Berge und Jubiläen - Nr. 85 März 08 € 2,91 - Kulturchannel
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Nr. 85 · März 08 · € 2,91 P. b. b. GZ 02Z032603M Verlagspostamt 9020 Klagenfurt Erscheinungsort Klagenfurt KÄRNTEN KUNST KULTUR Berge und Jubiläen DIE BRUECKE ZUR KULTUR mit allen terminen und galerien www.bruecke.ktn.gv.at
EDITORIAL carte.blanche Leiden.schafft Oster-, Passions-, Leidenszeit - unweit davon erkennen wir die Lei- denschaft, der wir uns diesmal in der carte blanche aus verschiedenen Richtungen nähern wollen. Was wäre Liebe Leserin, lieber Leser! Kunst ohne Leidenschaft? Oder anders herum, schafft Leiden Kunst? Nachdem wir uns bereits im Februar kreuz und quer Wortklauberei? Nein, ungezählt sind sowie auch diagonal auf die Fastenzeit und damit schon in die Beispiele für kreative Schübe und weiterer Folge auf Ostern hinbewegt haben, können wir großes Schaffen in Leidensphasen. diesmal mit großer Leidenschaft unser Augenmerk ande- rem zuwenden: Werner Berg, einem vielleicht immer noch Vincent van Gogh schnitt sich wäh- international unterschätzten großen Meister der Bildenden rend der nur zwei Monate dauernden Kunst und seinem Erbe. Hervorzuheben an dieser Stelle Künstlergemeinschaft in Arles im lei- sind sicherlich die Kooperationen, die die Brücke immer denschaftlichen Diskurs mit Paul wieder mit speziellen Kulturveranstaltern erfolgreich ein- Gaugin ein Ohr ab. Die Zeit im gelben geht, in diesem Fall mit der Gemeinde Bleiburg und der Haus gehörte zu seinen produktivs- nunmehr zum Museum gereiften 40 Jahre alten Galerie ten Schaffensperioden. Alma Mahler, des großen Jauntalers mit deutschen Wurzeln. der Inbegriff der Femme fatale, soll nicht nur Walter Gropius, Oskar Passend dazu kommt das 10-Jahr-Jubiläum des Muse- Kokoschka (siehe aktuell in Wien) und ums des Nötscher Kreises. Querverbindungen schaffen Gustav Mahler als Muse in Leidens- nächste Künstlergenerationen mit Robert Trsek oder Cor- phasen zu kreativen Höchstleistun- nelius Kolig, dem Enkel von Anton Kolig. Matthias Boeckl gen getrieben haben. Die teilweise wiederum verschafft uns nicht nur einen wunderbaren Ein- am Wörthersee entstandenen stieg in das Thema, sondern schwärmt auch gleich fundiert Mahlersymphonien sollen deutliche von der ausgezeichneten Architektur der Bleiburger Berg Spuren davon in sich tragen. Galerie. Harald Scheicher, einem Berg-Enkel andererseits, ist für die Unterstützung bei dieser Ausgabe in jeder Hin- Endlich in Kärnten angekommen, sicht zu danken. Interessant und in unsere Serie passend, lassen wir uns nicht nur von der dass mit der ältesten Tochter von Werner Berg eine Frau Landschaft, sondern immer wieder das Leben auf dem Rutarhof uns authentisch schilderte. von der stillen Leidenschaft beein- Einzelne Passagen des ursprünglichen Interviews, in der drucken, mit der Werner Berg das Ursula Kuchling in der kantigen und reduzierten Bildspra- Leben im Unterland mit einem che ihres Vaters erzählte, zog sie jedoch zurück oder for- Schuss Melancholie auf den Punkt mulierte sie neu. Ein Beitrag aus der Sicht des Hoferben gebracht hat. In Nötsch wiederum und großzügigen Förderers der Galerie, Veit Berg sowie trafen sich vier Maler in einer losen der jüngsten Tochter Annette ist ins Auge gefasst. Gemeinschaft, um in wechselseitiger Inspiration ihrer Leidenschaft freien Von einem Berg handelt auch unsere Musik-Geschichte, Lauf zu lassen. allerdings von Albano Maria Berg, einer der Wörthersee- Komponisten mit Weltruhm, dem heuer wieder mehrfach Vergessen wir nicht die Sammlerlei- gehuldigt wird. Ebenfalls eine fruchtbare Zusammenarbeit denschaft, die heimliche und offen bildet die Brücke zur Diagonale, dem großen Festival des bekannte. Der aus dem Gailtal stam- österreichischen Films - man möchte kaum glauben, wie mende Baumarkt-Millionär Prof. Karl- viele Kärnten-Bezüge sich dabei in Graz auftun ... heinz Essl und seine Frau Agnes leben ihre Leidenschaft für zeitgenös- sische Kunst mit zwei Sammlungen in Einen musischen März Klosterneuburg aus, während der wünscht wieder Ihr bruecken-bauer Radentheiner Herbert Liaunig sich mit dem in Neuhaus aus dem frucht- baren Unterkärntner Boden sprießen- den Privatmuseum ein Denkmal setzt. Guerrino da Ponte Günther M. Trauhsnig
Foto: Werner Berg Nachlass Über Architektur. Eröffnung der Werner-Berg-Galerie vor 40 Jahren. Im neuen Teil setzt sich künstlerische Authentizität bis zu ihrer baulichen Manifestation fort. Seite 10 INHALT Foto: Die Brücke 4 HORIZONTE 5 KULTUR.TIPP Kärntner Komponistinnen 7 DA.SCHAU.HER Über Malerei. Werner Bergs älteste Tochter erzählt, welchen Krafteinsatz das bescheidene Leben auf dem Rutarhof erfor- Cornelius Kolig: Kussmund derte und wie sehr es die Kunst des Vaters prägte. Seite 18 8 AVISO Foto: Werner Berg Nachlass 9 DENK.MAL Möllbrücke, Pfarrkirche Hl. Leonhard 10 BAU.KÖRPER Tradition künstlerischer Authentizität Über die Werner-Berg-Galerie und ihren Zubau 12 SPUREN.SUCHE Über Europa. Die Spuren des europäischen Bistums führen Werner Berg Bildergalerie nach St. Paul und nach Bleiburg zur großen Europaausstellung 2009. Einen Vorgeschmack bietet diese Ausgabe. Seite 25 13 Veliki Podjunčan W. Berg/Der große Jauntaler W. Berg Foto: Diagonale/back to africa 14 Vor dem letzten Strich ist kein Maler zu preisen Werner Berg im Interview mit Lee Springschitz 18 „Diese verfluchte und gesegnete Malerei“ Gespräch mit Werner Bergs Tochter Ursula Kuchling 20 WORT.FÜR.WORT Von der Galerie zum Museum 40 Jahre Presseberichte über die Werner-Berg-Galerie Über die Diagonale. Bilder werden bei dem österreichischen Filmfestival in Bewegung gebracht und transkulturelle Identitä- 22 BUCH.MUSIK.TIPPS ten, die von Kärnten bis Afrika reichen, sichtbar gemacht. Seite 33 23 VORLESE.PRVO BRANJE Pietro oder die Suche nach dem Bild Cover: Werner Berg, „Davonschreitende“, 1948 Margarethe Tauschitz über Religion, Liebe und Kunst 24 SPUREN.SUCHE impressum Verzicht als Provokation Herausgeber, Medieninhaber und Copyright Diogenes – Kosmopolit und „Wilder Hund“ sowie Verantwortlicher Redakteur Kulturabteilung des Landes Kärnten 25 BLICK.PUNKT 9021 Klagenfurt, Burggasse 8 Die Macht des Bildes Mag. Günther M. Trauhsnig Tel. 050/536-30 5 38, Fax: 050/536-30 5 39 Vorschau auf die Europaausstellung 2009 e-mail: guenther.trauhsnig@ktn.gv.at 26 KÄRNTEN.ART Aboannahme Elisabeth Pratneker 10 Jahre Museum des Nötscher Kreises Telefon 050/536-30 5 82, Fax 050/536-30 5 39, Zum Jubiläum: Wiegele, Isepp, Kolig und Mahringer e-mail: bruecke@ktn.gv.at Kulturtermine 28 Frei von Fesseln Mag. Ines Hinteregger Zu den Bildern von Robert Trsek e-mail: bruecke@ktn.gv.at. Fax: 050/536-30 5 39 Redaktionelle Mitarbeiter dieser Ausgabe: Brigitte Bidovec, 30 KLANG.FIGUREN Matthias Boeckl, Ingrid Freytag, Michael Herzog, Julia Hölzl, Franz Ein anderer Berg Kattnig, Geraldine Klever, Heimo Kuchling, Helmut Christian Mayer, Mario Rausch, Arnulf Rohsmann, Harald Scheicher, Horst Dieter Alban Bergs Wirken in Kärnten Sihler, Franz Smola, Margarethe Tauschitz, Günther M. Trauhsnig, 32 WELT.KINO.WELTEN Slobodan Zakula. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Klassiker der Filmkomik Autoren wieder. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge bei Bedarf Chaplin und Langdon auf DVD zu kürzen oder zu ändern. Zur Verfügung gestelltes Text- oder Bild- material wird (wenn nicht anders vermerkt) nicht retourniert. 33 INNEN.AUSSEN Grafik Harald Pliessnig Back to Africa Druck Die Diagonale Anfang April in Graz Kärntner Druckerei Tel. (0463) 58 66 Verlagspostamt 34 HORIZONTE/FILMTIPPS 9020 Klagenfurt LUST.AUF.KULTUR Einzelpreis Euro 2,91 Abonnement 35 Kärntner Kulturkalender 10 Ausgaben Euro 25,44 inkl. KulturCard Kärnten, 39 Galerien/Ausstellungen Porto und Versand. 42 Kino/Filmtipps www.bruecke.ktn.gv.at Die Brücke 85 – März 08 3
Königs.Treffen Mit den King’s Singers, sechs A-cappella- Sängern aus England, präsentiert die Mozartgemeinde am 6. März im Klagen- furter Konzerthaus ein ursprünglich klassi- sches Ensemble, das jedoch inzwischen in nahezu allen Musikgenres beheimatet ist. Anspruchsvolle Musik und Unterhaltung stehen bei dem Sextett aus Cambridge im Vordergrund, egal ob es sich dabei um Interpretationen von klassischen Meister- werken oder den Beach Boys handelt. Nach Auftritten in der legendären Hollywood Bowl von Los Angeles oder bei der Queen im Windsor Castle nahe Londons wollen sie die Freude und den Spaß an der Musik nun auch dem Publikum in Kärnten vermitteln. IH HORIZONTE Jubel.Klänge Orto.Club Migrations.Stories Die Kulturinitiative Bleiburg feiert dieses Die nach dem Ausstieg Blixa Bargelds im Bereits Anfang der 80er Jahre, als Sänger Jahr ihr 25-jähriges Bestehen mit einigen Jahre 2003 vakante Stelle des Gitarristen und Songwriter der Zagreber Ausnahme- besonderen Gustostückerln. Das Frühjahrs- von The Bad Seeds besetzte kurz später der band Haustor, überraschte Darko Rundek programm hat gleich am 12. März mit britische Musiker James Johnston. Trotz der das Publikum mit einer originellen Mischung Cuong Vu `s Vu-tet (Foto) eine der innova- aufwändigen Zusammenarbeit mit Nick aus Post Punk, Pop und Reggae, verfeinert tivsten Bands der New Yorker Avantgarde- Cave genießt er immer noch volle künstleri- mit hörbaren Einflüssen südamerikanischer Szene (Großstadtdschungel meets Klein- sche Freiheit und führt weiterhin sein Pro- und afrikanischer Musik. Nach einigen Jah- stadtidylle) zu bieten. Diese verknüpft die jekt Gallon Drunk fort. Punk, Funk, Jazz ren Solokarriere gründete er im Jahr 2004 Energie von Nirvana mit den ätherischen und Blues in einem brachialen Mix, garan- in Paris Cargo Orkestar. Migration Stories Momenten der Sugarcubes sowie rhythmus- tiert massenuntauglich, und vor allem live and Love Songs, lautet der Untertitel der betonten Funk- und Jazzstücken. Mit unwiderstehlich. Why? Because they don´t neuen Platte der neunköpfigen multikultu- Nathan & the Zydeco Cha Chas wird die sound like anybody else, sagte der legendä- rellen Formation, die am 31. März im Can- wohl feurigste Band rund um den Mississip- re John Peel über Gallon Drunk. Bevor The karjev dom in Laibach live vorgestellt wird. pi am 25. März mit ihrem feinen Gespür Bad Seeds im April ihre große Tournee star- Am gleichen Abend präsentiert auch Kries, für tanzbare Musik, nicht weit weg vom ten, ist Johnston noch einmal mit Gallon das aktuelle Projekt von Mojmir Novakoviç, Cajun des amerikanischen Südens, dem Drunk unterwegs und tritt am 16. März im der Galionsfigur der kroatischen Ethnosze- Publikum kräftig einheizen. AO Laibacher „Orto Klub“ auf. SZ ne, sein neues Album. SZ 4 Die Brücke 85 – März 08
Saiten.Spiel In einen Gitarrenhimmel kann man am 10. März im Bluesiana in Velden eintauchen. Dann verwöhnt Richie Kotzen (Foto), unter anderem Gitarrist bei den wegweisenden Rock-Bands Poison und Mr. Big, die heimischen Ohren. Inzwischen hat Mr. Kotzen auch andere Musiksti- le wie Funk, Blues oder den Jazz entdeckt. Zuletzt gab es sogar eine Kooperation mit der Jazzlegende Stanley Clarke. Außerdem begleitete er die Rolling Stones 2006 auf deren Welt- tour. Ebenso ins Schwitzen wird das Publikum mit Head Fake (14.) und Danny Briant (19.) gebracht werden. Und mit Bugs Henderson (Blues und Jazz) am 27. sowie den heimischen Inina Gap (Elektronik) am 29. März macht das Bluesiana einen ordentlichen Sprung zwischen den musikalischen Weltmeeren. GMT Tiger Foto kultur.tipp Kärntner.Komponistinnen Lange Zeit wurden die kammermusikali- schen Aktivitäten zwischen den heimischen vier Wänden der Kärntner Familien totge- schwiegen. Doch mit dem Erscheinen des Buches „Lebendige Hausmusik in Kärnten“ vor zwei Jahren und einem Konzert in der Musikschule in Klagenfurt wurde die Begei- sterung durch die Unterkärntner Geschichtsforscherin Hermine Kleewein neu entfacht. Mit Johannes Kropfitsch und Wolf- gang Benedikt fand sie zwei wesentliche Unterstützer auf ihrem Weg, das volkstümli- che Lied in den Stuben und Hinterzimmern der Menschen neu zu entdecken. Das fami- liäre Musizieren, ein Aspekt der aus unserer Gesellschaft bereits verschwunden schien, wurde wieder entdeckt und dem Publikum in Büchern und bei Konzerten vermittelt. Die nächste Gelegenheit solche Kammer- musikalischen Aktivitäten kennen zu lernen, bietet sich bereits am 14. März im Stift Vik- tring – der Abend steht diesmal unter dem Thema: „Kärntner Komponistinnen vom 12. bis zum 21. Jahrhundert“. Musikalische Pfle- ge bedeutet bei Kleewein auch eine Kom- munikation in der Gesellschaft wie sie vie- lerorts bereits abhanden gekommen ist. Deshalb ist es notwendig, die Menschen zu berühren und wertvolle musikalische Tradi- Grenz.Gänger Insel.Fest tionen an die nachfolgenden Generationen Das legendäre Duo Gemini Gemini (Foto) Beim Celtic Spring Festival 2008 weiter zu geben. steht für einen spielerischen Umgang mit (am 9. März im Kulturforum Amthof) prä- Dazu ist allerdings auch ein Rückblick not- den eigenen Wurzeln. Wobei Wolfgang sentieren sich zwei grundverschiedene wendig. Kleewein warf diesen in ihren Puschnig einen außergewöhnlichen Bogen Ensembles aus England. Allerfeinste Singer- Büchern (zuletzt „Lebendige Hausmusik in von Arbeiten mit Linda Sharrock, Ernst Songwriter-Kunst mit keltischem Back- Kärnten“ bzw. in der Carinthia I) und ver- Jandl hin zu heimischer und koreanischer ground liefert die „Lorraine Jordan Band“ sucht mit den Konzerten die Ergebnisse Volksmusik wie dem weltbekannten korea- (Foto). Ihre dreistimmige Vokal-Kunst und auch erlebbar zu machen. Wobei weder das nischen Ensemble Samul Nori spannt. Sein das eher ruhige, entspannte Set des Ensem- Buch noch die Konzerte wissenschaftlich Counterpart ist Jamaaladeen Tacuma, lang- bles wird die Zuhörer und Zuhörerinnen langweilig aufbereitet sind, sondern sie sol- jähriger Begleiter Ornette Colemans und verzaubern. Mit einem experimentell-jazzig- len eine Lebensfreude vermitteln, die selbst Schlüsselfigur des zeitgenössischen Free keltischen Set wird das Trio „Uiscedwr” im im musikalischen Traditionsgut nur mehr Funks. Dieser Brückenschlag sollte am 8. zweiten Teil des Programms für staunende selten zu finden ist. HM März im Klagenfurter Volxhaus nicht nur Augen sorgen. Ein weiteres Festival („Let`s Grenzgänger begeistern, sondern auch für Fetz“) geht am 15. März im Amthof sowie Konzert: „Lebendige Hausmusik“, Komponistinnen ein Lächeln und zufriedene Gesichter sor- vielen Feldkirchner Lokalen über die Bühne. vom 12. bis 21. Jhd., 14. März, Stift Viktring, 19 Uhr gen. Bereits am 4. März präsentiert Her- HM Bücher: Hermine Kleewein „Lebendige Hausmusik in Kärnten“, Mohorjeva/Hermagoras Verlag, Kla- wig Gradischnig sein neues Projekt „Ghost genfurt 2006, 146 Seiten, Euro 12,– Trio“ im MMKK. GG ISBN 978-3-7086-0271-4 Eine gekürzte Version findet man auch in der Carinthia I/Jahrgang 2006, Kärntner Geschichtsverein, Klagenfurt, Euro 27,– Die Brücke 85 – März 08 5
HORIZONTE Mensch.Tier Der Umgang mit dem tierischen Gegenüber wird in der Ausstellung „Das Land im Winter so Rosenrot“ von der Künstlerin Burgi Michenthaler bis 14. März in der galerie. kärnten thematisiert. In sechs Tälern mach- te Michenthaler Fotos und interviewte die Menschen. Daraus entstanden zu einem großen Teil autobiographische Arbeiten, die sich nicht einem Trend anhängen, sondern für sich selbst stehen. Wichtig ist dabei die Beziehung zwischen Mensch und Tier. So wird die Kuh im Alpenraum als Ernährerin, als Lebensspenderin und als Statussymbol begriffen. Sie definiert die Kuh als Person und bettet das Tier in weiträumige Traditio- nen ein, wo durch die Beziehung zum Men- schen die Seele des Abendlandes entsteht. CK Tibet.Haus Liebes.Zauber Sexual.Delikt Auch im Jahr 2135 (nach dem königlich-tibe- Zum Auftakt für das Galeriejahr 2008 bringt Im Rahmen des Semesterthemas tischen Kalender beginnend am 7. Februar) die Galerie Šikoronja in Rosegg Hugo Wulz „Ökonomie und Geschlecht“ zeigt der bzw. 2008 (nach Christus) öffnet das Hein- (1937-2000). Dieser wäre erst jüngst 70 Kunstraum Lakeside eine Ausstellung des rich-Harrer-Museum in Hüttenberg seine Jahre alt geworden und mit der Ausstellung slowenischen Künstlers Tadej Pogačar Pforten. Ab 22. März gibt es neben der „Liebende Paare – Mischwesen/Ljubeče (Vernissage 13. März). „CODE:RED“ ist ein verlängerten Sonderausstellung „Kunst der Dvojice – Himere“ (Vernissage am 14. Projekt der transdisziplinären Zusammen- Naga”, auch eine Schau mit Fotos von Bru- März) wird der Künstler, der sich im Rosen- arbeit, Forschung und Diskussion zu infor- no Baumann zum Thema Klöster und heilige tal niedergelassen hatte, mit einem Quer- mellen Ökonomien, Formen des Aktivismus Stätten zu sehen. Diese Ausstellungen schnitt durch sein Schaffen noch einmal und der Selbstorganisation von urbanen geben bereits einen Vorgeschmack zum 25- intensiv gewürdigt. Die Paare erscheinen in Minderheiten im Kontext von Sexarbeit und Jahr-Jubiläum. Eine Ausstellung mit seinen Bildern sowohl als eine Einheit als Menschenhandel. Das Projekt wird von Schnappschüssen und Aufnahmen vor allem auch als Mischwesen. Charakteristisch sind Daspu, dem Modelabel der brasilianischen aus den ersten 10 Jahren, als das Museum die archaischen Figuren, die er kombiniert Prostituiertenorganisation Davida, unter- noch in Knappenberg beheimatet war, ist in und in ein geometrisches und farbliches stützt. Durch kreative Öffentlichkeitsarbeit Planung. Wer solche Fotos besitzt und diese Gefüge einbindet. GG soll für die Anerkennung und die Bürger- dem Museum zur Verfügung stellen möchte, rechte von Sexarbeiterinnen aufgetreten wird herzlichst dazu eingeladen werden. HS (office@harrermuseum.at). HM 6 Die Brücke 85 – März 08
Cornelius Kolig, Kussmund da.schau.her cornelius kolig: kussmund (1985/88) polyester und fettglasur auf Lach.Haft Doppel.Kunst hartfaserplatte Die Niederösterreicherin Nina Maron lässt Zeichnungen und Kleinplastiken von Egon 30 cm mal 30 cm mal 8 cm ab 13. März (Vernissage) in der Galerie Rubin sowie eine Retrospektive von Sieg- Unart in Villach mit ihrer Ausstellung with a fried Tragatschnig (Bild) sind bis zum was da signale des verlockens aussendet, cause? Zwischenräume offen. Verzerrung, 27. März im Künstlerhaus zu sehen. ist das gesichtsfragment einer dunkelhäuti- Täuschung und Destruktion des Weiblichen Neben neuen Arbeiten von Rubin widmet gen. auf braun-rotem hintergrund ist es befand Peter Turrini und genau hier findet der Kunstverein Kärnten dem Künstler Sieg- montiert. die Künstlerin zwischen den Klammern, die fried Tragatschnig eine groß angelegte, ca. das relief von cornelius kolig ist in einem so manches zusammenhalten, ihren Ansatz. 80 Werke umfassende Schau. Die Ausstel- land entstanden, das probleme mit der So etwa die Mona Lisa, die begeistert und lung ermöglicht die Zusammenschau wichti- fremdheit nicht verheimlicht, sei sie ganz verstört. Gift und Süße sorgen bei dem ger Werkphasen. Frühe Bemühungen von nahe, sei sie von fern. die von fern kann Betrachter für einen Zwiespalt der Gefühle. Tragatschnig das Informelle aufzunehmen zum gegenstand der begierde werden, denn Ist es Spott, der einem entgegentritt oder treffen dabei auf die spätere Verpflichtung, fern ist auch die potenzielle bedrohung, die ist es ein unbeschreiblicher Genuss, dem den Gegenstand gleichzeitig als Ausgangs- von ihr ausgeht. das hat mit der unerreich- man erliegt? Nina Maron findet Antworten punkt analytischer Formsprengung und barkeit des objekts zu tun. dadurch wird es und sagt dazu: your smile is our job. GT metaphorischer Ausdeutung zu begreifen. abstrakt, so plastisch, so konkret die dunkle IB auch ins bild gesetzt wird. die fragmentierung bewirkt eine physiogno- mische reduktion auf die funktionszone des Häutungs.Prozesse mundes. kussmund. In einer raumgreifenden Installation in der die oberen gesichtspartien sind getilgt. sie Galerie Porcia in Spittal zeigt Marlies Liek- sind es, die individuelle kennzeichen vermit- feld-Rapetti (bis 5. April) mittels einer teln können. verlockung wird von der weiblichen Puppe und deren papierenen person abgekoppelt und funktionalisiert. Abhäutungen und Hautkleidern die Schutz- cornelius kolig sieht formale analogien bedürftigkeit des Menschen. Dabei entste- zwischen dem kussmund und geröteten hen fragile papierene Gebilde, die von schamlippen. einem Ausstellungshaus gleichzeitig beschützt und gefangen gehalten werden. auf der hintergrundsebene werden In Deformierungen und Zerlegungen – ver- gebrauchswertversprechen angekündigt. es weist die Künstlerin auf Gefahren, die durch sind die des oralen genusses. Verfremdung und Schädigung entstehen kunstfremdes material setzt cornelius kolig können. Von Häuten und Hausen wirft ein, fettglasur, industriell gefertigte kondi- Fragen auf: Wie fühlt man sich in seiner torware. mit künstlichen aromen wendet sie Haut? Gefangen? Geschützt? Dünnhäutig? sich an infantile gier und einen ihrer auslö- Dickhäutig? MH ser, die langeweile. zweierlei sinnlichkeit spricht cornelius kolig an: die erwartung und die erfüllung. die eine ist depersonalisiert, die andere bloss kulina- risch. a. r. 3 Möglichkeiten neue Werke zu sehen: Autonome Zeichnungen aus dem Paradies 27. März (19 Uhr) bis 3. Mai 2008 rittergallery in Klagenfurt, www.rittergallery.com 24. April 18 Uhr dazu Buch-Präsentation mit einem Einführungstext von Thomas Zaunschirm Galerie in der Freihausgasse Villach 17. April bis 24. Mai: Cornelius Kolig Zeichnungen Die Brücke 85 – März 08 7
aviso Musikforum.Kompositionen Der Gustav Mahler Kompositionspreis 2008 ist einmalig für Zither Solo und Kammerensemble ausgeschrieben. Das einzureichende Werk soll eine Dauer von maximal 20 Minuten haben und eine Auseinandersetzung mit den klanglichen Möglichkeiten der Zither bewirken. Die Kompo- sitionen sind bis 6. Mai einzureichen. Juryent- scheid ist am 31. Mai. Die preisgekrönten Kom- positionen werden im Rahmen des Festivals am 24. Juli von Mitgliedern des Janus Ensemble Wien unter Christoph Cech uraufgeführt. Anmeldungen: Musikforum Viktring, Tel. 0463- 282241, www.musikforum.at Normal.Zustand Das Festival der Regionen sucht nach Projekt- vorschlägen aus den Bereichen ortsspezifischer Kunst sowie Kultur, Kunst im öffentlichen Raum, Alltagskultur, Kunstvermittlung, Perfor- mance und partizipativen Praktiken für das Festival 08 – heuer unter dem Titel „Normal- Karen.Katuren zustand“. Die Abgabe der Bewerbungen mit HORIZONTE Eine Karenkatur stellt einen Viel-lacher dar. Das Bild ist bunt, teilweise schrill, so wie das Kurzbeschreibungen der Projekte ist bis Leben eben. Die Voraussetzung für die Aufnahme in den elitären Kreis der Viel-lacher ist 20. April möglich. Das Festival findet im das Bewusstsein, dass Lachen das Gesicht verändert. Die Künstlerin Karen Kuttner-Jandl Mai/Juni in Oberösterreich statt. fasste deshalb Dutzende solcher zu einem riesigen „Fleckerlteppich“ versinnbildlichter Näheres unter: www.fdr.at Lebensfreude zusammen. Ob denn Villacher auch wirklich viel Lacher sind sollte ab 7. März in der Galerie „Kunst-Lücke“ in Villach beantwortet werden. HM Prix.Ars Electronica Noch bis zum 7. März läuft die Einreichfrist für den Prix Ars Electronica 08. Eine international besetzte Jury entscheidet anschließend im April über die Gewinner in den sieben interdisziplinä- ren Bereichen. Auf die besten Projekte warten sechs Goldene Nicas. Dieses Jahr wird insge- samt ein Preisgeld in der Höhe von 115.000 Euro vergeben. Alle Infos zum Wettbewerb sowie zur Online-Einreichung unter: http://pri- xars.aec.at (www.aec.at/de/prix/index.asp) Demokratie.Verständnis Die Margaretha Lupac Stiftung schreibt für 2008 einen Preis zur Förderung von Demokra- tie, Toleranz und Parlamentarismus aus. Ausge- zeichnet werden sollen hervorragende Ver- dienste zur Schärfung des historischen Ge- dächtnisses und der Demokratie in Österreich. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert und kann Frühlings.Erwachen Fast.Durch auch auf drei Personen aufgeteilt werden. Ein- In gewohnter Tradition setzt das Schloss 16 junge Menschen feiern einen Abschluss. reichfrist ist der 15. März. Bewerbungsunter- Albeck seine Veranstaltungsreihe fort. Ihre Schullaufbahn am BORG neigt sich dem lagen und weitere Infos unter Neben Bildern für die Neue Zeit von Hilde- Ende zu. Zeit, das Geleistete zu würdigen www.parlament.gv.at gard Unterweger (bis 28. März) gibt es und auch einer außerschulischen Öffentlich- eine Menge Konzerthöhepunkte, die man keit als Rückschau zu präsentieren. Eine Medien.Kunstpreis nicht versäumen sollte. Marcus Matthews und Karen Asatrian erinnern sich am 2. 3. Ausstellung von Maturantinnen und Matu- ranten aus Bildnerischer Erziehung und Bild- Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst der großen Chansons von Jacques Brel bis nerischem Gestalten und Werken des BORG und Kultur schreibt für 2008 einen „Förde- Edith Piaf. Klassische Saitensprünge mit Spittal zeigt vom 12. bis 14. März im Park- rungspreis für Video- und Medienkunst" aus. Balalaika und Klavier sind am 9. 3. von schlössl, Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafi- Der Preis ist mit 5.500 Euro dotiert und soll Andrej Gorbatschov und Lothar Freund zu ken, Plastiken und Objekte, Fotografien und Anerkennung und Förderung für das Schaffen erwarten. Pop, Soul und Klassik vom Feins- Filmisches und gibt einen Vorgeschmack auf jüngerer Kunstschaffender darstellen, deren ten präsentiert das italienische Energiebün- die Laufbahn der jungen Künstler. EG Werk sich durch einen besonderen Grad an del Sofia Taliani (16. März) und mit dem Originalität und innovativer Komponenten aus- Bassist David Friesen (ehemals Oregon, zeichnet. Bewerbungen bis 31. März an das Foto) ist am gleichen Tag ein Weltstar der BMUKK, Abteilung VI/3, Minoritenplatz 5, Jazzszene zu Gast im Schloss. GM 1014 Wien. Informationen: www.bmukk.gv.at 8 Die Brücke 85 – März 08
Fotos: Moravi Wien.Korea Cosa.Nostra Der Musikverein Kärnten bringt im März Der Burgenländer Thomas Stipsits zählt im nahe und ferne Klänge nach Klagenfurt. Am Moment zu den Shooting-Stars der österrei- 29. März (Konzerthaus) kann man sich bei chischen Kabarett-Szene und spielt in Wien Georg Friedrich Händels Messiah davon vor ausverkauften Plätzen. Nachdem er überzeugen, dass der Wiener Singverein zuletzt Sonne, Strand, Mythos und Meer und die Capella Leopoldina dem Stück die von Griechenland erkundete, bleibt er auch nötige Klarheit und Ausdruckskraft vermit- mit seinem neuen Programm dem sonnigen teln. Unter Dirigent Johannes Prinz sollte Süden treu. In „Cosa Nostra“ nimmt er Möllbrücke, Pfarrkirche, Schäden im Dachwerk das Oratorium wie schon bei seiner Urauf- Rache an der Stegersbacher Therme und und Blick auf den Westgiebel. führung in Dublin durch die Reduktion der erschießt treffsicher sein Publikum mit Mittel farbig und zeitgemäß umgesetzt sein. einer Unmenge von Pointen. Wer Opfer des Neben diesen pastoralen Klängen empfiehlt Mafioso Stipsits werden will, sollte ent- sich am 9. März mit Yim Hyun Suk (Foto) weder am 15. März in der Erlebnisbox in eine musikalische Reise nach Korea. Das Siemens-Forum wird nach der Einführung Villach oder am Tag danach auf der Alten Burg in Gmünd zu Gast sein. Ebenfalls in denk.mal von Prof. Ernest Hoetzl an diesem Abend Villach (15.3.) und in Gmünd (14.3.) liest durch die Verwendung von traditionellen der bekannte Triestiner Autor Veit Heinichen Möllbrücke, Pfarrkirche koreanischen Instrumenten ganz in fern- aus seinem „Totentanz“. BU hl. Leonhard östliche Klänge eingehüllt. MM Der Sturm „Paula“ im Jänner 2008 hat nicht nur in Kärntens Wäldern enorme Schäden verursacht, sondern auch viele Vier.Berge.Lauf Tanz.Theater denkmalgeschützte Bauten in Mitleiden- schaft gezogen. In Möllbrücke klafft der- Am 4. März erfolgt Seit über zwanzig Jahren ist Andrea K. Schlehwein in diversen zeit ein riesiges Loch über dem Langhaus bereits vier Wochen vor künstlerischen Bereichen wie Tanz/Choreographie, Oper, der spätgotischen Pfarrkirche, weil drei dem Dreinagelfreitag Lichtkonzepte, Soundtracks und Malerei tätig. Im Laufe der Sparrendreiecke der Dachkonstruktion mit dem Film Vier Ber- Jahre hat sich ein Netzwerk ähnlich Denkender gebildet, ein durch den Sturm völlig zerstört wurden. gelauf zwischen Brauch- Pool unterschiedlichster Künstlerinnen und Künstler, die Die derzeitige Instandsetzung des Dach- tum und Christentum zusammenkommen, wenn es das zugrunde liegende Konzept stuhles ermöglicht einen Blick auf die von Ferdinand Macek erfordert sowie finanzielle Mittel vorhanden sind. Im März sonst unter dem Dach verborgene Innen- (Universität Klagenfurt) arbeitet dieser Pool mit Schlehwein an der Spitze intensiv an seite des Westgiebels: Im mittelalter- der Startschuss zu der der ersten Kärntner Eigenproduktion „EngelFragmente“, die im lichen Mauerwerk sind noch die Gerüstlö- kulturellen Pilgerwande- Mai in der Lodronschen Reithalle in Gmünd zur Uraufführung cher zu sehen, die zur Aufnahme der hori- rung in Kärnten. Der gebracht wird. AT zontalen Tragbalken dienten, auf denen Film porträtiert Men- die Gerüstbretter auflagen. schen, die ein schönes Stück Heimat gefunden Sichtbare Spuren von Einschüssen in haben. Er beschreibt die jenem Bereich des Dachwerkes, der vom persönliche Beziehung Sturm verschont blieb, zeugen hingegen der Menschen zu die- von kriegerischen Auseinandersetzungen sem Brauch und ihren in der Vergangenheit. Sie könnten – wie stillen Glauben an die auch die Schusslöcher in der straßenseiti- Schöpfung. Im An- gen Fassade des Gasthauses „Post“ – aus schluss an den Film dem Jahr 1809 stammen, als Möllbrücke findet eine Diskussions- Schauplatz von Kämpfen gegen die Fran- runde statt. zosen war oder aus dem Jahr 1945, als EN die Amerikaner in unmittelbarer Nähe der Kirche Bomben abwarfen. G.K. Die Brücke 85 – März 08 9
Tradition künstlerischer Authentizität Über die Werner Berg Galerie und ihren Zubau. Die Galerie einst mit Werner Berg und seinem Enkel Harald Scheicher und im neuen Gewand von Peter Fleiß. Werner Berg war in vielfacher Hinsicht striellen und postindustriellen Konsum- lich-architektonische Lage mit den stark BAU.KÖRPER Pionier. In der österreichischen Kunst- gesellschaft zunehmend zum raren Gut wirksamen Elementen der sie umgeben- szene war er der Erste, der – von Ideen wird. Und auch auf diesem Gebiet war den Mauer, der wuchtigen Häuser, der der Lebensreform getragen – aus zivili- Werner Berg Pionier. Seine eigene Idee, zarten Hausgärten mit ihren kleinen sationskritischen Motiven ein selbst eine Auswahl seiner Werke auf Dauer in Werkstätten (ein paar Häuser weiter bestimmtes Eremitenleben in einer als einem eigenen Museum in jener Region liegt das Ensemble, in dem die Künstle- ursprünglich und unkorrumpiert emp- zu präsentieren, in der sie entstanden rin Kiki Kogelnik aufwuchs) bot dem fundenen Lebenswelt suchte. Land und waren, führte in den 1970er Jahren zur Architekten reichlich Motive, die er in Leute Unterkärntens schienen ihm Gründung der Werner-Berg-Galerie in seinem Entwurf transformieren konnte. geeignet, die permanente Suche der Bleiburg, die in einem der schönen Alt- Es spricht sehr für seine planerische modernen Kunst nach vorindustrieller stadthäuser am Hauptplatz unterge- Ausgewogenheit, den Zubau nicht mit Authentizität mit einem endlosen Schatz bracht wurde. Jahrzehnte vor dem der- Metaphern und Zitaten überfrachtet zu an visuellen Fundstücken zu befriedigen zeitigen Gründungsboom an Künstler- haben. So wurde nicht einfach der lokale – eine durchaus intellektuelle Konstruk- museen (Nitsch-Museum in Mistelbach, Stein verwendet, sondern eine sinnvolle tion, die das Gegenteil von Verklärung Frohner-Museum in Krems-Stein, Giron- Verbindung von traditionellem Umgang oder gar Folklore ist. Das war in den coli-Museum in Herberstein) hatte er mit diesem Material und zeitgenössi- 1930er Jahren und die nachfolgende NS- damit ein geradezu missionarisches Ziel scher Technik: Die Außenwände beste- Zeit war keine günstige Periode für der- erreicht: Moderne Kunst ist am Land hen aus Betonfertigteilen, deren Oberflä- lei Lebensexperimente, da die ländliche nicht nur als individuelles Lebensexperi- che mit Dolomitschotter belegt wurde. So Ursprünglichkeit damals für völlig ande- ment möglich, sondern auch als öffent- und ähnlich ging Fleiß auch in den übri- re Zwecke nachhaltig missbraucht wur- liche Institution, die weitreichende gen Bereichen des Baus vor. Innen gibt de. Es brauchte lange, bis dieses mutige Impulse setzen kann – sowohl in der es im Übergangsbereich zum alten Haus, Experiment wieder verstanden werden Kunstszene selbst als auch in der Ent- der taillenartig eingeschnürt ist, viel konnte und es ist vielleicht kein Zufall, wicklung eines regionalen kulturellen Holz und große Glaswände, und am dass gerade die Avantgarde der 1960er Bewusstseins und letztlich sogar im Tou- Dach, das mit seinen blechernen Sheds Jahre wieder ähnliche Ansätze verfolgte. rismus. Solche Projekte sind jedoch nur die Werkstättenatmosphäre der alten Zivilisationshype und Aussteigertum mithilfe strategischer Allianzen reali- Hinterhöfe sehr stimmig reflektiert, lagen damals eng nebeneinander und sierbar, und im Falle der Werner-Berg- bedient sich Peter Fleiß einer sehr lapi- nicht wenige Künstler begeisterten sich Galerie war es die Freundschaft mit dem daren Ästhetik, die nirgendwo mehr will zunächst für neue Techniken und Ma- ortsansässigen Unternehmer Gottfried als in diesem Kontext angemessen ist. terialien, bevor sie dieser Welt den Stöckl und die Unterstützung der Kärnt- Eine perfekte Hülle zwischen der Kunst Rücken kehrten und eine von Grund auf ner Landesregierung, die das Projekt im Inneren und dem Baugeflecht der neue, selbst bestimmte Lebenskon- nach und nach wachsen ließ. Bleiburger Altstadt-Rückseite rundher- struktion – wieder meist in abgeschiede- um. Auch in technischer Hinsicht ist das nen ländlichen Gebieten – wagten. Die Das neue Haus. Die Landesregierung Haus bemerkenswert – in den Außen- Motivation dafür lag auch im Unvermö- war es schließlich auch, die sowohl die wänden gibt es eine Niedertemperatur- gen traditioneller Kunstinstitutionen, Sanierung des alten Hauses als auch den heizung und das innere Beleuchtungs- der weit über traditionelle Werkbegriffe Zubau einer hochwertigen Ausstellungs- konzept ist einfach und effizient. Kein hinausgehenden Arbeit dieser notori- halle finanzierte – eine durchaus weit- Wunder, dass diese Bemühungen auch schen Grenzerweiterer, zu denen Walter sichtige Entscheidung. 2001 begann anerkannt werden. Als ältestes und Pichler, Hermann Nitsch oder Cornelius Architekt Peter Fleiß, der nach seinem eines der schönsten Künstlermuseen Kolig (siehe auch Seite 7) zählen, einen Studium an der TU Wien bei so bedeu- Österreichs war ihm ja von Anfang an adäquaten Produktions- und Präsenta- tenden Architekten wie Roland Rainer, einige Aufmerksamkeit sicher. Dennoch tionsrahmen zu bieten. Auch aufgrund Manfred Wehdorn und Boris Podrecca beeindruckt die Einhelligkeit der über- dieses Defizits der Museen wuchs so gearbeitet hatte, mit der Planung dieser aus positiven Rezeption in Medien aller nach und nach das Interesse an Künst- intelligenten und in ihrer Sprache Art und auch in der Fachwelt (Anerken- lermuseen, die in Frankreich mit zahlrei- äußerst knappen und stimmigen Anlage. nungspreis Kärntner Landesbaupreis chen Beispielen vom Musée Rodin über Ausgeführt 2002/03 durfte ich 2004 an 2005 durch eine prominent besetzte Jury das Musée Moreau bis zum Atelier Bran- ihrer ersten und zugleich erfolgreichen mit dem Schweizer Stararchitekt Daniele cusi schon seit Jahrzehnten etabliert Erprobung unter musealen Anforderun- Marques und dem renommierten Wiener sind und vom Publikum begeistert ange- gen mitwirken: Am Bleiburger Standort Architekturkritiker Otto Kapfinger). Die nommen werden. Ein Hauptgrund dafür der Landesausstellung „Eremiten-Kos- Tradition von künstlerischer Authenti- ist zweifellos das Authentizitätserlebnis, mopoliten“, welche die moderne Malerei zität, die einst Werner Berg an diesen Ort das man beispielsweise im Atelier von Kärntens zum Thema hatte, wurde das gebracht hatte, setzt sich so bis zu ihrer Cézanne in Aix-en-Provence sehr inten- beeindruckende internationale Netz- jüngsten baulichen Manifestation unge- siv erfahren kann. Authentizität ist werk an Künstlerfreundschaften von brochen qualitätsvoll fort. schließlich jene Qualität, die in der indu- Werner Berg präsentiert. Die städtebau- Matthias Boeckl 10 Die Brücke 85 – März 08
BAU.KÖRPER Die Brücke 85 – März 08 11
Bleiburg, 10.-Oktober-Platz 4, Tel. 04235/2110, Öffnungszeiten: Di 14-17 Uhr, Mi–So 10-13 Uhr u. 14-17 Uhr 30. März bis 1. Juni: 40 Jahre Werner Berg in Bleiburg. Von der Galerie zum Museum Oben links: Lilien und Rittersporn (1978) Oben Mitte: Werner Berg im Atelier (1954) Oben rechts: Händler (1952) Mitte rechts: Thomasnacht (1962) Darunter: Autobus (1969) Unten links: Katalog zum Jubiläum 2008 Unten rechts: Eisschiessen – Kleinsee (1967) 12 Die Brücke 85 – März 08
1979: der für die Galerie zuständige Vizebürgemeister Valentin Vauti mit Bergs Sohn Veit im Hintergrund. Ausstellung „Kranke und Blumen“: Der dicke Spitalsnachbar (1955), Die Augenkranken (1955). Veliki Podjunčan W. Berg/ Der große Jauntaler Werner Berg die Menschen bei der Maiandacht in Rinkolach, auf SPUREN.SUCHE Pri nastajanju sleherne slike stojim pred to svojo teªnjo zgubili. Podoba v naravi me dem herbstlichen Friedhof St. Michaels, bei einer ªivljenskim vpraπanjem, pravi prof. Wer- zajame – potem pride spet iz mene na Kulturveranstaltung in Globasnitz, wie wohl auch ner Berg in dostavi, vse moje misli kroªijo sliko. Gledano gre v skico, ideja potem v beim Bau des Kulturhauses in St. Primus. Überall siehst Du jene „steilen Gesichter“, fromme okli nje. Tako in morda πe bolj tudi zaja- sliko. Weiblein, den natürlich gewachsenen Jauntaler mejo slike 75-letnega umetnika marsika- Razen roª (ki jih slika v naravi), slika Boden, diesen leider oft verschandelt durch rohe terega obiskovalca stalne galerije na pli- prof. Werner Berg po πtevilnih skicah ki moderne Bauten, die wie aus dem Farbkatalog eines Super-Warenhauses herausgefallen berπkem glavnem trgu ter letoπnje jih je naredil poprej na mestu dogajanja. erscheinen. Überall erblickst Du die unrasierten posebne razstave v farni dvorani v Pli- ∑as, ki prete∑e pred sliko, je veliko Jauntaler Arbeiter, die als Kleinbauern nach geta- berku ter ga dovedejo do posebnega opa- vaªnejπi od ∑asa, v katerem slika sama ner Fabriksarbeit noch den heimischen Boden zovanja podjunskega ∑loveka in podjuns- nastaja, pravi umetnik, o katerem je bearbeiten, überall aber auch in den Strahlen der untergehenden Sonne die Blumen in jenen wun- ke narave – do gledanja skozi o∑ala Wer- zapisal neki znani umetnostni kritik, da derschönen Farben Werner Bergs mit dem nerja Berga. Spet in spet se zalotiπ, da si izumlja pred naravo impresivno. dunkelnden Hintergrund. pretvoril kako drevo, kako kme∑ko hiπo 20. maja so v Pliberku odprli v stalni Ich will nichts Museales schaffen, ich will dem Strom ali kakπno Podjun∑anko pred svojim galeriji Wernerja Berga letoπnjo razstavo der Zeit folgen. Die schöne Jauntaler Landschaft ist heutzutage fast schon ganz verbaut. Es ist furchtbar, notranjim o∑esom v ∑arobno sliko so∑nih pod naslovom »bolni in roªe« ter v wie schnell der Mensch sich daran gewöhnt. barv in temnih kontur, ki se je nisi mogel farovªu posebno razstavo ob umetnikovi Hier im Jauntal neigen die Menschen zu etwas dovolj navzeti pri πtevilnih obiskih raz- petinsedemdesetletnici. Leta 1955 je Archaischem, das jedoch mit Antiquiertheit nichts zu tun hat. Es wäre schlimm, wenn die Menschen stav profesorja Wernerja Berga. Omaml- moral preªiveti Werner Berg dolgo ∑asa v des Jauntales diese Schwere verlieren würden! Das jen si pri πmarnicah v Rinkolah, na bolnici, kjer so nastale skice bolnikov- Bild der Natur ergreift mich – dann kommt es aus jesenskem pokopaliπ∑u v πmihelu, pri sotrpinov, skice, ki jih je po ve∑ kot dvaj- mir heraus wieder ins Bild. Das Geschaute wandelt kulturni prireditvi pri πoπtarju v Globas- setih letih naslikal in so razstavljene z in die Skizze, die Idee dann ins Bild. Außer Blumen, die er nach der Natur malt, malt nici kot tudi pri udarniπkem delu na raznimi novimi slikami roª v stalni gale- Werner Berg nach zahlreichen Skizzen, die er gradbiπ∑u Kulturnega doma v riji. Roª πe dolgo po smrti svoje ªene nisem vorher am „Tatort“ angefertigt hat. Die Zeit, die πentprimoªu. Povsod vidiπ tiste »strme mogel slikati. Prof. Werner Berg v∑asih dem Bild vorangeht, ist viel wichtiger als die Zeit, obraze«, poboªne ªenice, naravno zraslo dan za dnem samo skicira, potem pa spet wo das Bild selbst entsteht, erzählt der Künstler, von dem ein bekannter Kunstkritiker geschrieben podjunsko pokrajino popa∑eno po surovi nekaj dni ali tednov samo slika. Lesorezi hatte, dass er vor der Natur impressiv erfinde. moderni zgradbi, ki obuja vtis, kot bi nastanejo πele po slikah in ne narobe, kot Am 20. Mai wurde in Bleiburg in der ständigen padla iz barvnega kataloga kake velebla- je to obi∑ajno pri drugih umetnikih. Galerie die Ausstellung „Kranke und Blumen“ und im Pfarrsaal die Sonderausstellung anlässlich des govnice. Povsod vidiπ neobrite podjuns- Franc Kattnig 75. Lebensjubiläums des Künstlers eröffnet. 1955 ke delavce-kmete, ki se lotevajo po svo- musste Werner Berg lange Zeit im Krankenhaus jem glavnopoklicnem delu v tovarni πe Bei der Entstehung eines jeden Bildes stehe ich verbringen. Dort sind damals die Skizzen seiner vor einer Lebensfrage sagt Werner Berg und Leidensgenossen, der Patienten, entstanden. Nach opravkov na doma∑i zemlji, vidiπ po fügt hinzu: Alle meine Gedanken kreisen darum mehr als 20 Jahren werden sie nun in geglücktem son∑nem zatonu roªe v tistih ∑udovitih herum. Ähnlich packen die Bilder des 75-jährigen Nebeneinander mit vielen (neuen) Blumenbildern Bergovih barvah s temnim ozadjem. Künstlers und führen ihn dazu, die Menschen und ausgestellt. Blumen konnte ich nach dem Tode No∑em ustvarjati nekaj muzealnega, die Landschaft des Jauntales besonders zu sehen, meiner Frau lange nicht malen. Prof. Werner Berg eben durch das Auge Werner Bergs. skizziert oft Tag für Tag, dann wird tage- oder ho∑em slediti toku ∑asa. Lepa podjunska Immer wieder ertappst Du Dich dabei, irgendeinen wochenlang nur gemalt. Die Holzschnitte entste- pokrajina je danes ªe skoraj zazidana. Baum, ein Bauernhaus, eine Jauntalerin vor hen erst nach den Ölbildern und nicht umgekehrt, Straπno je, kako se ∑lovek hitro navadiπ Deinem geistigen Auge umzugestalten in ein be- wie das bei anderen Künstlern meist üblich ist. na to. Tukaj v Podjuni teªijo ljudje k zauberndes Bild voll satter Farbe und dunkel ver- haltener Konturen, derer Du Dich nicht satt sehen arhai∑nosti, ki pa nima opravka s starins- konntest bei zahlreichen Besuchen der Ausstel- Text des legendären Hermagoras-Verlagsleiters, kostjo. Hudo bi bilo, ∑e bi ljudje v Podjuni lungen Werner Bergs. Benommen beobachtest Du Übersetzung aus dem Naü Tednik vom 31. Mai 1979 Die Brücke 85 – März 08 13
SPUREN.SUCHE Von der Galerie zum Museum – 40 Jahre Werner Berg in Bleiburg Ausstellung in der Oberlichthalle und sämtlichen Räumen des Werner Berg Museums Eröffnung: Sonntag, 30. März, um 11 Uhr. Öffnungszeiten: 30. März bis 1. Juni 2008, Di 14-17 Uhr, Mi-So 10-13 und 14-17 Uhr Podiumsgespräch mit Prof. Dr. Wieland Schmied am 31. Mai um 19 Uhr. Zur Jubiläumsausstellung erscheint ein 96 Seiten umfassender Katalog mit Beiträgen von Franz Smola, Matthias Boeckl und Harald Scheicher sowie historischen Textdokumenten und über 100 Abbildungen zum Preis von 9 Euro. wernerberg.museum Alle Bilder und Fotos: © Künstlerischer Nachlass Werner Berg – der Bruecke zur Verwendung freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Werner Berg: Kegelbuben (1967), Gründonnerstag (1959) 14 Die Brücke 85 – März 08
Anno 1968 führte die damalige Leiterin der Kärntner Landesgalerie mit Berg ein Interview über dessen Leben und Kunst – hier beim Malen vor seinem Atelier, die Familie 1955 (Ursula, Veit, Mauki, Werner, Annette, Hildegard, Klara) mit dem Hochobir im Hintergrund, beim legendären Ideensammeln auf den Märkten und mit dem Fahrrad unterwegs. Vor dem letzten Pinselstrich ist kein Maler zu preisen Werner Berg im Interview mit Lee Springschitz, 1968 Lee Springschitz: Ein Porträt Werner sem Entschluss kam. Sind Sie Bauer WB: Ja, da haben Sie völlig recht und SPUREN.SUCHE Bergs ist ein Porträt des Einzelgängers geworden um der Kunst willen? Aus dem ich habe das auch nie angestrebt. So sehr unter den Kärntner Malern. Während Bedürfnis dem Einfluss eines Kunstbetrie- es meine Malerei mit dem Land und mit unsere Maler wie Boeckl, Wiegele, Kolig, bes, eines städtischen, zu entrinnen? Oder dem ländlichen Menschen zu tun hat, bis zu einem gewissen Grade auch Cle- entsprang dieser Entschluss ganz allge- sieht sie doch in keinem Augenblick an mentschitsch in unserem Lande Schule bil- mein dem Bedürfnis sozusagen sein eige- der Zeit vorbei und gerade der Bauer dend gewirkt haben, steht das Werk Wer- ner Herr irgendwo zu sein? Und resultiert unseres slawisch beeinflussten Unter- ner Bergs als große geschlossene Einheit das Spezifische Ihrer Kunst aus diesem kärntens, seiner merkwürdigen Lebens- für sich allein da. Selbst vereinzelte Nach- Entschluss? bereiche, lebt in so dunklen Spannun- ahmer machten sich ja nur zögernd ver- Werner Berg: Als ich endlich die Mög- gen, dass eine Idyllik, eine bukolische schämt daran, die monumentale lichkeit hatte, nach Werkarbeit und Stu- Idyllik gar nicht aufkommen kann, so Zusammenfassung der Landschaft auf ihr dium mich der Malerei zu widmen, da dass es überflüssig ist, von Bauernmale- formales Urelement da und dort einmal war’s mir von Anfang an klar, dass ich rei zu reden. Ich habe es oft bedauert, auch zu versuchen. Ob Werner Berg da als aufs Land wollte. Einzig mit der Absicht dass die ländlichen Urkräfte, die man oft Pate zur Seite stand oder nicht, das bleibe unabhängig von den gesellschaftlichen etwas zu billig und leichtsinnig unter dahin gestellt, jedenfalls Schule bildend in Bedingungen zu leben und zugleich ein dem Namen Folklore oder zu tiefsinnig diesem eigentlichen Sinn war es nicht. Es Leben zu führen, dass voll sinnenstarker unter dem des chtonischen Urgrundes ist eine Einzelerscheinung. Es ist merk- Anschauung wäre. Das ist das Landle- zusammenfasst, in der Malerei eine so würdig, dass das was auf den ersten Blick ben. Das Bauersein war nur das Mittel geringe oder überhaupt keine Rolle spie- bei einem Bild von Werner Berg oder dazu. Es erforderte viel harte und sehr len. Während in den sonstigen geistigen einem Holzschnitt als einfach erscheint, reale Anspannung. Es bedingte ein sehr Strömungen, in der Literatur oder der sich am stärksten der Kopie verweigert. konkret durchgestandenes Leben. Und Musik etwa, das sehr wohl und immer Denn diese scheinbare Einfachheit ist das ist geradezu das Gegenteil von dem, was wieder kehrt. Ich denke ganz besonders Ergebnis einer strengen Schule, einer wirk- man leicht unterschiebt, nämlich eine an Ferdinand Ramuz, den Wadtländer in lichen, einer eisernen Selbstdisziplin. Es Flucht in die Idylle. der romanischen Schweiz, der die eng- stehen bei Werner Berg sowohl im Bilde Und es war niemals ein Widerspruch sten Beziehungen zur Sprachmetropole, wie im Holzschnitt die Motive so klar und zwischen Ihrem Leben und Ihrem Kunst- zur geistigen Metropole Paris unterhielt unverrückbar im Bildviereck, dass sie wollen? und zugleich völlig Wadtländer und anders gar nicht gedacht werden können. WB: Ein Widerspruch war es nicht. rustikaler Mensch war. Ich denke an Er ist ein Meister der Bildkomposition. beides hat sich ständig in polarer Span- Andriç, ich denke an viele andere, etwa Das aber ist nur eine Seite seiner Kunst. nung gehalten. Es war oft schwer. Wel- an unseren großartigen, in seinen Anfän- Das eingangs erwähnte Einzelgängertum cher Mensch leidet nicht unter den Span- gen so großartigen Johannes Lindner. resultiert auch aus einem ganz speziellen nungen dieses oder jenes Lebens. Zuletzt Eine Entsprechung dafür fehlt in der bil- und nicht wiederholbaren Lebenspro- aber war beides für beides befruchtend. denden Kunst. Entweder ist man tumb gramm, wie mir scheint. Werner Berg war In Ihren Bildern hat der bäuerliche und liebt die Heimat in einem sehr fal- nicht Bauer, er wurde es. Und damit ste- Mensch aber doch auch irgendetwas von schen und billigen Sinne oder man ist hen wir gleichsam beim ersten Pinsel- gefährdeter Existenz, etwas Fragwürdiges. ein Snob und schreitet darüber hinweg. strich, beim ersten Entwurf unseres Por- Und in diesem Sinne erscheinen mir Ihre Warum lehnen Sie eigentlich Bildmotive träts Werner Berg. Der ersten charakteri- Bilder auch vom Künstlerischen her eine ab, die nicht unmittelbar Ihrer Lebensum- stischen Linie. Und da wir ihn hier im Stu- besondere Aktualität zu gewinnen. Aber welt entstammen? Hat es Sie nie gereizt dio am Mikrofon haben, möchte ich ihn vor allem sind Ihre Bilder nicht das, was einen anderen Landschaftstyp oder einen als erstes auch gleich fragen, wie es zu die- man unter Bauernmalerei versteht. anderen Siedlungstyp, andere Menschen Die Brücke 85 – März 08 15
zu malen? Manchmal wenn ich z.B. in auf dieses Wort nicht verzichten und es Und das besonders Schöne ist, dass sich SPUREN.SUCHE Jugoslawien reise, in Istrien, im Inneren ist nicht zu leugnen, dass ich eine sehr dann dort ein ständiger Kern meiner des Landes vor allem, da denke ich: „Ach, bestimmte Klangfarbe in mir trage, die Arbeit darbietet und gezeigt werden kann. das wäre ein Werner Berg Motiv“ und da sich nach Ausdruck sehnt. Und das muss Ich könnte mir vorstellen, dass jeden wundert es mich manchmal, dass Sie aus durchaus nicht immer im Sinne eines Künstler von Rang die Frage beschäftigt, dem Unterland sozusagen als Künstler Wohlklangs sein, das kann auch sehr wo die schöpferischen Kräfte in der so viel- nicht herauskommen? wohl eine Dissonanz sein. gestaltig gewordenen Kunst unserer Zeit WB: Ja, ich verstehe das vollständig. Sie malen sehr viele nächtliche Bilder? liegen. Vielgestaltig, was das Material Und auch mir geht es so, dass mir viele Sogar nächtliche Selbstporträts im Spiegel betrifft, das angewendet wird, nicht min- Dinge in der Welt sehr gefallen, dass ich eines schwarzen Fensters. der aber die Inhalte und die Tendenzen. sie großartig finde, aber zur Gestaltung WB: Ja! Ja, das bringt wahrscheinlich Wir wissen, das Sie viele Fäden zu schöp- reizt mich dann doch nur mein eigener der Dunkelmann so mit sich. ferischen Menschen, auch auf literari- Lebensbezirk. Ich könnte gar nicht ein- (lacht) Und das Petroleumlicht, das es schen Gebiet, in Händen halten, im In- mal sagen, ich lehne das andere ab. Das früher auf Ihrem Hof gegeben hat? Das ja und im Ausland und dass Sie gewohnt ist eine Symbiose, die sich im auch die Stimmung macht. sind, trotz der Eingrenzung Ihres eigenen Zusammenleben herausgebildet hat, in WB: Ja es ist schon noch etwas ande- Werks auf Unterkärnten, auf Ihr eigenes der mir der Lebensbezirk, dem ich ver- res. Ich denke an das Wort Jean Pauls: Milieu, den Überblick über die Kunst der pflichtet bin, immer nur weiter und „In den Dämmerungen werden groß die Gegenwart nicht zu verlieren. Es ist unausschöpfbarer erschienen ist und Gefühle.“ Die Nacht stellt die große Form bekannt, dass Sie konzentrierte, oft nur aus dem heraus ich die Kraft für eine der Landschaft, der Begebenheiten, der einige Tage andauernde Reisen zu den gro- spezifische Arbeit immer wieder aufs menschlichen Situationen wieder her. ßen Kunstzentren unternehmen, Galerien Neue ziehe. Die Nacht und der Winter. Und drum besuchen und fast alle großen Ausstellun- Sie sagten unerschöpfbar. Sie machen fühle ich mich jenen im ganz besonderen gen, die jeweils gezeigt werden, sehen. hunderte von Skizzen, wie sie mir schon Maße zugezogen, nicht so sehr aus einer Nun, wo glauben Sie, wenn wir nun über öfter erzählt haben, auf Ihren Fahrten sentimentalen Anwandlung heraus als Ihr Porträt ein wenig hinausgehen dürfen, durchs Land meist per Rad. Wann halten um der Größe und Feierlichkeit der dass die schöpferischen Kräfte liegen? Sie eine Skizze für wert, zu einem Gemälde Gestaltungsmöglichkeiten. WB: So gut es ging und mir gegeben auszureifen oder zu Holzschnitten? Nun aber etwas anderes. Es entsteht war, habe ich mich immer bemüht, an WB: Das kann ich im Einzelnen nicht doch in Bleiburg eben ein Museum Werner den geistigen Entscheidungen der Zeit beantworten. Es ist so, dass ich nie Ein- Berg oder eine Galerie Werner Berg, die nicht vorüberzugehen. Und mir ist auch zelheiten skizziere, nie einen Typus, Ihre Bilder zeigen wird. Wenn ich bedenke, jetzt noch jede Beunruhigung lieber als eine Szene, sondern immer in der dass in der Landesgalerie, in Ihrer „Abtei- jede Selbstberuhigung. Nur weiß ich, der Impression zugleich das Bild finde. So lung“, wenn man so sagen kann, wo wir ich keineswegs ein Held von großer Ent- dass jede Skizze ein Bildgedanke ist. In acht Gemälde zeigen, auch nicht annä- schiedenheit im Leben und im Denken allen diesen Begegnungen, in diesen hernd ein Querschnitt durch Ihr Werk bin, nur weiß ich im Eigensten mit einer Abenteuern des Zeichnens, des sich Aus- gegeben werden kann, drängt sich mir die merkwürdigen Genauigkeit, was ich zu setzens der Natur, den Begebenheiten Frage auf, wird die geplante Galerie einen tun und was ich zu lassen habe. Und das gegenüber sucht man aber doch letzten solchen Querschnitt bieten, sowohl was ist glaube ich das, worauf es ankommt, Endes nur die Entsprechung für sich die Entwicklung betrifft, von den Anfän- dass man nicht gegen Dinge polemisiert, selbst, für sein eigenes Inneres. Und so gen bis zur Gegenwart, als auch, was die die einen nicht schmecken, von denen sind dann zuletzt die Skizzen bildträch- reiche Motivik betrifft? man eines Tages vielleicht auch anders tig, in denen man sich selbst im Leben WB: Ja, die Entstehung der Bleiburger belehrt würde, das man ohne Hader, das der Anderen wieder findet. Galerie ist mir im Augenblick noch ergreift, was einem aufgegeben ist und Was bedeutet Ihnen die Farbe? Ist sie selbst wie eine Wundergeschichte. Sie mit aller Anspannung der Kräfte ver- ein gesteigertes Signal für den angespro- ist durch eine merkwürdige Fügung wie sucht, es durchzuführen und zu einem chenen Gegenstand? Ist sie ein reines von selbst entstanden und sie ist sowohl guten Ende zu bringen. Stimmungselement? Ist sie ein primäres für mich sehr schön und ich hoffe auch Ja so gut auch immer Sie informiert Kompositionselement? Können Sie das für die schöne Stadt Bleiburg. Da ist ein sind, es spiegelt sich eigentlich nicht in sagen? Werk, das im Lande entstanden ist, in Ihrer Kunst wider. In Ihrer Kunst, in Ihren WB: Ich müsste alle drei Elemente den Spannungen aus den Spannungen Bildern sind Sie eine Einheit, die von gleichzeitig bejahen und betonen, wobei unserer Zeit, und dorthin wieder zu- außen her völlig unbeeinflusst erscheint. zuweilen das eine oder das andere vor- rückkehrt. Es ist auch dort kein umfas- WB: Nur dürfte dieses Beharren nie zu herrscht. Jedenfalls ist die Farbe für sender Überblick möglich, aber doch ein einem Erstarren führen. Und diese Kraft mich etwas Primäres, etwas Tonange- sehr beachtlicher Querschnitt, in dem der Erneuerung glaube ich, muss man in bendes, so sehr, dass auch bei meinem man dann meine Arbeit, glaube ich, zum sich spüren oder man müsste aufhören Holzschnitt das reine, das pure Schwarz- ersten Mal im vollständigen Zusammen- oder längst aufgehört haben. Dann wäre Weiß nur aus der Farbe heraus entstan- hang und Zusammenspiel sehen kann. man eben an dem Punkte angelangt, an den ist, sogar recht eigentlich eine Stei- Denn eigentlich stellen Sie ja in Kärnten dem Cesare Pavese einst Schluss mach- gerung der Farbigkeit in ihrer scheinba- wenig aus? Es liegt schon Jahre zurück, te. Ich hoffe bis zuletzt, nicht dahin zu ren Negation bedeutet. Von den Worten, glaube ich, im Eröffnungsjahr der Galerie kommen, ich hoffe. Zuletzt aber gilt das die Sie anführen, von den Begriffen, 61, 1961 … (Anm. d. Red.: Galerie des „nemo ante mortem“ und das heißt für käme ich kaum um das Wort Stimmung Architekten Rudolf Nitsch in der Klagen- den Künstler: Vor dem letzten Pinsel- herum, wenn es nicht so sentimental furter Bahnhofstraße) strich ist kein Maler zu preisen. abgegriffen, so gefühlig wäre. Aber wenn WB: Ja, meine letzte größere Ausstel- ich dann an die Klangfarbe denke, die lung liegt schon Jahre zurück. Am 20. Dr. Leopoldine Springschitz, bis 1975 Leiterin der 1965 wiedereröffneten Kärntner Landesgalerie, jeder Mensch in sich trägt, an das Mai soll das Museum eröffnet werden, in führte das ORF-Radio-Gespräch. Gestimmtsein, so könnte ich dann doch einer kleinen und inoffiziellen Form. 16 Die Brücke 85 – März 08
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