Bedrohung Vogelgrippe Das Tier als Freund und Helfer - PRO
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4/2005 PRO SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT FÜR TIERSCHUTZ • Bedrohung Vogelgrippe • Das Tier als Freund und Helfer
Impressum Inhalt Zeitschrift der Schweizerischen Wir geben Tieren ein Zuhause 4 Gesellschaft für Tierschutz/ProTier, Vogelgrippe – Leidtragende sind die Hühner 6 Zürich Grenztierarzt – Im Kampf gegen Zynismus 10 Nr. 4 Dezember 2005 33. Jahrgang Das Tier als Freund und Helfer (I) – Hunde im Einsatz 14 Erscheint 4x jährlich Das Tier als Freund und Helfer (II) – Heilpädagogisches Reiten 17 Abonnement Das Tier als Freund und Helfer (III) – Schweine im Landbau 19 Mitglieder erhalten die Zeitschrift Wildschweine – Mais mit den hochintelligenten Tieren 21 kostenlos Rummel um einen Bären 23 Jahresbeitrag Fr. 30.– Jagd auf Katzen 24 Jugendmitglieder (bis 18 Jahre) Fr. 20.– Einzelnummer Fr. 6.– Palmöl bedroht Überleben der Orang-Utans 26 Jahresabonnement Fr. 20.– Kampf gegen die Grausamkeiten an Tieren in Lima, Peru 28 Redaktion: 5. Weltkongress über Alternativen zu Tierversuchen 30 Rita H. Dubois (rd) Chamäleon: Wenig erforschte Zeugen aus der Saurierzeit 32 Ständige Mitarbeiter: Buchbesprechungen/CD-Bestellungen 34 Nathalie Dubois (nd) Kurznachrichten 36 Ulrich Karlowski (uk) Pro Tier unterstützt Kaninchenprojekt von kagfreiland 37 Ulrike Kirsch (uki) Projekte + Kampagnen: So können Sie helfen 38 Mitarbeit an dieser Ausgabe: Patenschaften 39 R. A. Attinger Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Weiterverwendung der Artikel und Bilder Vogelgrippe/Grenztierarzt Das Tier als Freund und Helfer nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Ge- nehmigung der Redaktion. Die Beiträge decken sich nicht unbedingt mit der Meinung der Redaktion und des Vorstandes Titelbild: Hermelin Foto: Michael Quinton/Larry Minden/age fotostock 14 Layout: proVista – Palmöl bedroht Orang-Utans concept, prepress, publishing, design 6/10 Urs Widmer, 4123 Allschwil Druck: Wildschweine Fotorotar AG, 8132 Egg SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT FÜR TIERSCHUTZ Alfred-Escher-Strasse 76 CH-8002 Zürich Telefon: 044 201 25 03 Telefax: 044 201 26 23 Postcheck: 80-37221-2 E-Mail: tierschutz@protier.ch URL: www.protier.ch 21 26 2 ProTier 4/05
Editorial Liebe Tierfreunde N och sind sie nicht verges- Foto: Martin Siegenthaler sen, die schrecklichen Bil- der über die Ausmerzak- tionen von Geflügel wegen der Lun- genkrankheit SARS. Nun werden schon wieder Hunderttausende Hühner, Enten und Gänse getötet. Diesmal wegen der Hühnergrippe- Hysterie. Wieder zeigt uns das Fern- sehen wie die Vögel grausam ge- tötet werden. Sie werden totge- schlagen, lebendig in Säcke ge- pell an die asiatischen Länder, die einem Schaf, protestieren Jäger stopft und verbrannt, oder man Haltungsbedingungen für die Tie- und Schafzüchter lauthals und ver- dreht ihnen die Hälse um. re zu verbessern. Wer die Zustän- langen deren Abschuss. Noch de auf den asiatischen Tiermärkten weiss man nichts Genaues über Sie sollen das gefürchtete Vogel- kennt, wundert sich nicht, dass dort den Verbleib des Bündner Bären, grippevirus übertragen. Die Vogel- der Ursprung von Tierseuchen doch weist vieles daraufhin, dass er grippe oder Vogelpest wie sie bis- liegt. nicht mehr lebt. her genannt wurde, ist keine neue Krankheit. Grössere Geflügelbe- Ein Vergleich – jeden Winter ster- Es fällt mir nicht leicht, Ihnen ange- stände wurden immer wieder mal ben weltweit 2 bis 3 Millionen Men- sichts der vielen Probleme und Ka- befallen. Für den Menschen war sie schen an Grippe. Seit Ausbruch der tastrophen eine schöne und fried- nie gefährlich, das Virus hat immer Vogelgrippe in Asien sind in die- volle Advents- und Weihnachtszeit nur Vögel infiziert. sem Jahr 46 Menschen gestorben. zu wünschen. Ich wünsche trotz- Grund genug Millionen von Tieren dem besinnliche Tage, die Ihnen Doch nun warnen Forscher, das Vi- auf grausamste Weise zu töten? und uns allen Kraft geben, mit Mut rus könnte sich verändern, es könn- und Hoffnung ins Jahr 2006 zu ge- te sich mit einem Grippevirus ver- Der Mensch tut sich schwer, Tiere hen. binden und so auch den Menschen als Mitgeschöpfe, als einen Teil der gefährlich werden. 20–30 Millionen Natur zu betrachten. Jeden Herbst Tote könnte es geben. Für die Phar- ziehen Jäger und Jägerinnen durch Bis zum nächsten Mal maindustrie das Geschäft! Das die Wälder. Noch immer ist in der Ihre Medikament Tamiflu wird zum Schweiz die Hetzjagd mit Hunden Wundermittel hochgejubelt. Die erlaubt. Abends wird dann gebe- Leute legen Vorräte davon an, der chert und gefeiert. Für Tierschützer Hersteller steigert die Produktion, ist dies nicht nachvollziehbar. Doch die Kasse klingelt. Dabei geht ver- wenn zwei das Gleiche tun, ist es gessen, dass das Mittel nicht gegen nicht dasselbe. Reisst ein Luchs ein Rita Dubois das Virus H5N1 hilft, sondern nur Reh oder vergreift sich der Bär an Geschäftsführerin gegen die normale Grippe. Egal, wer es im Medikamentenschrank hat, fühlt sich auf der sicheren Seite. Was mich an der Geschichte am Für mehr Informationen über unsere Tätigkeit besuchen meisten stört, kein Wort, kein Ap- Sie uns bitte im Internet unter: www.protier.ch ProTier 4/05 3
Wir geben Tieren Gunda, Gisma, Dodo und Marik. Zwölf Junge brachte Die Hündinnen Gunda und Gisma schwarz mit wenig eine Hündin auf einem Bauernhof zur Welt. Acht wur- Braun und Weiss unterscheiden sich nur durch die den getötet oder sind auf mysteriöse Weise ver- Kipp- bzw. Stehohren. schwunden. Die vier übrig gebliebenen warten nun bei uns im Stolzboden auf ein Zuhause. Foto: Martin Siegenthaler n scht Unerwü Foto: Martin Siegenthaler Foto: Martin Siegenthaler Marik Gunda Gisma Die Rüden Marik und Foto: Martin Siegenthaler Dodo sind schokolade- braun und kaum von- einander zu unterschei- Foto: Karin Angst den. Alle vier sind übermütig und lebendig, aber sehr gutmütig. Sie brauchen aber noch viel Erzie- hung, sie müssen unbe- ilze im dingt einen Junghunde- kurs weiter besuchen G l ü c k s p können. o p p e l p ack Sie eignen sich nicht als D Ersthund. Wer einem dieser «Wildfänge» ein Zuhause geben will, Dodo braucht unbedingt Hun- deefahrung. Bobbi und Lenni. Eigentlich war die Familie der bei- den Lausbuben vor einem Jahr ins Tierheim gegan- gen um sich Bobbi anzuschauen und mit ihm einen Unser Spendenkonto Probespaziergang zu machen. Als sie jedoch von Bob- bis bestem Freund Lenni erfuhren, entschlossen sie sich PC: 80-37221-2 spontan, ihn auch mitzunehmen. Schnell war klar, dass man die beiden nicht mehr trennen wollte. Und da auch Vermerk: Findeltiere genügend Platz vorhanden war, fanden sie zusammen Schweizerische Gesellschaft für Tierschutz ein neues Zuhause. Die beiden halten ihre Familie ganz Alfred-Escher-Strasse 76, schön auf Trab. Sie spielen, toben und schlafen mit- CH-8002 Zürich einander, haben aber auch Gehorsam gelernt. 4 ProTier 4/05
ein Zuhause Foto: Ruth Stettler Foto: Martin Siegenthaler ilz Glücksp Micky (ehemals James). Am Anfang bereitete er sei- ner neuen Familie echte Sorgen. Zwar verstand er sich gut mit seiner neuen Katzenfreundin, spielte und etzt Ausges schmuste mit ihr. Doch dann griff er sie plötzlich un- vermittelt an, was die Kätzin erschreckte und verunsi- cherte. Doch nun haben sich die beiden aneinander gewöhnt und, wenn er genug vom Spielen und Her- Shiva. Die ca. 10-jährige Perserkätzin wurde auf der umtollen hat, hilft er gerne bei den Büroarbeiten. Strasse gefunden. Sie war abgemagert, und ihr Fell war derart ungepflegt und verfilzt, dass es teilweise ab- Foto: Martin Siegenthaler geschoren werden musste. Ausserdem hatte sie Mühe mit dem Gehen. Der Tierarzt meinte, dass sie über län- gere Zeit falsch gefüttert worden sei, womöglich nur mit rohem Fleisch und Innereien. Inzwischen hat sich Shiva weitgehend erholt, meist ist sie lieb und anhäng- lich. Sie zeigt aber auch deutlich, wenn sie in Ruhe ge- lassen werden will. Als neues Zuhause sucht sie einen ruhigen Haushalt, wo sie als Einzelkatze verwöhnt wird. Auch braucht sie einen Balkon oder eine Ter- rasse, die mit einem Netz gesichert sind. n d e n mit Foto: Martin Siegenthaler u Aufgef Jungen ihren Füchsli und ihre Kinder. Anfang August tauchten bei einer Garage in der Nähe vom Tierheim drei ca. 8 Wo- chen alte Katzen auf. Bevor sie eingefangen werden konnten, wurde leider eine überfahren. Henry, ein et zt schwarzes Katerchen, und Helga, ein Tigerweibchen, Ausges kamen in den Stolzboden. Eine mehrmalige Nachsu- che erbrachte keine Hinweise auf die Katzenmutter. Wir mussten annehmen, dass die Katzen ausgesetzt Reni. Die etwa 10-jährige Kätzin brachte in einer Re- worden sind. Dann, Anfang September, tauchte eine nault-Garage ihre sechs Kinder zur Welt. Die Familie rote, total abgemagerte Kätzin bei der gleichen Gara- kam zu uns in Tierheim, als die Jungen 8 Tage alt wa- ge auf. Bei ihr war ein junges schwarzes Weibchen. Da ren. Reni ist eine gute und fürsorgliche Mutter. Nun su- die 3 Jungtiere alle gleich alt sind, ist Füchsli mit gros- chen wir für sie und ihre Jungen ein gutes schönes ser Wahrscheinlichkeit die Mutter von dem Trio. Die Zuhause mit Auslauf. Es darf aber keine stark befah- Kätzin ist mindestens 10 Jahre alt. rene Strasse in unmittelbarer Nähe sein. Sie hat sich erstaunlich gut von den durchgemachten Joelle, Yogi, Janosch, alle schwarz. Charly, schwarz- Strapazen erholt. Auch für Füchsli suchen wir ein Zu- weiss, Joya, Tiger mit weiss, und Georgia, getigert. Die hause, wo es nicht allzu turbulent zugeht. Ein katzen- Jungen geben wir nur als Zweikatzen oder paarweise sicherer (mit Netz gesicherter) Balkon oder eine Ter- ab. rasse muss vorhanden sein. ProTier 4/05 5
Vogelgrippe in Europa Leidtragende sind die Hühner Foto: Hans Peter Roth Ob sie in Asien tausendfach getötet werden oder in Europa Stallarrest bekommen, Hauptleidtragende sind einmal mehr die Hühner. Ein weiteres bitteres Kapitel über den mensch- lichen Umgang mit der «Wegwerfware» Nutztier. D ie Bilder und Berichte über Massentötungen von Geflügeltieren, die wegen der Vogel- grippe in Ostasien oft lebendig verscharrt oder verbrannt wurden («ProTier» berich- tete) waren nur schwer zu ertragen. Nun ist die Vogelgrippe in Europa festgestellt damit ist jetzt vorläufig Schluss, Stallhal- tung ist Pflicht. Das Bundesamt für Veteri- närwesen (BVET) kam zum Schluss, an der Grippe erkrankte Zugvögel aus dem Osten gefährdeten das Freilandgeflügel. worden. Nun wird auch bei uns Geflügel Horror für Freilandhühner präventiv getötet, wenn die vorgeschriebe- ne Stallhaltung nicht möglich ist. Doch der Stallarrest kann für Freilandhüh- «Gibt es ein Massaker?» So titelte die ner zum Horror werden. «Die Tiere sind Zeitung mit den grossen Buchstaben. Nicht gewöhnt, sich draussen bewegen zu kön- zu Unrecht. Von 6,5 Millionen Hühnern in nen. Eingesperrt werden sie nervös und der Schweiz scharren rund 1,5 Millionen aggressiv», sagt Alois Wüthrich, Agrarbe- glückliche Hühner unter freiem Himmel. rater für Geflügel- und Eierproduzenten. Weil die Schweiz als einziges Land die Kä- «Sie greifen sich an und machen auch vor Von fighaltung verboten hat, ist der Anteil an Kannibalismus nicht Halt.» Bio-Poulet-Pro- Hans Peter Roth Freilandgeflügel hier besonders hoch. Aber duzent Lukas Vock will seinen Hühnern die- 6 ProTier 4/05
Foto: Hans Peter Roth se Qualen nicht zumuten. «Dann höre ich lieber gleich auf mit den Freilandpoulets.» Einmal mehr sind kleine, naturnahe Betrie- be besonders betroffen, einige davon in ihrer Existenz bedroht. Grossmästereien und Legefarmen, die weit weniger tierge- recht produzieren, können mit dem «Hüh- nerknast» dagegen vergleichsweise gut le- ben. Ihre Tiere können oft gar nicht ins Freie. Hauptleidtragende sind indessen die Tiere. Gemäss Schätzungen könnten we- gen der Stallpflicht weit über 100 000 Hüh- ner vorzeitig getötet werden. Denn wohin mit dem Geflügel? Dabei kann selbst der Stallzwang die Ausbreitung der Vogelgrip- pe nicht hundertprozentig verhindern (sie- he Kasten Vogelhandel). «Es gibt unzähli- ge Hobby-Geflügelhalter, und Rassenzüch- ter, die nirgends registriert sind», sagt der Berner Kantonstierarzt Christian Huggler. «Das ist ein grosses, ungelöstes Problem.» Schon lange bekannt Doch was ist Vogelgrippe überhaupt? Die Vogelgrippe wird auch Geflügelpest ge- nannt. Sie wurde 1878 in Italien zum ersten Mal nachgewiesen. Es kursieren verschie- Foto: Hans Peter Roth ProTier ProTier 4/05 4/05 7
dene Virenstämme: Wenig und hoch ansteckende. Das Vogelgrippevirus kann bei Hühnern, Puten, Gänsen, Enten und wild lebenden Wasservö- geln (und eventuell auch bei ande- ren Vogelarten) eine tödliche Seu- che hervorrufen. In der Schweiz trat die Vogelgrippe letztmals 1930 auf. Der sich nun ausbreitende, aggres- sive Subtyp H5N1 kann im Extrem- fall auch Menschen gefährden, nö- tig ist dazu ein direkter Kontakt mit einem erkrankten Tier. Eine Anste- ckung von Mensch zu Mensch wür- de erst möglich, wenn sich das Vi- rus verändert (siehe Kasten). H5N1 trat 1997 in Hongkong erstmals auf, breitete sich jedoch nur langsam in Die Gänse und Enten Foto: Martin Siegenthaler Südostasien aus. 2003 brach dann vom Tierheim Stolzboden die Seuche erneut in Südkorea aus. marschieren freiwillig Schon fast vergessen ist, dass eben- in den Stall. falls 2003 auf einer niederländischen Geflügelfarm ein weiterer Subtyp, Virus H5N1 H7N7, ausbrach. 83 Menschen er- krankten am Virus, eine Person Hysterie mit starb. 30 Millionen Hühner wurden pandemischem Ausmass darauf getötet. Wenn etwas ausgebrochen ist, dann eine pandemische Panik vor der Anste- ckung mit «Etwas», wovon die wenigsten wissen, was «Es» genau ist. Pharma- Virus H5N1 wird riese Roche dankt für die globale multimediale Gratiswerbung seines Präparats selten bei Wildvögeln Tamiflu ebenso wie all jene, die dank der immunschwächenden Angstmache nachgewiesen mehr Geld denn je mit fragwürdigen Grippeimpfungen kassieren. Zwischen Ostasien und Europa gibt Wie gefährlich ist «Es» wirklich für den Menschen? Zurzeit wird H5N1, das Vogel- es zwar keine direkten Zugvogel- grippevirus, das für den Menschen gefährlich sein kann, nur durch direkten Kontakt routen. Doch nun hat das Virus im mit infizierten Vögeln oder deren Kot, Blut und Nasensekret übertragen. Zudem «Zick-Zack-Kurs», durch Kontakte überleben Vogelgrippeviren ausserhalb des Körpers nur sehr kurz. Der Kontakt von Zugvögeln an sich über- müsste also sehr unmittelbar und direkt sein, sollte sich jemand über den Kot schneidenden Flugrouten via West- eines infizierten Vogels anstecken. Selbst Fleisch und Eier von an H5N1 erkranktem china, Kasachstan und den Ural Geflügel liessen sich bedenkenlos verzehren, solange bei ausreichender Tem- Europa erreicht. Unter den Wildvö- peratur gegart oder gekocht. Beim Erhitzen über 70°C geht das Virus ein. geln kursieren vor allem andere, Die Übertragung des H5N1-Virus von Mensch zu Mensch ist bisher gemäss WHO weniger aggressive Virenstämme nur äusserst selten aufgetreten. Experten befürchten zwar, der Erreger der Vo- der Vogelgrippe, an welche die Vö- gelgrippe könnte sich mit dem der menschlichen Grippe zu einer Art leicht über- gel relativ gut angepasst sind. Der tragbarem «Supervirus» verbinden. Dann drohte eine weltweite Grippeepide- neue Virustyp H5N1 wurde erst sel- mie. Ein solches Virus wurde bislang aber nicht entdeckt. Von einer akuten Be- ten in Wildvögeln nachgewiesen. drohung kann also keine Rede sein. Ansonsten wären zunächst einmal alle Fahr- Sehr gefährlich ist dieser Virustyp zeuge mit Stallarrest zu belegen. Denn jährlich sterben laut der WHO 1,2 Millio- beim Hausgeflügel. Erkrankte Hüh- nen Menschen bei Verkehrsunfällen. Was für eine Welt: Täglich sterben Tau- ner bekommen Fieber, Atembe- sende an Malaria, Unterernährung und bei Gewalttaten. Das kümmert uns nicht. schwerden und Durchfall. Nahezu Lieber ängstigen wir uns präventiv zu Tode. 100 Prozent des erkrankten Geflü- Und wenn es doch kommt, das gross angekündigte Killervirus? Bei der letzten gels stirbt nach einigen Tagen. Pandemie 1968 starben rund eine Million Menschen. Gemessen an den jährli- Auch wild lebende Wasservögel Foto: Martin Siegenthaler chen Verkehrstoten eine relativ geringe Zahl. Klar ist: Angst und Stress machen sterben vermutlich rasch. Dies krank. Wer sich also von der pandemischen Panik anstecken lässt, schadet ga- bremst die Ausbreitung und konn- rantiert der Gesundheit und landet früher oder später mit einer Grippe im Bett. te bislang Massensterben unter (ak/hpr) Wasservögeln verhindern. ■ ProTier 4/05 9
Grenztierarzt Im Kampf gegen Zynismus Die Vogelgrippe hat seinen Arbeitsalltag nur wenig verändert: Grenztierarzt Adrian Schmitt auf dem Flughafen Zürich. Er gibt Aus- künfte und fahndet nach Schmugglern und ihrer Schmuggelware. «M oment bitte», flüstert Adrian Schmitt und macht eine entschuldigende Handbewegung. Der Grenztierarzt ist am Telefon: «Sie möchten mit einem Hund von Japan in die Schweiz einreisen? … » Das Gespräch zieht sich hin. geht um gezieltes Befragen und stichpro- benweise Gepäckdurchsuchung. Geflügel- fleisch, Eier, Federn und andere Tierproduk- te werden beschlagnahmt und vernichtet. «Eine vollständige Sicherheit ergibt das na- «Die nötigen Papiere. … Der Hund darf türlich nicht», sagt Daniel Tschudin. «Aber nicht coupiert sein. … Sonst keine Chance, wir setzen ein Signal an die Reisenden und dass man ihn reinlässt. … Weil es aus Tier- vollziehen mit den verschärften Kontrollen schutzgründen verboten ist.» Neonlicht er- das strikte Importverbot des Bundesamtes hellt das enge, grenztierärztliche Büro im für Veterinärwesen BVET.» Flughafen Zürich. Adrian Schmitt der Kon- trast dazu. Freundlich, gewinnend, Kräfti- 1700 Eintagsküken ge Statur. Warmer Händedruck, nachdem er aufgelegt hat. Das Handy von Adrian Schmitt klingelt. Er Der erste Gang führt zum Stellvertreter des wird in der Tierabfertigung erwartet. Sei- Zollinspektors, Daniel Tschudin. Gemein- ne Stimme wird lauter. Ein kalter Wind trägt sam mit dem Grenztierarzt erläutert er die Fluglärm in die offene Frachthalle. «Hier ist aktuelle Disposition betreffend Vogelgrip- die Tierkontrolle und Quarantänestation.» pe. Einreisende, die mit Direktflügen aus Die gekachelten Räume werden vermehrt betroffenen Ländern ankommen, werden desinfiziert. In der Station ängstliches und Von verschärft kontrolliert. «Dazu setzen wir aufgeregtes Vogelpiesen. In einem der Räu- Hans Peter Roth mehr Personal ein», erklärt Tschudin. Es me sind auf einem Rollwagen Dutzende 10 ProTier 4/05
Eintagsküken – Glück gehabt. Sie kommen aus einer gesicherten Gegend. Fotos: Alle Bilder von BVET Kartons mit grossen Luftlöchern gestapelt. Schmitt reisst einen Karton auf und holt ein piepsendes Flaumbällchen hervor. «Ein- tagsküken.» Der Leiter des grenztierärztli- chen Dienstes im Zollkreis 2 rechnet: 1700 Tiere. Sie kommen aus Paris. Kein Problem, angesichts der Hysterie und verschärften Bestimmungen rund um die Vogelgrippe? «Nein.» Frankreich sei ja vor- derhand frei von Vogelgrippe. «Die jungen Hühner kommen also aus einer gesicher- ten Gegend und sind in Paris auch nicht umgeladen worden.» Dies ist für Schmitt aus den Frachtpapieren ersichtlich und wäre ohnehin nicht erlaubt. Ob die Küken zu Lege- oder Masthennen heranwachsen sollen, oder aber zu Muttertieren für Lege- oder Masthennen, ersieht der Grenztierarzt aus den vorliegenden Gesundheitszeugnis- sen. Nachdem die Küken den Flughafen passiert haben, liegt die Kontrolle beim Adrian Schmitt mit Eintagsküken vorinformierten Veterinäramt desjenigen Kantons, in welchem sich der Einstallungs- arzt einschreiten, wenn Touristen mit Hun- betrieb der Junghennen befindet. den oder Katzen erwischt werden, die sie illegal in die Schweiz bringen wollen. Die Dunkelziffer ist hoch. Adrian Schmitt warnt: Feriensouvenir mit Katzen aus der Türkei «Die gut gemeinte Absicht, solche Tiere in ungewisser Zukunft Wieder klingelt Schmitts Handy. Drei Kat- die Schweiz zu bringen, kann das Gegen- zen werden vom Flughafen Basel-Mühlhau- teil bewirken.» Tierseuchen könnten so in sen nach Zürich Kloten in die Quarantäne die Schweiz gelangen; auch auf Menschen überstellt. Typischer Fall: Zöllner hatten die übertragbare wie die Tollwut, die Lungen- Frau im Euro-Airport bei der Einreise aus infektion SARS – oder im Extremfall eben der Türkei in die Schweiz abgefangen – die Vogelgrippe. ohne gültige Papiere für die Katzen. «Ver- Entsprechend hart sind die Konsequenzen: mutlich Findeltiere», nimmt der Veterinär «Entweder führen wir solche Tiere ins Ur- an. «Touristen packen sie aus Mitleid ein sprungsland zurück oder wir schläfern sie und wollen sie nach Hause holen.» In bis ein.» Der Tierarzt hat Verständnis, dass bei zu 150 Fällen jährlich muss der Grenztier- gewissen Tierfreunden das vom BVET vor- ProTier 4/05 11
Fotos: Alle Bilder von BVET Adrian Schmitt, Grenztierarzt, mit einer Sammlung verboten eingeführ- ter tierischer Produkte nahmte Gegenstände geschützter Tiere ansteuert. Makaberes Souvenir – Affen geräuchert Kabinett des Grauens Der Ausstellungsraum: Ein Sam- melsurium der Tragik und Komik. Neben Elfenbein, Spinnen, Schild- geschriebene Vorgehen auf Ableh- krötenpanzern, Schlangenlederklei- nung stösst. Er tut das Möglichste, dern und Grosskatzenfellen ist auch um betroffenen Einreisenden die ein Hundefell ausgebreitet mit Situation zu erklären. «Es kann aber plump aufgespraytem Fleckengit- auch mal vorkommen, dass Leute termuster. Für einen unbedarften Hundefell mit trotzdem persönlich und unsanft in Afrikareisenden bestimmt, als aufgedrucktem unserem engen Büro vorstellig wer- «Wildkatzenfell». In Olivenölgläsern Wildkatzenmuster den», sagt Schmitt, während er den eingelegte Jungschlangen rufen an- Ausstellungsraum für beschlag- dere Erinnerungen wach: Die klei- 12 ProTier 4/05
ne Boa, in die ein Grenzwächter plötzlich griff, als er die Westenta- Für «Feinschmecker» lebend schen eines Einreisenden durch- transportierte Hummer suchte. Oder der Kanarienvogel, der durch lautes Fiepen auf sich auf- merksam machte. Der Schmuggler hatte ihn in eine Tetra-Packung ge- stopft im Rucksack. Beschlagnahm- te lebende Tiere kommen in die Obhut von Zoos oder ausgewiese- nen Fachleuten. In gewissen Fällen werden sie auch in ihre Ursprungs- region zurückgeführt und nach Möglichkeit freigelassen. Sicherge- stellte Teile von toten Tieren, wie Felle, Häute oder beispielsweise Schildkrötenpanzer, sowie ausge- stopfte Tiere, die unter das CITES- Artenschutzabkommen fallen, ge- hen als Leihgaben an Schulen und Museen. Tödlicher Handel Tiere als Umstrittener Import von Wildvögeln Drogenschmuggler Ein in England an Vogelgrippe gestorbener Papagei belegt die Gefahr, die vom Doch der Zynismus von Schmugg- Wildvogel-Import ausgeht. Gemäss der deutschen Artenschutzorganisation lern kennt buchstäblich keine Gren- Pro Wildlife stammte der Papagei aus Surinam (Südamerika) und war seit dem zen. Nicht genug, dass Tierschmug- 16. September mit anderen Ziervögeln, unter anderem aus Taiwan (!) in einer gel und Tierhandel viele seltene englischen Quarantänestation. Die EU ist weltweit der grösste Abnehmer von Arten an den Rand der Ausrottung «Ziervögeln». Sie importiert jährlich fast 1,8 Millionen Tiere aus freier Natur, gebracht haben. Nicht genug, dass darunter Papageien, Beos und Finken. unzählige geschmuggelte Tiere un- Mehr als 350 «Ziervögel», die in derselben Quarantäneeinrichtung waren ter den schrecklichen Transportbe- wie der infizierte Papagei, wurden bereits getötet. «Es ist höchste Zeit, dass dingungen leiden und häufig unter- das sinnlose Sterben von Wildvögeln für den Heimtiermarkt gestoppt wird», wegs oder kurz nach der Reise an schreibt Pro Wildlife weiter und fordert ein dauerhaftes Einfuhrverbot für alle Stress, Durst, Hunger oder Sauer- Wildvögel. Denn unzählige Tiere verenden bereits durch Fang, Transport oder stoffmangel eingehen. Besonders Infektionen innerhalb der Handelskette. Und nun droht mit dem weltweiten skrupellose Schmuggler missbrau- Vogelhandel die rasante Verbreitung der Vogelgrippe. chen Tiere sogar dazu, selbst Zudem ist der Öffentlichkeit kaum bewusst, dass ein Grossteil der verkauf- Schmuggelware über die Grenze zu ten Vögel wie Papageien, Beos und exotischer Finken noch immer aus freier bringen. Etwa, wenn Hunde kleine Wildbahn stammt: Laut Pro Wildlife sind neun von zehn der importierten Vö- verpackte Drogenportionen schlu- gel Wildfänge: «Während Fang und Handel heimischer Vogelarten verboten cken müssen. Oder wenn Tiere kur- sind, ist der Plünderung der Vogelwelt anderer Staaten für europäische Käfige zerhand lebendig aufgeschlitzt wer- kaum eine Grenze gesetzt.» (hpr) den, um Drogen in seinem Körper zu verstecken. Begründung am Zoll: Das Tier sei operiert. Unglaublich: «Es gab schon Meldungen von an- deren Grenzkontrollstellen, wo in einer angeblich operierten Hündin vier Kilo Drogen gefunden wur- den», erinnert sich Adrian Schmitt. Trotz solcher Erlebnisse «liebt» er seinen Beruf. «Ich erlebe auch viel Schönes. Und kein Tag in dieser verantwortungsvollen Arbeit ver- läuft gleich wie der andere.» Klar ist: Die Arbeit wird dem Grenztier- arzt nicht ausgehen. ■ ProTier 4/05 13
Das Tier als Freund und Helfer (I) Hunde im Einsatz Bebt die Erde, kämpfen Verschüttete ums Überleben, Hundeführer und ihre Vierbeiner sind innert kurzer Zeit vor Ort. REDOG, der Schweizerische Verein Fotos auf Doppelseite: REDOG für Katastrophenhunde, bildet sie aus. Die Besten kommen zum Einsatz und retten Leben. VON ANANDA KUNZ lien) konnten dank REDOG 16 ver- satz. Sie suchen vermisste Spazier- schüttete Personen gerettet wer- gänger, Berggänger und Kinder, N achrichten: «Ganze Dörfer den. Heute umfasst die Organisa- oder verwirrte Menschen und Be- beim Erdbeben in Pakistan tion mit 12 Regionalgruppen in der tagte, die sich verirrt haben. von der Landkarte ver- Schweiz rund 650 Mitglieder. Zwei schwunden. … Gegen 60000 Opfer Partnerorganisationen sind im Aus- Retten will gelernt sein möglich.» Aufmerksam verfolgt land aktiv. Linda Hornisberger, Ausbildungs- Im Laufe der Zeit zeigte sich ver- Mittwochabend auf dem Industrie- verantwortliche des Schweizeri- mehrt auch das Bedürfnis nach gelände einer Baufirma in Brünnen schen Vereins für Katastrophen- Suchhunden für das Aufspüren von bei Bern. Kälte und Dunkelheit hal- hunde REDOG die Tagesschau. Vermissten in Wald und Flur. Da- ten die K-Juniorenmannschaft der Wieder eine Katastrophe gewalti- her arbeitet REDOG seit 1982 auch Regionalgruppe Berner Oberland gen Ausmasses. Die Anspannung mit Flächensuchhunden und Ge- nicht vom Training ab. In den Re- steigt. Linda Hornisberger erwartet birgsflächensuchhunden. Hier ar- gionalgruppen beginnt der lange wie 43 weitere rund um die Uhr ein- beitet REDOG eng mit dem Schwei- Weg von Juniorenteams zu einsatz- satzbereite REDOG-Teams jederzeit zerischen Alpenclub SAC zusam- fähigen K-Teams; so werden Füh- das Aufgebot von der Direktion für men. Diese Teams sind oft im Ein- rer mit Katastrophenhund genannt. Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA. Unersetzliche Hundenasen Trotz dem technischen Fortschritt im Rettungswesen bleibt die Hun- denase zum Aufspüren und Orten verschütteter Menschen unersetz- lich. REDOG ist die einzige Organi- sation in der Schweiz, die seit 1971 als Sektion der Schweizerischen Ky- nologischen Gesellschaft solche Hunde ausbildet. Der Durchbruch mit weltweiter Anerkennung gelang 1976. Beim Erdbeben in Friaul (Ita- 14 ProTier 4/05
Linda Hornisberger bespricht mit Peter Pflüger die nächste Übung. Erwartungsvoll steht seine acht Monate alte English Springer Spa- nielhündin Patch neben ihm. Der Schwanz wedelt. Eine Frau ver- schwindet mit Patchs Lieblinsspiel- zeug. «Such!» Endlich darf Patch losrennen. Sobald die Hündin fün- dig geworden ist, bellt sie und be- kommt ihr Spielzeug. «Gut ge- macht», wird sie gelobt. Linda Hor- nisberger betont, wie wichtig es ist, dass der Hund von sich aus Freude am Suchen und Arbeiten hat. «Die Übungen bei den Junioren werden auf jeden Führer und Hund einzeln abgestimmt. Beobachtung des Hundes hat erste Priorität. Auf kei- nen Fall darf er überfordert und ge- stresst werden.» Peter Pflüger bildet mit Patch schon seinen dritten Hund bei REDOG aus. «Das ist sehr zeit- und kostenauf- wändig. Freude am Hund und der Arbeit mit ihm sowie Ausdauer, körperliche Fitness und mentale Stärke gehören zu den Grund- voraussetzungen für jeden K-Füh- rer.» In der Ausbildung lernt der Hund, seinem Führer menschliche Witterung durch Bellen und Schar- ren anzuzeigen. Dieses Bellen und ProTier 4/05 15
Scharren wird auch ausserhalb der Suche an einem so genannten An- zeigeloch, einer Betonröhre mit Holzdeckel, geübt. Nach zwei bis drei Jahren kann ein Team den zwei- tägigen Einsatztest bestehen und ist ab diesem Zeitpunkt einsatzbereit. Der Ernstfall Nach bestandener Prüfung wartet jedes K-Team mit Spannung auf den Ernstfalleinsatz. Freuen wird sich niemand. Alle wissen: Ihrem Einsatz gehen leid- und todbrin- gende Ereignisse voran. Hilfe zu Foto: zvg bringen, ist Peter Pflügers Motiva- tion. «Ich war schon viermal im Ein- satz. Dreimal im Inland und im De- zember 2003 im iranischen Bam. An jenem Nachmittag, als ich erfuhr, dass ich mit Jade am gleichen Abend nach Bam fliegen sollte, war ich erst einmal aufgeregt», erinnert er sich. Würden er und sein Hund den Druck verkraften? Beim Flug über die zerstörte Stadt herrschte betroffene Stille im Helikopter. «So- fort machten wir uns an die Arbeit.» Die Hunde fanden lediglich Tote unter den Trümmern. Doch nicht immer ist es so wie in Bam. In den letzten 30 Jahren konnten K-Teams 135 Menschen lebend bergen. Maultiere statt Hundenasen In Pakistan kam REDOG nicht zum Einsatz. Toni Frisch, Chef des Foto: zvg Schweizerischen Korps für huma- nitäre Hilfe, begründet: «Pakistan ersuchte ausdrücklich um Geld und Spürnase im Einsatz Hilfsgüter, nicht aber um Rettungs- teams.» Zudem habe die Bauart der Nicht ohne Risiko für das Tier Häuser Lebendrettungen in den Trümmern praktisch verunmög- Der Einsatz von Tieren im Bereich Sicherheit und Lebensrettung ist unersetz- licht. «Kaschmir war kein Standard- lich. Der Schweizerische Alpenclub SAC bildet Hunde aus, die bei Lawinenun- Erdbeben. Also war auch kein Stan- glücken zum Einsatz kommen. Auch für das Aufspüren von Ertrunkenen wer- dard-Vorgehen gefragt.» Die DEZA den Hunde eingesetzt. Im Bereich Personenschutz, Sprengstoff- und Betäubungs- kaufte deshalb 50 Maultiere. Diese mittelsuche arbeitet das Militär mit Vierbeinern. Entgegen der landläufigen tragen nun Hilfsgüter in abgelege- Meinung werden Rauschgiftsuchhunde nicht süchtig gemacht. Der geringste ne Täler, wo Zehntausende im her- Kontakt der Schleimhäute mit Drogen kann zum Tod des Hundes führen. Bei einbrechenden Winter ums Überle- allem Nutzen ist nicht zu vergessen, dass jeder Akut-Einsatz für Hund und Mensch ben kämpfen. Ob und wie REDOG lebensgefährlich ist. Gerade bei der Suche in Trümmern ist die Verletzungsge- bei künftigen Katastrophen zum fahr sehr gross. Nachbeben und einsturzgefährdete Häuser sind unberechen- Einsatz kommt, hängt unter ande- bar. Ein Mensch entscheidet bewusst, ob er sich diesem Risiko aussetzen will. rem von internationalen Beziehun- Der Hund nicht. Seine Treue kann ihn das Leben kosten. (ak) gen und der DEZA-Politik ab. ■ 16 ProTier 4/05
Das Tier als Freund und Helfer (II) Heilpädagogisches Reiten Therapeutin Sonja Morgenegg hilft Bettina beim Überstreifen des Half- ters. Jökull will fressen. Geduldig redet Bettina auf ihn ein. Die bei- den kennen sich nun seit zwei Jah- ren. Damals begann Bettina mit zwei anderen Kindern aus der Stif- tung für Blinde und Sehbehinderte Kinder und Jugendliche in Zolli- kofen bei Bern mit dem Therapeu- tischen Reiten. Für das schüchter- ne und durch die Sehbehinderung zusätzlich verunsicherte Mädchen waren 300 Kilo lebendes Pferd da- mals furchteinflössend. Sonja Mor- genegg arbeitete mit viel Einfüh- lungsvermögen. Anfangs wurde Jökull alleine in ein Gehege geführt. Foto: Ananda Kunz Nach und nach gewöhnten sich Bettina und ihr Freund Jökull Pferd und Mädchen durch gegen- seitiges Beobachten und mit kleine- Wärme, weiches Fell, rhythmischer Schritt. Bei echter Harmonie können Therapietiere Wunder wirken. Zum Beispiel beim Heilpädago- gischen Reiten für Sehbehinderte. Entscheidend ist aber der artge- rechte Umgang mit dem Tier. VON ANANDA KUNZ das weiche Fell, der gleichmässige Schritt – alles kann so erst richtig B ettina Rüfli ruft: «Wo isch wahrgenommen werden. der Jökull, i gseh ihn ja gar nid.» Die Zehnjährige ist auf Weg aus der Angst dem Weg zur Weide. Fünf Island- pferde grasen friedlich. Auf Distanz Das Pferd hat dem Kind viel zu sa- kann die sehbehinderte Bettina sie gen. Allerdings nicht mit Worten, nur schwer ausmachen. An der Kop- die das Kind tagtäglich hört und pel angekommen, nimmt Bettina deren Wirkung längst abgeschliffen eine Decke und wirft sie geschickt ist. Sprache und Verhalten stimmen über den Rücken «ihres» Jökull. beim Tier jederzeit überein. Des- «Der Jökull het e herti Wirbelsüle. halb dient es als perfekter Spiegel Darum mues i zwöi Deckine nä. für das Kind. Das Pferd begegnet Süsch tuet mir när s Füdli weh.» Für dem Kind so, wie das Kind ihm. Foto: Ananda Kunz blinde und sehbehinderte Kinder ist Eine entscheidende Erfahrung, die wichtig, dass sie ohne Sattel reiten Bettina so beim Heilpädagogischen Gleichgewichtsübungen zu Pferd können. Die Wärme des Pferdes, Reiten macht. ProTier 4/05 17
ren Spielen aneinander – bis Jökull Charakters besonders gut. Die art- Bettina, die unsicher ist. «Das Kind sich eines Tages Bettina aus eige- gerechte Haltung der vier «Islän- soll sich zu 100 Prozent auf das Tier nen Stücken näherte. Sie freute sich der», welche die Schule für Blinde verlassen können», sagt Sonja Mor- riesig. Heute ist ihr keine Angst und Sehbehinderte einsetzt, ist für genegg. «Die eingesetzten Pferde mehr anzumerken. Glücklich steigt den Erfolg der Therapie entschei- müssen in den unterschiedlichsten sie auf den Rücken von Jökull. Ge- dend, meint Sonja Morgenegg. Situationen verlässlich und ruhig führt von der Therapeutin, geht es «Dass unsere Pferde einen offenen sein. Sie sind aber keine Maschinen. los in den Wald. Stall und viel Weideplatz haben, ist So lernen die Kinder, dass jedes mir sehr wichtig. Zudem benötigen Pferd auch seine Eigenheiten hat.» sie genügend Abwechslung zwi- Jökull beschleunigt den Gang et- Tiergerechte Haltung schen Therapie, Auslauf, regelmäs- was. «Er wot zrügg in Stall», folgert wichtig sigem entspanntem Ausreiten und Bettina. Dort angekommen, steigt Beim Heilpädagogischen Reiten Ruhe. Nur so behält jedes Tier sei- Bettina vom Pferderücken, holt selb- steht nicht die reiterliche Ausbil- ne charakteristischen Eigenheiten ständig das Putzzeug und bürstet dung, sondern die individuelle För- und bringt dem Kind Stärke und Le- das Fell ihres Lieblings. derung im Vordergrund. Kinder ler- bendigkeit entgegen.» Ohne den unermüdlichen Einsatz nen unter anderem, Verantwortung von Sonja Morgenegg und vieler für sich und ihr Pferd zu überneh- freiwilliger Helferinnen und Helfer Beständige, ruhige Tiere men. In der Fachsprache ausge- wäre das Heilpädagogische Reiten drückt: Heilpädagogisches Reiten Plötzlich bleibt Jökull stehen. «Was kaum durchführbar. Weder IV noch umfasst pädagogische, psychologi- isch los», fragt Bettina. Am Weg- Krankenkasse bezahlen die Thera- sche, psychotherapeutische, reha- rand stehen hinter Zäunen zwei pie; Spenden füllen die Lücke. In- bilitative und soziointegrative Wir- grosse Schweine. «Der Jökull het zwischen glänzt Jökull fertig ge- kungen mit Hilfe des Pferdes bei Söi nid gärn – chum, muesch kei striegelt und erhält von Bettina ein Kindern, Jugendlichen und Erwach- Angscht ha…» Zögernd geht der Stück hartes Brot zur Belohnung. senen mit verschiedenen Behinde- Wallach weiter. Bettina legt beru- Zum Schluss umarmt das Mädchen rungen oder Störungen. Diese The- higend beide Arme um den Hals des Jökull. «Tschüss, i cha ersch i zwo rapie ist nicht zu verwechseln mit Tieres. Inzwischen ist sie so «pfer- Wuche wider cho.» Zufrieden rennt der Hippotherapie, einer physiothe- defest», dass sie sich nicht mehr mit sie Richtung Parkplatz. Ein freiwil- rapeutischen Methode. Hier nutzen den Händen halten muss. Jetzt sind liger Helfer bringt sie zurück in die spezialisierte Physiotherapeuten die Rollen getauscht, und es ist nicht Schule. ■ die Bewegungsübertragung vom Pferd auf den Menschen. Im Vor- dergrund steht dabei die Wirkung Oft einseitig auf Gelenke, Wirbelsäule, Becken, Muskulatur und innere Organe. Schattenseiten der Therapie mit Tieren Für das Heilpädagogische Reiten eignen sich Islandpferde wegen ih- Nebst Pferden kommen für Therapiezwecke oft Hunde zum Einsatz. Sie sollen rer Grösse, des variantenreichen in Alters- und Pflegeheimen, Spitälern, Kindergärten, Sonderschulen, Heimen harmonischen Gangs, des kräftigen für Behinderte, in Häusern für Aidspatienten, psychiatrischen Kliniken, Gefäng- Rückens und ihres freundlichen nissen usw. helfen. Für tiergestützte Therapien werden aber auch weit exoti- schere Therapietiere gebraucht bzw. leider allzu oft auch missbraucht. Dazu gehören Delfine, verschiedene Vogelarten, Katzen, Schafe, Esel, Rinder, Schwei- ne, Lamas, Hamster, Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, Hasen, ja sogar Schild- kröten oder Schlangen. Häufig ist das Therapieverhältnis ein ganz und gar einseitiges. Das Tier als Kon- sumobjekt: Ist es schon nicht zum Verzehr bestimmt, soll es wenigstens heilen. Die eigene Befindlichkeit entscheidet; die des Tieres ist untergeordnet. Beson- ders drastisch illustrieren dies Schwimmtherapien in Delfinarien. Die friedli- chen Meeressäuger lassen sich gar nicht artgerecht halten. Gefangen leiden sie stets an Störungen. Welch kranker Irrwitz, zu glauben, gefangene Delfine könn- ten einen therapieren, wo sie selbst therapiebedürftig sind. Doch Delfinarien boomen weltweit. Mit schrecklichen Folgen: Die Delfinarien-Industrie bietet finanziellen Anreiz für die Jagd auf Delfine und Wale. Beispiel Japan: Hier enden blutige Treibjagden zwischen Oktober und März noch immer tödlich für Tau- sende Kleinwale. Die Hetzer fangen einige der in Buchten zusammengetriebe- Foto: Ananda Kunz nen Tiere lebend für Vergnügungsparks. Die übrigen Delfine schlachten sie ab. Zufrieden geht’s Gründlich zu therapieren wäre daher einzig die perverse Idee, auf Therapien zurück in den Stall mit gefangenen Delfinen zu setzen. (hpr/ak) 18 ProTier 4/05
Tiere als Freunde und Helfer (III) Schweine im Landbau Foto: Claudia Holzer Was für die meisten Landwirte eine Katastrophe ist, macht sich «Agrar- rebell» Sepp Holzer zunutze. Er setzt Schweine zum Umgraben seines Bodens ein. Seine Permakultur ist eine verblüffende Erfolgsgeschichte. VON HANS P ETER ROTH «Agrarrebell» Sepp Holzer. «Die Tiere bearbeiten mit ihren Rüsseln B ei strömendem Regen führt den Boden und lockern ihn bei der Sepp Holzer eine interessier- Nahrungssuche, beispielsweise te Gruppe in sein Reich, den nach Insektenlarven, Schnecken Foto: Claudia Holzer Krameterhof im österreichischen und Käfern, auf.» Lungau. Ein Naturparadies und gleichzeitig Landwirtschaftsbetrieb Vielfältige positive mitten in den Alpen. Obwohl 1100 Oben: «Mitarbeitergespräch» Effekte bis 1500 Meter über Meer gelegen, zwischen Sepp Holzer und gedeihen dank Sepp Holzers tiefem Holzer setzt die Schweine auch zur einem Schwein auf seinem Hof. Sinn für natürliche Vorgänge hier Regulierung unliebsamer Beige- Unten: Tierfreund Sepp Holzer noch Kiwi- oder Kirschbäume. wächse wie grosser Ampfer, Brenn- in seinem Reich. Die Tiere auf dem teils terras- nessel oder Beifuss ein. Die Wühl- sierten Gelände in Hanglage stört arbeit der Tiere steuert er, indem er der Regen nicht. Pferde, Hochland- Getreidekörner, Erbsen oder Mais rinder und Schweine können sich ausstreut. Die Schweine wühlen am aussaaten vorbereitet. Andererseits bei Bedarf in ausgeklügelt konstru- Boden danach und bearbeiten ihn fühlen sich die Schweine dabei ierte Einstände zurückziehen. Und so. Die positiven Effekte dieser sprichwörtlich sauwohl. die Schweine freut der Regen sicht- Methode sind vielfältig. Einerseits Die Tiere verbringen das ganze Jahr lich. Ideales Wetter für ihre Suhlen. wird der Waldboden für in der im Freien. Für diese Haltungsform In seiner Permakultur sind Schwei- Permakultur typische Urgetreide-, eignen sich Mangalitsa, Turopolje-, ne wichtige «Mitarbeiter», sagt Mischsaaten oder Waldkartoffel- Schwäbisch-Hällische Schweine, ProTier 4/05 19
Foto: Josef Andreas Holzer Schweine bei der Arbeit und sogar das klassische Land- Unter geschickter Ausnutzung öko- terschiedlichsten Umweltbedin- schwein. «Als Unterstand für die logischer Beziehungen und Kreis- gungen anwenden lässt, zeigt Sepp Tiere genügt eine grosse Schirm- läufe lässt der Bestsellerautor die Holzer als Berater bei zahlreichen fichte oder ein aus Steinen und Natur für sich arbeiten und erzielt Projekten – sogar in Kolumbien und Holzstämmen errichteter, in die mit minimalem Aufwand – ohne die Brasilien, wo zerstörte Böden mit Erde hineingebauter, zugfreier Bun- Natur zu belasten – ein Maximum Hilfe der Permakultur wieder in ker», erklärt Josef Holzer. «Es ist an wirtschaftlichem Erfolg. Dass landwirtschaftliches Kulturland ver- wichtig, dass drei Seiten geschlos- sich dieses Konzept unter den un- wandelt werden. ■ sen sind und die Öffnung mit leich- tem Gefälle nach Osten ausgerich- tet wird. Als Überdachung genügt eine dichte Schicht Fichtenreisig.» «Schädlinge» gibt es nicht «In einem intakten Nahrungskreis- lauf gibt es keine Nützlinge und Schädlinge», betont Holzer, «son- dern einfach nur Mitlebewesen.» Selbst Wühlmäuse betrachtet er als hilfreiche «Mitarbeiter». Mit ihren Gängen legen sie natürliche Drai- nage- und Belüftungssysteme im Boden an. Der österreichische Um- Foto: Josef Andreas Holzer weltpionier hat über Jahre hinweg eine eigene Form der Permakultur entwickelt, die bereits Gegenstand wissenschaftlicher Forschungsar- beiten ist und auch Projekt der Expo Schwein Duroc fühlt sich in der Suhle, die es sich auf dem Gelände des 2000 in Hannover war. Krameterhofs selbst gewühlt hat, sauwohl. 20 ProTier 4/05
Foto: zvg Wildschweine Mais mit den hochintelligenten Tieren Als «Schädlinge» verschreien sie viele Landwirte. Dabei begünstigt die Agroindustrie selbst die Wildschweine. Wildschweinjagd ist Symptombekämpfung. Es gäbe an- dere Wege im Umgang mit dem hochintelligenten Tier. ProTier 4/05 21
tes Ungeziefer». Doch trotz erbitter- Wichtige Wildtierart ter Verfolgung und anderer Widrig- keiten sind die Schwarzkittel aus un- «Jetzt gibt es im Engadin den Bä- serem Land nie ganz verschwun- ren und alle sind begeistert. Dabei den. Und in den letzten Jahrzehn- haben wir in unmittelbarer Nähe ten nehmen die Bestände wieder zu eine ebenso faszinierende Tierart», – in den letzten Jahren sogar stark. sagt Ernst Rytz weiter. Seiner Mei- Dies, obschon die Sauen scharf be- nung nach müssten die Jagdgesell- jagt werden. schaften viel mehr Aufklärungsar- beit leisten und – wenn schon – die Jagd koordinierter angehen. «Der Maisfelder als Paradies Jäger hat im Wald gar nichts zu Die intensive Landwirtschaft hat den suchen», sagt er. Die Sauen dürften Lebensraum der Wildschweine un- nur auf freiem Feld geschossen Foto: zvg beabsichtigt verbessert. Entschei- werden, damit sie sich vermehrt in dend ist der stetig wachsende Mais- den Wald zurückziehen. Jäger dürf- anbau. Die Bauern haben das ten auch nie die Leitbachen schies- VON HANS P ETER ROTH Schwarzwild sozusagen angefüttert. sen; sonst bricht in der Rotte das Zwischen der Zunahme der Mais- Chaos aus, und andere Weibchen W ildschweinjagd – jedem anbaufläche und der geschätzten bringen noch mehr Junge zur Welt. Kind, das Asterix kennt, Zunahme des Wildschweinbestan- «Es sind eine Menge Kleinigkeiten, ist sie ein Begriff. Zu Aste- des besteht ein enger Zusammen- die Jäger berücksichtigen sollten.» rix’ Zeiten war West- und Mitteleu- hang. Im Maisfeld finden die Wild- ropa von gewaltigen Laubmisch- schwein-Rotten paradiesische Zu- und Buchenwäldern bedeckt. Hier stände: reichlich Nahrung und per- lebten die Wildschweine, ernährten fekte Tarnung. In gewissem Sinn sich von Eicheln und Buchnüsschen sind die Wildschweine eine Antwort und stöberten mit empfindlicher der Natur auf die agroindustrielle Nase und muskulösem Rüssel nach Monokultur, ähnlich dem Borkenkä- Insektenlarven, Würmern und Mäu- fer, der vor allem Fichten in ohne- senestern. Doch dann verlor das hin geschwächten Baumbeständen Foto: zvg Schwarzwild durch die Zerstörung befällt. Die vermeintlichen «Schäd- der Wälder seinen angestammten linge» sollen kranke, naturfremde Lebensraum. Anfang des 19. Jahr- Elemente ausmerzen. Immerhin stellt mittlerweile auch hunderts gab es in der Schweiz fast Daher ist die nun beschlossene, die Arbeitsgruppe für ökologisch keine Wildschweine mehr. Seither weiter verschärfte Jagd auf die sinnvolles «Wildschweinmanage- hat sich der Wald wieder erholt. Und hochintelligenten Tiere Symptom- ment» des BUWALs klar: Das damit sind die Wildschweine als bekämpfung. Dass es auch anders Wildschwein hat keineswegs als nützliche Waldgärtner zurückge- geht, beweist Biolandwirt Ernst «Schädling» zu gelten, sondern kehrt. Sie durchlüften den Waldbo- Rytz aus dem aargauischen Ols- gehört zu den wichtigen Wildtier- den, fördern die natürliche Verjün- berg. «Früher hatte ich eine Sauwut arten der natürlichen Ökosysteme gung des Waldes und machen ihre auf die Wildschweine», räumt er des Schweizer Mittellandes. Dazu Arbeit so gut, dass sie bei den För- ein. Doch nun hat er sich arrangiert. kommt, dass die Schwarzwildschä- stern gern gesehene Gäste sind. «Ich habe auch schöne Begegnun- den in keinem Verhältnis zu den Anders in der Landwirtschaft. Hier gen mit ihnen.» Er ist überzeugt, landwirtschaftlichen Produktions- galten die Wildschweine bereits im dass das Problem kleiner würde, zahlen stehen: Der Gesamtproduk- 19. Jahrhundert als «unerwünsch- wenn der Mensch im Umgang mit tionswert der Schweizer Landwirt- der Natur besonnener wäre. «Wir schaft für die Jahre 1999 bis 2001 müssen mit der Sau in ein anderes betrug im Schnitt 10,4 Milliarden Verhältnis kommen. Sie braucht Franken. Die landesweiten Schwarz- Respekt und Hochachtung.» Mit wildschäden für 2002 dagegen eigenen Massnahmen hat er ange- 2,8 Millionen Franken – das ent- fangen, das Schwarzwild von sei- spricht einem Viertel Promille. Er- nen Äckern abzulenken. Er lässt in freulicherweise ist die Meinung, die den Feldern Grasstreifen als Durch- nach langer Abwesenheit jetzt wie- gangsweg stehen, oder er pflanzt der bei uns heimisch gewordenen Foto: r+s ambühler Getreide mit haarigen Graupen an, Wildschweine seien weit eher eine die den Tieren nicht munden. So Bereicherung als eine Plage, doch kann er den Schaden begrenzen. recht verbreitet. ■ 22 ProTier 4/05
Rummel, der in der Schweiz um ei- Schweiz/Osteuropa nen einzelnen Bären gemacht wird. Im relativ kleinen Balkanland Bul- Rummel um garien beispielsweise sind wilde Braunbären so normal, dass Bie- nenhäuser in ländlichen Gegenden ganz selbstverständlich bärensicher einen Bären auf hohe Stelzen gebaut werden. Rund 800 wilde Braunbären leben in der gebirgigen und waldreichen «Schweiz» Südosteuropas. «Wer Bären, Tiere und die Natur liebt, liegt hier, abseits von den ausge- tretenen Touristenpfaden, richtig», sagt Erwin Gubler vom Richterswi- ler Reisebüro Jojo Reisen. In Sachen Tierschutz hat EU-Bei- trittskandidat Bulgarien seit dem Fall des Eisernen Vorhangs Fort- schritte gemacht. Während früher die in Südosteuropa bis vor kurzem noch häufigen Auftritte von Tanz- bären auch in Bulgarien weit ver- Foto: Felix Gastpar breitet waren, sind sie heute prak- tisch verschwunden. Seit 1993 ist die private Bärenhaltung verboten. Mittlerweile vollziehen die Behör- Der in die Schweiz eingewanderte Braunbär soll einen Peilsender den das Verbot konsequent. Zudem erhalten. In Osteuropa wundert man sich derweil um das Schweizer haben Tierschutzkampagnen in der Öffentlichkeit Wirkung gezeigt. Im- Aufhebens um einen einzigen Bären. mer öfter wurden Tanzbärenführer von Passanten auf der Strasse be- schimpft, ja sogar geschlagen und VON HANS P ETER ROTH Nun plant Graubündens Amt für weggejagt. Die Akzeptanz sank bei Jagd und Fischerei laut Engler ge- Einwohnern und Touristen inner- E inst wurde er wie auch Wolf meinsam mit den italienischen und halb weniger Jahre so tief, dass die und Luchs, verfolgt und aus- österreichischen Behörden, dem Bärenführer ihre Einkünfte verloren gerottet, heute ist er willkom- Bären einen Sender zu verpassen. und damit ihr tierquälerisches Ge- men. Wenn die Schweizer nur al- Natur- und Tierschützer begrüssen werbe aufgeben mussten. ■ len rückkehrenden Wildtieren ge- die Massnahme mehrheitlich. Bau- genüber so aufgeschlossen wären. ern und Schafzüchter könnten so Trotzdem sollte man dem Neuzu- schneller über seinen Aufenthalts- wanderer auch nicht gleich derart ort informiert werden. Ein Sender auf die Pelle rücken, wie dies Neu- ermögliche auch, in der Schweiz gierige beim Braunbären taten, der Erfahrungen über das Wanderver- Ende Juli im Münstertal auftauchte halten des Bären zu sammeln. Doch («ProTier» berichtete). Dass dieser seit dem 30. September fehlt vom dadurch die Scheu vor den Men- Bären jede Spur. Wahrscheinlich ist schen verliert, trägt im Übrigen mit er ins Trentino zurückgewandert. dazu bei, dass er sich sein Fressen Dort dürfte er sich noch tüchtig an in Menschennähe holt. Da lässt es Früchten sattfressen, um sich dann sich am leichtesten reissen. Bis für den Winterschlaf zurückzu- Ende September riss der Braunbär ziehen. im Unterengadin über 20 Schafe. Die Reaktion des Bündner Regie- Fortschritte im Tierschutz rungsrats Stefan Engler im Kan- Foto: Felix Gastpar tonsparlament: «Wir sollten kühlen In osteuropäischen Ländern, wo Kopf bewahren und ihm deswegen Bären häufig vorkommen, wundern nicht gleich ans Fell gehen.» sich die Einheimischen über den ProTier 4/05 23
Jagd auf Katzen Mit speziellen Duftstoffen werden Katzen in Totschlag- fallen gelockt Für Jäger sind Katzen Raubtiere, die Tiere töten, die zum Jagdwild der Jäger gehören. Sie ist somit eine unliebsame Konkurrentin. Das ist der Hauptgrund, warum Katzen be- jagt werden. So mancher Grünrock gibt dies auch ganz offen zu. Vor laufender Kamera erzählte ein Kreisjägermeister aus Schleswig- Holstein: «Ich habe mir zwar am Foto: Deutscher Tierschutzbund Anfang meiner Jägertätigkeit eine Katzenfellhose zusammengeschos- sen, unter heutigen Gesichtspunk- ten spielt jedoch nur der Wildschutz eine Rolle.» Das bedeutet, wenn Abschiessen allein nicht zum ge- Unfassbar, in Deutschland schiessen Jäger auf Katzen, die sich mehr wünschten Erfolg führt, werden als 200 Meter von ihrem Heim entfernen. Ist das Tier zu wenig weit Fallen eingesetzt. Diese in Deutsch- land nach wie vor legalen, mit zum weg, wird auch schon mal mit Baldrian nachgeholfen. Dabei spielt es Teil anmutig klingenden Namen keine Rolle, ob die Katze gewildert hat oder nicht. Die Wellen im ZDF- wie «Kleiner Schwanenhals», Tö- Online-Forum schlugen hoch, nachdem das ZDF-Reportagemagazin tungsmaschinen werden zur besse- «37Grad» einen erschütternden Bericht von Manfred Karremann über ren Wirksamkeit mit speziellen Lockstoffen bestückt. «Dieses Lock- das rätselhafte Verschwinden unzähliger Katzen und Hunde in Deutschland ausstrahlte. Auch in der Schweiz war die Empörung bei Tierschützern und Tierschützerinnen gross. Legale Katzenjagd Nur den wenigsten Katzenbesitzern ist bewusst, dass Feldflächen, auch J ährlich verschwinden nach wenn sie direkt an Grundstücke Schätzungen von Tierschüt- grenzen, in der Regel als Jagdbe- zern in Deutschland Hundert- zirke gelten – die Katzenjagd mit tausende von Katzen und Zehntau- Flinte oder Falle ist in Deutschland sende Hunde spurlos. Oft auffällig ganz legal. So gilt beispielsweise in viele in einem bestimmten Gebiet. Schleswig-Holstein: Befindet sich Nach offiziellen Angaben sollen es eine Katze 200 Meter von ihrem jedoch «nur» etwa 290000 Stuben- Zuhause entfernt, darf sie vom Jä- tiger pro Jahr sein. ger getötet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie spielt, wildert VON ULRICH KARLOWSKI oder einfach nur herumläuft, ledig- lich Hunde müssen in flagranti Doch die Dunkelziffer ist extrem beim Wildern erwischt werden. Je hoch, verlässliche Statistiken sind nach Bundesland kann die «Todes- Mangelware. Niemand schmückt zone» zwischen 200 und 500 Meter Plakate: IJH sich gerne mit einer Jagdstrecke Entfernung vom bebauten Wohn- erschossener Hunde und Katzen. gebiet beginnen. 24 ProTier 4/05
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