Bühne frei für Größen aus Kultur, Gesellschaft und Politik - Gratis - Herbstzeitlose
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
www.herbstzeitlose-magazin.de Ausgabe 09.2018 · September · Oktober · November Gra tis itnehmen zum M BühneausfKrulteuir, für Größen litik Gesellschaft und Po Fest der lebendigen Buchkultur: 23. Literatur Tage Lauf 2018
EDITORIAL Foto: Andreas Roch Stephan Bühring und Michael Kniess (r.) Liebe Leserinnen und Leser, „Ist das eine Hitze“ – wie oft ist dieser Satz nicht in den vergangenen Wochen ob der Temperaturen in diesem Sommer gefallen. Flächenbrände, sinkende Pegelstände, massive Ernteausfälle – das sind die Folgen der monatelangen Trockenheit in Deutschland. For- scher warnen bereits eindringlich vor einer „Heißzeit“ auf der Erde – selbst im Fall eines Einhaltens der Pariser Klimaziele. Das Wetter hat seit dem Erscheinen der Juniausgabe unserer Herbstzeitlosen wahrlich für Gesprächsstoff gesorgt. Auch wir haben dies zum Anlass genommen, um unsere Heftplanung ein wenig anzu- passen. Zwar ist die Herbstzeitlose kein tagesaktuelles Magazin, dennoch sind wir natür- lich immer bemüht, auch aktuelle Themen aufzugreifen. In unserer Titelgeschichte haben wir uns deshalb allerlei Gedanken über das belebte und belebende Element Wasser ge- macht, statt uns wie ursprünglich geplant dem fränkischen Holzkamm zu widmen. Aber keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, das wird natürlich nachgeholt – versprochen. Und auch sonst haben wir wieder ein buntes Potpourri an unterhaltsamen und in- formativen Artikeln für Sie zusammengestellt. Wissen Sie beispielsweise, welcher Begriff aus den griechischen Wörtern „Paraskave“ und „Dekatria“ abgeleitet wird? Das erfahren Sie in der Septemberausgabe genauso, wie wir auf das Jubiläum eines ganz besonderen fränkischen Verlags blicken, der sich seit 30 Jahren der Lebenskunst verschrieben hat. Selbstredend haben wir auch sonst wieder Wissenswertes und Informatives rund um die Themen „Gesundheit“, „Sicherheit“, „Reisen“ und Co. zusammengestellt. Wir hoffen, dass Sie nach Lektüre dieser Herbstzeitlosen mit Freunden, Bekannten und Familie nicht nur über das Wetter ins Gespräch kommen, sondern vielleicht ja auch über den ein oder anderen unserer Artikel. Herzlichst, Stephan Bühring Michael Kniess Herausgeber Redaktionsleitung
INHALT AUSGABE HERBST // SEPTEMBER · OKTOBER · NOVEMBER 2018 Inhalt 10 Titel 38 Reise und Erholung 10 Über ein kostbares und gefährdetes Gut 58 Auf dem Meer zu Hause 41 Herbstzeit am schönen Achensee 13 Aktuelles 13 Der rasche Zerfall einer einstigen Macht 42 Ratgeber 14 Im Fall des Falles gut gerüstet 42 Sicherheitstipps Ihrer Polizei 16 Gemeinsam fit durchs ganze Leben 18 „Wir dürfen weder das eine noch das 45 Film & Fernsehen andere als Selbstverständlichkeit 45 „Stadt, Land, Haus – ansehen“ So wohnt Deutschland“ 20 Teilhabe auf Augenhöhe 22 Zehn Jahre Landkreis Erzgebirgskreis 46 Unterhaltung 46 Kurzgeschichte 23 Modernes Leben 49 Buchtipp 23 Kein Tag, um im Bett zu bleiben 50 Raten & Knobeln 24 Die große Freiheit spüren und die Welt entdecken 53 Kultur 27 Der Generalschlüssel für 53 Regionale Verankerung und behindertengerechte Toiletten ein offener Blick auf die Welt 28 Viel mehr als nur Gesang 56 Bühne frei für Größen aus Kultur, 30 Gockel Hans vertreibt die Einsamkeit Gesellschaft und Politik 32 Gesundheit und Sport 58 Veranstaltungen & Termine 32 Lückenfüller im Überblick 58 Die Erlebnismesse im Herbst 34 Rehabilitation mit Kompetenz, Qualität 58 Vom Geheimtipp zum Pflichttermin und Menschlichkeit 59 Veranstaltungskalender 36 „Wir brauchen auch auf dem Land 66 Der kleine Herbstzeitlose-Kalender Pflege-Angebote vor Ort“ Impressum: Herausgeber (V. i. S. d. P.): Stephan Bühring Verlag: Stephan Bühring Verlag, Bayreuther Straße 1, 91054 Erlangen, Telefon 09131.53020-85, Fax 09131.53020-89, www.herbstzeitlose-magazin.de, info@herbstzeitlose- magazin.de Redaktionsleitung: Michael Kniess Redaktion: Stephan Bühring, Carolin Nagel, Patrick Sandner, Silke Bobbert Autoren: Johann Meixner Anzeigen: Christine Lippitsch, Hella Schröder, Frank Lippitsch, Telefon 09131.53020-88 Produktion: bühring werbeagentur, Erlangen. Die Herbstzeitlose erscheint vier Mal im Jahr und wird im Landkreis Nürnberger Land verteilt. Es gelten die AGB des Stephan Bühring Verlags und die Anzeigenpreis- liste vom 01.01.2018 4 HERBSTZEITLOSE
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN Meldungen Projekt vor und betonte, dass möglichst viele Menschen erreicht werden sollen um gemeinsam und generationsverbindend die Kinoleinwand neu zu erleben. Die Filmauswahl orientiert sich an den Interes- sen der Zielgruppe und den Ergebnissen des Filmbeirats von Silberfilm. Neben Foto: LRA/Julia Hoffmann Nürnberg sind bislang Hersbruck mit dem Nikolaus-Selnecker-Haus und das Kulina- rio in Hartenstein im Landkreis beteiligt. Nach den Vorstellungen der Organisatoren von „Silberfilm“ sollen durch den Aufbau Informationsveranstaltung zum Projekt „Kulturnetz- lokaler Allianzen in Zusammenarbeit mit werke Silberfilm“: Werner Schramm (Aischtaler den Kommunen bald noch mehr Spielorte Filmtheater e.V.), Veronika Nette (Seniorenbeauf- tragte Gemeinde Burgthann), Sonja Arnold (Silber- im Landkreis Nürnberger Land entstehen. film), Angelika Feisthammel (Behindertenbeauf- Die nächste Veranstaltung findet am 11. tragte), Ulrike Schramm (Aischtaler Filmtheater e.V.), Oktober mit der Vorführung der Komödie „Alte Jungs“ in Hartenstein statt. u Anja Gruhl (Koordinationsstelle Seniorenarbeit), Sa- bine Distler (Silberfilm), Herbert Schlittenbauer (Lichtspielfreunde City-Kino Hersbruck e.V.) (v. l.). „Manege frei“: Ausstellung Kino nicht nur für ein junger Künstler im Landratsamt „silbernes“ Publikum „Manege frei“ heißt es für 40 farbenfrohe Zu einer Informationsveranstaltung zum Zirkusclownsbilder, gemalt von Schülern Projekt „Kulturnetzwerke Silberfilm“ be- der Grundschulen in Behringersdorf und grüßte Anja Gruhl, Leiterin der Koordina- Schwaig. Die Ausstellung im ersten Stock tionsstelle für Seniorenarbeit, Verantwort- des Landratsamts ist noch bis zum 5. Ok- liche, Organisatoren, Interessierte und Se- tober zu den üblichen Öffnungszeiten zu niorenbeauftragte im August im Landrats- besichtigen. Die Kinder im Alter von fünf amt in Lauf. Ziel des Projektes ist es, Kino bis elf Jahren erstellten die Zeichnungen und damit kulturelle Teilhabe wohnorts- im Rahmen eines Mitmach-Zirkusprojekts. näher anzubieten. Das Angebot richtet Die schönsten Arbeiten wurden prämiert, sich insbesondere an Senioren, Menschen das Gewinnermotiv auf T-Shirts für alle mit Assistenzbedarf, Angehörige und Be- Kinder gedruckt. Landrat Armin Kroder gleiter. Sabine Distler ist Gründerin von und Bürgermeisterin Ruth Thurner freuten „Curatorium Altern gestalten“ und Pro- sich bei der Eröffnung über die farbenfro- jektleiterin von „Silberfilm“. Sie stellte das hen Werke und bewunderten deren Detail- 6 HERBSTZEITLOSE
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN reichtum und Ausdruckskraft. Die fröhli- wickelt. „Wir wollen die Anliegen unserer chen und strahlenden Kinderaugen so- Bürger möglichst effizient bearbeiten und wohl bei der Zirkusshow als auch bei der immer besser werden“, betonte Landrat Vernissage waren für Schulleiterin Petra Armin Kroder. „Diese Prozessoptimierung Götz das Zeichen, dass das Projekt bei den ist erforderlich, um Abläufe in unserem Kids sehr gut angekommen ist. u Amt bestmöglich digital abbilden zu kön- nen.“ Die Mitarbeitenden und der Perso- Eine Million Senioren nalrat werden in diesen kontinuierlichen über 85 leben alleine Verbesserungsprozess ebenso eingebunden Die Zahl der Single-Haushalte in Deutsch- wie die Kreispolitik. „Steigende Aufgaben- land wächst weiter – und immer mehr Alte fülle, Arbeitsverdichtung und Digitalisie- leben allein. Laut Statistischem Bundesamt rung, die zur bisherigen analogen Welt zu- gab es im vergangenen Jahr 17,3 Millionen sätzlich hinzukommt, stellen ein dynami- Single-Haushalte – 430.000 (2,55 Prozent) sches, herausforderndes Umfeld für die mehr als 2016. Besonders stieg die Zahl al- Mitarbeitenden dar, in dem wir ihnen Si- lein lebender Senioren. In 5,77 Millionen cherheit und Orientierung bieten wollen“, Single-Wohnungen waren die Bewohner so Armin Kroder. u über 65. Zehn Jahre zuvor (2007), lag die Zahl noch bei 5,36 Millionen. In 1,08 Mil- lionen Ein-Personen-Haushalten waren die Bewohner sogar schon über 85 Jahre alt. Das sind 29 Prozent mehr als 2007, mit da- mals 837.000 Haushalten über 85-Jähriger. Auch interessant: Mehr als ein Drittel (36,4 Prozent) aller Single-Haushalte lebte von Rente beziehungsweise Pension. u Führungskräfte beschäftigen sich mit Prozessoptimierung Die Abläufe für Bürger verschlanken und beschleunigen – diesem Ziel haben sich die Führungskräfte des Landratsamts zu- sammen mit Landrat Armin Kroder ver- schrieben. Auf dem Führungskräftedialog im Dehnberger Hoftheater im Juli stellte die Firma i-Sys dazu ihr Konzept vor. Dem- nach wird es ein Pilotsachgebiet geben, dessen Abläufe bei der Leistungserbrin- gung für die Bürger analysiert und weiter optimiert werden. Daraus wird ein modell- haftes Vorgehen für kontinuierliche Pro- zessoptimierungen im gesamten Haus ent- HERBSTZEITLOSE 7
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN gen. In den letzten Jahren haben osteuro- Bild: BIGE päische Pflegerinnen, Betreuungskräfte oder Haushaltshilfen diese Aufgaben ver- mehrt übernommen. Sie leisten Tätigkei- ten der Grundpflege, wie Waschen oder Anziehen und leben im Haushalt des hil- febedürftigen Menschen. Viele Pflegebe- dürftige und auch viele Angehörige wissen „Glückliche Kinder brauchen oft jedoch nicht, was sie beachten müssen, beide Eltern – und Oma und Opa“ um eine solche Hilfe legal zu beschäftigen. Die Bundesinitiative Großeltern (BIGE) for- Tipps liefert dazu die Zentrale Auslands- dert ein neues, zeitgemäßes Familienrecht und Fachvermittlung (ZAV) in Bonn, Tele- für Deutschland. „Glückliche Kinder brau- fon 0228 7132132 oder E-Mail an chen beide Eltern – und Oma und Opa“, zav.haushaltshilfen@arbeitsagentur.de. u sagt die Vorsitzende Annemie Wittgen. www.zav.de „Auch nach Trennung und Scheidung.“ Die BIGE unterstützt die entsprechende derzeit Repräsentative Studie: laufende Petition vor dem Deutschen Bun- Deutsche wissen zu wenig destag für das gesetzliche Leitbild der Dop- über Alzheimer-Erkrankung pelresidenz (Zwei-Zuhause-Modell). „Das Nachholbedarf bei der Alzheimer-Aufklä- Schlimmste für die Kinder ist ein komplet- rung: Jeder zweite Deutsche fühlt sich ter Kontaktabbruch“, warnt Vorstand Ingo nicht ausreichend über die Alzheimer- Botterbrodt eindringlich. „Und das betrifft Krankheit informiert. Davon gaben 41 auch Omas, Opas, Tanten und Onkel.“ Prozent an, dass sie weniger gut informiert 150.000 Kinder verlieren jährlich den Kon- seien, weitere neun Prozent berichteten, takt zu ihrer ausgegrenzten Familie. „Mit dass sie gar nicht gut Bescheid wissen. Das dieser Gerichtspraxis muss nun endlich zeigt eine repräsentative Umfrage im Auf- Schluss sein“, fordert Annemie Wittgen. „Es trag der gemeinnützigen Alzheimer For- ist das natürliche Recht der Kinder, auch schung Initiative e.V. (AFI). mit den Großeltern gemeinsam eine schöne Mit ihrer Aufklärungsarbeit schafft die Zeit zu verbringen.“ 60 Persönlichkeiten aus AFI Abhilfe, um den Anteil derer, die sich Wissenschaft, den Professionen und der Ge- informiert fühlen (47 Prozent), weiter zu sellschaft haben daher die Petition für ein erhöhen. Dazu informiert die AFI mit kos- modernes Familienrecht gestartet. Unter- tenlosen Ratgebern und Broschüren wie schriftenlisten gibt es im Internet. u dem Titel „Die Alzheimer-Krankheit und www.doppelresidenz.org andere Demenzen“. Ergänzt wird das An- gebot durch die Webseite www.alzheimer- Betreuungskräfte aus dem In- forschung.de und die telefonische Bera- und Ausland legal beschäftigen tung unter 0211 – 86 20 66 0. Alle Bro- Plötzlich ein Pflegefall in der Familie: Oft schüren können über die Webseite und te- können Angehörige Pflegebedürftige lefonisch bestellt werden. u nicht allumfassend betreuen und versor- 8 HERBSTZEITLOSE
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN Kreisarbeitsgemeinschaft Multi- resistente Erreger (KARE) tagte Im Juli trafen sich im Landratsamt Nürn- berger Land Vertreter von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie des Ge- sundheitsamts zum Erfahrungsaustausch im Umgang mit besonders widerstandsfä- higen Keimen. Seit der Gründung der Kreisarbeitsgemeinschaft Multiresistente Erreger (KARE) im Jahr 2009 findet die Ver- anstaltungen einmal jährlich zu aktuellen Themen des Infektionsschutzes statt. Die gleichbleibend hohe Teilnehmerzahl zeigt das unverändert hohe Interesse. Auch bei der zehnten Veranstaltung konnten die Re- ferenten durch ihre Vorträge mit anschau- lichen Beispielen aus der Praxis für das Thema der Hygiene sensibilisieren. Professor Richard Stangl von den Sana Kliniken Rummelsberg informierte etwa über das dort praktizierte Konzept zur Ver- hinderung des Einschleppens von resisten- ten Erregern in die Einrichtung. So wird jeder Patient vor der stationären Aufnahme einer orientierenden Untersuchung unter- zogen. Dadurch können mögliche Besiede- lungen mit Problemkeimen erkannt und er- forderliche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Im anschließenden praktischen Übungsteil konnten die Teilnehmer die Qualität ihrer eigenen Händehygiene über- prüfen und Fragen im Gespräch mit Katja Rösch von den Kliniken Nürnberger Land oder Armin Mergl und Jürgen Imschloß vom Gesundheitsamt klären. Abschließend beantwortete Uwe Drochner vom Gesund- heitsamt Nürnberger Land die zur Veran- staltung eingereichten Fragen. Auch hier steht im Umgang mit hygienischen Proble- men die Beratungsfunktion der Behörde im einvernehmlichen Vorgehen mit allen Be- teiligten im Vordergrund. u HERBSTZEITLOSE 9
TITEL Über ein kostbares und gefährdetes Gut Zum Wasser drängt, am Wasser hängt doch alles – Gedanken zu einem besonderen Element W asser ist Leben. Ohne Wasser ist bensnotwendig. Das Lebenselixier über- die Erde, wie wir sie kennen, nimmt wichtige Funktionen. Es transpor- unvorstellbar. Wir Menschen tiert Nährstoffe und Abbauprodukte, es ist bestehen zu mehr als 60 Prozent aus H2O. Bestandteil von Zellen und reguliert un- Wassermangel bedeutet Tod. Als belebtes sere Körpertemperatur. Eineinhalb Liter und belebendes Element spielt Wasser sollen wir laut Deutscher Gesellschaft für auch in Religionen und Kulturen eine Ernährung (DGE) im besten Fall trinken. wichtige Rolle – bis in die Gegenwart. Wenn wir Sport treiben oder bei heißen Doch was wissen wir eigentlich über H2O? Temperaturen mehr schwitzen, erhöht Klar, ausreichendes Wassertrinken ist le- sich diese Menge entsprechend. „Die außergewöhnlichen Eigenschaften des Wassers haben wichtige Folgen für die Dynamik der Meere und der Atmosphäre und spielen ohne Zweifel eine Schlüssel- rolle bei der Entstehung des Lebens auf un- serem Planeten“, schreiben die Autoren des „Thesaurus der exakten Wissenschaf- ten“. Das fängt schon mit uns an. Bei allen Lebewesen macht Wasser etwa 70 Prozent ihrer Zellmasse aus; die meisten bio-che- mischen Reaktionen der belebten Welt fin- den im Wasser statt. Soweit so bekannt. Doch das Element Wasser besitzt einzigartige, höchst erstaun- liche Eigenschaften. Wasser, bestehend aus zwei Atomen, Wasserstoff, gebunden an Wasser ist lebensnotwendig: 1,5 Liter sollen wir laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) im bes- ten Fall pro Tag trinken. 10 HERBSTZEITLOSE
TITEL ein Sauerstoffatom, ist ein „Dipol“. Was bedeutet, dass mit Wasser zwei gegensätz- liche Reaktionsweisen möglich sind, mit negativ wie positiv geladenen Teilchen. Bedingt durch die räumliche Struktur, ver- mögen sich Wassermoleküle sowohl mit Fetten wie mit Flüssigkeiten zu verbinden. Das macht H2O, so die chemische Kurzfas- sung, zu einem fast universalen Lösungs- mittel, das nicht nur für die industrielle Wissenschaft interessant ist. ––––––––––––––– Faszinierende Eigenschaften und vielfältige Einsatzmöglichkeiten Bei uns sprudelt das kostbare Nass aus dem Wasser- hahn. In Afrika südlich der Sahara dauert es zu einer ––––––––––––––– Wasserquelle im Durchschnitt mehr als 30 Minuten. Vom Wasser handeln auch die religiösen Schriften, Erzählungen und Mythen der Menschheit, heilige Texte und sakrale Vor- Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“ schriften. Als belebt und belebend gilt Was- Wir auf Erden haben ebenfalls nah am Was- ser häufig als Aufenthaltsort von Göttern ser gebaut, wie der „Thesaurus“ bemerkt: und Geistern sowie anderen Mächten. Viele „Man schätzt die Menge des Oberflächen- Mythologien berichten von einer Entste- wassers der Erde auf etwa 1.400.000 Kubik- hung der Welt aus dem Urmeer, das die an- kilometer, 97 Prozent davon in den Ozea- deren kosmischen Elemente hervorbringt. nen und etwa zwei Prozent in den Eiskap- Und auch im ersten Buch der Bibel geht es pen und Gletschern.“ Eigentlich ganz los mit Wasser: „Im Anfang erschuf Gott schön viel, könnte man auf den ersten Blick Himmel und Erde. Die Erde war wüst und denken. Doch das täuscht. Ein Mensch in wirr und Finsternis lag über der Urflut und Deutschland verbraucht jeden Tag etwa 130 HERBSTZEITLOSE 11
TITEL Liter Wasser. Das beginnt morgens mit Zäh- südlich der Sahara zu einer Wasserquelle neputzen und Duschen, Anziehsachen im Durchschnitt mehr als 30 Minuten. frisch aus der Waschmaschine, einem Ungerechtigkeit des Schicksals: Auch die Frühstück auf sauberem Geschirr. Erderwärmung trifft die Kontinente der Schon nach dem Frühstück haben in Südhalbkugel härter als die „Nordwestli- Deutschland Lebende mehr sauberes Was- che Welt“. Große Dürreperioden und an- ser verbraucht, als Menschen in vielen Re- schließende Starkregenfälle führen welt- gionen Afrikas für den ganzen Tag zur Ver- weit zu Überschwemmungen und Zerstö- fügung haben. Zwei Drittel der Weltbevöl- rung. Vieles deutet darauf hin, dass Starre- kerung leben in Gebieten, die mindestens gen auch in Deutschland mit dem Klima- einen Monat pro Jahr von Wasserknapp- wandel bereits häufiger geworden ist und heit betroffen sind. Knapp zweieinhalb weiter zunehmen wird. Milliarden Menschen haben keinen Zu- Als „Wasser-Problemzone“ muss mitt- gang zu guten sanitären Verhältnissen. In lerweile auch das Mittelmeer bezeichnet Burkina Faso bahnt sich aktuell die wohl werden, Europas Urlaubsregion Nummer schlimmste Hungerkatastrophe der vergan- eins. Alleine in der dritten Juniwoche sind genen Jahre an. Die Felder sind vertrock- geschätzt 220 Menschen im Mittelmeer er- net, der Regen bleibt aus, die Lebensmittel trunken auf ihrer Flucht vor Verfolgung werden knapp. Kein Wasser aber bedeutet wegen Rasse, Religion, Nationalität, politi- kein Essen, kein Wasser bedeutet Konflikt scher Überzeugung oder Zugehörigkeit zu und Krieg, kein Wasser bedeutet Flucht. einer bestimmten sozialen Gruppe. Bis Nicht nur Papst Franziskus sieht im Zu- Menschen die Möglichkeit haben, auf le- gang zu sicherem Trinkwasser „ein grund- galem und sicherem Weg in Europa Schutz legendes, fundamentales und allgemeines suchen zu können, gilt: Schwimmen (kön- Menschenrecht“. Dieses „Recht für alle“ zu nen) kann Leben retten. gewährleisten und einzulösen, fordern In erster Linie für die ungezählten Ver- auch internationale Organisationen. 663 zweifelten Und Hoffnungsvollen, die sich Millionen Menschen auf der Welt, so auf die riskante Überfahrt nach Europa be- schätzen das Kinderhilfswerk der Verein- geben. Doch auch hierzulande schwindet ten Nationen UNICEF und die Weltge- das Bewusstsein von der existenziellen sundheitsorganisation (WHO), haben Notwendigkeit des Schwimmenkönnens, noch immer keinen Zugang zu sauberem beklagen etwa die Lebensretter der Deut- Trinkwasser. Dreckiges Wasser sei damit schen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG). die häufigste Menschenrechtsverletzung. Immer mehr Menschen ertränken bei Ba- Die verheerenden Folgen: Daten der Ver- deunfällen. Bei aller Gefahr, die von ihm einten Nationen zufolge sterben jährlich ausgeht bleibt Waser aber vor allem eines: rund 3,4 Millionen Menschen an den Fol- ein Element mit faszinierenden Eigenschaf- gen von Krankheiten, die durch verunrei- ten und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. nigtes Wasser verursacht werden. Wasser kann Gesteine sprengen, Gebirge Während bei uns das kostbare Nass nur abtragen, Täler einschneiden. Es kann ein Drehen am Wasserhahn in Küche oder ganze Landstriche überschwemmen und Bad entfernt ist, dauert der Weg in Afrika andere fruchtbar machen. u HZL 12 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES Der rasche Zerfall einer einstigen Macht Vor 100 Jahren wurde das Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie besiegelt E s ist noch gar nicht so nisse. Binnen weniger Tage lange her, da war Öster- löste sich die habsburgische reich neben Russland Herrschaft in Österreich nach die größte Macht auf dem eu- fast 640 Jahren auf. Nach ropäischen Kontinent. Über dem Tod von Kaiser Franz Jo- Jahrhunderte machten die seph I. am 21. November Habsburger durch Eroberung, 1916 – mitten im Ersten Welt- Erbschaft, Tausch, Kauf und krieg – hatte dessen Großneffe Verkauf aus dem an sich recht als Kaiser Karl I. von Öster- kleinen Österreich einen riesi- reich und als König Karl IV. gen Vielvölkerstaat aus mehr von Ungarn die Regierung des als einem Dutzend Nationen. Reiches übernommen. Im Ok- Kaiser Franz Joseph I. Die „Österreichisch-Ungari- tober 1918 stand Österreich sche Monarchie“ oder auch an der Seite von Deutschland kurz „Doppelmonarchie“ war 1914 mit kurz vor der endgültigen Niederlage im Ers- 676.615 Quadratkilometer Fläche nach ten Weltkrieg. Die nichtdeutschen Nationa- Russland der zweitgrößte aller europäischen litäten im Vielvölkerstaat Österreich-Un- Staaten. Die Gesamtbevölkerung wuchs garn nutzten nun die Gelegenheit, sich aus zwischen 1869 und 1914 von rund 34 Mil- der Donaumonarchie zu lösen. lionen auf 53 Millionen Einwohner an. Auch ein letzter verzweifelter Aufruf des Mit seinen reichen Bodenschätzen, Kaisers an die verschiedenen Nationalitä- fruchtbaren Böden, guten Verkehrswegen ten konnte daran nichts mehr ändern. In und günstigen Meereshäfen war Österreich- Prag riefen die Tschechen eine unabhän- Ungarn ein äußerst leistungsfähiger Wirt- gige Republik aus, die Ungarn erklärten schaftsraum, der sich bestens selbst versor- ihre Unabhängigkeit. Dasselbe taten die gen konnte. Dennoch blieb der Vielvölker- südslawischen Gebiete und schlossen sich staat ein sehr instabiles Staatswesen, in dem dem Königreich der Serben, Kroaten und es häufig zu Krisen kam. So war es nur eine Slowenen (dem späteren Jugoslawien) an. Frage der Zeit, bis sich dieses künstliche Ge- So kam es, dass das riesige Habsburgerreich bilde in seine Bestandteile auflösen würde. innerhalb von nur wenigen Wochen auf Doch in den letzten Oktobertagen des seine deutschsprachigen Gebiete zusam- Jahres 1918 überschlugen sich die Ereig- menschrumpfte. u Michael Kniess HERBSTZEITLOSE 13
AKTUELLES Im Fall des Falles gut gerüstet Informationsveranstaltungen zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung W as wird, wenn ich meine Ange- Denn Lebensbereiche, für die man Vor- legenheiten nicht mehr selbst sorge treffen sollte, gibt es viele: angefan- regeln kann? Wer entscheidet gen von Vermögenssorge, Aufenthalt und dann für mich? Oft ist man schneller in Unterbringung über die Vertretung vor Ge- dieser Situation, als man sich vorstellen richten und bei Wohnungs- und Mietan- kann. Eine plötzliche Krankheit, ein gelegenheiten bis zur Gesundheitssorge. Schlaganfall oder ein Herzinfarkt treffen „Unabdingbar ist in jedem Fall, dass ein einen mitten im Leben. In diesen Fällen uneingeschränktes Vertrauensverhältnis hilft die frühzeitige Regelung durch eine zu demjenigen besteht, dem man eine sol- Vorsorgevollmacht und Patientenverfü- che Vollmacht erteilt“, betonte Franz Her- gung. Denn wenn ein Mensch nicht mehr mann. „Man muss sich hundertprozentig selbst entscheiden kann, muss ein anderer sicher sein, dass der Bevollmächtigte im für ihn sprechen und für ihn entscheiden. Ernstfall nach den eigenen Vorstellungen Vollmachten können helfen, damit dies handelt, denn in der Ausübung der Voll- im eigenen Sinne geschieht. Denn damit macht wird der Bevollmächtigte nur von kann jeder schon in gesunden Tagen vo- einem selbst kontrolliert.“ rausschauend entscheiden. Franz Hermann macht vor diesem Hin- Was dabei alles zu beachten ist, ist tergrund zudem auch auf etwas anderes Thema von mehreren Informationsveran- aufmerksam: „Nach deutschem Recht kön- staltungen des Landratsamtes Nürnberger nen Ehepartner oder Angehörige nicht au- Land in Kooperation mit dem Diakonie tomatisch die rechtliche Vertretung über- Betreuungsverein und dem Verein „Leben nehmen. Ohne Vorsorgevollmacht dürfen in Verantwortung“. Ende Juli gab Franz Ehepartner oder Kinder nicht für sie han- Hermann vom Verein „Leben in Verant- deln. Deshalb ist es wichtig, rechtzeitig wortung“ im vollbesetzten großen Sit- eine Vorsorgevollmacht und eine Patien- zungssaal des Landratsamtes einen umfas- tenverfügung zu erstellen.“ senden Einblick in dieses wichtige und zu- Den Unterschied zwischen Vorsorge- gleich komplexe Thema. „Jeder Mensch vollmacht und Betreuungsverfügung sollte sich frühzeitig Gedanken darüber machte Franz Hermann ebenfalls deutlich: machen, wer für ihn bei Krankheit oder im Mit der Vorsorgevollmacht legt man den Alter die Entscheidungen treffen darf und Bevollmächtigten fest, der mit Unter- dies schriftlich festlegen“, betonte der So- schrift unter die Vollmacht „volle Macht“ zialpädagoge. für den Vollmachtgeber erhält. Eine Voll- 14 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES macht schließt eine gerichtliche Betreu- tigen und gewünschten Handlungsbereiche ung grundsätzlich aus. Das Gericht darf erfasst werden und eine zweifelsfreie Aner- dann keinen Betreuer mehr bestellen. kennung im Rechtsverkehr gewährleistet Mit einer Betreuungsverfügung legt ist.“ Und die Patientenverfügung? „Sie ist man dagegen fest, wer Betreuer werden im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht und soll. Das ist eine ganz andere Rechtsposi- Betreuungsverfügung kein Instrument zur tion als die eines Bevollmächtigten: Eine rechtlichen Vertretung“, hob Franz Her- Betreuungsverfügung ist im Unterschied mann hervor. „In einer Patientenverfügung zur Vollmacht gerade nicht „rechtsverbind- können Wünsche und Anweisungen für die lich“. Der Text alleine berechtigt den Be- gesundheitliche Behandlung niederge- treuer nicht zu irgendwelchen Entschei- schrieben werden, die im Fall der Einwilli- dungen. Das Gericht muss immer entschei- gungsunfähigkeit beachtet werden sollen.“ den, ob der (unverbindlich) vorgeschla- Fazit des informativen Nachmittags: gene Betreuer überhaupt genommen wird, Rechtzeitige Vorsorge hat viele Vorteile: das heißt das Gericht kann den Betreuer Man kann selbst seine Zukunft gestalten, ablehnen oder bestätigen. Bei Ablehnung festlegen, wer im Ernstfall für einen han- muss es einen anderen Betreuer bestellen. deln darf und bestimmen, wie man in der „Außerdem kann die Betreuungsverfügung letzten Lebensphase medizinisch und pfle- auch dann noch aufgeschrieben werden, gerisch behandelt werden möchte. u HZL wenn man nicht mehr voll geschäftsfähig ist“, so Franz Hermann. „Dies ist der große Vorteil gegenüber der Vorsorgevollmacht, wo dies nicht mehr möglich ist.“ So oder so: „Wichtig ist, dass man seine Wünsche so genau wie möglich auf- schreibt“, betonte Franz Hermann. „Bei der Abfassung der Vollmacht sollte fachkundi- ger Rat eingeholt werden, damit alle wich- Die Vortragsreihe Vorsorgevollmacht findet zweimonatlich im Landratsamt Nürnberger Land, Waldluststraße 1 in Lauf im großen Sitzungssaal in der 1. Etage statt. Die kommenden Termine dort sind: der 20.09., und 15.11.2018 jeweils um 15.30 Uhr. Eine weitere Ver- anstaltung findet zusätzlich im südli- chen Landkreis am 08.11.2018 um 16.00 Uhr in der Bürgerhalle Schwar- zenbruck, Johann-Degelmann-Straße 7a in Schwarzenbruck statt.
AKTUELLES Gemeinsam fit durchs ganze Leben Eberhard Gienger diskutierte über die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft Text: Michael Kniess E r ist vielfacher Deutscher Meister, tragsveranstaltung mit dem Sportexperten mehrfacher Europameister, Welt- und Politiker teilgenommen hatten unter meister, Olympia-Drittplatzierter, anderem auch Marlene Mortler, CSU-Bun- und hat sein Wirken auch nach der akti- destagsabgeordnete und Drogenbeauf- ven Karriere dem Sport verschrieben: Eber- tragte der Bundesregierung, der CSU-Land- hard Gienger. Unter dem Motto „Sport tagsabgeordnete Norbert Dünkel sowie die kennt kein Alter. Gemeinsam fit durchs stellvertretende Landrätin und CSU-Kreis- ganze Leben“ diskutierte der ehemalige tagsfraktionsvorsitzende Cornelia Trinkl. deutsche Kunstturner und CDU-Bundes- Eingeladen hatten die CSU Röthenbach tagsabgeordnete im Juli in der Röthenba- und der TSV 1899 Röthenbach. cher Seespitzturnhalle über die Bedeutung Eberhard Gienger plädierte vor allem des Sports für die Gesellschaft. An der Vor- für eines: möglichst frühzeitig damit anzu- fangen, Sport zu treiben. „Es wäre angebracht, bereits in der Grundschule eine tägliche Sportstunde einzuführen und diese bis ins Seniorenalter bei- zubehalten“, so der 67-jährige sportpolitische Sprecher und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Sport und Ehrenamt der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Denn, so die Argumentation Eberhard Giengers, wer Sport treibe, sei auch geistig fitter. „Vor 20.000 Jahren haben un- sere Vorfahren als Jäger und „Es gibt keinen Grund, nicht auch im Alter sportlich aktiv zu blei- ben“: Der Sportexperte und Politiker Eberhard Gienger diskutierte Sammler noch täglich rund 30 in Röthenbach über die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft. Kilometer zu Fuß zurückgelegt. 16 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES Heute schaffen die meisten kaum mehr als Zeit, und er schützt uns durch Vereine vor 1.000 Meter. Dass diese Entwicklung zu der Einsamkeit.“ vermehrten Herz-Kreislauf-Erkrankungen Genauso wertvoll sei in diesem Zusam- oder Demenz führt, ist kein Wunder.“ menhang das Ehrenamt: „Die Hilfestel- Deshalb, so Eberhard Giengers Wunsch, lung für Menschen, die sich bewegen wol- der auch heute noch sportlich aktiv ist len, in den Vereinen als Trainer oder und sich in vielen Funktionen für den Ver- Übungsleiter ist nur ein kleiner Bereich, in einssport engagiert: „Auch ältere Men- dem sich Ehrenamtliche engagieren. 50 schen sollten sich stets vor Augen halten, Milliarden Euro spart sich der Staat durch dass die Muskeln von 80-Jährigen genauso das Ehrenamt in Vereinen, in politischen trainierbar sind, wie die von 30-Jährigen. Parteien, in der Kultur oder bei der Feuer- Es gibt keinen Grund, nicht auch im Alter wehr.“ Seine Forderung deshalb: „Der Wert sportlich aktiv zu bleiben.“ Den deutschen des Ehrenamts muss in Deutschland besser Schriftsteller, Erzähler, Lyriker, Kabarettis- als bislang dokumentiert und honoriert ten und Maler Joachim Ringelnatz zitie- werden.“ Am Ende war es aber vor allem rend, hob Eberhard Gienger dabei auch die ein Appell, den Eberhard Gienger den Gäs- hohe Bedeutung von Sport und Vereinen ten mit auf den Weg gegeben hat: „Von für die Gesellschaft hervor: „Sport stärkt der Wiege bis zur Urne, turne, turne, Arme, Rumpf und Beine, kürzt die öde turne.“ u HERBSTZEITLOSE 17
AKTUELLES „Wir dürfen weder das eine noch das andere als Selbstverständlichkeit ansehen“ Freiheit vs. Sicherheit – Podiumsdiskussion zu einem besonderen Spannungsfeld T errorismus, Anschläge, Amokläufe, lasst, diesen Ort zu meiden“, betonte die in aber auch Kriminalität im Internet Berlin lebende Katharina Nocun. Ihr Ein- und Hackerangriffe haben im letz- wand: „Ich finde es grundsätzlich schwierig, ten Jahrzehnt zu einer Kompetenzerweite- Technologien einzusetzen, die es potenziell rung des Staates und der Polizei geführt. ermöglicht, Menschen verdachtsunabhän- Die Folgen: eine verschärfte Gesetzeslage, gig komplett durchzurastern.“ für die sinnbildlich das neue Polizeiaufga- bengesetz in Bayern steht, und eine zu- ––––––––––––––– nehmende Überwachung durch Kameras Echte Sicherheit nur in und Datensammlung. Vor diesem Hinter- wirklicher Freiheit grund rückte eine Podiumsdiskussion der ––––––––––––––– Georg-von-Vollmar-Akademie in der Kul- turwerkstatt Auf AEG im Juli die Frage in Sie wolle nicht in einer Gesellschaft leben, den Mittelpunkt, wie es momentan um in der womöglich jeder, der ein öffentliches das sensible Verhältnis zwischen „Sicher- Verkehrsmittel nutzt oder an einer Straßen- heit“ und „Freiheit“ bestellt ist. Darüber ecke steht, durch eine Rasterfahndung läuft. diskutierten auf Einladung der SPD-nahen „Es darf nicht sein, dass in unserem Land politischen Bildungseinrichtung die bun- nachfolgende Generationen von Klein auf desweit bekannte Netzaktivistin und Blog- anerzogen bekommen, möglichst angepasst gerin Katharina Nocun sowie Bernhard zu sein, um nicht alleine durch ein atypi- Egger, Leiter der Abteilung Cybercrime sches Verhalten ins Visier der Sicherheitsbe- beim bayerischen Landeskriminalamt. hörden zu gelangen“, so die Bürgerrechtle- Als Einstieg wählte Daniel Urban, der im rin und ehemalige politische Geschäftsfüh- Bildungsmanagement der Georg-von-Voll- rerin der Piratenpartei Deutschland. mar-Akademie tätige Politologe moderierte Eine Angst, die für ihn durchaus ver- die Diskussion, ein Thema, das allenthalben ständlich sei, machte Bernhard Egger deut- für Gesprächsstoff sorgt: das Pilotprojekt der lich. Für den Polizeibeamten sind deshalb Videoüberwachung mit moderner Gesichts- zwei Dinge entscheidend: „Es ist immer erkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz. eine Frage, wo eine solche Technik einge- „Diese Maßnahme, hat mich dazu veran- setzt wird. An besonders gefährdeten Orten, 18 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES wie Flughäfen, macht es zum Schutz vor At- tentaten natürlich Sinn, zu erfassen, wenn sich jemand auffällig verhält.“ Außerdem ist für ihn wichtig, was mit den Daten pas- siert. Diese seien immer nur ein erster Schritt polizeilicher Maßnahmen. „Im Kern arbeiten wir damit genauso, wie wir es immer schon getan haben: Wir gleichen das Gesehene mit unserer Erfahrung ab und ziehen daraus entsprechende Rück- schlüsse“, so der Leitende Kriminaldirektor. Sie diskutierten, wie es um das sensible Verhältnis zwischen „Sicherheit“ und „Freiheit“ bestellt ist: die Überhaupt sei der Einsatz biometrischer Netzaktivistin Katharina Nocun und Bernhard Egger, Gesichtserkennung nichts Neues: „Wir ar- Leiter der Abteilung Cybercrime beim bayerischen beiten damit bereits seit zehn Jahren. Die Landeskriminalamt. meisten Fotos bekommen wir aber nicht durch Videoüberwachung, sondern von Und dann ist da noch die Überwachung Opfern oder finden sie im frei zugängli- digitaler Lebenswelten, die für Katharina chen Internet.“ Die neue und sich stetig Nocun einen erheblichen Angriff auf die weiter entwickelnde Fahndungsmethode Freiheit des Einzelnen darstellt. Ihr Argu- ist für ihn dabei ein Garant für mehr Si- ment: „Das Wissen, dass inzwischen die cherheit: „Das bayerische Landeskriminal- technische Möglichkeit besteht, genau amt konnte 2018 bereits 78 zuvor unbe- nachverfolgen zu können, wo und wie kannte Tatverdächtige durch biometrische lange sich jemand an einem Ort aufhält, Gesichtserkennung identifizieren.“ In der mit wem er kommuniziert oder welche Diskussion kommt für Bernhard Egger Seiten er im Internet besucht, reicht aus, vielmehr etwas anderes zu kurz: „Es stört um zu verunsichern.“ Sie wolle nicht da- mich, dass immer nur auf die Einschrän- rüber nachdenken, wie viele Menschen kung der Freiheit durch Polizei und Sicher- schon nicht einmal mehr den Gang zu heitsbehörden hingewiesen wird, auf der den Anonymen Alkoholikern gewagt anderen Seite aber vergessen wird, was haben, alleine aufgrund der Angst, theore- Konzerne mit unseren Daten machen.“ tisch überwacht und in der Folge gesell- Im „Internet der Dinge“, das physi- schaftlich stigmatisiert werden zu können. schen und virtuellen Gegenständen er- Kein Wunder, dass Katharina Nocun möglicht, miteinander in Verbindung zu schlussendlich dafür plädierte, dass es stehen, sieht er zudem weiteres Gefahren- echte Sicherheit nur in wirklicher Freiheit potenzial. „Die enorme Anzahl vernetzter geben könne. Und auch Bernhard Egger Gegenstände bringt naturgemäß mehr warb dafür, mit beiden Gütern sensibel Schwachstellen mit sich“, gab er zu beden- umzugehen: „Wir dürfen weder das eine ken. „Was passiert, wenn unsere vernetzte noch das andere als Selbstverständlichkeit Energieversorgung angegriffen wird oder ansehen und müssen sowohl auf unsere sich Herzschrittmacher durch Sicherheits- Freiheit als auch auf unsere Sicherheit gut lücken lahmlegen lassen?“ Acht geben.“ u Michael Kniess HERBSTZEITLOSE 19
AKTUELLES Teilhabe auf Augenhöhe „Inklusion in Mittelfranken“ – Podiumsdiskussion mit VdK-Präsidentin Verena Bentele O b beim Einkaufen, am Arbeits- tragte der Bundesregierung und derzeitige platz, in der Schule, auf Veranstal- Präsidentin des Sozialverbands VdK schil- tungen, in Vereinen oder im Kreis derte, dass ihre gesamte Ausbildung in der Familie. Jeder wird von der Gesell- Schule und Beruf stark durch ihre Sehbe- schaft so akzeptiert, wie er ist, und kann hinderung geprägt war. Zwar habe sie in ein Leben ohne Barrieren führen. Beim den jeweiligen Zentren für blinde Men- Thema Inklusion lautet die Devise: „Mit- schen eine hervorragende individuelle För- tendrin statt nur dabei.“ Doch wie ist es derung erfahren. Diese sei jedoch immer um die gleichberechtigte Teilhabe in Mit- mit dem Verlust von familiärer Bindung telfranken bestellt? Diese Frage stand im und von Freundschaften am Wohnort ver- Mittelpunkt einer gemeinsamen Veranstal- bunden gewesen, da diese Einrichtungen tung der SPD-Ortsvereine Nürnberg und oftmals nicht wohnortsnah waren. Rückersdorf in der Aula der Rückersdorfer Verena Bentele, die auf Initiative ihrer Blindeninstitutsstiftung im Juli. langjährigen Freundin Kerstin Gardill, der In einem Einführungsvortrag ging zu- SPD-Landtagskandidatin im Wahlkreis nächst Verena Bentele auf ihre persönli- Nürnberg-Ost nach Rückersdorf gekommen chen Erfahrungen ein. Die mehrfache Welt- war, machte deutlich, dass Inklusion für sie meisterin und Olympiasiegerin im Skilang- mehr ist als nur die Teilhabe von Menschen lauf und Biathlon bei den Paralympischen mit Behinderung am gewohnten Leben. Sie Spielen sowie ehemalige Behindertenbeauf- betonte: „Inklusion ist für mich auch die uneingeschränkte gesellschaftliche Akzep- tanz von Minderheiten“. Auch die Einbin- dung von Betroffenen in demokratische Prozesse hat für sie einen hohen Stellen- Foto: SPD Rückersdorf/Klaus Sponsel wert: „Niemand darf wegen seiner gesund- heitlichen Probleme von demokratischen Wahlen ausgeschlossen werden. Was in an- deren Bundesländern bereits Alltag ist, sollte auch in Bayern möglich sein.“ In der anschließenden, vom SPD-Be- zirkstagskandidaten für den Wahlkreis In der engagiert geführten Diskussionsrunde beton- ten alle Teilnehmer, dass Inklusion nur gelingen Nürnberg-Ost Hans-Dieter Brückner mo- könne, wenn diese auf Augenhöhe stattfinde. derierten Podiumsdiskussion, berichteten 20 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES die Teilnehmer über ihre Erfahrungen mit rokratischen Hürden. Leider ist es oftmals der Inklusion und brachten ihre jeweilige der Gesetzgeber, der mit verstaubten Rege- Sichtweise über die praktische Umsetzung lungen weiterhin eine Trennung betreibt – in Mittelfranken zum Ausdruck. Neben Ve- so der Tenor. rena Bentele nahmen auch Mechthild Insbesondere Verena Bentele brachte Gabler, die Leiterin des Blindeninstitut zum Ausdruck, dass sie es leid sei, dass die Rückersdorf, SPD-Bezirksrätin und Beauf- maßgeblichen gesetzlichen Regelungen tragte des Bezirkes Mittelfranken für die nur mit Kann- statt mit Muss-Bestimmun- Belange von Menschen mit Behinderung, gen ausgestattet sind. „Solange sich hier Amely Weis, sowie das Mitglied der Ge- nichts Grundsätzliches ändert, ist es für schäftsführung der Rummelsberger die Inklusion noch ein langer steiniger Dienste für Menschen mit Behinderung, Weg“, so die VdK-Präsidentin. Hier könne Volker Deeg, auf dem Podium Platz. Darü- man von den Kindern lernen, die in der ber hinaus der Vorstand der Lebenshilfe Praxis völlig offen auf einander zugehen. im Nürnberger Land, Gerhard John, der Ihr Fazit: „Wenn dieser Inklusionsprozess Bereichsleiter Psychiatrie beim Caritasver- erfolgreich weiter betrieben werden soll, band Nürnberger Land, Michael Schubert müssen vor allem die Barrieren in den sowie der SPD-Kandidat für den Bezirkstag Köpfen fallen.“ u im Wahlkreis Landkreis Nürnberger Land, Jens Bürkle, der selbst auf den Rollstuhl angewiesen ist. ––––––––––––––– Ein langer, steiniger Weg ––––––––––––––– Sie alle betonten, dass Inklusion nur gelin- gen könne, wenn diese auf Augenhöhe stattfinde. Einen breiten Raum in der en- gagiert geführten Diskussion nahm die Frage ein, wie weit Inklusion gehen kann, beziehungsweise muss. Mechthild Gabler machte deutlich, dass für sie eine spezifi- sche Förderung für schwerstbehinderte Kinder, wie sie in ihrer Einrichtung ange- boten wird, auch zukünftig unerlässlich ist. Konsens herrschte zudem darüber, dass sich nicht nur die Grundschulen für be- hinderte Kinder öffnen müssen, sondern auch die Fördereinrichtungen einen Zu- gang für „normale“ Schüler bieten sollten. Oftmals scheitere dies immer noch an bü- HERBSTZEITLOSE 21
AKTUELLES Zehn Jahre Landkreis Erzgebirgskreis Sächsischer Partnerlandkreis des Nürnberger Lands feiert Jubiläum A nfang August feierte der Landkreis dingen (Baden) und auch aus Taiwan fei- Erzgebirgskreis – sächsischer Part- erten alles gemeinsam mit ihren Gastge- nerlandkreis des Nürnberger Lands bern. Alle Landräte, zum Teil auch deren – sein zehnjähriges Jubiläum. Zum Festwo- Vertreter, Fraktionsvorsitzende und Bür- chenende luden die Erzgebirger Vertreter germeister waren dabei. sämtlicher Partnerlandkreise ein. Für das Höhepunkte waren die Festveranstal- Nürnberger Land nahmen Landrat Armin tung am Samstagnachmittag in der Bal- Kroder, sein Stellvertreter Norbert Reh, Alt- dauf-Villa in Marienberg mit dem Sächsi- landrat Helmut Reich, die Kreisrätinnen schen Ministerpräsidenten Michael Gabriele Drechsler und Ingrid Kroder Kretschmer und anschließend der Große sowie die Kreisräte Georg Schweikert und Bergmännische Zapfenstreich auf dem Achim Dobbert teil. Marktplatz in Annaberg-Buchholz, eben- „Unsere Gastgeber haben die drei Tage falls mit dem Ministerpräsidenten und 450 zu einem tollen Erlebnis für uns gestaltet“, Musikern und Habitträgern. waren sich die Delegationsmitglieder einig. Auf dem Marktplatz in Annaberg betei- „Sie haben uns alle gemeinsam mit einer ligte sich das Nürnberger Land mit einem Herzlichkeit empfangen, die kaum zu über- Informations- und Verkaufsstand sowie bieten ist.“ Die Delegationen aus den Land- dem Burgthanner Bauernfünfer, die mit kreisen Ansbach, Neustadt/Aisch-Bad Volksmusik aus Franken und Bayern das Windsheim, Nürnberger Land, Emmen- Publikum begeisterten. Daniela Schneider warb auf ihrem Ausstellungsstand für ku- linarische Produkte aus dem Nürnberger Land, die in der Entdecker-Kiste zusam- mengestellt sind: Brände, Nudeln, Aufstri- che und andere leckere Köstlichkeiten aus dem Landkreis. Bernd Hölzel, Leiter der Kreisentwicklung, und seine Kollegin Carla Seyerlein warben für die Tourismus- region Nürnberger Land, verteilten eifrig Prospekte und beantworteten Anfragen. Sie nahmen für das Nürnberger Land am Jubiläum Den Landkreis Erzgebirgskreis gibt es teil: Altlandrat Helmut Reich, Kreisrätin Ingrid Kro- seit 1. August 2008. Aus den vier Altland- der, Kreisrat Georg Schweikert, Gastgeber Landrat kreisen Annaberg, Aue, Mittlerer Erzge- Frank Vogel, Kreisrat Achim Dobbert, Landrat Armin Kroder, Kreisrätin Gabriele Drechsler, Stellvertreter birgskreis und Stollberg wurde einer von des Landrats Norbert Reh (v. l. n. r.). zehn Landkreisen im Freistaat Sachsen. u 22 HERBSTZEITLOSE
MODERNES LEBEN Kein Tag, um im Bett zu bleiben Freitag, der 13.: Eine ARAG Umfrage zeigt, dass die Deutschen erstaunlich wenig abergläubisch sind S ie hat sogar einen Namen: Paraskave- dekatriaphobie heißt die abergläubi- sche Angst vor ihm, dem Unglückstag „Freitag, der 13.“. Abgeleitet wird der Be- griff aus den griechischen Wörtern „Paras- kave“ (Freitag) und „Dekatria“ (13). Und obwohl statistisch längst bewiesen ist, dass dieses spezielle Datum keinen Einfluss auf die Unfallhäufigkeit hat, verzichten Hotels auf Zimmernummer 13, Airlines auf Sitzrei- hen der Nummer 13, und es gibt Men- schen, die sich besonders vorsichtig durch einen Freitag, den 13. bewegen. In einer ak- tuellen repräsentativen Umfrage hat ARAG- Versicherungskonzerns gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Kantar TNS einmal genauer geschaut, wer das ist. Das Fazit: Die Mehrheit bleibt unaufge- onszugehörigkeit liegt es nicht. Denn in regt. 90,7 Prozent der Befragten ändern ihr Nordrhein-Westfalen, wo die meisten Ka- Verhalten nicht, wenn der 13. auf einen tholiken Deutschlands leben, schert man Freitag fällt, was übrigens ein- bis dreimal sich wenig um diesen vermeintlichen Un- pro Jahr geschieht. Und mit 3,7 Prozent ist glückstag. Nur 2,7 Prozent der Befragten der Anteil der abergläubischen Deutschen sind hier abergläubisch, wenn es um die- erwartungsgemäß klein. Überraschend hin- sen Kalendertag geht. gegen ist die Tatsache, dass es offenbar die Unter Fußballern, die bekannt sind für 30- bis 39-Jährigen sind, die sich an diesem ihre Marotten, gibt es viele, die kein Pro- Kalendertag bewusst anders verhalten: 7,6 blem mit der Zahl 13 oder einem Freitag, Prozent dieser Altersgruppe ist vorsichtiger den 13. haben. So begann David Beck- und meidet sogar gefährliche Situationen. ham seine Karriere bei Los Angeles Galaxy Am meisten Angst vor einem Freitag, an einem Freitag, den 13. Auch Thomas den 13. haben mit 5,8 und 5,0 Prozent of- Müller trug in Russland wie immer die 13 fenbar die Menschen in Baden-Württem- auf seinem Trikot. Unnötig zu erwähnen, berg und Bayern. Doch bevor jetzt falsche dass ihm das diesmal kein Glück gebracht Schlüsse gezogen werden: An der Religi- hat. u HERBSTZEITLOSE 23
MODERNES LEBEN Die große Freiheit spüren und die Welt entdecken Wie eine Familie aus Nürnberg den Traum vom Aussteigen lebt E inmal im Leben dem Alltag entflie- Schmitt: Die 39-jährige Steuerfachange- hen, eine lange Reise machen, in an- stellte aus Nürnberg hat schon immer lie- dere Länder eintauchen, grenzenlose ber in Reiseführern geschmökert als in Freiheit spüren. Diesen Traum hegen viele. Steuergesetzen. „Die Lust am Reisen wurde Doch die allermeisten belassen es beim mir von meinem Vater in die Wiege ge- bloßen Gedankenspiel. Anders Michaela legt“, sagt sie. „Mit der Zeit haben mir aber drei oder vier Wochen nicht mehr ausge- reicht. Ich wollte länger unterwegs sein.“ Michaela und Thorben Schmitt haben zwei Laster: einen alten, knallgrünen Mercedes-Kurzhau- ber namens Frosch und das Rei- sen. 2015 sind sie als Familie im Expeditions-LKW von Alaska nach Feuerland gefahren.
MODERNES LEBEN Um dafür mehr Freiraum zu haben, den einem die sechs Wochen Jahresurlaub einer Angestellten nicht bieten, macht sich Michaela Schmitt selbstständig und erfüllt sich 2009 einen Traum. Gemeinsam mit ihrem Mann Thorben fährt sie in einem alten Mercedes 319, der fast ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat, auf dem Landweg nach Indien. Nach der viermona- tigen Reise soll ein neuer Lebensabschnitt als Mutter beginnen. So der Plan. Doch Mi- chaela Schmitts Abenteuerlust ist längst nicht gestillt. Kaum in Südindien ange- kommen ist ihr erster Gedanke: „Mensch, das war wieder viel zu kurz.“ Noch in Indien kaufen die beiden Nürnber- ger anderen Reisenden einen alten, ausge- bauten Bundeswehrgrenzschutz-LKW ab, ihren knallgrünen „Frosch“, und bereiten diesen und sich sechs Jahre lang auf ihren großen Ausbruch vor: 2015 treten Michaela und Thorben Schmitt den Beweis an, dass sich Langzeitreisen abseits der touristischen Pfade und Kinder nicht ausschließen. Ganz im Gegenteil. Im ausgebauten Expeditions- LKW verlassen sie ihre Komfortzone, um auf acht Quadratmetern Wohnfläche die große Freiheit zu spüren und die Welt zu entdecken. Gemeinsam mit ihrer damals einjährigen Tochter Romy reisen sie ent- lang der Panamericana von Alaska nach Feuerland in Argentinien. ––––––––––––––– Der erste Schritt in ein Leben hinaus aus der gewohnten Komfortzone ––––––––––––––– Es folgen 19 Länder und knapp 100.000 Ki- lometer ehe sie zwei Jahre später im Som- mer 2017 vom amerikanischen Superkonti- nent nach Deutschland zurückkehren – zu viert. Neben der Geburt ihres Sohnes Levi,
MODERNES LEBEN zur Welt gekommen in der mexikanischen chaela und Thorben Schmitt auch eine an- Karibik, den beeindruckenden Landschaf- dere Einstellung zum Leben zurück mit ten und einer vielfältigen Tier- und Pflan- nach Deutschland genommen. „Wir sind zenwelt hat Michaela Schmitt insbesondere sehr günstig gereist und führen dieses eines im Reisegepäck: die Erinnerung an die Leben auch in Deutschland fort. Bereits vor Menschen, auf die sie unterwegs getroffen unserem Aufbruch haben wir unnütze sind. „Wir wurden in jedem Land herzlich Dinge aus unserem Haushalt verkauft, um empfangen und haben keinerlei schlechte die Reise zu finanzieren“, sagt Michaela Erfahrung machen müssen.“ Schmitt. „Materielles ist für uns seitdem Die erlebte Gastfreundschaft und der nicht mehr wichtig. Auch wenn es abge- unverstellte Blick auf eine Welt, die in der droschen klingt, weniger ist manchmal Realität gar nicht so schlecht ist, wie mehr. Wir haben nicht mehr das Verlan- einem die Schlagzeilen von Gewalt und gen, immer dem neusten Markentrend hin- Tod oft Glauben lassen, ist der eine Schatz, terherzulaufen. Es ist befreiend, sich von der geblieben ist. Der andere: „Es ist nicht unnötigem Hab und Gut zu entledigen.“ wichtig, wohin man reist. Für uns ging es Statt in ein neues Auto, eine 10.000- darum, die Freiheit zu spüren, als Familie Euro-Küche oder den innovativsten Flach- selbst über unsere Lebenszeit entscheiden bildschirm stecken Michaela und Thorben zu können. Das ist heutzutage sonst leider Schmitt ihr Geld deshalb auch jetzt einmal kaum mehr möglich, weil jeder zu sehr in mehr in ihre Reisekasse. 2019 wollen sie seinem von Arbeit und Verpflichtungen als Familie wieder mit ihrem „Frosch“ auf- bestimmten Alltag gefangen ist.“ brechen: Anderthalb Jahre soll es entlang Neben der gemeinsamen Zeit, die ihnen der Seidenstraße, durch Russland, die keiner mehr nehmen kann, haben Mi- Mongolei und China gehen. Und danach? „In einem Bogen über Schweden, Norwe- gen und Finnland hoch zum Nordkap Das Buch zur Reise würde mich genauso reizen, wie eine Reise Über ihre Reise ent- zur Arabischen Halbinsel bis in den lang der Panameri- Oman“, sagt Michaela Schmitt. cana von Alaska nach Einmal im Leben dem Alltag entflie- Feuerland in Argenti- hen, eine lange Reise machen, in andere nien hat Michaela Länder eintauchen, grenzenlose Freiheit Schmitt ein Buch ge- spüren. Michaela Schmitt lebt gemeinsam schrieben, das im Ei- mit ihrer Familie diesen Traum. Sie ist genverlag erschienen überzeugt: „Meist liegt es weniger am ist. Unter dem Titel „Ausreisser – Geld, warum Menschen nicht reisen. Viel- Abenteuer Panamericana“ hat sie alle mehr fehlt ihnen der Mut, den ersten Erlebnisse in Wort und Bild festgehal- Schritt in ein Leben hinaus aus der ge- ten. Einen Teil des Erlöses wird sie zu- wohnten Komfortzone, in der man es sich gunsten einer Hilfseinrichtung in Bo- bequem gemacht hat, zu wagen. Ist dieser livien spenden. u www.hippie-trail.de erste Schritt getan, schafft man alles an- dere auch.“ u M. Kniess 26 HERBSTZEITLOSE
Sie können auch lesen