BERLINER CHORSPIEGEL - GEMEINSAM STATT EINSAM - Chorverband Berlin
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Ausgabe 2/2020 BERLINER CHORSPIEGEL GEMEINSAM STATT EINSAM Kreative Lösungen aus der Chorszene - ansteckend und gesundheitserregend 75 JAHRE BEFREIUNG JUNGES CONSORTIUM DIE SONNTAGS- VOM FASCHISMUS BERLIN KONZERTE 1 + 2 Unsere Werte beim internationalen Kammerchor- Konzertrezensionen Wettbewerb Marktoberdorf
2 EDITORIAL Chorspiegel 2/2020 Liebe Chorfreundinnen schend. Es ist nachvollziehbar, dass Frau Heinz- und Chorfreunde, mann den Schritt jetzt gehen will, aber wir können und wollen auch sagen, dass wir das bedauern. Frau „Covid-19“ ist das ak- Heinzmann hat 12 Jahre lang die Finanzen und die tuelle Thema. Kon- Buchhaltung im Chorverband Berlin geführt. Sie hat zerte sind abgesagt, die Overso betreut, bei den Projektmitteln beraten Proben finden nicht und die Abrechnungen geprüft. Dass sie dabei immer statt – das Deutsche korrekt war, muss ich gar nicht erwähnen, das weiß Chorfest ist davon auch jede/r von uns, der/die mit ihr zusammengearbeitet betroffen. Die Absage bei hat. Ach, Frau Heinzmann, wir werden Sie vermis- einer Anmeldung von über 500 sen! Der Chorverband Berlin wünscht Ihnen einen Chören war schmerzlich – allerdings hoffen wir, dass guten Übergang in den nächsten Lebensabschnitt die Chöre ihre Reisekosten stornieren konnten und und bedankt sich bei Ihnen für Ihre Arbeit für die keine großen Ausfälle haben werden. Allen angemel- Berliner Chöre! deten Chören wird allerdings noch das „Mitteldeut- sche Liederbuch“ mit dem Programmheft zugestellt – und wir freuen uns schon auf das Chorfest in Leipzig, wann immer es stattfinden wird. Ihre Hart trifft das Virus unsere Chöre in Berlin. Durch die Absagen der Veranstaltungen fehlen auch die da- mit verbundenen Einnahmen. Die Chorleiter*innen, Solist*innen und Orchester sind diejenigen, die zum großen Teil als Freiberufliche unsere Unter- stützung brauchen – und die der Stadt Berlin und des Bundes. Sonderprogramme werden in Milliar- denhöhe aufgelegt, wir hoffen sehr, dass gerade die IMPRESSUM: Herausgeber: Chorverband Berlin e.V. Freiberufler*innen mit unbürokratischen Zuschüssen Anschrift: Alte Jakobstr. 149, 10969 Berlin abgesichert werden! Auf unserer Homepage finden Telefon: (030) 2822129, www.chorverband-berlin.de Sie die Programme der Landes- und Bundesebene Redaktion: Geschäftsstelle Chorverband Berlin zur Überwindung der wirtschaftlichen Auswirkun- www.chorverband-berlin.de gen der Krise sowie Hinweise und Tipps. Wir stehen www.facebook.com/chorverbandberlin solidarisch an der Seite der Musiker*innen! www.twitter.com/cvb_berlin Layout: Kathrin Holighaus „Meiden Sie die sozialen Kontakte“ war die not- Fotos: S. 2: privat, S. 3: li. oben Bertram Maria Keller, wendige Aufforderung, damit die Ansteckungsraten re. mittig Sonari Hering, li. unten Stephan Röhl, re. durch das Virus möglichst gesenkt werden können unten Bundesarchiv_Bild_183-J31345, S 4: li. oben und unser Gesundheitssystem einsatzfähig bleibt. Stephan Röhl, re. Oben Frank Loehmer , li. mittig CVB, Nun gibt es seit Kurzem eine Kontaktsperre – aber re. Mittig DCV , S. 5: re. oben Screenshot CVB, S.6: re. im Netz gibt es genug ansteckungsfreien Raum! Ge- oben Screenshot CVB, S 8-9: Thomas Bender, S. 10-13: Stephan Röhl, S. 14-15:Vinzenz Weissenburger, Ruth nau den versuchen zurzeit viele Musiker*innen und Weissenburger, Bertram Maria Keller, S. 16: NKC S17: Chöre mit ansteckendem Gesang zu besetzen. Wir Philipp Willmroth, S. 20: Sonari Hering, S. 21: oben werden über die Initiativen berichten – schauen Sie Simon Hartling, li. oben Michael Setzpfand, li. mittig auf unsere Homepage und in den entsprechenden Stephan Röhl, li.unten Klemens Renner, mittig li. Sonderteil in diesem Chorspiegel. Nico Herzog, mittig re. Paul Kramer, re. mittig Robert Lehmann, unten mittig T. Borsuk, re. unten Thomas Weil nichts bleibt, wie es war, will ich mich an dieser Stäbler S. 22: re. oben/re. mittig Cornelia Lembke, li. mittig/re. unten CVB Stelle im Namen des Chorverbands Berlin bei Frau Illustrationen: freepik.com Karin Heinzmann für ihre Mitarbeit bedanken. Frau Druck: Brandenburgische Universitätsdruckerei und Heinzmann hat sich entschlossen, in den Ruhestand Verlagsgesellschaft Potsdam mbH zu gehen. Die Entscheidung hat sich zwar abgezeich- Einzelheft: 2,00€ + Porto net, sie kam dann im Endeffekt aber doch überra- Anzeigenannahme: chorspiegel@chorverband-berlin.de Unterstützt von:
Chorspiegel 2/2020 1/2019 INHALTSVERZEICHNIS 3 VERBAND / ÜBER UNS Editorial ........................................ 02 Singen von zu Hause ..................... 04 Covid-19 Erfahrungsbericht ........ 08 Musikausschuss ........................... 21 MITGLIEDER / AKTUELLES Danke, Frau Heinzmann ............... 23 Gewinnspiel / Rätsel ..................... 22 Junges Consortium Berlin in Marktoberdorf ........................... 14 NKC meets Gimme5 ....................... 16 HXOS Chor / Praga Cantat ............... 17 Offener Brief vom Sonari Chor ........................... 20 KONZERTE / FESTIVALS Sonntagskonzert 1: „... der größten Liebe aber bedarf die Erde“ ........................... 10 Sonntagskonzert 2: „Kontraste“ - Musikalische Begegnungen zwischen gestern und heute ........................ 12 VERANSTALTUNGEN 75 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus ............. 19 Chorkalender 2020 ...................... 24 REZENSIONEN Gavin Bryars / Requiem ............... 18
4 VERBAND / AKTUELLES Chorspiegel 2/2020 __________ __________ RS CH OB EN A B G E S A G T_ _______ __ VE _ _______ _ _ SONNTAGSKONZERTREIHE 2020 KARNEVAL DER KULTUREN __________ __________ RS CH OB EN RS CH OB EN _______ __ VE _ _______ __ VE _ TREFFEN DER SENIORENCHÖRE CHORFEST LEIPZIG FÄLLT AUS! DIE BERLINER CHORSZENE BLEIBT ZUHAUSE - SINGT ABER NICHT ALLEINE! Die Tipps vom Chorverband Berlin L iebe Sänger*innen, liebe Freund*innen der Chor- zu suchen. Liebe Chöre, diese wertvolle Arbeit verdient musik, niemand kann sich der aktuellen Situation Respekt und auch weiterhin Honorar. Bitte unterstützen entziehen, das Virus ist real und es ist zu bezwingen. Sie Ihre Chorleitungen in dieser schwierigen Zeit. Wir werden zusammen diese Zeit überwinden. Schicken Sie uns außerdem Geschichten, Bildmaterial von Ob das im Kleinen als Einzelperson oder als Gesellschaft Ihren Ideen auch abseits des Singens, wie Sie zusammen mit im Großen ist, jede*r von uns kann einen Beitrag leisten. Ihren Kindern die Zeit sinnvoll und humorvoll ausfüllen. Ich danke schon jetzt allen, die uns als Chorverband Berlin Wir möchten auf unserer Website und im nächsten Chor- dabei unterstützen. spiegel beispielhaft darüber berichten. Es sind die kleinen Unsere Geschäftsstelle ist momentan nur per Mail erreich- Dinge, die uns Mut machen: Nachbarschaftshilfen, Singen bar. In unserem weiteren Umfeld wurde jemand positiv auf auf dem Balkon und vieles andere mehr. Achten Sie auf sich das Virus getestet, dem gesamten Team wurde durch das und Ihre Nächsten, helfen Sie und lassen Sie sich helfen. Gesundheitsamt häusliche Quarantäne verordnet. Der Be- Aktuell wissen wir auch noch nicht, was für Folgen das troffene hatte sich bei einer Probe infiziert. Wir stehen im neue Leben zu Hause haben wird. Vielleicht erleben wir Kontakt, es geht ihm gut. in einigen Monaten einen Babyboom, den wir auch genau- Diese neue Situation nehmen wir an und haben komplett so professionell meistern werden. Dazu braucht es Eltern, auf Homeoffice umgestellt. In Telefonkonferenzen stim- Großeltern und generationsübergreifende Chöre!!! men wir uns ab und informieren Sie weiterhin über unsere Herzlichen Dank an alle fleißigen Mitarbeiter*innen des Website sowie Facebook und Instagram. Gesundheitswesens, der Polizei, Feuerwehr, ÖPNV, Müllab- Wir erhalten schon jetzt von unseren Chorleiter*innen fuhr und des Handels und der öffentlichen Verwaltungen. verschiedene Beispiele und Varianten der Probenarbeit in diesen Zeiten. Sie investieren schon jetzt viel Zeit und Gerhard Schwab, Geschäftsführer des CVB, im Namen des Energie, um nach weiteren Möglichkeiten des Chorsingens gesamten Teams vom Chorverband Berlin
Chorspiegel 2/2020 VERBAND / AKTUELLES 5 1. DIE DIGITALE CHORPROBE W as für aufregende Zeiten! Unsere gewohn- ten Chorproben sind momentan unmög- lich. Doch wir zeigen hier verschiedene Alternativen. Wir haben uns mit der Software Zoom mal etwas genauer beschäftigt und unsere Erfahrungen in Bezug auf digitale Proben zusammengefasst. Denn Singen setzt Glückshormone frei und das brauchen wir zurzeit. Schaut euch unseren vollständigen Leitfaden an unter https://www.chorverband-berlin.de/ fileadmin/user_upload/zoom-Leit- faden.pdf 2. ONLINE MITSINGEN K lingt super, aber ihr traut euch das technisch nicht zu? Nicht jede Chorleitung kann diese anspruchsvolle Lösung anbieten. Was also tun, Der Berliner Chorleiter wenn dein Chor für Wochen pausiert? Georg Baumgärtner hat Täglich, fast stündlich, entstehen neue Initiativen für schnell reagiert und am gemeinschaftliches Singen über das Internet, die für alle 23.03. einen Online-Chor offen sind. Wir stellen euch hier drei davon vor und hal- gegründet. Jeder kann mit- ten euch über unsere Facebook Seite auf dem Laufenden: machen und als erstes das www.facebook.com/chorverbandberlin/ 4-stimmige Stück „Dust in Wir freuen uns auch über jeden Tipp von euch - schreibt the Wind“ erlernen - anhand uns eine E-Mail: info@chorverband-berlin.de von Videos und Übe-Tracks. Wer seine Stimme sicher kann, nimmt sie auf und schickt sie per E-Mail, sodass am Ende mit technischer Hilfe der volle Chorklang entsteht. https://onlinechor.wordpress.com/ Musikproduzent Dieter Falk hat Großes vor: Ein Chor- Die Kirchengemeinde St. Gertrudis in musical! Der Ur-Aufführungstermin von „Bethlehem“ NRW möchte auf musikalische Be- steht fest: der 05. Dezember 2020 in Düsseldorf, 2500 gleitung ihres Taizé-Gottesdienstes Sänger*innen aus ganz Deutschland sind dafür ange- Ende April nicht verzichten. 6 Lie- meldet und in den Startlöchern für die Proben. Da diese der werden mit Hilfe von YouTube- jetzt nicht wie geplant stattfinden können, wird auf On- Videos einstudiert, man kann eine line-Proben ausgewichen und Dieter Falk öffnet diese für Handy-Aufnahme einschicken, die alle! Noten könnt ihr gratis herunterladen und entweder dann technisch zu Chormusik umge- den Live-Streams folgen oder mit Aufzeichnungen auf wandelt wird. YouTube arbeiten. www.singenzuhause.de https://youtu.be/BqFVPDF_Ja0
6 VERBAND / AKTUELLES Chorspiegel 2/2020 3. ZU HAUSE SINGEN CHOR IN DOSEN | FOLGE 1 Der Chordoktor Ilja Panzer zeigt euch in der ersten Folge von „Chor in Dosen“ zwei verschiedene Bodypercussion- Rhythmen zum Nachmachen zu Hause. Denn auch wenn wir zu Hause bleiben, können wir uns mit Spaß und Freude der Musik widmen. Also hoch vom Sofa und mit- gemacht! Präsentiert vom Chorverband Berlin Schaut euch das Video an und folgt dem neuen Kanal unter https://youtu.be/NzUbEj7Ax7s CARUS MUSIC - DIE CHOR-APP Chormusik erleben. Jederzeit. Überall. Carus music, die Chor-App, bietet ein ganz neues Chormu- sik-Erlebnis und eine innovative Möglichkeit, die eigene Chorstimme mittels innovativem Coach zu erlernen. Spie- lend leicht kann jede Stelle in den Noten „angesprungen“ werden. Eine tolle App für klassische und geistliche Chor- musik, die nun in der Zeit, da Covid-19 Chorproben ver- bietet, sehr hilfreich ist. https://www.carus-verlag.com/digitales/carus-music-die-chor-app/ FAQ: ZU HAUSE SINGEN | Keine falsche Scheu! ICH KÖNNTE ZU LAUT SEIN ZU HAUSE KRIEGE ICH DAS IRGENDWIE NICHT SO HIN Innerhalb gesetzlich geregelter Uhrzeiten hat mensch das Recht, zu Hause laut zu sein. Das Nimm in Abstimmung mit deinem Vocal Coach haben auch die Nachbarn mit lauter Musik, deinen Unterricht auf. Zu Hause kannst du dich bellenden Hunden, tobendenKindern, tönen- beim Üben daran orientieren und das Erarbeitete dem Werkzeug und so weiter. Genau wie du. nachvollziehen. Nebenbei hörst du dich selbst, kriegst eine neue Perspektive auf deine Stimme. WAS DENKEN DIE NACHBARN ...UND DIE BEGLEITUNG? Die müssen da durch. Du kannst auch beson- ders rücksichtsvoll sein und deinen unmit- Auch wenn du kein Instrument zur Hand hast, telbaren Nachbarn Bescheid geben, dass es helfen dir youtube, spotify und Co. mit unzähligen jetzt mal für ein Weilchen laut werden könnte. Karaoke-Tracks und Playbacks. Auch Apps zum Could be an ice breaker. Töne finden und Töne angeben gibt es zuhauf. ICH BIN NICHT ALLEIN IN DER WOHNUNG UND JETZT: LOS! Bitte deine Mitbewohnenden um Verständnis. Vielleicht können sie in der Zeit den nötigen Einkauf machen oder frische Luft schnappen. Elisabeth Schubert, Oder die tollen Kopfhörer mit noise reduction Chorleiterin und Gesangslehrerin, hat aus aktuellem Anlass ausprobieren, die sie neulich gekauft haben. ein paar Infos zum Singen zu Hause zusammengestellt. Oder sie hören dir lieber zu. Alles ist möglich. WWW.ELISABETHSCHUBERT.DE
Chorspiegel 2/2020 MITGLIEDER / AKTUELLES 7 4. CHORFUNK Konzertbesuche fallen bis auf Weiteres aus, aber das ist noch kein Grund, auf gute Chormusik zu verzichten. Wer mal Pause von der täglichen Covid-19-Nachrich- tenflut machen möchte, kann sich zum Beipspiel im On- lineradio IMTAKT rund um die Uhr Chormusik aus ganz Deutschland und aus allen Genres anhören. https://laut.fm/imtakt Auch den Vocalmusik Podcast VOCALS ON AIR können wir sehr empfehlen. Informative Beiträge rund ums The- ma Chormusik in Deutschland: https://soundcloud.com/vocals-on-air Der Sender Deutschlandfunk Kultur widmet sich eben- falls regelmäßig dem Thema CHORMUSIK - alle Beiträge können online nachgehört werden. https://www.deutschlandfunkkultur.de/chormusik.1093. de.html Auch interessant: der Podcast CHOR DER WOCHE: https://www.deutschlandfunkkultur.de/podcast-chor- der-woche.2172.de.podcast.xml 5. KULTUR IM WOHNZIMMER KonzertZUhaus Das Konzerthaus Berlin zeigt jeden Tag etwas ganz Spezi- kann sich jetzt für drei Monate kostenlos für das Online- elles: Ob Live-Konzerte, Mitmachangebote oder Schönes Angebot registrieren lassen. aus dem Archiv. Vorbeischauen lohnt sich! https://www.voebb.de https://www.konzerthaus.de/de/konzertzuhaus Visit Berlin Philharmonie Berlin | Digital Concert Hall Nicht nur für Tourist*innen ist diese Seite ein guter Rat- Auch die Philharmonie Berlin bietet aufgezeichnete Kon- geber zum Thema Kultur und Bildung. In den aktuellen zerte, Backstagevideos und Dokumentarfilme online an. Tagestipps kann man unter anderen virtuelle Museums- Für 30 Tage gibt es das Digital Concert Hall Ticket kos- rundgänge durchlaufen. tenlos. https://www.visitberlin.de/de/tagestipps-veranstaltun- https://www.berliner-philharmoniker.de/titelgeschich- gen-berlin ten/20192020/digital-concert-hall/ Berlin(a)live Livestreams aus allen Bereichen der kulturellen Szene, von Bibliotheksrundgängen, Lesungen, Vorträgen bis hin zu Konzerten und Filmen ist hier alles verfügbar. Immer live: https://www.berlinalive.de/ Bibliothek digital Obwohl die Bibliotheken geschlossen haben, kann man sich weiterhin online Bücher, Filme, Musik und Zeit- schriften ausleihen. Wer noch keinen Ausweis hat,
8 VERBAND / AKTUELLES Chorspiegel 2/2020 treten durften. Als wir eine halbe Stunde später den Platz mit einer Quarantäneauflage verließen, hatte sich bereits eine muntere Schar an Testwilligen eingefunden. Zwei Tage später erfuhren wir von unserem „positiven“ Befund. Gesundheitlich gestaltete sich die folgende Woche als nichts, woran man sich gerne erinnert. Die Höhepunkte des Tages waren die Anrufe des Gesundheitsamtes, wel- ches kontinuierlich unseren Gesundheitszustand abfragte. Chorintern erfuhren wir, dass unser Chor relativ großflä- chig betroffen sein musste. Dann setzte eine Phase ein, in der das Telefon nicht mehr still stand und Mails und Messenger einen auf Trapp hiel- ten. Die Akkus unserer Festnetztelefone konnten wir gar nicht so schnell nachladen, wie die Anrufe reinkamen. Die Anteilnahme aus allen Richtungen wollte kein Ende neh- men. Es war anstrengend und rührend zugleich zu erfah- ren, wie groß doch die Anteilnahme wird, wenn die Infek- tion plötzlich ein Gesicht bekommt. Unter unserer Glasglocke mussten wir erfahren, wie die Welt um uns herum sich dramatisch verän- derte. Da wir immerhin das Glück haben, COVID-19 POSITIV uns bis zum Gartenzaum bewegen zu dür- fen, hat- Ein Erlebnisbericht von Thomas Bender, ten wir unsere nächsten ehemaliger Geschäftsstellenleiter des CVB Nachbarn darüber infor- miert, sich von uns fern Bernau, 30.03.2020 zu halten. Wenige Minu- ten später fanden wir im Erfahrungen eines Corona-Patienten in der Quarantäne, Briefschlitz unserer Haus- der es geschafft hat, die Geschäftsstelle des CVB in Qua- tür einen A4-Bogen mit rantäne zu schicken und dem gerade das besonders pein- den besten Genesungs- lich ist… wünschen und dem An- gebot, uns gerne bei der Gemeinsames Singen stärkt die Gesundheit, allerdings Versorgung zu helfen. nicht in Covid-19-Zeiten! Diese Erfahrung habe ich nun machen müssen, meine Frau auch. Wir singen beide im gleichen Ensemble. Plötz- lich haben wir erleben müssen, mit welcher Boshaftigkeit dieses Virus zuschlägt. Einmal im Kontakt, gibt es kein Seither gibt es bei uns Entrinnen. morgens frische Bröt- Aber wir wollen ja nicht jammern. Die Kunst ist, allem et- chen zum Frühstück. was Gutes abzugewinnen. Der erste Einkauf war Wenn man plötzlich rein körperlich von der Außenwelt sogar mit einem wun- abgeschnitten ist, entwickelt sich im Kokon eine kleine ei- derschönen Strauß Tul- gene Welt. Also mal der Reihe nach: pen garniert. Vor 14 Tagen ging es meiner Frau nicht gut, sodass sie erst mal eine paar Tage zu Hause blieb. Drei Tage später kratzte Drei Häuser rechts von es mir leicht im Hals und ich nahm das einfach mal zum uns hat eine Ärztin Anlass für einen größeren Einkauf. Toilettenpapier war ihre Praxis und betreut, wohlgemerkt nicht dabei. trotz Ruhestand, noch Kurz darauf, am Samstagabend, erreicht uns die Mail, wir ihre ehemaligen Patien- hätten in der Chorprobe möglicherweise Kontakt zu einer ten. Von dort erhielten wir einen Anruf und können uns Covid-19-positiv getesteten Person gehabt. Gewissenhaft nunmehr jeder Zeit ärztlichen Beistand per Telefon von wendeten wir uns also an das zuständige Gesundheitsamt, nebenan einholen. Als Patient, der den Berliner Hausarzt erhielten zwei Stunden später, noch am Sonntag, einen nicht aufsuchen kann, hat dieser Aspekt etwas Beruhigen- Termin zum Covid-19-Test. Nach längerem Suchen fan- des. Die Hilfe kommt oftmals von da, wo man es nicht er- den wir hinter dem Krankenhaus Bernau ein kleines Zelt wartet! und waren die ersten, die in dieser Schicht durch die Tür Meine Tochter habe ich ungebeten in die Quarantäne ge-
Chorspiegel 2/2020 MITGLIEDER / AKTUELLES 9 schickt, da ich Ihr dummerweise einen Besuch abgestattet verbal in Stücke gehackt und neu zusammengesetzt. In hatte. Nun betreibt sie ihre Arbeit online. Eine Erfahrung, diesem Telefonat heute passierte das Gleiche, nur anders die sie nicht unbedingt machen wollte, die sich aber lang- herum. Die Diskussion brachen wir bei der „Schere zwi- fristig möglicherweise als Segen herausstellt. Zwänge ma- schen Arm und Reich“ ab. Irgendwie scheinen wir mit dem chen erfinderisch und eröffnen plötzlich neue Perspekti- Segen der letzten 30 Jahre auch nicht gänzlich glücklich zu ven. sein. Neue Erkenntnis: Ich bin wohl doch ein Jammerossi! Außerdem gibt es da noch die Verwandtschaft. Per Telefon Also wieder den Fernseher an und die Probleme des Tages ist zum Beispiel zu klären, wie man mit dem Opa umgeht, verfolgen… der auf die 94 zugeht und der bestgehütete Teil der Fami- Ein kluger Wirtschaftler erklärt, dass wir die Wirtschaft lie ist. Er lebt in der eigenen Wohnung und verfolgt mit langsam wieder hochfahren müssten, damit der wirt- großer Anteilnahme, was um ihn herum so passiert. Der schaftliche Schaden nicht größer wird als der gesundheitli- Familienrat hat beschlossen, natürlich digital, dass der ein- che am Menschen. Das raubt mir gleich wieder den Schlaf, zige Zugang zu ihm analog über unsere Schwester erfolgt. denn irgendwie kann ich das nachvollziehen. Die Existenz Sollte der Opa an die frische Luft wollen, verlässt er mit des Einzelnen hängt eben nicht nur an der Gesundheit, Handschuhen an den Fingern die Wohnung, macht einen sondern auch an der Integration in die Gemeinschaft oder Spaziergang um den Block und kommt kontaktfrei wieder noch einfacher, am Job. Pessimistisch betrachtet droht uns nach Hause zurück. eine Rezession, die uns mal locker um Jahre zurückwer- Wir als Covid-19-Patienten werden telefonisch fen kann. Das macht einem schon Angst. Also auf dem Laufenden gehalten und mit spe- versuche ich mich als Berufsoptimist ziellen Postwurfsendungen und Vita- und schaue einfach mal anderen minspritzen überrascht. über die Schulter und stelle fest, dass in kürzester Zeit Dinge Und wieder gibt es einen tele- passieren, für die wir vor vier fonischen Ärztinnenbesuch. Wochen noch jahrelange Der Befund ist trotz gefalle- Überzeugungsarbeit hät- nen Fiebers noch nicht so, ten leisten müssen: wie man das im Gesund- Wie war das doch gleich heitsamt gerne hätte. Per mit meiner Online- Post folgte die Verlänge- Tochter, die inzwischen rung der Quarantäne um ihre Teamsitzung über eine weitere Woche. Aber „Jitsi-Meet“ stattfinden das Verständnis für dieses lässt? Die Schule mei- Virus scheint langsam Ge- ner Frau macht Schullei- stalt anzunehmen - bei uns, tungssitzung per Telefon. wie beim Gesundheitsamt. Die Schulen der Stadt fin- Man gewinnt das Gefühl, dass den Wege, die Kinder digital alle Entscheidungen, die getroffen mit Lernaufgaben zu versorgen. werden zunehmend zielführend und Die Produktion und der Handel in erfolgreich sind. Uns erfüllt Dankbarkeit lebenswichtigen Bereichen eröffnen in und Hochachtung vor dem, was das Gesundheits- kürzester Zeit Wege, unter den Bedingun- wesen leistet. gen der Isolation weiterzuarbeiten. Der Begriff „Schwar- Die Verbindung zur Außenwelt wird nun also eine weite- mintelligenz“, den ich bisher nur mit Frank Schätzing in re Woche nur auf elektronischem Wege möglich sein. Der Verbindung gebracht hatte, greift in allen Bereichen der Fernseher schaltet sich inzwischen regelmäßig von alleine Gesellschaft und bringt Lösungen hervor, wie sie nur in ab und die Telefonate sind zunehmend politisch-philo- Krisenzeiten entstehen. Sollte es nicht sogar möglich sein, sophisch motiviert. Man hat halt Zeit zum Nachdenken. dass diese aktuelle Krise uns technologisch, politisch und Noch vor zwei Monaten wurde „Fridays for Future“ von moralisch weiter voran bringt, als wir es bis jetzt wahrneh- den einen gefeiert und von den anderen verdammt und men? Daran sollten wir arbeiten! jetzt streckt uns ein kleiner Virus den Mittelfinger entge- Derzeit ist deutlich zu spüren, wie einfühlsam sich die gen. Wir beginnen zu sortieren, was die Probleme in der Menschen untereinander begegnen, auch wenn es mit ei- Welt sind, die es wirklich zu lösen gilt. Stehen Rendite, nem Mindestabstand erfolgen muss. Man ist verführt, den Vormachtstellung und mein ganz persönlicher Lebens- Augenblick festhalten zu wollen. standard im Vordergrund oder bin ich ein Teil einer gro- Im Moment leben wir ganz privat in der Hoffnung, bald ßen Gemeinschaft, die sich umeinander sorgt? wieder Anteil am öffentlichen Leben zu haben und als „ge- Mein alter Freund aus Kindertagen rief an. Wir telefonier- heilt“ ein Stück Zuwendung zurückgeben zu können. So ten eine Stunde. Anschließend erinnerte ich mich wieder, soll es sein! dass wir schon zu DDR-Zeiten endlose politische Debat- Thomas Bender ten geführt hatten. Damals wurden Partei und Regierung
10 Cappella Vocale Berlin ... DER GRÖSSTEN LIEBE ABER Leitung: Carsten Albrecht Junges Consortium Berlin BEDARF DIE ERDE Leitung: Vinzenz Weissenburger Vokalkolleg Leitung: Sabine Fenske SONNTAGSKONZERTREIHE 2020 U nsere Sonntagskonzertreihe ist seit vielen Jah- Neu in diesem Jahr ist der geänderte Vorverkauf. Es be- ren ein Garant für anspruchsvolle Aufführun- steht nun die Möglichkeit, online Tickets zu erwerben, gen Berliner Chöre. Eine Teilnahme an einem sodass ein großer verwaltungstechnischer Aufwand im der sechs Sonntage ist mit einem gewissen Chorverband Berlin wegfällt und die Besucher*innen Aufwand verbunden, denn die Konzerte zeichnen sich ihre Tickets ganz bequem per E-mail nach Hause ge- durch ein Miteinander von mindestens drei verschiede- schickt bekommen können. Die Chöre haben zusätzlich nen Chören aus. Darum treffen sich die durch eine exter- die Möglichkeit, mit einem personalisierten Link eigen- ne Jury ausgewählten Ensembles im Vorfeld und bespre- ständig Karten für ihr Konzert zu verkaufen und dadurch chen ihre Ideen und den Programmablauf. Die einzelnen Geld in die Chorkasse einzuspielen. Konzerte im Kammermusiksaal der Philharmonie Ber- lin stehen jeweils unter einem bestimmten Thema, dass Tickets und alle weiteren Informationen zu kommenden durch die Zusammenarbeit der Chöre noch eine zusätz- Terminen erhalten Sie unter www.chorverband-berlin.de. liche Tiefe bekommt. So wird dieser gemeinsame Auftritt zu einem besonderen und einmaligen Konzerterlebnis für die beteiligten Chöre und die Zuhörer*innen.
Chorspiegel 2/2020 1/2019 KONZERTE / FESTIVALS 11 see a world“ von Sven-David Sandström beschlossen. Auch die zweite Konzerthälfte begann mit gemeinsam mu- sizierten Werken und machte deutlich, dass die Sonntags- konzertreihe immer wieder zu intensiven und nachhalti- gen Kooperationen anzuregen vermag. Die Cappella Vocale unter dem versierten Dirigat von Carsten Albrecht präsentierte in ihrem Block Werke von Hugo Wolf, Trond Kverno und Ola Gjeilo und bot damit ein in sich stimmiges Programm. In der Gestaltung hätte man sich manchmal mehr Ruhe gewünscht, die dem sonst souveränen Vortrag eine weitere Tiefendimension ver- DIE EINE, DIE WIR LIEBEN liehen hätte. Insgesamt wurde das Publikum Zeuge eines Selbstfindungsprozesses, der für das Ensemble sicher eine Nils Jensen langfristige Wirkung entfalten wird. D as erste Sonntagskonzert im neuen Jahr setzte Sabine Fenskes Vokalkolleg wusste mit musikalischem Ex- ein hörbares Zeichen zum Klimadiskurs. Denn periment zu überzeugen. Neben den beiden populären Ti- es drehte sich alles um die Liebe zur Erde. Ein teln „Words“ und „Mad World“ wurde das vormals avant- Konzertnachmittag aktueller und bedeutsamer gardistische 4‘33‘‘ von John Cage vorgetragen. Eine noch denn je. Zu Beginn lud Carsten Albrechts eindringliche größere Wirkung hätte das Werk sicher als stummer Schrei Chorimprovisation die zahlreichen Besucher*innen der am Beginn des Konzertes erzielt, als die Erwartungshal- Berliner Philharmonie dazu ein, einem globalen Thema tung im Saal am größten war. ganz persönlich zu begegnen. Über liegenden Klangflä- Nach der Zugabe – „Ver- chen wurde der Klimawandel erst thematisiert, dann ver- leih uns Frieden“ von leugnet und schließlich anklagend gefragt, wie wir es so Felix Mendelssohn – weit kommen lassen konnten. Unter dem Eindruck dieses sah man Publikum Appells wirkten die nachfolgenden Stücke - Ola Gjeilos und Mitwirkende Werke „The Fruit of Silence“ und „Wintertide“ - mahnend gleichermaßen nach. Auch wenn die melodische Umsetzung manchmal bewegt. Auch kleinteilig wirkte, war der Auftakt klanglich schön und wenn die Fra- machte Lust auf mehr. ge nach un- Im Folgenden stellte das Junge Consortium Berlin un- serer Verant- ter Leitung von Vinzenz Weissenburger insbesondere wortung für den mit der Uraufführung von „Forrest“ seine hohe Quali- Planeten letztlich tät unter Beweis. Mit dem Werk des US-amerikanischen unbeantwortet blieb, Komponisten Robert Cohen gelang die angestrebte berührte die Musik Symbiose von Ensemble, Leiter und Konzertsaal. Ne- einmal mehr auf ihre ei- ben großer Homogenität und musikalischer Perfektion gene Weise. zeigte das Junge Consortium eine Haltung innerer Über- zeugung, die sich unmittelbar auf den Zuhörer übertrug. Das erste Sonntagskonzert Der erste Teil des Konzertes wurde im Anschluss von 2020 erinnerte uns eindrucksvoll an den aktuell wichtigs- allen Chören gemeinsam mit dem eindrücklichen „To ten guten Vorsatz: Den Schutz der einen, die wir lieben.
12 KONZERTE / FESTIVALS Chorspiegel 2/2020 GARTENLIEDER OP.3 Vera Zweiniger A ls Fanny Hensel 1846 ihre „Gartenlieder“ op.3 Vielleicht hätte eine offenere Choraufstellung dem Natur- schrieb, lebte sie mit ihrem Mann Wilhelm geist der Lieder eher entsprochen. Hensel im Gartenhaus des elterlichen An- Die „Gartenlieder“ op.3 eignen sich ebenso für eine große wesens in Berlin. Gut möglich, dass Besetzung. Zu wünschen ist, dass sie bald Einzug der Anblick des großen Gartens sie in das Repertoire vieler Chöre halten. Eine zu den Liedern inspirierte. Die Texte klangliche Verwandtschaft mit „Lieder im romantischer Dichter wie Eichen- Freien zu singen“ des Bruders Felix dorff und Uhland durchschreiten Mendelssohn Bartholdy ist gut hörbar die Natur und streben ins Freie. und gewissermaßen Familienstil, wo- Die „Gartenlieder“ sind „anmu- bei Fanny Hensels Musik durch ganz tig“ und verbreiten einen „zärt- eigene und besondere harmonische lichen und poetischen Duft“, so Wendungen besticht. Wenn sie einst beschrieb sie treffenderweise enttäuscht über ihr Komponieren Robert Schumann. schrieb: „Was ist übrigens daran gele- Das Vokalensemble Acanto, beste- gen? Kräht ja doch kein Hahn danach hend aus 18 Mitgliedern unter der und tanzt niemand nach meiner Pfei- Leitung von Nataliya Chaplygina, er- fe.“, dann lässt sich ihr, auch durch diese öffnete das 2. Sonntagskonzert mit diesem Aufführung, entgegnen: Endlich doch! sechsteiligen Zyklus. Die kleine Besetzung sang sehr differenziert, mit überzeugender Gestaltung, Der zweite Teil des Konzertes stand unter dem Motto sicherer Intonation und guter Aussprache und konnte das „Kontraste - Musikalische Begegnungen zwischen gestern Publikum sogleich für Fanny Hensels Musik einnehmen. und heute“. Der Frauenchor Spandau und ein Studen- Acanto entschied sich für eine innige, fast kammermusika- tenensemble der UdK boten Musik von Karol Borsuk, lische Interpretation: Die Sänger*innen verzichteten auf Piotr Moss und Wolfgang Amadeus Mozart – wahrlich die Chorstufen, standen mitten auf der Bühne dicht vor Kontraste, die es zu verbinden galt. Teile verschiedener ihrer Chorleiterin. So hatten die Soprane mitunter Mühe, Messen wurden direkt gegenüber- und nebeneinanderge- einen vollen und runden Klang entfalten zu können. stellt, prallten fast aufeinander. Vokalensemble Acanto Leitung: Nataliya Chaplygina Frauenchor Spandau Leitung: Karol Borsuk Studentenensemble der UdK Leitung: Prof. Tomasz Tomaszewski
Chorspiegel 2/2020 KONZERTE / FESTIVALS 13 Piotr Moss, ein zeitgenössischer polnischer Komponist, In der Mitte des Konzertes stand schließlich das Cre- bildete mit seiner fast atonalen, aleatorischen und mitun- do aus der „Misdroy Messe“ von Karol Borsuk, der sein ter minimalistischen Musik einen deutlichen Gegensatz Werk auch leitete. Gesetzt für Sopransolo, Orgel, Klavier, zu den heiteren und unbeschwerten Messteilen der „Mis- Frauenchor und Kammerorchester bündelte es alle musi- sa brevis in B“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Einerseits kalischen Kräfte zu einem chorsinfonischen Gesamtklang. Mozart - klassisch mit Orgel und Streicherbegleitung, an- Das wortreiche Glaubensbekenntnis ist von Karol Borsuk dererseits die „Spandauer Messe“ von Piotr Moss - a cap- tonmalerisch erzählend gesetzt, musikalisch changierend pella und zeitgenössisch. Sie direkt miteinander zu kombi- zwischen dissonanten Klängen, aufleuchtenden Melodien, nieren, erwies sich als interessante und tragfähige Idee der Soundeffekten und rhythmisiertem Sprechen. Die 14 Da- „Begegnung zwischen gestern und heute“. men des Frauenchores Spandau repetierten in einfachen Das für dieses Konzert zusammengestellte Studentenen- Floskeln den gesungenen Messtext der Sopranistin. Scha- semble der UdK musizierte mit großer Aufmerksamkeit de, dass der Chorpart keinen gewichtigeren Anteil am mu- und Einfühlungsvermögen unter der Leitung von Prof. sikalischen Geschehen hatte. Tomasz Tomaszewski, der mit dem Violinsolo „Hommage Im Gesamtblick ein kontrastiver und abwechslungsreicher an Piotr Moss“ von Karol Borsuk den anwesenden Kom- zweiter Konzertteil. ponisten ehrte. Ein gemeinsamer Abschluss mit allen Ensembles des Kon- Die sich anschließenden „Variationen über ein Thema zertes, das Vokalensemble Acanto eingeschlossen, war von Mozart“ sind ein musikalischer Spaß für Streicher, ganz offensichtlich bei solchen Gegensätzen nicht möglich verschmitzt und kurzweilig zeigen sie die kompositorische oder wenig sinnvoll. Vielseitigkeit Piotr Moss‘. Das Studentenensemble hatte sichtbar und hörbar Freude am musikalischen Humor - das Publikum auch. KONTRASTE Musikalische Begegnungen zwischen gestern und heute
12 14 MITGLIEDER / AKTUELLES Chorspiegel 2/2020 JUNGES CONSORTIUM BERLIN beim internationalen Kammerchor-Wettbewerb Marktoberdorf S eit 1989 lädt Marktoberdorf Kammerchöre aus al- ten Eindruck von dem mitreißenden Sog, der sich in den ler Welt ein, im Rahmen eines mehrtägigen Festi- kommenden Tagen entfalten sollte. Die ganze Stadt schien vals vor einer malerischen Alpenkulisse vielseitige die Musik willkommen zu heißen mit Festivalplakaten und Konzerte zu geben, sich im Wettbewerb zu messen Konzerthinweisen an jeder Straßenecke. Selbst die Schau- und die verbindende Kraft von Musik zu zelebrie- fensterpuppen in den Modehäusern präsentierten sich ren. Durch den Anspruch, die exzellente mit Notenblättern statt Handtaschen im Arm. künstlerische Leistung im Wettbewerb Auf der Festwiese vor dem Modeon, der mit einem Fokus auf die freund- großen Veranstaltungshalle von Mar- schaftliche Begegnung und den koberdorf, veranlasste gleich unser internationalen Austausch erstes Einsingen eine Schar von zu verbinden, avancierte chorbegeisterten Menschen, der internationale Kam- Fotos und Videoaufnahmen merchor-Wettbewerb mit uns zu machen. Von Marktoberdorf rasch dem herzlichen Empfang zu einem der meist ge- der Stadt schon beflügelt, achteten Kammerchor- sprühten wir förmlich vor wettbewerbe weltweit. Energie, als wir zu unserem Im Jubiläumsjahr 2019 ersten Wertungssingen auf wurde das Junge Con- die Bühne traten. Markto- sortium Berlin unter berdorf bietet den teilneh- der Leitung von Vinzenz menden Chören neben der Weissenburger als einziger tadellosen Organisation ein Jugendkammerchor einge- zahlreiches und aufmerksames laden, neben 13 gemischten Publikum, das nicht weniger als Kammerchören aus insgesamt höchstes Niveau erwartet, was in uns 10 Ländern am Festival in Markto- eine einzigartige Spannung erzeugte. berdorf teilzunehmen. Für uns war so- Das Festivalgelände mit seinen ausladenden fort klar, dass wir dieser besonderen Einladung Wiesen und dem Festzelt, in dem alle Chöre gemein- folgen würden und so machten wir uns Anfang Juni von sam aßen und des Abends tanzten und sangen, bot den Berlin auf in Richtung Süddeutschland. Kurz nach unserer perfekten Raum, um die Anstrengungen des Wettbewerbs Ankunft am Bahnhof von Marktoberdorf be- von sich abfallen zu lassen und die anderen Chöre ken- kamen wir einen ers- nenzulernen. So ließen wir kaum eine Gelegenheit aus Freundschaften zu schließen, sei es beim Fußballspie- len mit den Schwed*innen oder beim gemeinsamen
Chorspiegel 2/2020 1/2019 MITGLIEDER / AKTUELLES 15 Volleyballspiel mit den Kubaner*innen und den Filipinos. Welche Offenheit und Bereitschaft zum fröhlichen Beisam- mensein zwischen den teilnehmenden Chören herrschte, zeigte sich, als der Chor aus der Türkei unter Bäumen sit- zend das „Abendlied“ von Joseph Rheinberger anstimmte und die Sänger*innen des Jungen Consortiums Berlin von der Liegewiese aufsprangen, um dort mit einzustimmen. Umrahmt wurden Wettbewerb und Aktivitäten auf dem Festivalgelände von allabendlichen Begegnungskonzerten, die von jeweils drei Festivalchören in verschiedenen Städ- ten der Region um Marktoberdorf gestaltet wurden. Abseits vom Druck der Wettbewerbsbühne begegnete uns vonsei- ten des Publikums vor allem eines: Dankbarkeit. Dankbar- keit für die schöne Musik, die sie von uns bekamen und die wir ihnen geben durften. Wenn sich das Publikum, wie bei unserem Konzert in Isny dazu hinreißen lässt, nach je- dem Stück stehende Ovationen zu geben, oder unsere In- terpretation von Helmut Barbes „In einem kühlen Grunde“ das Publikum in Kaufbeuren zu Tränen rührt, dann weiß ein Chor, wofür die intensive Probenarbeit geleistet wird. Nach einem Pfingstgottesdienst, den wir musikalisch be- gleiten durften, erbaten sich einige Kirchgänger*innen gar Autogramme von allen Sänger*innen unseres Chores. Den musikalischen Höhepunkt des Festivals stellte für das Jun- ge Consortium Berlin aber das zweite Wertungssingen des Wettbewerbes dar. Hier durften wir mit dem Stück „Nep- tunus“ von Michael Ostrzyga als einziger Chor in diesem Jahr der Jury eine Uraufführung präsentieren. Belohnt wur- de das Junge Consortium Berlin für seinen jugendlichen, hellen und klaren Klang mit dem Zertifikat „Achievement Level II - very good performance at an international level“. Das Ende der langen und anspruchsvollen Tage wurde dann im Geist des Festivals mit allen Chören im Festzelt bei Tanz und Trank begangen. Für das Junge Consortium Berlin wird das Festival in Marktoberdorf in besonderer Erinnerung bleiben. Wir durften die deutsche Chorszene auf internationalem Parkett vertreten und hatten die Mög- lichkeit, viele wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die uns menschlich wie musikalisch bereichern und motiviert in unsere sängerische Zukunft blicken lassen. Bericht von Julian Scharffenberg, Tenor im JCB
16 NKC MEETS GIMME5 DER NEUE KAMMERCHOR BERLIN ZUM JAHRESWECHSEL IN LUXEMBURG A m 30. Dezember 2019, deren Freund*innen im Gemeinde- konnte: Alle NKCler*innen wurden inmitten unserer Weih- saal Bechs zu überraschen, der nun anlässlich des Vereinsgeburtstages nachtspause, kamen wir in eine gold-funkelnde 20er-Jahre- auf einen Ehrenwein eingeladen. Bei Sänger*innen des Neu- Location, verwandelt war. Bei gutem Festreden und Ständchen, bei Pinot en Kammerchores Berlin aus allen Essen und ausreichenden Mengen Gris und Schnittchen konnte der erste Himmelsrichtungen Deutschlands in an Moselwein und –crémant wurde erfolgreiche Konzerttag so gemütlich Trier zusammen. Unser Chorluxem- gebührend, wenn auch nicht allzu ausklingen. Am 2. Januar war unser burger und Gastgeber Nik Bohnen- lange, ins neue Jahrzehnt reingefeiert. zweites Konzert angesetzt, diesmal im berger brachte die lustige Meute mit Am 1. Januar 2020 nämlich – nach ebenfalls voll besetzten Konzertsaal Hilfe von Freund*innen und Famili- einem Neujahrsspaziergang durch „ArcA“ in Bertrange. Nach zwei wun- enmitgliedern im Autokonvoi mitten die historisch bedeutsame Abteistadt derbaren Konzerten ging es für eini- ins Herz der Luxemburger Schweiz, Echternach – fand in der Dorfkir- ge von uns bereits zurück nach Ber- Beaufort. Nach einer erholsamen che Bech dann das besondere erste lin. Die verbliebenen NKCler*innen Nacht in der dortigen Jugendherber- Konzert statt: Es war Neujahrs- und durften am 3. Januar in der Kellerei ge trafen wir am nächsten Tag in der Jubiläumskonzert zugleich, denn der „Pundel-Hoffeld“ in Machtum an der Konzertkirche von Bech für eine erste NKC sang zum 100. Geburtstag des Mosel die Vorzüge der luxemburgi- gemeinsame Probe auf unser Partne- in Bech ansässigen Gesangsvereins schen Weinerzeugnisse genießen. rensemble Gimme5, ein A-cappella- „Chorale Ste Cécile Bech“. Gimme5 Niks Cousin Mathis ist in dem Fami- Männerensemble, das Nik mit vier gab den Auftakt mit einem bunten lienunternehmen seit ein paar Jahren Freunden noch zu Schulzeiten ge- Programm aus Bachchorälen und als Winzer tätig und erklärte uns mit gründet hatte. Am Nachmittag erwar- selbst arrangierten klassischen Wer- viel Hingabe die Geheimnisse der lu- tete uns eine Führung durch die span- ken, während der NKC unter der xemburgischen Winzerkunst. Ein ge- nende tausendjährige Geschichte der künstlerischen Leitung von Adrian meinsames Abendessen mit Gimme5 Hauptstadt und des Großherzogtums. Emans eine Stückauswahl aus der Re- in Beaufort bildete den Abschluss Doch was wäre ein 31. Dezember naissance und Romantik bis hin zu einer gelungenen Konzertreise und ohne eine schmissige Silvesterparty? zeitgenössischer Chormusik präsen- auch die letzten NKC-Mitglieder reis- Drei unserer Sängerinnen hatten sich tierte. Die aus allen Nähten platzen- ten am 4. Januar über Trier zurück frühzeitig von der Stadtführung da- de Kirche tobte vor Begeisterung, die nach Berlin. Einen schöneren Start vongeschlichen, um alle NKC-Mit- man auch beim anschließenden Fest- in das neue Jahr hätte es für uns alle glieder und Gimme5-Sänger sowie akt im Gemeindesaal noch spüren nicht geben können!
Chorspiegel 2/2020 MITGLIEDER / AKTUELLES 17 Der Tag begann für einige von uns sehr früh. Bereits um men je das Prädikat „gold“ verliehen, wobei die HXOS- kurz vor 7 Uhr verließ unser charmanter tschechischer Männer* auch gleich Sieger ihrer Kategorie waren. Die Zug den Berliner Hauptbahnhof Richtung Prag. Nach- Freude war groß – erst diesen März sind wir in dieser dem wir den Donnerstag noch für ausführliche Felden- Besetzung bei einem Sonntagskonzert in der Philhar- krais-Sessions, dadaistisch anmutende Sprechübungen monie das erste Mal aufgetreten. Die letzte Kategorie, und natürlich Singen nutzten, fielen die meisten von uns deren Preisträger*innen verkündet wurden, war die der erschöpft in ihre Betten. Am nächsten Tag, Freitag, gemischten Chöre, wo mit 7 Chören auch die meisten fand nämlich der eigentliche Wettbewerb antraten. Was dann kam, erweckt bei mir heu- statt, der dann am Samstag im Grand te noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Prix gipfelte, wo die besten Chöre aus „HXOS Chor Berlin!“ rief die Moderato- allen Kategorien gegeneinander an- rin plötzlich und im nächsten Moment traten. Chöre aus aller Welt, von sprangen wir auf und fielen uns in die Indonesien über Ungarn, Italien Arme. Die Konkurrenz, die wir erst und Lettland, waren angereist, vorhin beim Grand Prix bewundern um am 33. Praga Cantat teil- konnten, war groß – mit perfekt zunehmen. Im Wettbewerb gab einstudierten Choreographien, es sieben Kategorien, wobei der tollen Solostimmen und HXOS Chor Berlin mit seinem beeindruckenden zeit- Chorleiter Stelios Chatziktoris genössischen Stücken in dreien antrat hatten sie alle bewie- (Frauen*, Män- sen, dass sie ihren ner*, gemischt). Der Zeitplan war AUF INS „VIELBETÜRMTE PRAG“ Platz beim Wettbe- werb verdient hatten. ein logistisches Auch wenn wir auf Meisterwerk. Umziehen, Einsingen, Wettbewerb – Der HXOS Chor Berlin unsere Leistung stolz und das dreimal hintereinander (angezogen waren wir beim 33. Praga Cantat waren, wir waren doch dann allerdings schon). Der Frauen*chor trat als erstes wirklich überrascht, an, schließlich der Männer*chor und den krönenden Ab- dass wir die Kategorie schluss bildete der gesamte HXOS in seiner vollen Pracht. gegen alle anderen wunder- Am Ende des Wettbewerbstags stand eine Entscheidung baren Chöre gewonnen hatten. aus, die einen erheblichen Einfluss darauf hatte, wieviel Wir schrien uns die Kehlen aus dem Hals, jubelten und Pils an diesem Abend unsere Kehlen hinunterfloss. Un- trugen unseren Maestro Stelios das erste Mal nicht nur sere Delegation kehrte mit einer frohen Botschaft zurück. sprichwörtlich auf Händen. Ebenso freute sich der in- Und wieder hieß es früh ins Bett und nach dem Frühstück donesische Chor „Manado Catholic Choir“, der zum ab zur Probe, denn: Der HXOS Chor war im Grand Prix! Sieger des Grand Prix‘ gekürt wurde. Der HXOS Chor Wieder pferchten wir uns zum Einsingen in den kleinen Berlin hatte mehr erreicht, „als er zu träumen gewagt Frühstücksraum, stiefelten mit unseren Kleidersäcken hatte“. Für einige von uns war es der erste Chorwettbe- in den historistischen Prachtbau, der den Praga Cantat werb und nach Erfolgen in Deutschland konnte sich der beherbergt, und ehe wir es uns versahen, standen wir er- Chor nun auch international beweisen. Wir fuhren nach neut auf der Bühne. Während uns die Wettbewerbssitu- Hause mit 3 Gold-Prädikaten, zwei Kategoriesiegen und ation am Vortag noch verunsichert hatte, weil außer der einem Zusatzpreis für die herausragende Dramaturgie Jury nur wenige Zuschauer*innen da waren, war nun das des Wettbewerbsprogramms. Das Wochenende rundeten Publikum voll besetzt mit den anderen Chören und wir wir perfekt ab mit einem Stadtspaziergang im Regen und fühlten uns sofort wohl. Da wir als zweites antraten, hat- Chorgesang auf der Prager Burg, der Karlsbrücke und im ten wir auch Zeit, den anderen Chören zuzuschauen und Zug nach Berlin. Müde, heiser und voll von Eindrücken Applaus zu spenden. und Emotionen musste jede*r erstmal wieder in den All- Am Abend verwandelte sich der Konzertsaal in eine rie- tag zurückfinden. Und auch heute, wenn jemand unser sige Partyhalle. Die Preisverleihung wurde von Fanfaren Wochenende in Prag anspricht, kann man ein Glänzen in begleitet und höchstprofessionell moderiert. Die Span- den Augen aller sehen, die mit dabei waren: Das werden nung stieg. Der Männer*- und der Frauen*chor beka- wir so schnell nicht vergessen! Orlando Brix
6 18 REZENSIONEN Chorspiegel 2/2020 D er englische Komponist und Kontrabassist Ga- vin Bryars (geboren 1943), ist eine schillernde Musikerpersönlichkeit. Sehr verschieden sind seine musikalischen Stationen, die ihre Ver- wurzelung im Jazz nie verleugnen. Der Kontakt und die GAVIN Zusammenarbeit mit namhaften Komponisten wie John Cage oder Morton Feldmann beeinflussten und erweiter- BRYAR ten sein künstlerisches Profil. S Im Schott-Verlag erschien jüngst sein 2018 komponiertes REQUI Requiem. Vom Dutch National Ballet und dem Choreo- Rezens ion von EM graphen David Dawson in Auftrag gegeben, wurde es am 9. Februar 2019 in Amsterdam uraufgeführt. Thoma s Henn Vier Solisten, die auch im Chor mitwirken sollen, alter- ig nieren mit einer großen Chorbesetzung, die wenigstens 40 Mitwirkende erfordert (Ich denke, dass der Chor we- sentlich mehr Sängerinnen und Sänger braucht). Häufige Stimmenteilungen in Frauen- und Männerchorpassagen oder gar doppelchörige Einsätze lassen die zunächst über- sichtlich angelegte Partitur im Verlauf der 50 Minuten währenden Aufführungsdauer differenziert erscheinen. Das begleitende Orchester ist groß besetzt. Dreifache Holz- bläser (die auch eine Oboe d’amore einschließen) stehen den in frühromantischer Tradition besetzten Blechbläsern in Nichts nach (die erste Trompete alterniert mit einem Flügelhorn). Ergänzt wird diese Besetzung durch Harfe und einem großen Streicherapparat. Ein großes Aufgebot teilweise moderner Schlaginstrumente darf natürlich nicht fehlen, drei Musikerinnen oder Musiker müssen hierfür eingeplant werden. Die Tonsprache zu Beginn des Werkes verortet sich im Ele- mentar- Atmosphärischen, bevor sich die Musik einer frei- en Dur- Moll- Tonalität zuwendet, die auch bis zum Schluss nicht wieder aufgegeben wird. Vereinzelte Dissonanzen schärfen die an sich eher den Molltonarten verpflichtete Harmonik, sie übernehmen nur selten eine Störfunktion im Tonsatz. Rhythmische oder metrische Besonderheiten gibt es eigentlich gar nicht. Daher wirkt das Werk auf den ersten Eindruck leicht zugänglich, was jedoch trügt. Der Chorpart ist gelegentlich recht anspruchsvoll und er- fordert eine angemessene Zeit der Einstudierung. Durch die vorwiegend dunkel gefärbten Klänge der Musik, die so gut wie keine melodischen Orientierungspunkte bereit hält (von Ohrwürmern ganz zu schweigen), wird dem Zu- hörer wenig Gelegenheit gegeben, sich geschmeidig dem Hörerlebnis auszuliefern. Die Tempi sind durchweg eher langsam – vom Agnus Dei abgesehen. Das Requiem wirkt daher im Ganzen unentschieden in seiner ästhetischen Ausrichtung und lässt die notwendigen Kanten vermissen. Zudem beschränkt sich die Vorlage zur Vertonung auf den tradierten liturgischen Text. Uninteressant ist das Werk dennoch nicht und sollte in ei- nem ausgesuchten Konzertprogramm seinen Platz finden.
Chorspiegel 2/2020 VERANSTALTUNGEN 19 VERLEIH UNS FRIEDEN, GNÄDIGLICH 8. MAI 2020 Berliner Chöre erinnern an den Tag der Befreiung vor 75 Jahren Aktuell ist es notwendi- durch den ger denn je, eine Erinne- braunen Terror rung an historisch bedeutsame ihr Leben verloren Tage wach zu halten, zu pflegen oder haben. In diesem Jahr wird sogar eine Tradition zu begründen. am 8. Mai in Berlin nicht gearbei- tet, wir möchten den Tag nutzen, um in einem Gemein- Die Werte der Zivilgesellschaft der Bundesrepublik schaftskonzert zu gedenken. Vielleicht ergibt sich daraus Deutschland stehen in engem Zusammenhang mit den eine würdige Tradition. politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die das Erbe unserer Geschichte ausgelöst hat. Wir alle sind Wir, das sind: das Synagogal Ensemble Berlin (Lei- aufgerufen, wachsam zu sein. Nach den schrecklichen tung: Regina Yantian) und Isaac Sheffer, der Deutsch- Ereignissen der jüngsten Vergangenheit in Kassel, Halle Polnische Chor ‚Spotkanie’ (Leitung: Agnieszka und Hanau gibt es für niemanden mehr die Möglichkeit, Wolf), der Chor ‚Singflut’ der Kirchengemeinde St. sich unwissend der Verantwortung zu entziehen. Ludwig (Leitung: Jacobus Gladziwa) und der Berli- ner Oratorien-Chor (Leitung: Thomas Hennig). Der Die Kultur einer Zivilgesellschaft hat in dieser Hinsicht Chorverband Berlin unterstützt diese Veranstaltung. eine besondere Funktion, zumal, wenn die kulturellen Äußerungen aus der Mitte der Gesellschaft kommen, Am 8. Mai wollen wir um 16:00 in der Kirche wenn die Sprache der Musik aus der Breite einer großen St. Ludwig – Ludwigkirchplatz- unser Konzert unter Chorszene erwächst. Kunst und Kultur sind Reflektion dem Motto ‚Gib Frieden........ Berliner Chöre singen und Anregung zugleich. Die Chöre unserer Stadt können zum Tag der Befreiung’ mit Mendelssohns ‚Verleih sich – nach meiner persönlichen Auffassung- deshalb aus uns Frieden gnädiglich’ beginnen. Verschiedene dem wichtigen Diskurs unserer Zeit nicht heraushalten, Gäste aus Politik und Gesellschaft haben ihre Teil- wir müssen Stellung beziehen und eindeutige Haltungen nahme zu diesem Konzert in Aussicht gestellt. zeigen. Der Eintritt ist frei. Die Musik- und Kulturszene in Deutschland hat durch den Terror der Nationalsozialisten einen sehr großen Bitte beachten Sie aktuelle Informationen zu dieser Ver- und nachhaltigen Schaden genommen, der bis heute anstaltung auf der Website des CVB. nicht umfänglich aufgearbeitet wurde und in seiner letz- Gedenken wir gemeinsam der Opfer, erinnern wir uns an ten Konsequenz bis heute sichtbar ist. Daher kann heu- schwere Zeiten und die Gnade eines Neuanfangs, der uns te niemand darauf verzichten, Signale zu setzen, die uns in die Pflicht nimmt, dem Erstarken des Rechtsextremis- aufrufen, solidarisch gegen die Gefahr einer Wiederbele- mus und Rechtspopulismus klar und eindeutig entgegen bung nationaler Bewegungen aktiv zu trotzen. zu treten und dem musikalischen Widerstand gegen alle Für die gesamte Welt, den europäischen Kontinent und politischen Bewegungen und Parteien, die einen Rechts- auch Deutschland war der 8. Mai 1945 ein Tag der Befrei- ruck - in welcher Form auch immer - befördern, eine ung vom Krieg und von den Gewaltexzessen der Nazis, Stimme zu geben. ein guter Grund, heute der vielen Opfer zu gedenken, die Thomas Hennig
20 MITGLIEDER / AKTUELLES Chorspiegel 2/2020 Sonari-Chor Berlin e.V.: EIN OFFENER BRIEF , Liebe Sängerinnen und Sänger en Ideen. Unsere Vorstel- So suchen wir immer nach neu rdy) Krause. Ich bin Mitglied anderen Männerchören, mein Name ist Reinhard (Ha lungen gehen auch dahin, mit e.V. Unser Verein besteht en, zu kooperieren. Dabei im Verein Sonari-Chor Berlin die das gleiche Schicksal hab der. Davon pflegen z. Zt. 30 ten, dass die Identität des seit 1957 und hat 120 Mitglie würden wir streng darauf ach ng. Das Repertoire ist sehr ibt! Am Ende zählt doch Sänger den Männerchorgesa jeweiligen Chores erhalten ble beinhaltet ca. 600 Titel. Wir udeutsch: Sound). Natür- vielseitig. Unser Notenarchiv das geschlossene Klangbild (ne ernchöre und Operetten- sein, dass der eine oder an- singen Lieder der Klassik, Op lich kann es doch aber auch elodien. Besonders pflegen „Chorspiegels“ Interesse am bzw. Musical- und Schlagerm dere von euch Lesern des ed. hat. wir auch das deutsche Volksli Singen in einem zweiten Chor fass end e Arb eit unseres Chorleiters Volker Durch die um 4-stimmig zu singen. In den Groeling sind wir in der Lage, en wir Konzerte bis weit über Jahren unseres Bestehens gab ndenburg hinaus. Chorrei- die Grenzen von Berlin und Bra ische Länder und darüber sen führten uns in viele europä die USA. hinaus in die Sowjetunion und uns gern willkommen. Ich Auch diese Männer sind bei dass sich eine Gruppe von könnte mir auch vorstellen, n findet, die ganz nach ih- gleichgesinnten jungen Sänger n als s.g. Chor im Chor sich rem Geschmack und Interesse igent ist für alle musikali- bei uns etablieren. Unser Dir echende Pädagoge. Unsere schen Stilrichtungen der entspr auch in sozialen Einrichtun- Rathaus Schöneberg. Dort Selbstverständlich singen wir Probenstätte ist im legendären Familienfeiern. Besonders 18 bis 20 Uhr. Auf unserer gen, bei Betriebsjubiläen und treffen wir uns donnerstags von sönlichen, familiären Um- w.sonarichor.de findet Ihr erwähnen muss ich den per umfangreichen Homepage: ww Vereins. Hier stehen die ge- er Chor- bzw. Vereinsleben gangston innerhalb unseres weitere Informationen über uns Unterstützung im Vorder- n der von uns produzierten genseitige Hilfsbereitschaft und sowie auch diverse Hörprobe en sich Sänger, Förderer und h, dass unser Chor gemein- grund. Einmal im Monat treff CDs. Erwähnen möchte ich noc geselligen Beisammensein. ten Chor am 12. Septem- Freunde nach der Probe zum sam mit dem Erkschen gemisch n der Zeit am Bestand un- nzert mit dem Titel „Lieder Allerdings nagt auch der Zah ber 2020 in der Urania ein Ko nkheitsbedingt haben wir schön, wenn du dabei wärst. seres Chores. Alters- und kra der Romantik“ gibt. Es wäre e Sänger verloren. Ich weiß in den letzten Jahren viele gut nnerchor mit diesem Prob- mich über eine Antwort auch, dass wir als Berliner Mä kultur elle n Im Namen aller Sänger würde ich lem nicht allein dastehen. Bei der Vie lfalt des ibe mit Sängergruß das nicht ver wu nde r- auf meinen Brief freuen und verble t ist Angebots in unserer Hauptstad jun ge Mä nne r ein em anderen Hobby zu- lich, wenn sich . Reinhard (Hardy) Krause wenden, als gerade dem Singen h an sich zu arbeiten lin e.V. Denn Chorm itgl ied zu sein hei ßt auc gelu n- 1. Tenor, im Sonari-Chor Ber ings ist es nac h ein em und üben, üben, üben. Allerd Tel.: 0176 96 73 89 35 l, den Applaus des Pu- ail.com genen Konze rt ein erh ebe nde s Ge füh nge n in E-Mail.: haro.pberg@googlem schnel l die An stre ngu blikums zu genießen. Da sind ver ges sen . Un d ger ade deswegen möchten wir den Proben teren Bestehen festhalten. Sänger des Sonarichors am wei
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