Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa

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Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
Europäische Jugendarbeit
und Jugendpolitik
Aktuelle Entwicklungen auf nationaler                           # 01.18
und europäischer Ebene                                          NEWSLETTER

        DOSSIER              DOSSIER            DOSSIER

        „DANK DER EU-­       NACHGEFRAGT,       „DIE EU-JUGEND-
        JUGENDSTRATEGIE      ­JUNGE ERWARTUN-   PROGRAMME ALS
        WIRD MIT EUROPA      GEN AN DIE EU      INSTRUMENTE DER
        ETWAS (BE-)GREIF-                       EU-JUGENDSTRATE-
        BARES VERBUNDEN“                        GIE STÄRKEN“
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
INHALT

Vorwort                                                  3   Aktuelles von JUGEND für Europa                                     27
                                                              „Inclusion First“ – Vielfalt ist Chance
Meldungen aus der europäischen Jugendpolitik             4   und Bereicherung zugleich                                           27
Die Suche nach dem Kompromiss: Der Trilog                     Der Menschenrechtsbildung eine
zum „Europäischen Solidaritätskorps“ beginnt             4   europäische Dimension verleihen                                     28
Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-2027:                          Ein Teil von Europa werden:
Was sollte drin sein für die EU-Jugendprogramme?         5   Jugendarbeit mit Geflüchteten stärken                               29
EU-Jugendprogramme nach 2020:                                 Der Qualitätsbonus:
Wo geht die Reise hin?                                   6   Kompetenzen in der Jugendarbeit aufbauen                            30

Dossier:                                                     Europäischer Alltag                                                 32
Gegenwart und Zukunft der EU-Jugendstrategie             7
                                                              100 Jahre Unabhängigkeit                                            32
Wie alles begann                                         7
Nachgefragt: Junge Erwartungen an die EU                10   Literaturhinweise                                                   34
„Dank der EU-Jugendstrategie wird mit Europa
etwas (Be-)Greifbares verbunden.“                       12   Veranstaltungs-
                                                              hinweise                                                            35
Eine EU-Jugendstrategie, die junge Menschen
und Akteure in den Mittelpunkt stellt                   16   Impressum                                                           36
„Schwimmen lernt man nur im Wasser“:
Die Stadt Wiesbaden stellt sich international auf       18
Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft,
in Deutschland und in Europa                            20
„Die EU-Jugendprogramme als Instrumente
der EU-Jugendstrategie stärken“                         22
Die EU-Jugendstrategie in Deutschland auf einen Blick   24

Blick aus der Forschung                                 25
Für eine ressortübergreifende EU-Jugendstrategie,
die mehr als jugendpolitische Themen festlegt           25

»2                                                                                              # 01.18   Newsletter EU-Jugendstrategie
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
VORWORT                                                                                              à Inhaltsverzeichnis

                                          VORWORT

2018                 wird ein bedeutendes Jahr für die Weiter-
                     entwicklung der europäischen Jugendpo-
                     litik. Mit dem Europäischen Solidaritäts-
                                                                   Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag daher das
                                                                   Ziel gesetzt, die europäische und internationale Jugendarbeit
                                                                   weiter zu stärken und wird sich dafür einsetzen, Austauschpro-
korps wird ein neues EU-Programm für junge Menschen auf            gramme wie Erasmus+ zu stärken. Solche Austausche vermitteln
den Weg gebracht, das das soziale und solidarische Engagement      Sprachkenntnisse, fördern die interkulturelle Kompetenz junger
junger Menschen in den Mittelpunkt stellt. In der zweiten Jah-     Menschen und leisten einen Beitrag, sich in einer globalisierten
reshälfte werden ebenfalls die Verhandlungen über die EU-­         Welt zu orientieren. Dabei müssen wir auch vermehrt die Ziel-
Programmgeneration ab 2021 beginnen und damit erste Weg-           gruppen in den Blick nehmen und ansprechen, die heute noch
marken für die künftige Ausrichtung der EU-Jugendprogramme,        nicht an einem Austausch teilnehmen oder teilnehmen können.
wie Erasmus+ JUGEND IN AKTION und dem Europäischen                 Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Priorität noch stärker
Solidaritätskorps gesetzt.                                         in der jugendpolitischen Zusammenarbeit verankert wird. Wir
                                                                   werden auch nationale und europäische Fragestellungen noch
Auch die jugendpolitische Zusammenarbeit in der Europäi-           enger miteinander verbinden, um die Anliegen und die Positi-
schen Union wird in diesem Jahr erneuert. Die so genannte EU-­     onen junger Menschen ausgehend von ihrer konkreten Lebens-
Jugendstrategie hat in den vergangenen neun Jahren einen erheb-    welt vor Ort bis hin zur europäischen Gesellschaft wirksamer
lichen Beitrag geleistet, die Jugendpolitik in Europa und in den   unterstützen zu können.
Mitgliedstaaten weiterzuentwickeln. Und nie war dies wichtiger
als heute. In Zeiten von steigendem Populismus und Nationalis-     Gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten haben wir uns darauf
mus sowie wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen          verständigt, die Vermittlung der gemeinsamen Werte der EU
müssen wir junge Menschen unterstützen, zu Botschafterinnen        und die Stärkung der europäischen Identität in den Mittelpunkt
und Botschaftern der europäischen Idee von Vielfalt, Toleranz      der neuen EU-Jugendstrategie zu stellen. Denn: Jugendgerechtes
und demokratischem Handeln über Grenzen hinweg zu werden.          Handeln heißt für uns junge Menschen auf dem Weg in ein er-
Sich begegnen und einander zu verstehen sind wichtige Voraus-      fülltes persönliches, soziales und berufliches Leben in Europa zu
setzungen für ein gutes Zusammenleben in Europa und weltweit.      unterstützen.

Sowohl die Vermittlung der gemeinsamen Werte der EU als auch       Bettina Bundszus-Cecere
die Stärkung der europäischen Identität junger Menschen müs-
sen im Zentrum einer erneuerten jugendpolitischen Agenda der       Abteilungsleiterin Kinder und Jugend
EU stehen. Die Aufgabe der europäischen Jugendpolitik wird         beim ­Bundesministerium für Familien, Senioren,
darin bestehen, unmittelbar und stärker als zuvor, jeder Genera-   Frauen und Jugend
tion junger Menschen die Möglichkeit zu geben, Europa mitzu-
gestalten, zu erleben und sich als Europäerin und Europäer zu
engagieren.

Newsletter EU-Jugendstrategie   # 01.18                                                                                          »3
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
MELDUNGEN AUS DER EUROPÄISCHEN JUGENDPOLITIK                                                    à Inhaltsverzeichnis

            MELDUNGEN AUS
           DER EUROPÄISCHEN
             JUGENDPOLITIK
                             Die Suche nach dem Kompromiss:
                Der Trilog zum „Europäischen Solidaritätskorps“ beginnt
         Das Europäische Parlament hat am 12.03.2018 den Bericht seines Ausschusses für Kultur und Bildung in
          erster Lesung und ohne weitere Aussprache in die sogenannten „interinstitutionellen Verhandlungen“
           eingebracht. Berichterstatterin Dr. Helga Trüpel (Bündnis 90 / Die Grünen) hat das Mandat, für das
           Europäische Parlament in die Verhandlungen mit dem Rat der EU und der EU-Kommission über die
                              Ausgestaltung des Europäischen Solidaritätskorps zu gehen.

       D          as neue EU-Jugendprogramm ist in aller
                  Munde: Es wird mit großem Enthusiasmus
                  erwartet aber auch mit Skepsis betrachtet.
                                                               dermöglichkeiten für Praktika und Jobs. So schlägt
                                                               das Parlament die Bezeichnung „Europäischer Soli-
                                                               daritäts- und Freiwilligendienst“ vor und legt deut-
       Der Vorschlag der Kommission traf 2016 eindeutig        lich mehr Wert auf die Schwerpunkte Inklusion
       einen Nerv und das europaweite Erstarken nationa-       und Diversität als die Kommission. Das Parlament
       listischer Kräfte sowie die schwindende Solidarität     verschiebt außerdem an einigen Stellungen die Ein-
       in Europa bestätigten nach wie vor seine Notwen-        ordnung des Programms aus dem jugendpolitischen
       digkeit. So sollte es bereits am 1. Januar 2018 star-   Kontext (Lernmobilität, interkulturelles Lernen,
       ten. Dabei nehmen die legislativen Schritte, die der    Entwicklung Persönlichkeit) in den engagementpoli-
       Gründung eines solchen Programmes vorausgehen,          tischen (Hilfe, praktische Unterstützung). Nach dem
       einiges an Zeit in Anspruch. Vor allem dann, wenn       Willen des EU-Parlaments soll der Beschäftigungs-
       die Ansichten weit auseinander liegen.                  strang nur 5% des Förderbudgets im Europäischen
                                                               Solidaritätskorps ausmachen. Dementsprechend
       Strittig bleiben vor allem die Bezeichnung und          beschränkt der Bericht des Parlaments den Kreis teil-
       Schwerpunktsetzung des Programms, sowie die För-        nehmender Organisationen auf Non-profit-Einrich-
                                                               tungen. Der Vorschlag der EU-Kommission sah hier
                                                               einen 20%igen Anteil vor, die Mitgliedsländer hatten
                                                               sich dieser Position bereits angeschlossen.

                                                               Weitere Unterschiede ergeben sich in Punkten der
                                                               geografischen Reichweite des Programms bis 2020
                                                               und der Refinanzierung des Programmbudgets.

                                                               Es bleibt nun abzuwarten, wie die Gespräche zwi-
                                                               schen Rat, Kommission und Europäischem Par-
                                                               lament verlaufen werden. Bis zum 4. Juni soll eine
                                                               ­Einigung unter Dach und Fach sein, denn alle Seiten
                                                                wollen am Ziel einer ersten Antragsfrist im Oktober
                                                                festhalten.

»4                                                                                               # 01.18   Newsletter EU-Jugendstrategie
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
MELDUNGEN AUS DER EUROPÄISCHEN JUGENDPOLITIK                                                              à Inhaltsverzeichnis

                                       Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-2027:
                                  Was sollte drin sein für die EU-Jugendprogramme?
                Eine Mitteilung der Kommission zeigt Optionen für einen „modernen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR)
                    für eine Europäische Union“ auf, darunter auch eine signifikante Erhöhung des Erasmus+ Budgets.
                                          Sie wird bis Mai ihren konkreten Vorschlag vorlegen.

              I      n ihrer Mitteilung betont die Kommission,
                     dass der EU-Haushalt in erster Linie ein Inves-
                     titionsbudget sei. Er ermögliche Zielsetzungen
                                                                       in Höhe von 90 Mrd. EUR notwendig. Das Europäi-
                                                                       sche Parlament spricht sich seinerseits in der Erarbei-
                                                                       tung seiner Position aktuell für eine Verdreifachung
              auf europäischer Ebene, die Ausgaben auf nationaler      des Erasmus+-Budgets aus.
              Ebene nicht erzielen könnten. Hier werden Mobili-
              tätsprogramme, darunter vorrangig Erasmus+, als          Noch bleiben diese Szenarien sehr ungewiss. Selbst
              idealtypische und notwendige Investitionen gesehen,      die Verwirklichung des ersten Szenarios stellt eine
              denn sie „statten junge Menschen mit den nötigen         politische Herausforderung dar. So warnte EU-Haus-
              Kompetenzen für den Arbeitsmarkt aus, verbessern         haltskommissar Oettinger vor einer Kürzung der
              das Verständnis für andere Kulturen und konsolidie-      ­Mittel für Erasmus+, denn für eine Erhöhung spre-
              ren das soziale Gefüge [der] Union.“                      chen sich im Moment längst nicht alle Mitglied­
                                                                        staaten aus, weder bei Erasmus+ noch beim künftigen
              Somit werden für eine substanzielle Erhöhung der          EU-Haushalt insgesamt.
              Reichweite von Erasmus+ zwei Szenarien dargestellt.
              Das erste Szenario zeigt auf, dass eine Verdopplung      Eins ist dennoch sicher: Die Erneuerung von EU-­
              der Zahl der an Erasmus+ teilnehmenden jungen            Programmen und Fonds sind nun einmal abhängig
              Menschen in der EU auf rund 7,5% aller jungen Men-       davon, dass es einen „Mehrjährigen Finanzrahmen“
              schen Investitionen im nächsten MFR in Höhe von          gibt. Sollte das Nachfolgeprogramm zu Erasmus+
              30 Mrd. EUR erfordern würden. Um jedem dritten           2021 mit der gleichen Verspätung starten wie das
              jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, im Rah-       laufende anno 2014, so würde das bedeuten, dass bis
              men von Erasmus+ eine Lernerfahrung im Ausland           zu 1 Mio. junger Menschen weniger eine Chance auf
              zu machen, wären für den gleichen Zeitraum Mittel        Teilnahme hätten.

Newsletter EU-Jugendstrategie   # 01.18                                                                                          »5
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
MELDUNGEN AUS DER EUROPÄISCHEN JUGENDPOLITIK                                                      à Inhaltsverzeichnis

                                    EU-Jugendprogramme nach 2020:
                                         Wo geht die Reise hin?
        Auf den ersten Diskussionen zur Ausgestaltung der künftigen mehrjährigen Finanzplanung der EU folgen
           Positionen und Vorschläge zahlreicher politischer Akteure zu Erasmus+ JUGEND IN AKTION und dem
          Europäischen Solidaritätskorps. Diese fordern über eine bessere finanzielle Ausstattung hinaus neue
                          Formate, verbesserte Verwaltungsstrukturen und kohärentere Ziele.

       N           ur 1,36% des EU-Haushalts macht das
                   gegenwärtige Erasmus+ -Programm aus
                   – für viele Anlass, sich Gedanken über
                                                               Menschen mit erhöhtem Förderbedarf oder Benach-
                                                               teiligung arbeiten zu hoch sind. Eine Forderung,
                                                               die die Vertreter der Erasmus+ Generation in ihrer
       das Konzept eines Nachfolge-Programms zu ma-            ­Deklaration zur Zukunft des Programms ebenfalls
       chen. Hinzu kommen auch erste Überlegungen und           deutlich formulierten.
       Forderungen zur Zukunft des Europäischen Soli-
       daritätskorps, die vor allem für eine Integration im    Gelingendes Aufwachsen in einer werteba-
       Jugendkapitel von Erasmus+ werben. Da Erasmus+          sierten und demokratischen Gesellschaft
       und der ehemalige Europäische Freiwilligendienst        Die nationale Zwischenevaluation von Erasmus+
       als ­Erfolgsprojekte der europäischen Integration und   ­JUGEND IN AKTION belegte, dass junge Men-
       der Zukunft ­Europas betrachtet werden, sollten künf-    schen mit ihrer Teilnahme eine Verbesserung ihrer
       tig jugend-und gesellschaftspolitische Ziele sowie       Kompetenzen zur Erhöhung ihrer Zukunftschancen
       eine angemessene finanzielle Ausstattung mit diesen      erzielen. Im Mittelpunkt ihres Interesses stehen je-
       ­Projekten einhergehen.                                  doch vor allem das persönliche Erleben und das Ken-
                                                                nenlernen von anderen Kulturen und Standpunkten.
       Ein Europa für alle jungen Menschen                      So sehen Organisationen und Träger der Kinder- und
       Hier sind sich das Bundesministerium für Fami-           Jugendhilfe im Jugendbereich von Erasmus+ großes
       lie, ­Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie         Potenzial für die Demokratie­förderung und die Wer-
       die ­  Jugendorganisationen und Wohlfahrtsverbän-        tevermittlung. Aus Sicht des ­Europäischen Jugendfo-
       de einig: Die EU-Jugendprogramme sollen durch            rums müsse das Programm viel stärker auf die Per-
       vielfältige und niedrigschwellige Formate sowie          sönlichkeitsentwicklung junger Menschen als aktive
       angemessene Förderungen Möglichkeiten für alle           Bürgerinnen und Bürger in diversen und demokra-
       jungen Menschen in Europa bieten. Noch sind die          tischen Gesellschaften abzielen. Kompetenzerwerb
       Programme nicht inklusiv genug, auch weil die Ver-       sei zuallererst als Beitrag zur Gesellschaft zu werten
       waltungsaufwände für kleinere Träger, die mit jungen     und sollte von Zivilgesellschaft und Arbeitgebern an-
                                                                erkannt werden. In diesem Sinne sollte der Struktu-
                                                                rierte Dialog als Teilhabeinstrument gestärkt werden.

                                                               Synergien zwischen der EU-Jugendstrategie
                                                               und den EU-Jugendprogrammen schaffen
                                                               Aus Sicht des Europäischen Parlaments sind die
                                                               EU-Jugendprogramme ein wichtiges Instrument für
                                                               eine bereichsübergreifende Strategie für die J­ugend.
                                                               So plädiert das Parlament zusammen mit dem
                                                               ­BMFSFJ bei der anstehenden Erneuerung des Rah-
                                                                mens für die jugendpolitische Zusammenarbeit dafür,
                                                                die Prioritäten des Erasmus+-Folgeprogramms auf
                                                                die neue Jugendstrategie der EU abzustimmen. Das
                                                                Jugendkapitel solle dabei verstärkt auf die Weiterent-
                                                                wicklung des Jugendbereiches, seinen Politiken, Prak-
                                                                tiken und Zielgruppen ausgerichtet werden.

»6                                                                                                # 01.18   Newsletter EU-Jugendstrategie
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                  à Inhaltsverzeichnis

                            DOSSIER:
                         GEGENWART UND
                        ZUKUNFT DER EU-
                        JUGENDSTRATEGIE
                                                       Wie alles begann
               Mit dem Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 27. November 2009 wurden die Mitgliedstaaten
               aufgefordert, sich mit nationalen Maßnahmen an der Gestaltung der jugendpolitischen Zusammenarbeit
                  in Europa zu beteiligen. Es begann eine neue Ära der Jugendpolitik, in Europa und in Deutschland. Ein
                                          Rückblick auf acht Jahre Umsetzung in Deutschland.

              D         er Beschluss des Rates stellte das Ergebnis
                        einer fast zweijährigen Auseinanderset-
                        zung in der Europäischen Union dar. Mit
                                                                      entwicklung ausgewählter Kernthemen der Kinder-
                                                                      und Jugendhilfe werden.

              ihm wurden erstmalig Zeichen gesetzt, die darauf        Herausforderungen europäisch angehen
              hindeuteten, dass Anliegen und Herausforderungen        Die Grundlage der EU-Jugendstrategie ist eine wei-
              des Jugendalters auch in der EU als eigenständiges      terentwickelte Offene Methode der Koordinierung,
              Politikfeld betrachtet werden. Der Beschluss legte      mit der ein Mehr an Verbindlichkeit bei den strate-
              übergeordnete Ziele fest und definierte spezifische     gischen Zielen und ein intensiverer fachlicher Aus-
              jugendpolitische Ziele für acht Aktionsfelder. Diese    tausch erreicht werden soll. Ausschlaggebend für
              bildeten die Grundlage für einen explizit jugendori-    eine verstärkte jugendpolitische Zusammenarbeit
              entierten Beitrag von Jugendpolitik zur gesellschaft-   in Europa und in Deutschland ist die Überzeugung,
              lichen Weiterentwicklung der EU.                        dass eine reine nationale Kinder- und Jugend(hilfe)
                                                                      politik grenzüberschreitenden Herausforderungen
              So wurden auf EU-Ebene Impulse gesetzt, die je-         nicht mehr gewachsen ist. Sowohl europäisch als auch
              weils auf die Realität der Mitgliedstaaten übertra-     national liegt es auf der Hand, die jugendpolitische
              gen und angepasst werden konnten. In Deutschland        Strategie für die Stärkung der Jugendhilfe als dem
              wurde die EU-Jugendstrategie von Beginn an mit          politischen Akteur und Umsetzer bei der ­Gestaltung
              großer Ernsthaftigkeit und fachlichem Interesse         von Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in
              aufgenommen. Der Bund hatte sich offensiv an der        der EU zu nutzen.
              EU-Debatte beteiligt und nationale Akteure durch
              eine breite Konsultation im Vorfeld des Beschlusses     Die jugendpolitische Zusammenarbeit stellt zwei
              einbezogen. Auch die Länder zeigten sich als akti-      Anforderungen an die Mitgliedstaaten und die
              ve Mitgestalter und positionierten sich mit eigenen     ­Europäischen Institutionen: zum einen die europä-
              Erwartungen im Entscheidungsfindungsprozess.             ische Kooperation zur Verbesserung und Stärkung
              Die obersten Landesjugendbehörden kündigten an           des gemeinsamen fachpolitischen Handelns in der
              die Umsetzung der neuen EU-Jugendstrategie in            EU zu fördern, zum anderen; die vereinbarten Ziele
              Deutschland aktiv mitzugestalten. Die EU-Strate-         und fachpolitischen Handlungsschwerpunkte in den
              gie sollte in Deutschland zum Motor für die Weiter-      Mitgliedstaaten selbst zu verfolgen.

Newsletter EU-Jugendstrategie   # 01.18                                                                                       »7
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                            à Inhaltsverzeichnis

       Eine Offene Methode der Koordinierung                   __Teilhabe fördern und Demokratie stärken – die
       auch in Deutschland                                       EU-Jugendstrategie unterstützt die wirksame
       Bei der Umsetzung haben Bund und Länder sich              Beteiligung Jugendlicher durch Ansprache
       von dem Konzept der Offenen Methode der Koor-             neuer Zielgruppen und Implementierung neuer
       dinierung als Instrument der Politiksteuerung der         Formate.
       EU anregen lassen, die außerdem dem föderalen
       System in Deutschland und den subsidiären jugend-       __Kompetenzen der Jugendlichen sowie
       politischen Zuständigkeiten von Bund und Bundes-          Bildungsangebote der Jugendarbeit stärken
       ländern entspricht.                                       – die EU-Jugendstrategie unterstützt die
                                                                 Anerkennung und Sichtbarmachung der nicht
       2010 haben Bund und Länder grundsätzlich ihre             formalen und informellen Lernangebote in der
       enge Zusammenarbeit für eine gemeinsame Um-               Jugendarbeit.
       setzung beschlossen. Sie sahen den Mehrwert der
       EU-Jugendstrategie in erster Linie darin, europäische   Die Themen waren in der deutschen Jugendpolitik
       Impulse für die Weiterqualifizierung von Praxis und     nicht neu, sondern spiegelten aktuelle gesellschaftli-
       Politik der Kinder- und Jugendhilfe zu nutzen.          che Herausforderungen wider. Die Bearbeitung die-
                                                               ser Themen drückte sich in zahlreichen Maßnahmen
       Im Mittelpunkt der Bund-Länder-Zusammenarbeit           aus, darunter in der Initiierung vieler Prozesse des
       standen anfangs die Abstimmung und der Aus-             Voneinander-Lernens, in Modellprojekten, dem Auf-
       tausch über geeignete und für die deutsche Kinder-      bau von Informationsnetzwerken und der Entwick-
       und Jugendhilfe zukunftsweisende europarelevante        lung konkreter Handlungsempfehlungen. In einigen
       Fragestellungen. Dabei sprachen sich die Partner für    Ländern und Kommunen wurden Beratungsstellen
       einen eigenen, etwas von den allgemeinen Merkma-        für Jugendliche und Träger eingerichtet und regelmä-
       len der EU-Jugendstrategie abweichenden Umset-          ßige Informationsveranstaltungen oder digitale In-
       zungsplan aus. So sah das deutsche Vorgehen kein        formationsangebote, wie z.B. „EuroBBa“, entwickelt.
       Handeln in den acht Handlungsfeldern der EU-Ju-
       gendstrategie vor, sondern eine Konzentration auf       Das Bundesministerium für Familien, Senioren,
       zentrale Themen, in denen Jugendhilfe selbst agie-      Frauen und Jugend (BMFSFJ) initiierte ein Modell-
       ren und eigenständig verändern kann. Bund und           projekt zur Förderung der grenzüberschreitenden
       Länder haben als zentrales Merkmal der Umsetzung        Mobilität zu Lernzwecken im Rahmen der Umset-
       die Beteiligung junger Menschen sowie der Akteure       zung der EU-Jugendstrategie, das in Kooperation
       der Jugendpolitik in ihrer jeweiligen Z
                                             ­ uständigkeit    mit fünf Bundesländern umgesetzt wurde. Dabei
       festgeschrieben.                                        sollte verdeutlicht werden, dass grenzüberschrei-
                                                               tende Mobilität nicht nur für gut ausgebildete junge
       Soziale Integration, Teilhabe und Anerken-              Menschen im Studium, während der Schulzeit oder
       nung des nicht-formalen Lernens                         eines Freiwilligendienstes ein persönliches High-
       In Deutschland wurden drei Themen festgelegt, die       light darstellt, sondern insbesondere auch diejeni-
       zur Erreichung übergeordneter jugendpolitischer         gen persönlich und bildungsbezogen unterstützt, die
       Ziele und zur Stärkung der Angebote von Jugend-         sich nicht aus ihrem engeren lokalen Umfeld heraus
       hilfe beitragen sollten:                                bewegen. Bund und Länder arbeiteten darüber hin-
                                                               aus gemeinsam an konkreten praxisbezogenen Em­
       __Neue Lernfelder für Jugendliche und Fachkräfte        pfehlungen für die Jugendsozialarbeit, um Angebote
         ermöglichen – die EU-Jugendstrategie                  der grenzüberschreitenden Mobilität gerade für bil-
         unterstützt die Integration benachteiligter           dungsbenachteiligte junge Menschen zu vermehren.
         junger Menschen in das Regelsystem von                Das Land Brandenburg wählte seinerseits einen res-
         Bildung, Ausbildung und Arbeit.                       sortübergreifenden Ansatz um eine stärkere Ein-
                                                               beziehung von benachteiligten Jugendlichen in die
                                                               Jugendfreiwilligendienste zu erreichen. Es wurden
                                                               drei interministerielle Fachkräfteprogramme orga-

»8                                                                                                # 01.18   Newsletter EU-Jugendstrategie
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                    à Inhaltsverzeichnis

              nisiert, bei denen sich Mitarbeiter/-Innen aus dem      für die Zukunft. Denn mit dem Ende der aktuellen
              Kultur-, Umwelt- und Landwirtschaftsministerium         EU-Jugendstrategie endet nicht die Notwendigkeit,
              zusammen mit Mitarbeiter/-Innen aus den jeweils         jungen Menschen diese europäische Gemeinschaft
              entsprechenden Ministerien in Litauen austauschen       und ihre Vorteile zugänglich zu machen. In der Um-
              konnten.                                                setzung entstandene Initiativen, das gestärkte Be-
                                                                      wusstsein für europabezogenes Handeln und die
              Nicht zuletzt sind dank der EU-Jugendstrategie in       praktischen Empfehlungen für eine europäische
              Landkreisen, Städten und Gemeinden Diskussions-         Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe müssen fort-
              und Verständigungsprozesse in Gang gekommen,            gesetzt und weiterausgebaut werden. Auch sollen
              die nicht vor der Kommunalpolitik Halt gemacht ha-      Förderprogramme und jugendpolitische Strategi-
              ben. Die innenpolitischen Entwicklungen in Europa       en besser abgestimmt und verzahnt werden. Dabei
              und in Deutschland haben nochmal das Bewusstsein        sollte ein besonderes Augenmerk auf die Ideen und
              ­gestärkt, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit    Themen, die im Rahmen des aktuellen Zyklus des
               erhalten sollten, Europa selbst zu erleben, mitzuge-   ­Strukturierten Dialogs entstanden sind, liegen. Junge
               stalten und sich europäisch zu engagieren.              Menschen haben zahlreiche Anliegen und erwarten,
                                                                       dass diese in der Politikgestaltung berücksichtigt wer-
              In diesem Dossier reflektieren Akteure aus Län-          den. So erhalten jugendpolitische Entscheidungsträ-
              dern und Kommunen sowie Träger der Kinder- und           ger die Chance, den jungen Menschen Europa näher
              ­Jugendhilfe die bisherige Umsetzung der EU-Jugend-      zu bringen und den Querschnittansatz von Jugend­
               strategie und äußern Wünsche und Empfehlungen           politik zu stärken. 

Newsletter EU-Jugendstrategie   # 01.18                                                                                          »9
Europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik - JUGEND für Europa
DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                à Inhaltsverzeichnis

                            Nachgefragt: Junge Erwartungen an die EU
                  „du »EUROPA» wir“ lautet das Motto des aktuellen Zyklus des Strukturierten Dialogs,
           dem Jugendbeteiligungsinstrument der EU-Jugendstrategie. Bei Veranstaltungen und persönlichen
          Gesprächen, aber auch online konnten junge Menschen ihre Ideen, Erfahrungen und Wünsche für die
                                                Zukunft Europas einbringen.

       D          ie Beteiligung der Jugend ist von Beginn an
                  ein Grundprinzip der jugendpolitischen
                  Zusammenarbeit in Europa. So wird auch
                                                                zweifelte daran, dass Europa jemals fertig sein könn-
                                                                te. Zum berühmten Gurkenbild sagt Gerhard aus
                                                                ­Lüneburg: „Das ist für mich das alte Negativbeispiel,
       die Zukunft der EU-Jugendstrategie mit dieser be-         das schon seit zehn Jahren nicht mehr stimmt. Da
       raten, wofür die aktuelle Phase des Strukturierten        werde ich jedes Mal sauer, weil es die Lebensmitte-
       Dialogs (SD) genutzt wird. Unter dem Motto „du            lindustrie ist, die sich das selbst auferlegt hat, aber
       »EUROPA» wir“ wurden zahlreiche Ideen und                 die EU kriegt den Ärger ab“. Andere ziehen ihre Bil-
       ­Erwartungen an Europa und die Jugendpolitik euro-        der aus der eigenen Erfahrung mit Europa, so wie
        paweit formuliert und gesammelt. Genau wie Europa        ­Theresa aus Erfurt. Die assoziative Verbindung zwi-
        sind auch die Themen, die junge Menschen mit ih-          schen einem Obst- und Gemüsemarkt und Europa
        rem Leben in der EU verbinden, vielfältig.                kommentiert sie folgendermaßen: „Es erinnert mich
                                                                  an meinen Freiwilligendienst in Serbien– das ist zwar
       Diese wurden über die übliche Online-Mitwirkung            Europa, aber eben nicht EU. Ganz viele Menschen
       genauso wie im Rahmen von Veranstaltungen ein-             dort würden sich über die Reise- und Arbeitsfreiheit,
       geholt. In regionalen Denkwerkstätten sowie lokale         die wir haben, sehr freuen und da merkt man dann
       Erasmus+ Projekte des Strukturierten Dialogs war           auch die Vorteile sehr stark, die wir hier als selbstver-
       ein tieferer Einstieg in die Themen möglich. Hier          ständlich wahrnehmen“.
       wurden die Anliegen, Sorgen und Hoffnungen kon-
       kret. Druck beim Lernen und dadurch Angst vor            Und wie steht’s mit den Gefühlen?
       der Zukunft, Jugend in der digitalen Welt und Euro-      „Momentan sind es eher negative Gefühle, die auf-
       pa, Umweltschutz- all dies und mehr bewegt junge         kommen, zum Beispiel was die Verteilung der Flücht-
       Menschen.                                                linge angeht, das Abschotten an den EU-Außen-
                                                                grenzen oder den Rechtsruck in einzelnen Staaten.
       Gemüsemarkt Europa                                       Gerade letzteres sollte momentan die Hauptaufgabe
       „Für mich fehlt es noch an effektiven Partizipations-    der EU sein, das zu beheben“, plädierte Max, der sich
       möglichkeiten im Europäischen Parlament oder im          im Kinder- und Jugendparlament in Berlin engagiert.
       Europarat – es ist wichtig, dass die Jugend auch bei     „Es ist wichtig, dass die EU sozialer wird – das betrifft
       Themen außerhalb der klassischen Jugendpolitik           uns hier zwar weniger, aber in Südeuropa muss die
       dabei ist, zum Beispiel bei der Klima- oder Verkehrs­    EU etwas tun, um die Jugendarbeitslosigkeit abzu-
       politik“, meinte Jannis aus Dortmund zu Jannis aus       bauen“, forderte Malte.
       Bremen. Der engagiert sich bei der Jugendfeuerwehr
       und hatte ein ganz anderes Anliegen: „Wenn ich eine      Gute Gefühle entstehen dagegen bei den Gedanken an
       Sache an Europa ändern könnte, wäre das, dass die        die Geschichte der Europäischen Union, an die Rei-
       Erstintegration von Geflüchteten in Vereine und          sefreiheit und die Chancen, die Programme wie Eras-
       Gruppen nicht mehr zufällig passiert, sondern dass       mus+ ermöglichen. Deshalb sollte gerade das auch
       es ein europaweites System für die Integration in die    deutlicher kommuniziert werden. Bei all den gewähr-
       Gesellschaft gibt.“                                      ten Freiheiten sei es aber auch an der Bevölkerung für
                                                                diese einzustehen und aktiv zu werden, sagte Max mit
       Auch ihre Einschätzungen und Assoziationen zu Eu-        Seitenblick auf Staaten wie Ungarn und Polen.
       ropa sind unterschiedlich. Paul, 13 Jahre, aus Berlin,
       bezeichnete Europa als „unfertig“, während er vom        Trotz all der unterschiedlichen Standpunkte, Er-
       Europäischen Parlament in Straßburg sprach und           wartungen, Gefühle und Fantasien, brachte die

» 10                                                                                                  # 01.18   Newsletter EU-Jugendstrategie
DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                   à Inhaltsverzeichnis

              Beteiligungsrunde in Deutschland gemeinsame            Von einer zukünftigen EU wünscht sich die Jugend
              Themen hervor, die jungen Menschen besonders           mehr Transparenz und mehr Demokratie, womit
              wichtig sind.                                          sie eine größere Einbeziehung der Bürger und Bür-
                                                                                              gerinnen bei politischen
                                                                                              Entscheidungen verbin-
                                                                                              det. Ihrer Auffassung nach
        1. Umwelt und Nachhaltigkeit                                                          sollten die Mitgliedsstaa-
    2. Bildung, Ausbildung und Arbeit                                                         ten der EU noch enger
                                                                                              zusammenarbeiten. Nati-
          3. Mobilität und Begegnung
                                                                                              onale Politiker und Poli-
         4. Zusammenleben in Vielfalt                                                         tikerinnen sollten stärker
         5. Politik für junge Menschen                                                        länderübergreifend den-
                                                                                              ken, wenn sie ihre nati-
                         6. Beteiligung
                                                                                              onalen Entscheidungen
          7. Weiterentwicklung der EU                                                         treffen.
     8. Freiwilliges Engagement und …
                                                                                               Die jungen Menschen
        9. Jugend in der digitalen Welt
                                                                                               wollen eine soziale und
          10. Europäisches Wir-Gefühl                                                          solidarische Europäische
                                                                                               Union. Beim Kampf gegen
Quelle: DBJR, Werkstatt MitWirkung, „Ergebnisse du »EUROPA» wir“,                              Kinderarmut und Jugend-
                                                                                               arbeitslosigkeit sollten sich
              Die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit brennen           die EU-Staaten gegenseitig unterstützen. Kontrover-
              jungen Menschen ganz besonders unter den Nä-           ser sehen sie die finanzielle Unterstützung anderer
              geln. In der Auswertung der Werkstatt MitWir-          Länder durch die EU: Sie finden, hier sollte die EU
              kung heißt es: „Junge Menschen sorgen sich über        das Verhältnis zwischen ihrer Unterstützung für an-
              die zunehmende Umweltzerstörung, wollen mehr           dere Länder und deren Selbsthilfe ausgleichen.
              über die Zusammenhänge erfahren und machen
              sich ­Gedanken, wie sie ihr eigenes Verhalten ändern   Um ein positives Gefühl und eine Zugehörigkeit zur
              können. Aber sie fordern auch, dass politische Rah-    EU entwickeln zu können, sollten offene Grenzen
              menbedingungen für einen erfolgreichen Umwelt-         und mehr Europa-Bildung für die Jugend gewähr-
              schutz geschaffen werden“.                             leistet sein. Freies ungehindertes Reisen fördert Be-
                                                                     gegnungen und Freundschaften mit anderen jungen
              Weniger Leistungsdruck, Bekämpfung der                 Menschen über Grenzen hinweg und müsse deshalb
              Kinderarmut und offene Grenzen                         erhalten bleiben. Außerdem könnten junge Men-
              Das Lernen ohne Leistungsdruck hat im Zusammen-        schen Europa nur besser verstehen und es zu ihrer
              hang mit dem Thema Bildung viele der jungen Men-       ­Sache machen, wenn sie mehr wissen und europä-
              schen angesprochen. Sie sehen sich einem immer          ische Themen auch im Alltag – z.B. im Schulunter-
              größer werden Druck ausgesetzt „gut sein zu müssen“     richt – diskutieren können.
              und mit anderen gemessen zu werden, sowie immer
              weniger Zeit zum Lernen zu haben. Sie wünschen sich    Medienkompetenz als Muss
              deshalb mehr Raum, sich in der Schule zu orientieren   Auch das Leben in der digitalen Welt treibt die junge
              und intensiv mit Themen auseinanderzusetzen. Im        Generation um, sie vermissen insbesondere Unter-
              Gegensatz zur Bildungspolitik, die Ganztagsschulen     stützung in ihrer Orientierung durch Erwachsene.
              ausbauen will, wünschen sich die jungen Menschen       Zwar sind ihnen die Vorzüge der digitalen Möglich-
              kürzeren Unterricht. Außerdem sollte beim Lernen       keiten bewusst, von denen sie gerne profitieren
              nicht immer nur Leistung und Qualifikation für den     möchten, allerdings wollen sie sich dabei auch auf
              Arbeitsmarkt im Vordergrund stehen, sondern die        den Schutz ihrer Daten und Informationen ver-
              persönliche Entwicklung.                               lassen können. Sie wünschen sich insgesamt mehr

Newsletter EU-Jugendstrategie   # 01.18                                                                                        » 11
DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                  à Inhaltsverzeichnis

       Unterstützung beim richtigen und verantwortungs-           men europäischen Anliegen und Forderungen erar-
       vollen Umgang mit den Medien. Deshalb ist ihrer            beiteten. Unter dem Titel „Youth G­ oals“ definierten
       Auf­fassung nach die Vermittlung von Medienkom-            die jungen Menschen elf Ziele für die europäische
       petenz im heutigen Unterricht ein Muss. Von Lehr-          Jugendpolitik, die sie mit je einer übergreifenden
       personal und Politik erwarten sie mehr Fachkenntnis,       Erwartung und einzelnen Empfehlungen unterlegt
       mehr Wissen und mehr Engagement, wenn es darum             haben. Dort finden sich die oben genannten Themen
       geht, die digitale Welt jugendgerecht mitzugestalten.      natürlich wieder. Die Ziele reichen von der europä-
                                                                  ischen Zugehörigkeit, über Geschlechtergleichheit,
       Wie kommen diese spannenden Ergebnisse nun dort            Inklusion, Beteiligung und Mitbestimmung, Qualität
       an, wo die zukünftige EU-Jugendstrategie entschieden       und Bildung und Arbeit bis hin zu Umweltschutz und
       wird? Sie werden von Bund und Ländern aufgegrif-           jungen Menschen in ländlichen Gebieten. Mit diesen
       fen, die dies in ihrer Positionierung berücksichtigen.     klaren Jugendzielen werden sich nun die Jugend­
       Außerdem wurden sie mit zur EU-Jugendkonferenz             ministerien der EU-Staaten und die Europäische
       in Sofia Mitte April 2018 genommen, wo die Jugend-         Kommission auseinandersetzen müssen, wenn es um
       delegierten aller Mitgliedsstaaten auf Grundlage der       den Vorschlag und die Verhandlung der zukünftigen
       nationalen Beteiligungsergebnisse ihre gemeinsa-           EU-Jugendstrategie geht. 

                          „Dank der EU-Jugendstrategie wird mit Europa
                               etwas (Be-)Greifbares verbunden.“
                   2010 war der Startschuss für die Umsetzung der neuen EU-Jugendstrategie in Europa.
                     Was ist in den letzten acht Jahren in den Bundesländern in Deutschland erfolgt?
                    Und welche Erwartungen gibt es an die künftige jugendpolitische Zusammenarbeit
                                                           in Europa?

        J    UGEND für Europa führte ein Gespräch mit
             Matthias Hoffmann, Ministerium für Bildung,
             Jugend und Sport des Landes Brandenburg
                                                                  Die Zusammenarbeit und der Fachaustausch hat in die-
                                                                  sem Zusammenhang übrigens nicht nur eine europäische
                                                                  Dimension sondern auch eine sehr regionale. Gerade in
       zur bisherigen Umsetzung und zur Zukunft der               der Phase des Implementierungsprozesses der EU-Ju-
       EU-Jugendstrategie.                                        gendstrategie haben wir sehr eng mit den Kolleg-/-Innen
                                                                  aus Berlin zusammengearbeitet. Daraus sind dann ge-
       »»Welche Impulse wurden mit der EU-Jugendstrategie in      meinsame Informationsveranstaltungen und Fortbildun-
       Brandenburg gesetzt?                                       gen für die Länder Brandenburg und Berlin erwachsen.
       ««Ganz allgemein würde ich sagen, das Feld der interna-
       tionalen und europäischen Jugendarbeit als ein wichtiger   »»Welches Thema bzw. Anliegen konnte durch die EU-­
       Bestandteil von Jugendarbeit ist wieder im Bewusstsein     Jugendstrategie weitergebracht oder gestärkt werden?
       der Fachkräfte angekommen, aber auch auf der Steue-        ««Wir   haben uns zu Beginn des Umsetzungsprozes-
       rungsebene zum Beispiel in den Jugendämtern. Das ist       ses dafür entschieden, bei Fachtagen, Konferenzen etc.,
       das eine. Das andere ist, dass sich auch mit dem Begriff   wenn möglich und sinnvoll, auch die Perspektive von
       Europa etwas (Be-)Greifbareres verbindet als nur ein       Kolleg-/-Innen aus anderen europäischen Ländern ein-
       abstraktes Staatengebilde, das man in seinen Einzelhei-    zubeziehen. Das halten wir bis heute auch weitgehend
       ten nicht durchschaut oder das Europa weitaus mehr ist     durch, zuletzt etwa bei unserem 3. Kongress der Jugend-
       als nur Schengen bzw. der Euro, was ja wahrlich auch       arbeit „Auftrag Jugendarbeit: politisch?! – integrativ?! –
       schon nicht wenig ist, sondern Europa ganz konkret auch    demokratisch?!“ Sehr gute Erfahrungen haben wir auch
       Zusammenarbeit und Fachaustausch unter Kolleg-/            damit gemacht, für die brandenburgischen Fachkräfte
       -Innen bedeutet.                                           einen Sprachkurs „Fachenglisch“ anzubieten, der dann

» 12                                                                                                   # 01.18   Newsletter EU-Jugendstrategie
DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                          à Inhaltsverzeichnis

              über ein halbes Jahr als „Webinar“ fortgesetzt wurde
              und schließlich in einem Fachkräfteaustausch mit Kol-
              leg-/-Innen aus Nord-­Irland mündete und dieses Jahr als
              SummerSchool weitergeht. Ziel des Kurses war und ist
              es, bei den Fachkräften Hemmschwellen abzubauen und
              Kommunikation zu ermöglichen, wenn es um ein Mehr
              an grenzüberschreitender Mobilität gehen soll.

              Denn wenn wir möchten, dass mehr junge Menschen
              Europa erfahren, also an grenzüberschreitenden Mobi-
              litätsmaßnahmen teilnehmen, müssen wir als erstes die
              Fachkräfte in den Blick nehmen. Ein Jugendarbeiter oder
              eine Jugendarbeiterin, der oder die selbst so etwas noch
              nie erlebt hat oder sich nicht traut, wird doch niemals auf
              die Idee kommen, mit einer Gruppe Jugendlicher in die
              Fremde zu fahren.

              »»War die EU-Jugendstrategie Ansporn, Motor oder eher
              eine Stütze dessen was bereits angestrebt war?
              ««Viele Programme, die wir mit unseren Kollegen aus
              dem Ministerium für Soziales und Arbeit der Repub-            den Blick genommen werden und dass sie dafür auch
              lik Litauen seit vielen Jahren jährlich organisieren, lie-    die kommunalpolitische Rückendeckung haben, in dem
              fen ja auch vorher schon. Aber der gesamte Ansatz der         sie sich einen politischen Auftrag durch Kreistag oder
              ­jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa, der hinter       Jugendhilfeausschuss holen. Wichtig war uns außerdem,
               der EU-Jugendstrategie steckt, hat uns eigentlich darin      dass sie diesen Prozess mit den Trägern und Fachkräften
               bestärkt, dass wir da das Richtige tun und wir das un-       im Kreis gemeinsam gestalten. Dafür haben wir jährlich
               bedingt ausbauen müssen. So gesehen ist die EU-Jugend-       je Kreis 5.000 Euro für Unterstützung des Prozesses
               strategie eine ganz wichtige Legitimation unserer Arbeit     durch Berater/-Innen oder Coaches sowie 15.000 Euro
               gewesen und lieferte uns ein weiteres wichtiges Argument,    für die praktische Erprobung ihrer Ideen, Finanzierung
               wenn es in Diskussionen darum ging, ob das alles not-        von Maßnahmen im Rahmen des Projektes, Dokumen-
               wendig ist und wir unsere weniger werdenden personellen      tation etc. bereitgestellt. Das Programm führen wir bis
               Ressourcen nicht lieber auf die wirklich wichtigen Dinge     heute fort. Mittlerweile haben sich insgesamt vier Land-
               des Lebens konzentrieren sollten                             kreise, zwei kreisangehörige Städte und vier Gemeinden,
                                                                            die sich für das Programm zu einem Gemeindeverbund
              »»Welche Projekte sind im Zuge der EU-Jugendstrategie         zusammengetan haben, beteiligt. Aus diesen Projekten
              in Brandenburg entstanden? Mit welchen Ergebnissen?           hat sich eine landesweite Netzwerkgruppe zur Förderung
              ««Es war uns eigentlich relativ schnell klar, dass wir die    der grenzüberschreitenden Jugendmobilität entwickelt,
              Landkreise, Ämter und Gemeinden irgendwie in den              die sich etwa viermal im Jahr trifft.
              Prozess reinholen müssen, wenn wir ein Mindestmaß
              an Nachhaltigkeit erreichen wollen. Letztlich findet          »»Hat    die EU-Jugendstrategie politische Prozesse in
              die praktische und alltägliche Arbeit mit Kindern und         Brandenburg beeinflusst und zur Schärfung des europä-
              ­Jugendlichen vor Ort statt. So sind wir dann im Jahr         ischen Profils der Kinder- und Jugendhilfe beigetragen?
               2013 gestartet und haben zwei Landkreise über den Zeit-      ««Bis 2013 hatten wir zwei getrennte Förderrichtlini-
               raum von zwei Jahren unterstützt, Handlungsstrategien        en, einmal für die außerschulische Jugendbildung und
               zur Förderung der grenzüberschreitenden Jugendmobili-        einmal für die internationale Jugendarbeit. Wir haben
               tät zu entwickeln. Das Patenprogramm dazu war eigent-        den (KGI-)Gedanken aufgegriffen, dass internationale
               lich „Kommune Goes International“ (kurz: KGI) vom            und europäische Jugendarbeit integraler Bestandteil der
               IJAB e.V., das wir nur adaptiert haben. Uns war wichtig,     ­Jugendarbeit sein muss und haben 2014 beide Richtlinien
               dass sowohl die Jugendlichen als auch die Fachkräfte in       zu einer zusammengefasst, die jetzt "Jugendbildung und

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DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                     à Inhaltsverzeichnis

       Jugendbegegnung" heißt. Internationale und europäische       ««Ich bin mir ganz sicher, dass, wenn man junge Menschen
       Jugendbegegnungen sind Jugendbildung. Gleich­     zeitig     fragt, was denn die EU-Jugendstrategie sei, man ein „Bitte,
       wollen wir damit auch den Ansatz der Europabildung           was?“ zur Antwort bekommt. Aber ich finde auch nicht,
       fördern. Eine Fahrt nach Brüssel, natürlich mit entspre-     dass es darauf ankommt. Die Frage zielt ja aber auch mehr
       chendem europapolitischem Programm, ist eine wichtige        auf die Wirkungen auf junge Menschen ab. Mit der Be-
       Bildungsmaßnahme, auch wenn sie ohne die Begegnung           schreibung, Feststellung und Messung von Wirkungen un-
       mit belgischen Jugendlichen stattfindet.                     seres Tuns bei (jungen) Menschen tun wir uns in der sozia-
                                                                    len Arbeit aus gutem Grund ja auch sehr schwer. Ich würde
       Und ein Letztes noch: auf Landesebene haben wir als ein      mir nicht anmaßen wollen, zu sagen, dass die Umsetzung
       Ergebnis aus der gemeinsamen Teilnahme mit Berlin an         der EU-Jugendstrategie das Leben junger Menschen maß-
       dem Modellprojekt des BMFSFJ Handlungsempfehlun-             geblich beeinflusst oder verändert hat. Aber das schmälert
       gen zur Förderung der grenzüberschreitenden Jugendmo-        das Ganze auch in keinster Weise. Unser Job ist es doch,
       bilität erarbeitet, die der Landes-Kinder- und Jugendaus-    möglichst gute Rahmenbedingungen für das Aufwachsen
       schusses des Landes Brandenburg 2016 beschlossen hat.        junger Menschen in „Kleinsiehstenich“, Potsdam, Bran-
       An diesem Prozess haben sich unterschiedliche Träger         denburg, Deutschland oder in Europa zu schaffen. Das ist
       und Fachkräfte beteiligt. Darin heißt es unter anderem:      mitunter ein sehr mühseliges Geschäft, weil es sich aus vie-
       „Ziel sollte es sein, dass alle jungen Menschen mindestens   len kleinen Puzzleteilen zusammensetzt, die am Ende ein
       einmal in ihrer Jugendphase eine grenzüberschreitende        Gesamtbild ergeben. So tut jeder das Seine zur Verbesse-
       Mobilitätserfahrung im Sinne der EU-Jugendstrategie          rung der entsprechenden Rahmenbedingungen und in der
       machen.“ Das ist schon sehr ehrgeizig, aber daran zu ar-     Gesamtheit hat es dann auch Einfluss auf die Perspektiven
       beiten, ist eine lohnende Aufgabe.                           und das Aufwachsen junger Menschen.

       »»Was  hat sich für junge Brandenburger durch die            Um das Beispiel mit den Fachkräften von vorhin noch
       EU-Jugendstrategie geändert?                                 einmal aufzugreifen: wenn ich Fachkräfte qualifiziere

» 14                                                                                                       # 01.18   Newsletter EU-Jugendstrategie
DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                             à Inhaltsverzeichnis

              und versuche Hemmungen in der Zusammenarbeit mit             reich. Was ich in letzter Zeit wahrnehme und was mir
              Fachkräften aus einem anderen Land zu nehmen, hat            wirklich und ernsthaft Sorgen bereitet, ist die Tatsache,
              das erst einmal überhaupt keinen unmittelbaren Ein-          dass sich immer mehr Träger von Erasmus+ abwen-
              fluss auf die jungen Menschen vor Ort. Ich kann nur          den, weil sie sagen, dass sie nicht mehr Willens und im
              hoffen und annehmen, dass die Fachkraft sich aber zu         Stande sind den Aufwand für eine Antragstellung zu
              einem späteren Zeitpunkt entschließt, vielleicht eine        leisten. Und schließlich kommt dann auch noch der
              ­Jugendbegegnung zu organisieren. Und wenn nicht,            Frust dazu, wenn sie den zeitraubenden und kompli-
               dann nicht. Aber das habe ich dann nicht mehr in der        zierten Antrag endlich fertig haben und eine Förderab-
               Hand. Ich kann nur versuchen, die Bedingungen dafür         lehnung bekommen. Das heißt, sie verzichten auf die
               zu schaffen, dass es passiert.                              Möglichkeit einer Förderung aus dem Programm und
                                                                           nehmen entweder Abstand von Projekten oder versu-
              »»Worin bestehen die größten Herausforderungen für           chen, die Finanzierung durch Spenden oder ähnliches
              die künftige Umsetzung der EU-Jugendstrategie in             zusammen zu bekommen. Das widerspricht dem Be-
              ­Brandenburg?                                                streben, Europa auch vor Ort stärker zu etablieren,
              ««Das kann ich relativ klar sagen: dass wir zu viel von      wenn sich die örtliche Ebene gleichzeitig abwendet. In
               ihr erwarten und dass wir uns letztlich überfordern und     der erwähnten landesweiten Netzwerkgruppe bei uns
               enttäuschen. Wenn für mich eines aus den vergangenen        ist das schon mehrmals Thema gewesen und eine Idee
               acht Jahren deutlich geworden ist, dann ist es, dass wir    zur Lösung war, eine landesweite Stelle zu schaffen, die
               das Tempo, das wir zu Beginn des Umsetzungsprozes-          insbesondere kleineren Trägern die Anträge schreibt
               ses vorgelegt haben, auf Dauer nicht durchhalten kön-       oder sie zumindest bei der Antragstellung unterstützt.
               nen. Und das wir es auch zukünftig sehr schwer haben        Klar, das ist natürlich eine Idee, aber das kann doch
               werden, zu erklären, was denn nun das Spezifische an        nicht der Ansatz sein. Ich denke, hier braucht es einen
               der EU-Jugendstrategie, der konkrete Nutzen und die         Perspektivwechsel und eine Überarbeitung des An-
               praktischen Wirkungen sind. Zu jedem der hier von           tragsverfahrens einschließlich der Vordrucke.
               mir genannten Beispiele lässt sich trefflich fragen: „und
               was hat das mit der EU-Jugendstrategie zu tun? Das          »»Welche Themen und Instrumente wären für wichti-
               kann man doch auch ohne machen.“ Vollkommen rich-           ge Anknüpfungsmöglichkeiten in Brandenburg wün-
               tig. Und dennoch steht es alles in einem Kontext der        schenswert?
               jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa und hat          ««Ich nehme wahr, dass es einen ziemlich breiten
               von daher sehr viel mit der EU-Jugendstrategie zu tun.      Konsens in der Fachdebatte gibt, dass die Anzahl an
                                                                           Themen einer zukünftigen EU-Jugendstrategie konzen-
              »»Was sollte bei der Umsetzung der EU-Jugendstrate-          triert werden sollten und das insbesondere Themen wie
              gie verbessert werden?                                       Beteiligung/Demokratiebildung/Engagement, Stär-
              ««Was mir sehr am Herzen liegt, ist die Unterstützung        kung der Mobilität, Inklusion/Diversität, Solidarität/
              der lokalen Ebene in dem Umsetzungsprozess. Da sind          gesellschaftlicher Zusammenhalt/Europäische Bür-
              wir alle und insbesondere wir in den Ländern gefor-          gerschaft oder Digitalisierung dabei im Vordergrund
              dert. Gerade vor Ort haben wir es in Brandenburg sehr        stehen. Hieran gibt es auch ein Interesse in anderen
              häufig mit vielen kleineren Trägern zu tun, die über         EU-Mitgliedsstaaten, zumindest soweit mein Über-
              nur sehr wenig hauptamtliche Man- und Womanpow-              blick reicht. Hier sollten wir den europäischen Impuls,
              er verfügen. Für diese Träger brauchen wir eine größere      der von einer neuen EU-Jugendstrategie ausgehen
              Durchlässigkeit für die Förderung von Maßnahmen.             kann, nutzen.
              Was ich damit meine, ist, dass wenn die zukünftige
              EU-­Jugendstrategie noch enger mit dem Programm              Ich gehe ganz schwer davon aus, dass das Voneinan-
              ­Erasmus+-JUGEND IN AKTION verschränkt wer-                  der-Lernen auch in der zukünftigen ­EU-Jugendstrategie
               den und das Programm das zentrale Finanzierungs-            ein wesentliches Umsetzungsinstrument darstellen
               instrument zur Umsetzung der EU-­Jugendstrategie            wird. Darüber wäre ich sehr froh, denn darauf baut aus
               darstellen soll, dann müssen wir hier für niedrigschwel-    meiner Sicht so vieles auf. Wenn wir die Kolleg-/-Innen
               ligere Zugangsmöglichkeiten sorgen. Die Antragstel-         vor Ort nicht mit im Boot haben, werden wir nur lang-
               lung ist für diese Träger sehr aufwändig und umfang-        sam vorankommen.

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DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                        à Inhaltsverzeichnis

                                 Eine EU-Jugendstrategie, die junge Menschen und
                                         Akteure in den Mittelpunkt stellt

                                                                        Die externe Evaluation der EU-Jugendstrategie, die
                                                                        die EU-Kommission im Juli 2017 veröffentlicht hat und auf
Die AGJ plädiert dafür, den Mehrwert und die Relevanz                   ­Befragungen der Zivilgesellschaft fußt, betont: „Dort, wo aus
der jugendpolitischen Zusammenarbeit in Europa noch                      der EU-Jugendstrategie Anregungen aufgegriffen wurden,
stärker erfahrbar zu machen. Der jugendpolitische Auftrag                hat dies konkrete Veränderungen – in Politik oder in Orga-
soll sich zukünftig mehr auf die fünf Kernaufgaben, wie z.               nisationen und Strukturen – angeschoben. (…) Der Struk-
B. grenzüberschreitende Mobilität, Förderung einer aktiven               turierte Dialog und das Peer-Learning werden als Aktivitäten
europäischen Bürgerschaft und des Engagements in und für                 genannt, die am stärksten zur Relevanz und zum Erfolg der
Europa, konzentrieren. Die AGJ fordert, dass die jugendpo-               Strategie beigetragen haben.“
litischen Ziele gegenüber beschäftigungs- und wirtschafts-
politischen Aspekten profiliert werden, Jugendpolitik muss              Wir in der BAG Evangelische Jugendsozialarbeit haben die
als Querschnittsthema erkennbar in andere EU-Politikfelder              Europäische Jugendpolitik seit langem im Blick und gestal-
bzw. -strategien wirken. Ab 2019 wäre eine auf einen längeren           ten diese aktiv mit. Wie alle Akteure in der Jugendsozialarbeit
Zeitraum angelegte Jugendstrategie wünschenswert, welche                nehmen wir wahr, dass sich die Europäische Jugendpolitik
auf eine zielgerichtete Nutzung des Instruments der Arbeits-            stark entwickelt hat und einen ausgesprochen wichtigen Bei-
pläne setzt, um auf mittelfristige politische Änderungen flexi-         trag für Europa leistet. Bezogen auf die jungen Menschen sind
bel reagieren zu können. Die jugendpolitische Zusammenar-               diese Erfolge aber immer noch zu selten spürbar, vor allem
beit sollte zunehmend an den Bedürfnissen junger Menschen               nicht bei den jungen Menschen mit geringeren Chancen und
ausgerichtet sein und stärker auf die Zielgruppe der benach-            mit erschwerten Zugängen. Dort wo es gelingt, benachteilig-
teiligten und beeinträchtigten junge Menschen sowie der                 te junge Menschen in die Strukturen der Europäischen Ju-
Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe abzielen. Gesichert              gendpolitik und in die EU-Jugendprogramme einzubeziehen,
werden muss eine breite Beteiligung der unterschiedlichen               sind die Erfolge großartig und die Kompetenzsprünge signi-
politischen Ebenen und zivilgesellschaftlichen Akteure an               fikant. Aber in Summe betrachtet, sind hier die Erfolge und
der Konzeption und Umsetzung der künftigen EU-Jugend-                   Maßnahmen noch sehr begrenzt. Wie die BAG Katholische
strategie. Die Instrumente der EU-Jugendstrategie haben                 Jugendsozialarbeit in ihrer Stellungnahme „Eine Jugendstra-
die Aufgabe eine breite Beteiligung zu garantieren, weiter-             tegie für alle jungen Menschen in Europa“ richtig formuliert:
entwickelt werden muss das Instrument des Strukturierten                „Um adäquate Beteiligungsmöglichkeiten für benachteiligte
Dialogs, damit mehr junge Menschen aus benachteiligten                  Jugendliche zu erreichen, sind mehr Ressourcen und neue
Zielgruppen für die Teilnahme am Dialogprozess gewonnen                 Zugänge für „barrierefreie“ Beteiligungsprozesse erforder-
werden können. Notwendig ist eine europaweite Verbesse-                 lich. Die Ermöglichung transnationaler Mobilität insbeson-
rung der Informationspolitik über die EU-Jugendstrategie,               dere für benachteiligte Jugendliche muss zum vordringlichen
Peer-Learning und Jugendforschung müssen ausgebaut wer-                 Ziel der jugendpolitischen Strategien auf europäischer bzw.
den. Eine gelingende europäische jugendpolitische Zusam-                jeweils nationaler Ebene werden. Hierzu ist eine ausgeweite-
menarbeit braucht ein solides finanzielles Fundament, wel-              te und gesicherte finanzielle Förderung unabdingbar. Darü-
ches z. B. durch Erasmus+ JUGEND IN AKTION und ggf.                     ber hinaus sind verlässliche Stützstrukturen notwendig, die
eigene konkrete Förderformate sichergestellt werden kann.               eine Einbeziehung benachteiligter junger Menschen in gren-
                                                                        züberschreitende Maßnahmen gewährleisten.“. Fazit: Die
Auszug aus dem AGJ-Positionspapier „Fortführung der jugendpolitischen   ­Jugendsozialarbeit wünscht sich eine EU-Jugendstrategie, die
Zusammenarbeit in Europa ab 2019 – Zwingende Voraussetzungen einer
                                                                         sich daran messen lässt, wie es ihr noch besser gelingt, junge
gelingenden europäischen Jugendpolitik!“
                                                                         Menschen mit eingeschränkten Zugängen zu beteiligen.

                                                                        Hans Steimle, BAG Evangelische Jugendsozialarbeit

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DOSSIER: GEGENWART UND ZUKUNFT DER EU-JUGENDSTRATEGIE                                                    à Inhaltsverzeichnis

Um die EU-Jugendstrategie ernst zu nehmen, müssen
junge Menschen mit ihren Anliegen und Bedarfen ernst
genommen werden. Das allein macht Beteiligung und echte            Wer die derzeitige europäische Wirklichkeit wahr- und
Partizipation bei einer Jugendstrategie zwingend notwendig.        ernst nimmt, der muss zu dem Schluss kommen: Die er-
Damit Beteiligung funktioniert, muss die Strategie aber auch       neuerte Zusammenarbeit im Jugendbereich ab 2019 sollte
dort ankommen wo die jungen Menschen sind, nämlich auf             unbedingt die Schlüsselrolle, die junge Menschen und ihre
örtlicher und regionaler Ebene. Deshalb wünschen wir uns           Organisationen für das derzeitige und zukünftige Europa ein-
eine EU-Jugendstrategie, die nicht nur die nationale Ebene         nehmen, mehr ins Zentrum stellen. Der Strukturierte Dialog
in den Blick nimmt, sondern auch Anknüpfungspunkte auf             als zentrales Partizipationsinstrument der Jugendstrategie
den unteren Ebenen bietet. Aber nicht nur in den Ebenen,           hat bewiesen, dass junge Menschen als Experte ihrer Lebens-
auch in den Feldern muss es vielseitige Möglichkeiten geben        welten Themen, Ideen und Anregungen für Politikgestaltung
anzusetzen, nicht nur im Jugendressort. Wünschen sich junge        haben. Und dies auf allen Ebenen. Die Ergebnisse der aktuel-
Menschen zum Beispiel mehr offene Grenzen, Umweltschutz,           len Runde unter der Fragestellung „Youth in Europe. What´s
fairen Handel, Glasfaser oder mehr Europabildung in allen          next?“ hat in Deutschland folgende Anliegen junger Men-
Schularten? Ja, das und noch viel mehr, denn junge Menschen        schen hervorgebracht: Erneuerbare Energie fördern, Klima-
haben Anliegen in vielen verschiedenen Politikfeldern.             ziele einhalten, Lernen ohne Leistungsdruck ermöglichen,
Gehört zu werden und die Möglichkeit zu haben sich                 einen guten Einstieg ins Arbeitsleben finden und eine ge-
einzubringen ist demokratisch, motivierend und bestärkend,         meinsame und solidarische EU-Asylpolitik umsetzen. Wich-
Empowerment ist hier das wichtige Stichwort. Verpuffen             tige Themen, die nicht nur für junge Menschen relevant sind
die eingebrachten Impulse spurlos und gibt es keinerlei            und über das Ressort Jugend hinausweisen. Der Strukturier-
Feedback, ob positives oder negatives, wird die Partizipation      te Dialog braucht zukünftig jedoch deutlich weniger Abfra-
nicht spürbar. Deshalb ist es eine wichtige Forderung, die         gecharakter und mehr kontinuierliche Kommunikation zwi-
Wege der konkreten politischen Entscheidungsfindung                schen Entscheidungsträger und jungen Menschen und die
nach zu zeichnen und die Frage beantworten zu können, die          Verankerung in den zuständigen Stellen der EU. Auch sollten
unweigerlich gestellt wird: „Und was ist jetzt damit passiert?“.   junge Menschen von dort eine jugendgemäße Rückkopplung
                                                                   von Prozessen und Ergebnissen erhalten. Die Jugendorga-
Der Bayerische Jugendring setzt sich für eine starke EU-­          nisationen, die kontinuierlich oder in Projekten dazu bei-
Jugendstrategie ein und sieht auch Jugendorganisationen            tragen, dass der Strukturierte Dialog auf der kommunalen,
und –strukturen als Akteure der Umsetzung dieser Jugend-           regionalen oder transnationalen Ebene ansprechend umge-
strategie. Diese mit ins Boot zu holen und nicht durch eine        setzt wird, müssen strukturell und finanziell besser für diese
Unterausstattung der Programme oder zu hohe Bürokrati-             Aufgabe ausgestattet werden. Die neue EU-Jugendstrategie
sche Hürden von der Umsetzung abzuhalten muss Teil der             braucht weitere Ansätze, die die Bedeutung Europas und
neuen EU-Jugendstrategie sein. Wir wünschen uns das daran          der EU junge Menschen in ihrem Lebensalltag mehr spüren
gearbeitet wird, dass junge Menschen, die sich aus ganz un-        lässt. Deshalb ist es zudem notwendig, die Strategie und das
terschiedlichen Situationen und Hintergründen heraus, für          Förderprogramm Erasmus+ JUGEND IN AKTION, insbe-
Europa engagieren oder in Brüssel informieren wollen, Zu-          sondere auch im Format des Strukturierten Dialogs besser zu
gänge bekommen und nicht abgeschreckt werden. Es muss              verzahnen. Diese Chance ist jetzt in besonderer Weise gege-
mehr Möglichkeiten geben Europa und Europapolitik zu               ben. Das Programm sollte ab 2021 mehr der Strategie folgen.
erleben, zu verstehen und das Gefühl zu haben, ein Teil des        Denn Europa braucht die Stimmen junger Menschen und es
„Großen Ganzen“ zu sein.                                           braucht junge Menschen mit Wertebewusstsein und Persön-
                                                                   lichkeit, mit Engagement und Demokratiebewusstsein.
Lea Sedlmayr, Bayrischer Jugendring
www.bjr.de/service/beschluesse
                                                                   Doris Klingenhagen, Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in
                                                                   Deutschland e. V.

Newsletter EU-Jugendstrategie   # 01.18                                                                                                  » 17
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