Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK

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Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK
Audit Committee
                  Quarterly                              I   / 2020
                  DAS MAGAZIN FÜR CORPORATE GOVERNANCE

                                                         Gefördert durch

Audit Committee
Institute e.V.

                              V ERGÜ T UNG,

                             T R A NSPA RENZ

                                       UN D

                         UN A BH Ä NGIGK EI T

                             N ACH A RUG II

                                 UN D DCGK
Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK
ARUG II, Kodex

© 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK
EDITORIAL

			   und Aufsichtsrat
                              Die vorliegende Ausgabe ist den Neuerungen gewid­                                                 Der DCGK ist umfassend überarbeitet worden; die
                              met, die das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsricht­                                             Neufassung ist kürzlich in Kraft getreten. Wesentliche
                              linie (ARUG II) und der neu gefasste Deutsche Corpo­                                              Neuerungen betreffen ebenfalls die Vorstandsvergü­
                              rate Governance Kodex (DCGK) für die Aufsichtsräte                                                tung sowie die Unabhängigkeit von Anteilseignern im
                              der börsennotierten Gesellschaften bringen. Folgende                                              Aufsichtsrat.
                              Schwerpunkte seien hervorgehoben:
                                                                                                                                Künftig soll der Aufsichtsrat für jedes Vorstandsmitglied
                              Das ARUG II sieht erneut Änderungen für die Vergü­                                                dessen Ziel-Gesamtvergütung festlegen. Die variable
                              tungen der Vorstände vor. Künftig hat der Aufsichtsrat                                            Vergütung, die an langfristig orientierte Ziele anknüpft,
                              ein Vergütungssystem zu beschließen; das Gesetz                                                   soll den Anteil aus kurzfristig orientierten Zielen über­
                              enthält hierfür detaillierte Vorgaben. Die Anstellungs­                                           steigen. Die dem Vorstandsmitglied gewährten varia­
                              verträge der Vorstände müssen sich im Rahmen des                                                  blen Vergütungsbeträge sollen von ihm überwiegend
                              Vergütungssystems bewegen. Die Hauptversamm­                                                      in Aktien der Gesellschaft angelegt oder aktienbasiert
                              lung b
                                   ­ eschließt mindestens alle vier Jahre über das Ver­                                         gewährt werden. In begründeten Fällen soll eine varia­
                              gütungssystem. Bei Missbilligung ist ein neues Vergü­                                             ble Vergütung einbehalten oder zurückgefordert wer­
                              tungssystem auszuarbeiten. Die Hauptversammlung                                                   den können (»claw back«).
                              kann auch die im Vergütungssystem festzulegende
                              Maximalvergütung herabsetzen.                                                                     Außerdem werden die Vorgaben zur Unabhängigkeit
                                                                                                                                von Aufsichtsratsmitgliedern konkretisiert. Der Kodex
                              An die Stelle der bisher im Anhang zum Jahresab­                                                  unterscheidet deutlich zwischen Unabhängigkeit von
                              schluss zu veröffentlichenden Angaben zu den Organ­                                               Vorstand und Gesellschaft und Unabhängigkeit von
                              vergütungen tritt künftig ein selbstständiger Vergü­                                              einem kontrollierenden Aktionär. Für beide Situationen
                              tungsbericht, für dessen Inhalt das Aktiengesetz                                                  gibt der Kodex (unterschiedliche) Kriterien vor, die hel­
                              gleichfalls detaillierte Vorgaben enthält. Die Hauptver­                                          fen sollen, zu beurteilen, wann Unabhängigkeit anzu­
                              sammlung beschließt auch über diesen Vergütungs­                                                  nehmen ist.
                              bericht. Neu ist ferner, dass die Hauptversammlung
                              mindestens alle vier Jahre über die Vergütung der Auf­                                            Über die vorstehenden Hinweise hinaus bringen
                              sichtsratsmitglieder Beschluss zu fassen hat.                                                     ARUG II und Kodex zahlreiche weitere Neuerungen,
                                                                                                                                mit denen sich jedes Aufsichtsratsmitglied vertraut
                              Die neuen Vorschriften zu Geschäften mit nahe­                                                    machen muss. Ich hoffe, dass Sie, die Leser, die vorlie­
                              stehenden Personen (»related parties transactions«)                                               gende Ausgabe des Audit Committee Quarterly hier­
                              bringen Aufgaben auch für den Aufsichtsrat mit sich.                                              bei als hilfreich empfinden.
                              Wenn der wirtschaftliche Wert solcher Geschäfte
                              ­einzeln oder zusammengerechnet pro Geschäftsjahr
                               1,5 Prozent der Summe aus Anlage- und Umlaufver­
                               mögen der Gesellschaft übersteigt, bedürfen sie der
                               vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines
                               hierfür bestellten Ausschusses und sind zu veröffent­                                            Prof. Dr. Dres. h. c. Theodor Baums
                               lichen. Hier muss im Vorfeld dafür Sorge getragen                                                Mitglied der Regierungskommission Deutscher
                               werden, dass in Betracht kommende Geschäfte ver­                                                 ­Corporate Governance Kodex (2009 – 2020);
                               lässlich identifiziert und bewertet werden.                                                       Of Counsel und Beiratsvorsitzender der
                                                                                                                                 SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechts­anwalts­
                                                                                                                                 gesellschaft mbH

      © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
      KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
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I N H A LT

 3 EDITORIAL                                                      34
                                                                   
                                                                   Geschäfte  mit nahestehenden Personen nach
		 Prof. Dr. Dres. h. c. Theodor Baums                             ARUG II – Neue Organisationspflichten im Blick
                                                                   des Aufsichtsrats
                                                                 		Dr. Jan-Hendrik Gnändiger und Katharina Gädeke

       S C H W E R P U N K T                                     36
                                                                   
                                                                   Deutscher  Corporate Governance Kodex 2020 –
       ARUG II UND DCGK                                            Chancen verpasst, Chancen erfasst?
                                                                 		Anke Sänger-Zschorn
 6	ARUG II – was ist neu?
		 Prof. Dr. Ulrich Noack                                       38 ARUG II – Folgen für Aufsichtsräte
                                                                 		Georg Lanfermann, Astrid Gundel und Ralf Gerdes
 9	Neuerungen in der Vergütung nach ARUG II
		 Dr. Stefan Wilhelm Suchan, LL.M. (Cornell),                  48 DCGK – Folgen für Aufsichtsräte
    und Ralf Gerdes                                              		Astrid Gundel und Georg Lanfermann

12	
   ARUG II – Konsequenzen der Neuerungen in der
   Vorstandsvergütung für die Rechnungslegung
		Ingo Rahe                                                     		K O L U M N E Z U K U N F T

15	Steinige Wege brauchen klare Navigation.                     54	Vergütung der Zukunft
                                                                 		 Prof. Dr. habil. Heiko von der Gracht
16	Vorstandsvergütung – Back to Basics!
		 Dr. Hans-Christoph Hirt und Lisa Katarina Lange
                                                                  55           IN E IGENER SACHE
18I nvestorenerwartungen an die Vorstands­-                                  Übersicht der Pläne der EU zu Sus­tainable
   vergütung nach ARUG II                                                      ­Finance
		Hendrik Schmidt

20 ortschritt für die Nachhaltigkeit oder
  F
  Geschenk an Investoren?
		Dr. Sebastian Sick, LL.M. Eur.                                 		S TA N D P U N K T

22 elten die Neuregelungen des ARUG II
  G                                                              56	Nachhaltigkeit: Auswirkungen der neuen
  auch für die KGaA?                                                 ­Regulatorik ­auf die Wertschöpfungskette
		Prof. Dr. Christoph Teichmann                                       von Versicherungsunternehmen
                                                                 		  Dr. Roman Schulze
26 timmrechtsberater: ein erster Regulierungs­
  S
  versuch                                                        60 Internetmissbrauch – ein unternehmerisches Risiko
		Dr. jur. Ulrich Keunecke und Eva Berberich, LL.M.              		Dr. Jan-Hendrik Gnändiger und Timo Herold

29 RUG II – neue Offenlegungs- ­und Berichtspflichten
  A                                                               62
                                                                   Informationsaustausch zwischen Vorstand und
  für institutionelle ­Anleger und Vermögensverwalter               Aufsichtsrat einer ­Aktiengesellschaft mittels
		Dr. Bettina Hammers                                               ­virtuellen Datenraums
                                                                 		 Dr. Jan-Henric M. Punte, LL.M. (Hull), und
32Ad-hoc-Zustimmung durch den Aufsichtsrat –                      Dr. Richard Stefanink
  ein neuer Schutz­mechanismus bei Geschäften
  mit nahestehenden Personen
		Georg Lanfermann

4    Audit Committee Quarterly I/2020
                                                      © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
                                                      KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
                                                      schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK
F A M I L I E N U N T E R N E H M E N                                                                       		
                                                                                                                F I N A N C I A L R E P O R T I N G U P D AT E | TA X

64	Nachhaltig wachsen durch Werte und Vertrauen                                                              86	DPR-Tätigkeitsbericht 2019 – Fehlerquote deutlich
		 Dr. Vera-Carina Elter                                                                                         ­angestiegen
                                                                                                              		  Renata Paul
66Deutsche Familienunternehmer blicken ­weniger
  optimistisch in die Zukunft als vor einem Jahr.                                                              88
                                                                                                                 eue Gesetzgebung zur Forschungs- und
                                                                                                                N
  Dr. Vera-Carina Elter
		                                                                                                             ­Innovationsförderung: Unternehmen sollten jetzt
                                                                                                                 ­zügig handeln
                                                                                                              		 Dr. Jan Wendland

		A K T U E L L E R E C H T S P R E C H U N G

69	Objektiver Fehlerbegriff im deutschen                                                                      90         P U B L I K AT I O N E N
    ­Enforcement-Verfahren?
		  Olaf Haegler

                                                                                                               91         A U S G E W Ä H LT E Z E I T S C H R I F T E N A R T I K E L

		C O R P O R AT E G O V E R N A N C E A K T U E L L
                                                                                                              92           A K T U E L L E V E R A N S TA LT U N G
72	Was Aufsichtsräte über das Geldwäsche­gesetz                                                                            Praktische und strategische ­Implikationen
    wissen sollten                                                                                                          der Covid-19-Krise für den Aufsichtsrat –
		 Barbara Scheben                                                                                                         Webinar des Audit Committee Institute

74	Auswirkungen der Berichterstattung über Key
    ­Audit Matters auf das Entscheidungsverhalten
     des Prüfungs­ausschusses – Erhöhte Transparenz
                                                                                                               93         Impressum
		  Michelle Höfmann und Prof. Dr. Christiane Pott

77	IDW-Positionspapier zur Zusammenarbeit
    ­zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer                                                                 94         Bestellformular
		  Georg Lanfermann

78	Kurzmeldungen
		 Zusammengestellt von Astrid Gundel

 80          IN E IGENER SACHE
            Financial Reporting Update 2020–
             Aktuelles für ­Aufsichtsräte

82	D I E W E LT D E R C O R P O R AT E G OV E R N A N C E :
         S I N G A PU R E R F I N D E T S I C H N E U
		Thomas Schalow

                                                                                                                                                     Audit Committee Quarterly I/2020 5
© 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK
§
S C H W E R P U N K T A RUG II

ARUG II – was ist neu?
Autor: Prof. Dr. Ulrich Noack

6   Audit Committee Quarterly I/2020
                                       © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
                                       KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
                                       schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK
Prof. Dr. Ulrich Noack (geb. 1956) ist seit 1994 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels-
                                                                           und Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Geschäfts-
                                                                           führender Direktor des Instituts für Unternehmensrecht an der Juristischen Fakultät. Er lehrt und
                                                                           forscht im deutschen und europäischen Privat- und Unternehmensrecht, insbesondere im Kapital­
                                                                           gesellschaftsrecht. Prof. Dr. Noack ist Mitherausgeber und Autor des Kölner Kommentars zum Aktien-
                                                                           gesetz sowie des Baumbach/Hueck, GmbHG-Kommentar. Ferner berät er in Fragen der deutschen
                                                                           und europäischen Rechtssetzung, u. a. Anhörungen in Parlamentsausschüssen; er war Mitglied der
                                                                           BMJV-Expertenkommission zur Umsetzung der 2. Aktionärsrechte-Richtlinie.

Seit Jahresanfang 2020 ist es in Kraft, das
Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktio­
närsrechterichtlinie (ARUG II). Der Name
des Gesetzes ist Programm. Eine EU-
Richtlinie über Aktionärsrechte war in deut­
sches Recht umzusetzen – und das zum
zweiten Mal. Denn schon vor elf Jahren
gab es einen Anpassungsakt (ARUG I), der
z. B. für die Hauptversammlung eine                                                                                       Im Gefolge der Finanzkrise und wegen einiger Cor­
                                                                                                                          porate Governance-Defizite hat sich die EU zu einer
­Fernteilnahme via Onlinezuschaltung und                                                                                  Weiterentwicklung der Aktionärsrechte-RL veranlasst
                                                                                                                          gesehen. So kam es im Jahr 2017 zu einer Ergänzung
die Briefwahl brachte. Das Ziel der euro­                                                                                 der europäischen Richtlinie und infolgedessen zum
                                                                                                                          ARUG II, das am 19.12.2019 das Bundesgesetzblatt
päischen Aktionärsrechte-Richtlinie (2007)                                                                                zierte.

war und ist, die aktive Beteiligung der                                                                                   Die Umsetzung kam um ein halbes Jahr zu spät, nach
                                                                                                                          den Vorgaben der Richtlinie hätte sie schon im Juni
­Aktionäre über die Grenzen des Binnen­                                                                                   2019 erfolgen müssen. Der Gesetzentwurf wurde
                                                                                                                          zwar rechtzeitig dem Bundestag vorgelegt, aber des­
markts hinweg zu fördern. Denn das Aktio­                                                                                 sen Rechtsausschuss hat ungewöhnlich lange darü­
                                                                                                                          ber beraten. Der Grund dafür waren Unstimmigkeiten
nariat ist zunehmend international struk­                                                                                 zwischen den Koalitionsparteien, wie man es mit der
                                                                                                                          Vorstandsvergütung halten sollte. Das europäische
turiert, während die Aktiengesetze von den                                                                                Recht sieht im Grundsatz vor, dass die Hauptversamm­
                                                                                                                          lung über die Vergütung befindet. Allerdings besteht
Mitgliedstaaten gemacht werden. Daher                                                                                     ein Wahlrecht der Mitgliedstaaten, ob dieses Votum
                                                                                                                          bindend sein soll oder nicht. Der Entwurf der Bundes­
will der europäische Gesetzgeber die Mit­                                                                                 regierung wollte eine nur beratende Beschlussfassung
                                                                                                                          über die Vergütung, während die letztgültige Entschei­
wirkung der Aktio­näre bei börsennotierten                                                                                dung beim Aufsichtsrat bliebe. Dieser sei »aufgrund
                                                                                                                          seiner institutionellen Verfasstheit hierzu besonders
Gesellschaften verbessern sowie die                                                                                       geeignet. Durch die Besetzung des Aufsichtsrats ent­
                                                                                                                          sprechend den Mitbestimmungsvorschriften ist ins­
grenzüberschreitende Information und Aus­                                                                                 besondere der Einfluss der Arbeitnehmervertreter auf
                                                                                                                          die Vorstandsvergütung gewährleistet«, so die Regie­
übung von Aktionärsrechten erleichtern.                                                                                   rungsbegründung. Dieser Grundlinie hat schließlich
                                                                                                                          das Parlament zugestimmt, allerdings mit einer interes­
Diese hehren Ziele sind gewiss zu begrü­                                                                                  santen Modifikation. Es wurde am Ende ein Passus
                                                                                                                          aufgenommen, wonach der Aufsichtsrat eine »Maxi­
ßen, doch wie sollen sie erreicht werden?                                                                                 malvergütung« für den Vorstand zu bestimmen hat –
                                                                                                                          und die Hauptversammlung dieses Maximum herab­
                                                                                                                          setzen kann (§§ 87, 87a, 120a AktG).

                                                                                                                                               Audit Committee Quarterly I/2020 7
© 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
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SCHWERPUNKT ARUG II

Auf diesem Wege etwas hinten herum kommt also                           Und schließlich wird ein Auskunftsanspruch der bör­
die Hauptversammlung wieder ins Spiel. Sie befindet                     sennotierten AG gegenüber den Banken begründet.
konsultativ über das Vergütungssystem und lässt sich                    Diese Intermediäre haben über ihre Depotbestände
darüber eingehend berichten, gegen einen Exzess                         an die Gesellschaft zu berichten. »Know your share­
kann die HV-Mehrheit korrigierend einschreiten.                         holder« lautet die Devise. Die Idee ist, dass damit die
                                                                        Gesellschaft in einen besseren Kontakt mit dem Aktio­
Ein weiterer Bereich war umstritten und wurde mit                       nariat findet. In der Sache muss man freilich sehen,
­einer neuen Prozentangabe gelöst: Statt 2,5 Prozent                    dass statt eines Aktionärsrechts (so die Richtlinie)
 sind es 1,5 Prozent geworden. Um was geht es? Ge­                      eine indirekte Aktionärspflicht begründet wurde, näm­
 schäfte mit nahestehenden Unternehmen und Perso­                       lich die Offenbarung durch die Depotbank gegenüber
 nen sind gemeint, die von der börsennotierten Gesell­                  dem Vorstand der AG zu dulden. Die mögliche Be­
 schaft übers Jahr geschlossen werden (§ 111a AktG).                    grenzung auf eine 0,5-Prozent-Anteilsschwelle hat der
 Diese »related parties transactions« (RPT) sind kritisch               deutsche (im Gegensatz zum österreichischen) Ge­
 wegen der Gefahr zu günstiger Konditionen für die                      setzgeber nicht vorgenommen, weil man technische
 Nahestehenden und weil die außenstehenden Aktio­                       Pro­bleme befürchtete. Die Information der Aktionäre
 näre dadurch benachteiligt werden. Die EU-Richtlinie                   seitens der Gesellschaft läuft auch über die Interme­
hat sich vorgenommen, hier einen Schutzwall zu er­                      diäre, die ihrer Klientel von »Unternehmensereignis­
richten, indem grundsätzlich die Hauptversammlung                       sen« zu berichten haben (§ 67a AktG). Dazu zählen
unter Ausschluss der befangenen Aktionäre über die­                     etwa Nachrichten über Dividenden und Kapitalmaß­
ses Geschäft befindet. Diese Option passt allerdings                    nahmen sowie über die Einberufung der Hauptver­
nicht zum deutschen Aktienrecht, das der Hauptver­                      sammlung. Dieses grenzüberschreitende System der
sammlung nur eine Kompetenz in Satzungs- und Struk­                     zügigen Unterrichtung der Aktionäre muss sich bis
 turfragen zubilligt und im Übrigen seit Anbeginn den                   zum Herbst 2020 einspielen – erst ab September sind
 Aufsichtsrat als Überwachungsorgan etabliert hat. Und                  die neuen Regelungen anzuwenden. Damit kann das
 seit dem Aktiengesetz von 1965 gibt es ein Konzern­                    Gros der HV-Saison 2020 noch nach den alten, der
 recht, das Transaktionen mit dem Mehrheitsaktionär                     Praxis vertrauten Regularien abgewickelt werden. Die
 durch eine Berichts- und Ausgleichspflicht reguliert.                  Vorschriften über die Beteiligung der HV an der Vor­
 Der deutsche Gesetzgeber wollte an diesem Konzern­                     standsvergütung gelten sogar erst ab dem Jahr 2021.
 recht festhalten, weshalb die RPT-Regelungen unter
 Nutzung der Wahlfreiheiten der Richtlinie eher zahm                    Der deutsche Gesetzgeber hat eine vorsichtige, die
 ausgefallen sind. Der Zustimmung des Aufsichtsrats                     Wahlmöglich­keiten der Richtlinie weitgehend aus­
 bedarf es, wenn innerhalb eines Geschäftsjahrs ein                     nutzende Umsetzung vorgenommen. Die einzelnen
 bestimmter Prozentsatz erreicht wird. Die Kritik lau­                  Bereiche (Organvergütung, Geschäfte mit Nahe­ste­
 tete, dass durch den geplanten hohen Schwellenwert                     henden, Information und Identifikation der Aktionäre,
 von 2,5 Prozent der Bilanzaktiva die gesamte Regelung                  Inpflicht­nahme der institutionellen Anleger) sind für
 leerlaufe. Die Politik hat diese Besorgnis aufgenom­                   sich genommen von hoher Relevanz, doch insgesamt
 men und den Wert um einen Prozentpunkt abge­                           ist das Aktiengesetz nicht in den Grundfesten erschüt­
 senkt.1                                                                tert. Für die Aufsichtsräte kommen jedoch weitere
                                                                        Aufgabenfelder hinzu, zum Teil sofort (RPT!), zum Teil
Ein weiteres Anliegen der Richtlinie und damit auch                     in der zweiten Jahreshälfte. Gute Vorbereitung tut
des Umsetzungsgesetzes sind die Pflichten institutio­                   not.
neller Anleger und Vermögensverwalter (§§ 134a – d
AktG). Wohlgemerkt: In der Richtlinie über Aktio­
närsrechte geht es hier um neue Aktionärspflichten!
Es werden Transparenzpflichten verankert, die eine
Offenlegung verschiedener Informationen vorsehen in
­Bezug auf Mitwirkung, Anlageverhalten und Geschäfts­
 modell der institutionellen Anleger, Vermögensverwal­
 ter und Stimmrechtsberater. Damit werden größere
 Kapitalanleger zu Corporate Governance-Akteuren
gemacht, wie es seit dem Jahr 2010 schon der briti­
 sche Stewardship-Code vorsah.

1 Tim Florstedt: Der Aktionärsschutz bei Geschäften mit nahestehenden
  Personen, Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
  (ZHR) 2020, S. 10 – 59

8   Audit Committee Quarterly I/2020
                                                                        © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
                                                                        KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
                                                                        schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK
Neuerungen
in der Vergütung
nach ARUG II
Autoren: Dr. Stefan Wilhelm Suchan, LL.M. (Cornell),
               und Ralf Gerdes

ARUG II bietet im Bereich der Vergütung von
Vorstand und Aufsichtsrat zwei wesentliche
Neuheiten: das regelmäßig von der Hauptver­
sammlung zu bestätigende Vergütungssystem
(§ 87a AktG) und den jährlich von der Haupt­
versammlung zu beschließenden Vergütungs­
bericht (§ 162 AktG). Beide Elemente betreffen
den Aufsichtsrat in doppelter Hinsicht: Zum
­einen ist er (mit-)verantwortlich für das Vergü­
tungssystem des Vorstands und den Ver­
gütungsbericht, zum anderen ist er Empfänger
der Aufsichtsratsvergütung. Dementspre­
chend ist es für den Aufsichtsrat empfehlens­
wert, diesen Themen hinreichende Aufmerk­
samkeit zu schenken; nach der maßgeblichen
Übergangsvorschrift1 ist ein Vergütungs­                                                                                  I. Vergütungssystem

system erstmals zur ersten ordentlichen Haupt­                                                                            Inhaltlich übersetzt die gesetzliche Neuregelung die
                                                                                                                          vorwiegend monistisch gedachte Aktionärsrechte­
versammlung nach dem 31.12.2020 zu erstel­                                                                                richtlinie in das dualistische System des deutschen
                                                                                                                          Aktienrechts und gestaltet sie in einigen Aspekten
len und dieser zur Billigung vorzulegen –                                                                                 ­näher aus. Im Vergütungsbereich betrifft dies vor allem
                                                                                                                           die Frage nach dem Einfluss der Aktionäre auf die
und ein Vergütungsbericht ist erstmals für das                                                                             Ausgestaltung der Vergütung von Vorstand und Auf­
nach dem 31.12.2020 beginnende Geschäfts­                                                                                  sichtsrat.

jahr zu erstellen.                                                                                                        1 § 26j EGAktG

                                                                                                                                                Audit Committee Quarterly I/2020 9
© 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Audit Committee Quarterly - VERGÜTUNG, TR ANSPARENZ UND UNABHÄNGIGKEIT NACH ARUG II UND DCGK
SCHWERPUNKT ARUG II

               Bei börsennotierten Gesellschaften ist künftig zwin­
               gend erforderlich, der Hauptversammlung in regel­
               mäßigen Abständen – maximal vier Jahre – das Ver­
               gütungssystem für Vorstand und Aufsichtsrat zur
                                                                                                            Dr. Stefan Wilhelm Suchan, LL.M. (Cornell), ist
               Billigung vorzulegen. Unmittelbare Bedeutung
                                                                                                            seit 2007 Partner der KPMG Law Rechtsanwalts-
               kommt dieser Billigung jedoch lediglich bei der                                              gesellschaft mbH und dort verantwortlich für die
               Aufsichtsratsvergütung zu2; bei der Vorstandsver­                                            Practice Group Handels- und Gesellschaftsrecht.
               gütung sind die Aktionäre hingegen auf die Möglich­                                          Er besitzt langjährige Erfahrung in der rechtlichen,
               keit beschränkt, den Aufsichtsrat durch eine Versa­                                          steuer­lichen und bilanziellen Beratung großer
                                                                                                            und mitt­lerer Unternehmen. Sein Beratungs-
               gung der Billigung zur Vorlage eines überprüften
                                                                                                            schwerpunkt liegt in der Begleitung von Umstruk-
               Vergütungssystems in der nächsten Hauptversamm­                                              turierungsvorgängen sowie in der umfassenden
               lung zu verpflichten.3                                                                       gesellschaftsrechtlichen Betreuung, insbesondere
                                                                                                            von Management und Aufsichtsrat.
               (1) Vorstandsvergütung
               Hinsichtlich der konkreten Vorstandsvergütung bleibt
               es bei der unmittelbaren Verantwortlichkeit des
               ggf. mitbestimmten Aufsichtsrats.4 Dem vom Auf­
               sichtsrat zu erarbeitenden und der Hauptversamm­                    Betreffend das Vergütungssystem enthält die gesetz­
               lung zur Billigung vorzulegenden Vergütungssystem                   liche Neuregelung konkrete Vorgaben dazu, welche
               kommt dabei die Funktion einer (Selbst-)Beschrän­                   Aspekte ggf. zu adressieren sind.6 Über die Vorgaben
               kung zu: Der Aufsichtsrat muss bei seiner Entschei­                 von ARUG II hinaus wurde im deutschen Gesetz­
               dung über die konkrete Vergütung künftig nicht nur die              gebungsverfahren als nationale Besonderheit eine
               materiellen Vorgaben des § 87 AktG, sondern grund­                  Angabe zur Maximalvergütung der Vorstandsmitglie­
               sätzlich auch die Vorgaben des Vergütungssystems                    der ergänzt.7 Nach der Gesetzesbegründung steht es
               beachten, das er der Hauptversammlung zur Billigung                 dem Aufsichtsrat frei, hier einen Maximalbetrag für
               vorgelegt hat (§ 87a Abs. 2 AktG). Auf die Billigung                alle Vorstandsmitglieder oder gesonderte Maximal­
               des Vergütungssystems durch die Hauptversammlung                    beträge für jedes Vorstandsmitglied anzugeben. Es ist
               kommt es rechtlich hingegen nicht an.                               zu erwarten, dass in der Praxis weit überwiegend
                                                                                   individuelle Maximalbeträge festgelegt werden;
               Im Bereich der materiellen Vorgaben bringt ARUG II                  andernfalls ergeben sich nicht nur Schwierigkeiten bei
               keine wesentlichen Neuerungen; insbesondere gibt                    der Bestellung zusätzlicher Vorstandsmitglieder, son­
               es weiterhin keine allgemeingültigen Obergren­                      dern ist in der Erklärung zum Corporate Governance
               zen für die Vorstandsvergütung. Allerdings hat der                  Kodex 8 auch eine Abweichung von dessen entspre­
               deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der zweiten                      chenden Empfehlungen zu erklären.9
               Aktionärsrechterichtlinie zum Anlass genommen, den
               Wortlaut der maßgeblichen Norm5 anzupassen. Nach                    Nicht klar geregelt ist, wie detailliert und konkret die
               der Gesetzesbegründung soll der Aufsichtsrat durch                  Regelungen zu den einzelnen Aspekten des Vergü­
               den neuen Wortlaut (»nachhaltige und langfristige                   tungssystems ggf. getroffen werden müssen. Mit
               Entwicklung der Gesellschaft«) dazu angehalten wer­                 Blick auf den selbstbeschränkenden Charakter des
               den, bei seiner Vergütungsentscheidung neben der                    Vergütungssystems mag es daher aus Sicht des Auf­
               langfristigen Entwicklung der Gesellschaft auch                     sichtsrats vernünftig erscheinen, die Vorgaben so zu
               soziale und ökologische Aspekte zu berücksich­                      wählen, dass ihm möglichst viel Spielraum verbleibt.
               tigen. Ob dies zwingend eine Einbeziehung von nicht­                Allerdings droht die entsprechende Regelung10 dann
               finanziellen Leistungsindikatoren erfordert, bleibt ab­             ins Leere zu laufen. Mit ersten Stimmen im juristi­
               zuwarten.                                                           schen Schrifttum wird man daher davon ausgehen
                                                                                   müssen, dass unabhängig von den Erwartungen der
                                                                                   Aktionäre eine gewisse Konkretisierung erforder­
                                                                                   lich ist.

                                                                                   6 Vgl. dazu den neuen § 87a Abs. 1 AktG
                                                                                   7 § 87a Abs. 1 Nr. 1 AktG
               2 § 113 AktG
                                                                                   8 § 161 AktG
               3 § 120a Abs. 3 AktG
                                                                                   9 Vgl. Empfehlung G.1 Deutscher Corporate Governance ­Kodex
               4 Vgl. dazu auch § 116 Satz 3 AktG                                    (DCGK 2020)
               5 § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG                                           10 § 87a Abs. 2 AktG

10   Audit Committee Quarterly I/2020
                                                          © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
                                                          KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
                                                          schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
II. Vergütungsbericht
                                                                                                    Veränderte Aufgaben ergeben sich für den Aufsichts­
                                                                                                    rat auch im Zusammenhang mit dem künftig zu erstel­
Ralf Gerdes ist seit 2010 als Rechtsanwalt in der
                                                                                                    lenden Vergütungsbericht.14 Dieser ersetzt und erwei­
Frankfurter N­ iederlassung der KPMG Law Rechts-
anwaltsgesellschaft mbH ­tätig. Er berät nationale
                                                                                                    tert die bislang vom Vorstand im (Konzern-)Anhang
und internationale Unternehmen und ­deren                                                           und (Konzern-)Lagebericht zu machenden Angaben
­Organe umfassend zu gesellschafts- und konzern-                                                    zur Vergütung und zum Vergütungssystem. Während
 rechtlichen Frage­stel­­lun­gen, Corporate Gover­                                                  der Aufsichtsrat bislang für eine Prüfung der Anga­
 nance-­Themen sowie zur Aus­gestaltung und Imple-
                                                                                                    ben in den vom Vorstand aufgestellten Rechnungs­
 mentierung von Vergütungsprogrammen.
                                                                                                    legungsunterlagen zuständig war, trifft ihn nunmehr –
                                                                                                    ebenso wie bei der Entsprechenserklärung – eine
                                                                                                    originäre Mitverantwortung für die Berichterstat­
                                                                                                    tung.

                                                                                                    Inhaltlich neu ist, dass künftig nicht nur die Vergü­
                                                                                                    tung der Mitglieder des Vorstands, sondern auch
Eine weitere Besonderheit im Zusammenhang mit der                                                   jene der Aufsichtsratsmitglieder individualisiert
Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie ist,                                                angegeben werden muss.15 Anders als bislang16 ist
dass die Hauptversammlung eine Herabsetzung der im                                                  eine abweichende Entscheidung der Hauptversamm­
Vergütungssystem festgelegten Maximalvergütung                                                      lung nicht mehr vorgesehen. Ausnahmen sind nur
beschließen kann.11 Ein Eingriff in bestehende Vor­                                                 ­zulässig, soweit sich Angaben auf die individuelle
standsverträge ist damit ebenso wenig verbunden12                                                    ­Familiensituation beziehen oder wenn der Gesellschaft
wie eine Vorfestlegung für der Hauptversammlung                                                       im Falle der Aufnahme nicht unerhebliche Nachteile
künftig vorzulegende Vergütungssysteme. Die prakti­                                                   drohen.17
sche Bedeutung dürfte daher im Ergebnis gering
sein.                                                                                               Der Vergütungsbericht ist vom Abschlussprüfer in for­
                                                                                                    meller, aber nicht in materieller Hinsicht zu prüfen.18
(2) Aufsichtsratsvergütung                                                                          Ein entsprechender Vermerk ist dem Bericht beizufü­
Im Bereich der Vergütung des Aufsichtsrats bedurfte                                                 gen. Zudem ist der Vergütungsbericht für die Dauer
es der von der zweiten Aktionärsrechterichtlinie beab­                                              von zehn Jahren kostenlos auf der Internetseite der
sichtigten stärkeren Einbindung der Aktionäre im                                                    Gesellschaft zugänglich zu machen.19
deutschen Recht nicht. Hier war die Hauptversamm­
lung bereits bislang für die Festsetzung der konkreten
Vergütung zuständig. Dementsprechend hat sich der
deutsche Gesetzgeber für eine sog. Einheitslösung
entschieden: Die gemeinschaftsrechtlich erforderli­
chen Elemente des Vergütungssystems sind in die
konkrete Vergütungsentscheidung zu integrieren und
diese ist auch dann spätestens alle vier Jahre neu zu
fassen, wenn die Aufsichtsratsvergütung unmittelbar
in der Satzung geregelt ist.13

Noch zu klären ist die Frage, ob die gesetzliche Neu­
regelung Auswirkung auf die Zulässigkeit sog. Dritt­
vergütungen hat. Dafür mag sprechen, dass die
­gemeinschaftsrechtlich vorgegebene Zuständigkeit
 der Aktionäre für die Vergütungsentscheidung hier­
 durch unterlaufen werden kann.
                                                                                                    14 Vgl. dazu § 162 AktG
                                                                                                    15 § 162 Abs. 1 Satz 2 AktG
                                                                                                    16 § 286 Abs. 5 HGB
11 § 87 Abs. 4 AktG                                                                                 17 § 162 Abs. 5 und Abs. 6 AktG
12 Diese Möglichkeit eröffnet weiterhin § 87 Abs. 2 AktG.                                           18 § 162 Abs. 3 AktG
13 § 113 Abs. 3 AktG                                                                                19 § 162 Abs. 4 AktG

                                                                                                                                       Audit Committee Quarterly I/2020 11
© 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
SCHWERPUNKT ARUG II

                               ARUG II – Konsequenzen
                               		­der Neuerungen
                               		        in der
                               		 Vorstandsvergütung
                               für die Rechnungslegung                                                                                                  Autor: Ingo Rahe

                                                                      ARUG II wird die Praxis der Berichterstattung
                                                                      über die Organvergütung bei börsennotierten
                                                                      Gesellschaften erheblich verändern: Der neue
                                                                      aktienrechtliche Vergütungsbericht gemäß
                                                                      § 162 AktG, der gemeinsam von Vorstand und
                                                                      Aufsichtsrat zu erstellen ist, wird zahlreiche
                                                                      individualisierte Angaben über die Vergütung
                                                                      der Mitglieder des Vorstands und der des
Ingo Rahe ist Director in der Grundsatzabteilung der KPMG AG          ­Aufsichtsrats verlangen. Die bisherige Möglich­
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und beschäftigt sich dort mit
­Fragen der Rechnungslegung nach HGB und IFRS, insbesondere           keit, nach der die individualisierten Angaben
 für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Einer seiner Themen-
 schwerpunkte ist die Lageberichterstattung.
                                                                      zur Vorstandsvergütung durch Hauptversamm­
                                                                      lungsbeschluss unterbleiben, ist gestrichen.
                                                                      Der Vergütungsbericht ist spätestens für das
                                                                      Geschäftsjahr zu erstellen, das nach dem
                                                                      31.12.2020 beginnt. Anlässlich dieser Änderung
                                                                      der gesetzlichen Vorgaben verzichtet der
                                                                      neue DCGK 2020 auf das Erstellen der sog.
                                                                      Mustertabellen.

12   Audit Committee Quarterly I/2020
                                                                 © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
                                                                 KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
                                                                 schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Gestrichene Regelungen des HGB                                                                      Der Vergütungsbericht enthält individualisierte Anga­
                                                                                                    ben zur Vergütung der Vorstands- und der Aufsichts­
Die Angaben zur individuellen Vergütung des Vor­                                                    ratsmitglieder im Geschäftsjahr; zudem stellt er die
stands, nach denen börsennotierte Aktiengesell­                                                     zukünftigen Leistungen für die Vorstandsmitglieder
schaften bisher im Anhang oder im Lagebericht die                                                   individualisiert dar. Die Angaben im Vergütungsbericht
Vergütung der Vorstandsmitglieder individualisiert                                                  sind sehr weitgehend:
ausweisen mussten, entfallen künftig an dieser Stelle
(Streichung von § 285 Nr. 9 Buchstabe a) Satz 5 – 8                                                 • Er enthält zum einen Informationen, die in § 285
HGB). Die Gesamt bezüge des Vorstands und des                                                         Nr. 9 Buchstabe a) Satz 5 – 8 HGB gestrichen wurden
Aufsichtsrats sind weiterhin nach § 285 Nr. 9 Buch­                                                   und lediglich in den Vergütungsbericht verschoben
stabe a) Satz 1– 4 HGB im Anhang anzugeben.                                                           wurden: Angabe der Bezüge nach festen und varia­
                                                                                                      blen Komponenten, Angabe der Leistungen bei vor­
Im Lagebericht müssen keine Angaben mehr zu den                                                       zeitiger und bei regulärer Beendigung, Gewährung
Grundzügen des Vergütungssystems gemacht wer­                                                         von Dritten.
den (Streichung von § 289a Abs. 2 HGB).
                                                                                                    • Er enthält zum anderen aber auch viele neue Infor­
Für die Konzernrechnungslegung werden entsprechen­                                                    mationen. Von besonderer Bedeutung wird dabei
de Streichungen durch das ARUG II vorgenommen.                                                        die vergleichende Darstellung über die letzten fünf
                                                                                                      Geschäftsjahre sein, in der die jährliche Verände­
                                                                                                      rung der individuellen Organvergütung je Vorstand
Neue Regelungen im AktG und                                                                           und Aufsichtsrat mit der Ertragsentwicklung der
im HGB                                                                                                Gesellschaft und der durchschnittlichen Vergütung
                                                                                                      der Arbeitnehmer verglichen wird. Da der Wortlaut
Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesell­                                                     der Umsetzung in deutsches Recht für diese ver­
schaften müssen in Zukunft gemeinsam einen Vergü­                                                     gleichende Darstellung stark interpretationsbedürf­
tungsbericht erstellen, der ein eigenes Element der                                                   tig ist (§ 162 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG), wird hier eine
Rechnungslegung außerhalb von Jahresabschluss                                                         Tabelle unter der Annahme richtlinienkonformer Aus­
und Lagebericht darstellt. Dieser neue aktienrechtliche                                               legung (EU-Richtlinie 2017 / 828, Artikel 9b Abs. 1b)
Vergütungsbericht gemäß § 162 AktG ist für jedes                                                      dargestellt; die weitere Entwicklung diesbezüglich
­Geschäftsjahr zu erstellen.                                                                          bleibt zu beobachten:

                            Abbildung: Beispiel für eine vergleichende Darstellung der jährlichen Veränderung der Vergü­
                            tung nach § 162 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG*; **

                            Veränderung gegenüber Vorjahr in %                                   2021                2022      2023     2024         2025

                            Vorstand A                                                            +10                 +10      +10      +10          +10

                            Vorstand B                                                            +8                      +3   +9       +10           +4

                            Vorstand C                                                            +4                      –2   +5        +5           +2

                            Ertragsentwicklung des Unternehmens                                   +8                      –5   +9       +10           +4

                            Durchschnittliche Vergütung der Arbeit­
                                                                                                  +2                      +2   +2        +2           +2
                            nehmer***

                            *      nter der Annahme richtlinienkonformer Auslegung und der Auslegung im Entwurf der EU-Leitlinien vom 12.7.2019:
                                  u
                                  »Guidelines on the standardised presentation of the remuneration report«, S. 18, da Wortlaut der deutschen Umsetzung
                                  interpretationsbedürftig ist
                            ** hier vereinfachend ohne Darstellung der Aufsichtsräte
                            *** vollständige 5-Jahresdarstellung für diese Angabe erst ab dem fünften Jahr notwendig, siehe Art. 26j Abs. 2 S. 2 EGAktG
                                  i.V. m. BT-Drs. 19 / 9739, S. 118

                                                                                                                                         Audit Committee Quarterly I/2020 13
© 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
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schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
SCHWERPUNKT ARUG II

Auf die individualisierte Offenlegung der Vorstands­        Erstanwendung und Übergangs­
vergütung, die nun im neuen Vergütungsbericht er­           vorschriften
folgt, kann – anders als zuvor – nicht mehr durch die
Hauptversammlung verzichtet werden (Streichung              Der neue aktienrechtliche Vergütungsbericht nach
von § 286 Abs. 5 HGB).                                      § 162 AktG ist erstmals verpflichtend für das nach dem
                                                            31.12.2020 beginnende Geschäftsjahr zu erstellen.
Aufgrund der Streichung der Beschreibung der Grund­         Korrespondierend sind die Vorschriften des HGB in
züge des Vergütungssystems im Lagebericht ist statt­        der Fassung vor ARUG II, d. h. insbesondere die Vor­
dessen in der Erklärung zur Unternehmensführung             schriften zur Organvergütung nach § 285 Nr. 9 Buch­
eine Bezugnahme auf diejenige Internetseite vorzu­          stabe a) Satz 5 – 8 HGB, letztmals anzuwenden auf
nehmen, auf der der Vergütungsbericht über das letzte       Jahres- und Konzernabschlüsse für Geschäftsjahre,
Geschäftsjahr und der dazugehörige Vermerk des              die vor dem 1.1.2021 beginnen.
­Abschlussprüfers, das geltende Vergütungssystem
 und der letzte Beschluss der Hauptversammlung über         Wird der neue aktienrechtliche Vergütungsbericht
 die Vergütung des Aufsichtsrats öffentlich zugänglich      nach § 162 AktG freiwillig für ein früheres Geschäfts­
 gemacht sind (§ 289f Abs. 2 Nr. 1a HGB).                   jahr erstellt, sind für dieses Geschäftsjahr – korres­
                                                            pondierend – bereits die Vorschriften des HGB in der
                                                            Fassung des ARUG II anzuwenden.
Frist zur Erstellung, Prüfung durch
den Abschlussprüfer und
­Offenlegung des Vergütungsberichts                         Wechselwirkung mit dem DCGK
Der neue aktienrechtliche Vergütungsbericht ist vom         Am 20.3.2020 wurde der – gegenüber dem zuletzt
Abschlussprüfer formell zu prüfen, also nicht mehr          bekannt gemachten »DCGK 2017« – grundlegend
­inhaltlich wie bisher. Über die Prüfung wird ein Vermerk   überarbeitete neue »DCGK 2020« im Bundesanzeiger
 des Abschlussprüfers erteilt, der zusammen mit dem         veröffentlicht und ist somit in Kraft getreten. Die
 Vergütungsbericht auf der Internetseite der Gesell­        ­wesentliche Änderung mit Bezug auf die Berichterstat­
 schaft öffentlich zugänglich gemacht wird. Eine weiter      tung über die Organvergütung besteht darin, dass der
 gehende, inhaltliche Prüfung kann jederzeit von der         DCGK 2020 auf die bisherige zusätzliche Erstellung
 Gesellschaft beauftragt werden.                             der Mustertabellen (Gewährungstabelle und Zufluss­
                                                             tabelle) verzichtet, »weil § 162 AktG nunmehr einen
Die Hauptversammlung beschließt über die Billigung           aussagekräftigen Vergütungsbericht vorsieht«.
des erstellten und geprüften Vergütungsberichts für
das vorausgegangene Geschäftsjahr, der Beschluss            Wurde der DCGK 2020 noch vor Ende der Aufstellung
ist jedoch nicht bindend.                                   des aktuellen Abschlusses (z. B. des Abschlusses
                                                            zum 31.12.2019) bekannt gemacht und erklären der
Die Frist zur Erstellung des Vergütungsberichts ist         Vorstand und der Aufsichtsrat in der – turnusmäßigen
nicht gekoppelt an die Fristen zur Aufstellung des Jah­     oder vorgezogenen – Entsprechenserklärung nach
resabschlusses. Die Frist ergibt sich allein daraus, dass   § 161 AktG ebenfalls noch vor Ende der Aufstellung des
die Unterlagen der Einladung zur Hauptversammlung           Abschlusses die Befolgung des neuen DCGK 2020,
beizufügen sind.                                            dann brauchen die Mustertabellen nach DCGK 2017 in
                                                            diesen Abschluss / Lagebericht nicht mehr aufgenom­
                                                            men zu werden. Dies gilt unabhängig davon, ob noch
Sanktionen                                                  die alten gesetzlichen Vorschriften oder bereits die
                                                            neuen gesetzlichen Vorschriften zur Berichterstattung
Die unrichtige Darstellung eines Vergütungsberichts         über die Organvergütung angewendet werden. Es
wird durch Aufnahme in den § 400 AktG in die aktien­        gibt also eine inhaltliche Wechselwirkung zwischen
rechtlichen Straf- und Bußgeldvorschriften überführt.       ARUG II und DCGK, die aber zeitlich nicht aufeinander
                                                            abgestimmt ist.

14   Audit Committee Quarterly I/2020
                                                            © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
                                                            KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
                                                            schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
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den Themen, die bewegen.
16. April 2020 | 15:00 –16:00 Uhr:
Digitalisierung der Internen Revision – Tools, Prozesse und neue
Vorgehensweisen

29. April 2020 | 15:00 –16:00 Uhr:
Risikomanagement in Krisenzeiten – von schwarzen Schwänen,
Business Continuity bis IDW PS 340

12. Mai 2020 | 15:00 –16:00 Uhr:
Das Interne Kontrollsystem in Zeiten von Homeworking und
Krisenmanagement (z. B. Dokumentation, Einhaltung Freigaben
und 4AP)

27. Mai 2020 | 15:00 –16:00 Uhr:
Aktuelle regulatorische Entwicklungen und Auswirkungen einer
Pandemie auf Compliance Management Systeme

9. Juni 2020 | 15:00 –16:00 Uhr:
Herausforderungen in der Produktions- und Lieferkette
(Einhaltung IfSG, Handelsbeschränkungen und Sanktionen sowie
                                                                   © 2020 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten.

Force Majeure Klauseln bei Liefer- und Produktionsausfällen)

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SCHWERPUNKT ARUG II

                                                            Vorstandsvergütung –
                                                            Back to Basics!
                                                            Autoren: Dr. Hans-Christoph Hirt und Lisa Katarina Lange

               Die öffentliche Diskussion zeigt, dass bei der Vor­                              systemen zu beheben. Die Mehrheit der Bevölkerung
               standsvergütung von börsennotierten Unternehmen                                  bezieht ein monatliches Gehalt. Erwartet wird, dass
               einiges im Argen liegt. Im Jahr 2018 waren 56 Prozent                            dies als Motivation reicht. Die intrinsische Motivation
               der Vergütungsvorschläge von DAX-Unternehmen                                     für gute Leistung spielt – zumindest auf den Führungs­
               kontrovers, mit mehr als 10 Prozent Widerspruch bei                              ebenen – eine zentrale Rolle. Warum hat sich die Ver­
               den Abstimmungen. Darüber hinaus stieg im DAX /                                  gütungsstruktur bei Top-Managern in den letzten
               MDAX die Anzahl der Vergütungssystembeschlüsse,                                  Jahrzehnten ganz anders entwickelt? Verantwortung
               die von mehr als 20 Prozent abgelehnt wurden, um                                 und Arbeitsintensität sind natürlich höchst unterschied­
               71 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.1                                            lich – dies ist aber schon in der Höhe der Vergütung
                                                                                                reflektiert. Es ist fraglich, ob es auch nach einer ganz
               Auch in Deutschland gehen kontinuierlich steigende                               anderen Struktur verlangt.
               Vorstandsvergütungen oft mit mäßiger operativer Leis­
               tung oder unzureichend langfristig orientierter Unter­                           Die Idee, durch ausgeklügelte variable Vergütung für
               nehmensstrategie einher. Die Schere zwischen dem                                 Vorstände über ihre intrinsische Motivation hinaus
               Durchschnittseinkommen einer Mitarbeiterin und der                               ­externe Anreize zu setzen, ist t­heoretisch attraktiv –
               Vergütung der Vorstandsvorsitzenden klafft immer wei­                             und wurde insbesondere auch von den Investoren ein­
               ter auseinander.2 Zunehmend sind Pensionsfonds und                                gefordert. Das Leitbild war hierbei der Vorstand als
               institutionelle Investoren, die wir vertreten, darüber                            »Unternehmer« und nicht als »Angestellter«. In der
               besorgt, dass Vergütungssysteme und -praktiken nicht                              Theorie war die Anreiz­setzung durch variable Vergü­
               zweckmäßig sind.                                                                  tung sicherlich eine gute Idee; in der Praxis stellen
                                                                                                 sich jedoch einige grundsätzliche Fragen:
               Die Liste an Kritikpunkten ist lang: extreme Komplexi­
               tät, unzureichend langfristige Ausrichtung, hohe Aus­                            • Braucht ein guter Vorstand weiter gehende, mone­
               zahlungen trotz nur mäßigen Erfolgs, unangemessene                                 täre extrinsische Motivation, um einen guten Job zu
               Abfindungen – und nicht zuletzt signifikant gestiegene                             machen?
               absolute Vergütungshöhen.
                                                                                                • Kann ein Vergütungssystem überhaupt die Leis­
               Es ist an der Zeit, zu fragen, was zu tun ist, um die                              tung des Vorstands widerspiegeln, wo doch der
               ­offensichtlichen Schwächen von Vorstandsvergütungs­                               Unternehmenserfolg oftmals überwiegend von der
                                                                                                  gesamtwirtschaftlichen Lage, dem Industrie­zyklus
               1 Georgeson’s 2018 Proxy Season Review, https://www.georgeson.com/
                                                                                                  oder der Leistung der Vorgängerin beeinflusst ist 3?
                 uk/Documents/Georgeson%202018%20Proxy%20Season%20Review.
                 pdf
               2 Die Zeit (2019): Dax-Vorstände verdienen 52-mal so viel wie ihre
                 Angestellten, https://www.zeit.de/wirtschaft/boerse/2019-06/deutsche-          3 https://www.mckinsey.com/business-functions/strategy-and-corporate-
                 boersenliga-dax-konzerne-vorstaende-gehalt-gehaltsschere                         finance/our-insights/measuring-long-term-performance

16   Audit Committee Quarterly I/2020
                                                                       © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
                                                                       KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
                                                                       schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Dr. Hans-Christoph Hirt leitet das EOS-Team von Federated Hermes – im Auftrag                                             Lisa Katarina Lange ist Engagement- und Voting-Spezialistin im
von Pensionsfonds und Vermögensverwaltern aus zwölf Ländern, mit einem gesamten                                           EOS-Team mit Schwerpunkt auf europäische Unternehmen.
Vermögenswert von ca. 781,5 Mrd. EUR (Stand: 31.12.2019). Zuvor war Dr. Hirt bei                                          Nach Abschluss ihres Studiums in Edinburgh und Oxford sammelte
der internationalen Anwaltskanzlei Ashurst und an der London School of Economics                                          sie Erfahrung als Nachhaltigkeitsberaterin in London und wissen-
(LSE) tätig. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themen Corporate                                      schaftliche Mitarbeiterin am Institut für Nachhaltigkeitsmanage-
Governance, ­Responsible Investment und Stewardship sowie Gesellschaftsrecht.                                             ment der Wirtschaftsuniversität Wien.

• Versteht das Vorstandsmitglied selbst das Vergü­                                                  nicht mit den regulatorischen Vorschriften vereinbar oder auf Haupt­
  tungssystem, motiviert es wirklich wie erwünscht                                                  versammlungen mehrheitsfähig. Aber er ist zumindest ein sinnvolles
  und kann – in angemessener Zeit – nachvollzogen                                                   Gedankenspiel.
  werden, wie bestimmte Auszahlungen zustande
  kommen?                                                                                           Hier sind unsere direkt umsetzbaren Anregungen für Aufsichtsräte5:

• Haben Aussichten auf bedingte Zahlungen in der                                                    1. Die Komplexität der Vorstandsvergütung sollte drastisch
  Zukunft wirklich eine positive Motivationswirkung?                                                reduziert werden, sodass alle Beteiligten die Vergütungssysteme in
  Forschungsergebnisse zeigen, dass Manager ihre                                                    einer angemessenen Zeit verstehen und ggf. absegnen können.
  mehrjährige variable Vergütung als Motivation nur
  bedingt zu schätzen wissen – psychologische Fak­                                                  2. Eine deutlich höhere fixe Komponente im Vergleich zum varia­
  toren wie »discounting« machen immer höhere                                                       blen Anteil sollte zumindest zur Diskussion stehen.
  Maximalbeträge notwendig.4
                                                                                                    3. Richtlinien für den Aktienbesitz können dazu beitragen, die Inte­
• Und schließlich: Ist variable Vergütung wirklich varia­                                           ressen von Führungskräften und Aktionären auch langfristig anzu­
  bel? In der internationalen Praxis ist festzustellen,                                             gleichen.
  dass CEOs in der Regel einen Großteil der maximal
  erreichbaren variablen Vergütung erhalten.                                                          4. Variable Komponenten sollten an konkrete strategische Ziele
                                                                                                      ­geknüpft sein – als Anreiz für langfristige Wertschöpfung. Falls es
Unsere Erfahrung aus dem Dialog mit Aufsichtsrats­                                                     überhaupt einen sog. Long-Term Incentive Plan (LTIP) gibt, sollte
vorsitzenden zeigt: Alle Beteiligten wünschen sich                                                  ­dieser neben strategischen und finanziellen KPIs auch materielle,
zweckmäßige Vorschläge für die Vorstandsvergütung,                                                   ­unternehmensspezifische Nachhaltigkeitsparameter einbeziehen.
auch damit Aufsichtsräte und Investoren sich im                                                       Total Shareholder Return / Earnings per Share allein sind in der
­Dialog auf andere wichtige Themen (wie z. B. den Stra­                                               Regel wenig zielführend.6
 tegieprozess, das Risikomanagement, die Aufsichts­
 ratszusammensetzung und Vorstandsbestellungen)                                                     Die Implementierung der Aktionärsrechterichtlinie und die damit
 konzentrieren können.                                                                              ­verbundenen Abstimmungen über Vergütungssysteme auf Haupt­
                                                                                                     versammlungen sollten ­Anstoß sein, die Vergütung von Vorständen
Wir befürworten Vorschläge für weitaus einfachere                                                    grund­legend zu überdenken. Ein Beispiel für einen Beginn eines kon­
Vergütungssysteme, in denen der Großteil der Gesamt­                                                 struktiven Dialogs sind die Leitlinien für nachhaltige Vorstandsvergü­
vergütung auf einem fixen Betrag basiert, der zu einem                                               tung7, die von einer Gruppe wichtiger Stakeholder, darunter Aufsichts­
erheblichen Teil in Aktien ausgezahlt wird. Etwaige                                                  ratsvorsitzende mehrerer DAX-Unternehmen und Vertreter von
variable Vergütung sollte einen deutlich kleineren Teil                                             deutschen institutionellen Anlegern, 2018 erarbeitet wurde.
des Gesamtbetrags ausmachen, idealerweise als jährli­
cher Bonus, basierend auf strategischer Zielerreichung.
Auch ein (fast) rein fixes Modell könnte zumindest eine
Überlegung sein, um den Status quo zu hinterfragen.                                                 5 Weitere Informationen in unseren Prinzipien für Vorstandsvergütung, https://www.hermes-in-
Natürlich ist dieser Ansatz (zu) radikal und im Moment                                                vestment.com/wp-content/uploads/2018/10/remuneration-principles-clarifying-expecta-
                                                                                                      tions.pdf
                                                                                                    6 https://www.mckinsey.com/business-functions/strategy-and-corporate-finance/our-in-
                                                                                                      sights/measuring-long-term-performance
4 https://hbr.org/2016/10/the-case-against-long-term-incentive-plans                                7 http://www.leitlinien-vorstandsverguetung.de/

                                                                                                                                                  Audit Committee Quarterly I/2020 17
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SCHWERPUNKT ARUG II

Investorenerwartungen
    an die Vorstandsvergütung
    nach ARUG II                                                             Autor: Hendrik Schmidt

                 Hintergrund                                                                   Überblick der Abstimmungen
                 Mit Inkrafttreten des ARUG II zum 1.1.2020 gilt für bör­                      Betrachtet man den DAX in seiner jetzigen Zusam­
                 sennotierte Unternehmen in Deutschland ab 2021 die                            mensetzung, so haben seit Inkrafttreten des Geset­
                 Pflicht, ihren Aktionären regelmäßig, mindestens aber                         zes zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen
                 alle vier Jahre, das Vorstandsvergütungssystem zur                            (Vorst­AG) im August 2009 insgesamt 92 Abstimmun­
                 Billigung vorzulegen. Die hierdurch betonte stärkere                          gen über Vorstandsvergütungssysteme stattgefunden.
                 Beteiligung der Eigentümer, der Aktionäre, wird aller­                        Grundsätzlich könnte man hieraus schlussfolgern,
                 dings durch die Unverbindlichkeit des Abstimmungs­                            dass die Bereitschaft, die Systeme den Aktionären zur
                 ergebnisses relativiert. Damit hat der deutsche Ge­                           Abstimmung vorzulegen, durchaus vorhanden war.1
                 setzgeber als einer der wenigen EU-Mitgliedstaaten
                 vom diesbezüglich eingeräumten Wahlrecht Gebrauch                             Die durchschnittliche Zustimmung ist dabei von 90,96
                 ­gemacht.                                                                     Prozent 2010 auf zunächst 96,33 Prozent im Jahr 2014
                                                                                               gestiegen, bis 2017 durchschnittlich nur noch 71 Pro­
                 Die durchaus zahlreichen Hauptversammlungsabstim­                             zent Zustimmung erreicht wurde. Hierbei spielten
                 mungen der Vergangenheit haben allerdings auch eine                           ­sicher auch die mit der Zeit gestiegenen Anforderun­
                 »normative Macht des Faktischen« gezeigt und nie­                              gen der Investoren eine Rolle.
                 drige Akzeptanzquoten (< 75 Prozent) führen bei Nicht­
                 beachtung quasi automatisch zu entsprechend niedri­
                 gen Entlastungsergebnissen in der darauffolgenden                             Erwartung zur Abstimmung 2020
                 Hauptversammlung für den Aufsichtsrat. Diese Logik
                 speist sich aus den Abstimmungsrichtlinien der Inves­                         Auch wenn der Gesetzgeber den Unternehmen bis
                 toren, die eine Nichtberücksichtigung ihrer Kritik ent­                       zur Hauptversammlung 2021 Zeit gegeben hat, ent­
                 sprechend sanktionieren.                                                      sprechende Systeme vorzulegen, so ist es aus Sicht
                                                                                               vieler Investoren nicht begrüßenswert, wenn diese
                                                                                               Fristen ausgenutzt werden. Vor allem Unternehmen,
                                                                                               bei denen die letzte Abstimmung auf der Hauptver­
                                                                                               sammlung 2016 oder davor stattfand, sollten diesen
                                                                                               Spielraum nicht ausnutzen. Die gesetzlichen Anforde­
                                                                                               rungen, die häufig angeführt werden, um eine Abstim­
                                                                                               mung 2020 zu negieren, haben sich in der inhaltlichen
                                                                                               Ausgestaltung nicht wesentlich geändert. Insofern ist
                                                                                               es Aufsichtsräten sehr empfohlen, rechtzeitig mit ihren
                                                                                               Investoren über diesen Aspekt in Austausch zu treten.

                                                                                               1 Allerdings gibt es einige extreme Beobachtungen: Einige Unternehmen
                                                                                                 haben ihren Aktionären seit 2010 vier- bis teils sogar neunmal das System
                                                                                                 zur Billigung vorgelegt. Bei fünf Unternehmen ist es seit 2010 nur zweimal,
Hendrik Schmidt ist im Corporate Governance Center der DWS Investment GmbH                       in drei Fällen sogar bisher nur einmal zur Abstimmung gekommen.
für die Wahrnehmung der Investoreninteressen bei Portfolio-Unternehmen aus der                   In letzterer Betrachtung ist es sogar in zwei Fällen seit 2010 nicht mehr
                                                                                                 der Hauptversammlung vorgelegt worden. Siehe hierzu auch: DSW-Ver­
DACH-Region und des Vereinigten Königreichs verantwortlich. Im Austausch mit
                                                                                                 gütungsstudie und TU München, abrufbar unter: www.dsw-info.de/­
Vorständen und Aufsichtsräten vertritt er in Bezug auf die Gestaltung von Vorstands-             fileadmin/Redaktion/Dokumente/PDF/Presse/Tabellen_PK_Vorstands-
vergütungssystemen und der Besetzung von Aufsichtsräten die Erwartungen der DWS.                 verguetung_2018__final_.pdf

18   Audit Committee Quarterly I/2020
                                                                      © 2020 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des
                                                                      KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG Inter­national Cooperative (»KPMG International«), einer juristi­
                                                                      schen Person schweizeri­schen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
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