut- stromtal erhebt sich als positives Bewuchs- samen Informationen gewinnen? Größter merkmal sehr plastisch ein Kreisgraben von Nachteil: die Methode bleibt unberechenbar ca. 15 m Durchmesser, vermutlich der Rand aufgrund von Witterung, Bewuchs und Flug- eines ehemaligen Grabhügels (Abb. 3). verläufen. Im Sommer 2020 starteten wir erst am 25. Juni zu einem ersten Prospek- Wechold tionsflug. Zuvor gab es kaum Farbkontraste Bei Wechold im Ldkr. Nienburg zeigt sich ein in den Feldern, das Frühjahr war zu feucht. Ringgraben von etwa 160 Metern Durchmes- Und nur dieser erste Flugtag war gesegnet ser. An drei Stellen scheint der Grabenverlauf mit Abendsonne unter einem blauen Him- unterbrochen. Handelt es sich um Tore, bzw. mel. Alle weiteren Fotoflüge wurden durch Erdbrücken oder um moderne Veränderun- Wolkenbildung stark beeinträchtigt. Für ein gen durch Landwirtschaft (Abb. 4)? Für die schnelles Ende der Luftbildsaison sorgten die Interpretation als neolithisches Erdwerk er- Mähdrescher dann bereits Mitte Juli. scheinen sowohl die kleine Innenfläche als auch die Breite und der Verlauf der Gräben Heinz-Dieter Freese eher untypisch. FAN-POST 2021 15
LUFTBILDARCHÄOLOGIE Die Ehrenamtliche Auswertung der niedersächsischen LiDAR-Daten eine faszinierende Herausforderung 1 2 3 4 Abb. 1: LiDAR steht für die Abkürzung (Light De- den herunterkommen. Durch digitale Fil- Celtic Fields sind tection And Ranging, Airborne Laserscan- terverfahren lässt sich bestimmen, welcher kleine rechteckige Äcker ning). Diese Methode wird zur optischen Punkt möglicherweise einen Baum oder ein der Ur- und Frühge- Abstand- und Geschwindigkeitsmessung Gebüsch gemessen hat und welcher bis zum schichte zum Anbau von mittels Laserstrahlen eingesetzt. Das Prin- Boden gekommen ist. Für die Archäologie Getreidearten wie Ein- zip ist einfach. Von einem Messgerät wird ein Verfahren, mit dem Bodendenkmäler korn, Emmer und Dinkel. ein unsichtbarer Laserstrahl ausgesendet, in Wäldern entdeckt werden. Während an- (Foto: ADABweb, der reflektiert wird, worauf er trifft. Es wird dere Bundesländer bereits vor vielen Jah- DGM LGLN). die Zeit berechnet, die der Lichtimpuls bis ren mit der systematischen Befliegung der zu einem Objekt benötigt. Grundlage zur Landschaften begonnen haben, folgte die Abb. 2: Berechnung ist die Konstante der Lichtge- Befliegung in Niedersachsen in den Jahren Pingenfelder sind schwindigkeit. Von einem Flugzeug oder 2015 bis 2017 und die Daten werden durch nebeneinander gesetzte Hubschrauber wird die Landschaft streifen- das Landesamt für Geoinformation und Lan- kleine Schächte aus weise systematisch abgeflogen und mittels desvermessung Niedersachsen (LGLN) dem dem Bergbau, die LiDAR vermessen. Das einzigartige an dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmal- eingestürzt sind. Verfahren ist, dass die Messgeräte eine sehr pflege zur Verfügung gestellt (NLD). (Foto: ADABweb, hohe Anzahl von Laserstrahlen aussenden DGM LGLN) . und damit genügend Strahlen auch durch Bei den Daten handelt es sich um Laserscans einen Wald mit Blätterbewuchs bis zum Bo- der Bodenoberfläche in den Abmessungen 16 FAN-POST 2021
5 6 Abb. 4), die andere in Spornlage zwischen Abb. 3: Weser und Leine (Abb. 5 und Abb. 6). Bei Die Wallstrukturen allen drei Befunden zeichnet sich der Ver- reihen sich in Höhen- lauf von Wallstrukturen im LiDAR teilweise befestigungen der verwaschen ab und im Gelände sind diese, vorrömischen Eisen- bis auf wenige Ausnahmen, erosionsbedingt zeit an der Weser ein. kaum mit bloßem Auge erkennbar. Auch (Foto: ADABweb, DGM neuzeitliche Schanzen finden sich im Ergeb- LGLN). nis. Zwei im Zusammenhang mit den Befes- tigungsanlagen am „Klüt‟ bei Hameln, und Abb. 4: weitere zwei Schanzen im östlichen Bereich Der Wall im nördlichen 7 der Stadt. Die Existenz einer davon war be- Hangbereich zeichnet reits durch den Flurnamen „Morgenstern‟ sich deutlich im vorgegeben (Abb. 7). Doch bei Forschungen Gelände ab. von 1 x 1 km. Bei Niedersachsen handelt es in der Vergangenheit blieb sie im Gelände (Foto: R. Reimann). sich um über 50.000 Kacheln. In den Jahren unentdeckt, dass änderte sich im November 2018 und 2019 hatte ich die Gelegenheit das 2018 (Abb. 8). Die Lage der zweiten Schan- Abb. 5: NLD ehrenamtlich bei der Auswertung der ze überraschte mich. Statt im Schutz von In exponierter Hö- LiDAR-Daten zu unterstützen. In unzähligen dichtem Unterholz oder Bewuchs, liegt sie henlage zeichnen Stunden habe ich alle Kacheln gesichtet und halbseitig frei und innerhalb der Schanze sich verwaschene konnte über 3.500 Befunde registrieren. Um befindet sich eine Wiese mit einem Picknick- Wallstrukturen ab die systematisch vorgehen zu können, arbei- platz (Abb. 9 und 10). Die Wälle zeichnen wohl zu einer Befesti- tete ich mit zwei Rechnern und insgesamt sich recht deutlich im Gelände ab, und trotz- gungsanlage gehören. drei Bildschirmen. Ein Bildschirm stellte die dem blieb die Schanze bisher unentdeckt. (Foto: ADABweb, DGM Laserdaten zur Verfügung, am zweiten ori- LGLN). entierte ich mich mit einer topographischen Bei einigen bereits bekannten größeren Karte um eine Systematik der Auswertung Wallburgen entdeckte ich jeweils mit gerin- Abb. 6: zu gewährleisten, und mit dem dritten Bild- gem Abstand kleinere Wallformationen die Die Steinwälle zeich- schirm erfasste ich die GPS-Koordinaten in im Zusammenhang der Hauptanlage zu be- nen sich nur noch bis einer Tabelle. Übersicht der Bodendenkmä- trachten sind. Bei anderen isoliert befindli- etwa 20 cm Höhe ab ler in alphabetischer Reihenfolge: chen kleineren Wallanlagen ist die Funktion und ähneln einem auf den ersten Blick nicht zu erahnen. Ent- Steinweg. Ackerterrassen, Altwege (Hohlwege), Bie- weder sind es kleinere Befestigungsanlagen (Foto: R. Reimann). nenzäune, Celtic Fields (Abb. 1), Flachsrot- (Motte), oder einfach nur neuzeitliche Vieh- ten, Glasöfen, Grabhügel, Kalkbrennereien, gehege oder Bienenzäune. Bei einem sehr Abb. 7: Köhlerplatten von Kohlenmeilern, Landweh- großen Teil von Befunden handelt es sich Die neuzeitliche ren, Parzellengrenzen, Pingenfelder (Abb. um Köhlerstellen, insbesondere mit Schwer- Schanze war namens- 2), Schanzen, Viehgehege, Verhüttungsplät- punkt im Harz. Die Anzahl war so hoch, gebend für den Flurna- ze, Wallanlagen (Befestigungs-/Burgwälle, dass ein genaues Erfassen jedes Befundes men „Morgenstern‟. Grenzwälle, Ringwälle), Wölbäcker, Wurten. unmöglich erschien. Auch Wölbäcker sowie (Foto: ADABweb „DGM Grabhügel (Abb. 11 und 12) zählen zu der LGLN‟). Von den entdeckten Befunden sind drei, großen Masse von Befunden. Durch zahl- wohl prähistorische Befestigungsanlagen in reiche Bestandssichtungen an Grabhügeln exponierter Höhenlage hervorzuheben. Zwei hat sich im Laufe der Jahre ein geschultes in Wesernähe im Weserbergland (Abb. 3 und Auge für die Identifizierung von Grabhügeln FAN-POST 2021 17
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