KAPAZITÄTEN IN DER BAUBRANCHE - QUO VADIS WOHNUNGSBAU IN BERLIN? DIE LANDESEIGENEN - WBM
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KAPAZITÄTEN IN DER BAUBRANCHE QUO VADIS WOHNUNGSBAU IN BERLIN? DIE LANDESEIGENEN UNTERNEHMENSKOOPERATION
Editorial ................................................................... 3 Empfehlungen ......................................................... 4 1 Baubranche als Flaschenhals ................................. 8 2 Mangelressource Arbeitskraft ............................... 14 3 Angebot und Nachfrage im Praktiker-Check .......... 20 4 Baurecht und Regelwerke ..................................... 32 5 Industrialisierung im Neubau ................................ 38 6 Bauen in Berlin 2019 plus ...................................... 46 UNTERNEHMENSKOOPERATION
EDITORIAL EIN LANGER SOMMER MACHT NOCH KEINE GUTE ERNTE Situation 2018 Liebe Leserinnen und Leser, Wohnungsneubau und vor allem preiswertes Wohnen sind der Schlüssel zur Sicherung der sozialen Mischung unserer Städte und für das Wachstum in Berlin. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften degewo, GESOBAU, Gewobag, HOWOGE, STADT UND LAND und WBM sind mit aktuell rund 4.000 neuen Wohnungen pro Jahr (2018) eine wesentliche Stütze neben den privaten Wohnungsbauträgern, die überwiegend – aber nicht nur – mittlere und obere Preisklassen im Wohnungsmarkt bedienen. Beiden Gruppen, öffentlichen wie privaten Bauträgern, macht das Thema „Baukapazitäten“ von Monat zu Monat mehr Sorgen. Wieviel kann angesichts der hohen Baunachfrage durch die Bauwirtschaft überhaupt noch gebaut wer- den? Zu welchen Kosten, mit welchen Methoden, in welcher Qualität und mit welchem Planungshorizont? Die vorliegende Studie wurde bei bulwiengesa und Drees & Sommer be- auftragt, um einen aktuellen und objektiven Statusbericht mit den zentralen Informationen zum Thema zu erhalten. Zentrales Element ist dabei eine de- taillierte Befragung sowohl bei Bauträgern/Projektentwicklern wie auch bei Bauunternehmen. Im Ergebnis zeichnet sich ein notwendiger Wandel ab. Entweder zu enge- ren Partnerschaften zwischen Bauherr und Bauwirtschaft oder zu einfacheren Planungs- und Bauprozessen oder auch zu neuen, industriellen Verfahren im Neubau. Oder allem gleichzeitig. Lesen Sie selbst, wie die Vorschläge für eine bessere und höhere Leistungsfähigkeit im Wohnungsneubau aussehen. Die Landeseigenen UNTERNEHMENSKOOPERATION 3
EMPFEHLUNGEN Berlin hat im Kontext der knappen Baukapazi- täten eine besondere Position. Wie in anderen deutschen Städten ist der hohe Wohnungsbe- darf auf der Nachfrageseite für mehrere soziale Gruppen zunehmend problematisch geworden. Auf der Angebotsseite sind die Verlässlichkeit von Planungen, spezifische Vergabegesetze, eine zweigliedrige Administration etc. beson- dere Risikofaktoren, die den Bauprozess etwa für Generalunternehmer oder -übernehmer oftmals erschweren und unsicher machen. Am deutlichsten schlägt sich eine solcherart be- schriebene Situation in den aktuellen Bauprei- sen nieder, die in Berlin deutlich stärker anstei- gen als im deutschen Durchschnitt. Empfehlungen aus der vorliegenden Studie zur kurz- und mittelfristigen Lösung von Kapa- zitätsproblemen gehen an Politik, Verwaltung, Wohnungsbaugesellschaften und Bauwirt- schaft. UNTERNEHMENSKOOPERATION 4
Die statistische und fachliche Analyse wie auch die aktuelle empirische Befragung unter Projektentwick- lern, Bauträgern und Bauunternehmen haben akute und kurz- bis mittelfristig behebbare Problemstellun- gen in folgenden Feldern ermittelt: ◃ Öffentliche Ausschreibungsverfahren: Um bei Aus- schreibungsverfahren für Bauleistungen eine gute Wettbewerbsposition zu haben, wird eine Ver- schlankung empfohlen. Ein guter erster Baustein ist die IHK-Präqualifizierung für Ausschreibungs- verfahren. ◃ Bauvolumen: Langfristige Verstetigung kann mit- telfristig ein wichtiger Anreiz für die Bauwirtschaft sein. Die Baupipeline und Bonität der Landeseige- nen sind ein Wettbewerbsvorteil. ◃ Baurechtschaffung und -genehmigungen: Für bes- sere Planbarkeit und Verstetigung wird die Etablie- rung und Gewährleistung fixer Verfahrensdauern durch die Verwaltungen benötigt. ◃ Unterschiedliche Handhabung des Baugesetzbu- ches und möglicher Ermessensspielräume bei Pla- nungs- und Baurechtschaffung: Einrichtung einer bezirksübergreifenden „Projektgruppe Baugeneh- migung“ in der Senatsverwaltung. ◃ Fachkräftemangel und knappe Ressourcen am Arbeitsmarkt: Mittelfristige Verbesserung durch • Erweiterung der Ausbildungspalette um neue, modernere – ggf. stärker industriell geprägte – Bauberufe • Geregelte Migration/Einwanderungsgesetzge- bung • Imagebildung durch positives Marketing der Ausbildungsberufe ◃ Unverändert geringe Vorfertigungstiefe im Bau: Ausbau der Fertigteil- und Modulbaukapazitäten zur Erhöhung des Volumens und der Leistungsfä- higkeit bei gleichzeitiger Etablierung einer Vielfalt des Angebots ◃ Schnittstellen- und Informationsverluste in der Pla- nung und Bauausführung sowie dem Gebäudebe- trieb: Einführung digitaler Verfahren/BIM (Building Information Modeling) für Errichtung und Betrieb. UNTERNEHMENSKOOPERATION 5
Dieses Spektrum an Maßnahmen gegen den Mangel an Baukapazitäten dürfte weitgehend eher mittelfristig wirken, sodass nur ein Verweis auf die aktuelle Pro- blematik an alle beteiligten Stellen und eine dem Woh- nungsbau verpflichtete Beherztheit auch kurzfristig Resultate ergeben kann. Neben mehr Ermessenspiel- räumen in Genehmigung, Ausschreibung, Vergabe und Planung steht vor allem das weitere Anwachsen der Beschäftigung im Bausektor im Fokus. Hier spielt eher auf der volkswirtschaftlichen als auf der regionalen Ebene auch die Bundespolitik eine Rol- le, die ähnlich wie in anderen Wirtschaftsbereichen das grundlegende Problem der Arbeitsressourcen auch in der Bauwirtschaft adressieren sollte. Das geplante Ein- wanderungsgesetz dürfte mittel- und langfristig eine zentrale Rolle spielen. Möglicherweise müssen auch die Planungen für den Wohnungsneubau den relativ neuen Faktor der knappen Baukapazitäten stärker als bislang berück- sichtigen. Modellrechnungen in dieser Studie auf Ba- sis der Datengrundlage weisen auf notwendige Adap- tionen hin. Mischpult für die Aktivierung von Bauleistung Schlanke Verstetigtes Fixierte Neue Erhöhte Mehr Informations- öffentliche Aus- Landes- Baugenehmi- „Projektgruppe Attraktivität modulares kontinuität schreibung und bauvolumen gungsdauer Baugeneh- der Bauen BIM Entscheidung migung“ Bauberufe Ist-Zustand Soll-Zustand UNTERNEHMENSKOOPERATION 6
Auch mit einem avisierten Anstieg von jährlich rund zehn Prozent der regionalen Baubeschäftigten in den kommenden drei Jahren, wie es unter anderem in der Befragung der Bauunternehmen postuliert wurde, sind nennenswerte Steigerungen des aktuellen Bauvolu- mens in Berlin kurzfristig schwierig. Die Autoren gehen entsprechend der Argumenta- tionen der vorliegenden Studie von einem möglichen Steigerungspotenzial von zusätzlich 1.350 Einheiten pro Jahr im öffentlichen und privaten Wohnungsbau aus. 2018 sollten damit knapp 12.700 und im kommen- Fertigstellung neuer Wohneinheiten den Jahr ca. 14.000 Geschosswohnungen – allein auf in Mehrfamilienhäusern Berlin 2017–2020 Basis der leicht wachsenden Baukapazitäten – mög- lich sein. 20.000 Ohne eine Umstellung auf modulare Bauweisen sowie eine schnelle digitale Umstellung im Geneh- Neue Wohneinheiten migungs- und Bauprozess wird ein Niveau von etwa 15.000 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr in Berlin, wie im Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 eingestellt, ge- 10.000 fährdet sein. Es kommt auf eine kluge Dynamik bei den vorgeschlagenen (und weiteren genannten) Maß- nahmen und ihr Zusammenspiel an. Daher ist das Bild 5.000 eines Mischpultes aus den wichtigsten Faktoren be- wusst gewählt. 0 Aus den Modellrechnungen zu den zusätzlichen 2017 2018 2019 2020 Baukapazitäten wird ersichtlich, wie umfassend und Ist Kann Soll erst mittelfristig wirksam eine Reform der Bauwirtschaft sowie der Genehmigungs-und Planungsprozesse im Quelle: bulwiengesa auf Basis von Daten des Amts für Statistik Wohnungsbau sein wird. In Deutschland insgesamt wie Berlin-Brandenburg; ab 2018 Fortschreibung auch der Region Berlin. Die genannten Faktoren werden in Gesamtdeutsch- land eine leicht andere „Mischung“ erfahren als in den einzelnen deutschen Städten und Regionen. Berlin sollte – mittelfristig – wegen des besonders hohen Drucks auf dem Wohnungsmarkt ein Vorreiter bei al- len Faktoren und Maßnahmen sein. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften stehen vor diesem Hin- tergrund, allein im Kontext der knappen Baukapazitä- ten, vor zusätzlichen Herausforderungen. UNTERNEHMENSKOOPERATION 7
1 BAUBRANCHE ALS FLASCHENHALS Das Wachstum Berlins ist ungebrochen. Damit die Nachfrage nach Wohnraum bedient werden kann, muss gebaut werden. Obwohl der Woh- nungsneubau forciert wird und sich die Woh- nungsbaugesellschaften der Herausforderung stellen, ist eine Bedarfsdeckung in der Haupt- stadt derzeit nicht absehbar. Das Ziel von 200.000 neuen Wohneinhei- ten bis 2030 ist möglicherweise gefährdet, denn die Hürden auf dem Weg dahin wachsen. Neben dem langen Weg bis zur Baugenehmi- gung wird die verbindliche Zusammenarbeit mit Baufirmen immer schwieriger. Ob Neubau, Revitalisierung, Sanierung oder Umwandlung bestehender Flächen – die gestiegene Nach- frage nach Bauleistungen hat überall zu Kapa- zitätsengpässen, verzögerten Fertigstellungen und einem Anstieg der Baukosten in fast allen Gewerken geführt. Volkswirtschaftlich gesehen ist die Situation vergleichbar mit dem Pflege- sektor, dem Lehrermangel oder den Engpässen bei Programmierern. UNTERNEHMENSKOOPERATION 8
Was einerseits zu Engpässen führt, ist andererseits für Beschäftigte und Unternehmen ein Segen. Der Bau- sektor hat Hochkonjunktur, sowohl der Straßen- und Tiefbau als auch der Wohnungs- und Gewerbebau. Bildquelle: Zentralverband Deutsches Baugewerbe Im ganzen Land wird kräftig gebaut. Zahlreiche Infra- strukturinvestitionen, Bevölkerungs- und Bürobeschäf- tigtenanstiege sowie eine wachsende Tourismus- und Logistikindustrie, begleitet von niedrigen Zinsen, sor- gen für einen Bauboom. Das deutsche Baugewerbe profitiert dabei von der günstigen allgemeinen Wirtschaftslage, hat aber nur einen Anteil von einem Zwanzigstel an der Bruttowert- schöpfung Deutschlands. Vor allem sind die Zuwächse im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen bislang unterdurchschnittlich. Trotzdem gilt die Bauwirtschaft als eine Schlüssel- Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des branche der deutschen Wirtschaft, da sie durch bau- Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, in relevante Vorleistungen anderer Wirtschaftsbereiche der Immobilienzeitung am 13. September und als allgemeiner Beschäftigungsmultiplikator hohe 2018: Hebeleffekte erzeugt. »Die Betriebe haben einen Die Bauwirtschaft ist der Nutznießer der guten Auf- tragslage vor allem im Wohnungssektor und kündigt für Auftragsüberhang von einer dieses Jahr wieder neue Rekordzahlen an. halben Million (Wohn-)Einhei- Nach einer langen Phase der Baurezession setzten ten. Den zu reduzieren, dauert im Jahr 2017 alle Betriebe im Bauhauptgewerbe rund länger als ein Jahr.« 114 Milliarden Euro um. Einen höheren Wert gab es zu- letzt nur Mitte der 1990er Jahre. Dieser Boom geht mit einem deutlichen Beschäftigungszuwachs von 14,3 Prozent in den letzten zehn Jahren einher. Bruttowertschöpfung in Deutschland nach Wirtschaftsbereichen 1995–2017 140 130 120 Indexwert 1995 = 100 110 100 90 80 70 60 50 40 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 11 12 13 14 15 16 06 07 08 09 10 17 20 20 20 20 20 20 20 20 20 19 20 19 19 20 19 19 20 20 20 20 20 20 20 Baugewerbe Information und Kommunikation Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit Produzierendes Gewerbe (ohne Baugewerbe) Unternehmensdienstleister Quelle: Statistisches Bundesamt UNTERNEHMENSKOOPERATION 9
Die Zahl der Fertigstellungen von Wohnungen bleibt aktuell noch hinter den Genehmigungen. Laut Umfrage des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungs- unternehmen e. V. (BBU) ist neben spekulativen Grün- den auch ein Mangel an (personellen) Baukapazitäten ein Grund dafür. Langfristig schlägt über einen Zeitraum von rund 20 Jahren der Rückgang an Beschäftigten im deutschen Bauhauptgewerbe um 42,0 Prozent besonders zu Bu- Bauvolumen von 1995 che. In Gegenüberstellung zur Entwicklung der letzten noch nicht wieder fünf Jahre, in denen der Auftragseingang seit 2009 erreicht schnell auf mehr als 40 Prozentpunkte angestiegen ist, offenbart sich die aktuelle angespannte Situation, die zwangsläufig zu einem nur mäßigen Anstieg der tat- sächlich fertiggestellten Wohnfläche führen kann. Das deutsche Bauhauptgewerbe in Zahlen Veränderung 1995 2017 in % Betriebe 73.850 74.960 1,5 Tätige Personen 1.400.000 812.000 -42,0 Umsatz (Mrd.) 117 Mrd. 114 Mrd. -2,6 Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. Stand 03/2018 Auftragslage und Bauvolumen im Wohnungsbau in Deutschland 1995–2017 110 100 90 Indexwert 1995 = 100 80 70 60 50 40 30 95 96 97 98 02 10 11 12 13 14 15 16 99 00 01 03 04 05 06 07 08 09 17 20 20 20 20 20 20 20 20 20 19 20 19 19 20 19 19 20 20 20 20 20 20 20 Genehmigte Wohnfläche Fertiggestellte Wohnfläche Auftragseingang Quelle: Statistisches Bundesamt UNTERNEHMENSKOOPERATION 10
Im Kontext dieser volkswirtschaftlichen Entwicklun- gen innerhalb des Baugewerbes sehen sich Bauträger, Projektentwickler und Wohnungsunternehmen, wenn es um immer weitere Neubauleistungen besonders in den großen deutschen Städten geht, zusehends am Rande der ökonomischen Vernunft (vgl. Kapitel 3). Hohe Nachfrage und geringes Angebot führen zu hö- heren Leistungspreisen und Materialkosten. Das im Bildquelle: Kondor Wessels Bouw Berlin GmbH Entwicklung des Umsatzes im Baugewerbe in ausgewählten europäischen Ländern 2010!–!2016 150 140 130 Indexwert 2010 = 100 120 110 Marcus Becker, Präsident des Bauindustrie- verbandes Berlin-Brandenburg e. V. und 100 Geschäftsführer von Kondor Wessels Bouw Berlin GmbH, am 24. September 2018: 90 „Die deutsche Bauindustrie 80 hat ihre Kapazitäten durch die Produktion von Modulen und 70 Fertigteilen deutlich erweitert.« 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Belgien Frankreich Polen Dänemark Niederlande Schweiz Deutschl. Österreich Tsche. Rep. Quelle: Eurostat zeitlichen Vergleich nur moderate Wachstum im deut- schen Baugewerbe ist im europäischen Vergleich ein Spitzenwert. Nur ein Nebenthema ist an dieser Stel- le, dass in anderen Ländern die Fertigstellungszahlen im Wohnungsbau mit geringerem Umsatzanstieg den- noch höher liegen. Entsprechend leistungsstark präsentiert sich die deutsche Bauindustrie auch trotz der an anderer Stel- le beklagten Kapazitätsengpässe. UNTERNEHMENSKOOPERATION 11
Lange Zeit konnten Bauleistungen in Deutschland durch verfügbare Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt und Migration innerhalb der EU gewährleistet werden. Daher ist auch die gesamteuropäische Baukonjunktur relevant für die deutschen Baukapazitäten der nächs- ten Jahre. Die Entwicklungen sind jedoch in Europa unter- Bildquelle: Max Bögl Group schiedlich, sodass eine Arbeitskräftewanderung und damit ein Kapazitätsausgleich bedingt denkbar ist. So sind beispielsweise in der Tschechischen Republik die Umsätze in den vergangenen fünf Jahren um ein Fünf- tel zurückgegangen. Im Nachbarland Polen ist das Bau- volumen im Gegensatz zum 50-prozentigen Anstieg in Johann Bögl, Geschäftsführer der Max Bögl Deutschland nur stabil geblieben. Ob derartige statis- Unternehmensgruppe, am 9. November 2018: tische Kenngrößen auch unmittelbar den Baubedarf in Deutschland kompensieren können, bleibt abzuwarten. »Bauindustrielle Revolution – Um die Arbeitskräftewanderung zu ermöglichen, jetzt wird es real.« wurde im November 2018 im Bundestag ein Entwurf zu einem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz eingebracht. Während jedoch Maschinen oder Fertigprodukte leicht zum Ort des Wirtschaftswachstums transportier- bar sind, lassen sich Arbeitskräfte nicht ohne Weiteres dauerhaft „verpflanzen“. Menschenwürdige Lebens- und Arbeits- Welche Empfehlungen lassen bedingungen sind in Deutschland Stan- sich daraus ableiten? dard, sodass große Container- oder Zelt- lager mit ausländischen Bauarbeitern Für die kommunalen schwer vorstellbar sind. Wohnungsbaugesellschaften und andere regionale Bauherren: Eine Verstetigung des Bauvolumens und eine Vermeidung von starken Zyklen ist wünschenswert und führt unmittelbar zu einer verbesserten Pla- nungssicherheit für die Bauwirtschaft. Entsprechend höher wäre der Anreiz für (notwendige) Festeinstellungen und Investitionen in Ausrüstung und Maschinen. Für die Bauwirtschaft: Nachwuchsförderung, Umschulungen und Investitionen in neue (industriel- le) Verfahrenstechniken sind zentrale Schlüssel für höhere Produktivität und nachhaltige Leistungsfähigkeit. UNTERNEHMENSKOOPERATION 12
UNTERNEHMENSKOOPERATION
2 MANGELRESSOURCE ARBEITSKRAFT Wenn niemand da ist, der eine Baustelle ein- richten und das Haus bauen kann, führen alle politischen Diskussionen über Wohnungsman- gel ins Leere. Die Nachfrage im Bausektor ist hoch und auf Jahre gesichert. Nur: Der Be- schäftigungszuwachs hält bei Weitem nicht Schritt. 14 © bulwiengesa AG 2018
Das deutsche Baugewerbe ist sehr kleinteilig struk- turiert. Mehr als 70 Prozent der Unternehmen sind Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern. Im Durchschnitt arbeiten in diesen Firmen neben dem Chef nur 2,5 Mitarbeiter. Nur ein Prozent aller rund 75.000 Unternehmen ha- ben mehr als 100 Beschäftigte. Durchschnittlich arbei- ten in diesen Großbetrieben rund 200 Menschen und erwirtschaften einen Umsatz von fast 190.000 Euro pro Beschäftigtem. Dieser Umsatz ist mehr als doppelt so Betriebe nach Größe im hoch wie bei den Kleinstbetrieben. 73+24+21 Bauhauptgewerbe In der Branche ist ein deutlicher Konsolidierungs- in Deutschland 2017 prozess unter anderem aufgrund des Fehlens von Nachfolgern erkennbar. Während die Anzahl der Kleinstbetriebe zurückgeht, wächst die Menge der Be- 2% 1% triebe in den anderen Größenklassen. Die Dynamik im Beschäftigungszuwachs steigt mit dem Auftragsboom derzeit deutlich. Die absolute Bau- arbeiteranzahl ist von ehemals zwei Millionen im Jahr 1996 auf etwa 1,4 Millionen zurückgegangen (hier Bau- 24 % haupt- und Ausbaugewerbe zusammen. Damals wur- den noch rund 500.000 Wohnungen jährlich fertigge- stellt, während heute nur rund die Hälfte gebaut wird. In den vergangenen 20 Jahren fand ein deutlicher Wandel in der Beschäftigtenstruktur statt. Während 73 % 1996 mehr Personen im Bauhauptgewerbe arbeiteten, hat das Ausbaugewerbe mit dem Gas-, Wasser-, Hei- zungs-, Lüftungs- und Klimaanlagenbau heute einen deutlich höheren Beschäftigtenanteil. Kleinstbetriebe Kleinbetriebe Entwicklung der Beschäftigtenanzahl Mittelbetriebe im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe 1996–2017 Großbetriebe 110 Quelle: bulwiengesa auf Datenbasis des Statistischen Bundesamtes 100 90 Index 1996 = 100 80 70 60 50 96 02 14 99 05 08 11 17 20 20 20 19 19 20 20 20 Tätige Personen im Bauhauptgewerbe Tätige Personen im Ausbaugewerbe Quelle: Statistisches Bundesamt UNTERNEHMENSKOOPERATION 15
Die Beschäftigtenstruktur entspricht in etwa der ande- rer gewerblicher Branchen, wobei der Anteil der Per- sonen über 55 Jahren vergleichsweise gering ist. Im Gegensatz dazu sind überdurchschnittlich viele jünge- re Personen auf dem Bau tätig. Die Nachwuchssorgen in der Baubranche sind im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen noch gering. Sozialversicherungspflichtig Beschäf- Insbesondere das Ausbaugewerbe ist bei jungen Men- 14+69+161 tigte nach Alter im Hoch- und Aus- schen beliebt. Der Anteil der Auszubildenden an der baugewerbe in Deutschland 2017 gesamten Beschäftigtenzahl ist mit rund zehn Prozent fast doppelt so hoch wie in anderen Wirtschaftszwei- gen (vgl. Kapitel 3). 1% Der Mangel an gut qualifizierten Fachkräften in den einzelnen Gewerken ist infolge der schnell und stark gestiegenen Nachfrage ein weitaus größeres Problem. 16 % 14 % Die derzeitige Beschäftigtenanzahl reicht bei Weitem nicht aus, um die aktuellen Auftragsbestände abzu- arbeiten. Die Jahre der Stagnation führten zu einer In- vestitions- und Planungsunsicherheit, sodass laut dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe viele Firmen Sorge haben, wieder Personal einzustellen und Über- kapazitäten zu produzieren. Dabei sind sowohl die ak- tuell entstandene Unterbesetzung wie auch der lang- 69 % fristig stabilisierende Aufbau zu beachten. Laut Stellenerhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind im zweiten Quartal 2018 dementsprechend 119.000 Stellen im Bauge- Unter 25 Jahre werbe unbesetzt. Neueinstellungen werden vor allem 25 bis unter 55 Jahre durch die zu geringe Bewerberanzahl und deren feh- 55 bis unter 65 Jahre lende berufliche Qualifikation erschwert. 65 Jahre und älter Eine Analyse der Bundesagentur für Arbeit zeigt Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Stand: 2017 eigentlich ein hohes Potenzial zur Behebung des Fachkräftemangels. Einer offenen Arbeitsstelle stehen zweieinhalb Arbeitslose gegenüber. Jedoch sind viele Arbeitssuchende nicht genügend qualifiziert und die Vakanzen bleiben überdurchschnittlich lange offen. So werden in den Ausbaugewerken Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klimatechnik viele Fachkräfte gesucht, während im Hochbau statistisch ein Überangebot an Arbeitskräften besteht. Gründe für eine nicht erfolgte Stellenbesetzung Zu wenige Bewerber Fehlende berufliche Qualifikation Zu hohe Gehaltsforderung 0 5 10 15 20 25 30 35 Angaben in Prozent Quelle: IAB-Stellenerhebung 2017 UNTERNEHMENSKOOPERATION 16
Die zunehmenden Engpässe bei Material und qualifi- ziertem Personal treiben die Kosten. Die Entwicklung der Materialkosten orientiert sich stark an globalen Preistrends und zeigt häufiger Schwankungen. Kosten für Baustoffe können daher temporär auch sinken. Seit 2015 sind jedoch in allen Materialarten erheb- liche Steigerungen über der Inflationsrate festzustellen. Die stärksten Preiszuwächse gab es im Bereich der Ge- bäudeautomation sowie bei Dämm- und Brandschutz- arbeiten an technischen Anlagen mit jeweils etwa acht Tarifabschlüsse 2018 Prozent. Fast preisstabil mit einem Wachstum von nur im Vergleich: drei Prozent sind dagegen Parkett- und Holzpflaster- arbeiten. IG Bau 3,1 % Personalkosten dagegen steigen durch regelmä- ßige Lohn- und Gehaltserhöhungen in Tarifverträgen IG Metall 4,3 % stetig an. Ein besonders starker Zuwachs von über drei Prozent fand durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns am 1. Januar 2015 statt. Die Arbeitskosten sind mit dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages im Baugewerbe zum 1. Mai 2018 erneut angestiegen. Im Gegensatz zum übrigen Arbeitsmarkt sind im Baugewerbe die Löhne aber im- mer noch relativ niedrig und liegen unter dem deut- schen Durchschnitt. Baukostenentwicklung im Wohnungsbau in Deutschland 2000–2018 120 Bildquelle: Hagen Dembeck 115 110 Index 2010 = 100 105 100 95 90 85 80 02 10 12 14 16 00 04 06 08 18 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Gesamte Baukosten Arbeitskosten Materialkosten Quelle: Statistisches Bundesamt UNTERNEHMENSKOOPERATION 17
Das Baugewerbe hat die viertniedrigsten Löhne aller Wirtschaftszweige. Dabei zahlen Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern tendenziell höhere Löhne als Kleinst- betriebe. In der Region Berlin wird ein unterdurch- schnittliches Entgeltniveau im deutschlandweiten Ver- Entwicklung Entgelte im Baugewerbe in gleich erreicht, wobei die Lohnentwicklung weniger Deutschland und Berlin 1995!–!2017 dynamisch verlief. Für Schulabgänger machen die geringen Einkom- 150 men die Entscheidung für eine Ausbildung in der Bau- branche und hier besonders im Bauhauptgewerbe 140 nicht leichter. Knapp 150.000 Auszubildende haben sich 2017 für Index 1995 = 100 130 eine Berufsausbildung im Hochbau, Tiefbau und Aus- 120 baugewerbe entschieden. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes 110 plädierte deshalb jüngst dafür, ein Zuwanderungsge- setz auf den Weg zu bringen, um qualifizierte Einwan- 100 derung nach Deutschland zu erleichtern. Im November 90 2018 wurde dazu ein Gesetzesentwurf in den Deut- schen Bundestag eingebracht. 95 97 99 01 03 05 07 09 11 13 15 17 20 20 20 20 20 19 20 19 20 19 Während Hochschulabsolventen bereits jetzt über 20 20 Entgelte Berlin die sogenannte „Blaue Karte“ der EU viele Möglich- keiten der Arbeitsmigration haben, sind die Hürden Entgelte Deutschland* für Einwanderer mit beruflicher Ausbildung weitaus Quelle: Statistisches Bundesamt, im August des jeweiligen Jahres; höher. Neben Fachkräften im Pflegebereich und den *ohne Berlin MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissen- schaften, Technik) müsse es, so der Verband, Men- schen in Bauberufen ermöglicht werden, in Deutsch- land arbeiten zu können. In den kommenden Jahren ist bedingt durch den de- mografischen Wandel mit einem Rückgang an Arbeits- kräften aus dem Inland zu rechnen. Deshalb bleibt nur die Möglichkeit, gezielt qualifizierte Fachkräfte für den Bausektor anzuwerben. Der Bundesverband deut- scher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) spricht bereits jetzt von einer Kapazitätsauslastung, die insgesamt höher sei als im Bauboom der Nachwende- zeit und macht sich für die Anwerbung von Arbeitskräf- ten aus dem Ausland stark. Entsprechend wichtig ist hier auf bundespolitischer Ebene die offensive Formu- Bildquelle: Bannafarsai_Stock, shutterstock.com lierung eines Einwanderungsgesetzes, das auch die Bauwirtschaft auf allen Ebenen berücksichtigt. UNTERNEHMENSKOOPERATION 18
Die Baubranche ist ein sehr beschäftigungsintensiver Wirtschaftszweig und benötigt daher in besonderem Maße eine Nachwuchsförderung. Diese Erkenntnisse wurden auch in der durchgeführten Befragung bestä- tigt (vgl. Kapitel 3). Speziell der Wohnungsbau mit seinem hohen Auf- tragsbestand verlangt nach mehr Arbeitskräften. Der Wohnungsbedarf in Deutschland beträgt mindestens 250.000 bis 300.00 Einheiten – jährlich. Das Ziel der Bundesregierung liegt noch deutlich höher bei 1,5 Mil- lionen neuen Wohnungen und Eigenheimen in den kommenden vier Jahren. Hier wird das Dilemma zwi- schen politischen Zielen und praktischer Umsetzung deutlich, da eben genau zur Verstetigung der Baupro- duktion eher konkrete Maßnahmen ergriffen werden müssen, anstatt lediglich Ad-hoc-Ziele zu postulieren. Zur Realisierung bezahlbarer Wohnungen sind zahl- reiche Maßnahmen einzuleiten. Neben mehr Bauland müssen die Rahmenbedingungen für den Bau verbes- sert werden. Immer strengere gesetzliche Auflagen, welche nicht durch die Statistik abgebildet werden, sind mit ein Hauptgrund für die gestiegenen Bau- und Herstel- lungskosten. Diese gelten etwa für den Brand- und Schallschutz oder für energetische Maßnahmen. Aber auch Vorschriften der Kommunen und Länder zu städtebaulichen Qualitäts- standards, Wettbewerbs- und Bürgerbe- Welche Empfehlungen lassen teiligungsverfahren oder die Schaffung sich daraus ableiten? sozialer Infrastruktur verteuern Baupro- jekte stetig. Für die Bauwirtschaft: Dazu gesellen sich immer häufiger Über die stärke Etablierung von Mo- Forderungen nach Gutachten und Maß- dul-, Fertig- oder Teilfertigteil-Bau- nahmepaketen im Bereich des Natur- und weise wird der eigentliche Bauberuf Umweltschutzes, des Verkehrs und des attraktiver, da weniger Witterungs- Lärmschutzes, die sich auf die Baukosten einflüsse eine Rolle spielen und ein auswirken. höherer Anteil von Computerunter- Durch die immer kürzere Geltungsdau- stützung vorhanden ist. Außerdem er von Vorgaben und Gesetzen werden muss das Image verbessert werden, die Kosteneinsparungspotenziale durch vor allem durch die Verkürzung der Wiederholungen geringer. Ausbildungszeiten und Erhöhung der Löhne. Die breite Palette von Bauberufen mit unterschiedlichen intellektuel- len und sprachlichen Anforderungen eröffnet große Chancen für eine ver- gleichsweise einfache Integration von Zuwanderern und EU-Bürgern. Entsprechend soll das künftige Ein- wanderungsgesetz auch die Belange der Bauwirtschaft berücksichtigen. UNTERNEHMENSKOOPERATION 19
3 ANGEBOT UND NACHFRAGE IM PRAKTIKER-CHECK Im Zuge einer Online-Befragung wurden über 700 Geschäftsführer und Führungskräfte von Projektentwicklern, Bauträgern sowie Bau- unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angeschrieben. Dabei wurden Konzerne sowie mittelständische Unternehmen angesprochen. Die Ergebnisse geben detaillierte Ursachen für die aktuelle Situation wieder und weisen auf Lösungsansätze aus der Praxis hin. Die Rück- laufquote lag mit rund 50 Bauträgern und rund 30 Bauunternehmen insgesamt bei etwas über 10 Prozent, bei den Berliner Unternehmen bei 20 Prozent bzw. 16 Prozent. UNTERNEHMENSKOOPERATION 20
Arbeitsteilung: Bauträger setzen auf Generalunternehmer Von Projektentwicklern konzipierte Vorhaben sind bei der Realisierung auf die Dienste des Baugewerbes an- gewiesen. Am häufigsten werden die Bauleistungen an Generalunternehmer weitergegeben. Diese realisieren meist Teilleistungen wie den Hochbau selbst und be- auftragen für die restlichen Gewerke weitere Firmen als Subunternehmer. Laut Expertengesprächen waren früher Bauten von Generalunternehmern aufgrund der Übernahme grö- ßerer Risiken in der Bau- und Gewährleistungsphase meist teurer als die Vergabe an Einzelunternehmer. Diese Grundregel ist jedoch in letzter Zeit kaum noch gültig. Heutzutage sind die Pflege der Partnerschaft zwi- schen Projektentwicklern bzw. Bauherren und Bau- unternehmen sowie das Verhandeln auf Augenhöhe 58 Prozent der Befragten die wichtigsten Voraussetzungen, um akzeptable Prei- geben Bauleistungen an se und überhaupt Baukapazitäten zu erhalten. Generalunternehmer weiter 58+21+156 Frage: Wie sieht die Vergabe- und Auftrags- struktur Ihres Unternehmens aus? 6% 15 % 58 % 21 % Generalunternehmer Einzelvergabe Generalübernehmer Generalübernehmer oder -unternehmer UNTERNEHMENSKOOPERATION 21
Bauträger und -unternehmen einig: Genehmigungsprozesse verzögern Bau Drei Viertel der Teilnehmer – sowohl der Bauträger als auch der Bauunternehmen – haben Verzögerungen in ihren Bauprojekten in den vergangenen zwölf Mona- ten festgestellt. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse Mehr als 75 Prozent der der Onlinebefragung. Doch welche Gründe führten hierzu? Die befrag- Befragten sehen Verzö- ten Führungskräfte sind sich einig: verzögerte Bauge- gerungen bei Baupro- nehmigungsprozesse behindern die Ausschreibungen, jekten die Erstellung der Ausführungsplanungen und den an- schließenden Bauprozess am stärksten. Wird ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt, so Laut den Befragten verlängert dies die Realisierung eines Bauvorhabens in Berlin erheblich. Bebauungsplänen, die 2017 fest- verzögerte sich mehr als gesetzt wurden, ging eine durchschnittliche Bearbei- ein Drittel der Projekte tungszeit seit dem Aufstellungsbeschluss von zwölf um sieben Monate Jahren voraus (vgl. Kapitel 4). Die Gründe dafür reichen von den wenigen Stellen und mehr für fachlich ausgebildetes Personal in den Verwaltun- gen über hohe Auflagen und Zusatzgutachten bis hin zu umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozessen über die Vorgaben des Baugesetzbuches hinaus. Diese Rahmenbedingungen verzögern die Bereit- stellung der dringend benötigten Neubauwohnungen und haben eine dämpfende Wirkung für die Baukon- junktur sowie die Attraktivität Berlins als Wohn- und Arbeitsort. Frage: Welche Gründe bestanden für die Verzögerung? Nacharbeiten waren notwendig 30 % Witterungsbedingte 25 % Keine Rückmeldung auf Verzögerungen 20 % Ausschreibung 15 % 10 % 5% Abgegebene 0% Öffentliche Ausschreibung Angebote zu teuer Komplexere Bauanforderungen/ Verzögerungen im -abläufe Baugenehmigungsprozess Fehlende Fachplanungskapazitäten Bauträger Bauunternehmen UNTERNEHMENSKOOPERATION 22
Komplizierte Technik? Verzögerungen treten in diesem Gewerk besonders häufig auf Im Gewerk „Technische Anlagen“ traten laut den be- fragten Führungskräften der Bauunternehmen beson- ders häufig Verzögerungen auf. Die Komplexität dieses Gewerkes ist in den vergangenen Jahren besonders gestiegen. So gibt es beispielsweise eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung erst seit etwa einem Jahrzehnt. Das Gewerk „Technische Anlagen“ verzeichnet auch die höchsten Preissteigerungen. Seit 2015 sind In den Gewerken mit Kosten für Bauleistungen bei der Gebäudeautomation den meisten Verzögerun- sowie bei Dämm- und Brandschutzarbeiten an techni- schen Anlagen am deutlichsten angestiegen. Gefolgt gen zeigen sich auch von den Ausbauleistungen, die ebenfalls an Komplexi- die höchsten Preis- tät deutlich zugenommen haben. steigerungen: · Technische Anlagen · Ausbau 29+17+161411103 Frage: In welchen Gewerken traten besonders häufig Verzögerungen auf? 4% 11 % 29 % 10 % 14 % 17 % 16 % Technische Anlagen Ausbau Rohbau Fassade Erdarbeiten Dach Außenanlagen Quelle: Rundungsfehler UNTERNEHMENSKOOPERATION 23
Hohe Zahlungssicherheit: Wichtiger Vorteil von kommunalen Auftraggebern 78 Prozent der befragten Ein Großteil der Bauunternehmen ist bereits für kom- Unternehmen sind in munale Auftraggeber tätig. Drei Viertel der Befra- Berlin bereits tätig, 59 gungsteilnehmer stellen heraus, dass die höhere Zah- Prozent der Teilnehmer lungssicherheit für öffentliche Auftraggeber spricht. Die finanzielle Sicherheit ist ein wesentliches Unter- erwarten eine Steigerung scheidungskriterium zwischen privaten und kommu- der Bauaktivitäten in nalen Auftraggebern. In diesem Kontext muss auch das Gebot einer mög- Berlin lichst weitgehenden Verstetigung des Bauvolumens berücksichtigt werden (vgl. Kapitel 1), da Verstetigung Niemand erwartet einen und Zahlungssicherheit wesentliche strategische Rückgang der Bautätig- Hebel für die Landeseigenen sind. keit 85 Prozent der Befragten haben bereits kommuna- le Auftraggeber 74+21+5 Frage: Welche Argumente sprechen für öffentliche und kommunale Auftraggeber? 5% 21 % 74 % Höhere Zahlungssicherheit Bessere Zahlungsmodalitäten Längere Bauzeiten UNTERNEHMENSKOOPERATION 24
Hohe Erwartungen: Bauträger identifizieren Probleme bei der Zusammenarbeit mit kommunalen Unternehmen Die befragten Bauträger benennen eine zu hohe Die befragten Bauunternehmen benennen andere Hindernisse: die politische Einflussnahme, langwierige Erwartungshaltung der Entscheidungsprozesse sowie eine hohe Erwartungs- kommunalen Wohnungs- haltung im Vergleich zu den erzielbaren Preisen. Diese Faktoren erschweren auch eine Zusammenarbeit mit baugesellschaften im Ver- kommunalen Auftraggebern. hältnis zu den erzielbaren Zu beachten ist, dass dies lediglich einige Nennun- gen als Antwort auf offene Fragen sind – dies jedoch Kaufpreisen als ein mög- in einer relevanten befragten Gruppe. liches Problem bei einer Zusammenarbeit Frage: Im Falle eines Globalverkaufs an eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft: Welche Herausforderungen!/! Anforderungen haben Bauträger in der Planungs-!/ !Bau- und Verkaufsphase? »Überhöhte Forderungen« »Bürokratische und langwierige Entscheidungsprozesse« »Sonderwünsche« »Politische Einflussnahme« UNTERNEHMENSKOOPERATION
Kein Allheilmittel: Diverse Lösungsvorschläge, um Bauverzögerungen zu vermeiden Um Verzögerungen und Kostensteigerungen in der Bauphase zu vermeiden, setzt die Mehrheit der befrag- ten Führungskräfte der Projektentwickler auf Partner- schaftsmodelle und Kooperationen. Ein lösungsorientiertes Miteinander ist dabei ein Partnerschaften und wichtiger Aspekt in der Durchführung von Bauprojek- ten. Neben einer persönlichen Ansprache ist eine frühe Kooperationen spielen Sicherung der Kapazitäten bzw. eine zeitlich weit vor- laut Befragten eine große ausschauende Ausschreibung grundlegend und wird Rolle, um Verzögerungen immer wichtiger. Des Weiteren werden immer mehr überregionale zu vermeiden Akteure angesprochen. Längere Fahrzeiten und die Unterbringung am Ort der Baustelle sind angesichts des gestiegenen Bauvolumens und eines knappen Wohnungsangebotes gerade in Berlin kaum mehr zu bewältigende Probleme. Frage: Welche Lösungskonzepte wurden entwickelt, um mögliche Verzögerungen in der Bauphase zu vermeiden? »Frühzeitige Antragstellung mit ge- »Ausschreibungen werden jetzt wissen Unschärfen in der Planung, überregional versendet« Entwicklung von Partnerschaften« »Einzel- bzw. Paketvergabe« »Regelmäßige Planungs- und Aus- führungsabstimmungen« »Mehr persönliche und frühe Ansprache« »Fertigteilbau« »Personaleinstellungen und früh- zeitige Bindungen von technischen Gewerken und Fachplanern« UNTERNEHMENSKOOPERATION
Geld spielt eine Rolle: Hohes Auftragsvolumen trägt zur Angebotsabgabe bei Die sehr gute Auftragslage in der Baubranche führt zu vollen Auftragsbüchern bei den Bauunternehmern. Folglich können derzeit nicht alle Aufträge angenom- men werden. Die befragten Bauunternehmer gaben an, dass vor allem ein hohes Auftragsvolumen sowie ein möglichst später, aber planbarer Zeitpunkt der Auf- tragsbearbeitung eine Angebotsabgabe begünstigen. Das heißt im Umkehrschluss, dass besonders die Unwägbarkeiten in der Planung auf der Negativseite stehen. Private Auftraggeber beliebter als öffentliche Auftraggeber 27+27+191710 Frage: Welche Faktoren begünstigen bei einer Angebotsanfrage die Bearbeitung durch Ihr Unternehmen? 10 % 27 % 17 % 19 % 27 % Später Zeitpunkt für Auftragsbearbeitung Hohes Auftragsvolumen Privater Auftraggeber Geringe Entfernung zur Baustelle Öffentlicher Auftraggeber UNTERNEHMENSKOOPERATION 27
Baufirmen nutzen Auftragsboom: Höhere Preise durchsetzbar Mehrere Gründe führen laut den befragten Managern der Bauunternehmen dazu, dass das Bauen in der ak- tuellen Praxis immer teurer wird. Zum einen können Nachunternehmer aufgrund des Baubooms höhere Preise durchsetzen. Zum anderen sind steigende Materialkosten, ins- besondere für den Rohbau, verantwortlich für Kosten- steigerungen. Die Preise für Steine und Erden, Mörtel, Betonerzeugnisse sowie Metalle haben in den vergan- Kostensteigerungen genen Jahren besonders stark angezogen. treten durch verteuerte Materialkosten sowie teure Nachunternehmer auf 27+27+161398 Frage: Aus welchen Gründen traten Kostenstei- gerungen bei Hochbauprojekten in den vergan- genen zwölf Monaten hauptsächlich ein? 8% 9% 27 % 13 % 16 % 27 % Nachunternehmerangebote zu teuer Steigende Materialkosten Fehlende Baukapazitäten von Nachunternehmern Lieferschwierigkeiten bei Material Sonstiges Fehlende Planungskapazitäten UNTERNEHMENSKOOPERATION 28
Immer weiter: Bauunternehmen wollen durch Personalausbau zukünftig wachsen Die Zahl der in der Baubranche tätigen Personen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Dies wird auch durch die Befragung der Führungskräfte in Bauunter- nehmen bestätigt. Rund 60 Prozent der Befragungsteil- nehmer gaben an, dass die Personalkapazitäten in den 59 Prozent der Teilnehmer vergangenen drei Jahren ausgebaut wurden. Jedoch haben in den vergangenen ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften bereits heute ein Wachstumshemmnis. drei Jahren Kapazitäten Da die Bautätigkeit weiter ansteigen wird, scheint ausgebaut es wenig überraschend, dass mehr als zwei Drittel der befragten Geschäftsführer die Kapazitäten in ihren Be- 67 Prozent planen, ihre trieben bis 2021 (drei Jahre) ausbauen wollen. Von die- sen wiederum planen vier Fünftel, das Personal um bis Kapazitäten auszubauen zu 30 Prozent aufzustocken. Dies ist vor dem Hintergrund des Baubooms drin- gend notwendig. Die genannte Wachstumsquote zeigt Aktueller Mangel an aus- jedoch gleichzeitig, um welchen letztlich geringen Wert reichend qualifiziertem die Baukapazitäten erweitert werden können, solange nicht zusätzliche Potenziale durch industrielle Bauwei- Personal hindert das se generiert werden. Wachstum Um wie viel Prozent werden Sie Ihren Personalbestand in den kommenden drei Jahren ausbauen? 20–30 Prozent geht als Grundannahme ein in 100 % 70–80 Prozent die Modellrechnung in 50–60 Prozent Kapitel 6 90 % 30–40 Prozent 80 % 70 % 20–30 Prozent 60 % 50 % 40 % 30 % 10–20 Prozent 20 % 10 % 0–10 Prozent 0% UNTERNEHMENSKOOPERATION 29
Image, Image, Image: Lehrberufe im Bau müssen mehr umworben werden Die Ausbildung von Fachkräften ist eine wesentliche Herausforderung der Branche. Knapp die Hälfte der befragten Bauunternehmer gaben an, dass Marketing- und Imagemaßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Ausbildung beitragen würden. Ein Drittel erwähnt die Erhöhung des Lehrentgelts. Beliebt sind vor allem der Hochbau sowie die Gas-, Wasser-, Heizungs-, Lüf- tungs- und Klimainstallation. Die Modernisierung der Berufsbilder durch höhe- ren IT-Einsatz sowie die Verringerung der körperlichen Belastung durch Wetter, schwere Lasten und eintönige Aufgaben sind die Herausforderungen für die Zukunft. Frage: Welche Berufsfelder sind im Entsprechend werden sich die notwendigen Quali- Baugewerbe bei Auszubildenden fikationen voraussichtlich teilen in konventionelle und beliebt? industrielle Bauweise. Hochbau 44 % Gas-, Wasser-, Heizungs-, 44 % Lüftungs- und Klimainstallation Elektroinstallation 37 % 45+34+138 Bautischlerei und -schlosserei 22 % Frage: Welche Maßnahmen sollten zur Steigerung der Attraktivität der Ausbildung durchgeführt werden? Maler- und Lackierergewerbe 11 % Dachdeckerei 4% 8% 13 % 45 % 34 % Marketing- und Imagemaßnahmen Erhöhung des Lehrentgelts Verringerung der Ausbildungsdauer Verringerung der Ausbildungsanforderungen UNTERNEHMENSKOOPERATION 30
Eine große Herausforderung: Digitalisierung Eine der spannendsten Fragen, die den Entscheidungs- trägern der Bauunternehmen gestellt wurde, skizziert die Zukunftsthemen. Dabei werden zwei Widersprüche ersichtlich: Viele Welche Empfehlungen lassen Firmen plagen Nachwuchssorgen, wobei gleichzeitig sich daraus ableiten? der eigenen Aus- und Fortbildung eine geringe Bedeu- tung beigemessen wird. Für die kommunalen Wohnungs- Außerdem wird die Digitalisierung eine wichtige baugesellschaften: Rolle spielen. Im gleichen Atemzug wird jedoch die Be- Große Bauvolumina mit zeitlich prä- deutung von Building Information Modeling (BIM) eher zisem Vorlauf sind theoretisch ein als niedrig erachtet. wesentlicher Wettbewerbsvorteil um In beiden Feldern ist sicherlich differenzierter zu Bauleistungen. Diese gilt es zu si- ergründen, woran jeweils konkrete Schritte scheitern. chern und zu stärken. Die Erkenntnis und Sensibilisierung für die beiden The- menbereiche Nachwuchsgenerierung und Digitalisie- Für die Verwaltung: rung sind gegeben. Bisher gibt es in der Bauwirtschaft Die Notwendigkeit von verkürzten noch Umsetzungsschwierigkeiten, zumal aufgrund des Genehmigungszeiten steht sehr stark Nachfragebooms derzeit die Notwendigkeit nicht als im Vordergrund. Speziell in Berlin besonders groß erachtet wird. könnte eine bezirksübergreifende „Projektgruppe Baugenehmigung“ hilfreich sein. Frage: Welche Themen und Aspekte werden zukünftig in der Branche an Bedeutung gewinnen? Demografischer Wandel 20 % Building Information Modeling Nachwuchssorgen 16 % 12 % Digitalisierung 8% Eigene Ausbildung/ Fortbildung 4% 0% Partnering/Partner- Steigende schaftsmodelle Lohnkosten Aufbau eigener gewerblicher Mitarbeiter/Belegschaft Steigende Materialkosten Aufbau eigener Pla- Verschärfung der Bau- nungskapazitäten vorschriften UNTERNEHMENSKOOPERATION 31
4 BAURECHT UND REGELWERKE Einer der Hauptfaktoren bei der Bereitstellung von Baukapazitäten ist die Planbarkeit und die Verlässlichkeit beim Leistungsbeginn. In Ber- lin sind die Zeiträume von der Planungsidee bis zur Erlangung des Baurechtes aktuell der- art lang, dass eine gesicherte Steuerung und Planung der Kapazitäten für die Akteure beson- ders erschwert ist. Je länger das Bauen dauert, desto teurer wird es. UNTERNEHMENSKOOPERATION 32
Der Bebauungsplan muss bei der Zuschlagserteilung für Bauleistungen möglichst festgesetzt sein oder zu- mindest Planreife aufweisen. Vor allem bei großen Woh- nungsbauprojekten, die in der Regel ein B-Planverfah- ren bedingen, ist dies häufig nicht möglich. Dies führt zu vertraglichen Risiken vor allem bei Planungsverträgen, aber auch bei Generalunter- oder Generalübernehmer- verträgen, die Planungsleistungen umfassen. Werden die Verträge vor Rechtskraft der Bebau- ungspläne abgeschlossen, liegen die Risiken aus Än- derungen der Planungsvorgaben oder Verzögerungen im B-Planverfahren vollumfänglich auf der Auftragge- berseite. Ganz ähnlich verhält es sich nach Rechtskraft der Bebauungspläne mit den zeitlichen und inhaltlichen Risiken bei der Erlangung der Baugenehmigungen. In diesen Fällen hat es jedoch auch direkt Auswirkungen auf die Planung der Baukapazitäten bei den ausführen- den Unternehmen. Der notwendige Vorlauf der Bauunternehmen vor Auftragserteilung bis zum tatsächlichen Baubeginn kann bei der derzeitigen Auslastung der Unternehmen leicht bis zu einem Jahr oder mehr betragen. Eine nahtlose terminliche Kette ist damit kaum mög- lich. Die Bearbeitungszeiten der Genehmigungsbehör- Sehr lange Planungszeiten den sind aktuell nicht planbar. Wenn die Auftragsertei- bis zum Baurecht machen lung vor Erhalt der Baugenehmigung erfolgt, können keine sicheren Vertragstermine festgelegt werden. So- auch die Planungen von fern die Auftragserteilung erst mit oder kurz nach der Baukapazitäten unsicher Baugenehmigung erfolgt, entstehen zeitliche Lücken bei der Projektabwicklung, die zu einer späteren Fer- tigstellung der dringend benötigten Wohnungen führen. Festgesetzte Bebauungspläne in Berlin 1998–2018 350 180 300 160 Ø Bearbeitungsdauer in Monaten Anzahl festgesetzte B-Pläne 250 140 200 120 150 100 100 80 50 60 0 40 98 02 12 14 16 00 04 10 18 * 08 06 20 20 20 20 20 19 20 20 20 20 20 B-Pläne Bearbeitungsdauer Quelle: bulwiengesa basierend auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen * Der hohe Wert 2006 wird auf Abgeordnetenhauswahlen wie auch auf eine gesetzliche Änderung bei der Planreife (§ 33 BauGB) zurückgeführt. Auch die Planreife von Lehrter Straße, Wasserstadt Spandau, Alt-Stralau und Schöneberger Linse fallen in diese Zeit. UNTERNEHMENSKOOPERATION 33
Zur Dauer der Bebauungsplanverfahren gibt es keine deutschlandweiten Statistiken. Das Land Berlin gibt die Dauer für ein vereinfachtes Verfahren nach § 13 Bauge- setzbuch mit etwa 18 Monaten an. Ein normales Verfah- ren würde etwa die doppelte Zeit in Anspruch nehmen. Die Realität zeigt jedoch, dass diese Verfahrenszei- ten häufig überschritten werden. Im gesamten Betrach- Dauer von Bebauungs- tungszeitraum 1998 bis 2018 lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei 95 Monaten (7,9 Jahre). planverfahren in Berlin Die im Jahr 2017 festgesetzten Bebauungspläne von bis zu 145 Monaten wiesen sogar eine Bearbeitungszeit von 145 Monaten (12,1 Jahre) auf. Differenzen bei der Dauer von Bebau- ungsplanverfahren zwischen den Bezirken resultieren im Wesentlichen aus der Personalauslastung, den kon- kreten örtlichen Rahmenbedingungen und Regelungs- bedarfen sowie aus dem durchgeführten bzw. zulässi- gen Verfahren selbst. Gesicherte Projektablaufpläne und Kapazitäts- planungen lassen sich darauf nicht aufbauen und er- schweren auch an anderer Stelle erkennbar (vgl. Ka- pitel 3) die Bindung von Baukapazitäten an die Region Berlin erheblich. Mit Blick auf die von den Wohnungsbaugesellschaf- ten durchzuführenden Vergabeverfahren für die Beauf- tragung von Planungs- und Bauleistungen hat dies gra- vierende Folgen. Ablaufschema Bebauungsplanverfahren 1 2 3 4 Phase DER PLAN DIE PLANUNG BEGINNT EINE ENTSCHEIDUNG AUS DEM PLAN WIRD GESETZ NIMMT WIRD GETROFFEN GESTALT AN Frühzeitige Behörden- Behörden- beteiligung beteiligung Rechtsprüfung Verfahren + Aufstellungsbe- Erste Abwägung Beschluss Festsetzung Beteiligung schluss Abwägung Beschluss Plan Frühzeitige Öffentliche Öffentlichkeits- Auslegung beteiligung Öffentlichkeit Öffentlichkeit Akteure Bezirks- Bezirksamt* Bezirksamt* Bezirksamt** Senat Bezirksamt* verordnete*** Behörden Behörden Bei Bebauungsplänen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt übernimmt der Senator*, der Senat** oder das Abgeordne- tenhaus*** diese Funktion. Die Rechtsprüfung entfällt. Quelle: https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/b-planverfahren/download/ablaufschema_bplan.pdf UNTERNEHMENSKOOPERATION 34
Die Verfahren können entweder gar nicht durchgeführt oder auf die Angebote müssen Zuschläge auf Abruf erteilt werden. Die Abruffristen wiederum sind für die Unternehmen nicht planbar. Wichtig: Berliner Modell Die Arbeitsaufnahmen nach Abruf verzögern sich der kooperativen Bauland- auf Grund anderweitig eingesetzter Kapazitäten unnö- tig oder es werden auf solche Anfragen keine Angebo- entwicklung te mehr abgegeben. Berlinspezifisches Planungsrecht Zum einen verfügt Berlin teilweise über Verfahrenswei- sen und Verwaltungsabläufe, die über die Anforderun- gen des Baugesetzbuches hinausgehen, wie beispiels- weise: Welche Empfehlungen lassen ◃ Die Mitteilung der Planungsabsicht vom Bezirk an sich daraus ableiten? den Senat noch vor dem Einleitungsbeschluss ◃ Die häufig sukzessive Abfolge von Trägerbeteili- Für die kommunalen Wohnungs- gung und der Öffentlichkeitsbeteiligung sowohl baugesellschaften: nach dem Vorentwurf als auch nach dem Entwurf, Kontinuierliche Steuerung von Be- statt dem jeweiligen parallelen Durchführen beider bauungsplanverfahren bereits im Beteiligungen Vorfeld des Einleitungsbeschlusses. ◃ Durchführung einer zeitlich separierten Rechtsprü- fung vor der Offenlage Für die Politik: ◃ Formales Beschließen der Planreife Straffung des Ausführungsgesetzes zum Baugesetzbuch. Die zweigeteilte Zuständigkeit von Senat und dem je- Die Klärung der Verfahrenszu- weiligen Bezirk ist ein weiterer Hemmschuh reibungs- ständigkeit (Mitteilung der Planungs- loser Verfahrensabläufe. absicht) und der Aufstellungsbe- Zum anderen ist in der Berliner Verwaltung nicht in schluss sollten zusammengefasst allen Fällen in ausreichendem Umfang Fachpersonal werden. vorhanden. Dies betrifft sowohl die Stadtplanungsäm- ter, die Bauordnungsämter, aber vor allem auch die not- Für die Verwaltung: wendigen Fachämter, deren zwingend erforderliche Verfahrensstraffung durch parallele Stellungnahmen zu Themen wie Verkehr, Umwelt- und Durchführung von frühzeitiger Trä- Artenschutz, Schallschutz und Brandschutz oftmals nur gerbeteiligung und frühzeitiger Betei- mit erheblicher Verzögerung eintreffen. ligung der Öffentlichkeit und regulä- rer Trägerbeteiligung und Offenlage als Regelfall. Einrichtung einer bezirksübergrei- fenden „Projektgruppe Baugenehmi- gung“ in der Senatsverwaltung. UNTERNEHMENSKOOPERATION 35
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