Augustana-Journal - Augustana-Hochschule
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Augustana-Journal Theologische Hochschule der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Informationen aus Hochschule und Stiftung 2016/17 2 »Reflecting Reformation« – Die International Summer School 2016 Systematische Theologie und Ästhetik Argumentieren gegen rechts
Inhalt 3 Grußwort des Rektors Forschung und Lehre 4 Janning Hoenen: Neuer Alttestamentler und neuer Rektor – Ein Interview mit Prof. Dr. Michael Pietsch 7 Friedemann Barniske: Systematische Theologie und Ästhetik 11 Heike Walz: Rund um die Welt und nach Neuendettelsau – Die Professorin für Interkulturelle Theologie stellt sich vor 16 Armin Stephan: Neue Publikationen 2015/16 Besondere wissenschaftliche Veranstaltungen 20 Verena Grüter: Leben in der Minderheit – Christen als Nachbarn von Hindus und Muslimen. Ökumenische Begegnungsreise nach Indien vom 27. Februar bis zum 11. März 2016 25 Axel Töllner: Eröffnung des Instituts für christlich-jüdische Studien und Beziehungen 28 Janning Hoenen: Der Hai über unseren Köpfen und die Hoffnung auf eine bessere Welt. Ein praktisch-theologisches Seminar zum Thema »Theater und Gottesdienst« Internationales 31 Markus Mülke: »An der Augustana steht mir die Welt offen ...« – Eine Übersicht zum internationalen Studierendenaustausch 37 Janning Hoenen / Markus Mülke: »Reflecting Reformation« – Ein Bericht von der International Summer School 2016 41 Aline und Leandro Jochem: Zu Gast aus Brasilien 43 Christiane Kalbreier: Mein Jahr in Norwegen Weiterentwicklung der Hochschule 46 Armin Stephan: »Wer A sagt ...« – Der Baugeschichte zweiter Teil 50 Elisabeth Helmreich: PRIMUSS – Die Hochschule geht online 52 Daniel Haardt: PRIMUSS auf dem Prüfstand – die Sicht der Studierenden 54 Daniel Haardt: Silberne oder tönerne Abendmahlsgeräte? – Impressum: Studentische Rückschau auf eine schwierige Entscheidungsfindung 56 Klaus Raschzok: Neue Abendmahlsgeräte für die Kapelle der Augustana-Hochschule Augustana-Journal Informationen aus Hochschule und Stiftung 60 Ines Allmann: Zwischen Nürnberg und Neuendettelsau – Ein Interview mit dem neuen Hochschulkantor KMD Andreas Schmidt Herausgeber augustana-Hochschule 62 Andreas Schmidt: Eine neue Orgel für die Kapelle der Augustana-Hochschule Waldstraße 11, 91564 Neuendettelsau Tel. 09874 / 509 – 0 E-Mail: information@augustana.de Aus dem Leben einer Campushochschule Website: www.augustana.de Bankverbindung: 64 Julia Vosswinkel: Argumentieren gegen rechts Sparkasse Neuendettelsau 66 Anika Beeck: Und wieder ein Nordlicht in Mittelfranken ... IBAN: DE02 7655 0000 0760 7004 50 BIC: BYLADEM1ANS 68 Hanna Lechler: Mission: Weite Welt. Eindrücke vom Augustana-Ball 2015 70 David Rothmund: »Der Diener zweier Herren« im Theater der Studierenden Redaktion Akad. Dir. Jörg Dittmer (verantwortlich) und Team: stud. theol. Daniel Haardt Stiftung – Ehemalige – Alumni/ae-Arbeit Studierendenpfarrer Janning Hoenen stud. theol. Annika Kringel Prof. Dr. Gury Schneider-Ludorff 72 Stefan Seiler: Wer sind und was machen eigentlich die »Freundinnen und stud. theol. Susanne Weißenstein Freunde der Augustana-Hochschule«? Korrektur: Andrea Töcker Fotos: Augustana-Bildarchiv 74 Richard Riess: Perspektiven der Akzeptanz Auflage: 2.500 Exemplare 77 Helmut Utzschneider: Ein Semester in Chicago Redaktionsschluss: 15. September 2016 Satz Im Laufe des Jahres Susanne Böhm, Regensburg susanneboehm@web.de 81 Janning Hoenen: Rückblick auf weitere wichtige Ereignisse 2015/16 Druck 88 Janning Hoenen: Personalia Onlineprinters GmbH 91413 Neustadt a. d. Aisch 90 Ankündigungen und Termine www.diedruckerei.de 91 Zum guten Schluss: Alle in Luther Papier: Bilderdruckpapier, FSC-zertifiziert, holzfrei
Liebe Leserinnen und Leser, das Augustana-Journal hat seine Feuerprobe Walz den Lehrstuhl für Interkulturelle Theolo- bestanden, und wir freuen uns über die freund- gie, Missions- und Religionswissenschaft an der liche Aufnahme, die es bei vielen gefunden Augustana-Hochschule übernommen und mit hat. Die zweite Ausgabe trägt den neuen Titel ihrer freundlichen Ausstrahlung und fachlichen »Augustana-Journal 2016/17«. Dies ist nicht Kompetenz und Leidenschaft die Hochschule dahin misszuverstehen, dass es sich um eine im Sturm erobert. Im Juni konnten wir unter Doppelausgabe handelt, sondern trägt dem Beteiligung führender Repräsentanten aus Kir- Umstand Rechnung, dass das Augustana-Jour- che und Synagoge die Eröffnung des »Instituts nal regelmäßig am Anfang des Wintersemesters für christlich-jüdische Studien und Begegnun- erscheint, in diesem Jahr also zu Beginn des gen« feiern, dessen Gründung maßgeblich auf akademischen Jahres 2016/17. Das Heft ist also die Initiative von Prof. (em.) Dr. Helmut Utz- nicht bereits wenige Wochen nach seinem Er- schneider zurückgeht. Schließlich wurde im scheinen ›veraltet‹, wie der frühere Titel leicht Sommer der langjährige Um- und Neubau der suggerieren konnte. Bibliothek unserer Hochschule abgeschlossen, der am 18. November mit einem Festakt einge- Aus dem Leben der Hochschule im vergange- weiht wird. Damit verfügt die Augustana-Hoch- nen Jahr 2015/16 gäbe es viel zu berichten. Ich schule über eine moderne Bibliothek, die den möchte hier nur dreierlei kurz erwähnen: Seit künftigen Anforderungen seitens ihrer Nutzer dem Sommersemester 2016 hat Prof. Dr. Heike gerecht werden kann. Eine besondere akademische Ehre ist uns die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den re- nommierten Theologen und Schriftsteller Christian Lehnert, die im Rahmen des diesjäh- rigen Augustana-Tages feierlich begangen wird. Dies und vieles mehr können Sie auf den nächs- ten Seiten nachlesen und entdecken. Viel Spaß bei der Lektüre und herzliche Einladung, eine der vielen Gelegenheiten zu ergreifen und ein- mal bei uns auf dem Campus vorbeizuschauen. Ihr Prof. Dr. Michael Pietsch, Rektor Prof. Dr. Michael Pietsch Foto: Augustana-Bildarchiv 2. Jahrgang 2016/17 3
Neuer Alttestamentler und neuer Rektor Ein Interview mit Prof. Dr. Michael Pietsch Von Janning Hoenen Janning Hoenen: Wie geht es Ihnen an der und Hegel. Damals habe ich jedoch kaum etwas Augustana? von dem Gegenstand verstanden und auch wenig Prof. Dr. Michael Pietsch: Mir geht es recht Lust verspürt, mich vertieft damit zu beschäfti- gut, danke. Die Zusammenarbeit mit den Kol- gen. Das hat sich dann im Laufe der Zeit deut- leginnen und Kollegen ist sehr anregend und lich gewandelt. Auf diese Weise bin ich in die angenehm. Die Arbeit mit den Studierenden Schleiermacher-Forschung hineingeraten. Paral- macht mir ohnehin sehr viel Spaß, auch wenn lel dazu konnte ich meine Promotion abschlie- das vielleicht nicht immer auf Gegenseitigkeit ßen. Prof. Dr. Günter Meckenstock, der damali- beruht und die Studierenden dann doch etwas ge Leiter der Forschungsstelle, ist mir zu einem unter meinen Eigenarten zu leiden haben. Wir zweiten Mentor geworden und hat mir immer wohnen in einem schönen Haus, ich bin schnell wieder Zuflucht geboten, z.B. nachdem meine in der Bibliothek oder in den Seminarräumen Hamburger Assistentur ausgelaufen war oder in und man hat sehr wenig Zeitverlust durch lange Zeiten der Arbeitslosigkeit nach der Habilitation. Wege. Das war an meinen bisherigen Wirkungs- stätten anders, da bin ich teilweise anderthalb Der zweite Ort, der hier zu nennen wäre, ist Stunden gefahren, um an der Hochschule zu meine Geburtsstadt Hamburg. Dort bin ich pro- sein. Was das Private betrifft, ist es nach wie vor moviert worden und dort habe ich mich später ein Ankommen, ein Prozess, der von einer gro- habilitiert. In Hamburg war ich viele Jahre als ßen Entschleunigung bestimmt ist. Wenn man Hochschulassistent tätig. In dieser Zeit habe ich aus Hamburg hier aufs fränkische Dorf kommt, sehr von der leider seltenen kritisch-konstrukti- dann ist das wie eine Vollbremsung – zumindest ven und freundschaftlich-liberalen Atmosphäre was den Lebensrhythmus betrifft. am Institut für Altes Testament profitiert. Das Miteinander der verschiedenen philologischen, Bitte skizzieren Sie kurz Ihren Werdegang! historischen, religionsgeschichtlichen und theo- Es sind vor allem zwei Orte, an die ich in der logisch-hermeneutischen Fragestellungen und Vergangenheit immer wieder zurückgekommen Kompetenzen hat mein eigenes Arbeiten und bin. Der eine ist Kiel – dort habe ich mein Stu- Denken stark geprägt. In den gemeinsamen Dis- dium abgeschlossen, bekam meine erste wissen- kussionen konnte jeder sagen und denken, was schaftliche Mitarbeiterstelle, zunächst im Alten er wollte, man konnte viel probieren und auch Testament, später dann, nach dem Vikariat, an manche Sackgassen beschreiten, ohne dass der Schleiermacher-Forschungsstelle, an der ich man das Gefühl hatte, man würde beargwöhnt mehrmals akademisches »Asyl« gefunden habe. oder belächelt. Ich versuche, diese Gesprächs- Ich hatte im Studium nur wenig Berührung mit atmosphäre in meinen eigenen Lehrveranstal- Schleiermacher, abgesehen von einem Seminar tungen und in der gemeinsamen Arbeit mit dem über den Religionsbegriff bei Schleiermacher akademischen Nachwuchs weiterzuführen. 4 JOURNAL
Wo liegen Ihre Schwerpunkte im Rahmen der dabei in einer ganz unprätentiösen Sprache da- Alttestamentlichen Theologie? her. Ein etwas älteres, aber sehr lesenswertes Mir ist methodisch die genaue philologische Buch sind die Konfliktgespräche mit Gott, eine Analyse des sprachlichen Profils der biblischen Anthropologie der Psalmen von Bernd Janows- Texte sehr wichtig. Ein weiterer Schwerpunkt ki. Aber noch einmal: Lesen, lesen, lesen – und liegt auf der Einbettung des alten Israel in die zwar das, was einen wirklich interessiert. Religion und die Kultur des Vorderen Orients. Das sind zwei Aspekte zum Verstehen der bib- Da war noch was mit Schleiermacher … lischen Texte und der israelitischen Religion, Wir sind gerade dabei, einen Antrag für ein die mir von meinem Doktorvater, Prof. Dr. Ste- neues Forschungsprojekt vorzubereiten, das fan Timm, gewissermaßen in die akademische sich der hermeneutischen Praxis Schleierma- Wiege gelegt worden sind. Die historisch-philo- chers widmen soll, und zwar unter zwei Haupt- logische Arbeit an den Texten verbindet sich gesichtspunkten: zum einen Schleiermachers dabei für mich mit einem hermeneutisch-theo- Platoninterpretation und zum andern seine logischen Interesse. Daher liegt mir auch das exegetischen Vorlesungen, die bislang nahezu interdisziplinäre Gespräch sehr am Herzen. unbekannt sind. Damit würden neue interdis- Das theologische Verstehen des Alten Testa- ziplinäre Zugänge zum Werk Schleiermachers ments vollzieht sich m.E. nur im Gespräch mit eröffnet, die für die künftige Forschung weg- den übrigen Disziplinen der wissenschaftlichen weisende Impulse geben können. Wenn die- Theologie und den Kulturwissenschaften. Aus ses Projekt realisiert werden könnte, wäre dies diesem Grund beteilige ich mich gerne an den auch für unsere Hochschule eine Stärkung und interdisziplinären Modulen, die an der Augus- Erweiterung ihres wissenschaftlichen Profils. tana ein fester Bestandteil des studentischen Curriculums sind. Was macht das Besondere einer kirchlichen Prof. Dr. Michael Pietsch im Gespräch auf dem Hochschule aus? »grünen Sofa« des In der Forschung habe ich einen Schwerpunkt Eine Kirchliche Hochschule ist keine Univer- Studierendenpfarramtes im Bereich des Pentateuch und der Vorderen sität. Das hat gewiss Nachteile, vor allem hin- Foto: Augustana-Bildarchiv Propheten, besonders der Samuel- und Könige- bücher, und damit verbunden in der Geschich- te Israels. Eine reizvolle Aufgabe wäre es, eine Kulturgeschichte des alten Israel zu schreiben – aber das lässt sich nur in enger Zusammenarbeit mit Fachkolleginnen und Fachkollegen aus den Kulturwissenschaften realisieren. Vielleicht kann daraus einmal ein drittmittelgefördertes, interdisziplinäres Forschungsprojekt werden. Bis dieses Buch geschrieben ist – was wäre das Buch, das jede/r Theologiestudierende im Alten Testament ausführlich gelesen haben sollte? Das eine Buch gibt es nicht. Ich freue mich, wenn unsere Studierenden Veröffentlichungen aus dem Bereich der alttestamentlichen Wissen- schaft lesen und gründlich durcharbeiten. Unter den jüngeren Publikationen im Fach würde ich die Theologie des Alten Testaments von Jörg Je- remias herausheben wollen. Dieses Werk bietet den Ertrag einer jahrzehntelangen, intensiven Be- schäftigung mit den Texten des Alten Testaments und zeichnet sich durch ein besonnenes Urteil und theologische Leidenschaft aus – und kommt 2. Jahrgang 2016/17 5
sichtlich der eingeschränkten Interdisziplina- sicht repräsentieren und ihre Interessen ver- rität. Dies nötigt einen umgekehrt dazu, sich treten. Dabei ist mir wichtig, Entscheidungs- eigene, kreative Gesprächsorte zu schaffen, für prozesse transparent zu machen und ein Klima die unsere Hochschule aber hervorragende Be- der Wertschätzung und der Achtsamkeit gegen- dingungen bietet. über allen Mitgliedern und Mitarbeitenden der Hochschule herzustellen. Ob dies gelingt, wer- Die Besonderheit einer Kirchlichen Hoch- den wir in zwei Jahren wissen. schule besteht aber ganz sicher in ihrer Nähe zur kirchlichen Praxis, nicht nur institutionell, Etwas Sorge macht mir der Umstand, dass ich sondern auch im engen Kontakt mit Kirchen- erst seit zwei Jahren hier bin und mir manche gemeinden und Dekanaten in der Region. Von Strukturen und Kommunikationswege in der daher besteht die Herausforderung, noch näher ELKB noch nicht in der gleichen Weise vertraut am Puls der Praxis zu arbeiten – ohne dass dies sind wie manchen meiner Kolleginnen und Kol- bedeuten würde, dass die Standards und die legen. Insofern werde ich erst einmal viel fra- Qualität der wissenschaftlichen Arbeit dadurch gen und genau zuhören müssen. Aber ich sehe gemindert würden. dem gelassen entgegen, weil wir mit Frau Wolf im Sekretariat, Frau Helmreich als Verwal- Als ich den Ruf an die Augustana erhielt, gab tungsleiterin und den vielen anderen Mitarbei- es einige Stimmen, die mich vor einer mögli- tenden ein kompetentes und gut eingespieltes chen institutionellen und konfessionellen Enge Team haben. gewarnt haben, aber ich habe hier bislang stets eine liberale Geisteshaltung und viel Wertschät- Wenn Sie drei Wünsche frei hätten für die zung gespürt, gepaart mit einer großen Leiden- nächsten zwei Jahre, was wären diese? schaft für den Protestantismus und die Kirche. Mein Wunsch für die Augustana wäre, dass wir die anstehenden Herausforderungen gut bewäl- Wo liegen die Herausforderungen für die Augus- tigen und die Stellung der Hochschule in Kir- tana-Hochschule in den nächsten Jahren? che und Wissenschaft weiter stärken können, Eine Herausforderung liegt sicherlich darin, das dass die hohe Qualität der wissenschaftlichen bestehende Profil der Hochschule zukunfts- Arbeit, die hier geleistet wird, anerkannt und fähig weiterzuentwickeln. Das betrifft sowohl gewürdigt wird und die Studierenden die Au- die personelle Ausstattung als auch die kon- gustana als einen Ort entdecken, an dem man zeptionelle Ausrichtung der Hochschule mit auf höchstem Niveau Evangelische Theologie ihrem breit gefächerten Lehrangebot und ihrer studieren und gut leben kann, trotz oder gerade wissenschaftlichen Profilbildung. Diese weiter wegen ihrer besonderen Strukturen. zu schärfen und nach außen zu kommunizie- ren, wird eine wichtige Aufgabe für die Zu- Persönlich wünsche ich mir, dass ich trotz der kunft sein. vielfältigen Aufgaben des Rektorats hin und wieder ein wenig Zeit für die Lektüre des einen Eine weitere Aufgabe, die sich stellt, wird sein, oder anderen Buches finden werde. Da darf die gegenwärtigen strukturellen und theologi- man zwar nicht zu viel erwarten, aber wünschen schen Debatten innerhalb der ELKB konstruk- darf man es sich schon. tiv und kritisch zu begleiten und das gemeinsa- me Gespräch durch abgewogene und profilierte Schließlich wünsche ich mir, dass das gute Stellungnahmen zu fördern. kollegiale und freundschaftliche Miteinander, das ich hier an der Hochschule kennengelernt Worin sehen Sie Hauptaufgaben des Rektors? habe, sich weiter so gestaltet und wir zwei kon- Knapp gesagt: Ein guter Rektor ist ein guter struktive, ermutigende und in jeder Hinsicht ge- Moderator – in dieser Weise würde ich das Amt segnete Jahre miteinander verbringen werden. interpretieren wollen: Prozesse moderieren, die KONTAKT janning.hoenen@ Hochschule in den verschiedenen kirchlichen Vielen herzlichen Dank! augustana.de und akademischen Arbeitsbereichen mit Um- 6 JOURNAL
Systematische Theologie und Ästhetik Von Friedemann Barniske Die Ausdifferenzierung der Theologie in einzelne Disziplinen und Fächer- kulturen bildet den Ausgangpunkt für eine Reflexion auf die Systematische Theologie. Deren mittlerweile klassische Struktur in ihrer Doppelgestalt als Dogmatik und Ethik kommt im Rahmen einer Besinnung auf die Aufgabe des Faches wiederum aufs Tableau, um im Geflecht von Einheit und Mannigfal- tigkeit des Christlichen die Frage einer theologischen Ästhetik zu erörtern. D ie evangelische Theologie ist eine dynami- sche Disziplin. Das zeigt sich nicht nur in der stetigen Aufnahme von Impulsen aus ande- die das neuzeitliche Christentum an eine ange- messene Reflexionsgestalt seiner selbst stellte, gerecht zu werden vermochte. ren wissenschaftlichen Bereichen wie Soziolo- gie und Psychologie, etwa in der Praktischen In der Konsequenz präsentiert sich die Systema- Theologie. Auch die Differenzierung der Theo- tische Theologie an theologischen Hochschu- logie selbst in eine Vielzahl von Teildisziplinen len und Fakultäten gegenwärtig in der Regel in lässt die innere Lebendigkeit des Faches erken- der Doppelgestalt von Lehrstühlen für Dogma- nen. Neue Fragestellungen führen zu weiterer tik – gelegentlich weiter spezifiziert hinsichtlich Spezialisierung, die sich schließlich auch ins- Religionsphilosophie, Fundamentaltheologie titutionell in der Gestaltung von theologischen oder Neuere Theologiegeschichte – und Ethik. Hochschulen und Fakultäten niederschlägt. Die Dogmatik als vernünftige Explikation der Für die Systematische Theologie gilt diese Dy- christlichen Symbole wie Schöpfung oder Erlö- namik der Ausdifferenzierung in gleicher Weise sung und Vollendung widmet sich in erster Linie wie für die anderen Fächer der kleinen univer- der begrifflichen Erschließung des Christentums sitas namens Theologie. Erschöpfte sich das Po- als religiöser Selbstdeutung des Menschen im tenzial systematischer Explikation des Christ- Lichte der Idee des Unbedingten. Der Mensch lichen zunächst vornehmlich in der lehrhaften versteht sich selbst als Geschöpf vor Gott und Formulierung des christlichen Symbolbestan- gestaltet dieses coram Deo (Martin Luther) in des in Gestalt von dogmatischen Begriffen, so symbolischer Rede von dem Verhältnis zu sei- trat im Zuge jenes Unterscheidens innerhalb nem göttlichen Grund, an dem er zugleich sei- eines vormals fixen Problemkreises eine weitere ne Grenze weiß. Der ganze Reichtum dieser Spielart systematischer Reflexion hinzu. Neben sinnbildlichen Ausdruckskultur des christlichen der vernünftigen oder doch zumindest verstan- Glaubens ist Gegenstand der Dogmatik, inso- desmäßigen Entfaltung der Gehalte christlicher fern sie sich als Reflexion auf die gelebte evan- Religiosität drängte die Frage der christlichen gelische Frömmigkeit bezieht. Dass die Grenzen Lebensführung in den Blickpunkt der Betrach- zwischen Systematischer und Praktischer Theo- tung. Die Systematische Theologie differenzier- logie sich an dieser Stelle mitunter durchaus als te sich in Dogmatik und Ethik aus, da sie nur in fließend darstellen, liegt eben in der Gemein- diesem doppelten Modus den Anforderungen, samkeit des Bezugs auf die ›gelebte Religion‹ – 2. Jahrgang 2016/17 7
Caspar David Friedrich, Der Mönch am Meer (1808–1810) Foto: gemeinfrei ein Terminus, den die Dogmatik zu Recht von der Eigenrecht beschneidet? All dies sind Fra- ihrer Nachbardisziplin übernommen hat. gen der Reflexion auf ein christliches Ethos, die u.a. den wesentlichen Inhalt der theologischen Die theologische Ethik thematisiert in komple- Ethik ausmachen. – Dogmatik und Ethik bilden mentärer Weise die Fragen der Lebensführung demnach die zwei Säulen der Systematischen im Kontext des Christentums. Dabei konzen- Theologie als Produkt von deren Binnendiffe- triert sich die gegenwärtige Forschung im Rah- renzierung in der Neuzeit. men der Sozialethik vielfach auf die Grenz- bereiche des Lebens. Aus dieser Gemengelage Jedoch erschöpfen sich die vernünftige Refle- ergeben sich notwendig Berührungspunkte mit xion und die Erschließung lebensweltlicher der Soziologie, Medizin und den Naturwissen- Phänomene niemals nur in der Struktur einer schaften sowie den Rechtswissenschaften. fortschreitenden Ausdifferenzierung. Die Man- Wie lässt sich etwa mit medizinischen Errun- nigfaltigkeit der Perspektiven aufzuzählen, ohne genschaften vor dem Hintergrund christlicher deren Einheitsaspekt irgendwie Rechnung zu Deutungsmuster und Überzeugungen umge- tragen, macht – nicht nur metaphorisch gespro- hen, ohne der Beschränkung von individuellen chen – keinen Sinn. Gerade die christliche Reli- Freiheitsrechten im Namen eines vermeintlich gion und das Christentum als kulturelle Gestalt wertebasierten Kulturpessimismus das Wort zu der Lebensführung lassen sich keineswegs an- reden? In welcher Weise ist das Verhältnis von gemessen beschreiben, wenn man lediglich die Christentum und Gesellschaft sinnvoll zu be- Vielzahl der religiösen Vorstellungen und Hand- stimmen, ohne Theologie bzw. Kirche und Poli- lungsmotivationen inventarisieren wollte. Im tik in eine Asymmetrie zu manövrieren, die bei- Konzert dieses polyphonen Orchesters den As- 8 JOURNAL
in der dogmatischen Lehrtradition oder der pro- testantischen Ethik traktiert wurden. Dieser Zugriff wird möglich durch die Beleuch- tung der christlichen Religion und ihrer kul- turellen Formen im Hinblick auf ihre ästheti- schen Anmutungsqualitäten. Nicht die Strenge eines Letztbegründungsganges nach Art der Gottesbeweise oder der Erweis des kategori- schen Ranges von Handlungsmaximen steht nunmehr im Zentrum der systematischen Erör- terungen. Stattdessen gibt das Programm einer theologischen Ästhetik den Blick frei für eine Reflexionsgestalt des Christentums, die dessen Wesen und Wirkung in neuer Weise zu erhe- ben vermag. Die theologische Ästhetik schickt sich an, die Bedeutung des Christlichen für die Interdependenz von Kunst und Religion in der Moderne zu würdigen. Dabei wird vor dem Hintergrund klassischer Entwürfe – zu nennen sind etwa Kant, Herder, Wackenroder, DeWette und Hegel – keiner Auflösung des Religiösen in die Kunstreligion als solche das Wort geredet. Ebenso wenig sollen die religiösen und ethi- schen Vorstellungsgehalte des Christentums ihrer Ausdrucksqualität für das fromme Subjekt verlustig gehen. Vielmehr stellt eine ästhetische Betrachtung des Christentums dessen Symbole und Formensprache im Lichte ihrer sinnlichen pekt einer Einheit des Christlichen – ein Wesen wie bewusstseinstheoretischen Eigenschaften des Christentums – namhaft zu machen, stellt dar. Das Überlehrmäßige an der gelebten Reli- wohl die ebenso komplexe wie reizvolle Aufgabe gion wird der methodischen Analyse unter- der Systematischen Theologie überhaupt dar. zogen, nicht eine tradierte Lehre wiederum umgeschmolzen in vermeintlich aktualisierte Die Zurückführung der Mannigfaltigkeit auf Lehrformen. Dabei bedient sich die systemati- Einheit ist demnach nicht nur die klassische sche Erschließung des Christlichen durch eine Aufgabe philosophischer und religiöser Letzt- theologische Ästhetik durchaus der Erkenntnis- begründung, sondern macht zudem die Sig- se der Philosophie der Kunst, als welche die Äs- natur vernünftiger Reflexion als solcher aus. thetik im 18. Jahrhundert Eingang in die Uni- Den Einheitsaspekt des Christlichen ebenfalls versitäten gefunden hat. Das Schöne und das im methodischen Gefüge der Systematischen Erhabene werden im Kontext einer Reflexion Theologie zum Klingen zu bringen, schickt sich religiöser Vorstellungen, Rituale sowie christli- in bescheidenem Umfang eine dritte Variante cher Architektur und Kunst fruchtbar gemacht. derselben an. Dieses dritte Genus neben klas- sischer Dogmatik und theologischer Ethik lässt Die kultische Feier des evangelischen Gottes- sich nicht so ohne weiteres in die überkommene dienstes im Kirchenraum oder der freien Natur Doppelstruktur und ihre Nomenklatur aufrech- kommt ebenso auf fundierter Basis in den Blick nen. Denn die in Rede stehende Variante der wie Phänomene, die von der klassischen Lehr- systematischen Reflexion des Christlichen und bildung der Dogmatik und Ethik möglicherweise seiner Symbolbestände vermag auf Themen und nicht erfasst werden. Die religiöse Deutung des Inhalte zurückzugreifen, die eben ursprünglich Naturerlebens etwa erschließt sich der theoreti- 2. Jahrgang 2016/17 9
schen Beschreibung oder die Andacht des Kon- werden. Die Verknüpfung von klassischer Poeto- zertbesuchers, welche sich dem Subjekt auf der logie und theologischer Ästhetik im Sinne einer Grenze zwischen Kunstgenuss und christlicher Hermeneutik des frommen Bewusstseins erwei- Frömmigkeit wie selbstverständlich einstellt, tert maßgeblich das Spektrum der Phänomene, ohne dass dem eine kirchliche Dogmatik ohne die von der Systematischen Theologie im Kon- ästhetische Begriffe Rechnung tragen könnte. text des Christentums expliziert werden können. Der religionstheoretische Mehrwert dieser Be- trachtungsweise ist kaum zu übersehen. Denn An die Stelle dogmatischer Abqualifizierung die Reichweite dessen, was unter dem Signum des weihnachtlichen Strandgängers als kirchen- Religion zu versammeln ist, dürfte wesentlich fernem Individualisten tritt die Ergänzung der größer zu veranschlagen sein als das Profil der Erscheinungsformen des Christlichen um eine konfessionellen Christentümer auf den ersten wertvolle und würdige Variante. Der praktische dogmatisch-ethischen Blick zu erkennen gibt. Nutzen dieser ästhetischen Sensibilisierung der Dass sich manches fromme Bewusstsein, wel- Theologie dürfte zweifelsohne in jener Hori- ches sich selbst unumwunden als christlich zonterweiterung mit Blick auf die Phänomene qualifiziert, zu den hohen Feiertagen wie Weih- gelebter Religion bestehen, die sich nicht in nachten oder Ostern lieber an die See begibt als ihren institutionalisierten Formen in Kirche in die Kirche, um in der Wahrnehmung des wei- und Schule erschöpft. ten Horizonts seiner Geschöpflichkeit vor Gott inne zu werden, wird von einer theologischen Auf die Gebiete der Dogmatik und Ethik glei- Ästhetik mit dem Gefühl der Erhabenheit einer chermaßen bezieht sich diese ästhetische Theo- systematischen Analyse zugeführt werden kön- logie nun, indem sie einerseits im Modus der nen. Auch die religiöse Dimension künstleri- Symboltheorie dogmatische Loci wie Schrift- scher Werke, die dieses erhabene Gefühl zum lehre, Gottesbegriff oder Pneumatologie in ein Ausdruck bringen, wird zum Gegenstand der neues Licht rückt. Andererseits wird mit einer theologischen Reflexion. Zu nennen ist etwa Kulturhermeneutik des Christlichen dem alten Caspar David Friedrichs Gemälde »Der Mönch Begriff von Ethik bzw. ›christlicher Sitte‹ neues am Meer« (1808–1810), welches in geradezu Leben eingehaucht, insofern neben den Grenz- klassischer Manier die innere Andacht eines fällen der Sozialethik wieder die basalen For- Menschen darstellt, der sich vor der Weite des men des Christentums in Kunst und Kultur ihre Meeres seiner schwindenden Größe im Ange- Berücksichtigung in der Systematischen Theo- sicht der Schöpfung bewusst wird. logie finden. Dabei kann die theologische Äs- thetik an entsprechende Überlegungen zu einer Mit der Kategorie des Erhabenen wird wesent- ›Theologie der Kultur‹ (Paul Tillich) anknüpfen. lich die »Darstellung des Nichtdarstellbaren« – so Lyotard im Anschluss an Kant – thematisiert. In jedem Falle wird sich die Systematische Dass sich dieser ästhetische Topos in ausge- Theologie als eine Disziplin innerhalb der zeichneter Weise anhand der hebräischen Poe- evangelischen Theologie nicht mit der Bin- sie des Alten Testaments aufzeigen lässt, haben nendifferenzierung in Dogmatik und Ethik Denker von Longin bis Hegel immer wieder bescheiden können, will sie ihrer eigentlichen nachdrücklich zu betonen gewusst. So artiku- Aufgabe nachkommen. Letztere dürfte in einer lieren die Psalmen exemplarisch das Empfin- begrifflichen Erschließung der Mannigfaltigkeit den der Unangemessenheit von menschlichem christlicher Frömmigkeit und Lebensführung Ausdruck und unbedingtem Gehalt, der in bestehen, die deren Einheitsaspekt dennoch poetische Sprache gefasst werden soll: »Denn zur Geltung zu bringen vermag. Dass der ästhe- tausend Jahre sind vor Dir wie der Tag, der ges- tische Blickwinkel auf Religion und Christen- tern vergangen ist« (Ps 90,4). Die Expressivität tum dabei eine maßgebliche Rolle spielen kann, dieses Bibelworts speist sich wie so oft aus dem wird schwer zu leugnen sein – auch wenn die Bewusstsein der Unzulänglichkeit des from- ästhetische Theologie sich, abgesehen von ein- KONTAKT friedemann.barniske@ men Beters, der Erhabenheit des Schöpfers mit zelnen Fachvertretern in Dogmatik und Ethik, augustana.de seinen Worten auch nur annähernd gerecht zu noch nicht institutionell dingfest machen lässt. 10 JOURNAL
Rund um die Welt und nach Neuendettelsau Die neue Professorin für Interkulturelle Theologie stellt sich vor Von Heike Walz Seit dem Sommersemester 2016 bin ich Inhaberin des Lehrstuhls für Interkulturelle Theologie, Missions- und Religionswissenschaft. Zum ersten Mal in Deutschland wurde ein solcher Lehrstuhl mit einer Frau besetzt. Ich freue mich darauf, die Zukunft der Augustana-Hochschule in Lehre und For- schung mitzugestalten, nun auch als Prorektorin. Begeisterung zu wecken für die Vielfalt der Menschen, Kulturen und Religionen weltweit und dadurch zu einem friedlicheren und gerechteren Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Prägung beizutragen, ist mein Ziel. Dass fremde Denkweisen und Theorien eine Bereicherung und Herausforderung zugleich darstellen und hiesige theologische Denkwege verändern können, ist eine für mich zentrale Einsicht. Ich bin in Stuttgart geboren und habe in Heidelberg, Montpellier und Tübingen Evangelische Theologie und Diakoniewissenschaften studiert. Einige Stationen aus meinem wissenschaftlichen Werdegang in der Schweiz, Afrika, Lateinamerika und Deutschland illustrieren, was mir wichtig ist für die Interkulturelle Theologie, denn Prof. Dr. Heike Walz Theologie ist immer biographisch geprägt. Foto: Anna-Sophia Sackwitz Theologiestudium Ich gehöre zu der Generation, die in den Ein Auslandsstudienjahr ist das Beste, was ich 1980er- und 1990er-Jahren dem Leitmotiv folg- allen Studierenden empfehlen kann: Man sieht te, durch kritische Reflexion die eigene Theolo- die Theologie, die Religionen und den Alltag der gie zu entwickeln. Von den eigenen Interessen Menschen mit anderen Augen. Als Stipendiatin her Schwerpunkte setzen und zum Ganzen vor- der Heidelberger Fakultät studierte ich ein Jahr zustoßen – das war das Ziel. an der Faculté de Théologie Protestante in Mont- pellier. Die spannende Widerstandsgeschichte Schon früh interessierten mich Probleme der der Hugenotten verdichtet sich im Stichwort Weltgerechtigkeit. Meine Vorliebe für Fremd- résister, eingraviert auf dem Boden im Musée du sprachen – Englisch, Französisch, Russisch Désert in Mialet. Südfrankreich war für mich und Spanisch – wurde zu einer Brücke für in- auch ein Tor zu Afrika, zur Missionstheologie terkulturelle Begegnungen. Als Au-Pair-Mäd- und zur afrikanischen Theologie. Im Chor der chen in Frankreich machte ich mit siebzehn bei Studierenden aus den frankophonen Ländern einer jüdischen Familie aus Tunesien erste Er- Afrikas sangen wir ohne Noten und schriftliche fahrungen allein in der Fremde, dann in einem Liedtexte in afrikanischen Sprachen im Gottes- KONTAKT internationalen Workshop des Christlichen dienst und in Konzerten; so habe ich Spiritua- heike.walz@ Friedensdienstes in Frankreich. lität erlebt. augustana.de 2. Jahrgang 2016/17 11
I.U. ISEDET, Buenos Aires Inkulturation des Christentums Veränderungsprozesse im außereuropäischen 2007: Studierende und 2. v.l. In der Evangelischen Kirche der Pfalz, in der ich Weltchristentum. Besonders spannend sind die Prof. em. José Miguez Bonino Foto: privat Vikarin und Gemeindepfarrerin war, wird Öku- Charismatisierung und die Pfingstbewegungen, mene groß geschrieben. Rev. Rose Akua Ampo- das sog. »bewegte Christentum«. fo, Direktorin des Presbyterian Women’ s Centre der Presbyterianischen Kirche in Ghana, holte Systematische Theologie und mich 1997 als junge Pfarrerin nach Abokobi, Befreiungstheologie in Argentinien eine der ältesten Gründungen (1854) der Bas- Interkulturelle Theologie verstehe ich als Re- ler Mission. Im Tagungszentrum assistierte ich flexion »zwischen den Welten«. In Argentinien Rose Akua bei Workshops (zu Fragen der Ge- wird solch ein Zustand ni chicha ni limonada sundheit, Subsistenzwirtschaft, des Erbrechts, genannt, »weder Maisbier noch Limonade«. der Entwicklung von Kindern und Liturgik) und Das »inter« der Interkulturellen Theologie be- leitete Bibelarbeiten und Gottesdienste. wegt sich zwischen den theologischen Heraus- forderungen und der Kritik aus dem globalen »Kontextuelle Theologie« und »Inkulturation Süden und der hiesigen Theologie hin und her. des Christentums« wurden zu gelebter Theolo- Dieses Verständnis verdanke ich meiner Zeit an gie. Witwen müssen sich in Ghana traditionel- der Ökumenischen Hochschule I.U. ISEDET len Witwenritualen unterziehen. Pfarrerinnen (Instituto Superior Evangélico de Estudios Teoló- baten mich deshalb, eine christliche Witwen- gicos) in Buenos Aires (2005–2009). Das I.U. liturgie zu entwerfen. Die positive Kraft eines ISEDET berief mich auf eine Außerordent- rite de passage wollten sie beibehalten, aber liche Professur für Systematische Theologie; nicht die verletzenden menschenunwürdigen als Ökumenische Mitarbeiterin stand ich im Elemente. Eine weiterentwickelte Form der Dienst des Evangelischen Missionswerks Basel Witwenliturgie wird meines Wissens bis in die (Mission 21). Besonders berührte mich, dass Gegenwart gefeiert. der bekannte Ökumeniker Prof. José Miguez Bonino (1924–2012) aus der Methodistischen Studien zum Weltchristentum Kirche Argentiniens meine Lehrveranstaltun- Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehr- gen als Zeitzeuge bereicherte. stuhl für Mission, Ökumene und interkulturelle Gegenwartsfragen von Prof. Dr. em. Christine Am I.U. ISEDET lehrte ich in einer ökumeni- Lienemann-Perrin an der Theologischen Fakul- schen Vielfalt und Weite, wie sie in Deutsch- tät in Basel in der Schweiz schrieb ich meine land an keiner Fakultät zu finden ist. Meine Stu- Doktorarbeit (2001–2005). Das Thema waren dierenden im Hörsaal kamen aus mindestens ekklesiologische Visionen von Kirche als inklu- zehn verschiedenen lateinamerikanischen Län- siver Gemeinschaft und Geschlechtergerech- dern (und aus der Schweiz und Deutschland), tigkeit im Horizont der weltweiten Ökumene aus neun protestantischen Trägerkirchen, aus in Afrika, Lateinamerika, USA und Osteuro- Pfingstkirchen, evangelikalen Kirchen und der pa. In jüngster Zeit befasse ich mich mit den römisch-katholischen Kirche. Aus der Vernet- vielfältigen Formen des Christseins und der zung von Theologinnen und Theologen in ganz La- 12 JOURNAL
teinamerika und weltweit entsteht Kraft. Das I.U. wie die Menschenrechtsbewegungen maßgeb- ISEDET sandte mich zu Vorträgen und Kongres- lich dazu beitrugen, dass Menschenrechte auf sen nach Brasilien, Chile, Peru und Costa Rica. die politische Agenda der Redemokratisierung kamen. Jedem Menschen stehen, unabhän- Im I.U. ISEDET wehte der Geist der Theologie gig von ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Ge- der Befreiung. Dass scharfe Kritik an der neo- schlecht, Sprache, Religion, politischer oder Oben links: Presbyterian Women’ s Centre Abokobi, liberalen Weltwirtschaftsordnung geübt wer- sonstiger Überzeugung, bedingungslos gleiche Ghana 1997: Workshop den muss und biblisch-theologisch die »Option Rechte und Würde zu: Das ist ein Grundsatz, »Small Income Generation« für die Armen« gilt, wird einem vor Ort durch der für meine Arbeit sehr wichtig ist. Rechts: Faculdades EST, São Leopoldo, Brasilien 2006 die sozialen Ungleichheitslagen tagtäglich vor Unten links: Cátedras Car- Augen geführt: Die Schere zwischen Arm und In meiner religionswissenschaftlichen Habilita- nahan I.U. ISEDET, Buenos Reich klafft in Lateinamerika am meisten aus- tionsschrift bei Prof. Dr. Andreas Feldtkeller an Aires 2007: v.l. Prof. Nancy einander; viele Familien leben schon in der drit- der Humboldt-Universität zu Berlin (der Part- Bedford (USA), Prof. Ivone Gebara (Brasilien) und mein ten Generation im Elendsviertel. nerstadt von Buenos Aires) widmete ich mich Systematischer Kollege den Wechselbeziehungen zwischen Religion Prof. Guillermo Hansen am Menschenrechte in Religion und Gesellschaft in Argentinien: Wie konnten I.U. ISEDET (Argentinien) und Gesellschaft Menschenrechte in Argentinien in Politik und Rechts: Ökumenisches Insti- tut Bossey, Schweiz 2011: In Argentinien lag ein Schwerpunkt meiner For- Recht Fuß fassen, und was trugen verschiedene v.l. Prof. Marilu Rojas Sa- schungen auf Menschenrechtsfragen. Die Am- Religionsgemeinschaften hierzu bei? lazar (Mexiko), Heike Walz, nestiegesetze der letzten Militärdiktatur (1976– Prof. em. Christine Liene- mann-Perrin (Schweiz), Chita 1983) wurden 2005 annulliert und Gerichtsver- Religionen im Dialog Rebollido-Millan (Philippinen), fahren wegen Verbrechen gegen die Mensch- Mit Angehörigen anderer Religionsgemein- Gulnar Francis Dehqani (Iran) lichkeit eingeleitet. Ich konnte mitverfolgen, schaften möchte ich vor allem direkt sprechen, Sämtliche Fotos dieser Seite: privat 2. Jahrgang 2016/17 13
felder. Der Tanz im Vergleich verschiedener Religionen und Kulturen war bereits Thema mehrerer Lehrveranstaltungen in Wuppertal und Berlin. Mit dem römisch-katholischen Re- ligionsphilosophen, Choreographen und Tänzer Ángel Mendez Montoya aus Mexiko entwickel- ten wir 2015 mit Studierenden und Interessier- ten eine Choreographie zu den Seligpreisungen der Bergpredigt. Mit Studierenden und dem Kirchenmusikdirektor und Lehrbeauftragten Jens-Peter Enk experimentierten wir in Wup- pertal mit Dialogen zwischen Orgel und Tanz. Inspiriert durch »Tango-Gottesdienste« gestal- tete ich 2016 anlässlich des Semesterabschluss- gottesdienstes und meiner Verabschiedung in Wuppertal einen Gottesdienst mit Elementen des Argentinischen Tangos. Das alles möchte ich an der Augustana-Hoch- schule und in Kooperation mit anderen Insti- tutionen ausbauen und fortsetzen. Zu diesen Institutionen gehört die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft der EKD (FEST) in Heidelberg, wo ich im Arbeitsbereich »Gerechter Frieden – ein globales Konzept?« mitarbeite. Neuerdings bin ich Mitglied in der Kammer für Theologie der EKD. Ich freue mich auf Sie, auf die Studierenden der Augustana-Hochschule und auf vielfältige Kooperationen an der Hochschule, in der Evan- gelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und in der Region. Ich freue mich darauf, das Netz der ökumenischen weltweiten Kontakte zu Theo- logischen Hochschulen zu pflegen und auszu- bauen. Den Austausch mit Studierenden und Doktorierenden aus verschiedenen Ländern zu fördern, liegt mir besonders am Herzen, in Zu- Oben: Rheinisches Frauen- nicht über sie und pauschal über »ihre Reli- sammenarbeit mit dem Centrum Mission Eine- mahl, Düsseldorf 2012: Lamya gion«. In meiner Zeit als Juniorprofessorin an Welt und der Diakonie in Neuendettelsau. Kaddor und Heike Walz Unten: Kirchliche Hochschule der Kirchlichen Hochschule Wuppertal-Bethel Wuppertal-Bethel, Ab- (2009–2016) unterrichtete ich mit Lamya Kad- Es wird für mich und für uns alle eine Her- schiedsvorlesung 2016 dor, muslimische Religionspädagogin und Grün- ausforderung sein, zum Abbau von Fremden- Fotos: Anna Siggelkow / Patrick Leiverkus dungsmitglied des Liberal-Islamischen Bundes feindlichkeit, Rechtsextremismus und religiös e.V., ein Seminar zu »Rechten von Frauen und begründeten Extremismen beizutragen. Es gilt, Männern im Islam und Christentum«. die Ursachen und Hintergründe für Flucht und Migration zu erforschen und menschen- Tanz in Kulturen und Religionen: würdige Lösungen zu finden. Das ist eine Jahr- Ethik und Ästhetik hundertaufgabe. Wir müssen unseren Beitrag Die Verbindung von ethischen und ästhetischen dazu leisten. Fragen ist eines meiner neueren Forschungs- 14 JOURNAL
Neue Publikationen 2015/16 In dieser Rubrik stellen wir neue wissenschaftliche Publikationen aus der Feder von Angehörigen der Augustana-Hochschule vor. Von Armin Stephan Bibelübersetzung und (Kirchen-)Politik Heiliger Raum. Exegese und Rezeption der Hrsg. von Markus Mülke; Lothar Vogel. – Göttingen: Heiligtumstexte in Ex 24–40 V & R Unipress, 2015. – 189 S. (Kirche – Konfession – Hrsg. von Matthias Hopf; Wolfgang Oswald; Stefan Religion: Veröffentlichungen des Konfessionskundlichen Seiler. Mit Beitr. von Helmut Utzschneider … – Stuttgart: Instituts des Evangelischen Bundes; 64) Kohlhammer, 2016. – 200 S.: Ill. (Theologische Akzente: Veröffentlichungen der Augustana-Hochschule Neuen- Dieser Band beleuchtet Probleme und Implika- dettelsau; 8) tionen von verschiedenen Bibelübersetzungen in verschiedenen Zeiten und unter verschiede- Die Heiligtumstexte des Exodusbuches in nen gesellschaftlichen und kulturellen Bedin- Ex 24–40 gehören zu den sperrigen Texten des gungen. Dabei werden Fragen zu Möglichkei- Alten Testaments. Sie verlangen von ihren Aus- ten und Grenzen von Übersetzungen erörtert legerinnen und Auslegern einen langen Atem und jeweils in ihre (kirchen-)politischen Zu- und Liebe zum Detail. Gleichzeitig laden sie sammenhänge gestellt. Es wird deutlich: Ziele dazu ein, über die Grenzen der alttestamentli- wie Texttreue und Verständlichkeit für die Le- chen Exegese hinauszublicken. Die Gestaltung ser sind durch alle Epochen hindurch eine Her- von Gottesdiensträumen, die Inszenierung des ausforderung und müssen für jede Übersetzung Kultes, die Ästhetik des Göttlichen sind näm- neu ausgelotet werden. lich Themen, die alle Gebiete der Theologie sowie der Altertums- und Kulturwissenschaften berühren. Ein Sammelband mit interdisziplinä- ren Beiträgen von Helmut Utzschneider, Rainer Albertz, Kai Brodersen, Walter Groß, Wolfgang 2. Jahrgang 2016/17 15
Kraus, Hubert Kress, Dominik Markl, Stefan Die Grammatik ist als begleitendes Lehrbuch Ark Nitsche und Klaus Raschzok. für den Hebräischunterricht konzipiert. Es ge- währt den Lehrenden einen möglichst großen Freiraum für die Auswahl und Anwendung Liebesszenen. Eine literaturwissenschaftli- unterschiedlicher Lehrmethoden. Den Studie- che Studie zum Hohenlied als einem drama- renden wird durch eine übersichtliche Struk- tisch-performativen Text turierung des Unterrichtsstoffes das Lernen, Hopf, Matthias – Zürich: TVZ, Theol. Verl., 2016. – 416 S.: Nachschlagen und Wiederholen erleichtert. graph. Darst. (Abhandlungen zur Theologie des Alten Die Konzeption verzichtet auf eine Gliederung und Neuen Testaments; 108). Zugl.: Neuendettelsau, in Lektionen und geht bei der Erarbeitung des Augustana-Hochschule, Diss., 2014 u.d.T.: Das Hohelied – Stoffes von Anfang an von den biblischen Tex- ein dramatischer Text mit großem Performanz-Potential ten aus. Dem Werk sind ein umfangreicher Textteil sowie ein aufwendig gestaltetes Voka- Ist das Hohelied ein Drama? Im 19. Jahrhun- bular und ein ausführliches Glossar grammati- dert wurde diese Frage gerne bejaht, im 20. kalischer Fachbegriffe beigegeben. Jahrhundert überwiegend verneint. Matthias Hopf greift auf Erkenntnisse der vergleichen- den Literaturwissenschaft zurück, um das ge- Luther verstehen. Person, Werk, Wirkung samte Hohelied methodisch gesichert auf diese Hrsg. von Markus Buntfuß; Friedemann Barniske. – Frage hin zu prüfen. Dabei kommen bewährte Leipzig: Evang. Verl.-Anst., 2016 dramen- bzw. performanztheoretische Analy- seschritte zum Einsatz. Im Endergebnis zeigt Protestanten orientieren sich weniger an dogma- sich, dass der Begriff Drama wenig geeignet ist, tischen Instruktionen und kirchlichen Institutio- um das Hohelied angemessen zu beschreiben. nen als an konkreten Personen, die ihre religiöse Besser wäre, im Hinblick auf das Textgenre von Überzeugung in exemplarischer Weise leben einem dramatischen Text zu sprechen. Dieser und reflektieren. Bis heute verbindet sich die re- weist durchaus ein großes Potential auf, öffent- formatorische Glaubensweise deshalb mit dem lich vorgetragen – performiert – zu werden. bleibenden Eindruck der maßgeblichen reforma- torischen Persönlichkeiten. Diesen Umstand in Bezug auf die Person Martin Luthers, sein Werk Krause, Martin: Hebräisch: biblisch-hebräi- und seine Wirkung kritisch zu würdigen, ist die sche Unterrichtsgrammatik Absicht der vorliegenden Beiträge aus theologi- Hrsg. von Michael Pietsch und Martin Rösel. – 4. Aufl. – schen und philosophischen Perspektiven. Dabei Berlin [u.a.]: De Gruyter, 2016. – XVI, 376 S. kommen u.a. Luthers Stellung zum Alten Testa- 16 JOURNAL
ment und dem Judentum, sein Beitrag zu einer tischen Motive bedingten die Rezeption von Theorie des Übersetzens, zur Entwicklung des Luthers antijüdischen Schriften in der Luther- Theaters und zur Deutung der Engel und des forschung des 19. Jahrhunderts? Welche Rolle Christkinds sowie die psychoanalytische Luther- spielten sie im lutherischen Konfessionalismus Rezeption im 20. Jahrhundert in den Blick. und in der jüdischen Wahrnehmung jener Zeit? Mit Beiträgen von Friedemann Barniske, Wie wurden sie in der Zwischenkriegszeit von Markus Buntfuß, Jörg Dittmer, Andreas Göß- der Bekennenden Kirche oder den »Deutschen ner, Andreas von Heyl, Renate Jost, Konstanze Christen« zur Zeit des Nationalsozialismus po- Kemnitzer, Ingo Klitzsch, Peter L. Oesterreich, litisch und theologisch instrumentalisiert? Vor Michael Pietsch, Klaus Raschzok, Stefan Seiler diesem Hintergrund kommt die Bedeutung und und Christian Strecker. Wirkung von Luthers Schriften für neuzeitliche theologische Diskurse und historische Entwick- lungen, einschließlich Antisemitismus und NS- Martin Luthers ›Judenschriften‹. Die Rezep- Zeit, zur Sprache. Die inhaltliche Aufarbeitung tion im 19. und 20. Jahrhundert mit der Wirkungsgeschichte von Luthers »Ju- Hrsg. von Harry Oelke, Wolfgang Kraus, Gury Schnei- denschriften« ist nicht auf das Ende des Zwei- der-Ludorff, Anselm Schubert und Axel Töllner. – ten Weltkriegs begrenzt, der Band beleuchtet Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015. – 338 S.: Ill. zudem die Rezeption der »Judenschriften« im (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte / hrsg. im Auftr. angloamerikanischen Raum und ihre ethische, d. Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche kirchengeschichtliche und kirchenpolitische Zeitgeschichte, Evangelische Kirche in Deutschland. Aufarbeitung im Protestantismus seit 1945. Reihe B, Darstellungen; 64) Martin Luthers »Judenschriften« haben in der Poscharsky, Peter: Gestalteter Glaube. Ge- deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhun- sammelte Aufsätze aus der Christlichen Ar- derts eine hochproblematische, aber bislang chäologie und Kunstgeschichte kaum erforschte Wirkungsgeschichte gehabt. Hrsg. von Klaus Raschzok. – Leipzig: Evang. Verl.-Anst., Dieser Rezeptionsgeschichte widmet sich der 2014. – 600 S.: Ill., graph. Darst. vorliegende Band. Dabei steht nicht die eindi- mensionale Perspektivierung eines historischen Die Aufsätze des 1932 in Leipzig geborenen Versagens Luthers im Vordergrund. Vielmehr emeritierten Lehrstuhlinhabers für Christliche wird die Rezeption im Kontext zeitgenössischer Archäologie und Kunstgeschichte an der Fried- theologischer und historischer Bedingungen rich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg untersucht: Welche theologischen und poli- gehen der Frage nach der materialen Gestalt 2. Jahrgang 2016/17 17
Friedrich Wolfgang Neuber, Peter L. Oesterreich, Gert Ueding, Francesca Vidal (Hrsg.) Schleiermacher RHETORIK RHETORIK UND RELIGION Kritische Gesamtausgabe Predigten Band 5 Predigten 1816–1819 de Gruyter des christlichen Glaubens im Schnittfeld von gie des Managements. Das Jahrbuch Rhetorik Kunstwissenschaft und Theologie nach. Sie ge- fasst die Forschungen in Deutschland zur Rhe- währen zugleich Einblick in Peter Poscharskys torik zusammen und stellt die Neuerscheinun- vielfältige Forschungsschwerpunkte, die von gen in einem ausgedehnten Rezensionsteil vor. der spätantiken wie byzantinischen Kunstge- Eine laufende Bibliographie informiert über schichte über die protestantische Ikonographie sämtliche Veröffentlichungen zur Rhetorik im und die Geschichte des evangelischen Kirchen- deutschsprachigen Raum. baus ab dem 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart reichen. Interessant ist dabei, wie Poscharsky Band 34 (2015): Rhetorik und Religion, hrsg. auch das Verhältnis von zeitgenössischer Kunst von Philipp Stoellger; enth. u.a.: und christlichem Glauben sowie die evangeli- – Buntfuß, Markus: ›Moderne Religion‹ als sche Paramentik mit einbezieht. Antwort auf die ›rhetorische Situation‹ des neuzeitlichen Christentums – Oesterreich, Peter L.: Credibilität. Einige Rhetorik. Ein internationales Jahrbuch Thesen zu Rhetorik, Religion und Wissen- Begründet von Joachim Dyck; Walter Jens; Gert Ueding. schaft Hrsg. v. Wolfgang Neuber; Peter L. Oesterreich; Gert Ueding; Francesca Vidal. – Berlin [u.a.]: De Gruyter, Erscheinungsverlauf: 1.1980 – Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe Die Rhetorik hat als Überzeugungstechnik, Hrsg. von Hans-Joachim Birkner … – Berlin [u.a.]: Schulfach und soziale Praxis unser literarisches De Gruyter, Abt. 3, Bd. 5: Predigten 1816–1819 / hrsg. von und sprachlich-gesellschaftliches Leben seit Katja Kretschmar. Unter Mitw. von Michael Pietsch. – dem 5. Jahrhundert v. Chr. bestimmt. Ihre Ge- 2014. – LXXXVII, 738 S. schichte ist die Geschichte der Produktion von Rede unter wechselnden gesellschaftlichen Be- Im 5. Band der 3. Abteilung der KGA finden dingungen. Als Wissenschaftsfach hat sich die sich Predigten zu 112 Terminen aus den Jah- Rhetorik in Deutschland seit den 1960er-Jahren ren 1816–1819, zu denen ergänzend zugehö- an den Universitäten wieder durchsetzen kön- rige Liederblätter Friedrich Schleiermachers nen, und sie spielt heute, in einer fortgeschrit- publiziert werden. Die 93 Predigttermine, für tenen Mediengesellschaft, eine herausragende die bisher keine Veröffentlichungen vorlagen, Rolle in Werbung, Verkauf und Sozialtechnolo- basieren auf Predigtmitschriften von fremder 18 JOURNAL
Hand, vornehmlich von Ludwig Jonas. Zu den Themen der biblischen Theologie wie Jesu Ver- Das Antiphonar aus dem neun Predigten, die Schleiermacher in seiner kündigung des Reiches Gottes, Deutung des 15. Jahrhundert ist das ältes- te Buch in der Bibliothek der 4. Predigtsammlung selbst publiziert hat, sind Todes Jesu als Sühnopfer, die Rolle von Frauen Augustana-Hochschule Predigtmitschriften von Jonas erhalten, die den und Kindern in der Welt des Neuen Testaments, Foto: Augustana-Bildarchiv Unterschied zwischen gepredigtem Wort und Spiritualität bei Paulus oder zur Entstehung des für den Druck bearbeitetem Text gut erkennen Christentums als Religion. Stegemann setzt lassen. Die im Jahr 1817 begonnenen Homi- dabei neue Impulse in aktuellen Diskursen der lien zum Philipperbrief erhalten ein besonde- neutestamentlichen Wissenschaft und bezieht res Profil durch den Vergleich mit der zweiten zugleich engagiert Stellung zu Gegenwartsfra- Homilienreihe von 1822/23. gen, zum Beispiel zur ethischen Beurteilung der Homosexualität, zum Antisemitismus und zum Verhältnis von Judentum und Christentum. Re- Stegemann, Wolfgang: Streitbare Exegesen. levant sind diese Beiträge auch deshalb, weil Sozialgeschichtliche, kulturanthropologische sie ein Stück Forschungs- und Zeitgeschichte und ideologiekritische Lektüren neutesta- dokumentieren: eine Periode, in der sich tief- mentlicher Texte greifende Umbrüche in der biblischen Exegese Hrsg. von Klaus Neumann. – Stuttgart: Kohlhammer, vollzogen, an denen der Autor oft an vorders- 2015. – 480 S. ter Front beteiligt war und die er mit anstieß – Umbrüche, die im Kern mit der Frage nach der »Streitbare Exegesen« – Exegesen, die Position Relevanz der biblischen Exegese unter gewan- beziehen und Partei nehmen – sind relevante delten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Exegesen, relevant als Beiträge zu zentralen zu tun haben. KONTAKT Armin Stephan, Dipl. Biblio- armin.stephan@ thekar, Leiter der Augusta- augustana.de na-Bibliothek 2. Jahrgang 2016/17 19
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