Bildungspolitik Was nach den Wahlen angepackt werden muss
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12. Februar 2016 | 70. Jahrgang | 4 Euro Ausgabe 01-02 / 2016 bildung und wissenschaft – Zeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg Bildungspolitik Was nach den Wahlen angepackt werden muss Cyber-Mobbing Gesundheitsschutz Gemeinschaftsschule Ein einziges peinliches Von der Befragung zu Viel geschafft und noch Foto genügt konkreten Maßnahmen viel zu tun
Echte Hilfen für den Alltag JAHCRH x el Ru Info 016 Micha Wissen Info für Lehrkräfte und Mitglieder im Ruhestand Service Prof. 15/2 JAHR D Mich r. Johan Michael Rux räfte ael R nes R AUV ux n für Lehrk ux BU ch 20 Elte BUCH Informatione Jahrbrn- u en rerinn -Jahrb für Leh Lehrer und 2015 uch l- u n d für Lehreri Außer- Eltern Schu recht nn und Lehrer en Lange Lehren Dienst en- liche in Bad berg Württe m 6 Schul- un Dienstrec d unterricht gen in Beziehung von Prof. Joachim Bauer / 2016 201 Veranstalt un und Ralf Schnabel ht in Bade JAHR Michael Rux Hand Württembn- n 55plus BE der Schule USGA g b klärun und uch des ARDA auf CD-ROM STAND erg Ruhestand und Vorsorge Steuerer -1 70-01 -9449 S E öffe chulrech ltern- BUCH rung ISBN 978-3 der Steuererklägen - Informationen zur Planung der letzten Dienstjahre flichen Teils n und Kolle g des beru n Vorsorgemappe Sonderau Vorbereitun für Kolleginne ts 2016 in Ba tlichen S an sgabe für W Tipps für die Lehrer - Vom Kollegen 2014 er der GE Beruflich und für die Zeit des Ruhestands e Schulen Neuauflage Ein Read schlägigen und als Lehrerin den-W chule ISBN 978- mit den ein 3-944970 für Lehrerinnen -02-8 len und Lehrer en und vie ürtte n Vorschrift Informationen 7. Auflage 2013 (Neubearbeitung) Schul- und ISBN 978-3-922366-91-1 mbe Dienstrecht weiteren 2007 rg in Baden- beitete Ausgabe g neu bear Fünfte, völli Beruf Württemberg ✔ Standardausgabe 3-92 2366-64-5 2016 ✔ Sonderausgabe für Berufliche Schulen ISBN: 978- ISBN 978-3-944970-03-5 Mitgliederpreis Normalpreis Exemplare GEW-Jahrbuch 2016 Standardausgabe 13,00 Euro 25,00 Euro Exemplare GEW-Jahrbuch 2016 Berufliche Schulen 13,00 Euro 25,00 Euro Exemplare GEW-Jahrbuch 2016 auf CD-ROM 13,00 Euro 25,00 Euro Exemplare GEW-Jahrbuch 2016 Doppelpack (Buch + CD) Standardausgabe 26,00 Euro 40,00 Euro Sonderausgabe Berufliche Schulen 26,00 Euro 40,00 Euro Exemplare Außerunterrichtliche Veranstaltungen 6,00 Euro 9,50 Euro Exemplare 55+ Die Vorsorgemappe 10,00 Euro 20,00 Euro 7. Auflage 2013 Exemplare Steuererklärung, Neuauflage Oktober 2014 6,00 Euro 10,00 Euro Lange lehren in Beziehung (DVD-Video) 19,90 Euro (Mitglieder und Nicht-Mitglieder) Eltern-Jahrbuch 2015/2016 12,50 Euro (Mitglieder und Nicht-Mitglieder) Versandkostenpauschale bei einem Warenwert bis 20 Euro: 3 Euro, 21 bis 40 Euro: 5 Euro, 41 bis 100 Euro: 7 Euro, ab 101 Euro: versandkostenfrei GEW-Mitgliedsnummer (s. Adressaufkleber b&w) Versand- und Rechnungsanschrift: Schriftliche Bestellungen: Süddeutscher Pädagogischer Verlag Silcherstraße 7a 70176 Stuttgart Tel. 0711 2103070 Fax 0711 21030799 bestellservice@spv-s.de Online-Shop: www.spv-s.de
Editorial Doro Moritz, Landesvorsitzende GEW Baden-Württemberg Foto: Michael Bolay Wir haben die Wahl! Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserin, lieber Leser, Sie haben die Wahl – am 13. März! Soll der Dreigliedrigkeit definitiv keine Perspektive nächste Ministerpräsident Kretschmann oder hat, stellt auch die CDU im Bildungskonzept Wolf heißen? Wollen Sie Kultusminister Stoch der Landtagsfraktion ausdrücklich fest. Die oder einen (welchen?) Wechsel an der Spitze öffentliche Diskussion spiegelt das nicht wider. des Kultusministeriums? Welche Regierungs- Sie ist leider bestimmt vom Blick auf das, was konstellation wünschen Sie sich? Jahrzehnte funktioniert hat. Verkannt wird Wie die Wahl ausgeht, weiß ich nicht. Aber ich auch, dass das Wegbrechen der Hauptschule weiß, dass auch die nächste Landesregierung ein Thema aller Schularten ist. große Aufgaben zu bewältigen hat. Denn der Von der Antwort auf diese Herausforderung beträchtliche Reformstau, den die grün-rote hängt die Qualität und Leistungsfähigkeit Landesregierung 2011 vorgefunden hat, ist unserer Schulen in allen Schularten ab. Dafür am Ende dieser Wahlperiode nicht beseitigt. braucht es an allen Schulen bessere Arbeits- Das konnte auch niemand erwarten. Für die bedingungen. Verschlechterungen müssen Umsetzung grundlegender Veränderungen zurückgenommen werden. Seit Jahren steigt im Bildungsbereich braucht es nicht eine, die Arbeitsbelastung. Für Veränderungsprozes- sondern mindestens zwei Wahlperioden. Die se brauchen Lehrkräfte und Schulleitungen in Aufgaben waren riesig: Mehrere zehntausend allen Schulen zusätzliche Zeit. Eine Zukunfts- Krippenplätze fehlten. Für rückläufige Schü- aufgabe für jede Landesregierung muss es lerzahlen, das Wegbrechen der Haupt- und auch sein, die Unterrichtsentwicklung so zu Werkrealschulen, für die Verpflichtung zur unterstützen, dass die Heterogenität an jeder Umsetzung der Inklusion gab es kein Konzept. Schule nicht mehr als Problem wahrgenom- Die Landesregierung hat die notwendigen men wird. Dazu liefert WissGem, die wissen- Reformen angepackt. Es waren sehr viele. schaftliche Begleitstudie der Gemeinschafts- Als Wählerinnen und Wähler müssen wir die schule, sehr klare Hinweise – für alle Schulen. Arbeit der Landesregierung und die Aussagen Egal wie die nächste Regierungskonstellation in den Wahlprogrammen der Parteien bewer- aussieht: Die Reformen müssen fortgesetzt, ten. Konkrete Aussagen zu Ressourcen für die konsolidiert und besser ausgestattet werden. frühkindliche Bildung und den Schulbereich, Dazu gibt es keine Alternative. für die weitere Konsolidierung der Hochschul- Gehen Sie zur Wahl am 13. März und stärken finanzierung und die Stärkung der Weiterbil- Sie die demokratischen Parteien! Verhindern dung werden Sie in allen Wahlprogrammen Sie, dass die politische und gesellschaftliche vergeblich suchen. Kultur unseres Bundeslandes durch die Wahl Auf die Agenda muss in der kommenden der AfD in den Landtag beschädigt wird. Ich Wahlperiode die Verbesserung der Arbeits- will weder im Landtag noch in unserer Gesell- und Beschäftigungsbedingungen an Schulen, schaft eine Partei, die Diskriminierung, Intole- in Kitas, an Hochschulen und in der Weiterbil- ranz, Rechtspopulismus und sogar Waffenge- dung, in der Schul- und Kultusverwaltung. walt gegen Menschen, die Zuflucht suchen, als Zentrales bildungspolitisches Thema im Wahl- Programm haben. kampf ist der Streit um die Schulstruktur, um Schularten. Eine Diskussion, die andere Bun- Mit freundlichem Gruß desländer und erst recht das europäische Ihre Ausland längst hinter sich haben. Dass die bildung & wissenschaft 01-02/ 2016 3
26 Was die GEW die nächsten Jahre erreichen will 30 Flüchtlinge: Potenzial von übermorgen 15 Tagung zur Gemeinschaftsschule S. 07 1. Mai: Für gerechte Löhne und soziale Sicherheit S. 16 Titelthema Bildungspolitik: Was nach den Wahlen angepackt werden soll Foto: imago 4 bildung & wissenschaft 01-02 / 2016
Inhalt In dieser Ausgabe Titelthema Aus-, Fort- und Weiterbildung Hochschule 17 Bildungspolitische Bilanz der grün/ roten Landesregierung: Veränderungen 35 Weder Quote noch Note darf den brauchen Zeit und Unterstützung Zugang zum Masterstudium beschränken 21 Was nach den Wahlen angepackt werden muss 24 Landesregierung hat viel Geld in Aus der Arbeit der GEW Bildung gesteckt 6 Ein Zeichen gegen Hass und Gewalt 7 Austausch mit SPD und Grüne Arbeitsplatz Schule / 7 Austausch mit der Linkspartei Kindertageseinrichtung 26 Leitanträge der LDV 2016: Was die GEW die nächsten Jahre erreichen will 9 „Die Grundschule: kindgerecht und 28 Weichenstellungen für die nächsten zukunftsfähig“ vier Jahre 10 Mehr Informatik im Schulunterricht 29 Neue Kandidat/innen bei der LDV 10 Lehrereinstellung: Weniger Bewerber/ 40 DGB Kongress: Zukunft der Arbeit innen als im Vorjahr 41 GEW im Gespräch mit Jusos 11 Studie zu Gemeinschaftsschulen: 43 Personalräteschulung für Viel geschafft und noch viel zu tun Heimsonderschulen 13 Am wichtigsten ist Zeit 44 Türkei: Lehrkräfte und Schüler/innen 15 Gemeinschaftsschulen: von Krieg betroffen Unterschiedliche Wahlversprechen 30 Flüchtlinge: Potenzial von übermorgen 34 Flüchtlinge: „Wir haben viel zusammen Rubriken gelacht“ 36 Cyber-Mobbing: Ein einziges 3 Editorial peinliches Foto genügt 6 Aktuell 38 Von der Befragung zu konkreten 40 Kurz berichtet Maßnahmen 45 Vor Ort 44 484 Beförderungsstellen 46 Vor Ort/Jubilare 48 Vor Ort/Totentafel 51 Leserbriefe/Buchtipps Recht/Geld 52 Buchtipps/Impressum 8 Neues Beurteilungsrecht: Vorgaben ge- fährden die kollegiale Zusammenarbeit Heftmitte UP 8 Beamtenbund wehrt sich gegen den eigenen Tarifvertrag Titelbild: LpB-BW/Andreas Otto 9 Mehr Geld für Gymnasien und Realschulen g Redaktionsschluss für jede b&w Ausgabe: 42 Hilfestellung der GEW für die Schulen jeweils der 15. des Vormonats bildung & wissenschaft 01-02 / 2016 5
Aktuell KUNDGEBUNG IN STUT TGART Ein Zeichen gegen Hass und Gewalt Foto: Maria Jeggle Rund 7.000 Menschen protestierten auf einer Kundgebung in Stuttgart gegen Rassismus und Gewalt Der DBG hatte Mitte Januar zu einer on gegen Rassismus und Gewalt gegen „Mit Anfeindungen, Rassismus und Res- großen Kundgebung unter dem Motto Geflüchtete teil. Die stellvertretende sentiments hat sich eine Demokratie noch „Halt!zusammen“ aufgerufen. Ein unge- DGB-Landesvorsitzende Gabriele Fren- nie weiter entwickelt. Wir wollen mit die- wöhnlich breites Bündnis aus mehr als zer-Wolf sagte: „Wir sind die vielen, die ser Kundgebung zeigen, dass das Mitein- 80 Organisationen – darunter Gewerk- nicht schweigen wollen. Wir wollen keine ander, Offenheit, Dialog und Respekt die schaften, Parteien, Kirchen, Arbeitgeber Hassparolen hören und lesen. Wir wollen Mittel sind, um unsere Gesellschaft weiter und Migrantenvereine – unterstützten die keine Heime brennen sehen.“ Zugleich voranzubringen“, erklärte Manuela Ruka- Aktion. Rund 7.000 Menschen nahmen verurteilte sie die sexuellen Übergriffe auf vina, die Vorsitzende des Landesfrauenra- am Samstagvormittag auf dem Schloss- Frauen in der Silvesternacht als „abscheu- tes. b&w platz in Stuttgart an der Demonstrati- liche Taten“. GEW-Quiz Liebe Kolleginnen und Kollegen, GEW, gestaltet in allen Bildungsberei- mehr als 5.000 Anwärter/innen und chen mit und vertritt die Interessen der 1. Anfang März findet die LDV 2016 Referendar/innen und auch einige neu- Beschäftigten. statt. Wann kommt die nächste? eingestellte Lehrkräfte haben seit Jah- Sprechen Sie neue Kolleg/innen auf die a) 2019, b) 2020 , c) 2021 resbeginn ihren Dienst an den Schulen GEW-Mitgliedschaft an. Sie kostet im 2. Welche Aussagen sind falsch? begonnen, darunter viele GEW-Mitglie- Referendariat vier Euro monatlich. a) Etwa 370 Delegierte aus allen GEW- der. Ich bitte Sie herzlich, erleichtern Sie Die GEW hat die künftigen Lehrer/innen Kreisen wählen auf der LDV die GEW- den Neuen den Einstieg, zeigen Sie Ihre bereits an den Ausbildungsseminaren Landesspitze. gewerkschaftliche Solidarität, indem Sie begrüßt und unter anderem das GEW- b) Im Mittelpunkt der LDV stehen auf sie zugehen. Jahrbuch als Begrüßungsgeschenk über- Antragsberatungen. Es sind Kleinigkeiten und Gesten, die den reicht. GEW-Mitglieder und die, die es c) Auf der LDV 2012 wurde Doro Moritz Neuen den Einstieg, die Kontaktaufnah- werden, erhalten zusätzlich einen Kino- zum ersten Mal zur Vorsitzenden gewählt. me und die Zusammenarbeit erleichtern gutschein. 3. Welche Aussagen sind richtig? können und die zeigen: Meine Kolleg/ Es lohnt sich auch für Sie, GEW-Mitglie- a) Geflüchtete Kinder dürfen erst nach 6 innen unterstützen mich, ich bin will- der zu werben: Den Antrag auf Mitglied- Monaten in die Schule. kommen. schaft, die Werbeprämien, auch weitere b) Kinder dürfen erst eingeschult werden, Kollegialität, Solidarität und Gewerk- Informationen und Materialien, finden wenn ihr Asylantrag genehmigt wurde. schaftszugehörigkeit sind eng verbun- Sie auf der Homepage der GEW unter c) Sobald ein Kind in die Schule will, muss den. Zeigen Sie den Anwärter/innen und www.gew-bw.de die Schule ohne Rücksicht auf den auf- Referendar/innen, dass Sie GEW-Mitglied enthaltsrechtlichen Status den Bildungs- sind – wie 50.000 andere in Baden-Würt- Freundliche Grüße anspruch erfüllen. temberg auch! Die GEW, und nur die Auflösung siehe Seite 40 6 bildung & wissenschaft 01-02/ 2016
Aktuell L ANDTAGSWAHL Austausch mit SPD und Grüne Vor der Landtagswahl trafen sich Ver- treter/innen der GEW mit der Spitze der SPD-Landtagsfraktion und bildungspoli- tischen Abgeordneten. Übereinstimmung bestand, dass es im Landtagswahlkampf darum gehen muss, die begonnenen Foto: SPD Baden-Württemberg Reformen zu verteidigen und die Ziele für die kommende Legislaturperiode klar zu benennen. In der frühkindlichen Bildung muss die Qualität und das Fachkraft-Kind- Verhältnis weiter verbessert werden. Im Schulbereich sollen Verbesserungen für Gespräch mit der SPD: Von links: Matthias Schneider GEW, Rita Haller-Haid MdL, Claus Schmiedel die Schulleitungen und die Grundschulen MdL, Doro Moritz GEW, Klaus Käppeler MdL, Michael Hirn GEW, Petra Kilian GEW, Sabine Wölfle durchgesetzt werden. In der Sekundarstu- MdL, Michael Futterer GEW fe müssen alle Schulen mit einer systema- tischen Unterrichtsentwicklung und den erforderlichen Stellen in die Lage versetzt werden, mit einer heterogenen Schüler- schaft umgehen zu können. Auch mit dem Vorstand der Landtags- fraktion der Grünen haben sich Vertreter/ innen der GEW getroffen. Im Gespräch wurde ein Blick auf die zurückliegende Legislaturperiode geworfen, aber auch Foto: Grüne Baden-Württemberg Schwerpunkte für die Bildungspolitik der Grünen nach der Wahl besprochen. Alle waren sich einig, dass es nach der Wahl um ein Verstetigen der begonnenen Refor- men, um die Stärkung des frühkindlichen Bereichs und der Arbeit in der Grundschu- le und um eine Steigerung der Qualität der Gespräch mit den Grünen: Von links: Andreas Schwarz MdL, Sandra Boser MdL, Michael Futterer Bildung gehen muss. Auch die Entlastung GEW, Doro Moritz GEW, Edith Sitzmann MdL, Inge Goerlich GEW, Michael Hirn GEW, Mussie Habte der Beschäftigten im Bildungsbereich parlamentarischer Berater muss in Angriff genommen werden. Michael Hirn L ANDTAGSWAHL Austausch mit der Linkspartei Zum Informations- und Meinungsaus- tausch trafen sich Bernd Riexinger, Bun- desvorsitzender der Partei Die Linke, Sabine Skubsch, GEW-Kollegin und Landtagskandidatin im Wahlkreis Karls- ruhe für Die Linke, mit Doro Moritz. Im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Bewertung der Bildungspolitik der grün/ roten Landesregierung, die Positionen Foto: Ulrike Bär der GEW und der Linkspartei. Überein- stimmung gab es unter anderem in der Notwendigkeit der Steuererhöhung von Vermögen und hohen Einkommen. b&w Von links: Bernd Riexinger, Sabine Skubsch und Doro Moritz bildung & wissenschaft 01-02 / 2016 7
Aktuell NEUES BEURTEILUNGSRECHT Vorgaben gefährden die kollegiale Zusammenarbeit der Landesvorsitzenden Doro Moritz diskutierten sie über die Auswirkungen auf die Betroffenen (siehe Bericht in der b&w 10/2015). Die Teilnehmer/innen, darunter auch Beurteiler/innen berichteten von einer großen Verunsicherung in den Dienst- Foto: Ulrike Bär stellen, weil noch immer Informatio- nen zur Umsetzung der Beurteilungs- verordnung fehlen. Einhellig wurden die Bildung von Vergleichsgruppen bei von links: Wolfgang Straub, Martin Morgen und Doro Moritz der Regelbeurteilung und die Richt- werte für die Punktevergabe innerhalb Beschäftigte aus der Schulverwaltung, Stuttgart. Eingeladen hatte die Landes- dieser Vergleichsgruppen kritisiert. Schulpsychologen/-innen, Leitungs- fachgruppe Schulaufsicht, Schulverwal- Diese Vorgaben gefährden die kollegiale personal der Lehrerbildungsseminare tung und Seminare. Zusammenarbeit und können negative und des Landesinstituts für Schulent- Martin Morgen, Wolfgang Straub und Auswirkungen auf die Motivation der wicklung kamen kurz vor Weihnachten Markus Kreilinger, GEW-Mitglieder im Beschäftigten haben. zu einem Fachgespräch über das neue Hauptpersonalrat für den außerschu- Wolfgang Straub Beurteilungsrecht für Beamtinnen und lischen Bereich, informierten über die Beamte in Baden-Württemberg nach neuen Bestimmungen. Zusammen mit ENTGELTORDNUNG LEHRKR ÄFTE Beamtenbund wehrt sich gegen den eigenen Tarifvertrag Die GEW hat bei der Tarifrunde der Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L) organisation keinen Tarifvertrag unter- Länder im vergangenen Frühjahr den vom 28. März 2015 die Direkteinsteiger schreibt, dessen Regelungen Nachteile Eingruppierungstarifvertrag für Lehr- in den ersten drei Jahren der Pädagogi- für die Beschäftigten haben. Der BLV kräfte nicht unterzeichnet. Denn er schen Ausbildung und des Bewährungs- verschweigt nämlich in diesem Brief, führt bei Beschäftigten zu beträchtli- jahres nicht mehr in E 13 (Uni-Absol- dass dieser Tarifvertrag von der DBB chen Verschlechterungen und nur bei venten) bzw. E 12 (FH-Absolventen), Beamtenbund und Tarifunion(dbb tu) sehr wenigen Beschäftigten zu geringfü- sondern in E 12 (Uni-Absolventen) bzw. mit der Tarifgemeinschaft der Länder gigen Verbesserungen. Unterschrieben E 11 (FH-Absolventen) eingruppiert (TdL) vereinbart und unterschrieben hat allerdings der Beamtenbund und werden, wird sich die Gewinnung der wurde. beklagt jetzt beim Kultusministerium dringend erforderlichen Lehrerinnen Der Beamtenbund hat den Lehrkräften die negativen Auswirkungen des Tarif- und Lehrer in den Mangelfächern über mit diesem Tarifvertrag einen Bären- vertrags. den Weg des Direkteinstiegs dramatisch dienst erwiesen. In einem Brief an das Kultusministerium verschlechtern.“ In Gesprächen mit der Landesregierung hat der Verband der Lehrerinnen und So ist es. Dieser Tarifvertrag führt zu ist es unser Ziel, in den Bereichen, in Lehrer an beruflichen Schulen in Baden- Verschlechterungen. Die Vermutung der denen Baden-Württemberg nicht durch Württemberg (BLV), der Mitglied des GEW, dass in den Tarifverhandlungen den TV EntgO-L gebunden ist, Verbes- Beamtenbundes ist, seine Sorge ausge- nur unseren Tarifexperten die Auswir- serungen für die Kolleg/innen zu errei- drückt, dass es durch den neuen Tarif- kungen bewusst waren, scheint sich zu chen (z.B. großzügigere Anrechnung vertrag Probleme geben wird, Lehrerin- bestätigen. Wunderlich wird es deshalb von Berufserfahrung auf die Stufen, nen und Lehrer für eine Einstellung zu bei der Forderung des BLV „Wir fordern Arbeitnehmertabellen für die Zulagen, interessieren. Der BLV wehrt sich damit das Kultusministerium auf, zusammen Anwendung der TV-L-Option der vor- gegen den Tarifvertrag, der auch in sei- mit dem Finanzministerium rasch eine gezogenen Stufengewährung bei guter nem Namen und für seine Mitglieder Lösung zu finden, damit die Folgen der Leistung,…) und Verschlechterungen abgeschlossen wurde. schlechteren Eingruppierung ausgegli- wie bei den Direkteinsteiger/innen auf- Der BLV schreibt: „Wenn (…) aufgrund chen werden.“ Die Lösung hätte einfach zuheben. des Tarifvertrags über die Eingruppie- sein können: Der BLV hätte sich dafür Doro Moritz rung und die Entgeltordnung für die einsetzen müssen, dass seine Spitzen- 8 bildung & wissenschaft 01-02/ 2016
Aktuell KONGRESS DES KULTUSMINISTERIUMS SACHKOSTENBEITR ÄGE „Die Grundschule: kindgerecht und zukunftsfähig“ Mehr Geld für Gymnasi- en und Realschulen Die Sachkostenbeiträge für Gymnasien und Realschulen werden 2016 deutlich angehoben: Gegenüber 2015 steigen die Foto: Kultusministerium Beiträge für die Gymnasien um 12,4 Prozent und für die Realschulen um 15,2 Prozent. Für die Gemeinschafts- schulen und die Hauptschulen/Werkre- alschulen bleiben sie konstant. Darauf Die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz setzte sich auf dem Podium für eine bessere Ausstattung haben sich die Kommunalen Landes- der Grundschulen ein. Von links: Moderatorin des KM, Kultusminister Andreas Stoch, Doro Moritz verbände mit dem Kultusministerium und Peter Burkhardt, Schulleiter der Pragschule Stuttgart geeinigt. Mit dem Sachkostenbeitrag erhalten die „Die Grundschulen legen die Basis für Schritt. Dies muss ausgebaut werden. Schulträger einen Ausgleich für die lau- eine gelingende Bildungsbiographie. Nur Die Benachteiligungen der Grundschul- fenden Kosten des Schulbetriebs. Die langsam schlägt sich diese Erkenntnis lehrkräfte bei Ausbildung und Bezahlung Höhe der Beiträge ist in der Schullasten- auch in der Ausstattung und den Rah- müssen beseitigt werden“, sagte Doro verordnung geregelt und berücksichtigt menbedingungen der Grundschule nie- Moritz am 7. Dezember auf der Veran- die tatsächlich entstandenen Kosten. der. Die erstmalige Zuweisung von Pool- staltung Die Grundschule: kindgerecht Die neue Festsetzung der Sachkosten- stunden und die zusätzlichen 4 Stunden und zukunftsfähig. Rund 400 Teilnehmer/ beiträge wurde auf Basis der Schulkos- für Mathematik und Deutsch in der künf- innen besuchten Anfang Dezember 2015 tenauswertung des Statistischen Lan- tigen Kontingentstundentafel des neuen die Veranstaltung des Kultusministeriums desamtes ausgearbeitet. Bildungsplans sind ein erster wichtiger im Kursaal Bad Cannstatt. b&w b&w Glosse: Keine Wohnung für Lehrkräfte „Sie sind also Lehrer“, fragte der ziemlich Ärger mit ihnen. Die Lehrer seien ja auch fragte ich und schämte mich für meine große Wohnungsmakler gedehnt und dauernd zu Hause, weil sie „morgens ZDF-Forschungsgruppe-Wahlen-Aus- klappte seine Mappe zu. Ich nickte und recht und mittags frei hätten, hahaha!“ drucksweise. Aber ich wollte höflich sein. dachte: Jetzt sagt er gleich, dass ich die Noch ein Schlag auf das Schlüsselbein. Meiner Berufsgruppe Ehre machen. Wohnung kriege, weil ich ja Beamter bin. Und in den Ferien seien sie auch dauernd „Auf keinen Fall Leute mit mehr als einem „Dann tut es mir leid“, fuhr er fort, „aber zu Hause und wohnten die Wohnung run- Kind“, sagte er und schaute mich prüfend mein Auftraggeber hat gesagt, er wolle ter, schlimmer als die arbeitslosen Dau- an, „Kinder machen Krach, das gibt nur keine Lehrer als Mieter.“ erfernseher. „Na, und dann haben die Ärger!“ Ich sackte noch mehr zusammen. „Wieso das denn?“, entfuhr es mir erschro- doch nichts anderes zu tun, als dauernd Da war ich mit meinen drei Kindern wohl cken. Da lachte der Makler. Er trug Kroko- Mietrechttexte und Gerichtsurteile zu stu- doppelt ausgeschieden. dillederschuhe, einen weißen Anzug und dieren, um ihrem Vermieter das Leben zu „Rentner“, sagte er, „Rentner, von mir aus eine Hornbrille mit schwarz-weißen Kuh- vermiesen, oder?“, grinste er. Sie wüss- auch mit Hund.“ Die seien schön ruhig. flecken drauf. „Ich persönlich hab nichts ten alles ganz genau. Vor allem, wie man Und was, wenn die Rentner/innen vorher gegen Lehrer“, sagte er jovial, „ich hab einem Vermieter das Geld aus der Tasche Lehrer/innen waren, dachte ich gehässig. auch nichts gegen Sie.“ Er haute mir auf ziehe. „Und ganz ehrlich“, er schaute mich Sagte aber nichts. „Oder Beamter“, lachte die Schulter, dass ich mein Schlüsselbein mit bedauernder Miene an, „da verzichtet er, „irgendein Beamter, Finanz oder andere knacken hörte. Aber als Mieter seien Leh- man lieber auf das zuverlässige Beam- Langweiler, Hauptsache kein Lehrer.“ rer leider das absolut Letzte. Noch schlim- tengehalt.“ Ich würde ja eigentlich ganz Danach zählte er mir noch Handwerker als mer als Musiker, die mit ihrem Übungs- vernünftig auf ihn wirken, relativ normal, ideale Mieter auf, weil die alles selber in gedudel allen Nachbarn den letzten Nerv aber so im Allgemeinen, das wisse man Schuss hielten. raubten. Und auch schlimmer als Studen- doch, seien Lehrer so. Ich beschloss, mich über mein Lebensen- ten, die mit nächtlichen Partys alle um So fühlt es sich also an, diskriminiert zu de hinaus zu verschulden und ein Haus zu den Schlaf bringen. Klugscheißer seien die werden. Aber ich schluckte den Gedanken bauen. Ich würde nie eine Wohnung krie- Lehrer, erklärte mir der Kroko-Makler, die runter. „Wen sollen Sie denn nehmen? Also gen. alles besser wüssten. Pausenlos habe man gibt es eine bevorzugte Personengruppe?“, Jens Bucholz bildung & wissenschaft 01-02 / 2016 9
Aktuell BILDUNGSPL ANREFORM Mehr Informatik im Schulunterricht ab 2017 Mitte Dezember 2015 hat das Kultusmi- Schüler/innen lernen hier beispielsweise, In IMP lernen Schüler/innen die mathe- nisterium ein Konzept vorgestellt, wie wie ihre Computer und mobilen Endge- matischen Grundlagen, die etwa bei der mehr Inhalte von Informatik im Zuge räte aufgebaut sind und setzen sich mit MP3-Technologie oder bei Bildbearbei- der Bildungsplanreform verbindlich in Grundkonzepten der Programmierung tungsprogrammen zur Anwendung kom- den Schulunterricht verankert werden. auseinander. Die Einführung ist für das men bzw. welche physikalischen Zusam- Zusätzlich zur fächerübergreifenden Leit- Schuljahr 2017/2018 – parallel zur Ein- menhänge eine Rolle spielen, wenn diese perspektive „Medienbildung“ und dem führung der neuen Bildungspläne in der Daten mittels WLAN oder Mobilfunk „Basiskurs Medienbildung“ in Klasse 5 ist Klassenstufe 7 – vorgesehen. übertragen werden. ein neuer „Aufbaukurs Informatik“ in der Als Vertiefungsmöglichkeit in den Klas- An den Haupt-/Werkrealschulen und Klassenstufe 7 vorgesehen. In den Klas- senstufen 8 bis 10 wird in den Gymnasien Realschulen wird in den Klassenstufen 8 senstufen 8 bis 10 sollen weitere Inhalte und Gemeinschaftsschulen ein neues Pro- bis 10 ein neues Wahlfach „Informatik“ aus der Informatik über spezielle Vertie- filfach eingeführt. Das Profilfach trägt die eingeführt. In diesem Wahlfach sollen fungsmöglichkeiten vermittelt werden. Bezeichnung „Informatik, Mathematik, besonders alltagsrelevante Themen mit Begleitend wird ein darauf abgestimm- Physik“ (IMP) und kann von den Schu- Informatikbezug aufgegriffen und Inte- tes Fortbildungskonzept für Lehrerinnen len alternativ zum bereits bestehenden resse geweckt werden. Die Einführung und Lehrer aufgelegt. Profilfach „Naturwissenschaft und Tech- der Vertiefungsmöglichkeiten ist für das Der „Aufbaukurs Informatik“ in Klassen- nik“ (NwT) angeboten werden. Im Fokus Schuljahr 2018/2019 vorgesehen, wenn stufe 7 soll für Schüler/innen aller allge- von IMP steht die Informatik; Inhalte aus die neuen Bildungspläne auch in Klas- meinbildenden Schularten verbindlich Mathematik und Physik werden darauf senstufe 8 eingeführt werden. Sämtliche sein und im Umfang von einer Stunde abgestimmt vermittelt. Ein praktisches Informatikkompetenzen werden schulart- pro Woche unterrichtet werden. Dafür Beispiel ist die Kodierung von Informati- übergreifend aufeinander abgestimmt. werden zusätzliche Deputate geschaffen. onen in Bild-, Audio- oder Videodateien: b&w LEHREREINSTELLUNG Weniger Bewerber/innen als im Vorjahr Mitte Dezember 2015 wurden die jungen nen Stellenausschreibungen wurde der Lehrer/innen ausgewählt, die im Febru- Bewerberschluss auf den 1. Februar um ar eingestellt werden. Die Grund- und einen Monat nach vorne geschoben. Hauptschullehrkräfte (GHS) sowie die Die guten Einstellungschancen im Som- Realschullehrkräfte (RS) wurden über mer 2015 waren ein Erfolg der GEW, die die allgemeine Bewerbungsliste einge- sich seit Jahren intensiv dafür eingesetzt stellt. Für die anderen Schularten und hat, dass die Landesregierung die ange- die musisch-technischen Fachlehrer/ kündigte Streichung von 11.600 Lehrer- innen wurden die freien Stellen schulbe- stellen zurücknimmt. Dass so viele Lehr- zogen ausgeschrieben. Im GHS-Bereich kräfte eingestellt wurden, wie zuletzt bewarben sich 446 Personen um eine in den 70er-Jahren, ist sehr erfreulich, Einstellung, ein Angebot erhielten lan- schlägt sich nun aber in der Versorgung desweit nur 50 Personen. Im Realschul- der Schulen bei den Krankheitsvertre- Fotolia bereich bewarben sich auf zehn zu ver- tungen nieder. Es sind faktisch keine teilende Stellen für wissenschaftliche innen beim Einstellungsverfahren im Bewerber/innen für die dringend benö- Lehrkräfte landesweit 287 Personen. Sommer 2016 haben. Die musisch- tigten Krankheitsvertretungen vorhan- Aufgrund der sehr guten Sommerein- technischen Fachlehrer/ innen (FL), die den. Die schwierige Situation bei der stellung war die Anzahl der Bewerber/ Sonderschullehrkräfte (WL/FL), sowie Suche nach Krankheitsvertretungen in innen nur halb so groß wie im Vorjahr. die Kolleg/innen an den Gymnasien und allen Regierungsbezirken zeigt deutlich, Erstmals konnten die Bewerber/innen beruflichen Schulen konnten sich direkt dass die feste Lehrerreserve weiter aus- für Grund,- Haupt,- und Realschulen bei den Schulen um eine Einstellung gebaut werden muss und die gut aus- beim Listenverfahren ankreuzen, ob sie bewerben. Hier ist nur das Stellenvolu- gebildeten Lehrkräfte frühzeitig an die ein Angebot an einer Gemeinschafts- men bekannt, die Anzahl der Bewerber/ staatlichen Schulen im Land gebunden schule vorrangig, nachrangig oder gar innen nicht. Bei den Einstellungsver- werden müssen. nicht annehmen würden. Diese Mög- fahren für Bewerber/innen mit Zusatz- Ruth Schütz-Zacher lichkeit werden auch die Bewerber/ qualifikation und den schulbezoge- HPR GHWRGS 10 bildung & wissenschaft 01-02/ 2016
Arbeitsplatz Schule STUDIE ZU GEMEINSCHAFT SSCHULEN Viel geschafft und noch viel zu tun Im Januar 2016 wurde der Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung Gemein- schaftsschulen in Baden-Württemberg (WissGem) in der Kurzfassung vorgelegt. Aufgabe der Studie war, Stärken und Schwächen der neuen Schulart aufzuzeigen. Ziel ist, die Gemeinschaftsschule nach dem Start zu verbessern. Von den Erkenntnissen profitieren alle Schularten. An dem Forschungsprojekt, das das Die Studie legt offen, dass die Lehrkräfte der intensive kollegiale Austausch wer- Wissenschaftsministerium und das Kul- an Gemeinschaftsschulen besonders im den von den Lehrkräften positiv bewer- tusministerium beauftragt haben, waren Hinblick auf die konzeptionelle Arbeit tet. Die Lehrkräfte wünschen sich aber die Universitäten Tübingen, Heidelberg und die Unterrichtsentwicklung gefor- bessere Umsetzungsbedingungen, vor und München und die Pädagogischen dert sind. Die große Aufgabe, zum einen allem mehr Zeit für die genannten Her- Hochschulen Heidelberg, Schwäbisch eine neue Schulart aufzubauen, und zum ausforderungen und eine intensive Aus- Gmünd, Freiburg, Weingarten und anderen die heterogene Schülerschaft zu und Fortbildung. Die Studie zeigt jedoch Ludwigsburg beteiligt. Inhalt und For- fördern, verlangt von allen an GMS täti- auch, dass die Fortbildungsbedarfe an schungsgegenstand des Gesamtprojekts gen Lehrer/innen einen hohen persönli- den verschiedenen Gemeinschaftsschu- war die Beschreibung und Analyse des chen Einsatz. Dies umfasst zum Beispiel len unterschiedlich sind. Manche Schu- Transformationsprozesses der Gemein- viel Zeit für Kooperation, die Erarbei- len wünschen sich vor allem Ruhe für schaftsschule auf der Schulsystemebene, tung von differenziertem Unterrichts- die weitere Arbeit. der Einzelschule und des Unterrichts. material und entsprechende Leistungs- Bemerkenswert ist der Ansatz der Stu- rückmeldungen an die Schüler/innen. Schulkultur die, den Unterricht einzelner Lehrkräf- Hinzu kommt die Aufgabe der Inklusi- Welche gemeinsamen Ziele, Haltungen te zu beobachten und zu analysieren. on, die alle Gemeinschaftsschulen seit und Sichtweisen der Lehrkräfte liegen Dadurch können Zusammenhänge zwi- ihrer Gründung bewältigen müssen. an den Einzelschulen vor? Diese unter schen konkreten Unterrichtsformen und Der mit einer Transformation verbun- dem Begriff der Schulkultur unter- der Lernentwicklung der Schüler/innen dene Prozess der Reflektion und auch suchten Fragen sind bedeutsam für die erklärt werden. Folgende Themen wer- den im Kurzbericht vorgestellt: Päda- gogische Professionalität, Schulkultur, Unterrichtsqualität, Aufgabenqualität im Fach Mathematik, literarisches Text- Entwicklung gemeinsamer verstehen fördern, Individualisierung im GMS-spezifischer Konzepte Englischunterricht, Umgang mit Hete- Gemeinsame Umsetzung Es wurden gemeinsame, Es wurden keine oder nur rogenität, Lernprozessdiagnostik und GMS-spezifischer Konzepte verbindliche Konzepte partiell verbindliche Konzep- Leistungsbeurteilung, Inklusion, die für den Kernfachunterricht entwickelt te entwickelt Sichtweise der Eltern auf die Gemein- schaftsschule, Situation und Sicht der Typ A Akteurinnen und Akteure, Sozialraum- Konzepte werden von den Schulen mit Kooperations- analyse, Schule als Lebensraum und Lehrkräften stufe 4 Diagnostik und Förderung von Schreib- einheitlich umgesetzt - Joint Work kompetenz. (2 GMS) Typ C Pädagogische Professionalität Typ B Schulen mit Kooperations- Die Gemeinschaftsschule stellt als Konzepte werden nicht Schulen mit Kooperations- stufe 1 + 2 „Schule für alle“ hohe Anforderungen oder nicht von allen Lehr- stufe 3 - Storytelling and Scan- an die pädagogische Professionalität. Die kräften umgesetzt - Sharing ning for Ideas Lehrkräfte sind dabei besonders maß- (4 GMS) - Aid and Assistance geblich. Ohne ihre professionelle Kom- (3 GMS) petenz und Qualität kann ein Innova- tionsprozess wie die Entwicklung einer Tab. 1: Kreuztabellierung zu den erfassten Merkmalkonstellationen der Schulorganisation der Gemeinschaftsschule nicht gelingen. untersuchten Gemeinschaftsschulen. In Klammern findet sich die Anzahl zugeordneter Schulen. bildung & wissenschaft 03 / 2014 11
Arbeitsolatz Schule Implementierung der Gemeinschaftsschu- le, weil die Einschät- zung der Lehrkräf- te „auf den Nutzen, der Praktikabilität und der Bewertung von Reformmaßnah- men“ (S. 21 Kurzfas- sung) entscheidend für deren Erfolg sind. In der Studie werden hierzu vier Koope- Abb. 1: Erreichte Unterrichtsqualität nach Lehrkräften aufgeschlüsselt. (UB = Unterrichtsbeobachtungen; LG = rationstypen (siehe Lerngruppen). Tabelle 1) entwickelt, die sich aus der Ent- wicklung von GMS- spezifischen Konzep- ierungsmerkmal von Gemeinschafts- Als wesentliche Befunde hebt die ten (vorhanden/nicht vorhanden) und schulen. Ein qualitätsvoller Unterricht Begleitstudie hervor, dass die Unter- deren Umsetzung (einheitliche Umset- zeichnet sich dadurch aus, dass er die richtsqualität an Gemeinschaftsschulen zung/nicht oder nur teilweise Umset- „tiefenstrukturelle Ebene“ anspricht und vergleichbar mit der an anderen Schu- zung) zusammensetzen. nicht nur auf der Oberfläche agiert. Um len ist. Die Unterrichtsqualität hängt Mit Typ A werden Gemeinschafts- dies zu erreichen, ist eine klar struktu- wesentlich von der einzelnen Lehrkraft schulen beschrieben, die einen hohen rierte Klassenführung, kognitive Akti- und weniger von der Einzelschule ab Grad an Kooperation aufweisen und vierung und ein motivierendes und Dies gilt über alle Schulen und Schular- ihre gemeinsam entwickelten Konzep- unterstützendes Unterrichtsklima die ten hinweg. te in großer kollegialer Übereinstim- Voraussetzung. Erst wenn diese Bedin- Die Studie zeigt, dass die Unterrichts- mung umsetzen. Gemeinschaftsschu- gungen erfüllt sind, kann differenziertes qualität an den Gemeinschaftsschu- le mit verbindlichen Konzepten, die und individualisiertes Lernen gelingen. len unterschiedlich ist, und zwar auch aber nicht von allen Lehrkräften umge- Bei der Bewertung der Unterrichtsqua- dann, wenn dieselbe Unterrichtskon- setzt werden, entsprechen dem Typ B. lität sind diese vier Voraussetzungen als zeption realisiert wird. Genau hier zeigt Wenn sowohl die Konzeptrealisierung aufeinanderfolgende Stufen definiert, sich der Zusammenhang zwischen der als auch die Kooperationsformen nicht die als Qualitätsstufen zu verstehen sind. Qualität der Einzelschule und der Qua- gut ausgebildet sind, handelt es sich um An Gemeinschaftsschulen zeigt sich lität des Unterrichts, z.B. hinsichtlich Gemeinschaftsschule des Typs C. eine annähernd gleiche Verteilung der der Intensität der unterrichtsbezogenen Die Typologie macht deutlich, dass an erreichten Unterrichtsqualität wie bei Kooperation, der Fortbildungskonzep- den Gemeinschaftsschulen je nach Situ- der Referenzgruppe (andere weiterfüh- tion oder der Unterstützung durch die ation der Einzelschule unterschiedliche rende Schularten): Rund 10 Prozent Schulleitung. Entwicklungs- und Unterstützungsbe- erreichen nur Stufe 1 (Lernklima, Struk- Das Schaubild (Abb.1) gliedert die darfe vorliegen. turen sichern), ein Viertel Stufe 2 (Klas- erreichte Unterrichtsqualität nach den senführung), knapp die Hälfte Stufe 3 untersuchten Lerngruppen an zehn Unterrichtsqualität (Motivation, Aktivierung) und 15 Pro- Einzelschulen auf. An jeder Schule Das individuelle und kooperative Ler- zent Stufe 4 (Differenzierung und kom- wurde der Unterricht an jeweils zwei nen ist ein entscheidendes Konstitu- petente Förderung). Lerngruppen von bis zu 10 Lehrkräf- 12 bildung & wissenschaft 01-02 / 2016
Arbeitsplatz Schule ten (X-Achse) mit einem standardisier- • leistungsstärkere Lernende profitieren Traditionen und tradierte Unterrichts- ten Beobachtungsbogen eingeschätzt. offensichtlich besonders von der fachun- routinen bewältigt werden können. Der Auf der Y-Achse sind die 4 Stufen der gebundenen Lernzeit bewusste Umgang mit Heterogenität, Unterrichtsqualität abgebildet. Die Gra- Insgesamt wird deutlich, dass Inputpha- wozu auch die Inklusion gehört, muss fiken (Boxplots) der einzelnen Lehrkraft sen vorhanden und wichtig sind. Ein entwickelt werden, und zwar an allen zeigen, auf welcher Stufe ihr jeweiliger gemeinsamer Stundenpool, z.B. aus den Schularten. Die Ergebnisse der Begleit- Unterricht eingeordnet werden kann. Fächern Deutsch, Mathematik und (in forschung haben auf diesem Hinter- Daraus lässt sich die Qualität des Unter- Teilen) Englisch, könnte den Rahmen für grund zwei Funktionen: Den Gemein- richts vergleichen. So liegen z.B. die fachungebundene Lernzeiten darstellen. schaftsschulen in ihrer Entwicklung zu Ergebnisse der untersuchten Lehrkräfte Die dem Leistungsniveau der Schüler/ unterstützen und den Unterstützungs- an Schule H weiter auseinander und ins- innen entsprechende Auswahl, Anwen- bedarf konkreter zu identifizieren, aber gesamt niedriger als an Schule E dung und Variation von Unterrichtsfor- auch im Nachgang diese Ergebnisse den men ist der Kern des differenzierten und anderen weiterführenden Schularten Umgang mit Heterogenität individuellen Lernens. Inputphasen und zur Verfügung zu stellen. Denn auch Die Herausforderung des Umgangs Instruktion haben auch und gerade in dort stellen sich diese Herausforderun- mit Heterogenität stellt sich an allen heterogenen Lerngruppen ihren Platz. gen, wenn auch auf je schulartenspezifi- Schularten, bei Gemeinschaftsschulen Eine Verabsolutierung von bestimmten sche Weise, zunehmend. ist sie jedoch konstituierendes Merk- Unterrichtsformen ist fehl am Platze. Die These der „homogenen Schüler- mal. Gemeinschaftsschulen haben den schaft“ war schon immer ein Mythos. Anspruch und den Auftrag, mit den Lernprozessdiagnostik und Leistungs- Jetzt geht es darum, der Realität der Schüler/innen differenziert und indivi- beurteilung Heterogenität und dem Recht jeden duell zu lernen und sie zu fördern. Der Die Leistungsbeurteilung an Gemein- Schülers, als Individuum gesehen zu Umgang mit Heterogenität wird daran schaftsschule zielt auf eine förderorien- werden, im Schulalltag gerecht zu wer- gemessen, wie hoch der Zusammen- tierte Beurteilungspraxis (S. 37). Diese den. Die Gemeinschaftsschulen bejahen hang zwischen bestimmten Unterrichts- Praxis erfolgt durch diese Aufgabe. Dass sie bereit waren, formen (fachbezogen, fachunbezogen, 1. Die Lernprozessdiagnostik (Verste- den Forschern mit dieser bundesweit Input) und der aktiven Lernzeit gemäß hen und Begleiten des Lernprozesses der einmaligen Begleitstudie einen Einblick den jeweiligen Niveaustufen der Schü- Schüler/innen, in ihre Arbeit zu geben, kann nicht hoch ler/innen ist. 2. Die Form der Leistungserhebung genug eingeschätzt werden. Die Studie stellt hierzu fest: „[…] dass (Wann bewerte ich wie?), Ute Kratzmeier bei Lernenden des hohen und des unte- 3. Leistungsbewertung (tradiert vs. indi- GEW-Referentin für allgemeine Bildung ren Leistungsniveaus signifikante Unter- vidualisiert) und schiede zwischen der Unterrichtsform 4. Rückmeldung (Noten, Verbalbeurtei- und der aktiven Lernzeit nachgewie- lung) Zum Bericht sen werden konnten. Erstere zeigen die Die Eingangsdiagnostik wird an höchste aktive Auseinandersetzung mit Gemeinschaftsschulen intensiv betrie- Der 87 Seiten umfassende Abschluss- dem Unterrichtsgegenstand in fachun- ben, sie wird jedoch noch zu wenig für bericht ist eine Kurzfassung des bezogenen individuellen Lernzeitstun- das weitere Fördern der Schüler/innen Buches: Bohl, T & Wacker, A (Hrsg.) den, letztere hingegen in Inputstunden. genutzt. Insgesamt konstatieren die For- (2016): Die Einführung der Gemein- Es wird zudem offensichtlich, dass die scher/innen eine Ambivalenz zwischen schaftsschule in Baden-Württemberg aktive Lernzeit für Lernende des unteren Bilanzierung und Individualisierung, (2016): Abschlussbericht der wissen- und hohen Leistungsniveaus in fachun- die deutlich mache, dass die kontinu- schaftlichen Begleitforschung. Müns- bezogenen individuellen Lernzeitstun- ierliche Evaluation in den Lernentwick- ter: Waxmann, erscheint im Mai 2016 den höher ausfällt als in fachbezogenen lungsbereichen noch stärker „in einen individuellen Lernzeitstunden.“ (S. 36). individualisierenden und lernförderli- Was heißt dies im Klartext? chen Zweck zu überführen ist.“ (S. 38). Kurzbericht • leistungsschwächere Lernende schei- www.km-bw.de/20_01_ nen von der Kombination aus Input und Fazit 2016+Begleitforschung+ fachungebundenen Lernzeiten eher zu Gemeinschaftsschulen bearbeiten The- Gemeinschaftsschule profitieren men, die nicht durch Rückgriff auf lange bildung & wissenschaft 01-02 / 2016 13
Arbeitsplatz Schulen GEMEINSCHAFT SSCHULEN Am wichtigsten ist Zeit Prof. Thorsten Bohl (Universität Tübingen) hatte die Federführung der wissenschaftlichen Begleitfor- schung zu Gemeinschaftsschulen (WissGem). Michael Hirn sprach mit dem Wissenschaftler über die Ergebnisse der Studie und die notwendigen Konsequenzen. Herr Bohl, für manche war der Zeitpunkt Oberflächen- und Tiefenstruktur des die Steuerung des Schulsystems und für der Veröffentlichung der Studie überra- Unterrichts oder bei der Auswahl von Fortbildungsmaßnahmen sehr hilfreich. schend. Warum haben Sie mit den Ergeb- Fachaufgaben. nissen nicht bis nach der Landtagswahl Was brauchen die Gemeinschaftsschu- gewartet? Der Ruf nach Leistungstests, denen sich len am dringendsten, um ihre Arbeit zu Weil das Wissenschafts- und Kultusmi- Gemeinschaftsschulen stellen sollen, ist verbessern? nisterium als Auftraggeber die Abga- nicht zu überhören. Wie ist Ihre Einschät- Wir haben als wichtigste Ressourcen be der zentralen Ergebnisse im Janu- zung dazu? den Faktor Zeit identifiziert. Zeit für die ar 2016 wünschten. Das war bereits im Zunächst darf ich in aller Deutlichkeit Konzeptentwicklung und die Umset- Anschluss an das Begutachtungsverfah- festhalten, dass dies nicht unser Auftrag zung der vielfältigen Vorhaben, Zeit ren Ende 2012 klar. Wir hatten darauf war. Der Auftrag lautete, eine Begleit- für Qualifizierungsmaßnahmen oder keinen Einfluss. forschung durchzuführen – das ist ein schlicht Zeit, um bereits realisierte Kon- völlig anderer Zugang. Im Vordergrund zepte zu optimieren. Im Hintergrund Was war für Sie das überraschendste von WissGem stand, Entwicklungsberei- steht dabei auch die Forderung nach Ergebnis der Studie? che an Gemeinschaftsschulen zu identi- einem veränderten Arbeitszeitmodell, Ich habe mehrere Ergebnisse nicht unbe- fizieren, um die Qualität kontinuierlich welches die vielfältigen Tätigkeiten, dingt erwartet: Die deutlichen Unter- zu verbessern und Maßnahmen für die etwa Beratung, Schulentwicklung oder schiede zwischen den Gemeinschafts- Schulentwicklung und die Lehrerbil- individuelle Förderung, weitaus besser schulen – auch bei ähnlicher Konzeption. dung abzuleiten. Dieser Auftrag ist in berücksichtigt als das Modell der Zuwei- Der starke Einfluss der Haltung der Lehr- den ersten drei Jahren sinnvoll. sung von Unterrichtsstunden. kräfte auf die Schülerzusammensetzung. Natürlich müssen sich alle Schularten Die qualitativ hochwertige Kooperation auch Leistungstests stellen, das ist doch Lassen sich aus der Studie auch Konse- gegenüber der Vergleichsgruppe. Oder selbstverständlich. Allerdings gibt es quenzen für andere Schularten ableiten? die erfahrungsbasiert positive Haltung bereits mehrere Studien zu integrier- Sämtliche Schularten entwickeln ihre gegenüber Heterogenität. ten Schularten, in deren Rahmen auch Arbeit im Umgang mit Heterogeni- Kompetenztests durchgeführt wurden, tät weiter. Die beruflichen Gymnasien Nach drei Jahren Forschung von über 30 etwa in Thüringen, Berlin oder Sach- haben damit viel Erfahrung, die Real- Wissenschaftler/innen: Bewährt sich das sen. Wer erwartet, diese Befunde wür- schulen arbeiten insbesondere in den Konzept der Gemeinschaftsschulen oder den alles klären, der dürfte massiv ent- unteren Klassenstufen an Konzepten muss es verändert werden? täuscht sein – nicht nur weil die Befunde zum Umgang mit Heterogenität, das Führende Schulforscher sind sich einig beispielsweise aufgrund fachspezifischer Gymnasium ist bei einer Übergangsquo- darüber, dass derart umfassende Refor- Unterschiede zum Teil schwer zu inter- te von fast 50 Prozent schon lange keine men nicht nach drei Jahren abgeschlos- pretieren sind. Zudem gibt es einige hochselektierte Exzellenzschule mehr, sen sind. Mindestens 5 bis 10 Jahre methodische Einschränkungen. Bei- Grundschulen arbeiten selbstverständ- dürfte eher ein angemessener Erwar- spielsweise werden die Eingangsvor- lich mit sehr heterogenen Klassen. Wir tungshorizont sein. Insofern müssen wir aussetzungen der Schüler/innen nicht sehen das Schulsystem in Baden-Würt- vorsichtig sein. So viel lässt sich jedoch immer kontrolliert oder die Stichprobe temberg in einem langfristigen Trans- sagen: Konzeptionell hat sich in drei Jah- ist zu klein. Und: das größte Problem formationsprozess, zu dem im Kern der ren sehr viel getan und das Engagement bei den meisten Studien ist, dass unklar Umgang mit Heterogenität auf allen der Lehrkräfte an den Gemeinschafts- bleibt welche Ursachen hinter einem Ebenen zählt – bei gleichzeitig hohem schulen, auch im Umgang mit vielfäl- bestimmten Leistungsstand stehen. fachlichen Anspruch. Insofern gehen tigen und kreativen Ideen, hat uns sehr Daher bleibt dann auch offen, wo der wir in der Tat davon aus, dass unse- beeindruckt. Gleichzeitig gibt es zweifel- Hebel angesetzt werden könnte. re Befunde auch für andere Schularten los noch Entwicklungsbedarf, etwa im In WissGem haben wir genau hier ange- bedeutsam sind. Bereich der Diagnostik und Leistungs- setzt und herausgearbeitet, wo Ent- Das Interview führte Michael Hirn beurteilung oder bei der Passung von wicklungsbedarf besteht – das ist für 14 bildung & wissenschaft 01-02 / 2016
Aus der Arbeit der GEW GE W-FACHTAGUNG ZUR GEMEINSCHAFT SSCHULE Unterschiedliche Wahlversprechen Vier Jahre nach dem Start der ersten Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg zieht die GEW Bilanz. Erfüllen die Gemeinschaftsschulen die Erwartungen und Hoffnung, die in sie gesetzt wurden? Welche Chancen und Risiken bestehen? Politiker/innen wurden gefragt, wie es nach der Landtags- wahl mit den Gemeinschaftsschulen weitergeht. Doro Moritz diskutiert mit den bildungspolitischen Sprecher/innen der Landtagsfraktionen (von links) Harald Paulsen (FDP), Stefan Fulst-Blei (SPD), Georg Wacker (CDU) und Sandra Boser (Grüne). Ganz rechts Professor Thosten Bohl von der Uni Tübingen. Fotos: Julia Stoye Wenige Tage vor der GEW-Tagung einem produktiven Umgang mit Hete- zur Gemeinschaftsschule erschien der rogenität. Die Lehrer/innen nehmen die Abschluss bericht der wissenschaftlichen Unterschiedlichkeit der Schüler/innen Begleitforschung Gemeinschaftsschulen eher als Potenzial denn als Belastung in Baden-Württemberg (WissGem). So wahr. bindlich und äußere Differenzierung konnte der Erziehungswissenschaftler Rund 300 Teilnehmer/innen aus allen möglich werden. Neue Gemeinschafts- Thorsten Bohl, der die Federführung der Schularten waren zur Fachtagung der schulen würde die CDU nicht mehr Begleitstudie übernommen hatte, aktu- GEW gekommen. Mit Spannung wur- genehmigen. Gestärkt werden sollen die ell über die neuesten Befunde berichten. den die Aussagen der Landtagsabgeord- Realschulen. Die Ressourcen will er in (Ergebnisse und Interview siehe Seite 11 neten verfolgt, die in wenigen Wochen eine „gerechte Balance bringen, weil die bis 14). wiedergewählt werden wollen. Auf der Heterogenität überall wächst.“ Der par- Was integrierte Schulen leisten kön- Podiumsdiskussion fragte Doro Moritz lamentarische Berater, Harald Paulsen, nen, untersuchte auch der Schulfor- die bildungspolitischen Sprecher/innen der für Timm Kern (FDP) eingesprun- scher Ulrich Vieluf. Er forschte über die aller Landtagsfaktionen, wie es mit den gen war, plädierte für einen fairen Wett- Lernentwicklung von zwei Jahrgängen Gemeinschaftsschulen in der neuen bewerb und mehr Eigenverantwortung jeweils von Klasse 5 bis 13 an 11 Star- Wahlperiode weitergehen soll. Sand- der Schulen vor Ort. Zentrale Steuerun- terschulen in Berlin. Diese Schulbegleit- ra Boser (Grüne) sieht die Schulen auf gen hielt er für überflüssig. forschung hatte dasselbe Ziel wie die einem guten Weg. Sie wollte zwar nicht Doro Moritz betonte, dass Schulen für baden-württembergische Studie: Die zu viel versprechen, stellte aber die not- unterschiedliche Aufgaben nicht die Untersuchungsergebnisse sollen Ent- wendige Unterstützung in Aussicht. gleiche Ausstattung bekommen könn- wicklungsprozesse an Schulen anstoßen. Stefan Fulst-Blei versprach den Schu- ten. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass Alle Ergebnisse wurden schulbezogen len mehr Ruhe. Man soll die Gemein- die Gemeinschaftsschulen mit ihrem aufbereitet und an die Schulen zurück- schaftsschule arbeiten lassen und sie von anspruchsvollen Auftrag in keinster gemeldet. Ein Befund unter vielen war: dem ständigen Rechtfertigungskampf Weise privilegiert seien. Professor Bohl Im Unterricht setzen sich Lehrer/innen befreien. plädierte für eine kluge Steuerung der an Gemeinschaftsschulen mit der verän- Die CDU will nach Aussagen von Georg Politik, weil sonst die soziale Gerechtig- derten Unterrichtsgestaltung systema- Wacker keine Gemeinschaftsschulen keit zu kurz komme. tisch auseinander und finden Wege zu schließen, allerdings sollen Noten ver- Maria Jeggle bildung & wissenschaft 01-02 / 2016 15
Foto: Bert Butzke Foto: GEW BW Foto: imago Titelthema Foto:GEW BW Foto: imago Foto: imago Foto: GEW BW Foto: imago Foto: imago 16 bildung & wissenschaft 04 / 2012 Foto: imago
Titelthema BILDUNGSPOLITISCHE BIL ANZ DER GRÜN-ROTEN L ANDESREGIERUNG Veränderungen brauchen Zeit und Unterstützung Am 13. März finden Landtagwahlen in Baden-Württemberg statt. Die GEW zieht Bilanz über die Bildungspolitik der grün/roten Landesregierung. Grün/Rot hat viele Reformen angepackt. Trotzdem bleibt noch mehr zu tun und manches muss korrigiert werden. Im Frühjahr 2011 hatte die neue Landesregierung mit dem Pakt Viele Neuerungen an allgemeinbildende Schulen für Familien die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kita- Weitreiche Veränderungen gab es in allgemeinbildenden Platz für Kinder unter drei Jahren auf eine verbindliche Grund- Schulen. Dort wurden wichtige und überfällige Reformen lage gestellt. Mit großen Investitionen mussten zunächst einmal angepackt: das Gesetz zur regionalen Schulentwicklung setzt Betreuungsplätze für die Ein- bis Dreijährigen geschaffen und erstmals einen Rahmen, um das Schulangebot vor Ort unter die Quantität gesichert werden. Im zweiten Schritt erfolgte die den Bedingungen von Schülerzahlenrückgang und veränder- Qualitätsentwicklung. Die Regierungsparteien wollten anstelle tem Schulwahlverhalten zu gestalten. von Projekten dauerhaft Strukturen verbessern und übernahm Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Inklusion, das unter ande- ab 2014 63 Prozent der Finanzierung der Betriebskosten im rem die Abschaffung der Sonderschulpflicht und erste Schrit- Bereich der Kinder über 3 Jahren (Ü3) und 68 Prozent für die te zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ent- Krippenplätze (U3). Zusätzliche Mittel wurden für die Sprach- hält, steht das große Vorhaben, ein inklusives Schulsystem zu förderung in Kindertageseinrichtungen, die Weiterbildung der etablieren, noch ganz am Anfang. Im derzeitigen Stadium mit Fachkräfte und für Kinder- und Familienzentren bereitgestellt. ungenügender Ausstattung und deutlich zu wenig Stellen und In der frühkindlichen Bildung muss in den nächsten Jahren das Unterstützung der Lehrkräfte geht es über eine Zielformulie- Augenmerk vor allem auf die Verbesserung der Qualität gerich- rung und Willensbekundung noch kaum hinaus. tet werden. Hier müssen die Leitungszeit, die Qualifizierung Es wirft ein besonderes Schlaglicht auf die Bildungspolitik der des Personals, die Umsetzung des Orientierungsplans und der zurückliegenden Jahrzehnte, dass die gesetzliche Verankerung Inklusion und selbstverständlich die Aufnahme von Kindern der Ganztags(grund)schule als großer bildungspolitischer aus Flüchtlingsfamilien in den Blick genommen werden. Meilenstein zu werten ist. Damit ist einerseits ein jahrzehn- Mit dem Wiedereinstieg des Landes in die Finanzierung der telanger Modellversuchs-Status beendet, zumindest für die Schulsozialarbeit hat die Landesregierung eine wichtige Kor- Grundschulen. Andererseits wird hier der enorme Reform- rektur vorgenommen. Um die Rahmenbedingungen für Schul- rückstau besonders deutlich, sind Ganztagsschulen doch sozialarbeiter/innen weiter zu verbessern, müssen als nächstes deutschland- und gar europaweit längst eine Selbstverständ- die Förderrichtlinien überarbeitet werden. lichkeit. Bei der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes hat die Ein Plus von 10 Millionen Euro wurde den Trägern der GEW deutlich Kritik geübt, die sich vor allem auf die Wahl- Jugendhilfe für die Umsetzung des „Zukunftsplans Jugend“ form, die mangelnde Ressourcenausstattung und Einführung zur Verfügung gestellt und weitere rund 2,7 Millionen Euro der Monetarisierung bezieht. Als nächstes müssen die weiter- für die Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen auf führenden Schulen dringend in das Gesetz einbezogen wer- dem Gebiet der Jugendhilfe für Gemeinden und sonstige den! Träger. Ungewöhnlich große öffentliche Aufmerksamkeit zog die Bil- bildung & wissenschaft 01-02 / 2016 17
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