Afrika-bulletin - Leymah Gbowee Dekha Ibrahim-Abdi
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afrika-bulletin Nummer 179 Sept./Okt. 2020 Fr. 7.– / Euro 7.– Ju l i e nne L use nge ee ah G b ow L ey m Frauen in Bewegung Dekha Ibrahim-Abdi Asha H aj i Elmi
Editorial Es wäre ein Leichtes und gewiss erbaulicher gewe- sen, dieses Bulletin mit Porträts von bedeutenden afri- kanischen Frauen zu füllen. Nun erfahren nur jene, die sich mit ihrem Einsatz für Frieden in ihren von Konflik- ten versehrten Gesellschaften einen Namen gemacht haben, eine Ehrung im Artikel von Rita Schäfer-Marx. Doch im Gefolge der weltweiten #MeToo-Bewegung ist auch im subsaharischen Afrika die Benachteiligung und der Missbrauch von Frauen und Mädchen durch zahl- reiche Frauenproteste ins Bewusstsein gebracht worden: Es ist Zeit, darüber zu sprechen. Das tut Sheila Meintjes in ihrem Artikel zu den Problemen in Südafrika, wo sich 2 Susy Greuter ist Sozial- die Übergriffe, Vergewaltigungen und auch Femizide anthropologin mit langjähriger gerade im städtischen Umfeld seit Jahren häufen – mit Afrikaerfahrung und Mitglied des Afrika-Komitees. Kontakt: bis zu 3000 Tötungen pro Jahr. Sicher waren in den susy.greuter@sunrise.ch. patrilinealen Ethnien die Frauen den Männern hintange- stellt, ja zu deren Verfügung. (Es gab aber auch viele ma- trilineare Völker mit bemerkenswerter Gleichstellung der Geschlechter und entsprechenden Spuren bis heu- te.) Jedoch haben erst die Kolonisation und die Missio- nierung durch die patriarchalen europäischen Gesell- schaften des ausgehenden 19. Jahrhunderts die männ- liche Dominanz auf der staatlichen Ebene und in den Werten institutionalisiert, was zumeist auch über die Unabhängigkeit hinaus beibehalten wurde. Die Belan- ge, Leistungen und Stimmen der Frauen blieben aus der Öffentlichkeit und der Verantwortung des Staates aus- geklammert. Alice Hertzog-Fraser zeigt, dass selbst in Impressum der westafrikanischen Küstenregion, wo Frauen tradi- tionell wichtige Funktionen in der Öffentlichkeit erfüll- ten, sie ihren Status heute nur mit Mühe behaupten. Im gleichen Kontext habe ich vor 50 Jahren erlebt, dass Ausgabe 179 | September/Oktober 2020 ein halbes Dorf zusammenlief und den Täter verprügel- ISSN 1661-5603 te, als sich ein junges Mädchen schreiend über den Über- Das «Afrika-Bulletin» erscheint vierteljährlich im 45. Jahrgang. griffsversuch eines Burschen beklagte! Der Machtzu- Herausgeber: Afrika-Komitee, Basel, und Zentrum für Afrikastudien Basel. wachs der Männer durch die patriarchale Doktrin der Redaktionskommission: Veit Arlt, Susy Greuter, Elísio Macamo, Barbara Müller und Hans-Ulrich Stauffer postkolonialen Gesellschaft manifestiert sich auch in einem ungehemmten Autoritätswahn von Polizei und Das Afrika-Komitee im Internet: www.afrikakomitee.ch Das Zentrum für Afrikastudien im Internet: www.zasb.unibas.ch Militär: Deren Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung sind Redaktionssekretariat: Beatrice Felber Rochat schon fast standardmässige Exzesse, die beispielswei- Afrika-Komitee: Postfach 1072, 4001 Basel, Schweiz se in Kenya bislang nicht geahndet wurden. Rosa Viso- Telefon: (+41) 61.692 51 88 | Fax: (+41) 61.269 80 50 lela Namises tritt in ihrem Beitrag begeistert für Ideen E-Mail Redaktionelles: afrikabulletin@afrikakomitee.ch E-Mail Abonnemente und Bestellungen: info@afrikakomitee.ch ein, wie diesen Traumata und der Entmutigung der Postcheck-Konto: IBAN CH26 0900 0000 4001 77543 Frauen begegnet werden könnte. Durch die Proteste Für Überweisungen aus dem Ausland: und ihr weltweites Echo sind aber auch einige Regie- in Euro: Postkonto, IBAN CH40 0900 0000 9139 8667 9 rungen eines Besseren belehrt worden: Südafrika, Sier- (Bic SwiftCode: POFICHBEXXX; Swiss Post, PostFinance, CH-3000 Bern) ra Leone und Ghana führten scharfe Gesetze und spe- Mitarbeitende dieser Ausgabe: Veit Arlt (Red.), Hans Fässler, Pius Frey, Elisa Fuchs, zielle Gerichte ein. Ob auf längere Sicht die Proteste Susy Greuter (Red.), Alice Hertzog, Caro van Leeuven, Sheila Meintjes, Barbara Müller (Red.), Rosa Visolela Namises, Marianne Pletscher, Rita Schäfer, Hans-Ulrich gegen die Verwilderung in der Anonymität der Städte Stauffer (Red.), Linda Stibler eine Wende bringen können? • Druck: Rumzeis-Druck, Basel Inserate: Gemäss Tarif 5/99, Beilagen auf Anfrage Ich wünsche eine solidarische Lektüre! Jahresabonnement: Fr. 40.–/Euro 40.– Unterstützungsabonnement: Fr. 50.–/Euro 50.– Susy Greuter Im Mitgliederbeitrag von Fr. 60.–/Euro 60.– ist das Abonnement enthalten. Redaktionsschluss Nummer 180: 30. September 2020 Schwerpunktthema: Covid-19 Schwerpunktthemen der nächsten Ausgaben: Klimawandel, Binnenmigration Interessierte an einer Mitarbeit sind eingeladen, mit der Redaktion Kontakt aufzunehmen. Unser Titelbild: Einige der «Frauen in Bewegung», die in diesem Heft vorgestellt werden: Dekha-Ibrahim-Abdi (Bild: Karl Gabor 2007), Asha Haji Elmi (Bild: Lindsay Mgbor, DFID 2013), Leymah Gbowee (Bild: Fronteiras do Pensamento, Salvador 2013) und Julienne Lusenge (Bild: Natalia Dolan 2019).
Afrikanische Friedensaktivistinnen Vorbilder für die heranwachsende Generation 2020 ist ein passendes Jahr, um frauen- und frie- sexuelle Sklaverei und die Rekrutierung von Kindersol- denspolitische Arbeit in Afrika zu bilanzieren, daten zur Verantwortung gezogen wurden. Gerechtig- keit für Frauen ist ihr Leitmotiv, deshalb arbeitet Frau Schwerpunktthema schreibt die Ethnologin Rita Schäfer und nimmt Lusenge auch an Bewusstseinsänderungen von Polizis- dabei auf die Frauendekade Bezug, die vor 35 Jah- ten sowie Verbesserungen der lokalen Strafjustiz im ren zu Ende ging und im Jahr 2000 in der UN-Re- Nordosten der DRC. solution zu Frauen, Sicherheit und Frieden mün- Internationale Auszeichnungen dete. Für die Beendigung des brutalen grenzübergreifen- den Krieges in Liberia und Sierra Leone setzten sich Frie- densstifterinnen um Leymah Gbowee ein, die Frauen al- 1985 fand die grosse Abschlusskonferenz der Welt- ler religiösen Gemeinschaften für öffentliche Friedens- frauendekade in Nairobi statt, ihr Motto lautete: Wo- aktionen organisierte. Sie forderten Warlords auf, die 3 men, Development and Peace (Frauen, Entwicklung Waffen niederzulegen. 2011 wurde Gbowee gemeinsam und Frieden). Veranstalterinnen und Teilnehmerinnen mit der damaligen liberianischen Präsidentin Ellen John- stellten klar: ohne Frieden keine Entwicklung, ohne son Sirleaf, die auf Versöhnung und Frauenrechte poch- Frauen kein Frieden. Diese weltweiten Forderungen be- te, mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Zur Vermeidung trafen afrikanische Länder ganz konkret. Zwar hatten erneuter Gewalteskalationen in der ressourcenreichen, etliche im Zuge der politischen Unabhängigkeitsbewe- aber von grossen sozio-ökonomischen Ungleichheiten gungen die Kolonialherrschaft überwunden – mancher- geprägten Region tragen Frühwarnsysteme bei, an de- orts durch Guerillakriege, an denen auch junge Kom- ren Erarbeitung Frauen wie Leymah Gbowee mitwirken. battantinnen mitwirkten. Doch in vielen Teilen des Kon- Auch in anderen Teilen des Kontinents verstehen tinents verursachten Bürgerkriege oder gewaltsame Friedensaktivistinnen ihr Engagement als kontinuierli- Konflikte weiterhin massive Existenznot, die vor allem chen Prozess. Im Norden Kenyas und im Süden Soma- Frauen als familiäre Versorgerinnen belastete. lias entwickelten Dekha Ibrahim Abdi und Asha Haji Elmi Amin innovative Formen der Konfliktbeilegung. 2007 Nairobi – Peking – Windhoek bzw. 2008 wurden sie mit dem Right Livelihood Award Deshalb forderten afrikanische Frauenorganisatio- (Alternativer Nobelpreis) ausgezeichnet. Indem sie bei nen eine friedenspolitische Agenda. Das unterstrichen öffentlichen Versammlungen sprachen und die Interes- sie auf der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995. In der sen der von Kriegen traumatisierten Frauen vertraten, dort verabschiedeten Aktionsplattform hat die Beendi- überschritten sie etablierte Geschlechtergrenzen und gung gewaltsamer Konflikte grossen Stellenwert. In den zweifelten männliche Machtansprüche in den hierarchi- Folgejahren erarbeiteten vor allem afrikanische Frie- sierten Clans an. Die Friedensbotschafterinnen schmie- densaktivistinnen die UN-Resolution 1325 zu Frauen, deten Allianzen mit aufgeschlossen Clan-Chefs und re- Sicherheit und Frieden. Sie trafen sich dazu in Windhoek, ligiösen Autoritäten. Mit viel Beharrlichkeit trugen sie wo sie bereits zur Vorbereitung der Weltfrauenkonfe- zum Überdenken martialischer Männlichkeitsvorstellun- renz getagt hatten. Zahlreiche afrikanische Regierungen gen in den patriarchalen Nomadengesellschaften bei formulierten anschliessend nationale Aktionspläne zur und zeigten Wege für eine integrierende Versöhnung Umsetzung der UN-Resolution 1325 in ihren Ländern. auf. Friedensaktivistinnen haben bis heute ein kritisches Alle hier vorgestellten Friedensaktivistinnen stehen Auge auf deren Verwirklichung und mahnen beharrlich exemplarisch für viele, weniger bekannte Engagierte. eine geschlechtergerechte Friedens- und Frauen-, bzw. Auch wirken sie als Vorbilder für junge Frauen, sich für Menschenrechtspolitik an. Wie mutige Frauen in den den Frieden und Frauen- bzw. Menschenrechte einzu- Postkonfliktländern Namibia, Kenya und Südafrika trotz setzen und daraus Stärke für das eigene Leben zu ge- Gewaltandrohungen dafür eintreten, davon berichten winnen.• Visola Rosalinda Namesis und Sheila Meintjes in diesem Heft. Alice Hertzog-Fraser zeigt, dass Handel und wirt- Die Publikation «She Stands for Peace» ist unter folgendem Link verfügbar: schaftliche Prosperität Frieden voraussetzt. https://au.int/en/documents/20200228/ she-stands-peace. «Aufstehen für den Frieden» So lautet das Motto einer Aktion der Afrikanischen Union (AU) zum 20-jährigen Jubiläum der UN-Resoluti- on 1325. Damit würdigt die AU das Friedenspotential von Frauen. Zudem setzt sie die Afrikanische Frauen- dekade 2010 bis 2020 mit einer weiteren Dekade bis 2030 fort. In einem breiten Konsultationsprozess wähl- te sie zwanzig herausragende Friedensaktivistinnen aus, die sie in der nun erschienenen Studie «She Stands for Peace» vorstellt. Zu Wort kommt beispielsweise die couragierte kongolesische Friedensaktivistin Julienne Lusenge, die sich dafür einsetzte, dass die Milizen- Rita Schäfer konzentriert sich als freiberufliche Ethnologin auf Gender-Themen und schreibt regelmässg für die Informations- chefs Thomas Lubanga Djilo und Germain Katanga vor portale: liportal.de/suedafrika, liportal.de/simbabwe und dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für africanclimatevoices.com. Kontakt: marx.schaefer@t-online.de.
Geschlechterspezifische Gewalt Eine Herausforderung für die Gleichstellung in Südafrika Sheila Meintjes sieht zwei Gründe für die extreme Häufung geschlechtsspezifischer Gewalt in Südafrika: eine endemische Gewaltkultur und die herrschende Ansicht, dass Gender-Gleichheit kulturelle männli- che Dominanz bedrohe. Weder die Grundrechte aller Bürger, die Frauen und LGTB-Personen einschlies- sen, noch die Gesetze zum Schutz der Frauen würden von der breiten Masse akzeptiert und respektiert. Meintjes erachtet die jetzigen Proteste und Kämpfe als notwendig, um die Demokratie in Südafrika weiter zu realisieren. Als in den 1990er Jahren das Apartheidregime unge- sen von Jacob Zuma (der zum Zeitpunkt des Gerichts- wöhnlich rasch zu Ende kam, hegte jedermann (und je- verfahrens stellvertretender Präsident Südafrikas war). 4 de Frau) Erwartungen, ja Träume, dass die Demokrati- Sie begegnete Zuma wie einem «Onkel». In der folgen- sierung Chancen für eine grundlegende Änderung ih- losen Verhandlung wurde eine Reihe von einschlägigen res Schicksals bieten würde. «Ein besseres Leben für Mythen genutzt und offenbar vom vorsitzenden Richter alle», die Vision für das neue Südafrika, knüpfte an eine gebilligt: Dass die junge Frau kein Geschrei erhoben archetypische Vorstellung an, die 1994 reaktiviert wur- hätte, als er sich ihr aufdrängte, dass ihre Kleidung pro- de: Der Begriff Ubuntu beinhaltet die positive Dynamik vokativ gewesen sei, habe eine sexuelle Einladung dar- von Beziehungen, in denen das individuelle Wohlerge- gestellt. hen an das Wohlergehen des Gegenübers gebunden Auch anderswo tauchte dieses Argument immer ist. Das gute Leben dreht sich um die Art und Weise, wie wieder auf, um Gewalt gegen Frauen in Südafrika zu ent- wir miteinander umgehen. Es bestand die Hoffnung auf schuldigen. Die Botschaft? Frauen sollten sich hüten, Verhältnisse, in denen die Menschen ein Gefühl des ge- sich in die Öffentlichkeit zu wagen. Nach dem Prozess genseitigen Respekts und der Verantwortung entwi- kam es zu vielen offenen und aktiven Demütigungen ckeln würden, gleichsam in Bürgerpflicht die Idee von von Frauen durch Männer, die eine tiefe Wut und Verach- Reziprozität in einer aktiven Bürgerschaft realisierend. tung gegenüber Frauen zeigten. Doch dies blieb von Beginn an ein Ideal. In den Jahren Am 20. Februar 2008 wurde eine 25-jährige Frau an seit dem Übergang zur Demokratie nahmen stattdessen einem Taxistand in der Innenstadt von Johannesburg die kriminellen Übergriffe zwischen Männern und die von einem Fahrer sexuell belästigt, weil sie einen Mini- Gewalt gegen Frauen zu. rock trug. Auch von anderen Taxifahrern wurde sie an- Gruppierungen, die gegen die Gewalt gegen Frau- gefallen, misshandelt und nackt ausgezogen. Sie muss- en, Kinder, Schwule und Lesben eintraten, drängten auf te ertragen, dass Männer ihre Geschlechtsteile berühr- eine Gesetzgebung und Politik, die angemessene Ant- ten und ihr Alkohol über den Kopf schütteten, begleitet worten auf die «Pandemie» der geschlechtsspezifischen vom Jubel und Hohn der umstehenden Frauen und Män- Gewalt geben würden. Die Forschung zeigte überra- ner, die sie beschimpften, weil sie sich «unafrikanisch» schend, wie sich solche Gewalt in der Öffentlichkeit aus- kleide und einen Affront gegen ihre Kultur und ihre breitete: Für verängstigte Schulmädchen, die von Leh- «Rasse» darstelle. Sie war gezwungen, halb nackt weg- rern und Burschen in der Schule angepeilt, für Frauen, zulaufen, in Panik, aber wütend. Warum trat niemand die wegen «unangemessener Kleidung» in Taxis ange- vor, um diese Frau vor ihrer öffentlichen Demütigung zu griffen, ebenso wie für Teenager, die auf der Strasse retten? Sicherlich billigte nicht jeder, der dieses Ereignis von Banden überfallen wurden, weil sie «Snobs» seien, verfolgte, das Geschehen, doch gerade diese Untätig- war der öffentliche Raum nicht weniger gefährlich als keit deutete auf eine Komplizenschaft hin. Die an- das Zuhause. Doch auch die Wohnungen waren kein schliessende öffentliche Diskussion nahm jedoch eine sicherer Ort für Kinder und Frauen: Eine Frau in Südaf- andere Richtung. rika zu sein bedeutet, ständig wachsam und ängstlich zu Provinzpolitiker verurteilten die Tat, Frauenorgani- sein. Auf die Nutzniessung ihrer Rechte als Staatsbürge- sationen verschickten E-Mails an ihre Wahlkreise, die rinnen hat das beträchtliche Auswirkungen. Gewalt ge- ANC-Frauenliga und die Kommission für Geschlechter- gen und insbesondere die Vergewaltigung von Frauen gleichstellung gaben Erklärungen ab, in denen sie Ge- sind Ausdruck der unterschwelligen Behauptung an- rechtigkeit forderten. Die Taxiverbände sahen sich ge- drozentrischer Macht und Kontrolle. Es geht darum, die zwungen, sich von den Handlungen der Taxifahrer zu Autonomie und Unabhängigkeit von Frauen einzu- distanzieren. Das für Sicherheitsfragen zuständige Exe- schränken. kutivratsmitglied der Provinz Gauteng forderte die Po- lizei auf, die für diese Straftat verantwortlichen Taxi- Normalisierung der Gewalt: fahrer zu verhaften. Öffentliche Angriffe auf Frauen Einige Tage später folgte eine öffentliche Protestak- Dem Spektakel des Gerichtsverfahrens im Zuma-Ver- tion, an der Tausende von Menschen teilnahmen. Sie gewaltigungsprozess folgte im März 2006 eine Gewalt- wurde vom Moderator einer beliebten Medien-Talkshow welle, die ein starker Indikator dafür war, wie Übergrif- ins Leben gerufen. Die Menschenmenge, zum grössten fe und Vergewaltigungen von Frauen als normative Be- Teil aus Frauen und einigen Männern bestehend, be- stätigung der sexuellen Rechte von Männern angese- gleitet von der Geschädigten, trat jauchzend und sin- hen wurden. Die Beschwerdeführerin war eine 33-jäh- gend, in Miniröcken den Taxifahrern entgegen. Sie san- rige Frau, eine selbsterklärte Lesbe, Tochter eines ehe- gen Lieder über ihre Rechte als Frauen und riefen ihre maligen Soldaten der uMkhonto we Sizwe und Genos- Forderungen nach Gerechtigkeit weit hörbar heraus.
Nun spalteten sich die Meinungen auf: Einige der be- fragten Männer und Frauen billigten weiter die Aktion, weil sie den jungen Frauen eine Lektion über angemes- senes Verhalten erteilt habe, andere vertraten die An- sicht, dass die Aktion einen Angriff auf die Rechte und die Würde der Frauen darstelle. Demokratie und Autonomie der Frauen: «Frauen können sich kleiden, wie sie wollen!» Die südafrikanische Gemeindearbeitergewerkschaft hingegen warf das Kernproblem auf: «Wenn Frauen sich ihre Kleidung nicht aussuchen können, nicht in der Lage sind, durch die Strassen die- ser Stadt zu gehen und nicht mit öffentlichen Verkehrs- mitteln fahren können, dann haben wir keine Demokra- tie. Die Männer, die diese abscheulichen, schweren Ver- brechen begangen haben, sollten sich für ihr Verhalten nicht nur schämen, sondern müssen vom Gesetz zur Re- chenschaft gezogen werden. Es muss ihnen klargemacht werden, dass in einer demokratischen Gesellschaft, auch Protest nach dem Femizid wenn sie sich im Übergang befindet und noch immer an Uyinene Mrwetyana in Kapstadt (Bild: Discott, unter dem Trauma der Apartheid leidet, eine gewalttä- Tradition auf der anderen Seite gegenüberstellte: Die Er- Wikimedia 2019). tige männliche Überlegenheit keine Grundlage haben eignisse wurden von den Beteiligten als Zusammenprall kann.» zwischen den demokratischen Normen der Geschlech- Trotz der Empörung und einer Reihe von gerechtfer- tergleichheit, der individuellen Freiheit und Autonomie tigten Verurteilungen waren Frauen nach diesen Ereig- mit dem Wunsch nach einer Rückkehr zu einem erfun- nissen keineswegs sicherer. Wenige Wochen später grif- denen patriarchalen, ethischen Kommunalismus inter- fen ein Taxifahrer und sein Kollege eine Frau an, die sich pretiert. In diesem hätten Frauen ihren Platz gekannt darüber beschwerte, dass ihr ZAR 100 an Wechselgeld und seien Übertretungen mit gewaltsamen gesellschaft- in kleinen Münzen gegeben wurde. Das Opfer berichte- lichen Sanktionen bestraft worden. te zwei Journalisten des Sowetan, dass der Taxifahrer Bekannte schwarze Intellektuelle kritisierten in Zei- ausrief: «Sie sind wie die so genannten freien Frauen, tungskolumnen und in öffentlichen Reden die eigennüt- die zu viel reden», und sie darauf ohrfeigte. zige Weise, in der Jacob Zuma und seine Anhänger die Idee der ethnischen Identität nutzten, um für ihn einzu- Eine erfundene Tradition stehen. Sie würden konservative Geschlechternormen Eine Vorstellung, die sich in den konservativen An- geltend machen, um räuberisches Sexualverhalten zu sichten sowohl der Täter als auch der Umstehenden wi- erklären und zu entschuldigen. derspiegelte, ist jene von kulturellen Normen und Wer- Die Tatsache, dass Erzählungen von einer legitimen ten aus einer Vergangenheit «in der Frauen bescheiden «traditionellen Kontrolle» über Frauen eine so stürmi- waren und taten, was ihnen gesagt wurde». Doch in sche Debatte auslösten, zeugt jedoch davon, dass traditionellen Gesellschaften kleideten sich in der Ver- Brauch und Tradition in Frage gestellt wurden. Das öf- gangenheit und bis mindestens Anfang der 1970er Jah- fentliche Engagement und der öffentliche Diskurs stell- re in ländlichen Gebieten Frauen und Männer oft spär- ten Modernität und Tradition nicht so sehr als entge- lich. Niemand nahm Anstoss daran, junge Frauen mit gengesetzte Pole dar, sondern brachten sie vielmehr in nackten Brüsten zu sehen oder eine bloss bescheidene ein kreatives Spannungsverhältnis. Wenn wir die Be- Bedeckung der Geschlechtsteile von Männern und Frau- ziehungen zwischen den Geschlechtern nicht in einem en. Niemand sagte, dass dies nicht üblich sei, und es solchen Rahmen neu aufstellen, wird Südafrikas De- gibt auch keinen Hinweis darauf, dass Männer damals mokratie eine Chimäre bleiben. • nicht in der Lage waren, ihre sexuellen Wünsche einzu- dämmen. Tatsächlich gab es klare und respektierte Gren- zen in Bezug auf das Verhalten, das Sexualität und se- xuelle Identität bestimmte. Die Bedeutung des Diskurses über Geschlecht, Demokratie und Staatsbürgerschaft Was bedeuten diese gewalttätigen Handlungen und Ansichten über Frauen? Widerspiegeln sie eine Gesell- schaft, deren bürgerliche Tugend zusammengebrochen ist? Was bedeuten diese Ereignisse für die Gleichstel- lung der Geschlechter und für die Demokratie in Süd- Sheila Meintjes ist Professorin für Politik und feministische Theorie an der University of the Witwatersrand in Johannesburg. Sie war von afrika? Der Diskurs war so angelegt, dass er Demokra- 2001 bis 2004 Mitglied der Kommission für Geschlechtergleichheit. tie und Geschlechtergleichheit auf der einen Seite und Kontakt: sheila.meintjes@wits.ac.za. Übersetzung: Susy Greuter.
Moderne Amazonen Alltägliche Kämpfe um das Recht auf die Stadt Auch im westafrikanischen Küstenbereich, der Verkauf von Essen oder Waren auf den Märkten, auf Bür- berühmt ist für starke Frauen, ist ein täglicher gersteigen und an Strassenecken aufschlugen. Die Kör- per dieser Frauen wurden zum sexistischen Schreckbild, Kampf für deren Rechte und Unversehrtheit nö- das in sozialen Netzwerken verbreitet wurde, die breiten tig geworden. Alice Hertzog-Frazer zeigt am Bei- Hinterseiten mit einem roten Kreuz markiert, um anzu- spiel von fünf Frauen, die sie im Verlauf ihrer For- zeigen, dass sie zu viel öffentlichen Raum besetzten. Die Räumungsaktion traf die Frauen hart, so dass sie in der schungen in Cotonou (Benin) kennen lernte, dass Folgezeit um die Versorgung ihrer Familien rangen. Vie- nicht die Übergriffigkeit der Männer und die Rück- le Händlerinnen sorgten sich, wie sie das Schulgeld für sichtslosigkeit der Verwaltung in Frage gestellt ihre Kinder bezahlen sollten. Ein paar Strassen von Thérèses Textilgeschäft ent- wird, sondern diese starken Frauen. fernt, hat Madame Christine einen kleinen Verkaufs- 6 stand auf dem Bürgersteig. Sie verkauft Getreidebrei, Zitronensaft und Ananassaft. Seit ihrer Kindheit arbei- Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts führten furcht- tet sie auf diesem Platz, davor war es der Handelsplatz lose weibliche Kriegerinnen die Armee des Königreichs ihrer Mutter. Früher hatte sie eine kleine Bude, aber jetzt, Danxomè (Dahomey) im heutigen Benin an. Dieses Eli- nach der Räumung, bleibt ihr nur ein kleiner Tisch, ein tekorps unerbittlicher weiblicher Kämpferinnen führte weisser Sonnenschirm und eine Kühlbox. «Der Regen Sklavenraubzüge an und kämpfte gegen die französi- fällt auf mich und die Sonne erschlägt mich», sagt sie. schen Kolonialmächte. In den über Generationen über- So werde ihre Anwesenheit von der Polizei toleriert, aber lieferten Liedern wird damit geprahlt, dass sie sogar wenn sie ihren Platz besser ausstaffieren und eine Pla- stärker als die männliche Bevölkerung waren. In Anleh- ne anbringen würde, würden die Ordnungshüter alles nung an die griechischen Kriegerinnen nannte sie die konfiszieren. Das muss jeden Tag neu ausgehandelt wer- französische Kolonialverwaltung Amazonen, und so den. Es gibt nur wenige Leute wie Thérèse, die bereit sind sie in die Alltagsmythologie eingegangen. Sie inspi- sind, sich für die Rechte der Kleinhändler einzusetzen. rierten auch die weibliche Militärgruppe im Box-Hit Black Panther 2018! Clotilde, die Gräfin – Heute müssen die Frauen, die in den Städten Benins internationale Geschäftsfrau arbeiten und leben, genauso stark und kämpferisch Während Thérèses Kämpfe politischer Natur sind, sein, wenn sie die zahlreichen Barrieren auf ihrem Weg wehrt sich Clotilde (oder Clotilde, die Gräfin, wie sie überwinden wollen. Sie müssen ihren Anspruch auf ei- sich selbst nennt) geschäftlich und verhandelt mit chi- ne städtische Lebensweise ständig verteidigen, denn nesischen Grosshändlern über Preise. In der gleichen ihr Recht darauf wird in Frage gestellt. In einem Bericht Nachbarschaft wie Thérèse angesiedelt, gehört sie zu der französischen Kolonialverwaltung aus dem Jahr den wenigen Beniner Frauen, die einen eigenen Laden 1953 stellt der Autor fest, dass städtische Frauen von besitzen. Clotilde handelt mit Wachsdruck-Stoffen. Ein- Männern als übermütig, nicht unterwürfig genug, als mal im Jahr reist sie nach China, um direkt mit Herstel- ehrgeizig und unerträglich angesehen würden. Männer lern und Vertrieben zu verhandeln. würden lieber Frauen vom Lande heiraten als die «ent- In Cotonou wie auch in Lomé haben Händler wie tribalisierten» Frauen, die sich an die Stadt gewöhnt Clotilde und Thérèse die berühmten «Nana Benz» er- hätten und ihre Tage faulenzend zubrächten. Die Plage setzt, die in den 1980er und 1990er Jahren ihr Vermö- der neuen afrikanischen Städte, berichtete der Autor, gen mit der Vermarktung dieser bedruckten Stoffe aus seien freie Frauen ohne Ehemänner. Holland machten. Diese mächtigen (und kräftig gebau- Die Zeiten mögen sich geändert haben, aber die ten) Frauen in ihren glänzenden Mercedes Limousinen Frauen in der Stadt sind immer noch mit Hindernissen machten den Markt von Lomé zum subregionalen Zen- und Angriffen konfrontiert. Hier stellen wir einige mo- trum des Tuchhandels in Afrika. Doch heute gibt es Kon- derne städtische Amazonen vor, die um ihren Lebens- kurrenz und Imitationen. Clotilde hat sich einen Platz unterhalt, ihren Platz und ihr Recht auf Stadt kämpfen. innerhalb der globalisierten Handelsnetze erobert. Die Gräfin steht in ihrem Laden, inmitten eines Kö- Thérèse Waounwa – nigreichs von «Pagnes», Stoffen mit imitierten klassi- militante Organisatorin der Gemeinschaft schen Vlisco-Drucken oder, der neuesten Mode entspre- Thérèse Waounwa trägt mehrere Hüte – sie ist Tex- chend, in knalligen Farben. Sie geht Muster durch, die tilhändlerin, eingefleischte Aktivistin, Präsidentin von sie gerade aus China erhalten hat: «Zuerst schicken sie Benins Marktverband, Menschenrechtsverteidigerin und mir Fotos über WhatsApp, dann Materialmuster. Denn Vertreterin des Forums für beninische Arbeiter. Der bei den Farben auf diesen Fotos kann man sich nie si- Name Waounwa bedeutet «Ungerechtigkeit hassen». In cher sein. Dann bestellst du wiederum über WhatsApp ihrer Studienzeit half sie mit, eine Militärdiktatur zu stür- und in zwei Monaten kommt die Ware im Hafen an». zen. Viele Jahre später erhob sie eine der wenigen Stim- Die Globalisierung hat für innovative Frauen neue Han- men, die sich gegen die in den Jahren 2017 und 2019 delswege eröffnet und damit die Möglichkeit für Tau- durchgeführten Vertreibungen aus den Städten richte- sende afrikanischer Männer und Frauen, gefälschte Vlis- ten. co-Muster zu niedrigeren Preisen zu tragen. Heute zir- Diese Vertreibungen schadeten vor allem den «bon- kulieren Tausende von Tonnen Stoff zwischen China und nes dames», den Händlerinnen, die ihr Geschäft mit dem Afrika.
Chantal – die togolesische Kellnerin greifen. All dies löste jedoch vehemente Gegenreaktio- arbeitet die ganze Nacht nen aus, und den Leidtragendenden wurde die Schuld Nicht alle Frauen, die ihren Lebensunterhalt in der zugeschoben: «Diese Frauen sind oft dieselben, die ih- Stadt erstreiten müssen, haben die Chancen einer Clo- ren Körper benutzt haben, um die Arbeitsplätze zu be- tilde. Die Städte stützen sich auch auf billige Arbeit von kommen». «Wir müssen alle aufklären und dafür sor- Migrantinnen aus Togo ab, junge Frauen, die in den Bars, gen, dass Frauen sich anständig kleiden, um zur Arbeit als Hausmädchen oder als Kindermädchen tätig sind. zu gehen», oder «Bösartige, zynische Frauen nutzen Chantal, eine alleinerziehende Mutter in ihren Dreissi- sexuelle Belästigung, um alte Rechnungen zu beglei- gern, kam auf der Suche nach Arbeit nach Benin. Wie chen». Wieder andere bejubelten die Journalistinnen viele togolesische Migrantinnen endete sie als Kellnerin als «Amazonen», die es gewagt hatten, die Büchse der in einer Bar und arbeitet bis zu siebzehn Stunden am Pandora zu öffnen. Tag. Jeden Morgen steht sie auf, um die Bar zu putzen, bevor sie diese um zehn Uhr öffnet und bis spät in die Nacht versorgt. Chantal verdient 30 Franken im Monat, ihr Arbeits- vertrag ist informell, sie ist nicht bei der Einwande- rungsbehörde gemeldet. Ihr Chef hat keine Skrupel, ihr so wenig zu zahlen – es ist nur die Hälfte des Mindest- lohns – und geht davon aus, dass sie ihr Einkommen verdreifachen kann, wenn sie Trinkgelder annimmt und den Kunden sexuelle Gefälligkeiten bietet. Viele einhei- mische Beniner halten togolesische Kellnerinnen für Sex- arbeiterinnen. Im Gegenzug verbergen die Kellnerinnen die Art ihrer Arbeit vor der Familie zu Hause, um sich ei- ner Verurteilung zu entziehen. Es wird erwartet, dass die Kellnerinnen freizügige Kleidung tragen, und sie sind sexueller Belästigung und geschlechtsspezifischer Ge- walt sowohl seitens der Kunden als auch seitens ihrer Arbeitgeber ausgesetzt. Fern von zu Hause und unangemeldet haben togo- lesische Kellnerinnen wie Chantal wenig Gewicht. Eini- ge nehmen jedoch an Workshops der Gewerkschaften teil. Sie nutzen ihre sonntägliche Freizeit, um Rechtsse- minaren mit einem Anwalt beizuwohnen und sich über angemessenen Lohn, ein sicheres Arbeitsumfeld und formelle Verträge zu informieren. Mit ihrem neu erwor- benen Wissen konnten einige gegen alle Widerstände den Kampf für menschenwürdigere Arbeitsbedingun- Evelyne Trenou und Adoko gen aufnehmen und erfolgreich mit ihren Arbeitgebern Kulen Akpabie, Cotonou. Zusammen mit ihren verhandeln. Der Hashtag #MeToo war in diesem Zusammen- Müttern gehörten sie in hang auch ein #UsToo – denn diese modernen Amazo- den 1970er und 1980er Jahren zu den sogenannten Angela Kpeidja – nen schlossen sich einer globalen Bewegung an. Thérè- Nana Benz – Tuchhänd- die Journalistin, die #MeToo sagte se, Madame Christine, Clotilde, Chantal, Angela und lerinnen, die so erfolgreich Viele der in der Stadt arbeitenden Frauen erfahren Priscile sind die Amazonen der heutigen Zeit, die für ihr waren, dass sie sich im Mercedes chauffieren täglich sexuelle Belästigung. Ob an der Universität, in Recht auf eine würdige Existenz kämpfen. Die Frauen liessen (Bild: Stephan der öffentlichen Verwaltung oder in Krankenhäusern: von Cotonou betreiben Handel auf der Strasse oder Gladieu, Weltbank, 2015). Wer sich Zugang zu solch offiziellen Räumen schafft, international, sie arbeiten in den Bars oder berichten in muss unerwünschte Avancen abwehren können. Wäh- den Tagesnachrichten. Doch ihr Recht dazu wird stän- rend #MeToo auf der ganzen Welt Widerhall fand, blieb dig in Frage gestellt, von den alltäglichen Gefährdun- die Reaktion in Westafrika gedämpft, teilweise wegen gen des Lebens in einer westafrikanischen Stadt ganz des strengen Tabus, das sexuelle Belästigung umgibt. zu schweigen. • Dies blieb so, bis Angela Kpeidja, eine beim nationalen Fernsehsender tätige Journalistin, am 1. Mai 2020 eine Meldung auf ihrem Facebook-Konto veröffentlichte. Den gängigen Missbrauch an Journalistinnen benennend, do- kumentierte sie das System geschlechtsspezifischer Ge- walt in ihrem Beruf. Ihre Botschaft löste eine nationale Debatte aus; eine andere Journalistin, Pricile Kpogbeme, deklarierte Alice Hertzog promoviert an der ETH Zürich, ihre Forschung konzentriert sich auf Migration und Urbanisierung entlang des sich gleichlautend. Selbst der Präsident mischte sich in Korridors Lagos-Abidjan. Kontakt: hertzog@usys.ethz.ch. die Diskussion ein und versprach, Massnahmen zu er- Übersetzung: Susy Greuter.
Rosa Visolela Namises Vision einer feministischen Republik Rosa Visolela Namises dürfte Manchen durch einen Film von Marianne Pletscher aus dem Jahr 1991 be- kannt sein, in dem diese das prominente SWAPO-Mitglied portraitierte. Im vergangenen Winter liess Pletscher dem Film vier Berichte bei Journal21 von einem erneuten Zusammentreffen und einer gemein- samen, mehrwöchigen Reise durch Namibia folgen. Sie zeigen, wie sehr Rosa Namises inzwischen zur Anführerin von Namibias Frauen geworden ist. Rosa stellte uns ihren Bericht über eine Frauenkonferenz im letzten Jahr zu Verfügung. Einleitung und Zwischentexte verfasste Susy Greuter. Das junge Nambia – unabhängig erst seit 1991 – hat Zeugin und Vorkämpferin wahrscheinlich die frauenfreundlichste Verfassung Af- Rosalinda Visolela Namises wuchs in dieser gespal- 8 rikas. Die meisten der Verfassungsartikel sind inzwi- tenen Welt auf, doch ihr fortschrittlicher Vater erlaubte schen in entsprechende Gesetze und Verordnungen um- ihr, Selbstbehauptung und Widerständigkeit zu entwi- gesetzt, die auch die Gesetze der traditionellen Gesell- ckeln. Das eckte an und bescherte ihr eine Reihe ein- schaften eingrenzen und im Konfliktfall ausser Kraft schneidender Erfahrungen: Wegen Teilnahme an Pro- setzen. Es sind aber weniger tradierte Regeln für Heirat, testen wurde sie von der Schule gewiesen, ihre Lieb- Brautpreis, Landbesitz und Kinderzugehörigkeit, die schaft mit einem Weissen brachte sie ins Gefängnis und heute die Frauen vielfach im zweiten Rang halten, als die aufgrund ihrer späteren Mitgliedschaft bei der Befrei- hundertjährige Geschichte der Kolonisation und Bevor- ungsbewegung SWAPO wurde sie mehrmals verhaftet mundung. Die deutsche Kolonisierung begann 1884 und auch gefoltert. Weil sie mit dem Vater ihrer Kinder und zeichnete sich durch unglaubliche Härte aus. Vor zusammenlebte, ohne sich den geltenden Ehegeset- allem die Ethnien der Herero, Nama und Damara im Zen- zen zu beugen, verlor sie zwischenzeitlich sogar ihren tralgebiet wurden gewaltsam dezimiert und von ihrem Job als Sozialarbeiterin – aber all das bestärkte sie nur Land vertrieben, das deutschen Siedlern überlassen wur- in ihrem Einstehen für die Rechte der Schwarzen und de. Die Verbleibenden wurden einem harten Regime die verlorenen Rechte der Frauen. als rechtlose Farmarbeiter und Dienstboten unterwor- Nach negativen Erfahrungen zog sie – wie schon da- fen. Gleichzeitig setzte eine intensive Missionierung mals eine Mehrheit der Frauen im Land – ihre Kinder ein, die die Untertanen weiter in die ihnen zugeschrie- allein auf. Das war ursprünglich auch eine Folge der Die namibische Aktivistin benen Rollen in der Kolonialgesellschaft einpasste. Das erzwungenen Wanderarbeit und des Untertauchens der Rosa Visolela Namises ist wahrlich eine bewegte verdoppelte die Unterordnung der Frauen, die nun auch SWAPO-Kämpfer. Die häusliche Gewalt und Vernach- Frau und arbeitet mit in der Ehe entmündigt wurden, ihre gesellschaftlichen lässigung der Familie, die der Alkoholmissbrauch der Begeisterung an der und produktiven Rollen verloren und auf ein Dienst- Männer mit sich brachte, hält aber an. Diese dem Ver- Umsetzung der feminis- tischen Republik (Bild: mädchenprofil reduziert wurden. lust der Gemeinschaftsstrukturen und der unsicheren Marianne Pletscher 2019). Existenz (Arbeitslosigkeit!) zugeschriebene Verrohung hat seit der Unabhängigkeit kaum abgenommen: fast die Hälfte der zivilrechtlichen Fälle betreffen heute Ver- gewaltigungen und Kindsmissbrauch. Die Rechte der Frauen und der Kinder, die Menschenrechte generell, sind deshalb noch immer Hauptanliegen von Rosa Na- mises, die inzwischen Direktorin der NGO Women Soli- darity ist. Unermüdlich Dazu kam es jedoch erst über einen langen Weg: Die einstige Powerfrau der SWAPO setzte sich schon 1990 von dieser Partei ab, als sie von deren Grausamkeit und Machtmissbrauch erfuhr. Sie studierte im Ausland So- zial- und Genderwissenschaften, um nach ihrer Heim- kehr an der Gründung einer neuen Partei mitzuhalten, für welche sie neun Jahre im Parlament wirkte (und ei- nige alte Hürden für Frauen ausmerzen half). Doch Namises lehnte die Machtspiele in der Parteipolitik ve- hement ab und wandte sich wieder praktischen Projek- ten und direkten Anliegen zu. Schon seit Langem be- treibt sie ein Heim für vernachlässigte Kinder. Als de- mokratisch gewähltes, spirituelles Oberhaupt einer Da- mara-Gemeinschaft setzt sie sich für die Wiederbele- Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Südafrika das bung von Traditionen ein und war lange Teil einer Bewe- damalige Südwestafrika im Mandat des Völkerbunds gung von Landlosen und durch Enteignungen Bedroh- und setzte dieser auch kulturellen Unterwerfung mit ter. Ihre Bedeutung als Sprecherin der Frauen, die ta- der Einführung des römisch-holländischen Rechts und buisierten Themen wie Abtreibung und Homosexuali- des Apartheidsystems die Krone auf. tät nationales Gehör verschafft, wird durch ihre wö- chentliche Radiosendung unterstrichen.
Mit ihrer beeindruckenden Persönlichkeit hat Rosa «Es wird ein Ort für Frauen sein, wo sie in Selbstver- Namises die Aufmerksamkeit vieler internationaler Netz- waltung sich selbst sein und sich zur Ganzheitlichkeit werke auf sich gezogen. Mehrmals jährlich wird sie zu entwickeln werden. Viele Anleitungen zum Wohlbefinden Schwerpunktthema Konferenzen gerufen, wie der Plattform der African Wo- von Frauen beschränken sich auf die geistige Gesund- men Human Rights Defenders (WHRD), die Ende 2019 heit sowie auf den Umgang mit psychischen Symptomen. in Nairobi stattfand. Diese wird durch das internationa- Stattdessen gilt es, die tieferen Gründe emotioneller, le feministische Netzwerk Urgent Action Fund (UAF) mentaler und spiritueller Not anzugehen. Das verbreite- finanziert. Rosa Namises hat dem Afrika-Bulletin ihre te Gerede von Burnout, Krankheit und gegenseitigen Ver- Eindrücke von dieser Konferenz überlassen, in denen letzungen werden wir aufgeben, um Räume für kollekti- ihr spirituell begründeter Ruf nach Heilung und Veran- ve Sorgeleistungen und Selbstsorge zu schaffen, Räume, kerung in der Gemeinschaft Ausdruck findet: um uns zu heilen und zu lernen.» In der Konferenz wurde ein Plan entwickelt, wie der Ein neues Unterfangen afrikanische Feminismus zusammenwachsen und Gleich- 9 Rosa: «Urgent Action Fund ist ein grossartiges, von berechtigung einfordern kann. Frauen geleitetes Netzwerk, welches eine dringend be- «Unsere unmittelbar nächsten Schritte zu einer femi- nötigte Finanzierung für Frauentreffen und -organisa- nistischen Republik zu Beginn der neuen Dekade sind fol- tionen bereitstellt. Die Organisation beschloss, eine Platt- gende: form für die Anwältinnen frauenspezifischer Menschen- • Die Plattform wird Kenntnisse über Arbeits- rechte zu begründen, nachdem sie sich vertieft über ge- gebiete schaffen, wo Vorbilder feministischen waltsame politische Unterdrückung, Überwachung, An- Denkens fehlen. griffe und Drohungen gegen Women Human Rights De- • Die Forschung wird wichtige Wissenslücken schlies- fenders (WHRD) informiert hatte. Auch der von Politikern sen und wird damit der Plattform erlauben, weiter geäusserte Bedarf einer ‹Schliessung des zivilgesell- zu lernen, welche feministischen Heilungspraktiken schaftlichen Raumes› liess es nötig erscheinen, die sie fördern kann. WHRD zu unterstützen. Eine Studie untersuchte, welche • Über ihre Mitglieder erhält die Plattform aktuelle Sicherungsnetze für afrikanische WHRD existieren und Informationen von der Situation der WHRDs sowie wo sich Lücken auftun: Da ist das Problem der politi- über geeignete Unterstützung. schen Vergeltung, die selbst jene trifft, die internationa- Über die Plattform wird eine von Frauen geführte Ge- len Schutz suchen, sowie der erhöhten Gefahr, der ihre sundheitsfarm eingerichtet, die den WHRDs als Erho- Gemeinschaft ausgesetzt ist.» lungsort dient und den sie nützen können, um mit der Aus diesen Erkenntnissen ist die Idee zur Gründung Natur in Kontakt zu kommen. Hier können sie sich tref- eines geschützten Raumes entstanden, der gleichzei- fen und über den ganzen Kontinent zueinander in Be- tig Refugium und Zentrum der Aktivistinnen sein könn- ziehung treten. te. Ähnliche Fluchtorte vor dem Zugriff der kolonialen Sie brauchen auch eine sichere und online zugäng- Polizei hatte es in einzelnen Ländern während den Un- liche virtuelle Botschaft. Hier werden sie ihre Erfahrun- abhängigkeitskämpfen auch auf entlegenen Farmen ge- gen, Ideen und Begriffe teilen, die für die Stärkung unse- geben! Erwartungsvoll wurde diese Vision «feministi- ren unterschiedlichen Aktionen nützlich sind. sche Republik» benannt. UAF-Afrika wird das Stipendienwesen von derzeit 200 Rosa: «Obwohl ich neu zu der Plattform geladen war, auf 400 Zuschüsse ausweiten, um afrikanische WHRDs stürzte ich mich auf die Einladung, als ich von der Idee zu unterstützen. Dies schliesst die Finanzierung von spe- der feministischen Republik hörte . . . Ich habe zahlreiche zialisierten feministischen Sicherungsinstrumenten ein. Wünsche für die Zukunft der Frauen und sah meine ei- Diese müssen auf einem Schutz basieren, der nicht nur gene Vision gespiegelt (. . .). Unterstützung für das physische und seelische Wohler- Ich durfte an einer grossartigen Erfahrung teilha- gehen umfasst, sondern auch kollektive Sicherheit und ben, wo die Frauen ihren Willen aussprachen, sich einen gegenseitige Sorgeleistung. Aktivistinnen, Familien, Or- innovativen, authentischen, wagemutigen und liebevol- ganisationen und Gemeinschaften brauchen dies, um len Raum zu schaffen. Wir vereinbarten, einen Raum zu ihr Leben und die längerfristige Mobilisierung aufrecht kreieren, der transformativ wirkt und einen politischen zu erhalten.» Rahmen bietet, der die gegenwärtigen Realitäten eben- Rosa Visolela Namises lässt ihren Bericht in einen Marianne Pletscher ist Doku- mentarfilmerin, Schrift- so in den Blick nimmt wie ‹Herstory›, die Geschichte der Aufruf an alle Feministinnen münden: stellerin und Dozentin im Weiblichkeit.» «Während die feministische Republik wächst und sich Bereich Dokumentarfilm. ausformuliert, möchten wir alle ermutigen, Empfehlun- Kontakt: info@mariannepletscher.ch. Ermächtigung gen für potentielle Ansprechpersonen mit uns zu teilen. Die Webseite des Urgent Rosa Namises priorisiert das Bedürfnis, Selbstgefühl Macht uns Wege der Selbstbewahrung und der Gemein- Action Fund bietet weitere und Selbstwert zu entwickeln, da sie die äusseren und schaftspflege bekannt, ebenso wie Ansätze zu einer hei- Informationen über die Feministische Republik: inneren Barrieren und Fallen kennt, die zur Entmuti- lenden Rechtsprechung. Inspirierende Zeugnisse von fe- www.uaf-africa.org/ gung von Frauen führen. Nach hundertjähriger Entwer- ministischen Aktivistinnen und Lernstrecken werden von journey-towards-the- feminist-republik/. tung nicht nur der materiellen, sondern auch der sozia- Nutzen sein, um die feministische Republik kollektiv in Die Reiseberichte und der len und spirituellen Kultur sind sie nun der verstärkten Angriff zu nehmen. Dies ist eine Reise, die uns viele Film «Zwei Frauen» sind auf patriarchalen Dominanz in den hybriden nachkolonia- Schritte abverlangen wird. Die Schritte, die wir zusammen der Webseite von Marianne Pletscher zugänglich: len Machtordnungen unterworfen. Bei der Ermächti- unternehmen, machen diese Reise machbar und umso www.mariannepletscher.ch. gung der Frauen durch neue Kompetenzen, ist Heilung begeisternder.»• Übersetzung: Susy Greuter. ein wiederkehrendes Stichwort. Rosa sieht das Mittel dazu in der autonomen Gemeinschaft.
Afrika in Kürze Coronavirus Fehlende Infrastruktur und Zahlen Wirtschaftliche Einbussen Kalter Krieg um Gönner-Status Ein paar Monate lang schien und Massnahmen Manche Journalisten bezweifeln, möglich, dass das subsaharische Afrika Wohl am schwersten betroffen dass der Wettbewerb zwischen China besser über die Pandemie hinweg- von der Pandemie in Afrika ist der und den USA bezüglich der Pandemie- kommen werde als Südeuropa und Tourismus. Noch im Jahr 2019, als 67 Hilfen an Afrika mehr als rhetorischer Lateinamerika, doch seit Mai steigen Millionen Touristen gezählt wurden, Natur sein wird. Die vom USA-Aussen- die Zahlen z.B. in Südafrika exponen- bot dieser Sektor 20 Millionen Arbeits- minister Pompeo mit «niemals hat eine tiell. Trotzdem wurden fast überall plätze. Nun erwartet zum Beispiel die Nation mehr getan» kommentierte 10 die Isolations-Massnahmen Ende Mai Sunbird-Agentur in Malawi, wo auch Extrahilfe für das afrikanische Gesund- ausgesetzt, weil die informell be- viele Südafrikaner die Ferien verbrin- heitswesen in der Höhe von 170 schäftigte Bevölkerung inzwischen gen, lediglich 15 Prozent der früheren Millionen USD wurde schon durch die hungerte. Möglich ist aber auch, Gästezahlen und über den ganzen Gabe eines einzelnen chinesischen dass Südafrikas Fall nur an erster Stelle Kontinent wird mit 40 Prozent weniger Milliardärs egalisiert. Auch ist unbe- steht, weil dort ein relativ solides Buchungen gerechnet. Die AU schätzt stritten, dass die Lieferungen von Gesundheitswesen ausgiebig testete die Verluste der Monate März bis Mai medizinischen Hilfsgütern aus China in und den Überblick behielt. Dabei auf 50 Milliarden USD an. Investitionen die Tausende von Tonnen gingen. stehen auch diesem Land mit seinen in Hotels, aber auch in andere Sektoren Allerdings muss auch erwähnt werden, fast 60 Millionen Einwohnern lediglich sind stark geschrumpft und trotz dass die Vereinigten Staaten schon zu 1000 Betten in Intensivstationen zur massiver Zinssenkungen wurde nur ein Zeiten der Präsidentschaft von George Verfügung, Malawi mit seinen 17 Drittel der angebotenen Kredite Bush Junior zur Aids-Eindämmung Millionen Einwohnern verfügt lediglich beansprucht. Ausländische Investitio- stark in das afrikanische Gesundheits- über 25. Von einigen anderen Staaten nen werden wesen investierten. (Nigeria, Somalia, Tanzania) wurde um mindestens 15 Prozent abnehmen. Bedenklicher als diese erbärmliche lediglich bekannt, dass sich in man- Für die Geschäftstätigkeit aller Sekto- Plattform für Rivalität im neuen chen Regionen die Todesfälle mehr- ren wird ein Rückgang von 2,2 bis Kalten Krieg erschien dem BBC-Korres- ten, ohne Angaben von Gründen für 5,2 Prozent erwartet. pondenten Harding allerdings die diese sogenannte «Übersterblichkeit». Last but not least muss mit einem Begleitpropaganda Chinas, welche im Die englische Medizinfachszeitchrift erheblichen Schwund an Rimessen gleichen Zug mit der lauten Propagie- The Lancet sieht eine Mindest-Test- gerechnet werden, die im vergangenen rung der eigenen Taten die afrikani- Quote von einem Prozent der Bevölke- Jahr rund 49 Milliarden betrugen und schen Nationen auffordert, den Pfad rung als unumgänglich für die Plan- Familien, Müttern und Kindern über die der Multi-Parteien-Demokratie zu barkeit von Massnahmen und konsta- Runden halfen. Das Nationaleinkom- verlassen, der nur Ungleichheit, tiert gleichzeitig, dass bis Mitte Mai men von Gambia, Zimbabwe und ethnische und religiöse Spaltung und Uganda etwa 5-mal weniger, Äthiopien Liberia beruht bis zu einem Viertel auf Gewalt bringe, während die «neue 20-mal, Nigeria 60-mal und die DRC diesen Rimessen. Seidenstrasse» die Erholung des 200-mal weniger Tests als diese Mini- Andererseits legen wirtschaftlich Kontinents von Jahrhunderten der malquote durchführen konnten. relativ stabile Staaten wie Südafrika, Sklaverei, des Kolonialismus und Es wird noch lange dauern, bis eine Nigeria, und Kenya grosse Hilfspakete neo-kolonialer Beherrschung sowie Übersicht über das Geschehen bezüg- für soziale und wirtschaftliche Ab- Covid-19 bringen werde. • lich Covid-19 im subsaharischen federung auf – wodurch allerdings die Afrika möglich wird. • Staatsschulden weiter steigen. In wirtschaftlich schwachen Ländern sind wenig Ressourcen vorhanden, um all die Ausfälle zu mildern. Ausser einem halbjährlichen Zinsverzicht für 19 afrikanische Nationen werden IWF und Weltbank global 64 Milliarden nur für die Ausbalancierung der Pandemie- Folgen bereitstellen. In der Folge wies der äthiopische Präsident darauf hin, dass allein Afrika 150 Milliarden benötige. •
Zimbabwe Mozambique AKP-Staaten Afrika in Kürze Korruption und Repression Rohstoff-Fund via Schulden Europäisches Abkommen Schon vor dem Lockdown war im Vorneherein anderweitig mit den AKP-Staaten die Versorgungslage der Bevölkerung annektiert? Zur Erinnerung: AKP steht für in Zimbabwe schwierig. Jetzt ist Das mosambikanische Verfassungs- Afrika, Karibik und Pazifische Staaten – langsam der Punkt erreicht, wo es gericht hat erneut die Illegitimität was im Wesentlichen die früheren keinen Spielraum mehr gibt. Covid-19 der seit 2016 aufgedeckten geheimen Kolonien der europäischen Kolonial- hat diese Gemengelage weiter ver- Milliardenkredite von Credit Suisse (CS) mächte umfasst. Das jetzige 20jährige schärft. Neu rückt die Korruption und und der russischen VKB bestätigt Abkommen läuft Ende dieses Jahres 11 Plünderung des Landes durch die Elite und damit die Pflicht zur Rückzahlung aus und wird seit 2018 in Verhandlun- ins Zentrum der politischen Ausei- verneint. Die CS hat umgehend Klage gen neu gefasst. Inzwischen stehen nandersetzung. Anlass dazu war ein dagegen erhoben mit dem Argument, die Grundlagen einer Neuauflage massiver Korruptionsfall um die dass die Staatsgarantie mit einer Unter- weitgehend fest – mit einigen Fort- Beschaffung von Covid-19 Tests und schrift des damals amtierenden Finanz- schritten, auch wenn es noch immer medizinisches Material im Umfang von ministers gültig sei – also auch ohne kein Vertrag «auf Augenhöhe» ist. 60 Millionen USD, den der renom- die für solche Summen notwendige Vieles bezüglich des «präferentiellen mierte Journalist Hopewell Chin’ono Zustimmung des Parlaments, was eine Handelsstatus» der angeschlossenen ans Tageslicht förderte. Ein brisanter Bank im «due diligence»-Verfahren Entwicklungsländer gilt ähnlich weiter, Fall, in den die Firma Drax SAGL mit hätte absichern müssen. Die mosambi- auch der Multilateralismus (alle Sitz in Lugano sowie anscheinend auch kanische Regierung andererseits EU-Staaten müssen sich an die gleichen die Präsidentenfamilie verwickelt sind. hält an ihrer Zahlungswilligkeit fest – Bedingungen halten) bleibt bestehen. Die Enthüllungen führten zur Verhaf- wohl aus Angst, dass ihre Kredit- Neu und interessant ist hingegen das tung des Gesundheitsministers und des würdigkeit bei einer Zahlungsverwei- Verschwinden von Freihandelsab- lokalen Vertreters von Drax. gerung international (auch beim IWF?) kommen, welche den AKP-Staaten Am 31. Juli sollten Protestaktionen hinfällig wäre. Sie hat einen Aufschub jegliche Zollschranken gegen Güter die Korruption und die katastrophale bis 2030 ausgehandelt, was darauf von Vertragspartnern untersagten. Wirtschaftslage anprangern. Die hindeutet, dass die zukünftigen Ebenso ist keine Rede mehr von den Regierung verhängte umgehend eine Gewinne aus der Ausbeutung der gefürchteten Schiedsgerichten nächtliche Ausgangssperre und ver- Erdgasreserven bereits auf Jahrzehnte zugunsten der privaten Investitionen, schärfte die Covid-19 Regulierungen vergeben sind und wohl nicht der auch wenn diese weiterhin geschützt auf unbestimmte Zeit. Damit begründe- eigenen Volkswirtschaft zugutekom- werden sollen. • te sie auch die Festnahme des Organi- men werden. Für die Erstellung der sators der Proteste sowie des Inves- Anlagen nehmen die Firmen, welche tigationsjournalisten am 20. Juli 2020. die Konzessionen halten, inzwischen Ihnen droht eine Strafe von jeweils bis grosse Anleihen auf; der Investitions- zu zehn Jahren wegen Anstiftung zu bedarf wird auf 20 Milliarden USD Gewalt. Beiden wurde die von namhaf- geschätzt. Die amerikanische EXIM- ten internationalen Organisationen Bank und die englische UKEF knüpfen geforderte Freilassung auf Kaution ver- dabei ihre Kredite an die Bedingung, weigert. Schon am Vorabend der dass Güter und Dienste in ihren Proteste riegelten die Sicherheitskräfte Staaten bezogen werden müssen. Dies das Stadtzentrum von Harare ab und gilt auch für die auf 29 000 geschätz- verhafteten eine Anzahl von Aktivis- ten Jobs, von denen über die Kredite tinnen und Aktivisten, darunter die bereits 16 700 für amerikanische und Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga. 2000 für englische Arbeitskräfte Die Teilnahme an Protestaktionen wird reserviert sind. Für Einheimische mit Aufstand gleichgesetzt. scheinen sich lediglich 2500 Stellen Emmerson Mnangagwa, der im zu ergeben. • November 2017 mit einem Militär- putsch an die Macht kam, versprach eine «neue Dispensation» und nannte seine Regierung vollmundig die zweite Republik. Jetzt zeigt sich, dass er den Fussstapfen seines Vorgängers folgt. Die Umbenennung von Strassen in sechs zimbabwischen Städten in seinen Namen verheisst nichts Gutes. • Zusammengestellt von Susy Greuter und Barbara Müller.
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