Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung

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Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
Age-Dossier

Café
Bistro
Siedlungsbeiz

                Eine Planungshilfe
                für Wohnbauträger

                        2021
Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
Projektbeispiele
Erfahrung und
Know-How
Alle in diesem Heft erwähnten Beispiele bezie-
hungsweise Projektträgerschaften wurden durch die
Age-Stiftung gefördert. In der Übersicht auf
der hinteren Umschlaginnenseite finden Sie die
wichtigsten Eckdaten sowie Links zu den Pro­
jektseiten auf unserer Website. Dort stehen auch
weitere Materialien wie Erfahrungsberichte,
Projektdokumentationen und evaluative Studien zum
Download bereit. Mit den Verantwortlichen der
jeweiligen Förderprojekte können Sie auch direkt
Kontakt aufnehmen. Die Kontaktdaten finden
Sie ebenfalls auf den verlinkten Projektseiten.
Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
L                                      O                                  R
Kafi Bergli                        Gasthof zum Bären                     Restaurant Ioannis
Bottighofen                        Nürensdorf                            Zürich
vermietet                          verpachtet                            vermietet
Plätze: 36 innen, 40 aussen        Plätze: 95 innen, 70 aussen           Plätze: 120 innen, 84 aussen
Siedlung: Alterszentrum Bottig-    Siedlung: Zentrum Bären (2011)        Siedlung: Else Züblin (2020)
hofen (2018), 20 Wohnungen /­      29 Wohnungen, Pflegewohngruppe,       405 Wohnungen, Pflegewohngruppe
Pflegewohngruppe, Wohnbaugenos-    Genossenschaft Zentrum Bären /        Siedlungsgenossenschaft Sunnige
senschaft ZukunftsWohnen /         Gemeinde Nürensdorf                   Hof
Gemeinde Bottighofen               → age-stiftung.ch/nuerensdorf         → age-stiftung.ch/das-haus
→ age-stiftung.ch/bottighofen
                                       P                                  S
M
                                   nachbar.in                            Kaffi Letz
Restaurant Kreuz                   (Quartierrestaurant mit Bäckerei)     Näfels
Ligerz                             Zürich                                Genossenschaftsorganisiert
vermietet                          vermietet                             Plätze: 28 innen, 20 aussen
Plätze: 60 innen, 100 aussen       Plätze: 28 innen, 36 aussen           Siedlung: Alterswohnungen Letz,
Siedlung: Kreuz Ligerz (2022)      Siedlung: Mattenhof 1 + 2 (2017)      65 Wohnungen, GAW Linth
9 Wohnungen, Wohnbaugenossen-      381 Wohnungen, Siedlungsgenos-        → gaw-linth.ch
schaft Zuhause am Bielersee        senschaft Sunnige Hof
→ age-stiftung.ch/ligerz           → age-stiftung.ch/das-haus             T
                                                                         Café Löwen
N                                      Q                                 Amden
Bistro Wia                         Das Seniorencafé                      verpachtet durch Projektpartner
Bichelsee                          Zürich                                Plätze: 44 innen, 66 aussen
verpachtet                         Kaffeebetrieb im Mehrzweckraum,       Siedlung: Rosengärtli (2016),
Plätze: 24 innen, 31 aussen        genossenschaftsorganisiert            26 Wohnungen, GAW Linth
Siedlung: Wohnen im Alter Hin-     Siedlungen: Mattenhof und Else        → age-stiftung.ch/amden
terthurgau (2020), 17 Wohnungen,   Züblin, Siedlungsgenossenschaft
Genossenschaft Wohnen im Alter     Sunnige Hof                            U
Hinterthurgau                      → age-stiftung.ch/das-haus            Bistro Hoch 3
→ age-stiftung.ch/bichelsee
                                                                         Zürich
                                                                         Betriebsleitung in Anstellung
                                                                         Plätze: innen 36, aussen 32
                                                                         Teil des Quartierzentrums Hoch 3
                                                                         (2019), Reformierte Kirche
                                                                         Zürich Witikon
                                                                         → age-stiftung.ch/witikon

                                                                     L

                                                              B D O N

                                                           H I J P

                                           A               Q R U
                                   M

                                                       K       C         E G S T

                                               F
Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
A                                  F
Gasthof Bären                      Restaurant Träffpunkt
Laupen                             Grächen
In Familienbesitz seit 1872        vermietet
Plätze: 100 innen, 30 aussen       Plätze: 28 innen, 20 aussen
Siedlung: Wohnhaus Bärensaal       Siedlung: Wohnresidenz Sankt
(2012)                             Jakob Grächen (2015), 13 Wohnun-
7 Wohnungen / Hotelbetrieb,        gen / Hotel, Stiftung Wohnresi-
Gasthof Bären Laupen GmbH          denz Sankt Jakob Grächen
→ age-stiftung.ch/baeren-laupen    → age-stiftung.ch/graechen

B                                  G
Bistro Soligänter                  Bistro Fläsch
Bülach                             Fläsch
Betriebsleitung in Anstellung      verpachtet
Plätze: 40 innen, 30 aussen        Plätze: 22 innen, 6 aussen
Siedlung: Mehrgenerationensied-    Siedlung: WohnenPlus Fläsch
lung Soligänter (2013),            (2016)
39 Wohnungen, Pflegewohngruppe     6 Wohnungen
Baugenossenschaft Gstückt          Genossenschaft WohnenPlus Fläsch
→ age-stiftung.ch/soligaenter      → age-stiftung.ch/flaesch

C                                  H         I         J
                                                    
Restaurant Steakhouse Husmatt      Restaurant Riedbach
Steinen                            Zürich
verpachtet                         vermietet
Plätze: 60 innen, 30 aussen        Plätze: 96 innen, 80 aussen
Siedlung: Husmatt Steinen (2015)
49 Wohnungen, Katharina und Karl
                                   Ayverdis
von Rickenbach-Stiftung
→ age-stiftung.ch/husmatt-stei-    Zürich
nen                                vermietet
                                   Plätze: 90 innen, 24 aussen
D
Ida-Beiz                           Hombis Salon
Oberwinterthur                     Zürich
verpachtet                         vermietet
Plätze: 70 innen, 72 aussen        Plätze: 40 innen, 21 aussen
Siedlung: Generationenhaus Gies-   Siedlung: Hunziker Areal
serei (2013), 140 Wohnungen,       (2014 / 2015),12 Häuser mit 1 200
Genossenschaft für selbstverwal-   Bewohnenden / Gästehaus,
tetes Wohnen (Gesewo)              Genossenschaft mehr als wohnen
→ age-stiftung.ch/giesserei        → mehralswohnen.ch

E                                  K
Café-Retaurant Zigerribi           Bistro Zentrum Chileweg
Oberurnen                          Rain
verpachtet                         zu verpachten
Plätze: 42 innen, 30 aussen        Plätze: 38 innen, 24 aussen
Siedlung: Alterswohnungen Ziger-   Siedlung: Zentrum Chileweg
ribi 2 + 4 (2008 / 2014),          (2018)
42 Wohnungen                       17 Wohnungen / Pflegewohngruppe,
Genossenschaft Alterswohnungen
                                   Einwohnergemeinde Rain
Linth (GAW)                        → age-stiftung.ch/rain
→ gaw-linth.ch
Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
Vorwort
                 Age-Stiftung
                 Andreas Sidler

Es gibt einleuchtende Gründe, um eine           kristallisierten sich zwei Hauptgründe da-
Gaststätte in eine Alters- oder Genera-         für heraus: Erstens ist es eine Frage des Ti-
tionensiedlung zu integrieren. Es gibt          mings: Bereits sehr früh im Projekt werden
jedoch auch überzeugende, wenn auch             die Weichen gestellt, die teils Jahre später
weniger offensichtliche Gründe, es              zum Erfolg oder Misserfolg eines Sied-
nicht zu tun. Deshalb sollten Wohnbau-          lungslokals führen. (Einen Überblick über
trägerschaften sorgfältig abklären              die wichtigsten Arbeitsschritte und Ent-
und abwägen, ob sie den Weg der Gas-            scheidungszeitpunkte im Rahmen der Pro-
tronomieplanung beschreiten wollen.             jektphasen nach SIA 112 finden Sie auf
Dieses Heft bietet eine erste Grundlage         Seite 14.) Zweitens ist es eine Frage des
dafür.                                          Know-hows: Das Gastgewerbe ist ein kom-
                                                plexes Geschäftsfeld. Damit Gastronomie
Restaurants, Bistros und Cafés sind Orte,       funktioniert, müssen viele Faktoren stim-
wo sich Menschen spontan oder geplant           men bzw. aufeinander abgestimmt wer-
treffen und Beziehungen pflegen: zu An-         den. Wer plant, ohne diese Faktoren zu
gehörigen, zu Freunden, zu Geschäftspart-       kennen, der investiert mitunter viel Geld
nern oder Vereinskollegen. In der Gaststu-      für eine spezifische Gewerbenutzung, die
be mischen sich Alt und Jung und jeder ist      vielleicht nie realisiert werden kann.
willkommen. Im Rahmen von Wohnbau-                    Dieses Heft ist kein Leitfaden für Gas-
projekten wird Gastronomie deshalb ge-          tronomieplanung, sondern eine Wissens-
zielt integriert, um zu verhindern, dass eine   grundlage, um Wohnbauträgerschaften für
neue Überbauung zur isolierten Wohnfes-         die Aufgabe der Gastronomieplanung zu
tung wird. Denn Gaststätten sind lebendi-       wappnen. Je früher im Projektverlauf sie
ge Orte, die Offenheit und Öffentlichkeit       zur Hand genommen wird, umso hilfrei-
schaffen. Und da Gastronomie auch für           cher wird sie sich erweisen. Was in diesem
Verpflegung sorgt, scheint für die Wohn-        Heft nicht behandelt wird, sind gastrono-
bauträger die Verbindung mit Wohnange-          mische Angebote von Alters- und Pflege-
boten fürs Alter besonders naheliegend,         heimen.
da sie potenzielle Synergien zwischen dem             Abschliessend möchte ich all meinen
Restaurantbetrieb und Dienstleistungen          Gesprächspartnerinnen und -partnern dan-
für die Siedlung voraussehen.                   ken, die mit bemerkenswerter Offenheit
       Auch unter den geförderten Projek-       und Grosszügigkeit ihre Erfahrungen und
ten der Age-Stiftung sind Siedlungskon-         ihr Wissen mit mir geteilt haben. ●
zepte, die einen Gastronomiebetrieb im
Erdgeschoss einplanen, keine Seltenheit.
In den Abschlussberichten und Dokumen-
tationen dieser Förderprojekte fällt uns im-
mer wieder auf, dass das Thema Gastrono-
mie die Trägerschaften langfristig und
intensiv beschäftigt – und zwar von Beginn
                                                                                                                             Foto: Giorgio von Arbten

an bis weit in die Betriebsphase hinein. Wa-                                                           Umschlag
rum ist die Etablierung von Siedlungsloka-                                                             Innenseite
len so schwierig, wenn das Konzept so
überzeugend scheint? Nach etlichen Ge-                                                          Die Übersicht der Projekt-
sprächen mit Projektverantwortlichen, mit                                                       beispiele A – U befindet
Wirtsleuten und mit Gastronomieberatern                                                         sich im Umschlag.

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Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
Age-Dossier
Vision                               Analyse & Konzept                    Projektierung &

                                                                                                                 Vision
                                                                          Ausschreibung
4                                    17
Siedlungsfunktionen als Ursprung     Erste Schritte für eine
des Gedankens                        Standortanalyse                      46
                                                                          Hinweise aus der Beratungs- und
6                                    22                                   Projektpraxis
Projektbeispiele                     Gastronomische Standortanalyse

                                                                                                                 Analyse & Konzept
Hunziker Areal, Husmatt Steinen,     Frequenzen und Nachfrage sind        48
GAW Linth, Gasthof Bären             dynamisch                            Interview
                                                                          Die Trägerschaft muss offen sein für
8                                    24                                   neue Ideen
Unterschiedlicher Kontext –          Grobkonzeption und Kostenstruktur
unterschiedliche Prioritäten
                                     28                                   Betriebsorganisation
9                                    Projektbeispiel
Projektbeispiel                      Husmatt Steinen                      52
Ida-Beiz                                                                  Betriebsführung:
                                     29                                   Erfahrungen aus den Projekten
10                                   Ausgeglichene Kostenstruktur:
Gastronomische Konzepttypen          Soll-Werte nach Betriebstyp          56
                                                                          Vereinbarungen und Zusammen-

                                                                                                                 Projektierung & Ausschreibung
11                                   30                                   arbeit zwischen Trägerschaft und
Interview                            Gastronomische Konzepttypen          Pächter
«Gastronomie geht überall,           und Konzeptausrichtung
je nachdem, wer dafür bezahlt»                                            58
                                     32                                   Projektbeispiele
13                                   Verpachtungs- und                    Bistro Fläsch,
Der strategische Entscheid braucht   Vermietungsmodelle                   Quartierzentrum Hoch 3, Kaffi Letz
ein konkretes Gastrokonzept
                                     33                                   60
14                                   Investitionsbedarf:                  Zusammenarbeit mit Freiwilligen
Gastronomieentwicklung im Kontext    Betriebstypen im Vergleich
der Bauprojektphasen nach SIA 112
                                     34
                                     Anpassungen im Spannungsfeld
                                     der Bedürfnisse

                                     39
                                     Projektbeispiele
                                     Bistro Soligänter,
                                     Wohnresidenz Sankt Jakob Grächen
                                                                                                                 Betriebsorganisation

                                     40
                                     Interview                                   Umschlag
                                     «Eine Quartierbeiz als
                                     Siedlungstreffpunkt funktioniert –          Danksagung
                                     aber nicht für alle»                        Literaturangaben
                                                                                 Impressum
                                     42
                                     Die Bedeutung älterer Menschen              Projektbeispiele
                                     für die Gastronomie                         Standorte
Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
Vision
Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
Vision

         Siedlungsfunktionen
         als Ursprung
         des Gedankens
         Die Verbindung von Alterswohnangeboten mit gastronomi-
         schen Angeboten nimmt viele Formen an. Ihr Ursprung
         liegt aber meist bei denselben vier Funktionen, die Gastro-
         nomie für die Siedlung erfüllen soll. Sie beeinflussen
         die Planung und den Erfolg des Gastroangebotes nachhaltig.
         Text Andreas Sidler Fotos Ursula Meisser

          4
Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
Erdgeschosswohnungen gelten als schwer zu vermieten. Dabei           tisch scheint eine solche Lokalität ideal. Nicht wenige Alterswohn-
spielen Sicherheitsbedenken eine grosse Rolle bei potenziellen       projekte weisen dem integrierten Gastrobetrieb explizit die Funk-
Mieterinnen und Mietern, insbesondere wenn sie älter sind. Des-      tion als Gemeinschaftsraum für die Bewohnerschaft zu. Oft
halb werden im Erdgeschoss oft Gewerbeflächen geplant, wenn          ergänzen die Gaststätten die gemeinschaftlichen Räumlichkeiten
die Bauzone dies zulässt. Das Gastgewerbe hat dabei einen be-        in der Siedlung, teilweise ersetzen sie diese auch vollständig.
sonderen Stellenwert, denn mehr als andere Gewerbeformen
prägt es das Wohnumfeld und die Wahrnehmung der Siedlung.                    «In Oberurnen haben wir aber bewusst keinen
Gaststätten sind zentrale Orte des öffentlichen Lebens, und als                    anderen Mehrzweckraum gebaut,
solche weisen ihnen die Siedlungsplaner spezifische Funktionen               damit unsere Leute auch ins Kaffee gehen und

                                                                                                                                           Vision
im zukünftigen Siedlungsbetrieb zu. Das Lokal wird dadurch ein                     den Kontakt miteinander und mit
integraler und oft zentraler Teil des Wohnkonzepts. Seine Bedeu-               dem Dorf haben. Sie feiern dort auch ihre
tung in der Überbauung reicht dabei oft über die anderer Gewer-                      Geburtstage mit der Familie.»
benutzungen hinaus. Im Zusammenhang mit Alterswohnangebo-                            F. Landolt, Genossenschaftspräsident
ten sind solche zusätzlichen Siedlungsfunktionen besonders                                            E
vielfältig. Sie lassen sich meist den folgenden vier Zielsetzungen
zuordnen.
                                                                                 «Das Bedürfnis nach Kontakten ist da –
Ein belebtes Wohnumfeld schaffen                                                bei den einen mehr als bei den anderen.»
Gewerbe mit Laufkundschaft sorgt dafür, dass das Wohnumfeld                                    A. Schmid, Wirt
belebt ist und von Menschen unterschiedlichen Alters aus unter-
                                                                                                      A
schiedlichen Gründen frequentiert wird. An einem Ort, wo die
Leute sich verpflegen, einkaufen oder arbeiten, entsteht kein
«Altersghetto», so ein häufig genannter Grund für die Integrati-     Dienstleistungen für die Siedlung bereitstellen
on von Gewerbe bzw. Gastgewerbe in Siedlungen mit Alterswoh-         Wenn Serviceleistungen zum Wohnangebot gehören sollen, lie-
nungen. Ein funktionierendes Bistro beispielsweise belebt das        gen Synergien mit der integrierten Gaststätte scheinbar auf der
Siedlungsumfeld und trägt zum Quartieranschluss von neu be-          Hand. Das Gastrounternehmen kann den Mahlzeitendienst in der
bauten Liegenschaften und Arealen bei. Auf welche Weise das          Siedlung übernehmen oder ein regelmässiges Verpflegungsan-
geschieht, ist abhängig von seiner Lage, von seinen Öffnungszei-     gebot im Lokal anbieten. Gehört eine dezentrale Pflegewohn-
ten und von seinem Angebot.                                          gruppe oder eine Tagesstätte zur Siedlung, kann sie die Mahlzei-
                                                                     ten frisch gekocht aus dem Lokal beziehen. Solche Dienst-
Das Dorf in die Siedlung bringen                                     leistungen für die Siedlung werden im Businessplan häufig zur
Im fragilen Rentenalter nimmt die Anzahl der sozialen Kontakte       Grundauslastung des Gastrobetriebs gezählt.
im Alltag ab. Sei es, weil man wegen körperlicher Einschränkun-            Dem Siedlungslokal werden mitunter auch Service-Funktio-
gen sein angestammtes Wohnumfeld verlassen und in eine ge-           nen zugewiesen, die keinen direkten Bezug zu ihrem Kerngeschäft
eignete altersgerechte Wohnung ziehen muss, sei es, weil der         haben. Immer mehr Alterswohnprojekte stellen ihren Bewohne-
Mobilitätsradius abnimmt. Der schwindenden Teilnahme am ge-          rinnen und Bewohnern eine Anlaufstelle mit einer Kontaktperson
sellschaftlichen Leben kann entgegengewirkt werden, wenn das         vor Ort zur Verfügung. Dieses Modell gilt als niederschwellige
Dorf bzw. das Quartier in die Alterssiedlung kommt und so spon-      Form des betreuten Wohnens. Die Aufgaben der Kontaktpersonen
tane Begegnungen mit den ältesten Gemeindeeinwohnern er-             reichen vom Notfall-Pikettdienst über kleine Handreichungen und
möglicht werden. Restaurants, Bistros und Cafés werden als ge-       Alltagshilfen bis zum Organisieren von Veranstaltungen für die
eignetes Mittel betrachtet, um in unmittelbarer Nähe der fragilen    Siedlungsbewohner. Bei der Organisation solcher Anlaufstellen
Siedlungsbewohnerinnen und -bewohner einen attraktiven Treff-        gehen die Trägerschaften unterschiedliche Wege. Dazu gehören
punkt für die Bevölkerung zu schaffen. Die Gaststätte in der Sied-   beispielsweise das Siedlungsbüro, der soziale Abwart oder die
lung belebt so nicht nur das Quartier, sondern ermöglicht es äl-     Reception mit einer Concierge. Anlaufstellen werden auch in Res-
teren Anwohnerinnen und Anwohnern, aktiv oder passiv am              taurants und Bistros eingerichtet, denn die Öffnungszeiten ge-
lokalen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.                       währleisten eine lange Präsenzzeit von Personal vor Ort. Das
                                                                     scheint ideal, wenn die Kontaktperson vor Ort auch auf sponta-
                   «Der Austausch zwischen                           ne Anliegen von Bewohnenden reagieren soll. Auch hier setzt man
                       Siedlung und Dorf                             also auf Synergien zwischen Gastro- und Siedlungsbetrieb. ●
                steht für uns im Vordergrund.»
                       A. Marty, Stiftungsrat

                                 C

Einen Treffpunkt für die Siedlung bilden                                                                         Umschlag
Wohnungen fürs Alter sind oft als Kleinwohnungen konzipiert und                                                  Innenseite
und haben wenig Platz für Besuch. Das Siedlungsrestaurant bietet
den Raum und die Möglichkeit, sich mit Nachbarinnen und Nach-                                             Die Übersicht der Projekt-
barn auf einen Kaffee zu treffen oder mit der Familie Geburtstage                                         beispiele A – U befindet
zu feiern. Auch für einen regelmässigen gemeinsamen Mittags-                                              sich im Umschlag.

                                                                                                                                     5
Age-Dossier - Café Bistro Siedlungsbeiz - Age-Stiftung
Projektbeispiele

         Hunziker Areal                                   H   I   J   Husmatt Steinen                             C

         Vielfältige                                                  Das Dorf in die
Vision

         Gastronomieangebote                                          Siedlung holen
         Auf dem Hunziker Areal (41 000 m2) hat die Bau­              Die Siedlung Husmatt in Steinen ist eine hindernis­-
         genossenschaft «mehr als wohnen» einen neuen                 frei gestaltete Siedlung für die zweite Lebens­
         Quartierteil in Zürich Nord geschaffen. Er bietet            hälfte mit insgesamt 49 altersgerechten Wohnungen
         Wohnraum für rund 1200 Personen und ca. 150 Ar­              in vier Häusern und verschiedenen gemeinschaft­
         beitsplätze. Zur hohen Diversität hinsichtlich des           lichen – meist öffentlichen – Zonen sowie Gewerbe­
         Alters, der Herkunft und des ökonomischen sowie              räumlichkeiten (Restaurant, Bäckerei, Physio­
         beruflichen Hintergrunds trägt auch die generatio­           therapiepraxis). Das integrierte Gewerbe sorgt für
         nengerechte Bauweise bei. Die periphere Lage                 vielfältige Kontaktmöglichkeiten zwischen Dorf und
         war für die Genossenschaft eine Herausforderung.             Siedlung: Die Physiotherapiepraxis, die Bäckerei
         Gastro-Angebote sollen den Anschluss an das                  und das Restaurant mit der grossen Aussenterrasse
         lebendige Stadtquartier Oerlikon mit seinen facet­           profitieren von der zentralen Lage und zählen
         tenreichen Sport-, Kultur- und Bildungsangeboten             Arbeiter, Anwohner, Geschäftsleute, Durchreisende,
         fördern und zu einem lebendigen Wohnumfeld beitra­           Familien, Vereinsmitglieder zu ihren Kunden.
         gen. Zum vielfältigen Angebot gehören ein                    Im Restaurantgebäude sind mit Schiebewänden unter­
         hippes Kebab-Restaurant, eine Bagel-Bäckerei mit             teilbare Mehrzweckräume mit Multimedia-Anlage
         Bistro und Take-Away-Theke sowie ein gehobenes               untergebracht. Sie eignen sich für Treffen in klei­
         Angebot der Eventgastronomie, das an vier Abenden            nem Kreis ebenso wie für Grossanlässe für bis zu
         in der Woche Kulinarik und musikalische Darbie­              120 Personen und deren Verpflegung durch das
         tungen verbindet. Die zentrale Position nimmt aber           Restaurant. Auch hier wurde auf Hindernisfreiheit
         das Restaurant Riedbach ein. Es ist morgens bis              und vor allem auf eine gute Akustik geachtet.
         abends geöffnet und bietet in Kooperation mit dem            Das hat sich bereits in der Region herumgesprochen:
         Gästehaus Hunziker ein Frühstücksbuffet und für              So führte beispielsweise die reformierte Kirch­
         Veranstaltungen das Catering an. Das Restaurant ist          gemeinde eine Gründonnerstagfeier in der Husmatt
         ein Ausbildungsbetrieb der Asyl Organisation                 durch, verschiedene Jahrgänge trafen sich zu
         Zürich (AOZ), die Geflüchtete und Erwerbslose beim           Klassenzusammenkünften, mehrere Dorfvereine von
         Einstieg ins Berufsleben unterstützt. Trotz                  Steinen hielten hier ihre Generalversammlungen
         grosser gemeinschaftlicher Arealzonen dient das              ab, Firmen trafen sich zu Meetings, und ein ein­
         Restaurant insbesondere der älteren Bewohnerschaft           heimischer Künstler sowie der Fotoclub Schwyz
         als Treffpunkt. So hat die Quartiergruppe                    präsentierten im Restaurant ihre Werke in mehr­
         «60 plusminus» dort einen abendlichen Stamm etab­            wöchigen Ausstellungen. Das Restaurant dient
         liert und trifft sich zudem regelmässig zum                  auch als Treffpunkt für die ältere Bewohnerschaft,
         gemeinsamen Mittagessen im Restaurant Riedbach.              die sich einmal wöchentlich zum Mittagessen
                                                                      trifft.
                 «Wir nutzen den abendlichen Stamm,
                          um uns jetzt schon                                    «Weil ein weiteres gutes Restaurant
                  anzunähern und auszutauschen.»                              in Steinen zumachte, war für uns klar:
                  E. Kühner, Quartiergruppe «60 plusminus»                        Wir wollen mit dem Restaurant
                               Hunziker Areal                                  in der Siedlung einen Treffpunkt fürs
                                      H                                                   Dorf schaffen.»
                                                                                       A. Marty, Stiftungsrat

                                                                                                 C
                    «Wir haben viele Bewohnende,
                          die sich hier auf der
                    Terrasse kennengelernt haben.»
                        Ch. Fitzinger, Betriebsleiterin

                                      H

         6
GAW Linth                    E    S    T              Gasthof Bären                           A

Gastronomie statt                                     Service- und Kontakt­

                                                                                                                 Vision
Gemeinschaftsraum                                     möglichkeiten
Die 1992 gegründete gemeinnützige Genossenschaft      für die Mieterschaft
Alterswohnungen Linth (GAW) ist mit 10 Liegen­
schaften und derzeit 176 Wohnungen die grösste Bau­   Im Gegensatz zu den meisten anderen Beispiel­
genossenschaft des Kantons Glarus. Derzeit laufen     projekten wurde in Laupen ein bestehendes Gastro­
2 weitere Bauprojekte für zusätzliche 38 Wohnungen.   nomieangebot mit Alterswohnungen ergänzt und
2008 wurde das Wohnhaus Zigerribi 2 in Oberurnen      nicht umgekehrt. Der Gasthof Bären wurde erstmals
bezogen. Statt eines Gemeinschaftsraums wurde das     im Jahr 1704 urkundlich erwähnt und befindet
«Kaffi Zigerribi» im Erdgeschoss eröffnet. Nach       sich seit 1872 im Besitz der Familie Schmid. Neben
mittelfristig gesammelten guten Erfahrungen wurde     dem gut besuchten Gastronomie- und Beherbergungs­
die Idee «Kaffi statt Gemeinschaftsraum» zum          betrieb vermieten Jeannette und Andreas Schmid
Grundkonzept der GAW. In einem weiteren Bauprojekt    seit 2012 auch sieben Alterswohnungen im umgenutz­
im Zentrum von Amden (SG) wurden die Wohngebäude      ten ehemaligen Theatersaal des Gasthofs.
direkt mit dem bestehenden Café Löwen verbunden,      Die Alterswohnungen können von Dienstleistungen
das den Bewohnenden als Treffpunkt dient. Auch in     des Restaurants und Hotels Bären profitieren.
den beiden laufenden Wohnbauprojekten sind Bistros    Dazu gehören Wohnungsreinigung, Mahlzeitendienst
geplant. Zudem wurde der Gemeinschafts­
                                      raum der        und ein seltener genutzter Wäscherei-Service.
ersten Siedlung zu einem «Kaffi» umgestaltet, das     Diese Leistungen werden nach Aufwand abgerechnet.
wegen der peripheren Lage mit einem Freiwil­          Sie stellen einen kleinen, aber regelmässigen
ligenkonzept durch die von der Genossenschaft an­     und willkommenen Teil des Gesamtumsatzes der Gast­
gestellte Abwartin und Kontaktperson vor Ort be­      hof Bären Laupen AG dar. Der Entsorgungsservice
trieben wird.                                         für Glas, Papier und Karton (Sammelstelle im Keller)
                                                      ist kostenlos. Das Besitzerehepaar organisiert
           «Die Kaffis sind ein Treffpunkt            ausserdem diverse Anlässe – einige davon aus­
             für unsere Leute und auch                schliesslich für die Mieterschaft, andere für die
           unsere Schnittstelle zum Dorf.»            breite Öffentlichkeit. Auch die aufwendig ge­
           F. Landolt, Genossenschaftspräsident       staltete Parkanlage des Gasthofs ist ein wichtiger
                            E                         Kontaktpunkt für die Bewohnerschaft nach aussen.

                                                                   «Die Umnutzung des Saals zu
                                                             Alterswohnungen war die denkbar beste
                                                                   Lösung mit guten Synergien.
                                                                 Vor allem wenn die Angehörigen
                                                                wenig vor­beikommen, ist es für die
                                                                   Mieterinnen und Mieter eine
                                                             wichtige Unter­stützung, dass wir da sind.
                                                                   Für einige wäre es schwierig,
                                                            wenn sie alles selbst organisieren müssten.»
                                                                           A. Schmid, Wirt

                                                                                 A

                                                                                                             7
Unterschiedlicher
         Kontext – unterschiedliche
         Prioritäten
Vision

         Je nach Wohnprojekt steht beim geplanten Siedlungs­lokal
         eine andere der vier Siedlungsfunktionen im Vordergrund.
         Liegt der Fokus auf dem Wohnen im Alter, werden meist alle
         vier Siedlungsfunktionen des Gastrobetriebs betont.
         Text Andreas Sidler Fotos Ursula Meisser

         Im Kontext von Areal- und Quartier­           Im Kontext von Generationensied­                Im Kontext von Pflegeheimen und
         entwicklung                                   lungen und gemeinschaftlich ausge-              Altersresidenzen
         Im Zuge grosser Arealüberbauungen wer-        richteten Wohnmodellen                          Eine häufige Verbindung zwischen Alters-
         den auch Wohnangebote speziell für älte-      Mehrgenerationensiedlungen oder ge-             wohnen und Restaurantbetrieb findet sich
         re Menschen oder Generationenwohnpro-         meinschaftlich ausgerichtete Wohnprojek-        in Alters- und Pflegeheimen sowie bei Al-
         jekte geplant und umgesetzt. Gleichzeitig     te möchten gute Beziehungen zwischen            tersresidenzen. Die Verpflegung ist dort
         bieten grosse Arealüberbauungsprojekte        Nachbarn aus der Siedlung und dem Quar-         ein fixer Bestandteil von Wohnangeboten
         eine Vielzahl an gewerblichen Möglichkei-     tier fördern. Die Quartier- oder Dorfbeiz       mit Pensionsvertrag. Heute haben viele
         ten – insbesondere im Gastrobereich. Gas-     als traditioneller Treffpunkt für die lokale    Heime ihre Restaurants für die externe
         tronomische Angebote sind deshalb meist       Bevölkerung wird dafür gerne als taugli-        Kundschaft geöffnet und bieten Arbeitneh-
         ein wichtiger Bestandteil in der Entwick-     ches Instrument eingesetzt, denn das Kon-       mern und Schülern aus dem Quartier eine
         lung des Areals. Sie reichen vom Take-        zept ist allen sozialen Gruppen – ob jung       günstige Verpflegungsmöglichkeit. Gleich-
         Away-Angebot über die Eventgastronomie        oder alt – vertraut. Es ist also kein Zufall,   zeitig finden so im Heimalltag viele Begeg-
         bis hin zum Hotel. Ihre Planung und später    dass alters- bzw. generationengerechtes         nungen zwischen Alt und Jung statt. Das
         ihr Betrieb stellen in diesem dynamischen     Wohnen und Gastronomie besonders oft            Restaurant macht das Heim zu einem le-
         Umfeld aber auch eine besondere Heraus-       in solchen Wohnprojekten konzeptionell          bendigen und wichtigen Ort des gesell-
         forderung dar. Die Verbindung zwischen        verbunden werden. Der Funktion des Sied-        schaftlichen Lebens. Der institutionelle
         Gastronomie- und Alterswohnangebot auf        lungslokals als Ort der Begegnung wird da-      Kontext sorgt jedoch für spezielle betriebs-
         dem Areal ist dabei nur eine von vielen In-   bei besondere Bedeutung beigemessen.            wirtschaftliche Voraussetzungen für das
         terdependenzen im komplexen Planungs-         Projektbeispiele: D B P                         gastronomische Angebot. Deshalb ist die-
         und Organisationsgeflecht. Die Belebung                                                       se Form der Gastronomie nicht im Fokus
         des Areals steht bei den Quartier- und        Im Kontext von Alterswohnprojekten              dieses Hefts. ●
         Stadtplanern als Siedlungsfunktion des        In explizit aufs Wohnen im späten Renten-
         Gastrobetriebs in der Regel im Vorder-        alter ausgerichteten Wohnsiedlungen wer-
         grund. In Neubaugebieten spielt zudem die     den Bistros und anderen gastronomischen
         Inklusion der Überbauung ins bestehende       Angeboten oft alle vier Siedlungsfunktio-
         Quartier eine grosse Rolle bei der Gastro-    nen gleichermassen zugewiesen – und sie
         planung.                                      werden stärker betont als anderswo. Par-
         Projektbeispiele: H I J                       tizipation am gesellschaftlichen und nach-
                                                       barschaftlichen Leben ist hier ein beson-
         Areal- und Quartierentwicklung sind mit       ders wichtiges Ziel, um der Angst vor
         Blick auf die Verbindung zwischen Wohn-       Abschottung und Vereinsamung in einer
         und Gastroangeboten ein übergeordnetes        «Sonderwohnform» entgegenzuwirken. In
         Thema, das in diesem Heft nicht zentral       Alterswohnprojekten rückt zudem die Ver-                            Umschlag
         behandelt wird. Wertvoll für die Gastro-      sorgungs- bzw. Servicefunktion vermehrt                             Innenseite
         entwicklung in diesem Kontext sind die in     in den Fokus: Der Gastrobetrieb soll das
         den Lesetipps empfohlenen Planungshil-        Wohnen im (hohen) Alter unterstützen.                      Die Übersicht der Projekt-
         fen (Seiten 9 und 50).                        Projektbeispiele: A C E F G K                              beispiele A – U befindet
                                                        L   M   N   O    R    S                                   sich im Umschlag.

          8
Lese-Tipp
      Planungshilfe
                              Projektbeispiel
Lebendige Erdgeschosse.

                              Ida-Beiz
Die Gestaltung von Erd­
geschosszonen als eigen-                              D
ständige und interdiszi-

                                                                                                             Vision
                              Soziales Zentrum in der
plinäre Planungsaufgabe

                              Generationensiedlung
Diese Planungshilfe wurde
vom Planungsdachverband
Region Zürich gemeinsam mit
der Genossenschaft «mehr      Im Winterthurer Neubauquartier         bebetrieben. Zu diesen zählt auch
als wohnen» und der Stadt-    Neuhegi steht das Mehrgeneratio-       die Ida-Beiz. Nach einem frühen
entwicklung Zürich er­        nenhaus Giesserei. Es verfügt          Konkurs mit Leerstandsfolge und
arbeitet. Sie basiert auf     über 140 Wohnungen, die durch 10       einer Zwischennutzung durch Be-
der praktischen Entwick-      gemeinschaftlich genutzte Räume        wohnerinnen und Bewohner ist das
lung von Erdgeschoss­         ergänzt werden. In der Giesserei       Lokal seit 2017 wieder verpach-
nutzungen, bei der oft        leben rund 240 Erwachsene und          tet. Trotz seiner wechselvollen
Gastronomieangebote eine      über 100 Kinder und Jugendliche.       Geschichte ist das Restaurant
Rolle spielen. Die Publi-     Sie haben sich als Hausverein          stets das soziale Zentrum der
kation identifiziert          organisiert und verwalten ihre         Siedlung geblieben. Gleichzeitig
Schlüsselfaktoren und         Siedlung selbst. In der Siedlung       trägt die Ida-Beiz massgeblich
Stolpersteine für die Pla-    arbeiten rund 65 Voll- oder            zur Identitätsbildung des neuen
nung und formuliert nach      Teilzeitbeschäftigte in 14 Gewer-      Quartiers bei.
Prozessphasen gegliederte
Handlungsempfehlungen.
Problemstellungen und Emp-
fehlungen werden anhand
kronkreter Beispiele ver-
anschaulicht. Systemati-
sierte Erfahrungswerte auf
41 Seiten.
→ mehralswohnen.ch/publi-
kationen

                                      Ein wichtiger Treffpunkt für die Menschen im
                                      Winterthurer Neubauquartier    –    die Ida Beiz.

                                                                                                         9
Gastronomische
                                                                     Event-
         Konzepttypen                                                Gastronomie
                                                                                               Kulturlokal                 Club
                                                                                                 J         D

                                                                           Catering
                  Getränke-                  Tea Room
                  gastronomie                                               H
                                                                                               Sports-Bar                Pop up

                                                             Szene
Vision

                                               Café-Bar
                      Cocktail-                     S    P
                      Bar                                                                   Erlebnis

                                                                     Gehobene                        Ausflugsziel               Steakhouse
                      Pub                      Hotelbar              Gastronomie
                                                                                                      M                           C

                                                                           Spezialitäten-
                                                             Hype

                                   Preis                                   restaurant
                                                                                                                           Punkte- &
                                                                             R    I                                        Sterneküche
                                                                                                     Szenelokal
                  Schnell-                          Imbiss
                  gastronomie

                      Raststätte             Fast Food                                                              Genuss
                                             Outlet
                                                                     System-                                   Klassische
                      Bistro                                         gastronomie                               Gastronomie

                        B      G             Take Away
                                                I                          Gemeinschafts-                         Hotelrestaurant
                                                             Lage

                        K      L                                           verpflegung
                                                                                                                     A      F
                       N       T
                                                                                                 Angebot

                        U
                                                                           Self Service
                                                                                                                  Landgasthof
                                                                                                                     O
                                                                           Franchising
                                     Tempo

              Para-                            Bäckerei                    Betriebsketten                         Quartierbeiz
              gastronomie
                                                    P                                                                D

                    Metzgerei
                                                                             Marke

                                           Handels-                                                               Restaurant
                                                                     Beispielprojekte
                 Food Truck                gastronomie                                                               E      H
                                                                     Übersicht im Umschlag

                                                                       X     Beispiel dieses
                                                                             Konzepttyps
                                     Tankstellenshop
                                                                       X     Beispiel mit
                                                                             Mischkonzept                            Qualität

                                                                                                                Infografik: Superdot Studio
                                                                                                                     Quelle: desillusion.ch

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«Gastronomie geht überall,
je nachdem,
wer dafür bezahlt»

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Rafael Saupe begleitet als strategischer Gastronomieberater
Projekte, die Gastro-Nutzungen und Begegnungsräume
verbinden. Ein idealer Ansprechpartner also, um die Chancen
und Risiken von Gastronomie im Kontext von Alters- und
Generationensiedlungen einzuschätzen.
Das Gespräch führte Andreas Sidler

Als Berater haben Sie viele Gastronomieprojekte in der strate­      Ich stelle meine erste Frage anders. Was braucht es, damit
gischen Planung unterstützt. Wie gut funktioniert Gastro­           ein Gastronomieangebot in einer Alters- oder Generationen­
nomie im Umfeld von Alters- oder Generationensiedlungen?            siedlung kostendeckend funktioniert?
     Grundsätzlich geht Gastronomie überall, je nachdem,                 Auch an einem solchen Standort braucht Gastronomie wie
     wer dafür bezahlt. Das gilt auch in Alterssiedlungen.               überall hohe Frequenzen, also genügend potenzielle
                                                                         Gäste, die sich während der Öffnungszeiten im Umfeld des
Wie meinen Sie das?                                                      Lokals aufhalten. Das ist kein Garant, dass es funktioniert,
    Der durchschnittliche Schweizer Gastronomiebetrieb macht             sondern eine notwendige Bedingung.
    durchschnittlich 5 % Verlust. Rechnet man den Unter­
    nehmerlohn und die Eigenkapitalverzinsung, also den Zins-       Wenn das Siedlungskaffee als Treffpunkt für die älteren
    satz für die eigene Investition rein, dann sind 65 % der        Siedlungsbewohnerinnen und -bewohner dient, dann ist das
    Betriebe in der Schweiz in den roten Zahlen. Wenn der           sicher ein Vorteil.
    Betrieb nicht schliessen soll, dann muss irgendjemand für            Die Siedlung allein wird selten den benötigten Umsatz
    das Defizit aufkommen.                                               bringen. Ein Café braucht täglich zwischen 170 und 300
                                                                         Gäste, die vorbeikommen und einen Kaffee trinken.
Wer kommt dafür in Frage?                                                Vielleicht muss man sich als Träger einer Alterssiedlung
    Viel zu oft ist es der Wirt, der sich dafür selbst ausbeutet,        auch überlegen, ob man täglich so viele Menschen in
    sich wenig Lohn auszahlt und zu wenig in die Alters­-                der Liegenschaft haben will.
    vor­sorge einzahlt. Es gibt auch Betriebe, die durch Firmen
    querfinanziert werden, die Verpflegungs­bedarf haben.           Vielen geht es gerade darum, das Wohnumfeld der älteren
    Bei anderen Gaststätten ist es der Vermieter, der für die       Menschen zu beleben und auch andere Generationen in die
    Differenz aufkommt, um den Leerstand des Lokals zu              Siedlung zu holen.
    vermeiden oder auch aus Solidarität. Investoren finanzieren          Gastronomie schafft in erster Linie Aufenthaltsqualität. Das
    defizitäre Gastrobetriebe auch zur Standortförderung,                heisst, dass die Menschen, die bereits vor Ort sind,
    weil Gastronomie die Aufenthaltsqua­lität auf ihrem Areal            länger bleiben. Dass viele Menschen von weiter weg ange-
    erhöht.                                                              zogen werden, passiert selten. Ein Bistro oder Kaffee in
                                                                         der Siedlung braucht hohe Frequenzen, es schafft sie nicht.
Aber grundsätzlich sollte ein kostendeckender Betrieb
möglich sein, sonst hat man ein Problem.                            Kommen die Leute nicht auch wegen des Angebots?
    Dass der Umsatz die Kosten vollständig deckt, das ist              Natürlich. Es spielt eine Rolle, wie das Angebot aussieht.
    der Best Case. Wenn das nicht geht, müssen die restlichen          Aber auch, wann etwas angeboten wird und von wem.
    Kosten anderweitig finanziert werden. Das ist eigentlich           Um das richtige Angebot zu entwickeln, muss man aber den
    kein Problem, solange es im Finanzierungskonzept bereits           Markt sehr gut kennen.
    so vorgesehen ist. Die Defizitübernahme ist dann ein
    bewusster Entscheid. Lässt man sich aber von einer Finan­       Die Verantwortung für die Angebotsgestaltung liegt aber nicht
    zierungslücke überraschen, entstehen Zwangslagen –              bei der Trägerschaft, sondern beim späteren Wirt, der
    auch persönliche, was besonders tragisch ist.                   sich mit einem Businessplan bei der Bauträgerschaft bewirbt.
                                                                         Die Bauträger selbst müssen das Angebot schon vorher

                                                                                                                                 11
sehr konkret entwickeln, damit sie die Projektierung                weil die ja sowieso vor Ort verfügbar sind, der ignoriert
               machen können. Die Grösse des Lokals, die Infrastruktur,            die Arbeitsrealität im Gastgewerbe. Heterogene Zielgrup-
               die behördlichen Vorgaben – das alles ist je nach Be­               pen und individuelle Erwartungen, lange Öffnungszeiten
               triebstyp anders. Das wirkt sich stark auf die Investitions-        und Zusatzleistungen bedeuten Mehraufwand – und das an
               kosten und auf die bauliche Planung aus.                            einem Standort, wo die Umsatzmöglichkeiten sowieso
                                                                                   bereits beschränkt sind. Erst wenn man ein rentables Be-
         Ein Projektträger, der sich für ein Gastroangebot in der Sied­            triebskonzept entwickelt hat, kann man diskutieren, ob und
         lung entscheidet, muss also als Erstes eine Marktanalyse                  welche Zusatzleistungen möglich sind und wie sie finan-
         vornehmen und selbstständig ein Gastrokonzept entwickeln?                 ziert werden sollen. Das vorgängig entwickelte Gastrokon-
Vision

              Eigentlich sollte er das machen, bevor er sich für oder              zept ist dann die Grundlage und der Rahmen dafür. Ein
              gegen ein Gastroangebot entscheidet. Vielleicht merkt er,            Gastrobetrieb, der nach einem Jahr aufgeben muss, nützt
              dass an dem Standort langfristig kein finanzierbares                 niemandem.
              Gastromodell möglich ist. Dann gibt es wahrscheinlich bes-
              sere Lösungen, damit sich die älteren Menschen in der           Ist es denn überhaupt eine gute Idee, einen Gastrobetrieb
              Siedlung treffen können.                                        in eine Alterssiedlung zu integrieren, wenn die Möglichkeiten
                                                                              so eingeschränkt sind.
         Kann ein gut vernetzter oder lokal verankerter Wohnbauträger               Wenn man nach einer seriösen Analyse zum Schluss kommt,
         diese Marktanalyse und Konzeption selbst machen?                           dass in dieser Siedlung ein Gastrobetrieb langfristig über­
              In der Projektorganisation braucht die Trägerschaft jeman-            leben kann, dann ist es eine wunderbare Idee. Man schafft
              den, der für das Teilprojekt Gastronomie zuständig ist.               einen Ort, wo sich jeder willkommen fühlt und wo man in
              Es ist wichtig, alle Fakten zusammenzutragen, objektiv zu             Kontakt zu anderen Menschen kommt. Und das ist die
              bewerten und mit plausiblen Zahlen durchzurechnen,                    andere – die menschliche Seite der Gastronomie. Aber auch
              die auf Erfahrungswerten basieren. Viele Planer können                sie muss gelingen. Dazu braucht man die richtige Person,
              das gut. Es ist aber ein bekanntes Phänomen, dass die Res­            die das Lokal betreibt. Sie muss beide Seiten im Griff haben.
              taurant-Idee auch bei ihnen viel Goodwill auslöst. Sie finden         Im Gästeraum muss sie die offenherzige Gastgeberin sein,
              die Idee so gut, dass sie sich einen Best Case herbei­                im Büro dagegen als kühler Kopf die Kostenstruktur im
              rechnen. Fehlende Branchenerfahrung trägt ebenfalls ihren             Griff haben, für möglichst hohe Umsätze sorgen und die
              Teil dazu bei. Dann wird auf Basis einer romantischen                 Kosten bestmöglich kontrollieren. ●
              Vision konzipiert, geplant und realisiert. So kann nur per
              Zufall das Richtige herauskommen. Gerade in der Gastro-
              nomie ist eine Viertelmillion schnell falsch investiert.
              Danach kommen jährlich mehrere 10 000 CHF an Betriebs-
              defizit dazu, die eingeschossen werden müssen, damit
              der Betrieb weiterläuft und es keinen Leerstand gibt. Ich
              denke, es lohnt sich, in gastronomische Expertise zu
              investieren – sowohl in der strategischen Phase am Anfang
              als auch später bei der Projektierung. Gastronomie kann                                                          Im Interview
              man nicht nebenher planen und dann im Betrieb ad hoc der                                                         Rafael Saupe
              Marktsituation anpassen.

         Die älteren Menschen in der Siedlung haben besondere
         Bedürfnisse. Das Siedlungslokal kann für sie Dienstleistun­-                                          Rafael Saupe ist ursprüng-
         gen anbieten. Zum Beispiel einen Mittagstisch oder                                                    lich als Quereinsteiger
         einen Mahlzeitendienst. Wie integriert man das ins Gastro-                                            in die Gastronomie geraten
         Konzept?                                                                                              und bringt neben viel
              In erster Linie geht es darum, dass das Bistro, Kaffee                                           Praxiserfahrung einen
              oder Restaurant rentabel läuft. Ob es Dienstleistungen                                           Hotelfachschulabschluss,
              speziell für die Siedlung gibt und zu welchen Konditi­-                                          einen Master in Kulturma-
              onen, diese Fragen würde ich separat und nachgelagert                                            nagement sowie ein CAS
              klären.                                                                                          in Urban Management mit.
                                                                                                               Zusammen mit seinem
         Solche Zusatzleistungen sind für die Bauträger von Alterssied­                                        Geschäftspartner leitet er
         lungen aber oft zentral für ihr Wohnkonzept. Zum Beispiel,                                            die Firma desillusion & Co.
         wenn das Siedlungslokal die Funktion einer Anlaufstelle für die                                       Er führt Potenzialanalysen
         Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung hat.                                                          und Markt­beurteilungen
             Das mag sein. Trotzdem ist es wichtiger, dass der Betreiber                                       durch und begleitet Planer,
             des Lokals existieren kann. Man darf keine übersteiger­-                                          Architekten und Eigentümer-
             ten Erwartungen haben, was die Gastronomie neben ihrem                                            schaften in Arealentwick-
             Kerngeschäft sonst noch leisten soll. Wer den Service­                                            lungsprojekten.
             mitarbeitenden einfach Concierge-Funktionen zuweist,                                              → desillusion.ch

          12
Der strategische Entscheid braucht
ein konkretes Gastrokonzept

Der Entscheid für eine Gaststätte in der Siedlung muss früh                                     Gastronomie in der Siedlung ist als eigen­

                                                                                                                                              Vision
im Projekt fallen und prägt die Projektentwicklung danach                                       ständiges Teilprojekt in die Gesamtprojekt­
                                                                                                planung zu integrieren. Wie sich das gast­
über Jahre – vom Planungsprozess über die Realisierung bis                                      ronomische Teilprojekt in die einzelnen
hin zur Verwaltung und zum Wohnalltag. Deshalb braucht                                          Phasen des Bauprojekts einfügt, ist in der
                                                                                                Abbildung auf Seite 14 illustriert.
es eine konkrete Entscheidungsgrundlage.
Text Andreas Sidler
                                                                                                       «Je genauer die künftige
                                                                                                      Nutzung bekannt ist, desto
                                                                                                        besser lassen sich gute
Gastronomie ist ressourcenintensiv. Das          lungsfunktionen keinen Platz im ausgear­             Voraussetzungen planen.»
gilt nicht nur im Betrieb, sondern bestätigt     beiteten Gastro-Betriebskonzept, dann                 Planungshilfe FCSI & Zimmerli 3
sich bereits in der ersten Phase eines           müssen einerseits andere Lösungen dafür
Wohnbauprojekts mit gastronomischen              gefunden werden. Andererseits muss man
Ambitionen. Schon vor dem definitiven            entscheiden, ob Gastgewerbe in der Über­       Die Erarbeitung eines provisorischen Busi­
Entscheid für oder gegen ein Siedlungs­          bauung immer noch sinnvoll erscheint.          nessplans bedeutet für die Projektträger
restaurant sind umfangreiche Abklärungen                                                        viel Aufwand in einer frühen Phase des Ge­
und Analysen sowie vertiefte Konzept­                 «Das Grundbedürfnis an die                samtprojekts. Die Erfahrung zeigt, dass
arbeiten nötig. Nur so offenbaren sich Po­          Gastronomie ist die Begegnung.              sich der erhöhte Ressourceneinsatz in die­
tenzial und Risiken von Gastronomie in der               Doch der Markt und die                 ser frühen Projektphase im weiteren Pro­
geplanten Siedlung.                                Lage entscheiden, ob ein professio­          jektverlauf schnell amortisiert.
                                                     neller Gastrobetrieb überhaupt
In zwei Schritten zum Entscheid                               möglich ist.»                     Ein eigenständiges Teilprojekt braucht
Im einleitenden Kapitel in diesem Heft sind          V. Marterer, Architekt und Gastronom       Expertise
die Zielsetzungen beschrieben, welche die                                                       Bauherren sind jedoch selten Gastrono­
meisten Trägerschaften von Alters- oder                                                         men, weshalb in der Regel Experten bei­
Generationensiedlungen mit der Idee ei­                                                         gezogen werden müssen: Für die Analyse
nes Siedlungslokals verfolgen. Gerade weil            «Einem Projekt mit publikums­             von Standort und Marktpotenzial von Gas­
solche Siedlungsfunktionen für Wohnbau­          orientierten Nutzungen müssen teilweise        tronomie sowie für die Konzipierung emp­
träger im Vordergrund stehen, sollten ih­             umfangreiche Vorabklärungen               fiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem
rem Entscheid für oder gegen Gastrono­            und Konzeptarbeiten (z.B. im Gastro­          strategischen Gastronomieberater. Für die
mie in der Siedlung zwei analytische                 bereich) vorangehen, damit eine            Projektierung drängt sich die Begleitung
Arbeitsschritte vorausgehen:                        robuste Basis für Vermarktung und           durch einen Gastro-Fachplaner auf, und
      Im ersten Schritt prüft die Träger­                 Vermietung geschaffen                 auch für Pachtverträge bietet sich die Zu­
schaft, ob es konkrete Möglichkeiten für                      werden kann.»                     sammenarbeit mit einem spezialisierten
ein rentables Gastroangebot am vorgese­             Publikation «Lebendige Erdgeschosse» 1      Juristen an.
henen Standort gibt. Nur wenn sich ein be­                                                            In den meisten Projekten, bei welchen
triebswirtschaftlich sinnvolles Gastrokon­                                                      in der Planungsphase auf entsprechende
zept herauskristallisiert, kann sie in einem     Basis für Projektierung und Verpachtung        fachliche Expertise verzichtet worden war,
zweiten Schritt eruieren, ob das Siedlungs­      Die frühen Abklärungen und konzeptuel­         musste ein entsprechender Gastronomie-
lokal auf dieser Basis die gewünschten           len Arbeiten, bei denen die Trägerschaft       Experte nach der ersten Betriebsphase
Siedlungsfunktionen überhaupt ausüben            quasi einen provisorischen Businessplan        konsultiert werden, um dem Betrieb aus
kann und was die Rahmenbedingungen da­           entwickelt, sind nicht nur für den strategi­   der Schieflage zu helfen. ●
für sind – baulich, finanziell und personell.    schen Entscheid eine essenzielle Grundla­
      Erst jetzt ist es möglich, den strategi­   ge. Sie sind auch notwendig für eine kor­
schen Entscheid zu fällen, ob ein gastro­        rekte Projektierung und Ausschreibung
nomisches Angebot zum Gesamtprojekt              des Bauprojektes 2. Zudem ist dieses erste                           Umschlag
gehören soll oder nicht. Wer in der Lage         Gastrokonzept eine nützliche Schablone                               Innenseite
ist, die vorgesehenen Zusatzaufgaben für         bei der Suche nach dem passenden Betrei­
die Siedlung sinnvoll in sein provisorisches     ber mit den nötigen Kompetenzen und dem                    Die Übersicht der Projekt-
Gastrokonzept zu integrieren, kann mit           Sinn für standort- bzw. umfeldgerechte                     beispiele A – U befindet
der Planung beginnen. Finden die Sied-           gastronomische Leistungen.                                 sich im Umschlag.

1  
   Lesetipp: S.   9
2  
   Siehe S.   48 + 49
3   
    Lesetipp: S.  50
                                                                                                                                         13
Gastronomieentwicklung im Kontext                                                                 S strategischer Gastronomieberater

         der Bauprojektphasen nach SIA 112                                                                 R spezialisierte Rechtsberatung

         Die wichtigsten Schritte für Trägerschaften im Überblick                                          F    Gastro-Fachplaner

                                                                                                         S. X   Beitrag zum Thema

           SIA 1 Strategische Planung                          SIA 2 Vorstudie
Vision

              Vision                                             Analyse

                                      S. 4   S. 8                                            S     S. 17                                     S     S. 19
                  Betrieb                                              Markt                                      Objekt
                  Gastronomie als:                                     · Standort & Umgebung?                     ·   Räume & Flächen?
                  · Idee                                               · Konkurrenz & Angebot?                    ·   Wege & Kapazitäten?
                  · Element im Siedlungs-                              · Zielgruppen & Nachfrage?                 ·   Technik & Installationen?
                    konzept                                            · Frequenzen & Zeiten?                     ·   Rechtliche Vorgaben?
                  · Funktionsträgerin für                              · Standortentwicklung?
                    Siedlung

                         Konzeptentwicklung
                                                    S   S. 30                            S       S. 30                                  S        S. 30
                             Markt                                   Objekt                                     Betrieb
                             Definition von:                         Entwicklung Raum-                          Skizzieren von:
                             · Betriebstyp                           programm, Zonen & Wege                     · Kernidee / Werten
                             · Zielgruppenausrichtung                Skizzieren von:                            · Angebotsstruktur
                             · Konzeptausrichtung                    · Kapazitäten                              · Serviceformen
                             · Positionierung                        · Bedarf Infrastruktur                     · Betriebszeiten
                                                                     · Interior Design

                                                           S     R   S. 32   S. 52                                               S   S. 24       S. 32
                             Organisationsstruktur                                    Finanzierung
                             Definition Betreibermodell:                              Herleitung:
                             · Vermietung (im Rohbau?)                                · Betriebsbudget
                             · Verpachtung                                            · Investitionsbudget
                             · Betriebsführung im Anstellungsverhältnis               · Vermietungs- / Verpachtungsmodell
                             · Management in Auftrag                                  Prüfung Anschubfinanzierung

               Fusion der Konzepte                                    Entscheid                                   Gastronomie ja
                                                    S   S. 34
                   Prüfung:
                   · Integration des Gastrokonzepts ins
                     Siedlungkonzept
                   · Integration der Siedlungsfunktionen
                     ins Gastrokonzept
                                                                      Gastronomie nein                            Entwicklung anderer
                                                                                                                  Lösungen und
                                                                                                                  Nutzungen

                                                                                                                  Infografik: Superdot Studio
                                                                                                                       Quelle: desillusion.ch

         14
SIA 3 Projektierung                                                 SIA 4 Ausschreibung

Betreibersuche
                                  S   S. 52                                     S. 56                                  S. 32
     Betrieb                                         Organisationsstruktur                   Finanzierung
     ·   Definition Profil                           Verhandlungen           S    R          Festlegen:            S      R
     ·   Inserieren und Networking                   Vertragsabschluss                       · Investitionshilfen

                                                                                                                                    Vision
     ·   Analyse Bewerbungen                         Vereinbarungen:                         · Anschubfinanzierung
     ·   Vorselektion und Gespräche                  · Synergien & Zusammenarbeit            Vertragsabschluss
     ·   Selektion                                   · Kommunikation & PR

Planung                                                                      Ausschreibung
                                                 S     F       S. 45                                            F      S. 48
     Objekt                                                                       Objekt
     Konkretisierung / Details:                                                   · Formulieren von Vorgaben und
     · Raumprogramm, Zonen & Wege                                                   Rahmenbedingungen
     · Kapazitäten & Infrastruktur                                                · Auswahlkriterien und Service für
     Entwicklung Interior Design                                                    Inventar festlegen
     Definition Zonen mit Mehrfachnutzung

                                                                                                                F      S. 48
                                                                                  Organisationsstruktur
                          S                                S      F
     Organisations-                   Finanzierung                                Koordination zwischen:
     struktur                         Festlegung                                  · Bauherr
     Einbindung                       Investitionsbudget                          · Architekt & Planer
     Betreiber                                                                    · Betreiber
                                                                                  · Behörden

     SIA 5 Realisierung                                                  SIA 6 Bewirtschaftung

          Realisierung                                                       Etablierung
                              F                                   F
              Objekt                   Betrieb                                    Finanzierung
              · Kontrolle              Inbetriebnahme                             Anschubfinanzierung gemäss Vertrag
                Umsetzung              · Infrastruktur
              · Abnahmen               · Inventar
                                       Betrieb einrichten
                                                                                  Objekt
                                                                                  · Unterhalt Infrastrukur
                                                                                  · Bauliche Anpassungen
                                                                  F               · Wartungs-/Serviceverträge
              Organisationsstruktur
              Koordination zwischen:
              · Bauherr
              · Architekt & Planer                                                Betrieb
              · Betreiber                                                         Zusammenarbeit nach Vereinbarung
              · Behörden                                                          Evtl. Aufbau Dienstleistungen
                                                                                  Konzeptionelle Anpassungen

                                                                                                                               15
Analyse und
Konzept
Analyse & Konzept
Erste Schritte
für eine
Standortanalyse
Es gibt verschiedene gastronomische Erfolgsfaktoren, die man durch
Planung und im Betrieb beeinflussen kann, aber nicht den Standort.
Er ist vorgegeben und definiert das Feld der Möglichkeiten. Der Stand-
ort sowie die Qualitäten des direkten Umfelds entscheiden, ob und in
welcher Form ein gastronomisches Angebot in eine Wohnsiedlung inte-
griert werden kann. Die Standortanalyse ist deshalb der erste Schritt
in der Planung eines solchen Angebots. Dazu gehören die Abklärung des
Marktumfeldes und die Analyse des Bauobjekts.
Text Andreas Sidler Fotos Ursula Meisser

                                                                         17
Analyse & Konzept

                    Für die Ida-Beiz sind Firmen und Betriebe im
                    nahen Umfeld wichtige Frequenzbringer.

                    Fokus auf den Markt –                                                                           «Im Sommer und
                                                                                                                  Herbst sind für uns die
                    Nachfragepotenzial ermitteln                                                                   Velofahrer wichtig.»
                                                                                                             M. Weber, ehem. Genossenschaftsvorstand
                    Die Marktanalyse zeigt, welche Zielgruppen überhaupt als Gäste fürs Siedlungs­                      und Betriebsleiterin
                    lokal in Frage kommen und welches Konsumverhalten zu erwarten ist. Daraus                                   G
                    lassen sich mögliche Betriebstypen und Konzeptausrichtungen ableiten. Es gilt aber
                    nicht nur die Nachfrage, sondern auch das bestehende lokale Angebot – die
                    gastronomische Konkurrenz im direkten Umfeld – zu erfassen.
                                                                                                                    «Die Lehrer des
                    Frequenzen                                                                                nahegelegenen Schulhauses
                    Die Bevölkerungsstruktur im Einzugsgebiet ist oft die erste Information, die eingeholt      beschwerten sich, weil
                    wird. Dazu können statistische Daten beigezogen werden, wie die Einwohnerzahl der         es das Cordon bleu auf dem
                    Region, der Gemeinde, des Quartiers, der Siedlung etc. Solche Daten sagen jedoch noch
                                                                                                               Wochenmenü jeweils nur
                    wenig über die gastronomische Nachfrage aus. Wichtig sind die Frequenzen vor Ort:
                                                                                                             am Mittwochmittag gibt, wenn
                    Wie viele und welche Personen sind wann – also zu welcher Tageszeit, an welchem Wo-
                    chentag, in welcher Jahreszeit – effektiv vor Ort.
                                                                                                                 am Nachmittag überall
                         Ein besonderes Augenmerk gilt den sogenannten Frequenzbringern. Darunter ver-               schulfrei ist.»
                                                                                                                P. Fehrlin, Genossenschaftsvorstand
                    steht man Orte im Umfeld des Lokals, welche für Laufkundschaft sorgen – und bei er-
                    folgreicher Kundenbindung auch für Stammkundschaft. Zu den Frequenzbringern ge-                             B

                    hören beispielsweise Läden und andere Betriebe mit ihren Kunden und ihrem Personal,
                    Büroareale, Behörden, Bildungsinstitutionen mit Schülerinnen, Studenten und Lehrer-
                    schaft, Freizeit- und Sportanlagen, Ausflugsziele, Kinos und Theater, aber auch Bahn-
                    höfe und andere wichtige Verkehrsknotenpunkte.
                         Es sind diese Frequenzbringer, welche die potenziellen Zielgruppen für das Lokal
                    definieren. Es handelt sich dabei oft um Kundengruppen mit unterschiedlichen Bedürf-

                     18
nissen bezüglich Angebot, Preisniveau, Öffnungszeiten und Infrastruktur. Gewisse Ziel-         «An diesem Standort leben
gruppen können sich im Rahmen eines Betriebskonzepts ergänzen (Kundschaft für Mit-            wir von den Angestellten aus
tags- und Abendgeschäft bzw. werktags und Wochenende), andere schliessen sich aus.               den Bürogebäuden der
                                                                                             Grossfirmen. Die Bewohnenden
Bedarf im zeitlichen Kontext                                                                     hätten gerne eine Beiz,
Der spezifische Bedarf der Personen im Umfeld der Gaststätte kann sich je nach Tages-
                                                                                              wo sie jederzeit in Pantoffeln
zeit stark verändern. «Über Mittag sucht jemand ein schnelles, gutes und günstiges Ver-
                                                                                                   einen Kaffee trinken
pflegungsangebot. Am Abend will die gleiche Person ein kulinarisches Erlebnis in guter
Gesellschaft geniessen, für das sie bereit ist, Geld auszugeben», erklärt Rafael Saupe
                                                                                             können. Sie wissen nicht, dass
das variierende Kundenverhalten. Es ist mit ein Grund, weshalb statistische Daten zur           sich das nicht finanzieren
Kaufkraft der Bewohner im Einzugsgebiet beschränkte Aussagekraft haben.                                   lässt.»
                                                                                                   Ch. Fitzinger, Betriebsleiterin
                                                                                                                 H
Konkurrenzsituation
Der Bedarf prägt die Nachfrage und das Angebot hat sich danach zu richten. Das wis-
sen auch die Mitbewerber im Umfeld des geplanten Lokals. Auch ihr Angebot ist in die
Analyse des Nachfragepotenzials einzubeziehen. Gut frequentierte Gebiete ziehen Wett-          «Als noch in der Nähe ein

                                                                                                                                          Analyse & Konzept
bewerb an. Das muss nicht negativ sein, weil die Auswahlmöglichkeiten den Ort für Kun-          anderes Restaurant und
dinnen und Kunden attraktiv machen.                                                          im Dorf ein Weinkeller öffnete,
                                                                                               war das Angebot zu gross
Entwicklungsprognosen – mit Vorsicht zu geniessen
                                                                                                für ein so kleines Dorf.»
Für städtebauliche Entwicklungsgebiete und grosse Arealüberbauungen werden jeweils           M. Weber, ehem. Genossenschaftsvorstand
Entwicklungsprognosen über mehrere Jahre erstellt. Wer als einzelner Wohnbauträger                      und Betriebsleiterin
sein Projekt in einem solchen Umfeld plant, sollte diese Voraussagen nur mit Vorbehalt
                                                                                                                 G
in seine Gastroplanung einbeziehen. Das Gastrokonzept muss in der Gegenwart renta-
bel sein, wenn es in der Zukunft noch existieren soll. Investiert ein Wohnbauträger in
eine Gaststätte, die auf das zukünftige Marktumfeld ausgerichtet ist, dann ist das in ers-
ter Linie eine Investition in die Arealentwicklung. Sie wird sich erst langfristig rechnen    «Die Angestellten der Firmen
und kurz- bis mittelfristig eher Kosten verursachen. Es ist deshalb legitim, Beteiligungs-     haben gerne Abwechslung.
möglichkeiten des Baurechtgebers oder der Stadtentwicklung abzuklären.                       Sie essen mal hier, mal vorne in
                                                                                                   der Pizzeria oder im
Fokus auf das Objekt –                                                                         Restaurant auf der anderen
                                                                                                    Seite des Parks.»
bauliche und logistische Rahmen­                                                                     V. Kilgour, Betriebsleiter
                                                                                                                 D

bedingungen ermitteln
Nicht nur das Marktumfeld definiert die Möglichkeiten für Gastronomie. Ebenso                «Die Lage hier am Eck mit den
wichtig sind die Lage innerhalb der Liegenschaft sowie die Rahmenbedingungen                       grossen Fenstern ist
für Infrastruktur und Logistik. Sie haben einen direkten Einfluss auf das Umsatz­            eigentlich sehr gut. Man sieht,
potenzial und die Ausrichtung des späteren Betriebs.                                             dass hier Leute im Lokal
                                                                                               oder auf der Terrasse sind.
Lage: Gastronomie braucht Erreichbarkeit und Sichtbarkeit
                                                                                             Leider ist der Spielplatz auf der
Weil ein Siedlungslokal nicht allein von den Anwohnern leben kann, muss der Standort
gut erschlossen sein. Die Entfernung von ÖV-Haltestellen und von den wichtigsten Fre-
                                                                                                 anderen Seite des Parks.
quenzbringern sollte nur wenige Gehminuten betragen. Ausser in belebten Fussgänger-           Es gibt Leute, die wohnen seit
zonen sind auch genügend Parkplätze in unmittelbarer Nähe notwendig.                              zwei Jahren da vorne
      Die Position des Lokals in der Siedlung ist ebenso wichtig wie der Standort der Lie-   und wissen nicht, dass hier ein
genschaft selbst. Hier stellt sich die Frage nach den Verkehrsströmen und -richtungen                 Restaurant ist.»
in und um die Liegenschaft – sowohl beim Langsamverkehr wie beim motorisierten Ver-                  V. Kilgour, Betriebsleiter
kehr. Ein starker Frequenzbringer in der Nähe nützt nichts, wenn die Leute von dort aus                          D

in die andere Richtung verschwinden.
      Die Positionierung in der Siedlung muss zudem den logistischen Ansprüchen bei
der Warenanlieferung genügen. Diese muss von der Zufahrt über die Lagerräume bis in
die Küche effizient gestaltet sein und sollte die anliegenden Wohnzonen möglichst we-
nig beeinträchtigen.
      Auch die Positionierung zu den öffentlichen und halböffentlichen Begegnungszo-
nen in der Siedlung und im Quartier sowie die Nachbarschaft zu privaten Wohnberei-
chen sind zu beachten. Die räumlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Nut-
zungs- und Verkehrszonen können für die Entwicklung eines Gastrokonzepts

                                                                                                                                     19
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