BI.research - 50 Jahre Universität Bielefeld - Uni Bielefeld
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Forschungsmagazin der Bielefeld University Ausgabe 48.2019 Universität Bielefeld Research News Issue 48.2019 BI.research 50 Jahre Universität Bielefeld 50 Years of Bielefeld University Luhmanns Systemtheorie EU als Friedensbündnis Akademische Patente Luhmann's Systems Theory EU as a Pact for Peace University Patents
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Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Dear readers, zum Jubiläum schenkt sich die Universität Bielefeld ein For its anniversary, Bielefeld University has given itself neues Corporate Design, ein zeitgemäßes Erscheinungs- a new corporate design – a modern look for its outward bild für den Außenauftritt. Auch unser Forschungsmaga- image. Our research magazine has also been revamped – zin hat ein neues Aussehen bekommen – Sie halten das you are holding the first issue in your hands. erste Exemplar in den Händen. What’s new: the combination of topics covered by the Das ist neu: Vielfältig wie die Forschungswelten der Uni- new BI.research is as diverse as the university’s research versität ist auch der Themenmix des neuen BI.research. worlds. However, it does set priorities set: one dossier co- Allerdings setzt es Schwerpunkte: Ein Dossier widmet sich vering several pages is devoted to the title theme. In this auf mehreren Seiten dem Titelthema. In dieser Ausgabe issue, it takes a look at the reform university with its three B I . res e arc h wirft es einen Blick auf die Reformuniversität mit ihren founding faculties. drei Gründungsfakultäten. Here at Bielefeld University, as in this magazine, our focus Hier an der Universität Bielefeld wie auch in diesem Maga- is on the future – on new, courageous ideas: our academics zin richten wir unseren Fokus nach vorn, auf neue, mutige are presenting a public anniversary project in the city from Ideen: Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler the field of psychology, they are exploring the challenges zeigen ein stadtöffentliches Jubiläumsprojekt aus der of inclusion, and they are dealing with the European Union Psychologie, sie beschäftigen sich mit den Herausfor- as a project for peace in times of Brexit. derungen der Inklusion und der Europäischen Union als What’s still the same: BI.research is a bilingual publication Friedensprojekt in Zeiten des Brexit. and appears twice a year in print. At our conferences, we Dabei bleibt es: BI.research erscheint zweisprachig zwei- can hand out the magazine to interested academics as mal im Jahr als Printausgabe. Die können wir interes- well as journalists and decision makers in politics, indus- sierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf try, science, and administration. However, you can always unseren Konferenzen ebenso in die Hand geben wie Jour- read parts of the magazine in advance in our news blog at nalisten und Entscheidungsträgerinnen in Politik, Wirt- 50jahre.uni-bielefeld.de/blog. schaft, Wissenschaft und Verwaltung. Teile aus dem Ma- gazin können Sie vorab auf unserem Aktuell-Blog lesen, auf I hope you enjoy reading this edition. 50jahre.uni-bielefeld.de/blog. Viel Freude beim Lesen wünscht Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld Rector of Bielefeld University 3
Inhaltsverzeichnis Am Anfang 06 At the Beginning Dossier: 50 Jahre Den Reformgedanken 08 Universität Bielefeld weiterentwickeln Dossier: 50 Years Taking the reform of Bielefeld University idea further Im Fokus: 16 Fünf Jahrzehnte Forschung In the spotlight: five decades of research B I . res e arc h Die Grundpfeiler der 18 Universität Bielefeld The Cornerstones of Bielefeld University Illusionen im Museum 24 Illusions in the museum Bielefelder Ideen Eine Theorie für alle 30 Bielefeld Ideas soziologischen Fragen One theory for every question in sociology Forschungswelten 32 Research Worlds Die Zukunftsanfrage Wie kann Inklusion im 36 The Issue of the Future Schulalltag funktionieren? How can inclusion work in everyday schooling? 3 Fragen an „In Bielefeld ist alles nahe“ 40 3 Questions to ‘In Bielefeld everything feels close’ 4
Table of Contents Was kann das? GMF 42 What’s It All About? GMF Köpfe Elena Esposito, Alexander Grünberger, 44 People Wolfgang Prinz, Katharina Kohse-Höinghaus Karl-Josef Dietz 46 Bielefeld in der Welt Auf Expedition in der Antarktis 50 B I . res e arc h Bielefeld in the World On expedition in Antarctica The Big Picture Wie der Brexit die EU als 52 The Big Picture Friedensbündnis stärkt How Brexit strengthens the EU as a peace alliance Wissenschaft und Gesellschaft Patente: Die Drittmittel von morgen? 56 Science and Society Patents: Tomorrow’s third-party funding? Rückspiegel „Bedeutsam kurioses Literaturereignis“ 58 Rearview ‘Significantly curious literary event’ Eins noch Kontroversen 60 And One More Thing Controversies Impressum 61 Imprint 5
Am Anfang Medizinische Fakultät Medical Faculty Die Universität Bielefeld baut eine medizinische Fa- kultät auf. Seit dem 1. Oktober befindet sich die neue Fakultät formal in der Gründung. Aktuell laufen die Berufungsverfahren für die ersten Professuren an. Der Studienbetrieb soll im Wintersemester 2021/2022 auf- genommen werden. Gründungsdekanin ist Professorin Dr. Claudia Hornberg von der Fakultät für Gesundheits- wissenschaften. Im November ist sie mit den ersten Beschäftigten der Fakultät in das Innovationszentrum Campus Bielefeld eingezogen. www.uni-bielefeld.de/ Foto: Susanne Freitag medizin ■ Bielefeld University is setting up a medical faculty, and, as of 1 October, the new faculty is officially in its foun- Neue Fakultät ist eingezogen. dation stage. Currently, appointment procedures are The new faculty moved in. taking place for the first professorships. Study courses should commence in the 2021/2022 winter semes- ter. The founding dean is Professor Dr Claudia Horn- B I . res e arc h berg from the School of Public Health. In November, she moved into the Innovation Centre Campus Biele- feld together with the first employees of the faculty. www.uni-bielefeld.de/medizin ■ Lateinamerikas Krisen Latin America's crisis Wie lösen lateinamerikanische Gesellschaften Krisen? Zu dieser Frage fördert das Bundesministerium für Bil- dung und Forschung (BMBF) das Verbundprojekt CALAS seit März in der sechsjährigen Hauptphase mit zwölf Millionen Euro. Die Universität Bielefeld koordiniert das Maria Sibylla Merian Center for Advanced Latin Ame- rican Studies in the Humanities and Social Sciences (CALAS) mit Hauptsitz an der Universität Guadalajara Foto: Julia Bömer in Mexiko, einer strategischen Partneruniversität der Universität Bielefeld. ■ How do Latin American societies cope with crises? To Zwölf Millionen Euro für CALAS. answer this question, the German Federal Ministry of Twelve million euros for CALAS. Education and Research (BMBF) is funding the CALAS cooperative project with a total of 12 million euros in the six-year main phase starting in March. Bielefeld University is coordinating the Maria Sibylla Merian Center for Advanced Latin American Studies in the Hu- manities and Social Sciences (CALAS), headquartered at the University of Guadalajara in Mexico, a strategic partner university of Bielefeld University. ■ 6
At the Beginning Ein Karte des Magnetische Mona Lisas Weltalls Sensoren Blick A map of Magnetic Mona Lisa's the universe sensors gaze Ein internationales Team von mehr als Das Bundesministerium für Bildung und Wenn Betrachtende eines Portraits den 200 Astronominnen und Astronomen Forschung fördert mit 2,5 Millionen Euro Eindruck haben, die Augen der abge- aus 18 Ländern hat die erste Karte einer das neue Forschungslabor MagSens der bildeten Person würden ihnen folgen, Himmelsdurchmusterung von bisher Universität Bielefeld und der Johan- spricht die Wissenschaft vom „Mona-Li- unerreichter Empfindlichkeit veröffent- nes Gutenberg-Universität Mainz. Das sa-Effekt“. Ausgerechnet für das Gemäl- licht. Zu ihnen gehört der Kosmologe standortübergreifende Kompetenzzen- de „Mona Lisa“ gilt dieser Effekt nicht. Professor Dr. Dominik Schwarz von der trum erforscht und entwickelt magne- Das zeigt eine Studie von zwei Forschern Universität Bielefeld. Die neue Karte tische Hochleistungssensoren. Magne- des Exzellenzclusters CITEC in „i-Percep- enthüllt Hunderttausende unbekannter tische Sensoren werden zum Beispiel für tion“. Demnach entsteht das Gefühl, Galaxien. Die Daten für die Karte stam- Smartphones und autonome Fahrzeuge vom Blick verfolgt zu werden, wenn die men vom Teleskop Low Frequency Array benötigt. Professor Dr. Günter Reiss von Person geradeaus aus dem Bild schaue (LOFAR), dem weltweit größten Radio- der Universität Bielefeld ist einer der und ihr Blickwinkel nicht mehr als fünf teleskop. www.lofar.org ■ beiden Leiter des neuen MagSens-Zen- Grad von dieser Achse abweiche. Der trums. www.magsens.de ■ Blickwinkel der Mona Lisa liegt aber bei B I . res e arc h 15,4 Grad. ■ Foto: Jörg Heeren Foto: Amanda Wilber/LOFAR Surveys Team Foto: Norma Langohr Forscher klären Irrtum auf. Researchers clarify a misconception. Galaxienhaufen Abell 1314. The galaxy cluster Abell 1314. Günter Reiss vom MagSens-Zentrum. When people observing a portrait get Günter Reiss from the MagSens centre. the impression that the eyes of the An international team of more than 200 person portrayed seem to be following astronomers from 18 different count- The Federal Ministry of Education and them, scientists talk about the ‘Mona ries has published the first map of a sky Research is providing 2.5 million euros Lisa Effect’. However, the one painting survey carried out with unprecedented for the new MagSens research laborato- to which this effect does not apply is the sensitivity. One member of the team is ry run jointly by Bielefeld University and ‘Mona Lisa’. Two researchers from the the cosmologist Professor Dr Dominik Johannes Gutenberg-University Mainz. Cluster of Excellence Cognitive Interac- Schwarz from Bielefeld University. The The cross-location centre of competen- tion Technology (CITEC) report this in a new map reveals hundreds of thousands ce has been set up to study and develop study published in the scientific journal of previously undetected galaxies. The high-performance magnetic sensor sys- ‘i-Perception’. They show that the fee- data for the map come from the Low tems. Such magnetic sensors are nee- ling of being followed arises when the Frequency Array (LOFAR) radio telesco- ded in, for example, smart phones and person portrayed looks straight ahead pe – the largest telescope in the world. autonomous vehicles. Professor Dr Gün- out of the image with a gaze angle that www.lofar.org ■ ter Reiss of Bielefeld University is one of deviates no more than five degrees from the two group leaders of the new MagS- this axis. The Mona Lisa, however, has a ens centre. www.magsens.de ■ gaze angle of 15.4 degrees. ■ 7
Dossier: 50 Years of Bielefeld University Den Reformgedanken weiterentwickeln Taking the reform idea further Dossier: Haupttext B I . res e arc h Die Universität Bielefeld ist 1969 als Reformuniversität gestartet, interdisziplinär und mit unkonventionellen Forschungs- und Studienbedingungen. Ihren Innova- tionsgeist hat sich die Universität bewahrt – und sie braucht ihn für heutige Herausforderungen. Stimmen aus den Fakultäten dazu, was den Reformgedanken der Universität ausmacht und was in Zukunft auf die Universität zukommt. Bielefeld University was founded in 1969 as a reform university aiming to be interdisciplinary and offer unconventional research and study conditions. It has retained its innovative spirit – something it needs in the face of today’s challenges. Some faculty members tell us what the reform university idea means to them and what the future holds for the university. 9
Dossier: 50 Jahre Universität Bielefeld „Die Universität Bielefeld soll eine Reformuniversität ‘Bielefeld will be a reform university.’ The state govern- sein.“ Für diese Leitlinie stimmte die nordrhein-westfäli- ment of North Rhine-Westphalia voted in favour of this sche Landesregierung 1967, als sie sich den Empfehlungen guiding principle when approving the recommendations des Gründungsausschusses für die Universität Bielefeld of the founding committee for Bielefeld University in 1967. anschloss. Als großes Ziel nahm sich die Universität die As its major goal, the university adopted interdisciplina- Interdisziplinarität vor – Forschung, die zu neuen Erkennt- rity – research that produces new knowledge by going be- nissen kommt, indem sie über die Grenzen der Diszipli- yond the borders of single disciplines in order to answer nen hinausgeht, um große Fragen aus unterschiedlichen major questions from different perspectives. An ambiti- Blickwinkeln zu beantworten. Ambitioniert waren im ous aspect of the university’s founding programme was Gründungsprogramm der Universität die „Forschung als the call for ‘research as an official duty of professors’ and Amtspflicht der Professoren“ und der „jährliche Wechsel an ‘annual switch between research and teaching’. Reclu- von Forschung und Lehre“. Eigenbrötlerische Forschen- sive researchers were not wanted. All persons aiming for a de waren nicht gefragt. Wer eine Professur an der Uni- professorship at Bielefeld University had to be prepared, versität Bielefeld will, musste damals wie heute bereit both then and now, to engage in cooperative research on sein, kooperativ im Fachbereich zu forschen. Schon ein their subject. One year before the university, the Center Jahr vor der Universität wurde als ihre „Keimzelle“ das for Interdisciplinary Research (ZiF) was founded as its Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) gegrün- ‘nucleus’. The ZiF was the first German institute for ad- det. Das ZiF begann als erstes deutsches Institute for vanced study modelled on the institutes in Princeton and Advanced Study nach dem Vorbild der Institute in Prince- Stanford – the difference being that the ZiF promotes ton und Stanford – mit dem Unterschied, dass das ZiF For- research groups that work together on interdisciplinary schungsgruppen fördert, die gemeinsam an interdiszipli- topics and not individual persons. nären Themen arbeiten, nicht einzelne Personen. Flat hierarchies and no professional snobbery Flache Hierarchien und kein Standesdünkel ‘Bielefeld University really is different from other universi- „Die Universität Bielefeld ist tatsächlich anders als ande- ties I know both in Germany and abroad,’ says Professor re Universitäten im In- und Ausland, die ich kenne“, sagt Dr Holger Straßheim from the Faculty of Sociology. He B I . res e arc h Professor Dr. Holger Straßheim von der Fakultät für Sozio- came to Bielefeld in April 2018. ‘I find there is a pronoun- logie. Er kam im April 2018 nach Bielefeld. „Ich treffe hier ced willingness to exchange ideas and also to cooperate auf eine ausgeprägte Bereitschaft zum Austausch und across faculty and disciplinary borders. That doesn’t just auch zur Kooperation über Fakultäts- und Disziplingren- apply to the ZiF – other institutes are also more open.’ zen hinweg. Das gilt nicht nur für das ZiF – auch in ande- Professor Dr Marie I. Kaiser is also struck by the openness ren Einrichtungen gibt es wenig Berührungsängste.“ Auch at the university. She was appointed professor at the Fa- Professorin Dr. Marie I. Kaiser fällt der offene Umgang an culty of History, Philosophy, and Theology in June 2018. der Universität auf. Sie wurde im Juni 2018 an die Fakul- ‘For me, the reform character of Bielefeld University can tät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theolo- also be seen in its flat hierarchies, its lack of professional gie berufen. „Für mich zeigt sich der Reformcharakter der snobbery, and the easy access to professors and the uni- Universität Bielefeld auch in ihren flachen Hierarchien, versity administration. The idea is to stay in continuous dem Fehlen von Standesdünkel und der Nahbarkeit von dialogue with students and colleagues,’ says the philoso- Professorinnen, Professoren und Universitätsleitung. Es pher of science. ‘The reform idea can still be seen today geht darum, im ständigen Diskurs mit Studierenden, Mit- in the way that the strong interdisciplinarity leads to new arbeiterinnen und Mitarbeitern zu bleiben“, erklärt die research projects and study courses between established Wissenschaftsphilosophin. „Der Reformgedanke zeigt disciplines,’ says Professor Dr Gabriele Fischer von Mol- sich auch heute in der starken Interdisziplinarität, die lard. She is a member of Bielefeld’s University Council and zu neuen Forschungsprojekten und Studiengängen zwi- a researcher in the Faculty of Chemistry. schen den etablierten Disziplinen führt“, sagt Professorin Dr. Gabriele Fischer von Mollard. Sie gehört dem Hoch- Linking scientific disciplines schulrat der Universität Bielefeld an und forscht in der ‘Bielefeld University tackles tasks by taking what are, at Fakultät für Chemie. times, unusual approaches,’ confirms Professor Dr Chris- toph Kayser, who has been at the Faculty of Biology sin- Wissenschaftliche Disziplinen miteinander verknüpft ce September 2017. ‘It gives free rein to innovative ideas „Die Universität Bielefeld geht Aufgaben teilweise mit and does not simply copy ideas or solutions from other ungewöhnlichen Ansätzen an“, bestätigt Professor universities – as currently evident in the concept for the Dr. Christoph Kayser, seit September 2017 an der Fakultät Medical Faculty.’ ‘The new faculty is an example for the für Biologie. „Sie lässt innovativen Ideen freien Lauf und continuous innovative renewal of Bielefeld University,’ kupfert nicht einfach Ideen oder Lösungen von anderen says Professor Dr Ralf E. Ulrich from the School of Pub- Universitäten ab – wie aktuell am Konzept zur Medizini- lic Health. ‘Over the years, the university has expanded schen Fakultät zu sehen.“ Die neue Fakultät sei ein Bei- its portfolio of faculties while linking together scientific spiel für die fortwährende innovative Erneuerung der Uni- disciplines. This includes the founding of the Faculty of versität Bielefeld, sagt Professor Dr. Ralf E. Ulrich von der Technology and the School of Public Health in the 1990s 10
Dossier: 50 Years of Bielefeld University »Im ständigen Diskurs mit Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bleiben« ‘Staying in continuous dialogue with students and colleagues’ Foto: Jörg Heeren „Universitäten müssen Prioritäten setzen“, sagt Marie I. Kaiser. ‘Universities must set priorities,’ says Marie I. Kaiser. Fakultät für Gesundheitswissenschaften. „Die Universität or the launch of the CITEC Cluster of Excellence in 2007.’ hat ihr Portfolio an Fakultäten im Lauf der Jahre erweitert ‘The BiSEd, the Bielefeld School of Education, is also a und wissenschaftliche Disziplinen miteinander verknüpft. good example for the character of a reform university,’ Dazu gehören in den 1990er-Jahren die Gründungen der says Professor Dr Ulrike Preußer from the Faculty of Lingu- Technischen Fakultät und der Fakultät für Gesundheits- istics and Literary Studies. ‘The BiSEd succeeds in getting wissenschaften oder 2007 der Start des Exzellenzclusters all the faculties engaged in teacher training to cooperate CITEC.“ and submit joint research proposals.’ B I . res e arc h „Der Charakter einer Reformuniversität zeigt sich exem- plarisch auch an der BiSEd, der Bielefeld School of Edu- Acquiring identity through the main building cation“, sagt Professorin Dr. Ulrike Preußer von der Fakul- ‘One sign that Bielefeld is a reform university is that the tät für Linguistik und Literaturwissenschaft. „Die BiSEd university building is so compact and convenient,’ says schafft es, alle lehrerausbildenden Fakultäten zum Aus- Professor Dr William Crawley-Boevey. The Briton holds an tausch, zur Kooperation und zu gemeinsamen Projektan- Alexander von Humboldt Professorship at the Faculty of trägen zu bringen.“ Mathematics. ‘The architecture of Bielefeld University strongly reflects the interdisciplinary cooperation,’ says Das Hauptgebäude als Identitätsgeber Professor Dr Elisabetta Chicca from the Faculty of Tech- „Dass die Universität Bielefeld eine Reformuniversität nology. The building is characterized by its concentration ist, sieht man daran, dass das Hauptgebäude so kom- of many functions in a small space, short paths, and the pakt und zweckmäßig ist“, sagt Professor Dr. William central university hall. However, it is not just the archi- Crawley-Boevey. Der Brite forscht auf einer Alexander tecture that gives the university its identity. ‘I experience von Humboldt-Professur an der Fakultät für Mathematik. Bielefeld as a university that is successfully providing a Durch die Architektur sei der Universität der Fokus auf die suitable culture, environment, and infrastructure to pro- interdisziplinäre Zusammenarbeit anzusehen, sagt Pro- mote, support, and advance multidisciplinary research’ fessorin Dr. Elisabetta Chicca von der Technischen Fakul- says Chicca. tät. Das Gebäude zeichne sich durch seine Verdichtung ‘Part of the reform orientation is also that we are always von vielen Funktionen auf wenig Raum, die kurzen Wege bringing ourselves up to date,’ explains Professor Dr Elke und die zentrale Universitätshalle aus. Doch nicht nur die Wild from the Faculty of Psychology and Sports Science. Architektur mache die Identität der Universität aus. „Ich She was vice-rector for organizational development from erlebe hier an der Universität eine Kultur und eine Infra- 2003 to 2006. ‘We were one of the first universities to struktur, die ideal sind, um interdisziplinäre Forschung zu switch over to the bachelor and master system. Thanks fördern und voranzubringen“, so Chicca. to forward-looking concepts, we have brought major „Zur Reformorientierung gehört auch, dass wir uns immer programmes to Bielefeld such as “Getting Started”, the wieder auf den neuesten Stand bringen“, erklärt Profes- programme to improve the introductory phase of study sorin Dr. Elke Wild von der Fakultät für Psychologie und that is being promoted by the national and state govern- Sportwissenschaft. Sie war von 2003 bis 2006 Prorektorin ments’ Quality Pact for Teaching.’ für Organisationsentwicklung der Universität. „Wir ge- The programme was also introduced because first-semes- hörten zu den ersten Universitäten, die auf das Bache- ter students are starting university today with different lor- und Mastersystem umgestellt haben. Wir haben dank skillsets than before. Professor Dr Thomas Huser from the zukunftsweisender Konzepte große Programme nach Bie- Faculty of Physics says: ‘I’ve been observing for several lefeld geholt, zum Beispiel ‚richtig einsteigen.‘, das Pro- years that first-semester students have insufficient prior 11
Dossier: 50 Jahre Universität Bielefeld gramm zur Verbesserung der Studieneingangsphase, das knowledge and MINT competencies.’ MINT stands for mat- vom Qualitätspakt Lehre des Bundes und der Länder ge- hematics, informatics, natural science, and technology. fördert wird.“ The ‘Getting Started’ programme is an important step Das Programm wurde auch eingeführt, weil Erstsemester towards dealing with this. ‘Nonetheless, more far-rea- heute mit anderen Voraussetzungen starten als früher. ching measures are needed because the programme has Professor Dr. Thomas Huser von der Fakultät für Physik: been set up only on a voluntary basis.’ „Ich beobachte schon seit Jahren, dass Erstsemester zu wenig Vorkenntnisse und MINT-Kompetenzen mitbrin- Challenge: coping with the diversity of students gen.“ MINT steht für Mathematik, Informatik, Natur- and researchers wissenschaft und Technik. Das Programm „richtig ein- Over the past 50 years, the university has become more steigen.“ sei ein wichtiger Schritt, damit umzugehen. diversified: more women, more people from working class „Allerdings sind noch weitergehende Maßnahmen nötig, households, and more people with a migration history. weil das Programm auf freiwilliger Teilnahme basiert.“ ‘You only have to walk into a lecture hall. It’s more he- terogeneous than before. We have to be aware of this in Herausforderung: Der Vielfalt der Studierenden und our teaching,’ says Professor Dr Anne Sanders from the Forschenden gerecht werden Faculty of Law, winner of Bielefeld University’s Karl Peter Die Universität ist in den vergangenen 50 Jahren viel- Grotemeyer prize for outstanding teaching in 2018. When fältiger geworden: mehr Frauen, mehr Menschen aus using examples from case law, she makes a great effort to Arbeiterhaushalten, mehr Menschen mit Migrationsge- convey modern role models involving successful women. schichte. „Man muss nur in den Hörsaal gehen. Das Bild For the individuals in the cases, she also uses names indi- ist dort bunter als früher. In der Lehre müssen wir uns das cating a migration history – Fatima and Friederike, Mesut bewusst machen“, sagt Professorin Dr. Anne Sanders von and Manfred. der Fakultät für Rechtswissenschaft, Trägerin des Karl Pe- ‘Heterogeneity benefits our university,’ believes Junior ter Grotemeyer-Preises der Universität Bielefeld für her- Professor Dr Anna Zaharieva from the Faculty of Business vorragende Leistungen in der Lehre im Jahr 2018. Wenn Administration and Economics. ‘In my teaching for exam- sie Fälle aus der Rechtsprechung einsetze, bemühe sie ple, I notice that foreign students and students with a B I . res e arc h sich, ein modernes Rollenbild zu vermitteln und lasse er- migration background often select topics linked to their folgreiche Frauen handeln. Außerdem verwendet sie für home countries. When they subsequently present their se- Personen in den Fällen auch Namen, die auf Migrations- minar work, German students also gain a better insight geschichte hinweisen. Fatima und Friederike, Mesut und into what’s happening in various parts of the world.’ Gab- Manfred. riele Fischer von Mollard sees things similarly with regard „Die Heterogenität ist ein Gewinn für unsere Universität“, to academics. ‘Heterogeneity makes it possible to include meint die Juniorprofessorin Dr. Anna Zaharieva von der different perspectives and life experiences, and that enri- Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. „In meiner Leh- ches both research and teaching.’ re stelle ich zum Beispiel fest, dass ausländische Studie- ‘Engagement in important areas of societal change was rende und Studierende mit Migrationshintergrund oft and continues to be characteristic for reform universi- Themen auswählen, die mit ihrem Heimatland verbunden ties,’ says Professor Dr Ralf E. Ulrich. ‘Diversity is one such sind. Wenn sie schließlich ihre Seminararbeit präsentie- topic, and the university takes this up and addresses it ren, bekommen auch deutsche Studierende einen besse- in many different ways.’ The ‘prejudice-free university’ ren Einblick in Geschehnisse in den verschiedenen Teilen campaign launched in 2013 is directed against group-fo- der Welt.“ Ähnlich sieht das Gabriele Fischer von Mollard cused enmity and uses talks and training courses to both mit Blick auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- promote civil courage and counter discrimination. Holger ler: „Hier ermöglicht Heterogenität eine Einbeziehung Straßheim notes that principles of diversity cannot be all- von unterschiedlichen Perspektiven und Lebenserfahrun- owed to become just token politics. ‘We have to question gen, was zu einer Bereicherung in Forschung und Lehre established equal opportunities policies to see whether führt.“ they cover all dimensions of diversity.’ „Das Engagement in wichtigen Bereichen gesellschaftli- chen Wandels war und ist charakteristisch für Reformuni- Challenge: versitäten“, sagt Professor Dr. Ralf E. Ulrich. „Diversität keeping control over a multitude of different tasks ist ein solches Thema und wird von der Universität auf Professor Dr Markus Walber from the Faculty of Educa- vielfache Weise aufgegriffen und adressiert.“ Die 2013 tional Science notes that demographic changes mean aufgesetzte Kampagne „Uni ohne Vorurteile“ richtet sich that the university now has target groups that had yet to gegen Menschenfeindlichkeit und will mit Vorträgen und play any special role when it was founded: ‘The range of Fortbildungen Zivilcourage fördern und Diskriminierung courses at the university has changed markedly in recent abbauen. Holger Straßheim merkt an, dass Diversitäts- decades. There is a children’s university, studying for the grundsätze nicht zur Symbolpolitik werden dürften. „Wir over-15s, and studying for the over-50s. In addition, uni- müssen etablierte Gleichstellungspolitiken daraufhin be- versity continuing education has become an established fragen, ob sie alle Dimensionen von Diversity berücksich- field,’ says the rectorate’s representative for university tigen.“ 12
Dossier: 50 Years of Bielefeld University »Wir müssen allen Nachwuchsforschenden Perspektiven bieten« ‘We have to offer perspectives to all young researchers.’ Foto: Die Hoffotografen, Berlin Der Hörsaal sei heute bunter als früher – eine Herausforderung für die Lehre, sagt Anne Sanders. The lecture halls are more heterogeneous than before – a challenge for teaching, says Anne Sanders. B I . res e arc h »Ich treffe hier auf eine ausgeprägte Bereitschaft zum Austausch« ‘I find a pronounced willingness to Foto: krischerfotografie, Friedhelm Krischer exchange ideas’ Die Universität Bielefeld sei anders als viele andere Universitäten im In- und Ausland, sagt Holger Straßheim. Bielefeld University is different from other universities both in Germa- ny and abroad, says Holger Straßheim. 13
Dossier: 50 Jahre Universität Bielefeld Herausforderung: continuing education. ‘The university is becoming a loca- Die Fülle der Aufgaben im Griff behalten tion of life-long learning, and this is how it handles the Durch den demografischen Wandel habe die Universität increasing diversity of people at the university.’ heute Zielgruppen, die bei der Gründung noch keine be- From courses for children, youths and older people, across sondere Rolle spielten, stellt Professor Dr. Markus Walber community involvement, to technology transfer, Bielefeld von der Fakultät für Erziehungswissenschaft fest. „Das University has taken on a whole range of additional tasks Angebotsspektrum der Universität hat sich in den ver- over the years. ‘This, for example, results in a dilemma: the gangenen Jahrzehnten deutlich verändert. Es gibt die university should carry out outstanding research while si- Kinderuniversität, Studieren ab 15, Studieren ab 50. Da- multaneously qualifying students for the labour market,’ rüber hinaus hat sich das Feld der wissenschaftlichen says Professor Dr Anne Sanders. Back in 2010, the German Weiterbildung etabliert“, sagt der Rektoratsbeauftragte Council of Science and Humanities (Wissenschaftsrat) für wissenschaftliche Weiterbildung. „Die Universität wird already determined that German institutions of higher zum Ort lebenslangen Lernens und berücksichtigt so die education were in a state of stress. ‘Universities should zunehmende Vielfalt der Menschen an der Universität.“ offer a broad spectrum of courses for more students and Von Bildung von Kindern, Jugendlichen und Älteren über further interest groups in society, and also improve the gesellschaftliches Engagement bis zur Technologietrans- quality of their achievements – this means simultaneously fer: Die Universität Bielefeld hat im Lauf der Jahre eine raising expectations across four dimensions.’ Vielzahl zusätzlicher Aufgaben übernommen. „Dadurch ‘Perfectionism and the ambition to master all expecta- ergibt sich zum Beispiel das Dilemma, dass die Universi- tions and demands is an important source of motivation tät hervorragende Forschung betreiben soll, während sie and essential for success,’ says Marie I. Kaiser. ‘But when gleichzeitig Studierende für den Arbeitsmarkt qualifizie- resources are limited, there is no way to avoid having to ren muss“, erklärt Professorin Dr. Anne Sanders. Der Wis- develop profiles and set priorities.’ For Thomas Huser, one senschaftsrat sah schon 2010 die deutschen Hochschu- solution could be to grant individual faculties more lee- len im Stresszustand: „Die Hochschulen sollen für mehr way to manoeuvre. ‘The Anglo-Saxon system is tempting Studierende und weitere gesellschaftliche Anspruchs- here: it grants deans more competencies and responsibi- gruppen ein breiteres Aufgabenspektrum bedienen und lity than in Germany.’ B I . res e arc h zudem die Qualität ihrer Leistungen verbessern – dies entspricht einer gleichzeitigen Erwartungssteigerung in Challenge: vier Dimensionen.“ establishing future perspectives for young researchers „Perfektionismus und der Ehrgeiz, allen Anforderungen The majority of academics at the university are financed gerecht werden zu wollen, sind eine wichtige Motivations- through third-party funding, most of which the universi- quelle und wesentlich für Erfolg“, sagt Marie I. Kaiser. ty obtains from state institutions to carry out tempora- „Aber wenn die Ressourcen begrenzt sind, führt kein Weg ry research projects. The largest funder is the state via vorbei an Profilbildung und Prioritätensetzung.“ Thomas the German Research Foundation und Federal Ministry Huser sieht eine Lösung darin, den einzelnen Fakultäten of Education and Research. Further project funding co- mehr Handlungsspielraum zu geben. „Hier besticht das mes from the European Union. ‘That’s a problem at all angelsächsische System, in dem die Dekaninnen und De- German universities,’ says William Crawley-Boevey. ‘The kane mehr Kompetenzen und Verantwortung haben als in number of temporary jobs at universities has expanded, Deutschland.“ but the number of permanent jobs has remained small. This means that many young academics see no future in Herausforderung: the German academic system.’ In contrast, however, the- Nachwuchsforschenden Perspektiven verschaffen re is a strong demand for well-trained young academics Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Uni- in many areas of society and particularly in business and versität werden zum überwiegenden Teil durch Drittmittel industry. finanziert, die die Universität zum großen Teil von staat- ‘In law, we have to compete with, for example, the judicial lichen Einrichtungen für befristete Forschungsprojekte system and the legal profession when recruiting experts,’ erhält. Größter Geldgeber ist der Bund über die Deutsche adds Anne Sanders. ‘We have to offer perspectives for the Forschungsgemeinschaft und das Bundesministerium für future; otherwise the good people will simply ask why they Bildung und Forschung. Hinzu kommen Projektmittel der should remain at the university.’ Europäischen Union. „Das ist an allen deutschen Univer- The new Bielefeld personnel offensive BiPo, funded by the sitäten ein Problem“, sagt William Crawley-Boevey. „Die Joint Federal Government-Länder Funding Programme Anzahl der befristeten Stellen an den Universitäten hat for Junior Academics, offers good prospects for the uni- zugenommen, die Zahl der Dauerstellen bleibt klein. Viele versity. ‘On the one hand, we want to use this to help aca- junge Akademikerinnen und Akademiker sehen daher kei- demics develop their own research profile and to apply for ne Zukunft in der Wissenschaft.“ funds for their own research projects,’ says the vice-rec- Andererseits gibt es in vielen Bereichen der Gesellschaft tor for research, Professor Dr Martin Egelhaaf. The univer- und insbesondere der Wirtschaft einen großen Bedarf an sity has its own funding programme for this: the Bielefeld gut ausgebildeten jungen Wissenschaftlerinnen und Wis- young researcher fund. ‘On the other hand, in future, our senschaftlern. continuing education and counselling measures for ca- 14
Dossier: 50 Years of Bielefeld University „In der Rechtswissenschaft konkurrieren wir zum Beispiel mit reer development will no longer focus just on academic Justiz und Anwaltschaft um die Fachkräfte“, sagt etwa Anne careers, but also look at those in business and society.’ Sanders. „Wir müssen Perspektiven bieten, sonst fragen sich die Young researchers at Bielefeld University should be sup- guten Leute, warum sie an der Universität bleiben sollen.“ ported in ways that help them to make sound decisions Gute Aussichten bietet die neue Bielefelder Personaloffensive regarding potential future steps in their careers. ■ BiPo der Universität, die über das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gefördert wird. It is precisely the diversity of people, tasks, and ideas that makes „Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen wir Bielefeld University so special, says Jörg Heeren, author of this damit unterstützen, einerseits ein eigenständiges Forschungs- article and science communication consultant at the university. The answers showed him how open-minded the university is in profil zu entwickeln und Mittel für eigene Forschungsprojekte dealing with challenges. einzuwerben“, sagt der Prorektor für Forschung, Professor Dr. Martin Egelhaaf. Dafür gibt es als hauseigenes Förderpro- gramm den Bielefelder Nachwuchsfonds. „Andererseits werden die Fortbildungs- und Beratungsmaßnahmen zur Karriereent- wicklung zukünftig nicht nur die akademische Laufbahn in den Blick nehmen, sondern auch Karrierewege in Wirtschaft und Gesellschaft.“ Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissen- schaftler der Universität Bielefeld sollen so unterstützt werden, bewusste Entscheidungen über ihre möglichen weiteren Karrie- reschritte zu treffen. ■ Gerade die Vielfalt der Menschen, Aufgaben und Ideen macht die Universi- tät Bielefeld aus, findet Jörg Heeren, Autor dieses Artikels und Referent Wissenschaftskommunikation der Universität. Die Antworten zeigten ihm, wie aufgeschlossen die Universität mit Herausforderungen umgeht. B I . res e arc h »Die Universität lässt innovativen Ideen freien Lauf und kupfert nicht einfach Ideen ab« ‘The university gives free rein to innovative ideas and does not Foto: Susanne Freitag simply copy them from others’ Die Universität gehe Aufgaben teilweise mit ungewöhnlichen Ansät- zen an, sagt Christoph Kayser. The university tackles tasks by taking what are at times unusual approaches, says Christoph Kayser. 15
Dossier: 50 Jahre Universität Bielefeld Im Fokus: In the spotlight: Fünf Jahrzehnte five decades Forschung of research 1969 1969 Die Universität Bielefeld wird am 17. November er- Bielefeld University opens its doors on 17 November. öffnet. 1972 1972 Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) – The Center for Interdisciplinary Research (ZiF) – the die „Keimzelle“ der Universität Bielefeld – zieht an ‘nucleus’ of Bielefeld University – moves to Wellen- den Wellenberg. Seit seiner Gründung 1968 fördert berg. As the university’s Institute for Advanced das ZiF als Institute for Advanced Study herausra- Study, the ZiF has fostered outstanding and inno- gende interdisziplinäre und innovative Forschungs- vative interdisciplinary research projects since its projekte. foundation in 1968. B I . res e arc h 1983 1983 Erstmals erhält die Universität einen Sonderfor- The university gets its first Collaborative Research schungsbereich. Er heißt „Polarisation und Korrela- Centre. It is called ‘Polarisation and Correlation in tion in atomaren Stoßkomplexen“ (SFB 216). Es fol- Atomic Collision Complexes’ (SFB 216). 13 additional gen 13 weitere Sonderforschungsbereiche. Collaborative Research Centres follow. 1992 1992 Der Mathematiker Prof. Dr. Thomas Zink wird mit Mathematician Prof. Dr Thomas Zink receives the dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis ausgezeichnet. Gottfried Wilhelm Leibniz Prize. To date, he is the Er ist der erste von bislang sieben Preisträgerinnen first of seven prizewinners at Bielefeld University. und Preisträgern der Universität Bielefeld. 2007 2007 Der Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechno- The Cluster of Excellence Cognitive Interaction Tech- logie (CITEC) und die Bielefelder Graduiertenschule nology (CITEC) and the Bielefeld Graduate School in für Geschichtswissenschaft und Soziologie (BGHS) History and Sociology (BGHS) are approved – a dou- werden bewilligt – ein doppelter Erfolg in der Exzel- ble success in the Excellence Initiative of the federal lenzinitiative von Bund und Ländern. and state governments. 2017 2017 Die Landesregierung beschließt die Gründung einer The state government decides to found a medical medizinischen Fakultät an der Universität Bielefeld. faculty at Bielefeld University. Ausführliche Chronik der Universität Bielefeld: Detailed chronicle of Bielefeld University: 50jahre.uni-bielefeld.de/chronik 50jahre.uni-bielefeld.de/en/chronik Geschichte der Universität Bielefeld als Twitter-Timeline: History of Bielefeld University as a Twitter timeline (in German): twitter.com/UniBielefeld50 twitter.com/UniBielefeld50 16
Dossier: 5 0 J a hre U ni B50 i elYears efel dof Bielefeld 5 0 ye arUniversity s U n i B i el efel d B I . res e arc h Foto: Darius Ramazani 17
Dossier: 50 Jahre Universität Bielefeld Die Grundpfeiler der Universität Bielefeld The Cornerstones of Bielefeld University B I . res e arc h Rechtswissenschaft, Soziologie, Mathematik: Zum Jubiläum blicken wir in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Gründungsfakultäten. To mark our 50th anniversary, we look at the past, present, and future of the founding Faculties of Law, Sociology, and Mathematics. 18
Dossier: 5 0 J a hre U ni B50 i elYears efel dof Bielefeld 5 0 ye arUniversity s U n i B i el efel d Fakultät für Rechtswissenschaft Faculty of Law – Gründung: 28.06.1969 – founded: 28 June 1969 Hang zur Praxis A Penchant for Practice Die Fakultät für Rechtswissenschaft war The Faculty of Law was already a pioneer schon vor 50 Jahren ein Vorreiter ihres in its field 50 years ago, recalls the Dean, Faches, erinnert sich der Dekan Professor Professor Dr Markus Artz – in both studies Dr. Markus Artz – in der Ausbildung ebenso and research. wie in der Forschung. Mr Artz, what was special in the early days? Foto: Paul Maaßen Herr Artz, was war zur Gründungszeit Markus Artz: When you meet graduates besonders? from the first few years of our faculty, they Markus Artz: Trifft man mit Absolventen der always remember the special training for- Anfangsjahre unserer Fakultät zusammen, mat that was cultivated exclusively in Bie- Professor Markus Artz, Dekan der erinnern sie sich stets an das besondere lefeld in North Rhine-Westphalia. The ‘Biele- Fakultät für Rechtswissenschaft. Ausbildungsformat, das in Nordrhein-West- feld Model’* integrated practical phases at Markus Artz, dean of the Faculty of Law. falen exklusiv in Bielefeld gepflegt wurde: public prosecutors’ offices, courts, and aut- Im „Bielefelder Modell“* wurden praktische horities into university studies. This made it Stationen bei Staatsanwaltschaften, Ge- possible to take a hands-on approach when richten und Behörden in das universitäre training students to become fully qualified Studium integriert. So war es möglich, die lawyers – a unique opportunity at the time. B I . res e arc h Studierenden praxisorientiert und in einem Zug zum Volljuristen auszubilden – zu dieser What makes the faculty special today? Zeit eine einzigartige Möglichkeit. Markus Artz: Our researchers maintain in- »Die Rechtswis- tensive contacts to practitioners and le- Was zeichnet die Fakultät heute aus? gal policymakers in many fields. Thomas senschaft war die Markus Artz: Unsere Forscherinnen und For- scher pflegen in vielen Bereichen intensive Wischmeyer, for example, was appointed to the Federal Government's Data Ethics erste Fakultät Kontakte zur Praxis und Rechtspolitik. So wurde etwa der Kollege Thomas Wischmey- Commission and Ansgar Staudinger was elected president of the German Council of der Universität er in die Datenethikkommission der Bundes- Transport Authorities. The faculty has also Bielefeld« regierung berufen und Ansgar Staudinger grown through the appointment of young zum Präsidenten des Deutschen Verkehrs- researchers and currently has 29 professors. gerichtstags gewählt. Durch die Berufung This has led to the development of new fo- junger Forschender ist die Fakultät außer- cuses of research, for example in the field of ‘The Faculty of dem gewachsen, sie zählt derzeit 29 Profes- digitalization or the law concerning family sorinnen und Professoren. Dadurch haben businesses. Law was the first sich neue Forschungsschwerpunkte entwi- ckelt, etwa im Bereich der Digitalisierung What direction will jurisprudence at Biele- faculty of Biele- oder des Rechts von Familienunternehmen. feld take in the future? Markus Artz: The faculty will continue its in- feld University’ Wohin wird sich die Rechtswissenschaft in terdisciplinary and internationally oriented Bielefeld zukünftig entwickeln? research. In recent years, we have greatly Markus Artz: Die Fakultät wird auch zukünf- expanded our university exam preparation tig versuchen, interdisziplinär und inter- programme. We have an exceptional pro- national orientiert zu forschen. In den ver- gramme for our students to prepare them- *Aus politischen Gründen wurde nach dem gangenen Jahren haben wir die universitäre selves well for the state examination at the Regierungswechsel 1982/83 dieses Reform- Examensvorbereitung stark ausgebaut. Wir faculty both now and in the future. This projekt bundesweit abgebrochen. bieten jetzt und zukünftig unseren Studie- means that they won’t need commercial renden ein außergewöhnliches Programm, tutors. um sich an der Fakultät gut unter Verzicht *For political reasons, this reform project auf einen kommerziellen Repetitor auf die was discontinued nationwide after the Staatsprüfung vorzubereiten. change of government in 1982/83. 19
Dossier: 50 Jahre Universität Bielefeld Fakultät für Soziologie – Gründung: 16.09.1969 Faculty of Sociology – founded 16 September 1969 Gelebte Vielfalt Living Diversity Die Fakultät für Soziologie ist eine der The Faculty of Sociology is one of the lar- größten sozialwissenschaftlichen For- gest social science research and teaching schungseinrichtungen in Deutschland. institutions in Germany. It was already Foto: Norma Langohr Schon zur Gründung war sie einzigartig, unique when founded according to the erzählen die Dekanin Professorin dean, Professor Dr Joanna Pfaff-Czarne- Dr. Joanna Pfaff-Czarnecka und der cka, and the assistant to the dean, Dekanatsassistent Dr. Markus Göbel. Dr Markus Göbel. Joanna Pfaff-Czarnecka, Dekanin der Fa- kultät für Soziologie, und Markus Göbel, Frau Pfaff-Czarnecka – was war zur Grün- Ms Pfaff-Czarnecka, what was special in Dekanatsassistent. dungszeit besonders? the early days? Joanna Pfaff, dean of the Faculty of Joanna Pfaff-Czarnecka: Die Bildungsre- Joanna Pfaff-Czarnecka: The education re- Sociology, and Markus Göbel, assistant form war in vollem Gange, die Öffentlich- form was in full swing; the general public to the dean. keit setzte sich mit dem Nationalsozialis- was grappling with the legacies of National mus auseinander und war gleichzeitig mit Socialism; and at the same time, Germany dem Zusammenwachsen zu einer Weltge- was confronted with the transformations sellschaft konfrontiert. Die Gründung unse- and inclusion into the world society. Our fa- rer Fakultät fiel in eine höchst interessante culty was founded at an extremely interes- B I . res e arc h Zeit. Und sie ist die bis dato erste und ein- ting time. And even today, it is still the first zige autonome soziologische Fakultät in and only autonomous sociological faculty Deutschland. In der Anfangszeit war des- in Germany. Given the societal challenges, halb auch die Soziologie als Lehr- und Studi- sociology was particularly important as a enfach besonders wichtig. In der Forschung teaching and study subject. Our research dagegen ging es bunt zu: Systemtheorie, ranged widely from systems theory to so- Sozialpolitik, Entwicklungssoziologie, Poli- cial policy, development sociology, political tikwissenschaft, Geschichte der Soziologie, science, the history of sociology, and much und vieles mehr standen im Programm. more. »Bis heute haben Was zeichnet die Fakultät heute aus? What makes the faculty special today? Markus Göbel: Besonders prägend ist un- Markus Göbel: Our research on the global wir die einzige sere Forschung zur Weltgesellschaft und society and transnationalization, on in- autonome Fakul- Transnationalisierung, zur Ungleichheit und Geschlechtern, obgleich die Bielefelder equality and gender is particularly influen- tial, although Bielefeld sociology unites a tät für Soziologie Soziologie unter einem Dach eine ganze Anzahl von sozialwissenschaftlichen Diszi- whole number of social science disciplines under one roof. To this day, our aim has been in ganz Deutsch- plinen vereint. Dabei haben wir bis heute not only to analyse all the social aspects of den Anspruch, alles Soziale in der Gesell- society but also to develop general social land« schaft nicht nur theoretisch zu erfassen, theories and theories of society from it. We sondern daraus auch Gesellschaftstheorien like to call this a kind of ‘Luhmannish cos- zu entwickeln. Wir bezeichnen das gerne mic microwave background’ – inspired by als Luhmann’sche Hintergrundstrahlung Niklas Luhmann,* our first professor and ‘To this day, – angelehnt an Niklas Luhmann*, unseren one of the most important German-spea- ersten Professor und einen der wichtigsten king representatives of sociological systems Bielefeld has the deutschsprachigen Vertreter der soziologi- theory. schen Systemtheorie. only autonomous What direction will sociology at Bielefeld faculty of sociolo- Wohin wird sich die Soziologie in Bielefeld zukünftig entwickeln? take in the future? Joanna Pfaff-Czarnecka: The faculty will gy in the whole of Joanna Pfaff-Czarnecka: Die Fakultät wird vielseitig bleiben: Fragen zur Evolution der remain versatile with questions about the evolution of world politics, globalization, Germany’ Weltpolitik, Globalisierung, Migration und migration, and inequality certainly shaping 20
Dossier: 50 Years of Bielefeld University Ungleichheit werden unsere Forschung si- our research. These research questions also cherlich prägen. Diese Forschungsfragen have potential for forming alliances that re- haben auch Potenzial für Verbünde, die ach beyond faculty boundaries – for example über die Fakultätsgrenzen hinausreichen with history, psychology, law, or economics. können – etwa mit der Geschichtswissen- Whatever happens, it will certainly be exci- schaft, Psychologie, Rechtswissenschaft ting because, just like when the faculty was oder den Wirtschaftswissenschaften. So founded, these are socially interesting times oder so bleibt es spannend. Denn wie schon and burning social issues for the faculty to zur Gründung befinden wir uns auch heute explore. in gesellschaftlich interessanten Zeiten, die es zu ergründen gilt. Lara Schwenner, author of the articles on the three founding faculties, did not study in Bielefeld herself. Lara Schwenner, Autorin der Artikel zu den drei It was therefore particularly exciting for her as an Gründungsfakultäten, hat selbst nicht in Bielefeld outsider to get to know the different personalities studiert. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten of these faculties. dieser Fakultäten kennenzulernen, war für sie als Außenstehende besonders spannend. B I . res e arc h *Den Nachlass des Soziologen stellt die Fakultät im *The legacy of the sociologist is available in the Luh- Luhmann-Archiv zur Verfügung. Der berühmte Luh- mann Archive. Luhmann’s famous Zettelkasten (card mann'sche Zettelkasten wird gerade digitalisiert und boxes documenting his research ideas and analyses) einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mehr are currently being digitized and made available to the zu Professor Luhmann und seiner Theorie auf Seite 30 in general public. Find out more about Professor Luhmann diesem Magazin. and his theory on page 30 of this magazine. Foto: Bernhard Preker Fakultätskonferenz der Soziologinnen und Soziologen am 17. November 1969. Sociologists’ faculty conference on 17 November 1969. 21
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