Epilepsie Offenheit - und vielfältige Behandlungsansätze - Deutsche Epilepsievereinigung
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Nr. 139/140 35. Jahrgang 3/4. Quartal 2016 75540 Epilepsie braucht Offenheit – und vielfältige Behandlungsansätze Epilepsie braucht Offenheit, klar – aber allen Menschen gegenüber? Wenn Medikamente nicht weiterhelfen – gibt es dann zusätzliche Behandlungsmög- lichkeiten? Auf diese und weitere Fragen versuchen wir, in dieser Doppelnummer Antworten zu finden. einfälle, Zillestr. 102, 10585 Berlin, Postvertriebsstück, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, 75540
BEITRITTSERKLÄRUNG Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zur Deutschen Epilepsievereinigung e.V. Name: Vorname: Straße, Nr.: PLZ, Ort: Einrichtung, Firma: Telefon, Fax: Beruf*: Geburtsdatum: E-Mail: Ich erkläre meinen Beitritt als: ordentliches Mitglied Fördermitglied 60,- Euro Jahresbeitrag 250,- Euro Jahresbeitrag (Privatpersonen, Selbstständige) Euro Jahresbeitrag 500,- Euro Jahresbeitrag (gemeinnützige Einrichtungen) (freiwillig gewählter Beitrag, höher als 60,- Euro) 26,- Euro ermäßigter Jahresbeitrag 750,- Euro Jahresbeitrag (Wirtschaftsunternehmen) Epilepsie betrifft mich* selbst als Elternteil beruflich sonstiges Ich zahle per Überweisung/Rechnung Spendenbescheinigung erwünscht per (SEPA-) Lastschrift Vordruck zu Einzugsermächtigung geht Ihnen per Post/Mail zu.) Ehrenamt* Ich interessiere mich für eine ehrenamtliche Tätigkeit in der DE und bitte um Kontaktaufnahme Datum, Unterschrift: *freiwillige Angaben. Im Mitgliedsbeitrag ist der Bezug der Mitgliederzeitschrift ,,einfälle‘‘ enthalten. Fördermitglieder erhalten auf Wunsch bis zu 30 Exemplare. Die DE ist zzt. von der Körperschaftssteuer befreit. Der Mitgliedsbeitrag ist steuerlich absetzbar, auf Wunsch erhalten Sie eine Spendenquittung. Datenschutzrechtliche Hinweise zur Verwendung von Mitgliederdaten (Auszug aus der Vereinssatzung Stand: 03.07.2014) § 5.6 Antrag auf Mitgliedschaft 6.3 Im Rahmen der Mitgliederverwaltung werden von den Mitgliedern folgende Daten erhoben: Name, Vorname, Anschrift, Telefon, Mail, Beruf, Geburtsdatum, Betroffenheit und Ehrenamt. Diese Daten werden im Rahmen der Mitgliederversammlung erhobenen Daten für die Mitglieder des Bundesverbandes in ihrem Bereich übermittelt, wenn das Mitglied dem nicht ausdrücklich widerspricht. 6.4 Die nach § 6 Abs. 4 anerkannten Landesverbände bekommen im Rahmen der Mitgliederverwaltung erhobenen Daten für die Mitglieder des Bundesverbandes in ihrem Bereich übermittelt, wenn das Mitglied dem nicht ausdrücklich wiederspricht. Deutsche Epilepsievereinigung gem. e.V. Telefon + (49)030 342 4414 Spendenkonto: Bundesgeschäftsstelle Telefax + (49)030 342 4466 Deutsche Bank Berlin Zillestraße 102 info@epilepsie-vereinigung.de IBAN DE24 100 700 240 6340029 01 10585 Berlin www.epilepsie-vereinigung.de BIC (Swift) DEUT DE DBBER
editorial ANZEIGE Liebe Leserin, lieber Leser– liebe Freunde und Förderer! zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen/Euch ent- schuldigen, dass einfälle erst jetzt wieder erscheinen. Im letzten Halbjahr war so viel zu tun, dass wir es mit einfälle 139 einfach nicht pünktlich geschafft haben. Das heißt aber nicht, dass das Heft wegfällt: Diesmal erscheinen wir mit einer Doppelnummer und im nächsten Jahr halten wir (hoffentlich) unsere Termine besser ein. Unabhängig davon geht es voran: Unsere Mitgliederzahlen steigen stetig – wir haben vor eini- gen Wochen unser 1.000 Mitglied aufgenommen. Wir haben jetzt eine Imagebroschüre, mit der wir uns vorstellen und zeigen können, wer wir Sie haben eine sind, was wir machen und wofür wir stehen. Der Tag der Epilepsie war ein voller Erfolg: Auf der Zentralveranstaltung in Berlin konnten wir 150 Menschen begrüßen und auch all die anderen Veranstaltungen in Epilepsie? Deutschland waren gut besucht. Sie suchen einen Ausbildungs- platz? Sie möchten Ihre beruf- liche Zukunft sichern? Epilepsie braucht Offenheit: Nach wie vor ein wichtiges Thema. Mehr dazu Nutzen Sie unsere Möglichkeiten, im ersten Schwerpunkt dieser Doppelausgabe. Im zweiten Schwerpunkt um erfolgreich eine Ausbildung beschäftigen wir uns mit der Frage, was getan werden kann, wenn im Berufsbildungswerk Bethel in Medikamente oder Operationen nicht weiterhelfen. Hier haben wir uns den Berufsfeldern auf die Themen Anfallsselbstkontrolle und Ketogene Diäten konzentriert. Agrarwirtschaft (Gartenbau) Dann gibt es im kommenden Jahr ein neues Projekt: Wellenreiten. Mit Ernährung und diesem Kreativ-Workshop möchten wir gezielt junge Erwachsene mit Hauswirtschaft Hotel und Gastronomie Epilepsie ansprechen – mehr darüber im Gespräch mit den Menschen, Metalltechnik die diesen Workshop leiten. Textiltechnik und Bekleidung Wirtschaft und Verwaltung Im vorliegenden Heft finden sich noch viele weitere Informationen, zu de- abzuschließen. nen es durchaus unterschiedliche Meinungen gibt (z.B. zur Forschung an Wenn Sie in Ihrer Berufswahl Menschen, die nicht einwilligungsfähig sind; zum Bundesteilhabegesetz). noch nicht sicher sind, bieten Wir wünschen uns, dass wir diese Dinge weiterhin kontrovers diskutieren wir abklärende oder vorbe- und denjenigen, die anderer Meinung sind, weiterhin zuhören und sie reitende Maßnahmen an, die Ihnen die Entscheidung nicht verunglimpfen – denn nur dann werden wir unsere Ziele erreichen. erleichtern. Ihre Ansprechpartnerin im Wenn ich etwas gelernt habe, dann das: Wenn wir unsere Ziele erreichen Berufsbildungswerk Bethel ist wollen; wenn wir wollen, dass Menschen mit Epilepsie nicht mehr be- Marlies Thiering-Baum. nachteiligt werden; wenn wir wollen, dass Menschen mit Epilepsie die Bethel. Epilepsie verstehen. Unterstützung bekommen, die sie benötigen – dann müssen wir uns in die politische und öffentliche Diskussion einbringen, auch wenn das, um mit Rudi Dutschke zu sprechen, ein langer Weg ist. Nur so und nicht mit Berufsbildungswerk Bethel dumpfen Parolen, können wir etwas erreichen – auch wenn immer mehr An der Rehwiese 57– 63 Menschen in der Welt anderer Meinung zu sein scheinen. 33617 Bielefeld Tel. 0521 144-2856 In diesem Sinne wünsche ich Ihnen/Euch allen ein gesegnetes Fax 0521 144-5113 Weihnachtsfest und viel Mut, Kraft und Lebensfreude im neuen Jahr 2017 marlies.thiering-baum@bethel.de www.bbw-bethel.de In diesem Sinne, Ihr/Euer Norbert van Kampen einfälle 3
inhalt 6 schwerpunkt 1 Epilepsie braucht Offenheit Eine Einführung Epilepsie braucht Offenheit Auch am Arbeitsplatz? 20 Jahre Tag der Epilepsie Jubiläumsveranstaltung in Berlin Charlottenburg Grußworte zum Tag der Epilepsie Berichte über Veranstaltungen zum Tag der Epilepsie 24 Schwerpunkt 2: Epilepsie braucht Selbst-Handeln bei Epilepsie Eigene Kraftquellen finden und anwenden Offenheit Denke positiv und beschäftige Dich mit Dingen, die Dir gut tun Eine pauschale Sorge über eine Wellenreiten Gemeinsam die Herausforderungen des Lebens annehmen überwiegend negative und feh- Ketogene Diät Erfahrungsbericht einer Mutter lerhafte Berichterstattung in den Printmedien über das Thema Epi- Ketogene Diäten Funktionsweise, Risiken und Erfolgsaussichten lepsie lässt sich nicht bestätigen. 37 Wissenswert Bundesteilhabegesetz verabschiedet Das neue Gesetz tritt 2020 in Kraft Brivaracetam beim G-BA durchgefallen Und nun? Forschung an nicht-einwilligungsfähigen Menschen … 45 Menschen und Meinungen Jeder hat das Recht, sich an die Volksvertretung zu wenden 55 aus dem Bundesverband Ketogene Diäten Thema trifft weiter den Nerv Bericht über die Arbeitstagung 2016 Grundsätzlich können die ketoge- Protokoll der 29. Mitgliederversammlung in Mainz nen Diäten als nicht-medikamen- töse Therapie bei allen Epilepsien Veranstaltungen und Seminare des Bundesverbandes 2017 zur Anwendung kommen. 75 aus den Gruppen und Verbänden Die Selbsthilfegruppenzusammenarbeit in Sachsen wächst Informationsaustausch steht im Vordergrund Epilepsie-Selbsthilfeverbände Deutschlands treffen sich erneut Panthertage in Nürnberg Lesung war ein großer Erfolg 79 Magazin 25 Jahre Epilepsiechirurgie in Bethel/Bielefeld Flugzeuge und Ufos auf dem Sommerfest Jeder hat das Recht, 82 Medien sich an die Volksvertre- Nach wie vor ein wichtiges Thema Interview mit dem Regisseur von tung zu wenden „Nebel im August“ „Egal, welches Alter, welche Nationa- Eine Abenteuergeschichte über Epilepsie lität, ob Handicap oder nicht – jeder kann eine Petition schreiben“, sagt Klettermax - dem Trauma zum Trotz MdB Annette Sawade, Mitglied im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. 89 leserbriefe/kalender/termine einfälle 5
schwerpunkt 1 Reichstagskuppel, Foto: Sybille Burmeister Epilepsie braucht Offenheit … … aber keiner sollte sich gezwungen sehen, sich zu „outen“ Epilepsie ist eine immer noch gleichzusetzen, was bei aller Fahr- Allerdings ist die Berichterstat- stigmatisierte Erkrankung, mehr lässigkeit des Betroffenen nicht tung über Unfälle oder Todesereig- als alle anderen Erkrankungen von besonderem Sachverstand nisse im Zusammenhang mit des zentralen Nervensystems zeugt. Epilepsie zum Teil übertrieben. (ZNS). Dies belegen regelmäßige Mögliche begleitende Erkran- Umfragen die zeigen, dass auch Im Gegensatz zu dem erwähnten kungen (Angst, Depression), heute in Deutschland noch ein Artikel lässt sich in der Analyse psychosoziale Konsequenzen der großes Unwissen zu der Erkran- deutschsprachiger Berichte in Zei- Erkrankung und Stigma werden kung erkennbar ist und – schlim- tungen und Fachjournalen festhal- teilweise sehr ausführlich thema- mer noch – sehr viele Vorurteile ten, dass sich eine pauschale Sorge tisiert. Das für Epileptologen ne- bestehen. Das ist in Österreich über eine überwiegend negative gativ besetzte Wort „Epileptiker“ nicht anders. und fehlerhafte Berichterstattung wird auch weiterhin recht häufig der Printmedien über das Thema benutzt, „Menschen mit Epilepsie“ Publikationen in den Printmedien Epilepsie nicht bestätigt. Definiti- oder „Epilepsiepatienten“ wäre zu zeichnen oft ein negatives und on der Epilepsie, Ursachen, Epide- bevorzugen. Ausdrucksweisen wie klischeehaftes Bild von Epilepsie. miologie, Symptomatik und The- „der Fallsüchtige“ oder „der Epi- Der „Todesfahrer von Eppendorf“ rapie werden mehrheitlich neutral leptiker“ sind stigmatisierend und ist ein sehr unerfreuliches Beispiel und differenziert besprochen, reduzieren die Menschen auf ein dafür, selbst der Chefredakteur Grundlagen und wissenschaftliche Symptom. der Zeit fühlte sich aufgefordert, Neuerungen werden meist sach- dazu Stellung zu nehmen und den lich dargestellt. Die Epilepsie ist sicher stärker mit Patienten mit einem Terroristen Vorurteilen besetzt als andere 6 einfälle
schwerpunkt 1 chronische Erkrankungen. Epilep- einzelnen Anfall hinausgeht. Epilepsie Offenheit, wie diese Er- sie ist eben immer noch mehr eine Epilepsie als Thema in der Literatur krankung sie braucht. Last als eine chronische Erkran- hat sehr viele Autoren beschäftigt, kung des zentralen Nervensystems sei es aus persönlicher Betroffen- Drehbuchautor Sascha Arango, (ZNS), die natürlich für Betroffene heit, sei es aus dramaturgischen selbst betroffen, hat mehrfach und Angehörige oft schwer ist. Gründen oder auch aus starkem vor Fachpublikum zu seinen „Epi- Daher muss Epilepsie öffentlich Interesse. In der Literatur hat die lepsiefilm“ (Borowski-Tatort „Der sein und wahrgenommen werden Epilepsie ganz unterschiedliche stille Gast“ von 2012) gesprochen – nicht negativ, sondern objektiv. Funktionen, oft stellen Anfälle und von eigenen Anfällen und Epilepsie zu haben ist kein Spaß, oder die Erkrankung selbst in der eigenen Verweigerung, die aber eben eine Erkrankung; Epi- der Dramaturgie der Geschichte Medikamente zu nehmen, erzählt. lepsie ist kein Stigma, sondern ein Wendepunkte dar oder verändern Er kennt inzwischen die verschie- neurologisches Syndrom. völlig den Ablauf der vom Leser denen Motive von Regisseuren, vermuteten Handlung, wie z.B. Epilepsie im Film zu thematisieren Epilepsie mit ihrer Aufsehen in dem lesenswerten Buch „Was und weiß auch von den unzurei- erregenden Symptomatik be- Liebe ist“ von Ulrich Wölk (DTV- chenden Kenntnissen zu berichten, gleitet die Menschheit seit ihren Verlag, München 2013). Neben die dann im Film Anfallskranke frühesten Anfängen und spielt der Darstellung von Epilepsie in stigmatisieren können. Leider ist sich in hohem Maße im öffent- der Literatur versucht sich der genau dieser Vorwurf auch dem lichen Raum ab. Ihre Geschichte Betroffene auch selbst mit der oben genannten „Tatort“ zu ma- ist daher wesentlich nicht aus- Darstellung des eigenen Schicksals chen. schließlich Medizingeschich- Aufmerksamkeit zu verschaffen, te, sondern Kulturgeschichte. literarisch überzeugend ist das Die Kenntnis der Stellung von Neben medizinischen ist sie in Sarah Bischof gelungen (Panther- Epilepsie im Dritten Reich ist von juristischen, religiösen und lite- tage, Eden-Books 2014). elementarer Bedeutung für die rarischen Texten enthalten mit Einstellung der Menschen in der jeweils eigenen Blickwinkeln, Das Thema Epilepsie im Film wird Öffentlichkeit, auch heute noch. die erst zusammen ein vollstän- schon seit längerer Zeit wissen- Publikationen wie die von Götz Aly diges Bild der Epilepsie als ge- schaftlich untersucht, auch im (Die Belasteten: Euthanasie 1939- sundheitliches und gesellschaft- deutschsprachigen Raum fand 1945. Eine Gesellschaftsgeschich- liches Phänomen ergeben. durch mehrere Autoren frühzeitig te, Frankfurt a.M., Fischer-Verlag eine Auseinandersetzung mit dem 2013.), der eine behinderte Tochter Epilepsie ist schon sehr lange ein Thema Epilepsie im Film statt. mit Down-Syndrom hat, tragen Thema in der bildhaften Kunst, Alte, inzwischen überholte Vor- dazu bei, dass eine breite Öffent- beispielsweise wurden Werke aus stellungen über die Erkrankung lichkeit das Thema wahrnimmt. einem Wettbewerb zum Thema Epilepsie scheinen in bestimmten „Anfall im Bild“ (1996) international Filmgenres länger erhalten zu blei- Warum braucht also Epilepsie anerkannt und verbreitet. Der epi- ben (wie z.B. Aggression während Offenheit – mehr als andere chro- leptische Anfall wurde bereits von eines Anfalls in Horrorfilmen). nische Erkrankungen? Das hat zum alten Meistern aufgegriffen und einen mit den immer noch beste- eindrucksvoll bearbeitet. Aus ei- Das Thema Epilepsie im Spiel- und henden Vorurteilen zu tun: Der nem Vergleich zwischen bildlichen Fernsehfilm ist oft benutzt, um große Anfall im Supermarkt führt, Anfalls-Darstellungen von Künst- Klischees zu bedienen. Die TV-Serie wie selbst erlebt, meist nicht dazu, lern mit und ohne Epilepsie ergibt „In aller Freundschaft“ hat in den dass man selbst hilft, sondern dass sich die Vermutung, dass Künstler letzten zwei Jahren mindestens jemand angerufen wird, der helfen mit Epilepsie in der Darstellung ihr dreimal Epilepsie und Anfälle soll. Häufig fallen Bemerkungen Anfalls-Erleben, ihre Gefühle und dramaturgisch genutzt. Die Serie wie: „Der soll nicht so viel saufen“. Empfindungen zum Ausdruck brin- beschäftigt sich ungewöhnlich Anteilnehmende Hilfe ist oft die gen im Unterschied zu Künstlern professionell mit der Frage der Ausnahme. Ein Anfall in der Öffent- ohne Epilepsie, die eine Botschaft Epilepsiechirurgie und den Chan- lichkeit führt fast immer dazu, dass vermitteln wollen, die über den cen dieser Methode. So bekommt ein Notarzt oder ein Krankentrans- einfälle 7
schwerpunkt 1 All das schränkt das selbstbe- stimmte Leben ein. Und Epilepsie scheint eine Erkrankung zu sein, die hartnäckig mit den immer gleichen Verboten belegt wird wie: kein Flackerlicht, keine Disko, keine Nachtschicht, kein Schlaf- mangel. Diese Verbote sind in dieser Pauschalität in aller Regel falsch. Auch wenn die Printmedi- en sich wie oben erwähnt zuneh- mend um objektive und korrekte Darstellung bemühen und auch Zentralveranstaltung zum TdE 2016 in Berlin, Foto: Reinhard Elbracht Bücher wie Panthertage von Sa- rah Bischof oder Was Liebe ist von Ulrich Wölk sehr eindrucksvoll die Dinge darzustellen in der Lage sind, so bleibt vieles solange im Nebel, bis man selbst Kontakt mit Epilepsie hat. Denn die gute Botschaft ist, dass es eine extrem effektiv und erfolgreich behandel- bare Erkrankung ist, ja sogar die am besten zu behandelnde chro- nische Erkrankung des zentralen Nervensystems. Marion Witt, die ihre Epilepsie in einem Theater- stück auf die Bühne brachte, ist Arbeitstagung der DE 2016 in Mainz, Foto: Andreas Rupprecht genau deshalb so großartig, weil sie sehr authentisch als Betroffe- ne künstlerisch geschaffen hat, was mit reiner Information meist nicht gelingt. Aber noch so gute und informative Bücher, Theaterstücke, Printinfor- mationen und Bilder nützen dann nichts, wenn der Adressat (Arbeit- geber, Behörde, Partner) davon nichts weiß, sich uninformiert oder schlimmer noch uninter- essiert zeigt. Es scheint den US- Amerikanern besser zu gelingen, Arbeitstagung der DE 2016 in Mainz, Foto: Andreas Rupprecht Epilepsien zu akzeptieren und zu integrieren. Möglicherweise wirkt port gerufen wird. Das scheint gut fährt oft unnötige Untersuchungen die Geschichte der „Belasteten“ gemeint, führt aber bei Menschen, und Verbote oder sogar andere (Götz Aly) in der NS-Zeit immer die solche Ereignisse regelmäßig oder neue Medikamente, die oft noch nach. Vielleicht hat sie uns haben, zu Problemen: Man muss nicht sinnvoll sind oder früher langfristig noch viel mehr gescha- ins Krankenhaus, man muss oft schon vergeblich eingenommen det, als uns klar ist. dort eine Nacht bleiben, man er- worden waren. 8 einfälle
schwerpunkt 1 Aber auch der Offenheit sind klare die negativen Erfahrungen mit Weg bis zu einer vorurteilsfreien Grenzen gesetzt: Niemand muss Behörden, wie sie Sarah Bischof in und nicht stigmatisierenden Sicht sich outen zu etwas, was schnell ihrem Buch Panthertage am Bei- auf die Erkrankung, so wie es zu seinem Ungunsten gewertet spiels eines Besuchs im Jobcenter bei der Multiplen Sklerose heute werden kann. Natürlich muss der darstellt, offenbaren, dass viel schon der Fall ist, ist noch weit potenzielle Arbeitgeber nicht von zu tun bleibt, bis Epilepsie eine und steinig. der Epilepsie wissen, wenn der „normale“ chronische Erkrankung Dr. Thomas Mayer / Maria Lippold / Arbeitsplatz keine Fremd- oder Ei- sein kann, eine Erkrankung mit MartinLutz Sächsisches Epilepsiezentrum Radeberg genfährdung im Anfall birgt oder Besonderheiten – aber eben auch Wachauerstr. 30 wenn jemand schon sehr lang- nicht mehr. 01454 Radeberg Tel.: 03528 – 431 1400 fristig anfallsfrei ist. Behörden Fax: 03528 – 431 1850 gegenüber besteht für chronisch Die Zeit, in der es eine „Anstalt für Mail: t.mayer@kleinwachau.de kranke Menschen nicht in jedem Epileptische“ gab, ist vorbei – in Fall eine Offenbarungspflicht. Bethel wie in Lobetal; in Klein- Das gilt für Epilepsiekranke wie wachau, Kork, Alsterdorf und an- Anmerkung der Redaktion: Aus für den rheumakranken oder an derswo. Hilfen für Betroffene und Gründen der besseren Lesbarkeit Diabetes erkrankten Menschen. Angehörige bieten Internet-Seiten wurden die zahlreichen Litera- Zwar kann Offenheit dazu beitra- wie die vom Modellprojekt Epilep- turhinweise im Text entfernt. Der gen, dass Epilepsie immer mehr sie (www.modellprojekt-epilepsie. vollständige Text incl. der Literatur- als eine „normale“ chronische de), öffentliche Veranstaltungen hinweise kann über die Linkliste zu Erkrankung angesehen wird wie z.B. zum Tag der Epilepsie oder einfälle 139/140 heruntergeladen z.B. Multiple Sklerose oder das auch lokale Veranstaltungen in oder über unsere Bundesgeschäfts- Parkinson Syndrom. Aber gerade Schulen und Ämtern. Aber der stelle bezogen werden. Epilepsie braucht Offenheit – Offenheit mit der eigenen Epilepsie Wichtig ist, die eigenen Anfälle beschreiben zu können Ich finde es gut, dass es den Tag Nicht selten habe ich in Gesprä- nur angebe: Ich habe Epilepsie. der Epilepsie gibt und mit plaka- chen mit Betroffenen oder auf Se- Dem Sachbearbeiter – der viel- tiver Werbung, der Verteilung von minaren festgestellt, dass es große leicht keine Ahnung hat – sollte Faltblättern und der Durchführung Schwierigkeiten bereitet, wenn ich zumindest sagen können, von öffentlichen Informationsver- man einem Dritten seine Epilepsie wie häufig meine Anfälle auf- anstaltungen Aufklärung betrie- so beschreiben soll, dass dieser sie treten, ob dies mehrfach täglich, ben wird. versteht. wöchentlich oder monatlich der Fall ist und vor allem, wie diese Ein weiterer Teilaspekt ist für mich Gerade für Unwissende – seien Anfälle aussehen. Bin ich z.B. be- die persönliche Auseinanderset- es ein Freund, eine Freundin, ein wusstlos, falle ich hin oder bin ich zung des Einzelnen mit seiner möglicher Arbeitgeber oder der nur für kurze Augenblicke etwas Epilepsie und ein entsprechend Sachbearbeiter in einer Behörde geistig abwesend. Wichtig in die- offener Umgang damit. Es kann – kann es sehr wichtig und vorteil- sem Zusammenhang ist auch ein nur von Vorteil sein, wenn ich haft sein, wenn sie über die Epilep- Hinweis, ob ich in regelmäßiger selbst lerne, mit meiner Epilepsie sie näher Bescheid wissen. ärztlicher Behandlung bin – beim bewusst umzugehen und diese Haus- oder Facharzt – und ob ich einem anderen möglichst ver- So reicht es nicht aus, wenn ich Medikamente einnehme. Insge- ständlich erklären kann. einen Schwerbehindertenaus- samt gilt, je klarer der Epilepsie- weis beantrage und im Antrag Sachverhalt, desto genauer kann einfälle 9
schwerpunkt 1 Beschreibung kann dann eine angstfreie Atmosphäre entstehen lassen. Zum offenen Umgang mit seiner Epilepsie kann es auch wichtig sein, dem Dritten zu beschreiben, welche Gefühle und welche kör- perliche Verfassung man nach einem Anfall hat, also ob ich Angst habe, ob ich mich völlig schlapp oder leer fühle oder ob ich Kopf- schmerzen oder Muskelschmerzen habe. Dies erleichtert für Dritte ganz erheblich das Verständnis für einen epileptischen Anfall oder auch das Verhalten nach einem die Einstufung als Schwerbehin- Für Schule wie Kindergarten ist Anfall. Fotos: Fotolia derter erfolgen. ebenfalls wichtig und vorteilhaft, wenn die Erzieher genauestens Das Beschreiben eines Anfalles Geht es um ein Arbeitsverhältnis, über das Anfallsgeschehen in- kann man auch erlernen, indem z.B. ein Vorstellungsgespräch, sollte formiert sind und wissen, was man beispielsweise Eltern, einen ich dem möglichen Arbeitgeber im Falle eines Anfalles zu tun ist. Freund oder Begleiter ermuntert, zum einen meine Leistungsstärken Eltern sollten deshalb genau be- eine Anfallssituation genau zu deutlich machen, zum anderen schreiben, wie sich der Anfall im beobachten, ggf. Notizen über Art aber auch mehr über meine Epi- Regelfall bei ihrem Kind abspielt, und Dauer des Anfalles zu machen lepsie sagen und erläutern, damit wie lange dieser dauert, wie es und sich dann darüber miteinan- er Vertrauen gewinnt, keine Angst dem Kind geht und was danach zu der austauscht. entwickelt, mich einstellt, weiter- tun ist (längere Ruhepause, Kind arbeiten lässt oder nicht so schnell nach Hause schicken, ärztliche Hil- Jochen Röder kündigt. Der Arbeitgeber braucht fe holen oder ähnliches). Eine klare Bielefeld Sicherheit und diese kann ich ihm geben, wenn ich mich klar ausdrüc- ken und meine Epilepsiesituation genau schildern und beschreiben kann. Der Arbeitgeber will in erster Linie wissen, ob ich meine Anfälle während der Arbeit bekomme, wie diese dann aussehen, ob gege- benenfalls ein Arzt oder Notarzt herbeigerufen werden muss und schließlich, wie lange ich dann anfallsbedingt als Arbeitskraft ausfallen werde. Positiv kommt auch an, wenn ich den Arbeitgeber beruhigen kann mit dem Hinweis, dass ich unter ärztlicher Kontrolle regelmäßig meine Medikamente nehme (und vielleicht sagen kann, dass sich meine Anfallssituation deutlich gebessert hat). 10 einfälle
schwerpunkt 1 Epilepsie braucht Offenheit Auch am Arbeitsplatz? Viele Menschen sind sich unsicher, erheblich zu einer Ent-Stigmatisie- Anfälle zuverlässig nur während ob sie einem zukünftigen Arbeit- rung der Epilepsien bei. Außerdem des Schlafes auftreten – warum geber gegenüber ihre Epilepsie müssen sie nicht die Angst haben, dann den Arbeitgeber darüber offenbaren sollen, ob sie dies tun dass das Vertrauensverhältnis dem informieren? müssen und wann der geeignete Arbeitgeber gegenüber in irgend- Zeitpunkt dafür gegeben ist. Viele einer Weise beeinträchtigt ist. Darüber hinaus gibt es nach wie Menschen haben Angst davor, vor viele Vorurteile gegenüber dass, wenn sie ihre Krankheit nicht Dem gegenüber steht, dass es sich Menschen mit Epilepsie – auch bei offenbaren und es dann während beim Arbeitsvertrag um einen Ver- potenziellen Arbeitgebern. Wenn der Arbeitszeit zu einem epilepti- trag auf Gegenseitigkeit handelt: also ein Arbeitgeber der Meinung schen Anfall kommt, ihr Arbeits- Der Arbeitnehmer stellt seine Ar- ist, dass bei anfallskranken Men- verhältnis fristlos gekündigt wer- beitskraft für eine gewisse Zeit zur schen bzw. bei Menschen mit den kann. Verfügung und erhält dafür vom einem Schwerbehindertenausweis Arbeitgeber ein Gehalt. Natürlich mit Leistungseinschränkungen Die Argumente derjenigen, die ih- muss der Arbeitgeber alles wis- zu rechnen ist, warum sollte er rem zukünftigen Arbeitgeber ihre sen, was das Arbeitsverhältnis in dann einen solchen Menschen Epilepsie mitteilen möchten, sind irgendeiner Weise beeinträchtigen einstellen? Auch wenn es bei der auf der einen Seite nachvollzieh- könnte – aber nur das und nichts Einstellung eines schwerbehin- bar: Sie müssen nicht in der stän- anderes (keiner würde z.B. auf die derten Menschen teilweise erheb- digen Angst leben, dass sie einen Idee kommen, seinem Arbeitgeber liche Lohnkostenzuschüsse gibt Anfall bekommen und ihre Krank- zu offenbaren, dass er Diabetiker und auch wenn Betriebe ab einer heit dann doch offenbar wird. ist). Beeinträchtigt also die Epilep- Mitarbeiterzahl von 20 Personen Auch können sie den Kolleginnen sie die berufliche Tätigkeit nicht einen bestimmten Prozentsatz und Kollegen gegenüber ganz of- – etwa dann, wenn über Jahre der Arbeitsplätze mit schwerbe- fen sein und tragen zudem noch Anfallsfreiheit besteht oder die hinderten Mitarbeitern besetzen einfälle 11
schwerpunkt 1 bestimmte Tätigkeiten in dem gewünschten Beruf nicht möglich sind, ist sorgfältig zu überlegen, wie und wann dies erfolgt (vgl. dazu die von der Stiftung Michael herausgegebene Schrift Sprechen über Epilepsie, die bei der Stif- tung Michael, Alsstraße 12, 53227 Bonn, www.stiftung-michael.de kostenlos bezogen werden kann). Ein Gespräch mit dem behandeln- den Arzt, dem Berufsberater, der Foto: Fotolia Selbsthilfegruppe oder auch dem Integrationsfachdienst vor dem Vorstellungsgespräch kann hilf- müssen (ansonsten wird eine Aus- weitere Vorgehen für den Fall, dass reich sein. gleichsabgabe „fällig“), sollte dies epilepsiebedingt für bestimmte nicht darüber hinwegtäuschen, Tätigkeiten keine Eignung besteht, Auf keinen Fall gehören Angaben dass Arbeitgeber zu Recht in erster sollte offen mit dem Arzt bespro- zur Epilepsie oder zum Schwerbe- Linie daran interessiert sind, einen chen werden. Unverzichtbar in hindertenausweis in das Bewer- Mitarbeiter einzustellen, der die diesem Zusammenhang ist die bungsschreiben oder in die Bewer- in ihn gestellten Erwartungen voll von der Deutschen Gesetzlichen bungsunterlagen. und ganz erfüllt – und nicht einen Unfallversicherung herausgegebe- Mitarbeiter, der „kostengünstiger“ ne Schrift Berufliche Eignung bei Abschließend noch eine Anmer- ist, weil bei dessen Einstellung Epilepsie und nach erstem epilepti- kung: Viele Menschen mit Epi- Zuschüsse gewährt werden. schen Anfall – DGUV-I-250-001, die lepsie denken, dass es doch gut dazu detaillierte Hinweise enthält. wäre, wenigstens ihren engsten Was also tun? Vielleicht ist es Kollegenkreis zu informieren, da- hilfreich, sich in diesem Zusam- Das Gesagte gilt unabhängig da- mit dieser im Falle eines Anfalls menhang noch einmal die beste- von, ob ein Schwerbehindertenaus- weiß, wie er sich zu verhalten henden rechtlichen Regelungen weis vorliegt oder nicht. Wird dem hat. Dabei wird allerdings über- vor Augen zu halten, nach denen Arbeitgeber bei der Einstellung die sehen, dass bei vielen Menschen chronisch kranke Menschen ihren Schwerbehinderteneigenschaft die Anfälle nur sehr selten am Arbeitgeber nur dann über ihre nicht offenbart, bleiben die Nach- Arbeitsplatz auftreten, dass zum Erkrankung informieren müssen, teilsausgleiche – insbesondere der Zweiten der Kollegenkreis gerade wenn sie wesentliche Teile der besondere Kündigungsschutz – die „kleineren“ Anfälle gar nicht Arbeit aufgrund ihrer Erkrankung dennoch erhalten. Spricht der Ar- mitbekommt und zum Dritten die (in diesem Fall der Epilepsie) nicht beitgeber zu einem späteren Zeit- Möglichkeiten der ersten Hilfe bei ausüben können oder dürfen. Ist punkt (nach Ablauf der Probezeit) einem epileptischen Anfall sehr dies nicht der Fall, hat der Arbeit- eine Kündigung aus, muss dieser begrenzt sind. geber keinen Anspruch auf diese umgehend mit Hinweis auf den Information. Schwerbehindertenausweis wider- Natürlich wäre es schön, wenn am sprochen werden. Gleichzeitig soll- Arbeitsplatz offen über die Epilep- Bestehen Zweifel, ob alle Tätigkei- te das zuständige Integrationsamt sie gesprochen werden könnte, ten am Arbeitsplatz ausgeführt informiert werden. Erfolgt dieser ohne dass es dadurch zu Benachtei- werden können bzw. dürfen, soll- Hinweis nicht, ist die Kündigung ligungen oder ungerechtfertigten ten diese mit dem zuständigen trotz Vorliegens der Schwerbehin- Einschränkungen kommt – aber Betriebsarzt besprochen werden, derteneigenschaft rechtsgültig. sind wir wirklich schon so weit? der wie alle Ärzte der ärztlichen Norbert van Kampen Epilepsie-Zentrum Berlin Brandenburg Schweigepflicht unterliegt – auch Muss der Arbeitgeber über die n.kampen@keh-berlin.de gegenüber dem Arbeitgeber. Das Epilepsie informiert werden, weil www.ezbb.de 12 einfälle
schwerpunkt 1 20 Jahre Tag der Epilepsie – Ein Blick zurück Interview mit Helga Renneberg pe mit Vertretern der Selbsthilfe, der 5. Oktober 1996 für den Tag der dem damaligen Vorsitzenden der Epilepsie in Heidelberg festgelegt Deutschen Sektion der Internatio- und zwar in Verbindung mit der nalen Liga gegen Epilepsie, Prof. Dr. ersten gemeinsamen Jahrestagung med. Dietz Rating aus Heidelberg, der Deutschen Sektion der Internati- der Stiftung Michael, dem damali- onalen Liga gegen Epilepsie und der gen Informationszentrum Epilepsie, Deutschen Epilepsievereinigung. der die Epilepsie betreffenden pharmazeutischen Industrie und einfälle: Ich habe mal gehört, dass anderen gegründet, die sich über- das die Mediziner ganz schön ver- wiegend zur Vorbereitung der Ak- blüfft hat, dass auf einmal so viele tion in Göttingen getroffen hat. Patienten da waren … Helge Renneberg, Foto: Johannes Albert Lehmann einfälle: Wie liefen die Vorbereitun- Renneberg (lacht): Stimmt, man- gen ab? che schon. Es war ja die erste Aktion von Ärzten und Patienten Helga Renneberg ist ein Urgestein Renneberg: Wir haben erst einmal zusammen, das gab es bis dahin der Deutschen Epilepsieselbsthilfe. überlegt, wie wir die Sache am noch nicht. Aber wir kannten zu Sie lebt in Göttingen, hat sich aber besten angehen können. Nach diesem Zeitpunkt schon viele Ärz- weitestgehend aus der aktiven Gesprächen mit Institutionen, die te und hatten ein gutes Verhältnis Selbsthilfearbeit zurückgezogen. solche Kampagnen regelmäßig aufgebaut. Wir haben in Nieder- Helga Renneberg ist die „Mutter“ durchführen, war uns klar, dass wir sachsen und bundesweit seit des Tags der Epilepsie, der am 5. diese Gelder nie aufbringen kön- 1984 viele Wochenend-Seminare Oktober 1996 zum ersten Mal be- nen. Wir haben in etlichen Jahren organisiert und hatten dabei viele gangen wurde. durch intensive Zusammenarbeit Ärzte als Referenten. nicht ausgegeben, was eine einzige einfälle: Frau Renneberg, wie kam Profi-Kampagne gekostet hätte. einfälle: Was haben Sie konkret es zum ersten Tag der Epilepsie? Im Laufe der Vorbereitung wurde gemacht? Renneberg: Nachdem die Epilepsi- en in meiner Familie nach etlichen schlimmen Jahren unter Kontrolle waren, musste etwas passieren, um mehr Aufmerksamkeit für die- ses Krankheitsbild zu bekommen. Es wurde die Idee vom Tag der Epilepsie geboren. Die bundes- weite Epilepsie-Selbsthilfe konnte für diese Idee gewonnen werden, anschließend auch die damalige Deutsche Sektion der Internatio- nalen Liga gegen Epilepsie (heute: Deutsche Gesellschaft für Epilepto- Zentralveranstaltung zum Tag der Epilepsie 2009 in Hannover logie). Es wurde eine Arbeitsgrup- (von links: Klaus Göcke, Helga Renneberg, Norbert van Kampen) einfälle 13
schwerpunkt 1 von Frau Süssmuth unterstützt, unter anderem auch beim Thema Epilepsie im höheren Lebensal- ter. Dieses Thema war Ende der 1990‘er Jahre gerade erst in das Bewusstsein aller Beteiligten ge- rückt. einfälle: Was hat sich aus Ihrer Sicht in den vergangenen zwei Jahrzehnten getan? Renneberg: Die vielen bundeswei- Zentralveranstaltung zum Tag der Epilepsie 2016 in Berlin (li.: Stefan Conrad, re.: Helga Renneberg, ten Aktionen von Epilepsie-Selbst- Foto: Johannes Albert Lehmann hilfegruppen, Epilepsie-Ambulan- zen, Epilepsie-Beratungsstellen Renneberg: Wir haben bei mir Renneberg: Die Themen wurden und anderen haben das Interesse das Büro für die Aktion Tag der jeweils von der Arbeitsgruppe an der Epilepsie in der Öffentlich- Epilepsie eingerichtet. Von hier festgelegt. In Heidelberg wurde keit wachsen lassen. Wenn ich aus wurden sämtliche Arbeiten – ein Film des Instituts für den wis- mir das Motto für die diesjährige vom bundesweiten Postversand senschaftlichen Film zur Ersten Aktion anschaue, dann sehe ich, bis zur Pressearbeit – für die Hilfe vorgestellt. Daher wurde dass noch viel gearbeitet werden Aktion koordiniert und durch- Epilepsie und Erste Hilfe das muss. Wir haben viel erreicht, aber geführt. Ohne Unterstützung Thema des zweiten Tages der es reicht wohl noch nicht, wenn meiner Familie, der Göttinger Epilepsie. Im Rahmen der Aktion immer noch Offenheit gefordert Epilepsie-Selbsthilfegruppe und wurde dieser Film zum Beispiel werden muss. meiner Nachbarn wäre vieles von vielen Kreisbildstellen für nicht möglich gewesen. Bis zur die Schulen beschafft. Viele Ret- einfälle: Was wünschen Sie der Übernahme des Tages der Epilep- tungsorganisationen beschafften Epilepsie-Selbsthilfe? sie durch die Deutsche Epilepsie- ihn sich ebenfalls. Da es uns allen vereinigung habe ich in Zusam- sehr wichtig war, wurde für den Renneberg: Ich wünsche uns, dass menarbeit mit der Arbeitsgruppe dritten Tag das Thema Epilepsie wir alle die Kraft haben, weiter- die Organisation von Göttingen und Schule festgelegt. Im Rah- zumachen. Neben allen anderen aus koordiniert. men dieser Aktion fand unter Aktivitäten muss der Tag der Epi- anderem ein Gespräch in der lepsie weiter helfen, Menschen einfälle: Wie ging es dann weiter? Kultusministerkonferenz der Län- mit Epilepsie ihre Situation zu er- der zur Situation unserer Kinder leichtern. Wir brauchen aber auch Renneberg: Der erste Tag der statt. Der Deutsche Sportbund Menschen, die sich entschließen, Epilepsie hatte eine so große hat die Aktion Epilepsie und Sport mitzuarbeiten. Und ich wünsche Resonanz, dass wir einfach wei- unterstützt. mir, dass es immer einen Vorstand termachen mussten. Wir mussten in der Deutschen Epilepsievereini- die Gunst der Stunde nutzen, einfälle: Da hat bestimmt geholfen, gung gibt, der weitermacht und zumal auch die Weltgesundheits- dass die damalige Gesundheitsmi- weiterkämpft. organisation 1997 die Kampagne nisterin Rita Süssmuth Schirmher- „Epilepsy – out of the shadow“ (auf rin des Tages der Epilepsie war. einfälle: Wir bedanken uns für das Deutsch: Raus aus dem Schatten) Gespräch und wünschen Ihnen, gestartet hat. Renneberg: Allein der Hinweis Frau Renneberg, für die Zukunft auf die Schirmherrschaft auf dem alles Gute. einfälle: Was waren die nächsten Kopfbogen des Tages der Epilep- Themen? sie hat uns viele Türen geöffnet. Das Gespräch wurde geführt und Wir wurden in vielerlei Hinsicht aufgezeichnet von Sybille Burmeister. 14 einfälle
schwerpunkt 1 Foto: Johannes Albert Lehmann Foto: Johannes Albert Lehmann 20 Jahre Tag der Epilepsie Jubiläumsveranstaltung fand im Rathaus Charlottenburg in Berlin statt Der Austausch stand im Vorder- Naumann, hatte uns den Festsaal grund bei der Zentralveranstal- seines Rathauses zur Verfügung tung zum Tag der Epilepsie 2016 gestellt. Er bestärkte uns in unse- am 05. Oktober in Berlin. Damit rer Lobbyarbeit gegen die immer wurde zugleich das 20. Jubiläum noch vorhandene Stigmatisierung dieses bundesweiten Aktionstages anfallskranker Menschen und Rathaus Charlottenburg, Foto: Johannes Albert Lehmann gefeiert. verwies auf das Stigma, das der Homosexualität lange Zeit ange- Unter dem Motto Epilepsie braucht haftet hat. Beide Politiker berichte- Offenheit begrüßten unser Vorsit- ten, dass sie in ihrer eigenen Um- zender Stefan Conrad und Tanja gebung mit Epilepsie konfrontiert Salzmann vom Landesverband seien. Barley sagte, es sei ihr eine Epilepsie Berlin-Brandenburg die Ehre, die Schirmherrschaft über- etwa 150 Teilnehmenden an der nommen zu haben. Gerade in dem Veranstaltung. Schirmherrin des derzeitigen gesellschaftlichen Tages war Dr. Katarina Barley (SPD- Klima müssten Berührungsängste Generalsekretärin und Mitglied aller Gruppen untereinander ab- des Bundestags). Sie stand Rede gebaut werden und Vielfalt einen und Antwort und zeigte sich offen größeren Raum bekommen. Das für die Anliegen der Anwesenden: Motto des Tags der Epilepsie sei Grußwort des Bezirksbürgermeisters von Berlin-Charlottenburg, Reinhard Naumann, „Ihr Motto steht gegen die Aus- ein Zeichen für mehr Solidarität Foto: Reinhard Elbracht grenzungsgefahr, die in der Gesell- und gegen die Ausgrenzung. schaft immer mehr zunimmt.“ Epilepsievereinigung, „Mutter“ des Norbert van Kampen hielt eine Tags der Epilepsie und jahrelang Der Bezirksbürgermeister von Laudatio auf Helga Renneberg – eine der wichtigsten Aktivistin- Berlin-Charlottenburg, Reinhard Mitbegründerin der Deutschen nen der Epilepsie-Selbsthilfe. Er einfälle 15
schwerpunkt 1 lobte ihren Einsatz für eine grö- leptologie hielten Grußworte und von Sybille Burmeister vorgetra- ßere Präsenz der Epilepsie in der erinnerten an die Anfänge. Für gen, weil der Minister kurzfristig Öffentlichkeit. Neben Renneberg Bühler ist es noch ein „weiter und seine Teilnahme absagen musste. nahmen weitere Organisatoren steiniger Weg“, bis das Klima für der ersten Stunde an der Zentral- einen wirklich offenen und vorbe- Die Epileptologen Dr. med. Frank veranstaltung teil. Dr. Heinz Bühler haltlosen Umgang mit Epilepsie Bösebeck (Rotenburg/Wümme), von der Stiftung Michael und Prof. reif ist. Das Grußwort von Gesund- Prof. Dr. med. Martin Holtkamp Dr. med. Dietz Rating als Vertreter heitsminister Hermann Gröhe (vgl. (Berlin), Dr. med. Axel Panzer (Ber- der Deutschen Gesellschaft für Epi- dazu den folgenden Artikel) wurde lin) und Prof. Dr. med. Bernhard Steinhoff (Kork) diskutierten – moderiert von Gabriele Juvan – in einer ersten Runde über die medizinische Entwicklung und den gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit der Erkrankung. Wäh- rend Eltern sich vor 20 Jahren noch schämten und das Wort Epilepsie vermieden wurde, so seien sie heute erleichtert, wenn die Diag- nose klar benannt wird. Jugendli- che gingen heute mit der Krank- Diskussion im Publikum, von links: Dr. Katarina Barley, Reinhard Naumann, Anne Söhnel, Sudabah Pollok, Sybille heit ganz anders um als früher Burmeister, Norbert van Kampen, Foto: Reinhard Elbracht und das Internet habe einerseits die Informationsmöglichkeiten er- leichtert, andererseits stünde dort als „ungeschütztes Medium“ auch viel Unfug über Epilepsie geschrie- ben – so Dr. Panzer. Leider vergehe oft viel Zeit, bis die Patienten in ein Epilepsiezentrum überwiesen wer- den, um die Diagnose und richtige Therapie zu erhalten. Differenzier- te Unterstützung sei notwendig – merkte Prof. Holtkamp an. In einer zweiten, ebenfalls von Ga- von links: Dr. Katarina Barley, Prof. Dr. Martin Holtkamp, Stefan Conrad, Tanja Salzmann, Foto: Reinhard Elbracht briele Juvan moderierten Runde, sprachen Michael Danielowski, Dr. Katrin Löhken, Sudabah Pollok und Marita Wuschke sowie Edith Pan- chyrs-Bardorf von der Lebenshilfe Berlin vor allem über das Thema Offenheit in der Arbeitswelt und im privaten Umfeld: „Ich entschei- de, wem ich mich öffne!“ „Offen- heit fängt zu Hause an.“ In beiden Runden gab es nicht nur ein Podiumsgespräch, sondern auch eine rege Diskussion mit dem Pu- blikum. Dabei wurde klar, dass es Grußwort der Generalsekretärin der SPD, Dr. Katarina Barley, Foto: Reinhard Elbracht viele unterschiedliche Meinungen 16 einfälle
schwerpunkt 1 dazu gibt, ob eine Epilepsie bei der Bewerbung oder im Vorstellungs- gespräch erwähnt werden sollte oder nicht; die einschlägigen Rege- lungen dagegen, die von Norbert van Kampen zusammenfassend dargestellt wurden, schienen nur wenigen bekannt zu sein. Löhken sprach sich für mehr Zeit beispiels- weise in sogenannten Assessment Centern für Bewerber aus. Erste Gesprächsrunde mit Ärzten, von links: Gabriele Juvan, Dr. med. Frank Bösebeck, Prof. Dr. med. Bernard Steinhoff, Dr. med. Axel Panzer, Prof. Dr. med. Martin Holtkamp, Foto: Reinhard Elbracht Nachdenkliches und Kritisches von Arnulf Rating, Foto: Reinhard Elbracht Martin Fromme mit seinem Programm „Lieber Arm ab als arm dran“, Foto: Reinhard Elbracht Umrahmt wurde die Veranstaltung vom inklusiven (Martin Fromme) und politischen Kabarett (Arnulf Rating). Martin Fromme machte mit seinem Leitspruch „Lieber Arm ab als arm dran“ deutlich, dass es wichtig ist, auch einmal über sei- ne eigene Behinderung und den gesellschaftlichen Umgang damit zu lachen. Er zeigte auch kuriose Bilder von Behindertentoiletten und Rollstuhlrampen und plädierte von links: Stefan Conrad, Arnulf Rating, Prof. Dr. Dietz Rating für Wolfgang Schäuble als Bundes- kanzler – er könnte nicht zurücktre- ten. Auch seine Witze über Epilepsie dem Fernsehen bekannt – war che Absurditäten in Politik und als Gegenstück zum Pfannkuchen auch schon beim ersten Tag der Berichterstattung aufmerksam. Er sorgten für Lacher: „Der eine ist mit Epilepsie 1996 in Heidelberg da- lobte die Zeitung als „abhörsiche- Zimt und Zucker, der andere liegt im bei. Er bezog deutlich Stellung res Medium“ und sprach sich für Zimmer und zuckt“. gegen diejenigen, die derzeit mit einen IQ- und Promilletest vor der dumpfen Parolen gegen eine Wahlkabine aus. Arnulf Rating – verwandt mit weltoffene, tolerante Gesellschaft Prof. Dietz Rating und vielen aus wettern und machte auf so man- Sybille Burmeister einfälle 17
schwerpunkt 1 Grußwort des Bundesministers für Gesundheit – Hermann Gröhe Unser Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, der seine Teilnahme an der Zentralveranstaltung avisiert hatte, musste aus terminlichen Gründen leider kurzfristig absagen. Er hat uns jedoch ein Grußwort zukommen lassen, das von Sybille Burmeister verlesen wurde und das wir im Folgenden wiedergeben. Menschen mit zahlreichen Fragen zeigen uns aber auch, ob die Hilfe verbunden ist: Kann ich weiterhin ankommt – und zwar nicht nur meinem Beruf nachgehen? Darf ich medizinisch und technisch, son- wieder Autofahren? Habe ich die dern vor allem menschlich. Das Epilepsie an meine Kinder vererbt? macht die Selbsthilfe für uns und die ganze Gesellschaft so überaus Für Menschen mit Epilepsie ist wertvoll. Ich möchte Sie, die Sie als Aufklärung und Information über „Deutsche Epilepsievereinigung“ das Krankheitsbild daher eine aktiv sind, ausdrücklich ermun- ganz wichtige Hilfe, den Alltag tern, sich im besten Sinne weiter zu bewältigen. Einen Ansatz, den einzumischen und uns damit auch die „Deutsche Epilepsieverei- aufzuzeigen, wo Verbesserungen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, nigung“ verfolgt. Wissen, das die in der Versorgung möglich sind. Foto: BMG/Jochen Zick ehrenamtlich tätigen Mitglieder Für dieses Engagement möchte ich Ihnen herzlich danken und Sie Grußwort weiter darin bestärken. Mit bundesweit etwa 500.000 „Wissen vermitteln“ – das ist auch Betroffenen gehört Epilepsie zu das Ziel des vom Bundesverband den häufigsten Erkrankungen des veranstalteten Tages der Epilep- zentralen Nervensystems. Die als sie, der mit dem 5. Oktober einen „Gewitter im Kopf“ umschriebe- durch ihre persönliche Krankheits- festen Platz im Kalender gefunden nen Anfälle reichen von kurzen geschichte sammeln konnten, hat. Wie in den vergangenen zwei Bewusstseinspausen, die von Au- geben sie an Betroffene und ihre Jahrzehnten verspricht das Pro- ßenstehenden oftmals gar nicht Angehörigen weiter. Ihr ehren- gramm auch in diesem Jahr neben wahrgenommen werden, bis hin amtlicher Einsatz umfasst zudem informativen Vorträgen und Podi- zu großen Krampfanfällen. die Interessenvertretung der Mit- umsdiskussionen, auch die Mög- glieder gegenüber Krankenkassen, lichkeit zum Erfahrungsaustausch Die gute Nachricht ist: Eine Epilepsie Ärztinnen und Ärzten sowie Ent- unter Gleichgesinnten. kann man behandeln und in vielen scheidungsträgern zum Beispiel Fällen einen Zustand der Anfalls- aus der Politik. Ich wünsche Ihnen, den Teilneh- freiheit erreichen. Wer jedoch selbst merinnen und Teilnehmern, eine einmal einen Anfall erlitten hat, Kurzum: Dank ihres Einsatzes erfah- erfolgreiche Veranstaltung in Ber- weiß auch um die seelischen Belas- ren Menschen mit Epilepsie, dass lin mit vielen guten Gesprächen tungen, die das Krankheitsbild mit sie mit ihrer Erkrankung nicht allein und Begegnungen. sich bringt. Zu dem Gefühl, einer sind. Damit leistet die „Deutsche Epi- Epilepsie mehr oder weniger macht- lepsievereinigung“ einen entschei- los ausgeliefert zu sein, kommt denden Beitrag zur Verbesserung der die Unsicherheit, wann oder ob Lebensqualität der Betroffenen. überhaupt wieder ein „Gewitter im Hermann Gröhe Kopf“ ausbricht. Hinzu kommt, dass Die persönlichen Erfahrungen Bundesminister die Diagnose für die betroffenen der Mitglieder und Unterstützer Mitglied des Deutschen Bundestages 18 einfälle
schwerpunkt 1 Ehre den vergessenen Opfern Führung zum Gedenkort der „Aktion T 4“ am Vortag des Tags der Epilepsie Fotos: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Bärbel Teßner (rechts oben) Jörg Haberland führte uns durch „T 4“ steht für die Dienststelle die halbe Berliner Innenstadt – in der Berliner Tiergartenstraße und öffnete vielen von uns die 4, von der von 1939 bis 1941 die Augen für die Schicksale von Grup- systematische Ermordung von pen, die im Nationalsozialismus mehr als 70.000 Menschen mit es zu den jeweiligen Gedenkfor- verfolgt worden sind. Diese Ver- geistigen und körperlichen Behin- men gekommen ist. Bei „T 4“ ist anstaltung am 04. Oktober 2016 derungen organisiert wurde. Die das Besondere, dass an diesem hatte Klaus Göcke organisiert, extra dafür gegründeten Behör- Ort die systematische Vernichtung von 1991 - 2005 Vorsitzender der den organisierten den Transport tatsächlich organisiert worden ist, Deutschen Epilepsievereinigung und die Tötung von angeblich die Adresse habe eine besondere (DE). Haberland ist museumspäda- unheilbar Kranken in zentralen „Authentizität“, sagte er. Bevor die- gogischer Mitarbeiter der Stiftung Anstalten. Dieser Gedenkort ist ser Gedenkort eingerichtet wurde, Denkmal für die verfolgten und ganz besonders gestaltet: Er gab es jahrelange Diskussionen. ermordeten Juden Europas. besteht aus einer blauen Glas- Schließlich sei es aber gelungen, scheibe und einer umfangreichen dass diese marginalisierte Opfer- Nach dem Start am Reichstagsge- Mediathek, die die Biografien von gruppe sozusagen angekommen bäude war das Mahnmal für die Opfern und Tätern, das Tötungs- ist im Bewusstsein von Politik und verfolgten Reichstagsmitglieder system und die Folgen aufzeigt. Öffentlichkeit. das erste Ziel. Zum Abschluss ge- Dargestellt ist dies in verschie- dachten Mitglieder der DE der Op- denen Sprachen, unter anderem Zuvor hatte die DE auf dem Platz fer der Euthanasie – unter ihnen auch in Braille-Schrift und in so- vor dem Reichstagsgebäude bei auch Menschen mit Epilepsie – genannter Leichter Sprache. Die einer Demonstration mit roten während der Zeit des Nationalsozi- wendet sich in einfachen Worten Regenschirmen unter dem Motto alismus (1933 bis 1945) und legten und kurzen Sätzen an Menschen „Epilepsie? Lasst uns nicht im Re- am Gedenk- und Informationsort mit Verständigungsschwierigkei- gen stehen!“ auf das Krankheits- für die Opfer der nationalsozialis- ten. In der Scheibe spiegelt sich bild aufmerksam gemacht und tischen Euthanasie-Morde (Aktion der Betrachter zwangsläufig. Die auf das derzeitige Problem in der T 4) einen Kranz nieder. Die Route Teilnehmer an dieser besonderen Medikamentenversorgung durch führte über das Holocaust-Denk- Stadtführung legten einen Kranz die Folgen des Arzneimittelmarkt- mal mit den Steinstelen durch am Gedenkort nieder. Dort be- neuordnungsgesetzes (AMNOG) den Tiergarten zum Mahnmal für findet sich im Boden eingelassen hingewiesen. die ermordeten Sinti und Roma eine Metalltafel, die „Ehre den sowie zu einem Kubus, der an die vergessenen Opfern“ entbietet. Weitere Informationen zum Ge- Ächtung und Verfolgung homose- denkort T 4 finden sich im Internet xueller Menschen im Dritten Reich Haberland erinnerte an jedem unter www.gedenkort-t4.eu. erinnert. Denkmal mit vielen Bildern und eindringlichen Worten daran, wie Sybille Burmeister einfälle 19
schwerpunkt 1 Grußwort der Schirmherrin des Tages der Epilepsie 2016 Die Generalsekretärin der SPD, MdB Dr. Katarina Barley, hat die Schirmherrschaft für den diesjährigen Tag der Epilep- sie übernommen und uns auf der Zentralveranstaltung mit einem Grußwort begrüßt. Anschließend stand Frau Bar- ley für eine Diskussion zur Verfügung. Wir veröffentlichen im Folgenden einen kurzen Auszug aus ihrem Grußwort. Grußwort (Auszug) Die Deutsche Epilepsievereinigung hat in den vergangenen 20 Jah- Wir brauchen mehr Aufklärung in ren viel dazu beigetragen, mehr unserer Gesellschaft. Nur daraus Wissen und Verständnis über die kann dann auch Akzeptanz wach- Krankheit Epilepsie, das Leiden der sen. Dazu leistet der Bundesver- Betroffenen und die Bedeutung band der Deutschen Epilepsiever- für unsere Gesellschaft in die einigung gemeinsam mit den Lan- Öffentlichkeit zu tragen. Es gibt desverbänden und Gruppen vor Ort sicher noch eine Menge zu tun. in unseren Gemeinden und Kom- Ihre Arbeit wird angesichts der munen wichtige Arbeit. Epilepsie Alterung in der Bevölkerung wich- darf kein heimliches Leiden bleiben, tiger werden. das man lieber versteckt, weil man Katarina Barley (MdB), Foto: Büro Katarina Barley Nachteile befürchtet. Offenheit, In- Herzlichen Dank formation und Verständnis sind der Schlüssel zu einem gleichberechtig- Dr. Katarina Barley (MdB) ten Umgang aller mit Epilepsie. Generalsekretärin der SPD Tag der Epilepsie in Trier Veranstaltung im Klinikum Mutterhaus Am 21.10.16 fand in Kooperation Südwest durch die Leiterin des mit dem Klinikum Mutterhaus der Filialbetriebs Südwest, Anja Ass- Borromäerinnen die Vortragsver- mann, überreicht, den Stefan Con- anstaltung zum Tag der Epilepsie rad entgegennahm. Anja Assmann der Epilepsie Selbsthilfegruppe hob hervor, dass die Trierer Selbst- Trier SAAT e.V. statt. hilfegruppe eine wertvolle Arbeit leiste, die sie gerne unterstützen. Nach der Begrüßung durch den Sie dankte auch allen Sparda Bank- Vorsitzenden Stefan Conrad Kunden, die Gewinnsparlose kau- sprach der Schirmherr der Ver- fen und damit das soziale Enga- anstaltung, der Trierer Oberbür- gement der Sparda Bank Südwest germeister Wolfram Leibe, ein möglich machen. von links: Oberbürgermeister Wolfram Leibe, Grußwort. Dabei ging er auf die Stefan Conrad (Vorsitzender SAAT e.V.), Anja Assmann (Sparda Bank), Rainer Hewener Wichtigkeit der Arbeit der Trie- (2. Vorsitzender SAAT e.V.), Foto: Stefan Conrad Als Referenten waren Prof. Dr. med. rer Selbsthilfegruppe ein und Dietz Rating (Heidelberg) und Pau- versprach, die Selbsthilfegruppe Im Anschluss wurde der Selbsthil- line Lux (Sozialdienst Epilepsiezen- auch weiterhin bei ihrer Arbeit zu fegruppe ein Scheck in Höhe von trum Kork) zu Gast. Sie referierten unterstützen. 3.000 Euro von der Sparda Bank über die Themen: „20 Jahre Tag der 20 einfälle
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