Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik - Année politique Suisse

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Ausgewählte Beiträge zur
Schweizer Politik
  Suchabfrage           19.12.2018

  Thema                 Keine Einschränkung
  Schlagworte           Keine Einschränkung
  Akteure               Schwander, Pirmin (svp/udc, SZ) NR/CN, Schlüer, Ulrich (svp/udc, ZH)
                        NR/CN
  Prozesstypen          Keine Einschränkung
  Datum                 01.01.1997 - 01.01.2017

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.97 - 01.01.17
Impressum
Herausgeber
Année Politique Suisse
Institut für Politikwissenschaft
Universität Bern
Fabrikstrasse 8
CH-3012 Bern
www.anneepolitique.swiss

Beiträge von
Benteli, Marianne
Bernath, Magdalena
Brändli, Daniel
Burgos, Elie
Bühlmann, Marc
Clivaz, Romain
Denz, Andrea
Eperon, Lionel
Freymond, Nicolas
Frick, Karin
Giger, Nathalie
Guignard, Sophie
Hirter, Hans
Hohl, Sabine
Huguenet, François
Käppeli, Anita
Künzler, Johanna
Mosimann, Andrea
Rohrer, Linda
Schnyder, Sébastien
Schubiger, Maximilian
Zumbach, David

Bevorzugte Zitierweise

Benteli, Marianne; Bernath, Magdalena; Brändli, Daniel; Burgos, Elie; Bühlmann, Marc;
Clivaz, Romain; Denz, Andrea; Eperon, Lionel; Freymond, Nicolas; Frick, Karin; Giger,
Nathalie; Guignard, Sophie; Hirter, Hans; Hohl, Sabine; Huguenet, François; Käppeli,
Anita; Künzler, Johanna; Mosimann, Andrea; Rohrer, Linda; Schnyder, Sébastien;
Schubiger, Maximilian; Zumbach, David 2018. Ausgewählte Beiträge zur Schweizer
Politik: , 1997 - 2016. Bern: Année Politique Suisse, Institut für Politikwissenschaft,
Universität Bern. www.anneepolitique.swiss, abgerufen am 19.12.2018.

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.97 - 01.01.17
Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Chronik                                                                   1
    Grundlagen der Staatsordnung                                                     1
        Politische Grundfragen                                                       1
            Verfassungsfragen                                                        1
            Nationale Identität                                                      2
            Image der Schweiz im Ausland                                             3
        Rechtsordnung                                                                3
            Strafrecht                                                               3
            Grundrechte                                                              4
            Innere Sicherheit                                                        4
        Institutionen und Volksrechte                                                5
            Bundesrat                                                                5
            Parlamentsmandat                                                         6
            Parlamentsorganisation                                                   7
            Organisation der Bundesrechtspflege                                      8
        Föderativer Aufbau                                                           9
            Städte, Regionen, Gemeinden                                              9
        Wahlen                                                                      10
            Wahlen in kantonale Regierungen                                         10
            Eidgenössische Wahlen                                                   10
    Aussenpolitik                                                                   12
            Beziehungen zur EU                                                      14
            Beziehungen zu internationalen Organisationen                           16
            Zwischenstaatliche Beziehungen                                          19
            Gute Dienste                                                            19
            Entwicklungspolitik                                                     20
    Landesverteidigung                                                              20
            Militäreinsätze                                                         21
            Militärorganisation                                                     21
            Ausrüstung und Beschaffung                                              23
            Zivildienst und Dienstverweigerung                                      25
    Wirtschaft                                                                      26
        Wirtschaftspolitik                                                          26
            Strukturpolitik                                                         26
            Wettbewerb                                                              27
        Geld, Währung und Kredit                                                    27
            Geldpolitik                                                             27
            Börsen                                                                  27
    Öffentliche Finanzen                                                            28
            Indirekte Steuern                                                       28
            Voranschlag                                                             28
            Finanzausgleich                                                         29
    Infrastruktur und Lebensraum                                                    29
        Verkehr und Kommunikation                                                   29
            Strassenverkehr                                                         29
        Raumplanung und Wohnungswesen                                               30
            Wohnungsbau und -eigentum                                               30
    Sozialpolitik                                                                   30
        Bevölkerung und Arbeit                                                      30
            Arbeitnehmerschutz                                                      30
        Gesundheit, Sozialhilfe, Sport                                              30
            Epidemien                                                               30
        Soziale Gruppen                                                             32

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.97 - 01.01.17   I
Migrationspolitik                                                        32
            Asylpolitik                                                              32
            Familienpolitik                                                          33
    Bildung, Kultur und Medien                                                       33
        Bildung und Forschung                                                        33
            Grundschulen                                                             33
        Kultur, Sprache, Kirchen                                                     33
            Kirchen und religionspolitische Fragen                                   33

Parteien, Verbände und Interessengruppen                                             34
       Parteien                                                                      34
          Grosse Parteien                                                            34
       Verbände                                                                      35
          Überparteiliche politische Interessen / Think Tanks                        35

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.97 - 01.01.17   II
Abkürzungsverzeichnis
EJPD             Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
VBS              Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und
                 Sport
UNO              Organisation der Vereinten Nationen
SECO             Staatssekretariat für Wirtschaft
KVF-NR           Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates
FK-NR            Finanzkommission des Nationalrats
APK-SR           Aussenpolitische Kommission des Ständerates
SiK-SR           Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates
AUNS             Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz
NGO              Nichtregierungsorganisation
RK-SR            Kommission für Rechtsfragen des Ständerates
SiK-NR           Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates
RK-NR            Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats
APK-NR           Aussenpolitische Kommission des Nationalrates
IWF              Internationaler Währungsfonds
EU               Europäische Union
EVD              Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung
KFOR             Kosovo Force
WPEG             Bundesgesetz über die Wehrpflichtersatzabgabe
DEZA             Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit
WAK-NR           Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats
EDA              Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten
G20              Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer
UNHCR            UN-Flüchtlingshochkommissariat
IK-NR            Immunitätskommission des Nationalrates
VPM              Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis
BAWI             Bundesamt für Aussenwirtschaft
GuS              Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
NEBS             Neue Europäische Bewegung Schweiz
IKRK             Internationales Komitee vom Roten Kreuz
NFA              Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung
KESB             Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde

DFJP             Département fédéral de justice et police
DDPS             Département fédéral de la défense, de la protection de la population et
                 des sports
ONU              Organisation des Nations unies
SECO             Secrétariat d'Etat à l'économie
CTT-CN           Commission des transports et des télécommunications du Conseil
                 national
CdF-CN           Commission des finances du Conseil national
CPE-CE           Commission de politique extérieure du Conseil des Etats
CPS-CE           Commission de la politique de sécurité du Conseil des Etats
ASIN             Action pour une Suisse Indépendante et Neutre
ONG              Organisation non gouvernementale
CAJ-CE           Commission des affaires juridiques du Conseil des Etats
CPS-CN           Commission de la politique de sécurité du Conseil national
CAJ-CN           Commission des affaires juridiques du Conseil national
CPE-CN           Commission de politique extérieure du Conseil national
FMI              Fonds monétaire International
UE               Union européenne
DFE              Département fédéral de l'économie, de la formation et de la recherche
KFOR             Force pour le Kosovo
LTEO             Loi fédérale sur la taxe d'exemption de l'obligation de servir
DDC              Direction du développement et de la coopération
CER-CN           Commission de l'économie et des redevances du Conseil national
DFAE             Département fédéral des affaires étrangères

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.97 - 01.01.17   III
G20              Groupe des vingt
HCR              Haut Commissariat des Nations unies pour les réfugiés
CDI-CN           Commission de l'immunité du Conseil national
VPM              Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis
OFAEE            Office fédéral des affaires économiques extérieures
CEI              Communauté des États indépendants
NOMES            Nouveau mouvement européen suisse
CICR             Comité international de la Croix-Rouge
RPT              Réforme de la péréquation et de la répartition des tâches
APEA             Autorité de protection de l'enfant et de l'adulte

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK      01.01.97 - 01.01.17   1
Allgemeine Chronik
                            Grundlagen der Staatsordnung
                            Politische Grundfragen
                            Politische Grundfragen
GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   Auch 2015 wird es zu einigen Jubiläen kommen, die sowohl hinsichtlich Organisation,
DATUM: 21.06.2014
MARC BÜHLMANN
                            aber auch bezüglich historische Deutung ihre Schatten ins 2014 warfen (Schlacht am
                            Morgarten 1315, Eroberung des Aargaus 1415, Schlacht bei Marignano 1515, Wiener
                            Kongress 1815 oder Ende des Zweiten Weltkrieges 1945). Die Festivitäten für die
                            Jubiläen werden bisher samt und sonders von Privaten oder den Kantonen geplant und
                            getragen. Der Bundesrat hielt sich bisher auffällig zurück. In ihren Antworten auf
                            entsprechende Interpellationen, die sich nach dem Einsatz des Bundes erkundigten,
                            erklärte die Regierung, dass sich die Eidgenossenschaft bei Erinnerungsfeiern für
                            historische Ereignisse bisher immer eher zurückhaltend gezeigt habe. Der Bund könne
                            aber eine koordinative Tätigkeit übernehmen und unterstütze die geplanten
                            Ausstellungen des Landesmuseums. Seitens des Bundes seien bisher lediglich drei
                            Jubiläen aktiv durchgeführt worden: 1891 (600 Jahre Eidgenossenschaft), 1941 (650
                            Jahre Eidgenossenschaft) und 1991 (700 Jahre Eidgenossenschaft). Hingegen hatte die
                            Regierung noch 2013 eine Motion Markwalder (fdp, BE) zur Annahme empfohlen, die
                            den Bund aufforderte, den vierzigsten Jahrestag der Ratifikation der Konvention zum
                            Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) gebührend zu feiern. In seiner
                            positiven Antwort bot der Bundesrat seine Beteiligung an verschiedenen Aktivitäten an,
                            bei denen die Bedeutung der EMRK bewusst gemacht werden soll, an denen aber auch
                            kritische Auseinandersetzungen mit der Konvention möglich sein sollen. Im Rat war die
                            Annahme allerdings von Schwander (svp, SZ) bekämpft worden. In eine ähnliche Kerbe
                            hieb das noch nicht behandelte Postulat Müller-Altermatt (cvp, SO), das einen Bericht
                            verlangt, mit dem die wichtigsten Ereignisse beschrieben werden sollen, die
                            verantwortlich sind für die Erlangung der bürgerlichen Freiheiten in der Schweiz. Für
                            die Willensnation Schweiz sei es zentral zu wissen, welche Grundwerte und Ereignisse
                            diese ausmachten. Der Bericht solle dann Grundlage bilden für Gedenkfeiern,
                            Kampagnen oder Schriftlichkeiten, mit denen die Kenntnisse über die Erringung der
                            bürgerlichen Freiheiten vertieft und die Willensnation Schweiz gestärkt werde.
                            Unterschiedliche Geschichtsbilder und entsprechend unterschiedliche Betonungen der
                            verschiedenen Jubiläen lassen sich auf der Links-Rechts-Achse verorten. Während die
                            rechts-konservative Seite die alten Schlachten (Morgarten, Marignano) als wegweisende
                            Wurzeln der heutigen Schweiz ehren will, sieht die Linke hier eher zu dekonstruierende
                            Mythen. Gemäss der Linken seien die Wurzeln der Schweiz vielmehr in modernen
                            Ereignissen zu verorten, wie etwa der Gründung des Bundesstaates 1848 oder der sich
                            2015 zum 70sten Mal jährenden Befreiung Europas. Bei ihrer Delegiertenversammlung
                            im Juni in Winterthur begann die SP ein Jubiläum für das Oltener Aktionskomitee und
                            den Landesstreik von 1918 zu planen. 1

                            Verfassungsfragen
BUNDESRATSGESCHÄFT          Am 18. April fand die Volksabstimmung über die neue, totalrevidierte Verfassung statt.
DATUM: 18.04.1999
HANS HIRTER
                            Mit Ausnahme von links- und rechtsextremen Kleinparteien (PdA, FP, SD) sprachen sich
                            alle nationalen Parteien und auch alle massgeblichen Interessenverbände für die neue
                            Verfassung aus. Unter den Regierungsparteien fiel der Entscheid bei der SVP am
                            knappsten aus: die von den Zürcher Nationalräten Hans Fehr und Schlüer angeführte
                            Opposition unterlag an der Delegiertenversammlung mit 185:92 Stimmen. Für die
                            rechtsbürgerlichen Kritiker ging die Reform über eine Nachführung hinaus. Sie sei
                            vielmehr Ausdruck eines unakzeptablen, von der politischen Mitte und der Linken
                            geprägten Politikverständnisses. Die Sektion Zürich der SVP und in ihrem Gefolge auch
                            diejenigen von Kantonen, wo die SVP erst in den letzten Jahren gegründet worden ist
                            (unter anderem BS, LU, SO, SG), gaben die Nein-Parole aus. Bei der SP, deren Fraktion
                            die neue Verfassung anlässlich der parlamentarischen Verhandlungen ebenfalls heftig
                            kritisiert hatte, entschied sich der Parteivorstand mit 34:3 Stimmen für die Ja-Parole.
                            Die von Nationalrat Rennwald (JU) formulierte Kritik bemängelte das Fehlen von linken
                            Politikinhalten, also gerade das Gegenteil von dem, was der Verfassung von SVP-Seite
                            vorgeworfen wurde.

                            In der Kampagne schlugen die Wellen nicht sehr hoch. Auf Befürworterseite fiel vor
                            allem der grosse Einsatz des aus dem Amt scheidenden Justizministers Koller auf. Im

                            ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.97 - 01.01.17   2
redaktionellen Teil der Presse war die Stimmung durchwegs positiv, hingegen waren
                    praktisch keine Inserate für die neue Verfassung auszumachen. Die nicht zuletzt in
                    Leserbriefen sehr aktiven Gegner behaupteten, dass sich die Schweiz mit der
                    Verfassung internationalem Recht unterstellen würde (weil darin der auch bisher
                    geltende Vorrang des Völkerrechts nun explizit erwähnt ist), sie zu einem Ausbau des
                    Sozialstaats führe und sich überhaupt die alte Verfassung bewährt habe. In den
                    Inseraten sprachen sie vor allem davon, dass die neue Verfassung eine „Liquidation der
                    Schweiz“ einleiten würde; zudem stellten sie darin auch eine ganze Reihe von schlicht
                    falschen Behauptungen auf (z.B. dass in der neuen Verfassung die Begriffe
                    „Schweizerische“ und „Eidgenössische“ gestrichen worden seien). Neben den
                    erwähnten SVP-Kantonalsektionen, der FP und den SD beteiligten sich auch weit
                    rechtsaussenstehende Organisationen wie der VPM (mit der ihm nahestehenden
                    Zeitschrift „Zeit-Fragen“) und „Pro Libertate“ an der Kampagne. Dieses über das übliche
                    Mass von Abstimmungspropaganda hinausgehende Verdrehen von Tatsachen durch die
                    Gegner rief in der letzten Woche vor der Abstimmung den Bundesrat mit einer
                    Gegendarstellung auf den Plan.

                    Volk und Kantone hiessen die totalrevidierte Bundesverfassung am 18. April mit einer
                    relativ knappen Mehrheit von 59,2% und bei 12 2/2 gegen 8 4/2 Ständestimmen gut.
                    Die Beteiligung fiel mit 35,9% recht mager aus; besonders niedrig war sie in der
                    Romandie, wo nur gerade 21,6% von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten.
                    Mitverantwortlich dafür war sicher auch der Beschluss des Bundesrates, diese Vorlage
                    in Anbetracht ihrer besonderen Bedeutung allein, d.h. nicht im Multipack mit anderen,
                    für die Stimmbürgerinnen und -bürger attraktiveren Vorlagen zu präsentieren. Am
                    meisten Ja-Stimmen gab es in der französischen Schweiz (mit Ausnahme des Wallis)
                    und im Tessin. Ähnlich deutlich fiel die Zustimmung auch in den Grossstädten der
                    Deutschschweiz aus. Gegen die totalrevidierte Verfassung sprachen sich die kleinen
                    Kantone der Innerschweiz (ohne Zug), die Ostschweiz (ohne Graubünden) sowie der
                    Aargau und das Wallis aus.

                    Bundesbeschluss über die Neue Bundesverfassung
                    Abstimmung vom 18. April 1999

                    Beteiligung: 35,9%
                    Ja: 969'310 (59,2%) / 12 2/2 Stände
                    Nein: 669'158 (40,8%) / 8 4/2 Stände

                    Parolen:
                    – Ja: SP, FDP, CVP, SVP (8*), LP, LdU, EVP, EDU (1*); SGB, CNG, Vorort, SGV, SBV.
                    – Nein: FP, SD, PdA; Centre patronal.
                    * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen 2

                    Nationale Identität
MOTION              Die bereits 2013 eingereichte Motion Markwalder (fdp, BE), die eine
DATUM: 25.09.2015
MARC BÜHLMANN
                    öffentlichkeitswirksame Feier zum 40-jährigen Jubiläum der Mitgliedschaft der Schweiz
                    zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gefordert hatte, wurde Ende
                    September abgeschrieben. Der Bundesrat hatte zwar bereits Ende 2013 die Annahme
                    der Motion beantrag; das Anliegen war aber von Pirmin Schwander (svp, SZ) bekämpft
                    worden, was die stillschweigende Annahme verhinderte und letztlich auch die Planung
                    einer entsprechenden Jubiläumsfeier und somit die Motion obsolet machte. 3

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.97 - 01.01.17   3
Image der Schweiz im Ausland
BUNDESRATSGESCHÄFT   Im Nationalrat unterlag zuerst ein Nichteintretensantrag Schlüer (svp, ZH), der
DATUM: 31.12.1999
HANS HIRTER
                     bemängelte, dass damit neben den schon bestehenden bundeseigenen oder
                     subventionierten Stellen, die sich mit der internationalen Verbreitung der Kenntnisse
                     über die Schweiz befassen (Pro Helvetia, Seco, Radio Schweiz International, Tourismus
                     Schweiz) noch eine neue Agentur geschaffen werden soll. Etwas knapper (94:63
                     Stimmen) wurde auch ein Rückweisungsantrag Kofmel (fdp, SO) abgelehnt, der die neue
                     Agentur über ein Globalbudget und einen Leistungsauftrag führen wollte und das
                     Schwergewicht der Tätigkeit der neuen PRS bei der Koordination der Aktivitäten der im
                     Antrag Schlüer erwähnten Institutionen sah. Nachdem in der Detailberatung noch
                     spezifiziert worden war, dass die PRS Kontakte mit schweizerischen Firmen im Ausland,
                     Auslandschweizerorganisationen und schweizerischen Delegationen bei internationalen
                     Organisationen pflegen muss, nahm der Nationalrat die Vorlage mit 106:17 Stimmen an,
                     wobei die Opposition aus dem Lager der SVP stammte. 4

                     Rechtsordnung
                     Strafrecht
MOTION               Gegen den Widerstand der Linken überwies der Nationalrat eine Motion Joder (svp, BE)
DATUM: 03.06.2009
HANS HIRTER
                     für eine Verschärfung des Strafrahmens für vorsätzlich begangene Körperverletzung
                     (Mo. 08.3131). Der Bundesrat hatte vergeblich darauf hingewiesen, dass der Strafrahmen
                     für schwere Körperverletzung mit Strafen von minimal 180 Tagessätzen Geldstrafe bis zu
                     maximal zehn Jahren Freiheitsentzug eigentlich gross genug sei, von den Gerichten
                     aber nicht immer ausgeschöpft werde. Gerade bei Gewalt- und Sexualdelikten würden
                     gemäss Bundesrat nur selten die strengst möglichen Strafen ausgesprochen. Eine
                     Motion Fiala (fdp, ZH) für eine Verschärfung des Strafrahmens für Kinderpornografie
                     (Mo. 08.3609) wurde von der Regierung mit dem selben Argument bekämpft und vom
                     Nationalrat angenommen. Der Nationalrat überwies in der Folge ein Postulat Jositsch
                     (sp, ZH) (Po. 09.3366), das vom Bundesrat einen Bericht darüber verlangt, ob die
                     Gerichte den vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafrahmen effektiv ausnutzen.
                     Gewalttaten mit schweren Körperverletzungen oder gar Todesfolgen sind in den letzten
                     Jahren oft von Jugendlichen begangen worden. Eine Motion Schlüer (svp, ZH) (Mo.
                     09.3314), der bei derartigen Fällen die Altersgrenze für die Beurteilung nach dem
                     Jugendstrafrecht vom vollendeten 19. auf das 16. Altersjahr senken wollte, scheiterte
                     jedoch mit 69 zu 114 Stimmen im Nationalrat. Nicht besser ging es einer analogen
                     Motion Reimann (svp, AG) (Mo. 09.3733) im Ständerat. Der Bundesrat hatte auch diese
                     beiden Vorstösse zur Ablehnung beantragt. Seine Ansicht begründete er u.a. auch in
                     seiner Antwort auf eine Interpellation Rickli (svp, ZH) (Ip. 09.3784). Eine Debatte über
                     die ungenügende Ausschöpfung des Strafrahmens durch die Gerichte fand auch in den
                     Medien statt. 5

BUNDESRATSGESCHÄFT   Als Zweitrat befasste sich im Frühling 2016 der Nationalrat mit der Totalrevision des
DATUM: 18.03.2016
KARIN FRICK
                     Ordnungsbussengesetzes. Nachdem der Nichteintretensantrag der drei SVP-
                     Abgeordneten Yves Nidegger (svp, GE), Lukas Reimann (svp, SG) und Pirmin Schwander
                     (svp, SZ) chancenlos geblieben war, hatte sich die grosse Kammer in der Detailberatung
                     mit einem weiteren Minderheitsantrag aus der SVP-Fraktion zu beschäftigen. Die
                     Kommissionsminderheit um Andrea Martina Geissbühler (svp, BE) wollte, dass
                     Zuwiderhandlungen      gegen    das     Betäubungsmittelgesetz     nicht   mehr      im
                     Ordnungsbussenverfahren geahndet werden können. Ausserhalb der SVP-Fraktion fand
                     das Anliegen allerdings keine Zustimmung und wurde klar abgelehnt. Abgesehen von
                     einer sprachlichen Änderung schuf der Nationalrat keine Differenzen und nahm die
                     Vorlage mit 167 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen an. Der Ständerat stimmte dieser
                     Anpassung stillschweigend zu und hiess den Entwurf in der Schlussabstimmung
                     einstimmig gut. Auch der Nationalrat sprach sich in der Schlussabstimmung mit sehr
                     grosser Mehrheit (182 zu 5 Stimmen bei 6 Enthaltungen) für die Gesetzesrevision aus. 6

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.97 - 01.01.17   4
Grundrechte
INTERPELLATION / ANFRAGE   Die SVP machte sich im Berichtsjahr grosse Sorgen um den Fortbestand der Grund- und
DATUM: 29.08.2007
HANS HIRTER
                           Menschenrechte in der Schweiz. In einer von 40 SVP-Nationalräten unterzeichneten
                           Interpellation wollte Schlüer (svp, ZH) vom Bundesrat wissen, ob er es für möglich halte,
                           dass in der Schweiz das islamische Rechtssystem Scharia eingeführt würde und ob dies
                           mit der Verfassung kompatibel wäre. Der Bundesrat gab zur Antwort, dass er und das
                           Parlament sich im Fall der Einreichung einer entsprechenden Volksinitiative dazu
                           äussern müssten, jetzt aber dazu kein Anlass bestehe. Die von der SVP in der
                           Herbstsession, also kurz vor den eidgenössischen Wahlen verlangte Diskussion über
                           dieses Thema wurde auf später verschoben. 7

                           Innere Sicherheit
BUNDESRATSGESCHÄFT         Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Genehmigung der Unterzeichnung eines
DATUM: 07.10.2005
HANS HIRTER
                           Abkommens zwischen der Schweiz und dem Europäischen Polizeiamt (Europol). Dieses
                           Abkommen war zwar bereits seit zwei Jahren unterschriftsbereit, die EU hatte die
                           Ratifizierung aber vom Abschluss der Abkommen mit der Schweiz über die
                           Zinsbesteuerung und die Betrugsbekämpfung im Rahmen der Bilateralen II abhängig
                           gemacht. Europol ist eine in den 90er Jahren von der EU geschaffene Institution zur
                           internationalen Zusammenarbeit in der Verbrechensbekämpfung. Diese hat sich
                           bisher auf die Sammlung und den Austausch von Daten beschränkt und verfügt über
                           keine eigene Ermittlungskompetenz. Mit dem Abkommen zwischen der Schweiz und
                           Europol wird der gegenseitige Datenaustausch über organisiertes Verbrechen und
                           Terrorismus möglich. Dieser geschieht allerdings nicht über den Direktzugriff auf die
                           Datenbanken, sondern über so genannte Verbindungsbeamte, welche vor Ort
                           stationiert sind. Das Abkommen geht damit materiell wesentlich weniger weit, als die
                           zwischen der Schweiz und einzelnen EU-Staaten abgeschlossenen bilateralen
                           Zusammenarbeitsabkommen; es deckt aber räumlich den ganzen EU-Raum ab. Der
                           Ständerat hiess die Vorlage einstimmig gut, im Nationalrat gab es in der
                           Schlussabstimmung eine Gegenstimme (Schwander, svp, SZ). 8

MOTION                     Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats präsentierte zu Jahresbeginn
DATUM: 02.12.2005
HANS HIRTER
                           ihre Überlegungen zur Organisation und Beaufsichtigung des strategischen
                           Nachrichtendienstes. Sie kam dabei zum Schluss, dass die Kontrolle in erster Linie
                           Aufgabe der Regierung sein müsse. Die früher angestrebte Schaffung eines besonderen
                           parlamentarischen Aufsichtsgremiums erachtete sie nicht mehr als zweckmässig; diese
                           Arbeit solle weiterhin die Geschäftsprüfungsdelegation wahrnehmen, wobei deren
                           Ressourcen allerdings aufzustocken seien. Vom Bundesrat verlangte die
                           Nationalratskommission mit einer Motion, in einem Rahmengesetz die Aufgaben und
                           Verantwortlichkeiten der Nachrichtendienste klar zu regeln. Eine Zusammenlegung des
                           strategischen Nachrichtendienstes des VBS mit dem Dienst für Analyse und Prävention
                           des EJPD sei nicht zwingend, aber die Stellung des Nachrichtenkoordinators müsse
                           gestärkt werden. Der Nationalrat überwies diese Motion. Der Bundesrat gab sich
                           skeptisch gegenüber diesem Anliegen und beurteilte die Verpflichtung, ein
                           Rahmengesetz zu schaffen, für verfrüht und unüberlegt. Er beschloss, noch bevor sich
                           der Ständerat mit diesen Vorschlägen des Nationalrats befasst hatte, die Stelle des
                           Nachrichtenkoordinators abzuschaffen. An seiner Stelle sollen themenspezifische
                           Arbeitsgruppen geschaffen werden (so genannte Plattformen), welche die Aktivitäten
                           und Erkenntnisse der beiden Nachrichtendienste zu koordinieren haben. Die
                           Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments protestierte gegen diese Beschlüsse und
                           verlangte erneut eine gemeinsame Führung für die beiden Nachrichtendienste. Im
                           Ständerat unterstützte der Bundesrat den Antrag der ständerätlichen
                           sicherheitspolitischen Kommission, die Motion des Nationalrats in dem Sinn
                           abzuändern, dass die Regierung nicht ein Gesetz, sondern bis Ende 2006 bloss einen
                           Bericht über die Zweckmässigkeit einer Regelung auf Gesetzesstufe vorlegen muss.
                           Nachdem der Ständerat dieser abgeschwächten Version zugestimmt hatte, wurde sie
                           auch vom Nationalrat übernommen. Eine Motion Schlüer (svp, ZH) für eine
                           Zusammenfassung der strategischen Nachrichtendienste des VBS und des EJPD wurde
                           vom Bundesrat bekämpft und vom Nationalrat abgelehnt. 9

                           ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.97 - 01.01.17   5
Institutionen und Volksrechte
                              Bundesrat
PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   Die SVP, welche beide Vorschläge der Regierung abgelehnt hatte, versuchte vergeblich,
DATUM: 31.12.1999
HANS HIRTER
                              ihr Konzept einer Volkswahl des Bundesrats in das Reformkonzept einzubringen. Keine
                              Zustimmung fand auch eine von Nationalrat Schlüer (svp, ZH) eingereichte
                              parlamentarische Initiative für die Einführung eines Referendums, welches es 50 000
                              Stimmberechtigten erlauben würde, eine Volksabstimmung über die Abwahl eines
                              amtierenden Regierungsmitglieds anzuordnen. Die Staatspolitische Kommission des
                              Nationalrats lehnte diesen Vorstoss mit 17:3 Stimmen ab und verurteilte ihn in
                              ungewohnt scharfen Worten als Teil der „rechtspopulistischen Versuche, das politische
                              System der Schweiz zu destabilisieren“. In der schriftlichen Begründung vermutete sie
                              hinter dem Vorstoss, der in die gleiche Kategorie einzuordnen sei wie die von den
                              selben Kreisen lancierte sogenannte „Maulkorbinitiative“, Bestrebungen zur Schaffung
                              eines plebiszitären Staatskonzepts, in dem „starke Männer“ mit Berufung auf das Volk
                              und unter Umgehung des Parlaments regieren würden. Das Ratsplenum schloss sich
                              dieser Ablehnung diskussionslos an. 10

ANDERES                       Dass der Nachfolger Schmids nicht aus der mit Eveline Widmer-Schlumpf bereits in der
DATUM: 08.12.2008
HANS HIRTER
                              Regierung vertretenen kleinen BDP kommen würde, war klar. An sich sprach für die
                              Vertreter von SP, FDP und CVP nichts dagegen, die SVP als stärkste Partei wieder in den
                              Bundesrat aufzunehmen. Noch bevor Schmid seinen Rücktritt bekannt gab, machte sich
                              allerdings der SVP-Präsident Brunner (SG) bereits für eine Kandidatur von alt Bundesrat
                              Christoph Blocher stark. Nur dieser sei fähig, das VBS wieder in „Ordnung“ zu bringen.
                              Der Plan der SVP-Parteileitung, Blocher als einzigen Kandidaten zu nominieren, stiess
                              aber in der dafür zuständigen SVP-Fraktion auf Widerstand. Diese sprach sich zwar für
                              eine Rückkehr in die Regierung aus, lehnte es aber knapp ab, sich auf Blocher als
                              einzigen Kandidaten festzulegen. Die Medien waren sich einig, dass Blocher im
                              Parlament keine echten Wahlchancen hatte und bezeichneten die SVP-Nationalräte
                              Amstutz (BE), Baader (BL), Maurer (ZH) und Zuppiger (ZH) als aussichtsreichste
                              Kandidaten. Obwohl FDP, CVP und SP mehrfach erklärt hatten, dass ihre Parlamentarier
                              Blocher nicht wählen würden, nominierte ihn der Vorstand der SVP des Kantons Zürich
                              mit 47 zu 1 Stimme zuhanden der Fraktion als Kandidat. Die Delegiertenversammlung
                              der Zürcher SVP bestätigte diesen Beschluss mit einem weniger deutlichen
                              Stimmenverhältnis (264 zu 45). Weitere von ihren Kantonalparteien an die Fraktion
                              gemeldete Kandidaten waren die Nationalräte Amstutz und Aebi (beide BE), Schwander
                              (SZ), Hurter (SH) und Baader (BL), Ständerat Germann (SH) und Regierungsrat Mermoud
                              (VD); zudem nominierten die SVP-Frauen die Zürcher Regierungsrätin Fuhrer und die
                              SVP-Bezirkspartei Hinwil (ZH) Nationalrat Zuppiger (ZH). Der Bauernverbandspräsident
                              und Nationalrat Hansjörg Walter (TG), der dem gemässigten Flügel der SVP angehört,
                              war ebenfalls im Gespräch gewesen, wurde aber von seiner Kantonalpartei nicht als
                              Kandidat ins Rennen geschickt.

                              Der Fraktionsvorstand der SVP empfahl ein Zweierticket mit Blocher, ohne einen
                              zweiten Namen zu nennen. Die Fraktion selbst hielt sich an diesen Vorschlag und stellte
                              neben Blocher den Zürcher Nationalrat Ueli Maurer auf, der bis Ende Februar
                              Parteipräsident gewesen war. Im Vorfeld der Wahlen zeigte sich, dass nicht nur die
                              Linke, sondern auch wichtige Exponenten der CVP und zudem einige Freisinnige sich
                              ebenso wenig für Maurer erwärmen konnten wie für Blocher. SVP-Präsident Brunner
                              rief ihnen – und auch den eigenen Parteiangehörigen – kurz vor der Wahl noch einmal
                              in Erinnerung, dass gemäss den neuen SVP-Statuten jeder automatisch aus der Partei
                              ausgeschlossen würde, der als nicht offizieller Kandidat die Wahl zum Bundesrat
                              annehmen würde. 11

                              ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.97 - 01.01.17   6
Parlamentsmandat
ANDERES             Nach längerer Zeit hatte sich das Parlament wieder einmal mit Gesuchen um die
DATUM: 19.12.2007
HANS HIRTER
                    Aufhebung der Immunität seiner Mitglieder zwecks Eröffnung eines Strafverfahrens
                    auseinander zu setzen. Es ging zum einen um den Zürcher Nationalrat Schlüer (svp)
                    (06.088), der in dem von ihm als Chefredakteur geleiteten Blatt „Schweizerzeit“ eine
                    Person des Denunziantentums bezichtigt hatte und in der Folge von dieser angezeigt
                    worden war. Der Nationalrat beschloss gegen den Widerstand der Ratslinken, auf das
                    Gesuch einzutreten, es abzulehnen und damit die Immunität zu gewähren. Der
                    Ständerat teilte diese Haltung nicht, sondern folgte seiner Rechtskommission, welche
                    der Ansicht war, dass kein enger Zusammenhang zwischen dem nicht namentlich
                    gezeichneten Presseartikel und dem politischen Amt von Schlüer bestehe. Da damit die
                    Grundvoraussetzung für die Gewähr der Immunität nicht gegeben war, beschloss er mit
                    20 zu 7 Stimmen, nicht auf das Gesuch einzutreten und den Behörden freie Bahn für
                    ein Strafverfahren zu geben. Im September schloss sich der Nationalrat in der
                    Differenzbereinigung auf Antrag seiner Rechtskommission diesem Entscheid an.
                    Praktische Relevanz kommt ihm allerdings keine mehr zu, da Schlüer im Oktober als
                    Nationalrat abgewählt wurde und damit ohnehin kein Immunitätsprivileg mehr
                    geniesst.

                    In einem zweiten Fall ging es um Nationalrat Waber (edu, BE). Dieser hatte in einem
                    Zeitungsinterview im Zusammenhang mit der von ihm mitgetragenen Volksinitiative für
                    ein Minarettverbot den Islam und seine Vertreter massiv kritisiert und war deshalb von
                    einer Privatperson wegen Verstosses gegen das Antirassismusgesetz angezeigt worden.
                    Der Nationalrat erkannte einen engen Zusammenhang zwischen dem politischen Amt
                    von Waber und dem Interview und trat deshalb auf das Gesuch der Zürcher
                    Staatsanwaltschaft zur Aufhebung der Immunität ein. Auf Antrag seiner
                    Rechtskommission beschloss er dann ohne Gegenstimme, dem Gesuch keine Folge zu
                    geben. Gemäss der Argumentation der Rechtskommission sei die freie
                    Meinungsäusserung des Politikers Waber in diesem Fall höher zu werten als die nicht
                    besonders schwerwiegenden Anschuldigungen. 12

ANDERES             Im Oktober 2016 entschied sowohl die Immunitätskommission des Nationalrates (IK-
DATUM: 24.10.2016
MARC BÜHLMANN
                    NR) (mit 5 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung) als auch die Kommission für Rechtsfragen
                    des Ständerats (RK-SR) (mit 8 zu 3 Stimmen ohne Enthaltung), auf das Gesuch um die
                    Aufhebung der Immunität von Nationalrat Pirmin Schwander nicht einzutreten. Der
                    Schwyzer SVP-Nationalrat soll eine Mutter bei der Entführung ihrer Tochter, mit
                    anschliessender Flucht, finanziell unterstützt haben. Das Mädchen wurde der Kindes-
                    und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Biel entzogen. Weil Schwander bei der
                    Einvernahme durch die Kantonspolizei geschwiegen und sich auf seine
                    parlamentarische Immunität berufen hatte, habe die Staatsanwaltschaft des Kantons
                    Bern die Aufhebung der Immunität beantragt, respektive angefragt, ob es sich hier um
                    einen Anwendungsfall einer solchen Immunität handle, wie beide Kommissionen in
                    ihren Berichten ausführten. Schwander habe der Kommission vorgetragen, dass er als
                    Parlamentarier sowohl auf kantonaler als auch auf nationaler Ebene zahlreiche
                    Anstrengungen unternehme, um die Qualität der Kesb zu verbessern. Er werde in dieser
                    Rolle häufig von Direktbetroffenen kontaktiert. Im Falle besagter Mutter habe er Geld
                    für die Anwaltsbetreuung überwiesen.
                    Die Kommissionen sähen keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der
                    inkriminierten Handlung und der Stellung als Nationalrat, weshalb sie nicht auf das
                    Gesuch einträten. Es sei denkbar, dass auch eine Person, die nicht der
                    Bundesversammlung angehöre, ähnlich im Bereich der Kesb tätig sein könnte wie
                    Schwander. Das Nationalratsmandat sei keine Bedingung dafür. Die meisten
                    Parlamentarierinnen und Parlamentarier würden mit verschiedensten Anliegen aus der
                    Bevölkerung konfrontiert. Dabei entstehe aber kein unmittelbarer Zusammenhang zu
                    ihrer amtlichen Stellung. Bei einer so weitgreifenden Auslegung parlamentarischer
                    Immunität wäre kaum mehr ein Fall denkbar, wo Immunität nicht gegeben wäre. Zudem
                    sei die 2011 durchgeführte Revision der Immunitätsbestimmungen auch im Hinblick auf
                    eine restriktivere Anwendung vorgenommen worden. Es handle sich hier also nicht um
                    einen Anwendungsfall der relativen Immunität, womit sich eine Diskussion um die
                    Aufhebung derselben erübrige und das Strafverfahren seinen gewohnten Lauf nehmen
                    könne. Schwander kann sich also nicht auf seine Immunität berufen. Ob sein Verhalten
                    strafrechtliche Konsequenzen haben wird, ist deshalb folglich eine Frage der Justiz. 13

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.97 - 01.01.17   7
Parlamentsorganisation
PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   Gemäss einer vom Nationalrat auf Antrag seiner SPK gutgeheissenen parlamentarischen
DATUM: 18.12.1998
HANS HIRTER
                              Initiative Schlüer (svp, ZH) soll die Information über allfällige Interessenbindungen der
                              Parlamentarier verbessert werden. Erfasst werden sollen zukünftig auch für den Bund
                              durchgeführte Experten- und Beratungstätigkeiten eines Parlamentariers oder einer
                              Firma, an welcher dieser massgeblich beteiligt ist. Zudem müssten vom Bund direkt
                              oder indirekt mitfinanzierte Auslandreisen aufgeführt werden. 14

PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   Die Anfang 1998 auf Verlangen der SP-Fraktion einberufene Sondersession des
DATUM: 08.06.1999
HANS HIRTER
                              Parlaments zum Thema Unternehmenszusammenschlüsse veranlasste Nationalrat
                              Schlüer (svp, ZH) zur Forderung, dass die Voraussetzungen für die Einberufung von
                              Sondersessionen verschärft werden. Das jetzige Quorum von 50 Nationalräten erlaube
                              es einer einzelnen Fraktion, allein aus wahlkampftaktischen Gründen Sondersessionen
                              einzuberufen. Sein Vorschlag, dieses Quorum auf 100 zu erhöhen, wurde jedoch auf
                              Antrag der Staatspolitischen Kommission diskussionslos mit 73:28 Stimmen abgelehnt.
                              Auf Antrag der Tessiner Ratsmitglieder beschloss das Parlament, die Frühjahrssession
                              des Jahres 2001 im Kanton Tessin durchzuführen (99.3202). Zur letzten auswärtigen
                              Session, die 1993 in Genf stattfand, siehe hier. 15

STUDIEN / STATISTIKEN         Das von Sotomo auf der Grundlage von Abstimmungen durchgeführte
DATUM: 25.11.2014
MARC BÜHLMANN
                              Nationalratsrating für das dritte Jahr der laufenden Legislatur zeigte eine Spannweite
                              zwischen -9,4 – die Extremposition, die sich Carlo Sommaruga (sp, GE) und Susanne
                              Leutenegger Oberholzer (sp, BL) teilen – und +9,9, gehalten von Pirmin Schwander (svp,
                              SZ). Das Rating zeigt Unterschiede zwischen den Sprachregionen. Die mittlere Position
                              aller französischsprechenden Nationalrätinnen und Nationalräte lag bei -1,4 während
                              die Deutschschweizer Vertreterinnen und Vertreter im Schnitt bei 0,5 zu liegen kamen.
                              Interessant war der seit ein paar Jahren anhaltende Rechtsrutsch der acht Nationalräte
                              aus dem Kanton Tessin, welche die Deutschschweiz 2014 rechts überholten. Eine
                              markante Entwicklung über die Zeit lässt sich auch hinsichtlich der Harmonisierung
                              innerhalb der Parteien feststellen. Die mittleren Positionen verschoben sich zwar
                              marginal – vor allem bei den Polparteien in Richtung Extreme – die Spannweite
                              innerhalb der Parteien nahm aber seit 1996, also seit dem ersten derart bestimmten
                              Rating stark ab. Die innerparteiliche Homogenität und die Abstimmungsdisziplin
                              scheinen also stärker geworden zu sein. 16

STUDIEN / STATISTIKEN         Im September präsentierte die NZZ das von Sotomo errechnete Parlamentarierrating
DATUM: 08.09.2015
MARC BÜHLMANN
                              2015. Die ideologische Ausrichtung aller Parlamentsmitglieder wird mit Hilfe paarweiser
                              Vergleiche aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier hinsichtlich ihres
                              Abstimmungsverhaltens berechnet. Die Skala reicht von -10 (ganz links) bis +10 (ganz
                              rechts). Die rechte Extremposition wurde im Rating 2015 von Pirmin Schwander (svp, SZ)
                              und Lukas Reimann (svp, SG) besetzt. Am linken Rand fand sich mit einem Wert von -9.5
                              Christine Häsler (gp, BE).
                              Am deutlichsten rechts und zwar ohne Überschneidung mit anderen Fraktionen stand
                              die SVP, deren Mitglieder zwischen 6.3 (Jean-Pierre Grin, VD) und 10 positioniert
                              wurden. Die FDP-Mitglieder schwankten zwischen 1.6 (Christa Markwalder, BE) und 4.1
                              (Hans-Peter Portmann, ZH) und überschnitten sich damit sowohl mit der BDP (0.9:
                              Rosmarie Quadranti, ZH bis 2.1: Urs Gasche, BE) als auch teilweise mit der CVP, bei der
                              Gerhard Pfister (ZG) und Ruedi Lustenberger (LU) mit dem Wert von 3.0 den rechten
                              und Jacques Neirynck (VD) mit -1.6 den linken Rand abdeckten. Die beiden EVP-
                              Vertreterinnen, die der CVP-EVP-Fraktion angehören, waren dabei pointierter links (-
                              2.8) als der Rest der CVP-Fraktion. Die GLP-Fraktion zeigte sich ziemlich geschlossen
                              und links der Mitte. Bei den Grünliberalen wurden die Extreme von Thomas Böhni (TG,
                              -1.7) und Martin Bäumle (ZH, -1.2) eingenommen. In ihrem Gesamtwert von -8.0
                              deckungsgleich zeigten sich die Grünen und die SP. Während die Genossinnen und
                              Genossen Extremwerte zwischen -9.1 (Carlo Sommaruga, GE und Susanne Leutenegger
                              Oberholzer, BL) und -5.7 (Daniel Jositsch, ZH) einnahmen, fanden sich bei den Grünen
                              Christine Häsler (-.9.5) und Yvonne Gilli (SG, -6.8) an den Fraktionspolen.
                              Der Median des gesamten Nationalrats lag bei 0.8; das Parlament politisierte also leicht
                              rechts der Mitte. Die Studie stellte bei der Analyse der gesamten 49. Legislatur
                              allerdings im Vergleich mit der 48. Legislatur einen Linksrutsch fest. Insbesondere in
                              der Verkehrs- und Energiepolitik habe Mitte-Links erfolgreich koaliert.

                              ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.97 - 01.01.17   8
Erstmals konnte aufgrund der neu eingeführten elektronischen Stimmanlage auch der
                        Ständerat vermessen werden. Insgesamt zeigte sich in der kleinen Kammer eine
                        wesentlich schwächere Polarisierung als bei der Volksvertretung. Zwar gab es auch im
                        Ständerat Extrempositionen – Robert Cramer (gp, GE) mit -9.6 zur Linken und Peter
                        Föhn (svp, SZ) mit 9.6 zur Rechten –, die überwiegende Mehrheit der Ständerätinnen
                        und Ständeräte fanden sich aber zwischen den Werten -4 bis +5. 17

STUDIEN / STATISTIKEN   Ende November erschien das NZZ-Parlamentarierrating 2016 und bildete das erste
DATUM: 30.11.2016
MARC BÜHLMANN
                        Jahr nach den Wahlen 2015 ab. Der Rechtsrutsch der Wahlen zeichnete sich im Rating
                        deutlich ab. Der Median der Positionen aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier,
                        die aufgrund paarweiser Vergleiche des Abstimmungsverhaltens während der vier
                        vergangenen Sessionen errechnet werden, rückte auf der Skala von -10 (absolut links)
                        bis + 10 (absolut rechts) von 0.8 (2015) auf 1.7. Gleich drei SVP-Fraktionsmitglieder
                        nahmen die rechte Extremposition (10) ein: Marcel Dettling (SZ), Erich Hess (BE) und,
                        wie bereits 2015, Pirmin Schwander (SZ). Lisa Mazzone (gp, GE) positionierte sich mit
                        einem Wert von -9.6 am linken Extrempol.
                        Vom Rechtsrutsch habe – gemessen an der Anzahl gewonnener Abstimmungen im Rat –
                        vor allem die FDP, kaum aber die SVP profitiert, so die Studie. Bei den Parteien zeigten
                        sich insgesamt nur leichte Verschiebungen. So hatte sich die SVP noch einmal nach
                        rechts verschoben und nahm insgesamt den Wert 8.0 ein (2015: 7.7.). Jean-Pierre Grin
                        (VD) besetzte mit 6.3 die moderateste Position in der Volkspartei. Damit war er
                        dennoch ziemlich weit vom am meisten rechts stehenden FDP-Fraktionsmitglied
                        entfernt: Bruno Pezzatti (ZG) erreichte einen Wert von 3.4. Den linken Rand der FDP,
                        die sich im Vergleich zu 2015 nicht verändert hatte und fraktionsübergreifend konstant
                        bei 2.2 blieb, nahm erneut Christa Markwalder mit 1.4 ein. Damit war die Bernerin leicht
                        linker positioniert als Daniel Fässler (AI), der mit 1.9 den rechten Rand der CVP besetzte.
                        Den Gegenpol bei den Christlichdemokraten nahm Barbara Schmid-Federer (ZH) mit
                        -0.9 ein. Auch die CVP blieb im Vergleich zu 2015 konstant bei 0.6. Innerhalb des
                        Spektrums der CVP-EVP-Fraktion fand sich die BDP (0.9: Hans Grunder, BE bis -0.5:
                        Rosmarie Quadranti, ZH), die leicht nach links gerutscht war (0.2). Deutlich am linken
                        Rand der CVP-Fraktion positionierte sich die EVP mit Maja Ingold (ZH, -2.8) und
                        Marianne Streiff-Feller (BE, -3.1). Einen Linksrutsch verzeichnete auch die GLP, die sich
                        bei -2.7 positionierte und sich wie schon 2015 sehr geschlossen zeigte. Nur gerade 0.5
                        Skalenpunkte trennten Kathrin Bertschy (BE, -2.8) von Martin Bäumle (ZH, -2.3). Etwas
                        geschlossener als 2015 zeigte sich auch die SP, die fraktionsübergreifend bei -8.3 zu
                        liegen kam. Chantal Galladé (ZH, -6.6) fuhr dabei den sozialliberalsten Kurs. Gleich drei
                        Fraktionsmitglieder positionierten sich beim linken Extremwert der SP, bei -9.1: Bea
                        Heim (SO), Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) und Silvia Schenker (BS). Die Grünen
                        schliesslich positionierten sich insgesamt bei -9.0 und die Fraktionsmitglieder
                        überlappten sich stark mit der SP: Daniel Brélaz (VD, -7.9) zeigte sich dabei sogar noch
                        etwas rechter als die gesamte SP.
                        Die Forschungsstelle Sotomo, welche das Rating durchführte, wertete auch 2016 den
                        Ständerat aus. Erneut zeigte sich eine geringere Polarisierung als in der grossen
                        Kammer. Zwar lagen auch in der kleinen Kammer die Extremwerte weit auseinander,
                        Lilian Maury Pasquier (sp, GE, -9.5) und Peter Föhn (svp, SZ, 9.8) fanden sich aber
                        ziemlich alleine auf weiter Flur. Alle anderen Ständeratsmitglieder befanden sich
                        zwischen -6.2 (Christian Levrat, sp, FR) und 7.3 (Hannes Germann, svp, SH). 18

                        Organisation der Bundesrechtspflege
MOTION                  Nach siebenjähriger Untersuchung schloss die Bundesanwaltschaft die Ermittlungsakte
DATUM: 05.07.2010
MARC BÜHLMANN
                        gegen den Bankier Oskar Holenweger und klagte ihn wegen Geldwäscherei an. Der Fall
                        hatte sich zu einem eigentlichen „Politkrimi“ entwickelt, in dem der Rücktritt von
                        Valentin Roschacher und die mutmasslich damit verbundene Abwahl von Bundesrat
                        Blocher die Höhepunkte darstellten. Der mit diesem Fall beklagte Vertrauens- und
                        Glaubwürdigkeitsverlust löste im Parlament Vorstösse und Interpellationen vor allem
                        seitens der SVP aus, die sich nach dem Fall Roschacher eingehend mit der Institution
                        Bundesanwaltschaft auseinandergesetzt hatte (z.B. die Frage Schlüer (svp, ZH)
                        (10.5200). Allerdings scheiterte die Motion der SVP-Fraktion, die ein Verfahren wegen
                        Amtsgeheimnisverletzung einleiten wollte, im Nationalrat relativ deutlich. 19

                        ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK           01.01.97 - 01.01.17   9
PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   Auch im Nationalrat gab der Entwurf der RK-SR über die Einführung einer Möglichkeit
DATUM: 05.05.2015
MARC BÜHLMANN
                              für Abgangsentschädigungen für von der Bundesversammlung gewählte Personen in
                              der Sondersession im Mai zwar zu reden, letztlich wurde aber sowohl die Verordnung
                              über Entschädigungen bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses (mit 134 zu 49 Stimmen)
                              als auch das revidierte Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (mit 131 zu 48
                              Stimmen) deutlich angenommen. Zu reden gegeben hatte ein Nichteintretensantrag
                              einer vor allem aus SVP-Mitgliedern bestehenden Kommissionsminderheit: Das
                              Parlament sei Wahlbehörde und man könne – einmal gewählt – nicht immer neue
                              Forderungen stellen, so das zentrale Argument. Auf eine Abgangsentschädigung habe
                              man 2005 bei der Diskussion um das Bundesgerichtsgesetz bewusst verzichtet. Pirmin
                              Schwander (svp, SZ) machte als Fraktionssprecher den Alternativvorschlag, die
                              Gesamterneuerungswahlen vom Herbst in den Sommer zu verlegen, damit bei einer
                              allfälligen Nichtwiederwahl sogar sechs und nicht nur vier Monate Zeit blieben, um eine
                              neue Beschäftigung zu suchen. Die restlichen Fraktionen gaben zu bedenken, dass es
                              für eine Person in den Ämtern, um die es bei der Revision gehe, generell nicht einfach
                              sei, eine neue Stelle zu finden, auch nach einem halben Jahr nicht, weswegen eine
                              Abgangsentschädigung entrichtet werden soll. Bundesrätin Simonetta Sommaruga wies
                              zudem darauf hin, dass die neue Entschädigungsregelung auch einen Beitrag zur
                              Unabhängigkeit der Gerichte und der Bundesanwaltschaft leiste: wer finanziell
                              abgesichert sei, müsse seine Entscheidfindung nicht oder zumindest weniger stark im
                              Hinblick auf eine allfällige Wiederwahl ausrichten.
                              In den Schlussabstimmungen, die in der Sommersession stattfanden, passierten die
                              beiden Vorlagen den Nationalrat unter Opposition der SVP mit 140 zu 54 Stimmen bei
                              einer Enthaltung (Verordnung) bzw. mit 139 zu 54 Stimmen bei einer Enthaltung
                              (Gesetz). Im Ständerat waren die entsprechenden Stimmenverhältnisse 42 zu 3 und 41
                              zu 3 (bei einer Enthaltung). 20

                              Föderativer Aufbau
                              Städte, Regionen, Gemeinden
MOTION                        Im Rahmen der Beratung der Totalrevision der Bundesverfassung beantragte
DATUM: 18.12.1998
HANS HIRTER
                              Ständerätin Spoerry (fdp, ZH) zudem, beim Finanzausgleich nicht nur die besonderen
                              Lasten der Berggebiete sondern auch diejenigen der städtischen Agglomerationen zu
                              berücksichtigen. Dieser Vorschlag wurde von Abgeordneten aus den Berggebieten
                              bekämpft und unterlag mit 19:13 Stimmen. Im Nationalrat scheiterte ein entsprechender
                              Antrag Gysin (sp, BS) ebenfalls, nachdem Bundesrat Koller zugesichert hatte, dass ein
                              Entwurf zu einer Neuordnung des Finanzausgleichs, der unter anderem auch auf dieses
                              Anliegen eingeht, noch vor Jahresende in die Vernehmlassung gegeben werde. Gysin
                              vertrat seine Forderung auch mit einer Motion. Der Entscheid über diesen Vorstoss
                              musste verschoben werden, nachdem Schlüer (svp, ZH) seine Opposition dagegen
                              angemeldet hatte. 21

MOTION                        Der Nationalrat überwies zwei sozialdemokratische Motionen (eine der Fraktion
DATUM: 06.12.1999
HANS HIRTER
                              (97.3662) und eine von Gysin, BS) in Postulatsform, welche eine Berücksichtigung der
                              Zentrumslasten der Städte bei der Konzeption des „Neuen Finanzausgleichs“
                              verlangen. Der Vorstoss Gysin war – auch als Postulat – von Schlüer (svp, ZH) bekämpft
                              worden, welcher befürchtete, dass damit die Grundlagen für neue Bundessubventionen
                              geschaffen würden. 22

BUNDESRATSGESCHÄFT            Das Parlament ratifizierte im Berichtsjahr die Europäische Charta der kommunalen
DATUM: 15.12.2004
HANS HIRTER
                              Selbstverwaltung. Wie bereits in der Vernehmlassung bei den Kantonen war sowohl im
                              Nationalrat als auch im Ständerat die grundsätzliche Frage umstritten, ob der Bund
                              überhaupt      berechtigt   sei,   mittels      internationaler   Verträge in     die
                              Organisationsautonomie der Kantone einzugreifen. Die Befürworter der Charta
                              machten geltend, dass bei Bestimmungen, die materiell einen Eingriff in die
                              Kantonskompetenzen bringen würden (z.B. bei der geforderten vermehrten Zahlung von
                              nicht zweckgebundenen Subventionen an die Gemeinden) die Schweiz einen Vorbehalt
                              bezüglich ihrer Verbindlichkeit gemacht hat. Nichteintretensanträge von Schlüer (svp,
                              ZH), unterstützt von der SVP-Fraktion, im Nationalrat, und Schmid (cvp, AI) im
                              Ständerrat wurden mit 120 zu 38 resp. 26 zu 11 Stimmen klar abgelehnt. 23

                              ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.97 - 01.01.17   10
Wahlen
                    Wahlen in kantonale Regierungen
WAHLEN              Bei den Regierungsratswahlen im Kanton Schwyz trat die CVP mit ihren drei bisherigen
DATUM: 16.03.2008
SABINE HOHL
                    Regierungsräten Kurt Zibung, Georg Hess und Lorenz Bösch an. Die SVP, die bisher mit
                    Walter Stählin einen Sitz in der Regierung besetzte, strebte eine bessere Vertretung in
                    der Exekutive an und wollte der CVP einen Sitz abjagen. Es war parteiintern umstritten,
                    wie viele Kandidaten die SVP aufstellen sollte. Als Pirmin Schwander, Präsident der
                    Schwyzer SVP, sich äusserte, er könne sich eine Kandidatur als einer von vier SVP-
                    Kandidaten vorstellen, stiess dies auf den Widerstand von Walter Stählin. Dieser drohte,
                    in jenem Fall würde er als unabhängiger Kandidat antreten. Die SVP entschied sich
                    schliesslich für eine Zweierkandidatur mit Walter Stählin und Andreas Barraud (neu).
                    Die SP nominierte ihren bisherigen Regierungsrat Armin Hüppin. Mit einer
                    unangenehmen Situation konfrontiert war die FDP. Einer ihrer zwei Regierungsräte,
                    Alois Christen, kündigte erst spät an, dass er nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Partei
                    musste rasch einen neuen Kandidaten finden. Ihre Wahl fiel auf den 38-jährigen Kaspar
                    Michel, der neben dem Bisherigen Peter Reuteler nominiert wurde. Das Kandidatenfeld
                    wurde komplettiert durch den parteilosen Wirt des Hölloch-Restaurants im Muotathal,
                    Bruno Suter. Dieser war in der Vergangenheit bereits mehrmals angetreten und hatte
                    die Wahl vier Jahre zuvor nur knapp verpasst. Ein Unterschied zu vergangenen Wahlen
                    war, dass das absolute Mehr neu auf Grundlage der gültigen Kandidatenstimmen
                    berechnet wurde. Wegen der leichteren Erreichbarkeit des absoluten Mehrs fiel die
                    Entscheidung bereits im ersten Wahlgang. Alle Kandidaten erreichten das absolute
                    Mehr. Gewählt wurden alle Bisherigen und der neue SVP-Kandidat Andreas Barraud. Am
                    meisten Stimmen erhielt Stählin (svp) vor Zibung (cvp), Bösch (cvp), Barraud (svp),
                    Hüppin (sp) und Reuteler (fdp). Äusserst knapp war das Rennen zwischen Hess (cvp) und
                    Michel (fdp). Hess lag am Ende 246 Stimmen vor Michel, dieser schied als überzählig aus
                    und die FDP verlor damit einen ihrer zwei Sitze. Die SVP erreichte so zwar ihr Ziel eines
                    Sitzgewinns, aber nicht wie erwünscht auf Kosten der CVP, sondern der FDP. 24

                    Eidgenössische Wahlen
WAHLEN              Im Kanton Zürich kam es, wie bereits bei den kantonalen Wahlen vom Frühjahr, zu einer
DATUM: 21.10.2007
SABINE HOHL
                    grossen Niederlage der SP. Deren Wähleranteil ging von 25,7% auf 19,8% zurück. Die SP
                    verlor dadurch 3 Sitze, drei bisherige SP-Nationalrätinnen (Müller-Hemmi, Hubmann
                    und Marty Kälin) wurden abgewählt. Die FDP verlor ebenfalls einen Sitz, ihr Wähleranteil
                    ging von 16,2% (2003) auf 13,2% zurück. Die SVP stagnierte trotz eines leichten Anstiegs
                    ihres Wähleranteils (+0,5 Prozentpunkte auf 33,9%) bei 12 Sitzen. Die Grünliberalen
                    erreichten mit einem Wähleranteil von 7% auf Anhieb 3 Sitze. Auch die Grünen legten
                    zu, sie steigerten sich mit einem Wähleranteil von 10,4% von 3 auf 4 Mandate. Die EDU
                    verlor ihren 2003 gewonnen Sitz wieder, Markus Wäfler wurde abgewählt. Dasselbe
                    Schicksal ereilte den bekannten SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer. Neu gewählt wurden
                    Alfred Heer (svp), Natalie Rickli (svp), Doris Fiala (fdp), Barbara Schmid (cvp), Daniel
                    Jositsch (sp), Bastien Girod (gp), Marlies Bänziger (gp), Tiana Angelina Moser (glp) und
                    Verena Diener (glp), für letztere konnte nach deren Wahl in den Ständerat Thomas
                    Weibel (glp) nachrücken. Im Gegensatz zu 2003 waren SP und Grüne im Kanton Zürich
                    zusammen angetreten. FDP und SVP waren ebenfalls eine Listenverbindung
                    eingegangen, nachdem die FDP längere Zeit gezögert hatte. 25

WAHLEN              Im Kanton Zürich wurden insgesamt 30 Listen eingereicht, auf denen sich 275
DATUM: 23.10.2011
MARC BÜHLMANN
                    Kandidatinnen (34,3%) und 527 Kandidaten um die 34 Zürcher Nationalratssitze
                    bewarben. Damit war die Zahl der Listen im Vergleich zu den eidgenössischen Wahlen
                    2007 (29 Listen) wieder angewachsen, hatte die Rekordzahl von 34 Listen aus dem Jahr
                    1991 aber nicht überboten. Die Zahl der Kandidierenden war marginal tiefer als 2007
                    (804) und wesentlich tiefer als 2003 (964). Ebenfalls weiterhin rückläufig war der
                    Frauenanteil unter den Kandidierenden, der 2003 noch 38,4% betragen hatte (2007:
                    37,7%). Sowohl die SP als auch die SVP starteten mit Listen für Auslandschweizerinnen
                    und -schweizer. Neu traten die BDP und zahlreiche Kleinstparteien an, darunter etwa
                    die Anti PowerPoint Partei, die Narrenpartei oder eine Liste mit Parteilosen. Anders als
                    2007 kam keine grosse Listenverbindung der Linken mehr zustande: SP, Grüne und CSP
                    verbanden sich auf der einen und AL, Piraten und Konfessionslose auf der anderen
                    Seite. In der Mitte verbanden sich die CVP, die BDP, die EVP, die GLP und die Tierpartei.
                    Wie in den meisten anderen Kantonen, in denen die EDU antrat, verband sie sich auch
                    in Zürich mit der SVP. Vier der 34 Sitze wurden frei. Insbesondere die SP, die sieben

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.97 - 01.01.17   11
Sitze innehatte und von der drei Nationalrätinnen und Nationalräte zurücktraten (Mario
                    Fehr, Christine Goll, Anita Thanei), hatte einen Aderlass zu verkraften. Den vierten
                    vakanten Sitz (Hans Rutschmann) hatte die SVP zu verteidigen.

                    Die grossen Gewinnerinnen im Kanton Zürich waren die BDP und die GLP, die
                    sozusagen Heimvorteil genoss: Die Grünliberalen hatten sich im Kanton Zürich 2004
                    von den Grünen getrennt und konstituiert. Die drei bereits 2007 eroberten, allesamt
                    aus Zürich stammenden GLP-Mandate konnten 2011 nicht nur verteidigt, sondern um
                    einen weiteren Sitz ausgebaut werden. Zu den drei Bisherigen wurde neu Thomas Maier
                    in den Nationalrat gewählt. Der Wählerzuwachs um 4,5 Prozentpunkte auf 11,5% wurde
                    nur noch von der BDP überflügelt, die in Zürich auf Anhieb auf 5,3%
                    Wählerstimmenanteil kam und damit zwei Sitze eroberte. Für die BDP schickten die
                    Zürcher Wahlberechtigten Lothar Ziörjen und Rosmarie Quadranti-Stahel nach Bern.
                    Die Sitzgewinne von BDP und GLP gingen auf Kosten der SVP, der CVP und der GP, die je
                    einen Sitz abgeben mussten. Die SVP fiel auf 29,8% Wähleranteil (-4,1 Prozentpunkte)
                    und 11 Sitze zurück. Der Sitz von Hans Rutschmann konnte damit nicht verteidigt
                    werden. Christoph Blocher schaffte es wieder in den Nationalrat. Nicht er, sondern
                    Natalie Rickli bekam allerdings die meisten Wählerstimmen (145'776). Neu für die SVP
                    wurde Hans Egloff gewählt. Abgewählt wurden somit Ernst Schibli und Ulrich Schlüer,
                    der bereits 2007 abgewählt worden, aber wieder nachgerutscht war. Die CVP, die ihren
                    2007 eroberten Sitz wieder abgeben musste (neu: 2 Sitze) kam noch auf 5%
                    Wähleranteil (-2,6 Prozentpunkte). Für die CVP nicht mehr wiedergewählt wurde Urs
                    Hany. Die Grünen mussten einen Verlust von zwei Prozentpunkten hinnehmen und
                    kamen mit neu 8,4% Wähleranteil auf drei Sitze. Neu gewählt wurde Balthasar Glättli,
                    der auch von seiner Ständeratskandidatur profitiert haben dürfte. Abgewählt wurden
                    hingegen Marlies Bänziger und Katharina Prelicz-Huber. Die SP (19,3%, -0,5
                    Prozentpunkte, 7 Sitze), die FDP (11,6%, -1,6 Prozentpunkte, 4 Sitze) und die EVP (3,1%,
                    -0,6 Prozentpunkte, 1 Sitz) konnten ihre Sitze trotz Verlusten halten. Die SP konnte
                    damit alle drei vakanten Sitze verteidigen und wurde neu von Thomas Hardegger,
                    Jacqueline Badran und Martin Naef vertreten. Bei der FDP und der EVP wurden die
                    Bisherigen bestätigt. Über 1% der Stimmen erhielten auch die EDU (1,9%) und die
                    Alternative Liste (1%). Die Piratenpartei war mit 0,9% elftstärkste Partei. Alle drei
                    blieben allerdings ohne Sitz. Der Kanton Zürich wird nach den Wahlen 2011 mit 10
                    Frauen und 24 Männern in Bern vertreten sein. Der Frauenanteil nahm damit im
                    Vergleich zu 2007 von 35,3% auf 29,4% ab. Die Stimmbeteiligung im Kanton Zürich
                    betrug 46,8% und war damit über zwei Prozentpunkte tiefer als noch 2007. 26

WAHLEN              Entgegen dem nationalen Trend verringerte sich im Vergleich zu 2011 die Zahl der
DATUM: 18.10.2015
ANDREA DENZ
                    Kandidierenden für die Nationalratswahlen im Kanton Schwyz. Waren es damals noch
                    deren 64, versuchten 2015 nur noch 50 Bewerberinnen und Bewerber ihr Glück. Sie
                    taten dies auf insgesamt 13 Listen (2011: 17). Der Frauenanteil hingegen stieg auf 36%
                    (2011: 32.8%) und kam beinahe an den Rekordwert von 37.5% aus dem Jahr 2007 heran.

                    In der abgelaufenen Legislatur wurde die Schwyzer Bevölkerung durch eine
                    ausgeglichene Delegation aus je einem Mitglied der SVP, der FDP, der CVP und der SP
                    vertreten. Die FDP hatte 2011 – nach 8-jähriger Absenz – mit einem denkbar knappen
                    Resultat ihren Sitz von der SVP zurückgeholt. Somit bot sich für die aktuellen Wahlen
                    eine spannende Ausgangslage. Eine breite bürgerliche Allianz wurde zwar von der SVP
                    forciert, stiess bei der CVP und der FDP aber auf wenig Gehör. Gerade weil im
                    Ständeratswahlkampf ein Angriff auf die beiden amtierenden SVP-Vertreter zu erwarten
                    war, betrachtete man eine Listenverbindung mit der SVP als nicht vertretbar. Somit
                    verbanden sich die grossen bürgerlichen Parteien nur intern – jeweils mit ihren
                    Jungparteien und Nebenlisten (FDP Gewerbeliste, CVP Frauen). Die SP war in der
                    komfortablen Ausgangslage, dass sie mit den Grünen und den Grünliberalen gleich zwei
                    Listenpartner gefunden hatte. Für die Verteidigung des Mandats von SP-
                    Fraktionspräsident Andy Tschümperlin rechnete man sich deshalb beste Chancen aus.
                    Für die FDP und Petra Gössi sah die Lage weniger gut aus. Mit dem Nichtantreten der
                    BDP fiel eine Listenpartnerin weg, welche entscheidend zum knappen Erfolg vor vier
                    Jahren beigetragen hatte. Die CVP hingegen erreichte damals das mit Abstand beste
                    Parteiresultat hinter der SVP. Aus diesem Grund wurde CVP-Nationalrat Alois Gmür
                    etwas weniger oft zum Kreis der von der Abwahl Gefährdeten gezählt. Nur gewinnen
                    konnte auf der anderen Seite die SVP. Mit 38% Wähleranteil war einerseits das Mandat
                    von Nationalrat Pirmin Schwander absolut ungefährdet – andererseits musste dadurch
                    das Ziel der Rechtspartei klar die Rückeroberung ihres verlorenen, zweiten Sitzes sein.

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.97 - 01.01.17   12
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