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Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 01 / 2016 www.landesbeirat.nrw.de
Liebe Leserinnen und Leser, nein, es ist noch nicht vorbei. Das haben die Diskussionen Die erste Ausgabe des Rundschreibens erscheint aus tech- in der Sondersitzung des Landesbeirates am 5. Februar nischen Gründen leider erst nach Ostern. So wünsche ich und in der regulären Sitzung am 9. März gezeigt. Die Ver- Ihnen heute einen schönen Frühlingsanfang. Möge das unsicherung unter vielen Spätausgesiedelten durch Ein- Wiedererwachen der Natur Ihnen und uns die Kraft geben flussnahme von außen – Stichworte russische Medien für eine gute Integrationsarbeit! und rechtsradikale Parteien – ist bedenklich, und sie hält an. Für mich als Vorsitzender des Landesbeirates und Herzlichst, Integrations-Staatssekretär bedeutet dies, dass ich mich Ihr Thorsten Klute gerade in diesen Tagen hinter die Selbstorganisationen der Spätausgesiedelten stelle, und das sind neben der Staatssekretär für Integration im Ministerium für Landsmannschaft der Deutschen aus Russland die beiden Arbeit, Integration und Soziales und Jugendorganisationen und die vielen Vereine in NRW. Mit Vorsitzender des Landesbeirates für Vertriebenen-, denen können und wollen wir arbeiten. Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Viele von Ihnen wissen, dass unsere Gesellschaft auch viele Aussiedler aus Polen aufgenommen hat. Wir haben das Jubiläum 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschafts- vertrag in 2016 zum Anlass genommen, die Integration der bei uns lebenden Polinnen und Polen zu analysieren. Das zentrale Ergebnis unserer kürzlich veröffentlichten Studie: Menschen polnischer Herkunft sind in Nordrhein- Westfalen überdurchschnittlich gut integriert. Meine Be- wertung ist klar: Die Integration der aus Polen stammen- den Menschen in NRW ist eine Erfolgsgeschichte. Das zeigen beispielsweise die Daten zur Bildung und Qualifi- kation, zur Arbeitslosigkeit und Inanspruchnahme von öffentlichen Transferzahlungen, wie etwa die Hilfe zum Lebensunterhalt. In allen diesen Bereichen schneiden Menschen mit polnischem Migrationshintergrund über- durchschnittlich ab. Dies ist besonders erfreulich, weil die 564.000 Menschen polnischer Herkunft in NRW eine der größten Zuwanderungsgruppen bilden, über die aber we- gen ihrer guten Integrationserfolge öffentlich kaum ge- sprochen wird. Damit wird deutlich, dass die Gruppe der Menschen mit polnischem Hintergrund ähnlich groß ist wie die der Spätausgesiedelten. Hier hatten wir ja 2013 eine Zahl von rund 620.000 ermittelt. Auch die Integration der Deutschen aus Russland war insgesamt positiv bewer- tet worden.
Inhaltsverzeichnis 1 Kurz notiert 6 2 Wettbewerbe / Projektförderung / Stellenangebote / Stipendienprogramme 23 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote 26 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen 36 5 Veröffentlichungen 64 6 Anlagen 72
1 Kurz notiert 1 Kurz notiert Aussiedlerzahlen im Jahr 2015 in Nordrhein-Westfalen Aufnahmezahlen bundesweit Im Jahr 2015 sind in Nordrhein-Westfalen insgesamt 1.300 In der Bundesrepublik sind im Jahr 2015 insgesamt 6.118 Aussiedler (einschließlich Familienangehörige) aufgenom- Aussiedler (einschließlich Familienangehörige) aufgenom- men worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren men worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 1.257 Personen. es 5.649 Personen. Hier die Aufnahmezahlen nach Herkunftsländern: Ehemalige UdSSR 6.096 Ehemalige UdSSR 1.289 Republik Polen 13 Republik Polen 9 Rumänien 7 Rumänien 2 Sonstige 2 Sonstige 0 Gesamt 6.118 Gesamt 1.300 (Bundesverwaltungsamt) (Kompetenzzentrum für Integration -KfI-) Aufnahmezahlen vom 1.1. bis 29.2.2016 bundesweit Aussiedlerzahlen vom 1.1. bis 31.3.2016 in Nordrhein-Westfalen In der Bundesrepublik sind in der Zeit vom 1. Januar bis zum 29. Februar 2016 insgesamt 836 Aussiedler (ein- In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2016 sind in schließlich Familienangehörige) aufgenommen worden. Im Nordrhein-Westfalen insgesamt 289 Aussiedler (einschließ- gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 689 Personen. lich Familienangehörige) aufgenommen worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 220 Personen. Ehemalige UdSSR 834 Republik Polen 2 Hier die Aufnahmezahlen nach Herkunftsländern: Rumänien 0 Ehemalige UdSSR 288 Sonstige 0 Republik Polen 1 Gesamt 836 Rumänien 0 Sonstige 0 (Bundesverwaltungsamt) Gesamt 289 (Kompetenzzentrum für Integration -KfI-) 6
Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Die Kommunalen Integrationszentren (KI) sind das Herz- stück des 2012 verabschiedeten Teilhabe- und Integra- tionsgesetzes NRW. Die ersten KI haben 2013 ihre Arbeit aufgenommen. Zu den Aufgaben zählen beispielsweise die Koordinierung von Querschnittsaufgaben und Sprachan- geboten, die interkulturelle Schul- und Unterrichtsent- wicklung, Orientierungshilfen für junge Migrantinnen und Migranten im Schul- und Ausbildungssystem, die Unter- stützung von sogenannten Brückenkitas in Flüchtlings- heimen, die die Integration von Flüchtlingskindern in die Regelkitas vorbereiten sollen, und die Begleitung und Qualifizierung von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Minister Rainer Schmeltzer. Foto: MAIS / G. Protze Das Land fördert die Arbeit der Kommunalen Integrations- zentren mit jährlich rund 10 Millionen Euro. Das Inte- grationsministerium finanziert in jedem KI mit 170.000 Ministerin Löhrmann und Minister Schmeltzer: Euro 3,5 Personalstellen. Aus dem Etat des Schulminis- Darum beneiden uns andere Bundesländer teriums werden jeweils zusätzlich zwei Lehrerstellen, wobei eine Lehrerstelle rund 50.000 Euro entspricht, zur 50. Kommunales Integrationszentrum des Landes im Verfügung gestellt. Außerdem fördert das Land eine lan- Kreis Coesfeld eröffnet desweite Koordinierungsstelle zur Unterstützung der KI. Schulministerin Sylvia Löhrmann und Integrationsminis- Beide Minister betonten, dass die Bedeutung der Kom- ter Rainer Schmeltzer haben im Kreis Coesfeld das munalen Integrationszentren angesichts der aktuellen 50. Kommunale Integrationszentrum in NRW eröffnet. Flüchtlingszuwanderung noch einmal gewachsen ist. „Mit den 50 Kreisen und kreisfreien Städten haben wir Deshalb erhalten die KI aus dem aktuellen Landespro- jetzt eine nahezu flächendeckende Struktur aufgebaut, mit gramm „KOMM-AN NRW“, das für die Jahre 2016 und der wir die Angebote zur Integration der zugewanderten 2017 mit jeweils rund 13 Millionen Euro ausgestattet ist, Menschen in den Kommunen koordinieren. Viele Bundes- Geld für zusätzliche Personalstellen. Mit den Maßnahmen länder beneiden uns um diese starken Partner in der kom- aus dem Programm KOMM-AN werden auch die Werte- munalen Integrationsarbeit, da sie eine Bündelung aller vermittlung und die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe unter- Integrationsangebote vor Ort ermöglichen und die ehren- stützt. So können beispielsweise Treffpunkte für Flücht- amtliche Flüchtlingshilfe unterstützen“, sagte Schmeltzer linge eingerichtet oder auch mehrsprachige Informations- in Lüdinghausen. broschüren für Flüchtlinge erstellt werden. Ministerin Löhrmann sagte: „Integration ist eine gemein- Weitere Infos zu den Kommunalen Integrationszent- schaftliche Aufgabe, mit Bildung als wichtigem Schlüssel- ren finden Sie im Internet unter: www.mais.nrw und element für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe. www.kommunale-integrationszentren-nrw.de So ist das Erfolgsrezept der Kommunalen Integrations- zentren denkbar simpel: Integration muss vor Ort als (Mitteilung des Ministeriums für Schule und Weiterbildung Bildungs- und Querschnittsaufgabe gestaltet werden. Es und des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales sind die vielen engagierten Menschen in den Kommunen, vom 12.2.2016) die diesen Leitsatz durch ihre Arbeit mit Leben füllen und damit Perspektiven für viele Zuwanderinnen und Zuwan- derer schaffen. Ihnen allen gebührt an dieser Stelle mein großer Dank.“ Ministerin Löhrmann und Minister Schmeltzer freuten sich, dass sich der Kreis Coesfeld, der als ländlicher Kreis im Münsterland einen vergleichsweise niedrigen Migranten- anteil hat, nun auch zur Einrichtung eines Kommunalen Integrationszentrums entschlossen hat: „Ausschlaggebend waren sicher die guten Erfahrungen in Nachbarkreisen und nicht zuletzt die Flüchtlingszuwanderung, die dem Thema Integration noch einmal einen zusätzlichen Schub gegeben hat.“ 7
1 Kurz notiert Landesbeirat für Vertriebene: Düsseldorfer Erklärung Wir bitten: In einer Sondersitzung hat der Landesbeirat für Vertrie- Es fehlt uns an Anerkennung für unseren Beitrag zur benen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Nordrhein- politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Westfalen unter Vorsitz von Integrationsstaatssekretär Entwicklung unseres Landes. Die Gesellschaft möge Thorsten Klute über die aktuelle Stimmung bei Deutschen anerkennen, dass wir fleißige, anständige und hilfsbe- aus Russland beraten. Im Nachgang zu dieser Sitzung ha- reite Mitbürgerinnen und -bürger sind, die sich auch bei ben die Deutschen aus Russland im Landesbeirat mit den der Integration der „neuen Flüchtlinge“ engagieren. Es Mitgliedern der Vorstände der Landsmannschaft der ist notwendig, dass nicht nur wir auf andere zugehen, Deutschen aus Russland, LMDR e.V., VIRA e.V. und des sondern dass auch auf uns zugegangen wird. Jugendverbandes JSDR e.V. die folgende „Düsseldorfer Die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung, aber Erklärung“ abgegeben: auch in der Katholischen und Evangelischen Kirche so- wie in den öffentlichen Einrichtungen auf Bundes-, Düsseldorfer Erklärung der Deutschen aus Russland Landes- und lokaler Ebene sollten erkennen, dass ihre Maßnahmen zur Unterstützung der Integration von im Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spät- Deutschen aus Russland einschließlich der politischen aussiedlerfragen Nordrhein-Westfalen, von Mitgliedern Bildung nicht nur beibehalten, sondern ausgebaut wer- der Landesvorstände der Landsmannschaft der Deutschen den müssen. aus Russland, LMDR e.V., VIRA e.V. und des Jugendver- Aus unserer Sicht sollte verstärkt untersucht werden, bandes JSDR e.V. sowie von weiteren Funktionsträgern wie bestimmte Kreise versuchen, Einfluss auf die Spät- der Deutschen aus Russland in Nordrhein-Westfalen: Die ausgesiedelten und ihre Organisationen zu erlangen, Ereignisse um die angebliche Vergewaltigung eines russ- wer den Hass wie steuert und von dessen Entstehen pro- landdeutschen Mädchens aus Berlin-Marzahn und die fitiert. folgenden Demonstrationen vor allem gegen Flüchtlinge Wir halten es für falsch, wenn verschiedene Medien „die“ haben speziell die Deutschen aus Russland auch in Nord- Deutschen aus Russland „in einen Topf“ werfen und den rhein-Westfalen tief betroffen gemacht und erheblich irri- Eindruck vermitteln, wir wären alle Helfer der russischen tiert. Die Verunsicherung hält an. Mit dieser „Düsseldorfer Regierung in Deutschland und würden sogar mit rechts- Erklärung“ möchten wir im Nachgang zur Sondersitzung radikalen Kräften zusammenarbeiten. Wir wünschen uns des Landesbeirates für Vertriebenen-, Flüchtlings- und eine differenzierte Berichterstattung, die auch unsere Spätaussiedlerfragen unter Vorsitz von Herrn Integra- erfolgreiche und wichtige Integrationsarbeit vor Ort ein- tions-Staatssekretär Thorsten Klute am 5. Februar 2016 schließt. In diesem Zusammenhang regen wir nochmals Politik, Medien, Kirchen und die Öffentlichkeit über Fol- einen Journalistenpreis zu diesem Thema an. Besonders gendes informieren: die öffentlich-rechtlichen Sender sollten überlegen, Pro- gramme und Beiträge mit den Deutschen aus Russland Wir bekräftigen: aufzulegen. Es sollte mehr mit uns und nicht nur über uns gesprochen werden. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen aus Russland in Nordrhein-Westfalen sind gesetzestreue Mitbürger- Wir danken der Landesregierung und den anwesenden innen und Mitbürger, gut integriert, und schätzen es Landtagsabgeordneten dafür, dass wir uns in der Sonder- sehr, dass wir in einem freiheitlichen, demokratischen sitzung zu dem Thema austauschen und eindeutig positio- Rechtsstaat leben. nieren konnten. Wir bleiben im Gespräch und werden die Wir lehnen jeglichen Verstoß gegen die Werte unseres Umsetzung unserer Bitten im Landesbeirat und an ande- Grundgesetzes und andere Rechtsvorschriften ab. rer Stelle thematisieren und besonders an deren Realisie- Wir treten deshalb entschieden jeglicher Form von Het- rung verstärkt mitarbeiten. ze, Hass und Gewalt gegen Ausländer einschließlich der „neuen“ Flüchtlinge entgegen. Dies schließt im Beson- Übersetzung ins Russische unter: deren die Ablehnung der unsäglichen Propaganda über www.landesbeirat.nrw.de/materialien/LBR3_ru.pdf russische Medien, das Internet und soziale Netzwerke Weitere Informationen unter: ein. www.landesbeirat.nrw.de/ Wir verurteilen jegliche Form der Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Kräften. 8
Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Fremde Federn: Thorsten Klute und Jochen Welt – gration zu fördern. Es gab dazu auch unmissverständliche was wir von der Aussiedlerpolitik lernen können gesetzliche Vorgaben. In § 7 des Gesetzes über die An- gelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge heißt es: Lange Zeit galt Deutschland als einwanderungs- und in- „Spätaussiedlern ist die Eingliederung in das berufliche, tegrationspolitischer Nachzügler. Auch das Staatsange- kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik hörigkeitsrecht musste sich den Vorwurf gefallen lassen, Deutschland zu erleichtern. Durch die Spätaussiedlung ethnonational und ausgrenzend zu sein. Heute können wir bedingte Nachteile sind zu mildern.“ feststellen: All das ist passé! International vergleichende Studien stellen sogar übereinstimmend fest, dass Deutsch- Die Eingliederung der Aussiedler und Spätaussiedler kos- land bei der Integration seiner Einwanderer weiter als an- tete damals Milliarden DM. Aber es war gut angelegtes dere Länder ist. Der Abstand zur alteingesessenen Bevöl- Geld. In Form von Steuern und Abgaben ist seitdem ein kerung bei Bildung, Arbeit und Einkommen ist geringer, Vielfaches davon wieder zurückgeflossen. Es gab staatliche und auch die Einbürgerung ist keine unüberwindbare Hür- Hilfen bei der Unterbringung in Übergangswohnheimen, de mehr. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen bei der Wohnraumversorgung und der Erstausstattung für Integration und Migration schlussfolgert entsprechend, der Wohnungen, es gab Sprach- und schulische Förder- Deutschland habe, „ohne groß darüber zu sprechen, ein maßnahmen, passgenaue Hilfen bei der beruflichen Ein- fortschrittliches migrationspolitisches Instrumentarium gliederung, Kredite zur Förderung einer selbstständigen (für Drittstaatsangehörige) entwickelt, das mit dem allge- Erwerbstätigkeit und die Einbeziehung in die Sozialver- mein als vorbildlich eingestuften kanadischen Einwande- sicherung. rungsregime ohne Weiteres Schritt halten kann“. Ein Programm ragt aus den vielen Hilfen heraus: der bun- Gibt es eine Einwanderergruppe, die exemplarisch für In- desfinanzierte Garantiefonds. Mit ihm wurden junge Aus- tegrationserfolge steht und von der man für die heute an- siedler bis zum vollendeten 27. Lebensjahr gefördert, aber stehende Herausforderung der Eingliederung von Flücht- auch jüdische Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte. lingen lernen kann? Ja, die gibt es – an sie wird nur viel zu Angeboten wurden Intensivsprachkurse, Nachhilfeunter- selten erinnert, auch weil sie sich nahezu geräuschlos in richt, Umschulungen, Fortbildungen und zahlreiche beruf- die Gesellschaft einfügte. Die Rede ist von den Aussiedlern liche Integrationsmaßnahmen. Für den Garantiefonds und Spätaussiedlern. Seit dem Beginn ihrer Aufnahme im standen allein von 1990 bis 1992 1,5 Milliarden DM zur Ver- Jahr 1950 sind 4,5 Millionen – einschließlich der Familien- fügung. Für die jungen Menschen öffnete er das Tor in angehörigen – nach Deutschland eingewandert, allein seit unsere Gesellschaft. Sie haben es ihr durch Fleiß und 1990 rund 2,5 Millionen. Laut NRW-Teilhabe- und Integra- Leistungsbereitschaft gedankt. tionsbericht liegt ihre Erwerbstätigenquote mit 76,5 % sogar über jener der Bevölkerung ohne Migrationshinter- Einen umfassenden integrationspolitischen Ansatz wie grund. Auch die berufliche Qualifikation ist beeindruckend: damals für die Aussiedler brauchen wir auch heute für 74,5 % haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder junge Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in Deutschland. einen Hochschul- oder Meisterabschluss. Natürlich ist jede Einwanderergruppe anders, wie jeder Mensch anders ist. Aber Unterschiede, etwa der Religion, Wie sind solche Resultate möglich? Was ist das Geheimnis verlieren dann an Trennendem, wenn die aufnehmende dieser Erfolgsgeschichte? Dass die Aussiedler Deutsch ge- Gesellschaft den Flüchtlingen mit Bleibeperspektive von sprochen hätten, taugt als Erklärung jedenfalls nicht. Tat- Beginn an „Zugehörigkeit“ anbietet. Wenn wir die Flücht- sächlich war Russisch spätestens von den neunziger Jah- linge, die hier sind und hier bleiben, umfassend fördern ren an die Muttersprache der meisten, gerade auch der und sie zugleich auffordern, ihre Talente zu entwickeln und Jüngeren. Auch kamen viele Jugendliche eher unfreiwillig einzubringen, dann kann auch ihre Integration zu einer Er- nach Deutschland, wurden gegen den eigenen Willen von folgsgeschichte werden. Zu einer Erfolgsgeschichte, auf ihren Eltern mitgenommen, in ein Land, das ihnen kaum die wir einst mit dem gleichen Stolz zurückblicken können, als Heimat erschien, und hatten somit zunächst erschwer- wie wir jetzt auf die Integration der Aussiedler und Spät- te Voraussetzungen für den Start. aussiedler schauen. Ein Garantiefonds 2.0, angepasst an die heutige Situation, das könnte etwas sein. Wenn wir Zwar beruhte die Aufnahmebereitschaft Deutschlands auf jetzt die Weichen richtig stellen, dann kann auch die aktu- der Annahme gemeinsamer kultureller Wurzeln, doch wa- elle Zuwanderung unser Land stärken, verjüngen und da- ren diese gerade bei Jugendlichen oft kaum noch vorhan- mit zukunftssicherer machen. den. Gleichwohl war genau diese Annahme die Basis dafür, die Aussiedler von Beginn an und ohne Einschränkung als „zugehörig“ zu betrachten und sie in einmaliger Art und Weise bei Spracherwerb, Qualifizierung und sozialer Inte- 9
1 Kurz notiert Thorsten Klute (SPD) ist Staatssekretär im Ministerium für Öffentliche Transferzahlungen als überwiegende Quelle Arbeit, Integration und Soziales in Nordrhein-Westfalen, für den Lebensunterhalt spielen bei Personen polnischer Jochen Welt (SPD) war von 1998 bis 2004 Beauftragter Herkunft eine geringere Rolle (10,2 %) als bei Personen der Bundesregierung für Aussiedlerfragen. mit Migrationshintergrund insgesamt (15,5 %). (F.A.Z. vom 22.12.2015, Gastbeitrag von Thorsten Klute Hintergrundinformationen: (SPD), Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales in Nordrhein-Westfalen und Jochen Welt Bei der Neuzuwanderung aus der EU sind die Menschen (SPD) war von 1998 bis 2004 Beauftragter der Bundes- aus Polen die größte Gruppe; bei 173.361 Neuzuwande- regierung für Aussiedlerfragen und ist heute Geschäfts- rungen aus der EU im Jahr 2014 stammten 45.518 Men- führer der Otto Benecke Stiftung e.V.) schen aus Polen. Nach den Menschen mit türkischer Herkunft (21 %) bilden die Menschen polnischer Her- kunft mit 13,6 % die größte Gruppe der Bevölkerung mit Staatssekretär Klute: Die Integration der Polen in Migrationshintergrund. Auch im Vergleich zu den rund NRW ist eine Erfolgsgeschichte 49.000 Asylbewerberinnen und -bewerbern im Jahr 2014 zeigt sich die zahlenmäßig große Bedeutung der Menschen polnischer Herkunft sind in Nordrhein-Westfalen aus Polen nach NRW gekommenen Menschen. überdurchschnittlich gut integriert. Dies ist das zentrale Datenbasis für diese in ihrer Aktualität bundesweit ein- Ergebnis einer Studie, die Integrationsstaatssekretär zigartige Auswertung durch IT.NRW als Statistisches Thorsten Klute in Düsseldorf zum 25-jährigen Jubiläum Landesamt ist der Mikrozensus Nordrhein-Westfalen für des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages vorge- das Jahr 2014. stellt hat. Der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und „Die Integration der aus Polen stammenden Menschen in freundschaftliche Zusammenarbeit“ wurde 1991 durch NRW ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte Klute, „das zeigen die Parlamente ratifiziert. beispielsweise die Daten zur Bildung und Qualifikation, zur Der Landtag hatte die Landesregierung Ende 2014 be- Arbeitslosigkeit und Inanspruchnahme von öffentlichen auftragt, den Nachbarschaftsvertrag zu evaluieren. Die Transferzahlungen, wie etwa die Hilfe zum Lebensunter- Studie des Integrationsministeriums ist ein erster Bei- halt.“ In allen diesen Bereichen schneiden Menschen mit trag hierzu. polnischem Migrationshintergrund überdurchschnittlich Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute ist auch ab. „Dies ist besonders erfreulich“, so Klute weiter, „weil Ansprechpartner der Landesregierung für die Belange die 564.000 Menschen polnischer Herkunft in NRW eine der in NRW lebenden Menschen mit polnischem Hinter- der größten Zuwanderungsgruppen bilden, über die aber grund sowie Ko-Vorsitzender des Ausschusses für wegen ihrer guten Integrationserfolge öffentlich kaum ge- interregionale Zusammenarbeit der Deutsch-Polnischen sprochen wird.“ Regierungskommission für grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit. Die Untersuchung zeigt im Vergleich zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund insgesamt bei den Menschen pol- Die Studie im Netz: www.mais.nrw nischer Herkunft eine günstigere Bildungs- und Qualifika- unter: https://broschueren.nordrheinwestfalendirekt. tionsstruktur. Sie sind seltener ohne allgemeinbildende de/broschuerenservice/mais/zur-integration-von- Abschlüsse (3,9 % bei polnischer Herkunft im Vergleich menschen-polnischer-herkunft-in-nordrhein- zu 13,7 % bei Migrationshintergrund insgesamt). Bei der westfalen/2123 Fachhochschul- oder Hochschulreife liegen sie mit 37,8 % dagegen vor den Menschen mit Migrationshintergrund (Pressemitteilung des Ministeriums für Arbeit, Integration insgesamt (31,5 %). und Soziales vom 26.1.2016) Auch bei den beruflichen Abschlüssen liegen Menschen polnischer Herkunft weit vorne: 56,7 % verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung, aber nur 38,6 % der Menschen mit Migrationshintergrund allgemein. 22,5 % der Bevölkerung mit polnischem Migrationshintergrund dagegen sind ohne abgeschlossene Berufsausbildung, aber 43,5 % der Migrantinnen und Migranten insgesamt. Zudem ist ihre Erwerbstätigenquote mit 70,6 % sehr hoch. 10
Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Der neue Adel im „gefährlichsten Staat der Welt“ Russland – ein Geheimpolizeistaat? Zu diesem Schluss kommen Soldatow und Borogan in ihren Publikationen. Der russische Geheimdienstfachmann Soldatow erklärt, Besonders eindrucksvoll ist dies in ihrem schon 2010 warum Enthüller vom Typ Snowdens in seinem Land veröffentlichten Buch nachzulesen, das zuerst auf Eng- keine Chance hätten. (Gerhard Gnauck) lisch erschien: „The New Nobility“ (Der neue Adel. Die Restauration des russischen Sicherheitsstaates und das Manchmal gibt Deutschland Rätsel auf. Das größte EU- nachwirkende Erbe des KGB). Es bietet einen Abriss der Mitgliedsland steht für die Geheimdienste Russlands im Entwicklung in den zwei Jahrzehnten seit dem Ende der Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Etwa drei Millionen Men- Sowjetunion. Das ist keine Kreml-Astrologie: Die Geheim- schen sind seit 1989 aus der Sowjetunion und ihren Nach- dienste, ihre politischen Auftraggeber, die Legislative, die folgestaaten zugewandert. Deutschland hat Tausende von Kritiker, die Medien – sie alle in Russland äußern sich hin Osteuropa-Experten. Die deutschen Geheimdienste war- und wieder zum Thema. Die Autoren zitieren penibel of- nen seit Jahren verstärkt vor Spionage aus Russland und fene Quellen und hin und wieder auch eigene, verdeckte. China. Aber es gibt in Deutschland, anders als in den meis- ten Ländern des „alten Westens“, an Hochschulen und Es ist ein beklemmendes Bild. Zwar hat man in der Ära Denkfabriken keinen einzigen Experten für die russischen Jelzin durch Aufspaltung des alten KGB „checks and Geheimdienste. Auch Medien und Buchverlage mieden balances“ angestrebt und daher verschiedene Dienste (bis Anfang 2016, bis zum „Fall Lisa“) dieses Thema weit- geschaffen, um eine Rückkehr der totalitären Diktatur und gehend. ihrer Machtzentralisierung zu verhindern. Von heute aus betrachtet, muss man sagen: Der Plan ist misslungen. Im Das kann verschiedene Gründe haben. In der Zeit der Män- Jahr 2000 wechselte der langjährige KGB-Hauptamtliche nerfreundschaft Schröder - Putin galt es nicht als fein, sich Putin, zuletzt Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB (Fö- mit diesem Thema zu befassen – obwohl man in deutschen deraler Sicherheitsdienst), in den Sessel des Staatspräsi- Zeitungen schon zu Putins erster Amtszeit lesen konnte, denten. Seitdem hat der FSB einen enormen Machtzu- dass dieser reihenweise Geheimdienstleute in Spitzenpo- wachs erfahren: Durch Eingliederung anderer Einheiten sitionen hievte. Wenn das Thema in anderen Ländern auf- wuchs er von 80.000 auf heute vermutlich 350.000 haupt- tauchte, etwa mit dem Auffliegen des Agentenrings um amtliche Mitarbeiter. Damit ist er pro Kopf der Bevölkerung Anna Chapman in Amerika, reagierte die deutsche Öffent- größer als der KGB in den Zeiten der Diktatur. Er darf lichkeit reflexartig mit James-Bond-Folklore. Erst als die inzwischen auch im Ausland tätig werden. Viel kleiner ist deutschen Behörden 2013 entschieden, mit einem seit 20 dagegen der eigentliche Nachrichtendienst SWR. Jahren aktiven russischen Agentenpärchen (ihr Pseudo- nym: Anschlag) auch einmal einen hiesigen Fall öffentlich Ein neuer Adel? Zumindest dem Selbstverständnis und zu machen, hat sich die Optik etwas verändert. Und erst dem gesellschaftlichen Gewicht nach ist diese Aussage die Bürgerproteste in Russland gegen Wahlfälschungen ha- berechtigt. Sie stammt von einem, der es wissen muss: ben bildschirmtauglich gezeigt, was man eigentlich auch Putins Nachfolger im Amt des FSB-Chefs, Nikolaj Patru- vorher wissen konnte: dass das Land auch innenpolitisch schew, sagte schon 2000 in einer Rede vor seinen Unter- den Rückwärtsgang eingeschlagen hat, zurück in den Ge- gebenen, sie alle vereine „ihr Dienstethos. Sie sind, wenn heimpolizeistaat. Sie so wollen, unser neuer Adel.“ Untersuchungen der russischen Elite haben ergeben, dass von den 1.000 Die russischen Dienste haben, anders als die westlichen, wichtigsten Personen im Staat schon in den ersten zwei tatsächlich noch die Vorsilbe „Geheim-“ verdient. Wer sich Amtszeiten Putins, je nach Zeitpunkt, bis zu 78 % frühere über ihre Entwicklung ein Bild machen will, muss sich vor hauptamtliche Geheimdienstler waren. Seitdem sind viele allem auf zwei Russen stützen. Die Moskauer Journalisten Spielfilme und Dokudramen entstanden, die das Bild von Andrej Soldatow und Irina Borogan, beide heute Ende 30, NKWD, KGB und den anderen Diensten als historischer haben früh begonnen, sich auf dieses Thema zu speziali- Elite Russlands in der Gesellschaft festigen sollen. sieren – bereits 2000, im Jahr des Amtsantritts Wladimir Putins. Beide trennten sich damals von ihrem einstigen Arbeitgeber, der „Iswestija“, und gründeten die Internet- seite „agentura.ru“. Damals war in Russland noch mehr möglich als heute. Inzwischen sind die beiden die im Aus- land meistzitierten russischen Fachleute zu diesem Thema. 11
1 Kurz notiert Heute warnen kritische Beobachter, etwa Putins früherer Leider enthält das Buch nicht viel über die Aktivitäten der Wirtschaftsberater Andrej Illarionow oder der polnische Geheimdienste im Ausland. Mit einer Ausnahme: Eine Russlandexperte Andrzej Nowak, in keinem Land seien besonders enge Zusammenarbeit verbindet die russi- die Geheimdienste so mächtig wie im einstigen Kernland schen Dienste mit jenen der zentralasiatischen Diktaturen. der Sowjetunion. Während jedoch früher der KGB klar der Da Regimegegner aus diesen Ländern (bisher) gern in Partei untergeordnet war, fehle heute diese übergeordne- Russland Zuflucht suchen, hatten die Diktatoren großes te Instanz. „Russland ist heute der gefährlichste Staat Interesse daran, dort freien Zugriff zu bekommen. So der Welt“, sagt Nowak, der an der Universität Krakau Ge- entstand im Rahmen der Shanghai-Staatengruppe die schichtsprofessor ist. „Es ist der einzige Staat, der de facto „Regionale Antiterroristische Struktur“ (RATS). Inzwi- von den Geheimdiensten regiert wird.“ schen hat Russland den Partnerländern, Soldatow zufolge, zahlreiche Oppositionelle überstellt, auch begonnen, Wie es dazu kommen konnte, haben Soldatow und Borogan Anhänger der Falun-Gong-Sekte an China auszuliefern, beschrieben. Die 90er-Jahre waren eine Zeit der Enthül- wo diese als Regimegegner verfolgt werden. lungen über die Praktiken des KGB, der neuen Versuchun- gen, die zu großer Korruption auch in den Geheimdiensten Und die Überwachung im Internet? Sie ist in Russland so führten, und chaotischer Zustände in weiten Bereichen selbstverständlich wie die Verletzung des Bankgeheim- des Staates. Das alles hat sich zentralisiert: Jetzt wird nisses, über das Präsident Putin während einer Diskussion größtenteils von oben entschieden, wer korrupt sein darf mit Wirtschaftsführern einmal lakonisch sagte: „Gab es und gegen wen enthüllt wird. Zugleich wurde die Macht das?“ Mit dem Internet lässt sich viel anfangen; ausge- der Dienste per Gesetz erweitert. rechnet nach Beginn von Barack Obamas „Neustart“ der Beziehungen zu Moskau tauchte im Netz ein Sex-Video Soldatow sieht beim Machtzuwachs der Geheimen eine auf, das (angeblich) den US-Diplomaten Kyle Hatcher große Rolle des Tschetschenien-Konflikts, der „für sich zeigte. Seinem britischen Kollegen James Hudson erging genommen größten Herausforderung“ der Dienste. Bis in es genauso. Interessant die Reaktionen: Die Briten zogen die ersten Jahre der Putin-Ära zeigte sich der Staat immer ihren Diplomaten ab; die Amerikaner verteidigten ihren wieder extrem verwundbar. Zum einen durch Terrorismus, Mann gegen die „Verleumdungskampagne“ und stärkten zum anderen durch Internetseiten, auf denen tschetsche- ihm den Rücken. nische Rebellen ihre Erfolge verkündeten. 2002 hackten dann erstmals russische Studenten (aus Tomsk) die wich- Im vorigen Jahr (2015) haben Soldatow und Borogan ein tigste Website der Tschetschenen; der örtliche FSB billigte neues Buch herausgebracht: „The Red Web. The Struggle öffentlich ihr Vergehen. Seitdem, so Soldatow, sind immer between Russia’s Dictators and the New Online Revolu- wieder russische Hacker und Cyber-Krieger aufgetreten – tionaries“ (Verlag PublicAffairs, New York). Darin behan- gegen kaukasische Rebellen, gegen unliebsame Medien, deln sie, wie der Titel sagt, den Kampf des russischen Re- gegen Oppositionsgruppen wie die des Schachweltmeis- gimes um die Kontrolle des Internets. Auch dieses Buch ters Garri Kasparow, sogar – wenn es im „russischen hat bisher keinen deutschen Verleger gefunden. Wie Sol- Interesse“ lag – gegen verwundbar scheinende Staaten datow auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft wie Litauen und Estland. Die Geheimdienste hätten sich für Osteuropakunde im März 2016 in Mainz berichtete, derweil bedeckt gehalten – nur selten wurden die Quer- habe es in Moskau Pläne gegeben, Russland vollkommen verbindungen sichtbar –, aber auf geschickte Weise „er- vom ausländischen Internet abzutrennen. Als realistische- reichten sie ihre weiter gesteckten Ziele“. re Variante habe man dann eine Teilsperrung in den Blick genommen, wobei eine Reihe „harmloser“ Internetseiten Bald traten die Dienste immer dreister auf. Im Oktober wie www.booking.com auf einer „weißen Liste“ ausgenom- 2012 wurde der russische Oppositionelle Leonid Raswo- men werden sollten. schajew, der in der Ukraine Asyl beantragen wollte, vor dem Kiewer Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge Wohin geht die Reise? Der Geist des FSB, sagt Soldatow, von vier Männern in ein Auto gezerrt. Zwei Tage später „ist von sowjetischer und zarischer Geschichte geprägt: war er im Gefängnis – in Moskau; dort sitzt er offenbar bis misstrauisch, nach innen gewandt und clanartig. Aber die heute. Raswoschajew berichtete aus der Haftanstalt, die Antworten auf neue Probleme können doch nicht in den Entführer hätten gedroht, ihm Frau und Kinder zu er- Lektionen der Vergangenheit liegen.“ morden. 12
Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Interview Andrej Soldatow DIE WELT: Wie groß ist bei Ihrer Arbeit Ihr Spielraum? Wo endet er? Gerhard Gnauck: Herr Soldatow, Sie haben schon 2010 ein wichtiges Buch über die russischen Geheimdienste Soldatow: Wir finden, dass wir nur bestätigte Tatsachen geschrieben. Haben deutsche Verlage Interesse bekun- veröffentlichen sollten. Das Problem liegt darin, dass es det? mit jedem Tag schwieriger wird, Informationen mithilfe unabhängiger Quellen zu überprüfen. Diese Regel einzu- Soldatow: Das Buch ist in Amerika, Russland, Estland, halten wird immer schwieriger. Deshalb wird der Informa- Frankreich, Finnland, Großbritannien und China erschie- tionsfluss über diese Geheimdienste immer dünner. Auch nen. Wir haben kein Signal, dass deutsche Verleger Inte- wird es zunehmend schwerer, Publikationen zu finden, die resse hätten. Das bedauern wir sehr. Eigentlich müsste mit uns zusammenarbeiten wollen. Sogar die (Kreml- das Thema die deutschen Leser sehr interessieren, wenn kritische) „Nowaja Gaseta“ hat die Zusammenarbeit ein- man die intensiven Kontakte zwischen Russland und gestellt. Damit jetzt etwas von uns erscheint, veröffentli- Deutschland bedenkt. chen wir es erst im Westen auf Englisch. Erst danach sind russische Verlage bereit, das auf Russisch zu drucken. Gerhard Gnauck: Sie schreiben, die Dienste Russlands Das ist sicherer. müssten keine Angst vor einem „Whistleblower“ wie Snowden haben, anders als die amerikanischen. Warum DIE WELT: Wie finanzieren Sie Ihre Arbeit? ist das so? Soldatow: Wir arbeiten so wie viele Journalisten auf der Soldatow: Die absolut notwendige Bedingung, damit Welt, die keine feste Anstellung haben: Wir bekommen „Whistleblower“ tätig werden können, sind unabhängige Honorare für Texte in verschiedenen Medien. und starke Medien. Ein Beispiel: Im Sommer 2010 ent- stand die Internetseite lubyanskayapravda.com, die offen- (Gerhard Gnauck ist Osteuropa-Korrespondent der „Welt“ bar von unzufriedenen Mitarbeitern des FSB betrieben mit Sitz in Warschau) wurde. Dort waren sehr interessante FSB-Dokumente zu sehen, darunter solche über Operationen des FSB in der Ukraine und anderen GUS-Staaten. Die Internetseite exis- tierte nur zwei Wochen – vermutlich deshalb, weil keine einzige russische Zeitung sich entschloss, darüber zu schreiben, obwohl die Autoren viele Zeitungen kontaktiert hatten. Gerhard Gnauck: Bis 1989 haben die Geheimdienste des Ostblocks gegen die Bundesrepublik sogenannte „aktive Maßnahmen“ eingesetzt, Operationen zur Desinformation der Öffentlichkeit. Gibt es das heute wieder? Soldatow: Das kann man wohl annehmen. Zumindest hat mir das Sergej Tretjakow erzählt, ein Oberst des Auslands- geheimdienstes SWR, der sich 2000 in die USA abgesetzt hat. Er sagte, die „aktiven Maßnahmen“ des KGB seien lediglich umbenannt worden in „Operationen des Zusam- menwirkens“ (operazii sodejstwija), aber der Inhalt sei derselbe geblieben. Tretjakow hatte selbst solche Opera- tionen geplant und durchgeführt, als er der SWR-Resident bei der UNO in New York gewesen war. 13
1 Kurz notiert Erneuter Anstieg der Zuzugszahlen – allerdings deutlicher Rückgang der Anträge Zu den Zugangszahlen deutscher Aussiedler im Jahr 2015 erklärt der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB: Der Zuzug von Spätaussiedlern und ihren Familienange- hörigen in die Bundesrepublik Deutschland hat sich das dritte Jahr in Folge erhöht. Diese Entwicklung ist insbe- sondere auf das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundes- vertriebenengesetzes zurückzuführen, das am 14.9.2013 in Kraft getreten ist. Durch die Gesetzesnovellierung wur- den die Voraussetzungen für die Aufnahme als Spätaus- Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen siedler sowie die Familienzusammenführung bislang ge- und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB trennter Spätaussiedlerfamilien wesentlich erleichtert. Während im Jahr 2013 noch 2.427 Spätaussiedler und de- ren Familienangehörige aufgenommen wurden, waren es Diese Zahlenentwicklung bestätigt die Aussiedlerpolitik in 2014 mit 5.649 Personen bereits mehr als doppelt so der Bundesregierung und zeigt, dass der von uns 2013 mit viele. Im Jahr 2015 kamen im Vergleich zum Vorjahr mit der Gesetzesänderung verfolgte Zweck, Familienzusam- 6.118 Personen nochmals rund 500 Personen mehr nach menführungen weiter zu erleichtern, erreicht wurde. Das Deutschland. Die führenden Herkunftsländer sind seit Jah- ist sehr erfreulich. Natürlich sind diese Zahlen nicht mehr ren die Russische Föderation, Kasachstan und die Ukraine. mit den früheren Aufnahmezahlen zu vergleichen; den- Mehr als 90 % (5.674) der Spätaussiedler kamen 2015 noch konnten wir in den letzten drei Jahren einen nicht aus diesen Ländern. unerheblichen Anstieg der Zuzugszahlen verzeichnen. Besonders positiv wirkt sich die Zuwanderung von Spät- Während sich die Zuzugszahlen weiter erhöht haben, hat aussiedlern und ihren Familienangehörigen laut dem aktu- sich die Zahl der Anträge auf Aufnahme als Spätaussied- ellen Migrationsbericht 2014 (http://www.bamf.de/DE/ ler, Ehegatte oder dessen Abkömmling – die i.d.R. vor ei- DasBAMF/Forschung/Ergebnisse/Migrationsberichte/ ner Ausreise gestellt und bewilligt werden müssen – im migrationsberichte-node.html) des Bundesamtes für Mi- Vergleich zum Vorjahr erheblich reduziert. Wurden in 2014 gration und Flüchtlinge auch auf die Altersstruktur der noch 30.009 Anträge gestellt, waren es 2015 nur noch Bevölkerung in Deutschland aus. Da die zuwandernden 18.011. Spätaussiedler relativ jung sind (77 % sind unter 45 Jahre) federt der Zuzug deutscher Aussiedler die demografische Entwicklung in Deutschland ab. Spätaussiedler nehmen nicht nur hoch motiviert die viel- fältigen Integrationsangebote wahr. Sie engagieren sich auch für die Integration anderer Zuwanderergruppen im Bund der Vertriebenen und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. So stehen gerade viele als Bera- ter und ehrenamtliche Betreuer der Migrationsberatung, aber auch als Lotsen, Paten und Mentoren allen Zugewan- derten als Ansprechpartner zur Verfügung. Angesichts der vielen Flüchtlinge, die derzeit zu uns kommen, sind wir auf diese Erfahrung und auf dieses Engagement dringend angewiesen. (Pressemitteilung des BMI vom 13.1.2016) 14
Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Bundeskabinett beschließt Weiterentwicklung der Bundesbeauftragter Koschyk würdigte weiter, dass die Förderkonzeption nach § 96 Bundesvertriebenen- angestammten verbliebenen Deutschen Minderheiten gesetz nunmehr ausdrücklich als Träger deutscher Kultur im öst- lichen Europa und in den Nachfolgestaaten der ehemali- Koschyk würdigt insbesondere die Verbesserungen für gen Sowjetunion sowie als Brückenbauer zwischen Aussiedler und Deutsche Minderheiten Deutschland und ihren Heimatstaaten anerkannt worden sind. Mit der Beauftragten für Kultur und Medien hat er Die Bundesregierung hat am 24.2.2016 auf Vorschlag der vereinbart, die Diskussion um etwaige Anknüpfungspunk- Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien te und Synergieeffekte zwischen den unterschiedlichen (BKM) die vorgelegte „Weiterentwicklung der Konzeption Bundesförderungen zugunsten deutscher Minderheiten im zur Erforschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung Ausland, die derzeit in Verantwortung des Bundesminis- der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen teriums des Innern, des Auswärtigen Amtes und der BKM Europa nach § 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), umgesetzt werden, fortzusetzen. Deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa: Erinnerung bewahren – Brücken bauen – Zukunft gestal- Als eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft be- ten,“ beschlossen. Sie kommt damit einem Auftrag aus zeichnete Bundesbeauftragter Koschyk die verbesserte dem Koalitionsvertrag nach. Abstimmung und Zusammenarbeit der Selbstorgani- sationen der Deutschen Minderheiten und der jeweiligen Nach § 96 BVFG haben Bund und Länder den gesetzlichen Landsmannschaften der Heimatvertriebenen in der Bun- Auftrag, das Kulturgut der historischen deutschen Ostge- desrepublik Deutschland. „Dieses gewaltige Potenzial ist biete und der deutschen Siedlungsgebiete im östlichen bei Weitem noch nicht ausgeschöpft“, so der Bundesbe- Europa im Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, auftragte. des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu er- halten. Zu dieser wichtigen kulturpolitischen Aufgabe ge- (Mitteilung des BMI vom 24.2.2016) hört die Förderung von Archiven, Museen und Bibliothe- ken, Wissenschaft und Forschung sowie von Projekten der kulturellen Vermittlung. Der vorliegende Entwurf, der jetzt dem Deutschen Bundestag zugeleitet wird, entstand in enger Abstimmung mit dem Beauftragten der Bundesre- gierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB. Bundesbeauftragter Koschyk hob insbesondere hervor, dass durch die Weiterentwicklung endlich die seit dem Epochenjahr 1989/90 verstärkt in die Bundesrepublik Deutschland gekommenen Aussiedler, v.a. aus Polen, Rumänien und den Nachfolgestaaten der früheren Sowjet- union, angemessen in den Blick genommen werden. Das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Det- mold, wo private Initiative bereits reiche Früchte hervor- gebracht hat, soll in die Lage versetzt werden, als museale Institution seine Beziehungen in die Ursprungsregionen auszuweiten, sich wissenschaftlich weiter zu vernetzen und seine wachsenden Aufgaben der Bewahrung und der Präsentation russlanddeutscher Kultur und Geschichte in Deutschland wahrzunehmen. Dank des Einsatzes von Bun- desbeauftragtem Koschyk und weiteren Parlamentariern der Koalitionsfraktionen konnte in den Haushaltsberatun- gen im Herbst 2015 auch Vorsorge für einen Einstieg in die Bundesförderungen getroffen werden. Der gewachse- nen Bedeutung der Aussiedler kommt der Bund nunmehr auch mit drei neu geschaffenen Kulturreferenten-Stellen nach, jeweils eine für die Deutschen aus Russland, die Oberschlesier und die Siebenbürger Sachsen. 15
1 Kurz notiert „Russlanddeutsche in Deutschland – Herausforde- Verständnis für beide Kulturen profitieren. Botschafter rungen und Ziele“ Grinin plädierte daher nachdrücklich für ein verbessertes Russisch-Angebot an deutschen Schulen, damit auch Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltung nachgeborene Russlanddeutsche ihre russischen Sprach- „70 Jahre nach Kriegsende – Russlanddeutsche kenntnisse pflegen und weiterentwickeln können. gestern und heute“ Der Vorsitzende der Landsmannschaft Waldemar Eisen- In der Veranstaltung „70 Jahre nach Kriegsende – Russ- braun stellte in den letzten Jahren eine deutlich positivere landdeutsche gestern und heute“, die von der Deutschen Wahrnehmung der Russlanddeutschen in der bundesre- Gesellschaft e.V. in Kooperation mit der Vertretung des publikanischen Gesamtöffentlichkeit fest. Deshalb könne Freistaates Thüringen beim Bund, des Bundesministe- sich die Landsmannschaft nun, nachdem sie sich nicht riums des Innern und der Landsmannschaft der Deutschen mehr länger unbegründeter Vorwürfe zu erwehren habe, aus Russland organisiert wurde, nahm der Beauftragte der noch stärker der Vernetzung und der Brückenfunktion zu- Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Min- wenden. Eine stabile Brücke benötigte allerdings starke derheiten, Hartmut Koschyk MdB, nach seinem einleiten- Pfeiler, die fest in der Erde verankert seien. Für die Aus- den Grußwort an der Podiumsdiskussion „Russland- siedlerinnen und Aussiedler sei dieses die Bundesrepublik deutsche in Deutschland – Herausforderungen und Ziele“ Deutschland. teil. Mit ihm diskutierten unter der Moderation von Prof. Dr. Victor Dönninghaus, stellv. Direktor am Institut für Museumsleiterin Dr. Katharina Neufeld betonte den Wert Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa in der historisch-politischen Bildungsarbeit gerade für die Lüneburg, der Botschafter der Russischen Föderation in nachgeborenen Aussiedlergenerationen, die nur noch von Deutschland, Wladimir Grinin, der Bundesvorsitzende der Erzählungen der Großeltern von den früheren Lebensbe- Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Walde- dingungen ihrer Vorfahren in der Sowjetunion erfahren. mar Eisenbraun, sowie die Leiterin des Museums für russ- Das von ihr geleitete Museum für russlanddeutsche Kul- landdeutsche Kulturgeschichte Detmold, Dr. Katharina turgeschichte in Detmold stelle die besondere, gleichzeiti- Neufeld. ge Bikulturalität der Russlanddeutschen, die sowohl in der deutschen wie auch in der russischen Kultur wurzelten, Bundesbeauftragter Koschyk bekräftigte zu Beginn der dar und habe somit ein Alleinstellungsmerkmal in der gan- Podiumsdiskussion die Politik der Bundesregierung, dass zen Welt. Neufeld dankte Bundesbeauftragtem Hartmut es auch künftig die persönliche Entscheidung eines jeden Koschyk und dessen Parlamentskollegen Heinrich Zertik einzelnen Russlanddeutschen sein soll, nach Deutschland für deren Unterstützung für die für den Bundeshaushalt auszusiedeln oder in seiner Heimat zu verbleiben. In bei- 2016 erstmalig bewilligte Bundesförderung für das Mu- den Fällen werde die Bundesregierung in Übereinstimmung seum in Höhe von je 200.000 Euro in den kommenden mit dem Willen des Bundestages Unterstützung leisten. Jahren. Die Integration der Aussiedlerinnen und Aussiedler in ihrer neuen Heimat sei eine Erfolgsgeschichte. Der Fokus der (Pressemitteilung des BMI vom 8.12.2015) öffentlichen Diskussion verschöbe sich mehr und mehr von den Fragen der Integration hin zur wachsenden Be- deutung der Brückenfunktion, welche sowohl die Russland- deutschen in Deutschland, organisiert in der Landsmann- schaft und anderen Vereinigungen, als auch die in der Hei- mat verbliebenen Angehörigen der deutschen Minderhei- ten in Russland und in den anderen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion mit ihren jeweiligen Selbstorganisa- tionen mittlerweile ausüben. Auf ausdrückliche Zustimmung Koschyks stieß die Aussa- ge von Botschafter Wladimir Grinin, dass Integration nicht Assimilation bedeuten sollte. Unter Verweis auf zahlreiche Beispiele in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft bezeich- nete der Botschafter die Integration der Aussiedlerinnen (v.l.n.r) Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, S.E. und Aussiedler als insgesamt erfolgreich. Deutsche wie Botschafter Wladimir Grinin, Landsmannschaftsvorsitzender russische Unternehmen würden sehr stark von den Russ- Waldemar Eisenbraun, Museumsleiterin Dr. Katharina landdeutschen mit ihren Sprachkenntnissen und ihrem Neufeld, Moderator Prof. Dr. Victor Dönninghaus. Foto: BMI 16
Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Heinrich Zertik trifft russlanddeutschen Junior- Meiser erklärte, dass ihn sein Weg zum Profiboxer „vor der Boxweltmeister Jan Meiser im Deutschen Bundestag schiefen Bahn bewahrt hat“. Mit wolgadeutschen Wurzeln wuchs der Profiboxer in Berlin-Hellersdorf auf, wo er als 10-Jähriger nach dem tragischen Tod seiner Mutter von sei- nem großen Bruder erzogen wurde. Die schwierige Kindheit prägte Meiser und er drohte auf die schiefe Bahn zu geraten. Aus diesem Umfeld holte Olaf Pollex, Geschäftsführer der Pollex-Box-Promotion GmbH, den talentierten Boxer heraus. Mit einem Managervertrag gab er ihm in der Gemeinschaft seines Boxstalls Struktur, ein geborgenes und professionelles Umfeld, und nahm ihn erst unter Vertrag, nachdem er den Gesellenbrief seiner Dachdecker-Ausbildung hatte. Meiser selbst sieht sich als Vorbild für Jugendliche und den Boxsport als Alternative zur Straße. Heinrich Zertik MdB MdB Zertik und Bundesbeauftragter Koschyk dankten Jan Meiser für sein Engagement für die Schüler der Berliner Sonnen-Grundschule Neukölln und wünschten dem jun- Der erste russlanddeutsche Bundestagsabgeordnete, gen russlanddeutschen Boxer auch weiterhin sportlichen Heinrich Zertik MdB, hat zusammen mit dem Beauftrag- Erfolg. Jan Meisers Weg soll Menschen verschiedener Her- ten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und natio- kunft Mut machen und Ansporn sein, in Deutschland Fuß nale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, den russland- zu fassen. deutschen Profiboxer Jan Meiser im Deutschen Bundes- tag getroffen. Meiser kam als Sechsjähriger mit Mutter, (Pressemitteilung von Heinrich Zertik MdB vom 8.2.2016) Großmutter und seinem älteren Bruder aus Kasachstan nach Deutschland. Der 21 jährige Jan Meiser ist Juniorenweltmeister der WBO im Mittelgewicht und ehemaliger zweifacher Junior-Welt- meister IBF und GBC Mittelgewicht, deutscher Meister im Mittelgewicht und dreimal Berliner Meister (Amateur). Meiser boxt seit seinem 9. Lebensjahr. Seit 2014 ist er Pro- fiboxer und hat elf von elf Profikämpfen, davon fünf durch K.-o.-Siege, gewonnen. Vorher hatte er von 25 Amateur- kämpfen 23 gewonnen. Seit einem Jahr engagiert sich der Profiboxer Jan Meiser für junge Schüler der Neuköllner Sonnen-Grundschule, an (v.r.n.l.) Treffen im Bundestag. Der Beauftragte der Bundes- der sich zurzeit zahlreiche Familien der Grundschüler um regierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Verwandte aus Krisengebieten kümmern, die als Flücht- Hartmut Koschyk MdB mit Jan Meiser, russlanddeutscher linge nach Berlin kommen. Unter dem Motto „Integration Profiboxer, Heinrich Zertik MdB und der Geschäftsführer der durch Sport“ spricht die Grundschule mit „Showtrainings“ Pollex Box Promotion GmbH, Charlie Podehl. Foto: BMI die Kinder aller Klassenstufen an und begeistert sie früh- zeitig für den Sport. Meiser hat auch ein Herz für Kollegen: Die komplette Börse seines ersten WM-Fights spendete er für den Krankentransport des Schwergewichtprofis Dennis Boytsov von Berlin in eine Reha-Klinik in Hamburg. 17
1 Kurz notiert 5. Staffel JUMPin.NRW. JUMPin.NRW – 4. Staffel 2015 erfolgreich Die Bewerbungsfrist ist am 28.3.2016 abgelaufen! abgeschlossen Das Projekt JUMPin.NRW, durchgeführt von der Otto- Benecke-Stiftung e.V., bietet ehrenamtlich engagierten jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund aus NRW JUMPin.NRW ein umfangreiches Bildungsprogramm mit diversen The- menseminaren, Kontakten zu Politikern und ehrenamtli- chen Initiativen sowie eine Studienfahrt nach Berlin und Praktika. JUMPin.NRW bietet den in das Programm aufgenomme- Ende letzten Jahres empfing der Staatssekretär für Inte- nen Jugendlichen Seminare, Studienfahrten, Praktika und gration, Thorsten Klute, die Teilnehmenden der diesjähri- Begegnungen mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gen Staffel im Ministerium für Arbeit, Integration und und erwartet im Gegenzug ehrenamtliches Engagement. Soziales des Landes NRW. In einem angeregten Austausch schilderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Er- Das Projekt ermöglicht den Teilnehmenden, ihre über- fahrungen mit dem Programm: Es hat sie in vielfacher Hin- fachlichen Fähigkeiten auszubauen, das Demokratiever- sicht angeregt, ihr ehrenamtliches Engagement zukünftig ständnis zu schärfen und ihre Netzwerke zu erweitern. auszubauen. Die Themenseminare, wie z. B. Projektma- „Reinspringen“ können junge Menschen mit Migrations- nagement und Bewerbungstraining, empfanden sie als geschichte zwischen 18 und 28 Jahren, ständigem sehr wertvolle Unterstützung in ihren verschiedenen Ar- Wohnsitz in NRW und sozialem und gesellschaftlichem beitsbereichen. Die Teilnehmenden zeigten sich hocher- Engagement. freut über die Möglichkeit, im Programm JUMPin.NRW mitwirken zu können. Staatssekretär Klute dankte den Teilnehmenden für ihr Engagement und überreichte ihnen Zertifikate über die erfolgreiche Teilnahme an dem einjährigen Projekt. Die sehr gut miteinander vernetzte Gruppe hat sich vorge- nommen, den Kontakt untereinander aufrechtzuerhalten und sich gegenseitig weiter zu unterstützen. Das seit 2011 vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS) geför- derte und von der Otto-Benecke-Stiftung e.V. (OBS) durchgeführte Projekt JUMPin.NRW richtet sich an junge Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte im Alter von 18 bis 28 Jahren, die ihren Lebensmittelpunkt in NRW Abschlussveranstaltung im MAIS mit Teilnehmenden der haben und sich gesellschaftlich und politisch interessieren 4. Staffel von JUMPin.NRW und engagieren. (Dorothee Leufgen, Projektleitung) 18
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