Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 01 / 2016 - www.landesbeirat.nrw.de - Landesbeirat für ...

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Landesbeirat für Vertriebenen-,
Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen
Rundschreiben 01 / 2016

                                www.landesbeirat.nrw.de
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Landesbeirat für Vertriebenen-,
Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen
Rundschreiben 01 / 2016
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Liebe Leserinnen und Leser,

nein, es ist noch nicht vorbei. Das haben die Diskussionen     Die erste Ausgabe des Rundschreibens erscheint aus tech-
in der Sondersitzung des Landesbeirates am 5. Februar          nischen Gründen leider erst nach Ostern. So wünsche ich
und in der regulären Sitzung am 9. März gezeigt. Die Ver-      Ihnen heute einen schönen Frühlingsanfang. Möge das
unsicherung unter vielen Spätausgesiedelten durch Ein-         Wiedererwachen der Natur Ihnen und uns die Kraft geben
flussnahme von außen – Stichworte russische Medien             für eine gute Integrationsarbeit!
und rechtsradikale Parteien – ist bedenklich, und sie hält
an. Für mich als Vorsitzender des Landesbeirates und           Herzlichst,
Integrations-Staatssekretär bedeutet dies, dass ich mich       Ihr Thorsten Klute
gerade in diesen Tagen hinter die Selbstorganisationen
der Spätausgesiedelten stelle, und das sind neben der          Staatssekretär für Integration im Ministerium für
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland die beiden          Arbeit, Integration und Soziales und
Jugendorganisationen und die vielen Vereine in NRW. Mit        Vorsitzender des Landesbeirates für Vertriebenen-,
denen können und wollen wir arbeiten.                          Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen

Viele von Ihnen wissen, dass unsere Gesellschaft auch
viele Aussiedler aus Polen aufgenommen hat. Wir haben
das Jubiläum 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschafts-
vertrag in 2016 zum Anlass genommen, die Integration
der bei uns lebenden Polinnen und Polen zu analysieren.
Das zentrale Ergebnis unserer kürzlich veröffentlichten
Studie: Menschen polnischer Herkunft sind in Nordrhein-
Westfalen überdurchschnittlich gut integriert. Meine Be-
wertung ist klar: Die Integration der aus Polen stammen-
den Menschen in NRW ist eine Erfolgsgeschichte. Das
zeigen beispielsweise die Daten zur Bildung und Qualifi-
kation, zur Arbeitslosigkeit und Inanspruchnahme von
öffentlichen Transferzahlungen, wie etwa die Hilfe zum
Lebensunterhalt. In allen diesen Bereichen schneiden
Menschen mit polnischem Migrationshintergrund über-
durchschnittlich ab. Dies ist besonders erfreulich, weil die
564.000 Menschen polnischer Herkunft in NRW eine der
größten Zuwanderungsgruppen bilden, über die aber we-
gen ihrer guten Integrationserfolge öffentlich kaum ge-
sprochen wird. Damit wird deutlich, dass die Gruppe der
Menschen mit polnischem Hintergrund ähnlich groß ist
wie die der Spätausgesiedelten. Hier hatten wir ja 2013
eine Zahl von rund 620.000 ermittelt. Auch die Integration
der Deutschen aus Russland war insgesamt positiv bewer-
tet worden.
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Inhaltsverzeichnis

1   Kurz notiert										                                6

2   Wettbewerbe / Projektförderung / Stellenangebote /
    Stipendienprogramme 								                         23

3   Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen /
    Bildungsangebote									                            26

4   Mitteilungen russlanddeutscher und anderer
    Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen				      36

5   Veröffentlichungen									                          64

6   Anlagen										                                    72
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1   Kurz notiert

1         Kurz notiert

Aussiedlerzahlen im Jahr 2015 in Nordrhein-Westfalen            Aufnahmezahlen bundesweit

Im Jahr 2015 sind in Nordrhein-Westfalen insgesamt 1.300        In der Bundesrepublik sind im Jahr 2015 insgesamt 6.118
Aussiedler (einschließlich Familienangehörige) aufgenom-        Aussiedler (einschließlich Familienangehörige) aufgenom-
men worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren            men worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren
es 1.257 Personen.                                              es 5.649 Personen.

Hier die Aufnahmezahlen nach Herkunftsländern:                  Ehemalige UdSSR      			                          6.096
Ehemalige UdSSR			                             1.289            Republik Polen		      			                            13
Republik Polen		          		                       9            Rumänien		            		                              7
Rumänien		               		                        2            Sonstige		            		                              2
Sonstige		                		                       0            Gesamt		               		                         6.118
Gesamt					                                  1.300
                                                                                                   (Bundesverwaltungsamt)
                     (Kompetenzzentrum für Integration -KfI-)

                                                                Aufnahmezahlen vom 1.1. bis 29.2.2016 bundesweit
Aussiedlerzahlen vom 1.1. bis 31.3.2016
in Nordrhein-Westfalen                                          In der Bundesrepublik sind in der Zeit vom 1. Januar bis
                                                                zum 29. Februar 2016 insgesamt 836 Aussiedler (ein-
In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2016 sind in         schließlich Familienangehörige) aufgenommen worden. Im
Nordrhein-Westfalen insgesamt 289 Aussiedler (einschließ-       gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 689 Personen.
lich Familienangehörige) aufgenommen worden. Im
gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 220 Personen.          Ehemalige UdSSR     			                             834
                                                                Republik Polen		     			                              2
Hier die Aufnahmezahlen nach Herkunftsländern:                  Rumänien		           			                              0
Ehemalige UdSSR			                             288              Sonstige		           			                              0
Republik Polen   			                             1              Gesamt		              			                           836
Rumänien		              		                       0
Sonstige		               		                      0                                                 (Bundesverwaltungsamt)
Gesamt					                                    289

                     (Kompetenzzentrum für Integration -KfI-)

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Rundschreiben Nr. 1                                 April 2016

                                                             Die Kommunalen Integrationszentren (KI) sind das Herz-
                                                             stück des 2012 verabschiedeten Teilhabe- und Integra-
                                                             tionsgesetzes NRW. Die ersten KI haben 2013 ihre Arbeit
                                                             aufgenommen. Zu den Aufgaben zählen beispielsweise die
                                                             Koordinierung von Querschnittsaufgaben und Sprachan-
                                                             geboten, die interkulturelle Schul- und Unterrichtsent-
                                                             wicklung, Orientierungshilfen für junge Migrantinnen und
                                                             Migranten im Schul- und Ausbildungssystem, die Unter-
                                                             stützung von sogenannten Brückenkitas in Flüchtlings-
                                                             heimen, die die Integration von Flüchtlingskindern in die
                                                             Regelkitas vorbereiten sollen, und die Begleitung und
                                                             Qualifizierung von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern.

Minister Rainer Schmeltzer. Foto: MAIS / G. Protze
                                                             Das Land fördert die Arbeit der Kommunalen Integrations-
                                                             zentren mit jährlich rund 10 Millionen Euro. Das Inte-
                                                             grationsministerium finanziert in jedem KI mit 170.000
Ministerin Löhrmann und Minister Schmeltzer:                 Euro 3,5 Personalstellen. Aus dem Etat des Schulminis-
Darum beneiden uns andere Bundesländer                       teriums werden jeweils zusätzlich zwei Lehrerstellen,
                                                             wobei eine Lehrerstelle rund 50.000 Euro entspricht, zur
50. Kommunales Integrationszentrum des Landes im             Verfügung gestellt. Außerdem fördert das Land eine lan-
Kreis Coesfeld eröffnet                                      desweite Koordinierungsstelle zur Unterstützung der KI.

Schulministerin Sylvia Löhrmann und Integrationsminis-       Beide Minister betonten, dass die Bedeutung der Kom-
ter Rainer Schmeltzer haben im Kreis Coesfeld das            munalen Integrationszentren angesichts der aktuellen
50. Kommunale Integrationszentrum in NRW eröffnet.           Flüchtlingszuwanderung noch einmal gewachsen ist.
„Mit den 50 Kreisen und kreisfreien Städten haben wir        Deshalb erhalten die KI aus dem aktuellen Landespro-
jetzt eine nahezu flächendeckende Struktur aufgebaut, mit    gramm „KOMM-AN NRW“, das für die Jahre 2016 und
der wir die Angebote zur Integration der zugewanderten       2017 mit jeweils rund 13 Millionen Euro ausgestattet ist,
Menschen in den Kommunen koordinieren. Viele Bundes-         Geld für zusätzliche Personalstellen. Mit den Maßnahmen
länder beneiden uns um diese starken Partner in der kom-     aus dem Programm KOMM-AN werden auch die Werte-
munalen Integrationsarbeit, da sie eine Bündelung aller      vermittlung und die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe unter-
Integrationsangebote vor Ort ermöglichen und die ehren-      stützt. So können beispielsweise Treffpunkte für Flücht-
amtliche Flüchtlingshilfe unterstützen“, sagte Schmeltzer    linge eingerichtet oder auch mehrsprachige Informations-
in Lüdinghausen.                                             broschüren für Flüchtlinge erstellt werden.

Ministerin Löhrmann sagte: „Integration ist eine gemein-       Weitere Infos zu den Kommunalen Integrationszent-
schaftliche Aufgabe, mit Bildung als wichtigem Schlüssel-    ren finden Sie im Internet unter: www.mais.nrw und
element für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe.    www.kommunale-integrationszentren-nrw.de
So ist das Erfolgsrezept der Kommunalen Integrations-
zentren denkbar simpel: Integration muss vor Ort als               (Mitteilung des Ministeriums für Schule und Weiterbildung
Bildungs- und Querschnittsaufgabe gestaltet werden. Es              und des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales
sind die vielen engagierten Menschen in den Kommunen,                                                         vom 12.2.2016)
die diesen Leitsatz durch ihre Arbeit mit Leben füllen und
damit Perspektiven für viele Zuwanderinnen und Zuwan-
derer schaffen. Ihnen allen gebührt an dieser Stelle mein
großer Dank.“

Ministerin Löhrmann und Minister Schmeltzer freuten sich,
dass sich der Kreis Coesfeld, der als ländlicher Kreis im
Münsterland einen vergleichsweise niedrigen Migranten-
anteil hat, nun auch zur Einrichtung eines Kommunalen
Integrationszentrums entschlossen hat: „Ausschlaggebend
waren sicher die guten Erfahrungen in Nachbarkreisen
und nicht zuletzt die Flüchtlingszuwanderung, die dem
Thema Integration noch einmal einen zusätzlichen Schub
gegeben hat.“

                                                                                                                           7
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1    Kurz notiert

Landesbeirat für Vertriebene: Düsseldorfer Erklärung          Wir bitten:

In einer Sondersitzung hat der Landesbeirat für Vertrie-       Es fehlt uns an Anerkennung für unseren Beitrag zur
benen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Nordrhein-       politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Westfalen unter Vorsitz von Integrationsstaatssekretär         Entwicklung unseres Landes. Die Gesellschaft möge
Thorsten Klute über die aktuelle Stimmung bei Deutschen        anerkennen, dass wir fleißige, anständige und hilfsbe-
aus Russland beraten. Im Nachgang zu dieser Sitzung ha-        reite Mitbürgerinnen und -bürger sind, die sich auch bei
ben die Deutschen aus Russland im Landesbeirat mit den         der Integration der „neuen Flüchtlinge“ engagieren. Es
Mitgliedern der Vorstände der Landsmannschaft der              ist notwendig, dass nicht nur wir auf andere zugehen,
Deutschen aus Russland, LMDR e.V., VIRA e.V. und des           sondern dass auch auf uns zugegangen wird.
Jugendverbandes JSDR e.V. die folgende „Düsseldorfer           Die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung, aber
Erklärung“ abgegeben:                                          auch in der Katholischen und Evangelischen Kirche so-
                                                               wie in den öffentlichen Einrichtungen auf Bundes-,
Düsseldorfer Erklärung der Deutschen aus Russland              Landes- und lokaler Ebene sollten erkennen, dass ihre
                                                               Maßnahmen zur Unterstützung der Integration von
im Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spät-      Deutschen aus Russland einschließlich der politischen
aussiedlerfragen Nordrhein-Westfalen, von Mitgliedern          Bildung nicht nur beibehalten, sondern ausgebaut wer-
der Landesvorstände der Landsmannschaft der Deutschen          den müssen.
aus Russland, LMDR e.V., VIRA e.V. und des Jugendver-          Aus unserer Sicht sollte verstärkt untersucht werden,
bandes JSDR e.V. sowie von weiteren Funktionsträgern           wie bestimmte Kreise versuchen, Einfluss auf die Spät-
der Deutschen aus Russland in Nordrhein-Westfalen: Die         ausgesiedelten und ihre Organisationen zu erlangen,
Ereignisse um die angebliche Vergewaltigung eines russ-        wer den Hass wie steuert und von dessen Entstehen pro-
landdeutschen Mädchens aus Berlin-Marzahn und die              fitiert.
folgenden Demonstrationen vor allem gegen Flüchtlinge          Wir halten es für falsch, wenn verschiedene Medien „die“
haben speziell die Deutschen aus Russland auch in Nord-        Deutschen aus Russland „in einen Topf“ werfen und den
rhein-Westfalen tief betroffen gemacht und erheblich irri-     Eindruck vermitteln, wir wären alle Helfer der russischen
tiert. Die Verunsicherung hält an. Mit dieser „Düsseldorfer    Regierung in Deutschland und würden sogar mit rechts-
Erklärung“ möchten wir im Nachgang zur Sondersitzung           radikalen Kräften zusammenarbeiten. Wir wünschen uns
des Landesbeirates für Vertriebenen-, Flüchtlings- und         eine differenzierte Berichterstattung, die auch unsere
Spätaussiedlerfragen unter Vorsitz von Herrn Integra-          erfolgreiche und wichtige Integrationsarbeit vor Ort ein-
tions-Staatssekretär Thorsten Klute am 5. Februar 2016         schließt. In diesem Zusammenhang regen wir nochmals
Politik, Medien, Kirchen und die Öffentlichkeit über Fol-      einen Journalistenpreis zu diesem Thema an. Besonders
gendes informieren:                                            die öffentlich-rechtlichen Sender sollten überlegen, Pro-
                                                               gramme und Beiträge mit den Deutschen aus Russland
Wir bekräftigen:                                               aufzulegen. Es sollte mehr mit uns und nicht nur über
                                                               uns gesprochen werden.
    Die überwiegende Mehrheit der Deutschen aus Russland
    in Nordrhein-Westfalen sind gesetzestreue Mitbürger-      Wir danken der Landesregierung und den anwesenden
    innen und Mitbürger, gut integriert, und schätzen es      Landtagsabgeordneten dafür, dass wir uns in der Sonder-
    sehr, dass wir in einem freiheitlichen, demokratischen    sitzung zu dem Thema austauschen und eindeutig positio-
    Rechtsstaat leben.                                        nieren konnten. Wir bleiben im Gespräch und werden die
    Wir lehnen jeglichen Verstoß gegen die Werte unseres      Umsetzung unserer Bitten im Landesbeirat und an ande-
    Grundgesetzes und andere Rechtsvorschriften ab.           rer Stelle thematisieren und besonders an deren Realisie-
    Wir treten deshalb entschieden jeglicher Form von Het-    rung verstärkt mitarbeiten.
    ze, Hass und Gewalt gegen Ausländer einschließlich der
    „neuen“ Flüchtlinge entgegen. Dies schließt im Beson-     Übersetzung ins Russische unter:
    deren die Ablehnung der unsäglichen Propaganda über       www.landesbeirat.nrw.de/materialien/LBR3_ru.pdf
    russische Medien, das Internet und soziale Netzwerke       Weitere Informationen unter:
    ein.                                                      www.landesbeirat.nrw.de/
    Wir verurteilen jegliche Form der Zusammenarbeit mit
    rechtsradikalen Kräften.

8
Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 01 / 2016 - www.landesbeirat.nrw.de - Landesbeirat für ...
Rundschreiben Nr. 1                              April 2016

Fremde Federn: Thorsten Klute und Jochen Welt –                 gration zu fördern. Es gab dazu auch unmissverständliche
was wir von der Aussiedlerpolitik lernen können                 gesetzliche Vorgaben. In § 7 des Gesetzes über die An-
                                                                gelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge heißt es:
Lange Zeit galt Deutschland als einwanderungs- und in-          „Spätaussiedlern ist die Eingliederung in das berufliche,
tegrationspolitischer Nachzügler. Auch das Staatsange-          kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik
hörigkeitsrecht musste sich den Vorwurf gefallen lassen,        Deutschland zu erleichtern. Durch die Spätaussiedlung
ethnonational und ausgrenzend zu sein. Heute können wir         bedingte Nachteile sind zu mildern.“
feststellen: All das ist passé! International vergleichende
Studien stellen sogar übereinstimmend fest, dass Deutsch-       Die Eingliederung der Aussiedler und Spätaussiedler kos-
land bei der Integration seiner Einwanderer weiter als an-      tete damals Milliarden DM. Aber es war gut angelegtes
dere Länder ist. Der Abstand zur alteingesessenen Bevöl-        Geld. In Form von Steuern und Abgaben ist seitdem ein
kerung bei Bildung, Arbeit und Einkommen ist geringer,          Vielfaches davon wieder zurückgeflossen. Es gab staatliche
und auch die Einbürgerung ist keine unüberwindbare Hür-         Hilfen bei der Unterbringung in Übergangswohnheimen,
de mehr. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen           bei der Wohnraumversorgung und der Erstausstattung
für Integration und Migration schlussfolgert entsprechend,      der Wohnungen, es gab Sprach- und schulische Förder-
Deutschland habe, „ohne groß darüber zu sprechen, ein           maßnahmen, passgenaue Hilfen bei der beruflichen Ein-
fortschrittliches migrationspolitisches Instrumentarium         gliederung, Kredite zur Förderung einer selbstständigen
(für Drittstaatsangehörige) entwickelt, das mit dem allge-      Erwerbstätigkeit und die Einbeziehung in die Sozialver-
mein als vorbildlich eingestuften kanadischen Einwande-         sicherung.
rungsregime ohne Weiteres Schritt halten kann“.
                                                                Ein Programm ragt aus den vielen Hilfen heraus: der bun-
Gibt es eine Einwanderergruppe, die exemplarisch für In-        desfinanzierte Garantiefonds. Mit ihm wurden junge Aus-
tegrationserfolge steht und von der man für die heute an-       siedler bis zum vollendeten 27. Lebensjahr gefördert, aber
stehende Herausforderung der Eingliederung von Flücht-          auch jüdische Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte.
lingen lernen kann? Ja, die gibt es – an sie wird nur viel zu   Angeboten wurden Intensivsprachkurse, Nachhilfeunter-
selten erinnert, auch weil sie sich nahezu geräuschlos in       richt, Umschulungen, Fortbildungen und zahlreiche beruf-
die Gesellschaft einfügte. Die Rede ist von den Aussiedlern     liche Integrationsmaßnahmen. Für den Garantiefonds
und Spätaussiedlern. Seit dem Beginn ihrer Aufnahme im          standen allein von 1990 bis 1992 1,5 Milliarden DM zur Ver-
Jahr 1950 sind 4,5 Millionen – einschließlich der Familien-     fügung. Für die jungen Menschen öffnete er das Tor in
angehörigen – nach Deutschland eingewandert, allein seit        unsere Gesellschaft. Sie haben es ihr durch Fleiß und
1990 rund 2,5 Millionen. Laut NRW-Teilhabe- und Integra-        Leistungsbereitschaft gedankt.
tionsbericht liegt ihre Erwerbstätigenquote mit 76,5 %
sogar über jener der Bevölkerung ohne Migrationshinter-         Einen umfassenden integrationspolitischen Ansatz wie
grund. Auch die berufliche Qualifikation ist beeindruckend:     damals für die Aussiedler brauchen wir auch heute für
74,5 % haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder          junge Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in Deutschland.
einen Hochschul- oder Meisterabschluss.                         Natürlich ist jede Einwanderergruppe anders, wie jeder
                                                                Mensch anders ist. Aber Unterschiede, etwa der Religion,
Wie sind solche Resultate möglich? Was ist das Geheimnis        verlieren dann an Trennendem, wenn die aufnehmende
dieser Erfolgsgeschichte? Dass die Aussiedler Deutsch ge-       Gesellschaft den Flüchtlingen mit Bleibeperspektive von
sprochen hätten, taugt als Erklärung jedenfalls nicht. Tat-     Beginn an „Zugehörigkeit“ anbietet. Wenn wir die Flücht-
sächlich war Russisch spätestens von den neunziger Jah-         linge, die hier sind und hier bleiben, umfassend fördern
ren an die Muttersprache der meisten, gerade auch der           und sie zugleich auffordern, ihre Talente zu entwickeln und
Jüngeren. Auch kamen viele Jugendliche eher unfreiwillig        einzubringen, dann kann auch ihre Integration zu einer Er-
nach Deutschland, wurden gegen den eigenen Willen von           folgsgeschichte werden. Zu einer Erfolgsgeschichte, auf
ihren Eltern mitgenommen, in ein Land, das ihnen kaum           die wir einst mit dem gleichen Stolz zurückblicken können,
als Heimat erschien, und hatten somit zunächst erschwer-        wie wir jetzt auf die Integration der Aussiedler und Spät-
te Voraussetzungen für den Start.                               aussiedler schauen. Ein Garantiefonds 2.0, angepasst an
                                                                die heutige Situation, das könnte etwas sein. Wenn wir
Zwar beruhte die Aufnahmebereitschaft Deutschlands auf          jetzt die Weichen richtig stellen, dann kann auch die aktu-
der Annahme gemeinsamer kultureller Wurzeln, doch wa-           elle Zuwanderung unser Land stärken, verjüngen und da-
ren diese gerade bei Jugendlichen oft kaum noch vorhan-         mit zukunftssicherer machen.
den. Gleichwohl war genau diese Annahme die Basis dafür,
die Aussiedler von Beginn an und ohne Einschränkung als
„zugehörig“ zu betrachten und sie in einmaliger Art und
Weise bei Spracherwerb, Qualifizierung und sozialer Inte-

                                                                                                                          9
Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 01 / 2016 - www.landesbeirat.nrw.de - Landesbeirat für ...
1    Kurz notiert

Thorsten Klute (SPD) ist Staatssekretär im Ministerium für     Öffentliche Transferzahlungen als überwiegende Quelle
Arbeit, Integration und Soziales in Nordrhein-Westfalen,       für den Lebensunterhalt spielen bei Personen polnischer
Jochen Welt (SPD) war von 1998 bis 2004 Beauftragter           Herkunft eine geringere Rolle (10,2 %) als bei Personen
der Bundesregierung für Aussiedlerfragen.                      mit Migrationshintergrund insgesamt (15,5 %).

(F.A.Z. vom 22.12.2015, Gastbeitrag von Thorsten Klute         Hintergrundinformationen:
(SPD), Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Integration
und Soziales in Nordrhein-Westfalen und Jochen Welt             Bei der Neuzuwanderung aus der EU sind die Menschen
(SPD) war von 1998 bis 2004 Beauftragter der Bundes-            aus Polen die größte Gruppe; bei 173.361 Neuzuwande-
regierung für Aussiedlerfragen und ist heute Geschäfts-         rungen aus der EU im Jahr 2014 stammten 45.518 Men-
führer der Otto Benecke Stiftung e.V.)                          schen aus Polen. Nach den Menschen mit türkischer
                                                                Herkunft (21 %) bilden die Menschen polnischer Her-
                                                                kunft mit 13,6 % die größte Gruppe der Bevölkerung mit
Staatssekretär Klute: Die Integration der Polen in              Migrationshintergrund. Auch im Vergleich zu den rund
NRW ist eine Erfolgsgeschichte                                  49.000 Asylbewerberinnen und -bewerbern im Jahr
                                                                2014 zeigt sich die zahlenmäßig große Bedeutung der
Menschen polnischer Herkunft sind in Nordrhein-Westfalen        aus Polen nach NRW gekommenen Menschen.
überdurchschnittlich gut integriert. Dies ist das zentrale      Datenbasis für diese in ihrer Aktualität bundesweit ein-
Ergebnis einer Studie, die Integrationsstaatssekretär           zigartige Auswertung durch IT.NRW als Statistisches
Thorsten Klute in Düsseldorf zum 25-jährigen Jubiläum           Landesamt ist der Mikrozensus Nordrhein-Westfalen für
des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages vorge-           das Jahr 2014.
stellt hat.                                                     Der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland
                                                                und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und
„Die Integration der aus Polen stammenden Menschen in           freundschaftliche Zusammenarbeit“ wurde 1991 durch
NRW ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte Klute, „das zeigen       die Parlamente ratifiziert.
beispielsweise die Daten zur Bildung und Qualifikation, zur     Der Landtag hatte die Landesregierung Ende 2014 be-
Arbeitslosigkeit und Inanspruchnahme von öffentlichen           auftragt, den Nachbarschaftsvertrag zu evaluieren. Die
Transferzahlungen, wie etwa die Hilfe zum Lebensunter-          Studie des Integrationsministeriums ist ein erster Bei-
halt.“ In allen diesen Bereichen schneiden Menschen mit         trag hierzu.
polnischem Migrationshintergrund überdurchschnittlich           Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute ist auch
ab. „Dies ist besonders erfreulich“, so Klute weiter, „weil     Ansprechpartner der Landesregierung für die Belange
die 564.000 Menschen polnischer Herkunft in NRW eine            der in NRW lebenden Menschen mit polnischem Hinter-
der größten Zuwanderungsgruppen bilden, über die aber           grund sowie Ko-Vorsitzender des Ausschusses für
wegen ihrer guten Integrationserfolge öffentlich kaum ge-       interregionale Zusammenarbeit der Deutsch-Polnischen
sprochen wird.“                                                 Regierungskommission für grenzüberschreitende und
                                                                interregionale Zusammenarbeit.
Die Untersuchung zeigt im Vergleich zur Bevölkerung mit
Migrationshintergrund insgesamt bei den Menschen pol-           Die Studie im Netz: www.mais.nrw
nischer Herkunft eine günstigere Bildungs- und Qualifika-       unter: https://broschueren.nordrheinwestfalendirekt.
tionsstruktur. Sie sind seltener ohne allgemeinbildende         de/broschuerenservice/mais/zur-integration-von-
Abschlüsse (3,9 % bei polnischer Herkunft im Vergleich          menschen-polnischer-herkunft-in-nordrhein-
zu 13,7 % bei Migrationshintergrund insgesamt). Bei der         westfalen/2123
Fachhochschul- oder Hochschulreife liegen sie mit 37,8 %
dagegen vor den Menschen mit Migrationshintergrund                   (Pressemitteilung des Ministeriums für Arbeit, Integration
insgesamt (31,5 %).                                                                              und Soziales vom 26.1.2016)

Auch bei den beruflichen Abschlüssen liegen Menschen
polnischer Herkunft weit vorne: 56,7 % verfügen über eine
abgeschlossene Berufsausbildung, aber nur 38,6 % der
Menschen mit Migrationshintergrund allgemein. 22,5 %
der Bevölkerung mit polnischem Migrationshintergrund
dagegen sind ohne abgeschlossene Berufsausbildung,
aber 43,5 % der Migrantinnen und Migranten insgesamt.
Zudem ist ihre Erwerbstätigenquote mit 70,6 % sehr hoch.

10
Rundschreiben Nr. 1                               April 2016

Der neue Adel im „gefährlichsten Staat der Welt“                Russland – ein Geheimpolizeistaat? Zu diesem Schluss
                                                                kommen Soldatow und Borogan in ihren Publikationen.
Der russische Geheimdienstfachmann Soldatow erklärt,            Besonders eindrucksvoll ist dies in ihrem schon 2010
warum Enthüller vom Typ Snowdens in seinem Land                 veröffentlichten Buch nachzulesen, das zuerst auf Eng-
keine Chance hätten. (Gerhard Gnauck)                           lisch erschien: „The New Nobility“ (Der neue Adel. Die
                                                                Restauration des russischen Sicherheitsstaates und das
Manchmal gibt Deutschland Rätsel auf. Das größte EU-            nachwirkende Erbe des KGB). Es bietet einen Abriss der
Mitgliedsland steht für die Geheimdienste Russlands im          Entwicklung in den zwei Jahrzehnten seit dem Ende der
Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Etwa drei Millionen Men-          Sowjetunion. Das ist keine Kreml-Astrologie: Die Geheim-
schen sind seit 1989 aus der Sowjetunion und ihren Nach-        dienste, ihre politischen Auftraggeber, die Legislative, die
folgestaaten zugewandert. Deutschland hat Tausende von          Kritiker, die Medien – sie alle in Russland äußern sich hin
Osteuropa-Experten. Die deutschen Geheimdienste war-            und wieder zum Thema. Die Autoren zitieren penibel of-
nen seit Jahren verstärkt vor Spionage aus Russland und         fene Quellen und hin und wieder auch eigene, verdeckte.
China. Aber es gibt in Deutschland, anders als in den meis-
ten Ländern des „alten Westens“, an Hochschulen und             Es ist ein beklemmendes Bild. Zwar hat man in der Ära
Denkfabriken keinen einzigen Experten für die russischen        Jelzin durch Aufspaltung des alten KGB „checks and
Geheimdienste. Auch Medien und Buchverlage mieden               balances“ angestrebt und daher verschiedene Dienste
(bis Anfang 2016, bis zum „Fall Lisa“) dieses Thema weit-       geschaffen, um eine Rückkehr der totalitären Diktatur und
gehend.                                                         ihrer Machtzentralisierung zu verhindern. Von heute aus
                                                                betrachtet, muss man sagen: Der Plan ist misslungen. Im
Das kann verschiedene Gründe haben. In der Zeit der Män-        Jahr 2000 wechselte der langjährige KGB-Hauptamtliche
nerfreundschaft Schröder - Putin galt es nicht als fein, sich   Putin, zuletzt Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB (Fö-
mit diesem Thema zu befassen – obwohl man in deutschen          deraler Sicherheitsdienst), in den Sessel des Staatspräsi-
Zeitungen schon zu Putins erster Amtszeit lesen konnte,         denten. Seitdem hat der FSB einen enormen Machtzu-
dass dieser reihenweise Geheimdienstleute in Spitzenpo-         wachs erfahren: Durch Eingliederung anderer Einheiten
sitionen hievte. Wenn das Thema in anderen Ländern auf-         wuchs er von 80.000 auf heute vermutlich 350.000 haupt-
tauchte, etwa mit dem Auffliegen des Agentenrings um            amtliche Mitarbeiter. Damit ist er pro Kopf der Bevölkerung
Anna Chapman in Amerika, reagierte die deutsche Öffent-         größer als der KGB in den Zeiten der Diktatur. Er darf
lichkeit reflexartig mit James-Bond-Folklore. Erst als die      inzwischen auch im Ausland tätig werden. Viel kleiner ist
deutschen Behörden 2013 entschieden, mit einem seit 20          dagegen der eigentliche Nachrichtendienst SWR.
Jahren aktiven russischen Agentenpärchen (ihr Pseudo-
nym: Anschlag) auch einmal einen hiesigen Fall öffentlich       Ein neuer Adel? Zumindest dem Selbstverständnis und
zu machen, hat sich die Optik etwas verändert. Und erst         dem gesellschaftlichen Gewicht nach ist diese Aussage
die Bürgerproteste in Russland gegen Wahlfälschungen ha-        berechtigt. Sie stammt von einem, der es wissen muss:
ben bildschirmtauglich gezeigt, was man eigentlich auch         Putins Nachfolger im Amt des FSB-Chefs, Nikolaj Patru-
vorher wissen konnte: dass das Land auch innenpolitisch         schew, sagte schon 2000 in einer Rede vor seinen Unter-
den Rückwärtsgang eingeschlagen hat, zurück in den Ge-          gebenen, sie alle vereine „ihr Dienstethos. Sie sind, wenn
heimpolizeistaat.                                               Sie so wollen, unser neuer Adel.“ Untersuchungen der
                                                                russischen Elite haben ergeben, dass von den 1.000
Die russischen Dienste haben, anders als die westlichen,        wichtigsten Personen im Staat schon in den ersten zwei
tatsächlich noch die Vorsilbe „Geheim-“ verdient. Wer sich      Amtszeiten Putins, je nach Zeitpunkt, bis zu 78 % frühere
über ihre Entwicklung ein Bild machen will, muss sich vor       hauptamtliche Geheimdienstler waren. Seitdem sind viele
allem auf zwei Russen stützen. Die Moskauer Journalisten        Spielfilme und Dokudramen entstanden, die das Bild von
Andrej Soldatow und Irina Borogan, beide heute Ende 30,         NKWD, KGB und den anderen Diensten als historischer
haben früh begonnen, sich auf dieses Thema zu speziali-         Elite Russlands in der Gesellschaft festigen sollen.
sieren – bereits 2000, im Jahr des Amtsantritts Wladimir
Putins. Beide trennten sich damals von ihrem einstigen
Arbeitgeber, der „Iswestija“, und gründeten die Internet-
seite „agentura.ru“. Damals war in Russland noch mehr
möglich als heute. Inzwischen sind die beiden die im Aus-
land meistzitierten russischen Fachleute zu diesem Thema.

                                                                                                                           11
1    Kurz notiert

Heute warnen kritische Beobachter, etwa Putins früherer          Leider enthält das Buch nicht viel über die Aktivitäten der
Wirtschaftsberater Andrej Illarionow oder der polnische          Geheimdienste im Ausland. Mit einer Ausnahme: Eine
Russlandexperte Andrzej Nowak, in keinem Land seien              besonders enge Zusammenarbeit verbindet die russi-
die Geheimdienste so mächtig wie im einstigen Kernland           schen Dienste mit jenen der zentralasiatischen Diktaturen.
der Sowjetunion. Während jedoch früher der KGB klar der          Da Regimegegner aus diesen Ländern (bisher) gern in
Partei untergeordnet war, fehle heute diese übergeordne-         Russland Zuflucht suchen, hatten die Diktatoren großes
te Instanz. „Russland ist heute der gefährlichste Staat          Interesse daran, dort freien Zugriff zu bekommen. So
der Welt“, sagt Nowak, der an der Universität Krakau Ge-         entstand im Rahmen der Shanghai-Staatengruppe die
schichtsprofessor ist. „Es ist der einzige Staat, der de facto   „Regionale Antiterroristische Struktur“ (RATS). Inzwi-
von den Geheimdiensten regiert wird.“                            schen hat Russland den Partnerländern, Soldatow zufolge,
                                                                 zahlreiche Oppositionelle überstellt, auch begonnen,
Wie es dazu kommen konnte, haben Soldatow und Borogan            Anhänger der Falun-Gong-Sekte an China auszuliefern,
beschrieben. Die 90er-Jahre waren eine Zeit der Enthül-          wo diese als Regimegegner verfolgt werden.
lungen über die Praktiken des KGB, der neuen Versuchun-
gen, die zu großer Korruption auch in den Geheimdiensten         Und die Überwachung im Internet? Sie ist in Russland so
führten, und chaotischer Zustände in weiten Bereichen            selbstverständlich wie die Verletzung des Bankgeheim-
des Staates. Das alles hat sich zentralisiert: Jetzt wird        nisses, über das Präsident Putin während einer Diskussion
größtenteils von oben entschieden, wer korrupt sein darf         mit Wirtschaftsführern einmal lakonisch sagte: „Gab es
und gegen wen enthüllt wird. Zugleich wurde die Macht            das?“ Mit dem Internet lässt sich viel anfangen; ausge-
der Dienste per Gesetz erweitert.                                rechnet nach Beginn von Barack Obamas „Neustart“ der
                                                                 Beziehungen zu Moskau tauchte im Netz ein Sex-Video
Soldatow sieht beim Machtzuwachs der Geheimen eine               auf, das (angeblich) den US-Diplomaten Kyle Hatcher
große Rolle des Tschetschenien-Konflikts, der „für sich          zeigte. Seinem britischen Kollegen James Hudson erging
genommen größten Herausforderung“ der Dienste. Bis in            es genauso. Interessant die Reaktionen: Die Briten zogen
die ersten Jahre der Putin-Ära zeigte sich der Staat immer       ihren Diplomaten ab; die Amerikaner verteidigten ihren
wieder extrem verwundbar. Zum einen durch Terrorismus,           Mann gegen die „Verleumdungskampagne“ und stärkten
zum anderen durch Internetseiten, auf denen tschetsche-          ihm den Rücken.
nische Rebellen ihre Erfolge verkündeten. 2002 hackten
dann erstmals russische Studenten (aus Tomsk) die wich-          Im vorigen Jahr (2015) haben Soldatow und Borogan ein
tigste Website der Tschetschenen; der örtliche FSB billigte      neues Buch herausgebracht: „The Red Web. The Struggle
öffentlich ihr Vergehen. Seitdem, so Soldatow, sind immer        between Russia’s Dictators and the New Online Revolu-
wieder russische Hacker und Cyber-Krieger aufgetreten –          tionaries“ (Verlag PublicAffairs, New York). Darin behan-
gegen kaukasische Rebellen, gegen unliebsame Medien,             deln sie, wie der Titel sagt, den Kampf des russischen Re-
gegen Oppositionsgruppen wie die des Schachweltmeis-             gimes um die Kontrolle des Internets. Auch dieses Buch
ters Garri Kasparow, sogar – wenn es im „russischen              hat bisher keinen deutschen Verleger gefunden. Wie Sol-
Interesse“ lag – gegen verwundbar scheinende Staaten             datow auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
wie Litauen und Estland. Die Geheimdienste hätten sich           für Osteuropakunde im März 2016 in Mainz berichtete,
derweil bedeckt gehalten – nur selten wurden die Quer-           habe es in Moskau Pläne gegeben, Russland vollkommen
verbindungen sichtbar –, aber auf geschickte Weise „er-          vom ausländischen Internet abzutrennen. Als realistische-
reichten sie ihre weiter gesteckten Ziele“.                      re Variante habe man dann eine Teilsperrung in den Blick
                                                                 genommen, wobei eine Reihe „harmloser“ Internetseiten
Bald traten die Dienste immer dreister auf. Im Oktober           wie www.booking.com auf einer „weißen Liste“ ausgenom-
2012 wurde der russische Oppositionelle Leonid Raswo-            men werden sollten.
schajew, der in der Ukraine Asyl beantragen wollte, vor
dem Kiewer Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge            Wohin geht die Reise? Der Geist des FSB, sagt Soldatow,
von vier Männern in ein Auto gezerrt. Zwei Tage später           „ist von sowjetischer und zarischer Geschichte geprägt:
war er im Gefängnis – in Moskau; dort sitzt er offenbar bis      misstrauisch, nach innen gewandt und clanartig. Aber die
heute. Raswoschajew berichtete aus der Haftanstalt, die          Antworten auf neue Probleme können doch nicht in den
Entführer hätten gedroht, ihm Frau und Kinder zu er-             Lektionen der Vergangenheit liegen.“
morden.

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Rundschreiben Nr. 1                               April 2016

Interview Andrej Soldatow                                    DIE WELT: Wie groß ist bei Ihrer Arbeit Ihr Spielraum? Wo
                                                             endet er?
Gerhard Gnauck: Herr Soldatow, Sie haben schon 2010
ein wichtiges Buch über die russischen Geheimdienste         Soldatow: Wir finden, dass wir nur bestätigte Tatsachen
geschrieben. Haben deutsche Verlage Interesse bekun-         veröffentlichen sollten. Das Problem liegt darin, dass es
det?                                                         mit jedem Tag schwieriger wird, Informationen mithilfe
                                                             unabhängiger Quellen zu überprüfen. Diese Regel einzu-
Soldatow: Das Buch ist in Amerika, Russland, Estland,        halten wird immer schwieriger. Deshalb wird der Informa-
Frankreich, Finnland, Großbritannien und China erschie-      tionsfluss über diese Geheimdienste immer dünner. Auch
nen. Wir haben kein Signal, dass deutsche Verleger Inte-     wird es zunehmend schwerer, Publikationen zu finden, die
resse hätten. Das bedauern wir sehr. Eigentlich müsste       mit uns zusammenarbeiten wollen. Sogar die (Kreml-
das Thema die deutschen Leser sehr interessieren, wenn       kritische) „Nowaja Gaseta“ hat die Zusammenarbeit ein-
man die intensiven Kontakte zwischen Russland und            gestellt. Damit jetzt etwas von uns erscheint, veröffentli-
Deutschland bedenkt.                                         chen wir es erst im Westen auf Englisch. Erst danach sind
                                                             russische Verlage bereit, das auf Russisch zu drucken.
Gerhard Gnauck: Sie schreiben, die Dienste Russlands         Das ist sicherer.
müssten keine Angst vor einem „Whistleblower“ wie
Snowden haben, anders als die amerikanischen. Warum          DIE WELT: Wie finanzieren Sie Ihre Arbeit?
ist das so?
                                                             Soldatow: Wir arbeiten so wie viele Journalisten auf der
Soldatow: Die absolut notwendige Bedingung, damit            Welt, die keine feste Anstellung haben: Wir bekommen
„Whistleblower“ tätig werden können, sind unabhängige        Honorare für Texte in verschiedenen Medien.
und starke Medien. Ein Beispiel: Im Sommer 2010 ent-
stand die Internetseite lubyanskayapravda.com, die offen-          (Gerhard Gnauck ist Osteuropa-Korrespondent der „Welt“
bar von unzufriedenen Mitarbeitern des FSB betrieben                                                 mit Sitz in Warschau)
wurde. Dort waren sehr interessante FSB-Dokumente zu
sehen, darunter solche über Operationen des FSB in der
Ukraine und anderen GUS-Staaten. Die Internetseite exis-
tierte nur zwei Wochen – vermutlich deshalb, weil keine
einzige russische Zeitung sich entschloss, darüber zu
schreiben, obwohl die Autoren viele Zeitungen kontaktiert
hatten.

Gerhard Gnauck: Bis 1989 haben die Geheimdienste des
Ostblocks gegen die Bundesrepublik sogenannte „aktive
Maßnahmen“ eingesetzt, Operationen zur Desinformation
der Öffentlichkeit. Gibt es das heute wieder?

Soldatow: Das kann man wohl annehmen. Zumindest hat
mir das Sergej Tretjakow erzählt, ein Oberst des Auslands-
geheimdienstes SWR, der sich 2000 in die USA abgesetzt
hat. Er sagte, die „aktiven Maßnahmen“ des KGB seien
lediglich umbenannt worden in „Operationen des Zusam-
menwirkens“ (operazii sodejstwija), aber der Inhalt sei
derselbe geblieben. Tretjakow hatte selbst solche Opera-
tionen geplant und durchgeführt, als er der SWR-Resident
bei der UNO in New York gewesen war.

                                                                                                                        13
1    Kurz notiert

Erneuter Anstieg der Zuzugszahlen – allerdings
deutlicher Rückgang der Anträge

Zu den Zugangszahlen deutscher Aussiedler im Jahr
2015 erklärt der Beauftragte der Bundesregierung für
Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut
Koschyk MdB:

Der Zuzug von Spätaussiedlern und ihren Familienange-
hörigen in die Bundesrepublik Deutschland hat sich das
dritte Jahr in Folge erhöht. Diese Entwicklung ist insbe-
sondere auf das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-
vertriebenengesetzes zurückzuführen, das am 14.9.2013
in Kraft getreten ist. Durch die Gesetzesnovellierung wur-
den die Voraussetzungen für die Aufnahme als Spätaus-
                                                             Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen
siedler sowie die Familienzusammenführung bislang ge-
                                                             und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB
trennter Spätaussiedlerfamilien wesentlich erleichtert.
Während im Jahr 2013 noch 2.427 Spätaussiedler und de-
ren Familienangehörige aufgenommen wurden, waren es          Diese Zahlenentwicklung bestätigt die Aussiedlerpolitik
in 2014 mit 5.649 Personen bereits mehr als doppelt so       der Bundesregierung und zeigt, dass der von uns 2013 mit
viele. Im Jahr 2015 kamen im Vergleich zum Vorjahr mit       der Gesetzesänderung verfolgte Zweck, Familienzusam-
6.118 Personen nochmals rund 500 Personen mehr nach          menführungen weiter zu erleichtern, erreicht wurde. Das
Deutschland. Die führenden Herkunftsländer sind seit Jah-    ist sehr erfreulich. Natürlich sind diese Zahlen nicht mehr
ren die Russische Föderation, Kasachstan und die Ukraine.    mit den früheren Aufnahmezahlen zu vergleichen; den-
Mehr als 90 % (5.674) der Spätaussiedler kamen 2015          noch konnten wir in den letzten drei Jahren einen nicht
aus diesen Ländern.                                          unerheblichen Anstieg der Zuzugszahlen verzeichnen.
                                                             Besonders positiv wirkt sich die Zuwanderung von Spät-
Während sich die Zuzugszahlen weiter erhöht haben, hat       aussiedlern und ihren Familienangehörigen laut dem aktu-
sich die Zahl der Anträge auf Aufnahme als Spätaussied-      ellen Migrationsbericht 2014 (http://www.bamf.de/DE/
ler, Ehegatte oder dessen Abkömmling – die i.d.R. vor ei-    DasBAMF/Forschung/Ergebnisse/Migrationsberichte/
ner Ausreise gestellt und bewilligt werden müssen – im       migrationsberichte-node.html) des Bundesamtes für Mi-
Vergleich zum Vorjahr erheblich reduziert. Wurden in 2014    gration und Flüchtlinge auch auf die Altersstruktur der
noch 30.009 Anträge gestellt, waren es 2015 nur noch         Bevölkerung in Deutschland aus. Da die zuwandernden
18.011.                                                      Spätaussiedler relativ jung sind (77 % sind unter 45 Jahre)
                                                             federt der Zuzug deutscher Aussiedler die demografische
                                                             Entwicklung in Deutschland ab.

                                                             Spätaussiedler nehmen nicht nur hoch motiviert die viel-
                                                             fältigen Integrationsangebote wahr. Sie engagieren sich
                                                             auch für die Integration anderer Zuwanderergruppen im
                                                             Bund der Vertriebenen und der Landsmannschaft der
                                                             Deutschen aus Russland. So stehen gerade viele als Bera-
                                                             ter und ehrenamtliche Betreuer der Migrationsberatung,
                                                             aber auch als Lotsen, Paten und Mentoren allen Zugewan-
                                                             derten als Ansprechpartner zur Verfügung. Angesichts der
                                                             vielen Flüchtlinge, die derzeit zu uns kommen, sind wir
                                                             auf diese Erfahrung und auf dieses Engagement dringend
                                                             angewiesen.

                                                                                  (Pressemitteilung des BMI vom 13.1.2016)

14
Rundschreiben Nr. 1                              April 2016

Bundeskabinett beschließt Weiterentwicklung der               Bundesbeauftragter Koschyk würdigte weiter, dass die
Förderkonzeption nach § 96 Bundesvertriebenen-                angestammten verbliebenen Deutschen Minderheiten
gesetz                                                        nunmehr ausdrücklich als Träger deutscher Kultur im öst-
                                                              lichen Europa und in den Nachfolgestaaten der ehemali-
Koschyk würdigt insbesondere die Verbesserungen für           gen Sowjetunion sowie als Brückenbauer zwischen
Aussiedler und Deutsche Minderheiten                          Deutschland und ihren Heimatstaaten anerkannt worden
                                                              sind. Mit der Beauftragten für Kultur und Medien hat er
Die Bundesregierung hat am 24.2.2016 auf Vorschlag der        vereinbart, die Diskussion um etwaige Anknüpfungspunk-
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien        te und Synergieeffekte zwischen den unterschiedlichen
(BKM) die vorgelegte „Weiterentwicklung der Konzeption        Bundesförderungen zugunsten deutscher Minderheiten im
zur Erforschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung      Ausland, die derzeit in Verantwortung des Bundesminis-
der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen          teriums des Innern, des Auswärtigen Amtes und der BKM
Europa nach § 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG),             umgesetzt werden, fortzusetzen.
Deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa:
Erinnerung bewahren – Brücken bauen – Zukunft gestal-         Als eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft be-
ten,“ beschlossen. Sie kommt damit einem Auftrag aus          zeichnete Bundesbeauftragter Koschyk die verbesserte
dem Koalitionsvertrag nach.                                   Abstimmung und Zusammenarbeit der Selbstorgani-
                                                              sationen der Deutschen Minderheiten und der jeweiligen
Nach § 96 BVFG haben Bund und Länder den gesetzlichen         Landsmannschaften der Heimatvertriebenen in der Bun-
Auftrag, das Kulturgut der historischen deutschen Ostge-      desrepublik Deutschland. „Dieses gewaltige Potenzial ist
biete und der deutschen Siedlungsgebiete im östlichen         bei Weitem noch nicht ausgeschöpft“, so der Bundesbe-
Europa im Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge,       auftragte.
des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu er-
halten. Zu dieser wichtigen kulturpolitischen Aufgabe ge-                               (Mitteilung des BMI vom 24.2.2016)
hört die Förderung von Archiven, Museen und Bibliothe-
ken, Wissenschaft und Forschung sowie von Projekten der
kulturellen Vermittlung. Der vorliegende Entwurf, der jetzt
dem Deutschen Bundestag zugeleitet wird, entstand in
enger Abstimmung mit dem Beauftragten der Bundesre-
gierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten,
Hartmut Koschyk MdB.

Bundesbeauftragter Koschyk hob insbesondere hervor,
dass durch die Weiterentwicklung endlich die seit dem
Epochenjahr 1989/90 verstärkt in die Bundesrepublik
Deutschland gekommenen Aussiedler, v.a. aus Polen,
Rumänien und den Nachfolgestaaten der früheren Sowjet-
union, angemessen in den Blick genommen werden. Das
Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Det-
mold, wo private Initiative bereits reiche Früchte hervor-
gebracht hat, soll in die Lage versetzt werden, als museale
Institution seine Beziehungen in die Ursprungsregionen
auszuweiten, sich wissenschaftlich weiter zu vernetzen
und seine wachsenden Aufgaben der Bewahrung und der
Präsentation russlanddeutscher Kultur und Geschichte in
Deutschland wahrzunehmen. Dank des Einsatzes von Bun-
desbeauftragtem Koschyk und weiteren Parlamentariern
der Koalitionsfraktionen konnte in den Haushaltsberatun-
gen im Herbst 2015 auch Vorsorge für einen Einstieg in
die Bundesförderungen getroffen werden. Der gewachse-
nen Bedeutung der Aussiedler kommt der Bund nunmehr
auch mit drei neu geschaffenen Kulturreferenten-Stellen
nach, jeweils eine für die Deutschen aus Russland, die
Oberschlesier und die Siebenbürger Sachsen.

                                                                                                                       15
1    Kurz notiert

„Russlanddeutsche in Deutschland – Herausforde-               Verständnis für beide Kulturen profitieren. Botschafter
rungen und Ziele“                                             Grinin plädierte daher nachdrücklich für ein verbessertes
                                                              Russisch-Angebot an deutschen Schulen, damit auch
Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltung                 nachgeborene Russlanddeutsche ihre russischen Sprach-
„70 Jahre nach Kriegsende – Russlanddeutsche                  kenntnisse pflegen und weiterentwickeln können.
gestern und heute“
                                                              Der Vorsitzende der Landsmannschaft Waldemar Eisen-
In der Veranstaltung „70 Jahre nach Kriegsende – Russ-        braun stellte in den letzten Jahren eine deutlich positivere
landdeutsche gestern und heute“, die von der Deutschen        Wahrnehmung der Russlanddeutschen in der bundesre-
Gesellschaft e.V. in Kooperation mit der Vertretung des       publikanischen Gesamtöffentlichkeit fest. Deshalb könne
Freistaates Thüringen beim Bund, des Bundesministe-           sich die Landsmannschaft nun, nachdem sie sich nicht
riums des Innern und der Landsmannschaft der Deutschen        mehr länger unbegründeter Vorwürfe zu erwehren habe,
aus Russland organisiert wurde, nahm der Beauftragte der      noch stärker der Vernetzung und der Brückenfunktion zu-
Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Min-       wenden. Eine stabile Brücke benötigte allerdings starke
derheiten, Hartmut Koschyk MdB, nach seinem einleiten-        Pfeiler, die fest in der Erde verankert seien. Für die Aus-
den Grußwort an der Podiumsdiskussion „Russland-              siedlerinnen und Aussiedler sei dieses die Bundesrepublik
deutsche in Deutschland – Herausforderungen und Ziele“        Deutschland.
teil. Mit ihm diskutierten unter der Moderation von Prof.
Dr. Victor Dönninghaus, stellv. Direktor am Institut für      Museumsleiterin Dr. Katharina Neufeld betonte den Wert
Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa in       der historisch-politischen Bildungsarbeit gerade für die
Lüneburg, der Botschafter der Russischen Föderation in        nachgeborenen Aussiedlergenerationen, die nur noch von
Deutschland, Wladimir Grinin, der Bundesvorsitzende der       Erzählungen der Großeltern von den früheren Lebensbe-
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Walde-            dingungen ihrer Vorfahren in der Sowjetunion erfahren.
mar Eisenbraun, sowie die Leiterin des Museums für russ-      Das von ihr geleitete Museum für russlanddeutsche Kul-
landdeutsche Kulturgeschichte Detmold, Dr. Katharina          turgeschichte in Detmold stelle die besondere, gleichzeiti-
Neufeld.                                                      ge Bikulturalität der Russlanddeutschen, die sowohl in der
                                                              deutschen wie auch in der russischen Kultur wurzelten,
Bundesbeauftragter Koschyk bekräftigte zu Beginn der          dar und habe somit ein Alleinstellungsmerkmal in der gan-
Podiumsdiskussion die Politik der Bundesregierung, dass       zen Welt. Neufeld dankte Bundesbeauftragtem Hartmut
es auch künftig die persönliche Entscheidung eines jeden      Koschyk und dessen Parlamentskollegen Heinrich Zertik
einzelnen Russlanddeutschen sein soll, nach Deutschland       für deren Unterstützung für die für den Bundeshaushalt
auszusiedeln oder in seiner Heimat zu verbleiben. In bei-     2016 erstmalig bewilligte Bundesförderung für das Mu-
den Fällen werde die Bundesregierung in Übereinstimmung       seum in Höhe von je 200.000 Euro in den kommenden
mit dem Willen des Bundestages Unterstützung leisten.         Jahren.
Die Integration der Aussiedlerinnen und Aussiedler in ihrer
neuen Heimat sei eine Erfolgsgeschichte. Der Fokus der                             (Pressemitteilung des BMI vom 8.12.2015)
öffentlichen Diskussion verschöbe sich mehr und mehr
von den Fragen der Integration hin zur wachsenden Be-
deutung der Brückenfunktion, welche sowohl die Russland-
deutschen in Deutschland, organisiert in der Landsmann-
schaft und anderen Vereinigungen, als auch die in der Hei-
mat verbliebenen Angehörigen der deutschen Minderhei-
ten in Russland und in den anderen Nachfolgestaaten der
früheren Sowjetunion mit ihren jeweiligen Selbstorganisa-
tionen mittlerweile ausüben.

Auf ausdrückliche Zustimmung Koschyks stieß die Aussa-
ge von Botschafter Wladimir Grinin, dass Integration nicht
Assimilation bedeuten sollte. Unter Verweis auf zahlreiche
Beispiele in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft bezeich-
nete der Botschafter die Integration der Aussiedlerinnen      (v.l.n.r) Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, S.E.
und Aussiedler als insgesamt erfolgreich. Deutsche wie        Botschafter Wladimir Grinin, Landsmannschaftsvorsitzender
russische Unternehmen würden sehr stark von den Russ-         Waldemar Eisenbraun, Museumsleiterin Dr. Katharina
landdeutschen mit ihren Sprachkenntnissen und ihrem           Neufeld, Moderator Prof. Dr. Victor Dönninghaus. Foto: BMI

16
Rundschreiben Nr. 1                                April 2016

Heinrich Zertik trifft russlanddeutschen Junior-               Meiser erklärte, dass ihn sein Weg zum Profiboxer „vor der
Boxweltmeister Jan Meiser im Deutschen Bundestag               schiefen Bahn bewahrt hat“. Mit wolgadeutschen Wurzeln
                                                               wuchs der Profiboxer in Berlin-Hellersdorf auf, wo er als
                                                               10-Jähriger nach dem tragischen Tod seiner Mutter von sei-
                                                               nem großen Bruder erzogen wurde.

                                                               Die schwierige Kindheit prägte Meiser und er drohte auf
                                                               die schiefe Bahn zu geraten. Aus diesem Umfeld holte Olaf
                                                               Pollex, Geschäftsführer der Pollex-Box-Promotion GmbH,
                                                               den talentierten Boxer heraus. Mit einem Managervertrag
                                                               gab er ihm in der Gemeinschaft seines Boxstalls Struktur,
                                                               ein geborgenes und professionelles Umfeld, und nahm ihn
                                                               erst unter Vertrag, nachdem er den Gesellenbrief seiner
                                                               Dachdecker-Ausbildung hatte. Meiser selbst sieht sich als
                                                               Vorbild für Jugendliche und den Boxsport als Alternative
                                                               zur Straße.

                                     Heinrich Zertik MdB
                                                               MdB Zertik und Bundesbeauftragter Koschyk dankten Jan
                                                               Meiser für sein Engagement für die Schüler der Berliner
                                                               Sonnen-Grundschule Neukölln und wünschten dem jun-
Der erste russlanddeutsche Bundestagsabgeordnete,              gen russlanddeutschen Boxer auch weiterhin sportlichen
Heinrich Zertik MdB, hat zusammen mit dem Beauftrag-           Erfolg. Jan Meisers Weg soll Menschen verschiedener Her-
ten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und natio-        kunft Mut machen und Ansporn sein, in Deutschland Fuß
nale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, den russland-          zu fassen.
deutschen Profiboxer Jan Meiser im Deutschen Bundes-
tag getroffen. Meiser kam als Sechsjähriger mit Mutter,               (Pressemitteilung von Heinrich Zertik MdB vom 8.2.2016)
Großmutter und seinem älteren Bruder aus Kasachstan
nach Deutschland.

Der 21 jährige Jan Meiser ist Juniorenweltmeister der WBO
im Mittelgewicht und ehemaliger zweifacher Junior-Welt-
meister IBF und GBC Mittelgewicht, deutscher Meister im
Mittelgewicht und dreimal Berliner Meister (Amateur).
Meiser boxt seit seinem 9. Lebensjahr. Seit 2014 ist er Pro-
fiboxer und hat elf von elf Profikämpfen, davon fünf durch
K.-o.-Siege, gewonnen. Vorher hatte er von 25 Amateur-
kämpfen 23 gewonnen.

Seit einem Jahr engagiert sich der Profiboxer Jan Meiser
für junge Schüler der Neuköllner Sonnen-Grundschule, an        (v.r.n.l.) Treffen im Bundestag. Der Beauftragte der Bundes-
der sich zurzeit zahlreiche Familien der Grundschüler um       regierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten,
Verwandte aus Krisengebieten kümmern, die als Flücht-          Hartmut Koschyk MdB mit Jan Meiser, russlanddeutscher
linge nach Berlin kommen. Unter dem Motto „Integration         Profiboxer, Heinrich Zertik MdB und der Geschäftsführer der
durch Sport“ spricht die Grundschule mit „Showtrainings“       Pollex Box Promotion GmbH, Charlie Podehl. Foto: BMI
die Kinder aller Klassenstufen an und begeistert sie früh-
zeitig für den Sport. Meiser hat auch ein Herz für Kollegen:
Die komplette Börse seines ersten WM-Fights spendete
er für den Krankentransport des Schwergewichtprofis
Dennis Boytsov von Berlin in eine Reha-Klinik in Hamburg.

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1    Kurz notiert

5. Staffel JUMPin.NRW.                                     JUMPin.NRW – 4. Staffel 2015 erfolgreich
Die Bewerbungsfrist ist am 28.3.2016 abgelaufen!           abgeschlossen

                                                           Das Projekt JUMPin.NRW, durchgeführt von der Otto-
                                                           Benecke-Stiftung e.V., bietet ehrenamtlich engagierten
                                                           jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund aus NRW

     JUMPin.NRW
                                                           ein umfangreiches Bildungsprogramm mit diversen The-
                                                           menseminaren, Kontakten zu Politikern und ehrenamtli-
                                                           chen Initiativen sowie eine Studienfahrt nach Berlin und
                                                           Praktika.

JUMPin.NRW bietet den in das Programm aufgenomme-          Ende letzten Jahres empfing der Staatssekretär für Inte-
nen Jugendlichen Seminare, Studienfahrten, Praktika und    gration, Thorsten Klute, die Teilnehmenden der diesjähri-
Begegnungen mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens   gen Staffel im Ministerium für Arbeit, Integration und
und erwartet im Gegenzug ehrenamtliches Engagement.        Soziales des Landes NRW. In einem angeregten Austausch
                                                           schilderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Er-
Das Projekt ermöglicht den Teilnehmenden, ihre über-       fahrungen mit dem Programm: Es hat sie in vielfacher Hin-
fachlichen Fähigkeiten auszubauen, das Demokratiever-      sicht angeregt, ihr ehrenamtliches Engagement zukünftig
ständnis zu schärfen und ihre Netzwerke zu erweitern.      auszubauen. Die Themenseminare, wie z. B. Projektma-
„Reinspringen“ können junge Menschen mit Migrations-       nagement und Bewerbungstraining, empfanden sie als
geschichte zwischen 18 und 28 Jahren, ständigem            sehr wertvolle Unterstützung in ihren verschiedenen Ar-
Wohnsitz in NRW und sozialem und gesellschaftlichem        beitsbereichen. Die Teilnehmenden zeigten sich hocher-
Engagement.                                                freut über die Möglichkeit, im Programm JUMPin.NRW
                                                           mitwirken zu können.

                                                           Staatssekretär Klute dankte den Teilnehmenden für ihr
                                                           Engagement und überreichte ihnen Zertifikate über die
                                                           erfolgreiche Teilnahme an dem einjährigen Projekt. Die
                                                           sehr gut miteinander vernetzte Gruppe hat sich vorge-
                                                           nommen, den Kontakt untereinander aufrechtzuerhalten
                                                           und sich gegenseitig weiter zu unterstützen.

                                                           Das seit 2011 vom Ministerium für Arbeit, Integration und
                                                           Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS) geför-
                                                           derte und von der Otto-Benecke-Stiftung e.V. (OBS)
                                                           durchgeführte Projekt JUMPin.NRW richtet sich an junge
                                                           Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte im Alter
                                                           von 18 bis 28 Jahren, die ihren Lebensmittelpunkt in NRW
Abschlussveranstaltung im MAIS mit Teilnehmenden der       haben und sich gesellschaftlich und politisch interessieren
4. Staffel von JUMPin.NRW                                  und engagieren.

                                                                                      (Dorothee Leufgen, Projektleitung)

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