Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel

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Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
März 2015
Das VPOD-Magazin erscheint 10-mal pro Jahr

Die Gewerkschaft
Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste

Bürokratieexzesse
Rapporte, Checklisten, Evaluationen – und wer macht die Arbeit?
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
Reka-Ferien für 100 Franken                                        Das Angebot gilt für Frühlings-, Sommer- oder Herbstferien.
                                                                     In einigen Reka-Feriendörfern und ausgewählten kleinen Feri-
                                                                     enorten sind auch Winterferien möglich.

                                                                     Die Reka übernimmt die Kosten für die Ferienwohnung oder
                                                                     den Aufenthalt in der Jugendherberge. Die Reise vom Wohnort
                                                                     zum Ferienort ist inbegriffen. Jede angemeldete Person über 16
                                                                     Jahre erhält ein ÖV-Ticket für die Hin- und Rückreise. Kinder
                                                                     von 6-16 Jahren erhalten einen Gutschein für die Juniorkarte.
                                                                     Sie bezahlen lediglich den Solidaritätsbeitrag von 100 Franken.

                                                                     Teilnahmebedingungen:
                                                                     • Für Familien und Alleinerziehende mit mindestens einem
                                                                       Kind bis 18 Jahre.
                                                                     • Im Jahr 2014 haben Sie keine Ferien im Rahmen der Reka-
                                                                       Ferienhilfe verbracht.
                                                                     • Sie sind Schweizer Bürger oder besitzen den Ausweis C
 Geniessen auch Sie                                                    (Niederlassung).
                                                                     • Bei Zweielternfamilien max. Jahreseinkommen* Fr. 57‘000.–
 unbeschwerte Ferientage!                                              bei Alleinerziehenden max. Jahreseinkommen* Fr. 47‘000.–
  Die Schweizer Reisekasse Reka offeriert 20mal Familienferien           *inkl. Kinderzulagen und Alimente. Betreuungskosten können abgezogen werden.
  in der Schweiz für VPOD-Mitglieder mit kleinem Einkommen.              Ab dem 2. Kind erhöht sich der Betrag um 5000 Franken pro Kind. Das Vermögen
                                                                         ist ebenfalls entscheidend. Sämtliche Einkommen und Vermögenswerte müssen
  Viele Familien und Alleinerziehende können von Ferien nur              belegt werden.
  noch träumen, denn das Haushaltsbudget erlaubt es ihnen            • Das Angebot gilt nicht für Studierende.
  nicht, die Ferienwünsche zu verwirklichen. In solchen Fällen
  ist das Angebot der Reka-Ferienhilfe besonders willkommen:          So einfach geht die Anmeldung zur Reka-Ferienhilfe 2015:
  eine Woche Ferien für die ganze Familie zum Solidaritätspreis       VPOD-Mitglieder, welche die Teilnahmebedingungen erfüllen,
  von 100 Franken! 2014 kamen insgesamt 1300 Familien mit fast        bewerben sich beim VPOD Zentralsekretariat, Postfach 8279,
  2700 Kindern in den Genuss dieser besonderen Familienferien.        8036 Zürich oder per Email an tanja.lantz@vpod-ssp.ch.
                                                                      Folgende Angaben sind zwingend erforderlich:
  Zur Auswahl stehen 1300 Reka-Ferienwohnungen in der                 Name, Adresse, Telefon. Sind Sie eine 1- oder 2-Eltern
  Schweiz. Oder Sie entscheiden sich für einen Aufenthalt inkl.       Familie? Wieviele Kinder haben Sie? In welcher Region sind
  Halbpension im Familienzimmer einer besonders familien-             Sie VPOD-Mitglied?
  freundlichen Jugendherberge.                                        Weiterführende Informationen unter www.reka.ch.
Multi_Rechts_4x   25.1.2011   15:55 Uhr   Seite 2

                                                          VPOD-Tasche
                                                                                                 Egal, ob weiblich oder männlich, diese Ta-
                                                                                                 sche passt zu jedem Typ. Sie ist mit einem
                                                                                                 längenverstellbaren Traggurt, ei­nem Aus-
                                                                                                 sen- und einem Handyfach ausgestattet
                                                                                                 und ist auch mit Biker-Gürtel erhältlich. In
                                                                                                 ihr finden problemlos ein Bundesordner
                                                                                                 A4 oder ein Laptop Platz. Die Tasche lässt
                                                                                                 sich mit wenigen Handgriffen vergrössern.
                                                                                                 Da die Produktion nur in kleinen Mengen

«Wer  übernimmt
 Kosten
  die     Delle           für die
                                                                  Jetzt bestellen!
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                                                                                                 erfolgt, muss mit einer gewissen Lieferfrist
                                                                                                 gerechnet werden. Die Taschen werden
                                                                                                 in der Strafanstalt Pöschwies, Regensdorf
                                                                                                 (Jail-Bag), hergestellt.
 an   meinem      Auto,wenn                               Bestell-Talon
           Verursacher
                                           ?»
   der
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                                                                                         Tasche(n)        Tasche(n) mit Biker-Gürtel

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                                                          Einsenden an         VPOD Zürich, Postfach, 8036 Zürich
                                                                               Telefon 044 295 30 00, Fax 044 295 30 03
                                                                               info@vpod-zh.ch, www.vpod-zh.ch
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
Editorial und Inhalt | VPOD

        Themen des Monats

5       Botschaft verstanden
        Ein Warnstreik bei Swissport am Genfer Flughafen
        wird zum durchschlagenden Erfolg

6–7     Vom Kurs abgekommen
        Die Aufhebung der Euro-Untergrenze schadet
        der Schweizer Wirtschaft                                                 Christoph Schlatter
                                                                  ist Redaktor des VPOD-Magazins
8       Wem die Stunde schlägt
        Sozialpartner einigen sich auf Beibehaltung
        der Zeiterfassung

9       Gesundheit ist keine Handelsware                   Spieltheorie
        Weitreichende Liberalisierungsvorschläge bei den   Ich bin immer der Hund. In meiner neuen Monopoly-App. Der
        geheimen Tisa-Gesprächen                           Hund tritt an gegen die Katze, das Schlachtschiff, den Zylinder.
                                                           «Katze gewinnt 100 M durch Ereignisfeld», sagt die App. «Zylinder
11–16   Gegen Administrationsexzesse                       hat Hafenstrasse gekauft.» «Schlachtschiff hat 1 Haus auf Goethe-
        – Dokumentation und Evaluation ohne Ende          strasse gebaut.» «Oh nein! Hund ist ins Gefängnis gewandert!»
        – Was tun gegen überbordende Bürokratie?          Bei der deutschen Version, die ich auf dem Handy habe, gibt’s keine
                                                           Korn- oder Paradeplätze in Chur oder in Zürich, nur blosse Adres-
                                                           sen wie Parkallee oder Opernplatz. Hiesige Privat-, Berg-, Schwebe-
        Rubriken                                           und Überlandbahnen heissen dort Süd-, West-, Nord- und Haupt-
                                                           bahnhof. Egal: Sie garantieren ein regelmässiges Einkommen,
                                                           wenn man alle viere besitzt. Jedenfalls in der mittleren Spielphase,
4       Gewerkschaftsnachrichten                           ehe die grossen Investitionen getätigt werden. Dann geschieht, was
                                                           stets geschieht im Spätkapitalismus: Die Reichen werden immer
17      Susi Stühlinger: Riesenslalom                      reicher. Die Armen werden immer ärmer. Wir müssen uns ver-
                                                           schulden, müssen Häuser, ganze Strassenzüge verpfänden. Wir
18      Die Wirtschaftslektion:                            verkaufen: Elektrizitätswerk an Katze, Wasserwerk auch, es nützt
        Lohnsenkungen machen alles noch schlimmer          aber alles nichts. Bald gibt’s gar keine Einnahmen mehr, weil alles
                                                           bis unter die Dachrinne belastet ist.
19      Wettbewerb: Dornenvogel                            Haben wir etwas falsch gemacht? Wir waren womöglich etwas spät
                                                           dran, als die Welt aufgeteilt wurde. Nicht unsere Schuld. Kran-
20      VPOD aktuell                                       kenhausgebühr mussten wir zahlen und Steuern, als die anderen
                                                           investierten. Kein Glück eben, und dann kam noch Pech dazu.
21      Hier half der vpod:                                «Zylinder ist bankrott und aus dem Spiel ausgeschieden», sagt die
        Das Recht auf Gewerkschaft gilt überall            App. Der arme Kerl windet sich, plustert sich nochmals auf, sackt
                                                           zusammen und erlischt. Das Schlachtschiff torkelt, kentert, säuft
22      Solidar Suisse:                                    ab. Ich, der Hund, gucke meinen traurigsten Hundeblick und lege
        Community-Radio in Nicaragua                       mich zum Sterben. «Katze gewinnt.» Tusch. Goldregen.
                                                           Da kann man was lernen. Wer Monopoly gewinnt, hat alles richtig
23      Menschen im VPOD:                                  gemacht. Sie habe eben, sagt die Katze, zu gegebener Zeit inves-
        Manuela Kalaj, Pflegefachfrau mit Leib und Seele   tiert, aber nicht zu viel, stets auch für Liquidität gesorgt. Sie habe
                                                           ihre Häuser in Schuss gehalten, habe ihre Grundstücke planvoll
                                                           arrondiert, sagt die Katze. Innovation, Lohnzurückhaltung, Risi-
                                                           komanagement, Agenda 2010. Geld müsse immer zuerst verdient
                                                           werden, ehe man es ausgeben könne. Und die Schuldenwirtschaft
                                                           der Herren Schlachtschiff und Hund ... Wer jahrelang über seine
        Redaktion /Administration:
        Postfach 8279, 8036 Zürich                         Verhältnisse lebe ... Sagt die Katze.
        Telefon 044 266 52 52, Telefax 044 266 52 53       Der einzige Unterschied zwischen Monopoly und dem richtigen
        Nr. 2, März 2015                                   Leben: Hier bleibt der Verlierer im Spiel. In Athen Syntagmaplatz
        E-Mail: redaktion@vpod-ssp.ch | www.vpod.ch        und Thessaloniki Aristotelesstrasse kann man das Interview mit
        Erscheint 10-mal pro Jahr                          der Katze nicht mehr hören. (Ich bin immer der Hund.)

                                                                                                                    März 2015 3
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
VPOD | Gewerkschaftsnachrichten

                                                                            Wird abgeschaltet: NZZ-Rotations-
                                                                            druckmaschine in Schlieren.

                                                                            Wird von den Beschäftigten gewünscht:
                                                                            Demokratie in Unternehmen.

                                                                            rüber, ob die Digitalisierung zu mehr Selbstbestimmung beitragen
                                                                            könne. In einem Umfeld, wo Mitarbeitende Wissen teilen, Schnitt-
                                                                            stellen organisieren und über Abteilungsgrenzen hinweg agieren
                                                                            sollen, müsste eigentlich der «einsame Herrscher an der Spitze»
                                                                            der Vergangenheit angehören. Doch der Unternehmensalltag sieht
                                                                            oft anders aus: Beschäftigte beklagen geringer werdende Spielräu-
                                                                            me. Während zwei Drittel der Befragten für demokratischere Ent-
                                                                            scheidfindung eintreten, halten die interviewten Firmenchefs das für
                                                                            «schwer realisierbar». | pd/slt (Foto: sör alex/Photocase.de)

                                                                            SEV begrüsst BLS-Entscheid zu Werkstätten
                                                                            Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV begrüsst den Ent-
Arbeitslosigkeit kann Menschen in den Suizid treiben                        scheid der BLS, ihre Fahrzeuge ab 2019 teilweise in Givisiez (Kanton
Jährlich nehmen sich rund 45 000 Menschen das Leben, weil sie oder          Freiburg) zu warten. Seit längerer Zeit war klar, dass die Werkstätte
jemand in ihrem Umfeld von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Dies            Aebimatt hinter dem Berner Hauptbahnhof geschlossen wird, weil
zeigt eine Studie der Universität Zürich mit Daten aus 63 Ländern.          der Platz für den Gleisausbau benötigt wird. Dass die Fahrzeuge wei-
«Pro Jahr steht weltweit etwa jeder fünfte Suizid direkt oder indirekt      terhin mit eigenem Personal gewartet werden, erfüllt eine zentrale
mit Arbeitslosigkeit in Verbindung», sagt Carlos Nordt vom Forscher-        Forderung des SEV. Auf diese Weise bleibt auch das Fachwissen im
team der Psychiatrischen Universitätsklinik. Alter und Geschlecht           Haus. Wie sich der Umbau aufs Personal auswirkt, müsse nun sorg-
spielen keine Rolle; hingegen ist der Zusammenhang zwischen Ar-             fältig abgeklärt werden, sagt der SEV. | sev/slt
beitslosigkeit und Suizid stärker ausgeprägt in Ländern mit allgemein
tiefer Erwerbslosigkeit als in jenen mit konstant hoher Quote. Die Stu-     Verfehlte Schliessung der NZZ-Druckerei
die ist in der Zeitschrift The Lancet Psychiatry publiziert. | pd/slt       Der Verwaltungsrat der NZZ bleibt für gute Argumente unzugäng-
                                                                            lich: Die Druckerei in Schlieren wird per 30. Juni dichtgemacht;
Gesünder dank Ehrenamt?                                                     125 Beschäftigte verlieren ihren Job in einer der rentabelsten Drucke-
Erwerbstätige Menschen, die nebenbei ehrenamtliche Aufgaben                 reien der Schweiz. Die Gewerkschaft Syndicom bleibt dabei, dass die-
wahrnehmen, erfreuen sich besserer Gesundheit und sind mit der              ser Entscheid weder einer ökonomischen noch einer publizistischen
Balance zwischen Privatleben und Arbeit zufriedener als Menschen,           Logik folgt. Eine Weiterführung des Zeitungsdrucks in Schlieren
die keine Freiwilligenarbeit leisten. Zu diesem Schluss kommt eine          ist möglich, ohne dass die NZZ in Schwierigkeiten geriete und ihre
vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte Studie. Allerdings ist         digital-publizistischen Pläne ändern müsste. Zur wirtschaftlichen Ig-
der festgestellte Unterschied gering – und es ist auch nicht sicher,        noranz gesellt sich soziale Verantwortungslosigkeit: Die Betroffenen
ob das Huhn oder das Ei zuerst da war: Romualdo Ramos gibt zu,              werden grosse Mühe haben, innerhalb der Branche und im Raum
dass der Zusammenhang auch daher rühren könne, «dass jene Men-              Zürich eine gleichwertige Stelle zu finden – zumal zu befürchten ist,
schen, die gesünder sind, einfach eher dazu neigen, ehrenamtlich zu         dass der starke Franken die Arbeitsplatzsituation in der grafischen
arbeiten, als solche, denen es gesundheitlich schlechter geht». Bei         Industrie noch verschlimmern wird. | syndicom/slt (Foto: Gaëtan
Pensionierten seien die positiven Begleiterscheinungen von Freiwil-         Bally/Keystone)
ligenarbeit deutlicher ausgeprägt, stellt die Studie zudem fest. | pd/slt
                                                                            Julius Bär baut ab – und erhöht Dividende
Mehr Demokratie in Unternehmen                                              Der von der Julius-Bär-Gruppe kommunizierte Abbau von 200 Mit-
Deutsche Beschäftigte wünschen sich, einer Studie zufolge, stär-            arbeitenden ist für den Schweizerischen Bankpersonalverband nicht
keren Einf luss auf Entscheidungen in ihrem Unternehmen. Sie                nachvollziehbar – angesichts des sehr guten Jahresergebnisses 2014
möchten beispielsweise die Führungskräfte wählen und die Fir-               und erst recht angesichts der Erhöhung der Dividende. Auch der
menstrategie mitbestimmen können. Bei der Vorstellung der Un-               Kaufmännische Verband stösst sich an diesen voreiligen und völlig
tersuchungsergebnisse durch die TU München und das Institut für             einseitigen Massnahmen in der Folge der Auf hebung der Wechsel-
Sozialwissenschaftliche Forschung München diskutierten Unterneh-            kursuntergrenze. Wichtig seien jetzt rasche Informationen über Zeit-
mer, Gewerkschafterinnen, Politikerinnen und Wissenschaftler da-            plan und Umfang des geplanten Personalabbaus. | slt

4 März 2015
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
Arbeitskampf | VPOD

Eindrücklicher Warnstreik bei Swissport am Flughafen Genf sichert die Arbeitsbedingungen

Durchschlagender Erfolg
Sieg auf der ganzen Linie: Ein dreistündiger Warnstreik des Swissport-Personals am Flughafen Genf wurde so stark
befolgt, dass die Geschäftsleitung in praktisch allen Punkten nachgab. Sogar die verpassten Arbeitsstunden
werden bezahlt. | Text: VPOD (Fotos: Eric Roset)

Es war einiges anders diesmal als bei früheren Arbeitskämpfen
am Flughafen Genf. So hat auch der Hausverband Push die vom
VPOD ausgerufene Aktion unterstützt (oder zumindest nicht be-
kämpft). Nach dem Scheitern der Schlichtungsverhandlungen
drohte den über 1000 Beschäftigten von Swissport massiver Ab-
bau: Lohneinbussen von mehreren Hundert Franken pro Monat.
Die jetzt unterzeichnete Vereinbarung sieht vor, dass der bestehen-
de GAV, der Ende Februar ausgelaufen wäre, bis am 31. Dezember
2016 fortgeführt wird (bei Einfrierung der Löhne ab Januar 2016).
Die vorgesehenen Lohnschritte werden gewährt, die Aufteilung
der Pensionskassenbeiträge bleibt bestehen. Für die Hilfskräfte
gibt es sogar eine Verbesserung: Auch für sie wird eine Kranken-
taggeldversicherung eingeführt.

Umfassende Garantien
VPOD-Regionalsekretär Jamshid Pouranpir ist sehr zufrieden mit
dem Erreichten. Zumal der Arbeitgeber nicht nur die Kosten für
die streikhalber nicht geleisteten Arbeitsstunden übernimmt, son-
dern auch die Garantie abgibt, dass die Teilnahme am Streik kei-
nerlei Sanktionen zur Folge hat. Swissport hat sogar Massnahmen
zugesichert gegen jene Vorgesetzten, die Streikwillige mit Kündi-
gungsdrohungen einzuschüchtern versuchten.
An jenem Februarmontag wurden fast alle vom Warnstreik über-
rascht. Um 10.55 Uhr erging der Streikaufruf per Lautsprecher; kurz
nach 11 Uhr hatten sich etwa 50 Leute versammelt, und die Spannung
stieg, ob der Aufruf überall befolgt werde. Er wurde es: Aus allen
Bereichen, in denen die Swissport tätig ist, strömten gegen 400 An-
gestellte herbei, nicht nur die starken Jungs von Gepäckabfertigung,
Fracht und Piste in ihren Leuchtjacken und -hosen, sondern auch das
mehrheitlich weibliche Personal vom Check-in. Die Anzeigetafel des
Flughafens vermeldete auf Französisch korrekt Verspätungen wegen
«débrayage» ; auf Englisch hiess der Grund «heavy snowfall» ... Die
Arbeitsniederlegung hatte spürbare Folgen; so startete die Maschine
nach New York 3 Stunden zu spät – und ohne Gepäck.

«Schweiz» nur noch im Namen
Die Swissport International AG, eine der Swissair-Nachfolgegesell-
schaften, hat seit ihrem Bestehen schon viermal den Besitzer ge-
wechselt. Schweizerisch ist nur noch der Name. Die Firma ist der
grösste Anbieter von Bodenabfertigungsdienstleistungen weltweit;
in Genf hat sie einen Marktanteil von 70 Prozent.

                                               Der Arbeitgeber bezahlt sogar
                                      die Streikzeit: Erfolg für kämpferische
                                                      Swissport-Beschäftigte.

                                                                                                         März 2015 5
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
VPOD | Währungspolitik

Überbewerteter Franken: Nationalbank muss für tragbare Verhältnisse sorgen

Vom Kurs abgekommen
Der Entscheid, die Wechselkursgrenze aufzugeben, droht zur grössten wirtschaftspolitischen Fehlleistung der
letzten Jahrzehnte zu werden. Jetzt müssen die Schweizerische Nationalbank und der Bundesrat ihren geld- und
konjunkturpolitischen Auftrag wahrnehmen. | Text: Paul Rechsteiner, SGB-Präsident (Fotos: asafeliason/Fotolia.de)

                                                 Ohne dass dies durch reale wirtschaftliche       nämlich die Aufgabe, eine Währungspolitik
                                                   Daten irgendwie zu begründen gewesen           im Gesamtinteresse des Landes zu führen,
                                                      wäre, hat die Schweizerische Natio-         Preisstabilität zu gewährleisten und dabei
                                                         nalbank (SNB) durch die Aufgabe          die konjunkturelle Entwicklung zu berück-
                                                           des Mindestkurses auf einen            sichtigen. Allen, die den Tatsachen ins Auge
                                                             Schlag eine Überbewertung            sehen, ist bewusst, dass sich Wechselkurs-
                                                               des Frankens von rund 25           probleme wirksam nur durch Massnahmen
                                                                Prozent herbeigeführt. Der        beim Wechselkurs selber bekämpfen lassen
                                                                 Währungsschock bedroht           (siehe unten). Alles andere sind Scheinge-
                                                                  Arbeitsplätze, Löhne und        fechte oder Ablenkungsmanöver. Nach dem
                                                                   ganze Industriezweige.         Schock dauerte es allerdings nicht lange,
                                                                   Bleibt der Frankenkurs         bis die ersten politischen Währungskrisen-
                                                                    dermassen ausser Kon-         gewinnler auf den Plan traten (siehe rechte
                                                                    trolle, droht statt der er-   Seite).
                                                                    warteten wirtschaftlich       Statt die Ursache der Probleme, nämlich
                                                                   positiven Entwicklung          den ausser Kontrolle geratenen Wechsel-
                                                                   die Deflation.                 kurs, zu benennen, wird die starke Überbe-
                                                                                                  wertung des Frankens jetzt dazu benützt,
                                                                   Groteske Rezepte               neoliberale Wunschzettel und den Abbau
                                                                 Eine K r ise, die von der        sozialer Errungenschaften auf dem Bu-
                                                               Nationalbank selber her-           ckel der Bevölkerung zu propagieren. Es
                                                              beigeführt wurde: Das wider-        ist grotesk, dass wegen des überbewerteten
                                                            spricht dem Auftrag der SNB           Frankens an den Schweizer Lohnabhängi-
                                                          diametral. Diese hat nach Gesetz        gen die verfehlten Rezepte des Lohndrucks

Der Werkzeugkasten der Nationalbank
Warum die Nationalbank den Mindestkurs aufgegeben hat, ist bis           machen. Leider beliess sie es Ende 2014 bei der Ankündigung, einen
heute nicht klar. Die SNB kann eine Aufwertung grundsätzlich immer       Monat später Negativzinsen von (bescheidenen) –0,25 Prozent einzu-
bekämpfen, weil sie alleine unendlich Franken «produzieren» und in       führen.
den Devisenmarkt fliessen lassen kann. Damit ist sie stärker als alle    Dass die Nationalbank vermehrt intervenieren musste, dürfte zu einem
anderen Marktteilnehmer. Grundsätzlich werden Kursuntergrenzen           beträchtlichen Teil auf die immer geringer werdende Zinsdifferenz zum
auch in anderen Ländern mit direkten Interventionen – dem Kauf von       Euro zurückzuführen sein. Einst, bei Einführung der Untergrenze, war
Fremdwährungen – durchgesetzt. Das kann tatsächlich dazu führen,         der Unterschied relativ gross. Er schwand fast gänzlich, als die Euro-
dass die Fremdwährungsreserven wachsen. Grundsätzlich ist das aber       päische Zentralbank ihrerseits die Zinsen senkte. Ein Anleger, der vom
nicht problematisch, so lange diese Reserven liquide bzw. später wie-    Euro in den Franken wechselte, erlitt somit fast keine Renditeeinbusse
der verkäuflich sind.                                                    mehr. Ob Franken oder Euro war aus dieser Perspektive zunehmend
Doch selbst wenn man der Meinung ist, die SNB-Fremdwährungsre-           egal. Um die Anleger somit wieder vermehrt vom Franken fernzuhal-
serven hätten ein kritisches Mass erreicht, bedeutet das noch lange      ten, wäre eine grössere Zinsdifferenz notwendig gewesen. Angesichts
nicht das Ende des Mindestkurses. Die Nationalbank hat weitere Inst-     der sehr tiefen Zinsen im Euroraum ist das nur via Negativzinsen zu
rumente zu ihrer Verfügung. Sie kann den Devisen- und Kapitalmarkt       erreichen. Warum die SNB zur Entlastung der Untergrenze keine genü-
einschränken – bei Bedarf mit Hilfe des Bundesrates oder des Parla-      gend scharfen Negativzinsen eingeführt hat, ist bis heute das Geheim-
mentes. Und sie kann den Franken durch Negativzinsen unattraktiv         nis ihres Direktoriums. | Daniel Lampart, SGB-Chefökonom

6 März 2015
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
Währungspolitik | VPOD

50 Shades of Arbeitgeberfantasien
Der Franken ist überbewertet. Der ungünstige Eurokurs schmälert in vielen     allein profitiert umgekehrt ja auch davon, wenn
Betrieben den Ertrag. Gewisse Firmen erwägen deshalb, mit Lohnsenkungen       der Wechselkurs in die andere Richtung
oder mit Eurolöhnen die Kosten zu drücken. Oder sie überlegen sich, wenigs-   ausschlägt und so den Ertrag des Unter-
tens die Grenzgänger in Euro zu entschädigen. Doch solche Massnahmen sind     nehmens erhöht. Weiter verbietet die ju-
Fantasien, denen das Gesetz einen Riegel schiebt; sie widersprechen allen     ristische Lehre Lohnsenkungen als Form
einschlägigen arbeitsrechtlichen Prinzipien und der Rechtsprechung.           einer Beteiligung am negativen Ge-
Richtig: Der Arbeitgeber verfügt über Handlungsspielraum bei der Festle-      schäftsgang einer Firma (Art. 322a OR).
gung der Löhne und damit auch bei deren Senkung, sofern er dabei Treu
und Glauben und die guten Sitten wahrt und sofern für die Arbeitnehmen-       Grenzgänger sind kein Freiwild
den voraussehbar ist, was sie am Ende in der Lohntüte haben. Dabei ist        Auch mit Grenzgängerinnen und Grenz-
jedoch längst nicht alles erlaubt. So bestimmt Art. 323b Obligationenrecht    gängern darf man nicht nach Gutdünken ver-
(OR), dass der Arbeitgeber den Lohn in einer «gesetzlichen Währung» zu        fahren. Art. 2 des Freizügigkeitsabkommens (präzisiert in Art. 9 Abs. 1
entrichten hat; diese Währung ist ein notwendiger Bestandteil des Arbeits-    im zugehörigen Anhang I) verbietet eine unterschiedliche Behandlung
vertrages, der nicht einseitig vom Arbeitgeber geändert werden darf.          nach Nationalität oder Wohnort. Wirtschaftliche Gründe wie etwa die
Überhaupt ist die Überwälzung des Unternehmerrisikos auf die Arbeitneh-       Schwankung des Wechselkurses vermögen solche Diskriminierungen
menden aus gutem Grund verboten: Art. 324 OR ist zwingend und kann            nicht zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber darf also keine Spezialregelung
weder durch Einzel- noch durch Gesamtarbeitsvertrag ausgehebelt wer-          für Grenzgänger treffen. Und das ist gut so, weil damit auch die in der
den. Genau darum geht es jedoch, wenn ein ungünstiger Wechselkurs die         Schweiz wohnenden Beschäftigten geschützt sind: Man kann sie nicht
Ertragsaussichten einer Firma trübt. Der Wechselkurs ist Teil des Unterneh-   mit «billigen» Leuten von ennet der Grenze konkurrenzieren oder gar
merrisikos; der Arbeitgeber muss dieses vorausschauend übernehmen; er         ersetzen. | Luca Cirigliano, SGB-Sekretär

und des Abbaus sozialer Errungenschaften            plätzen geopfert werden. Die Schweizer              grenze. Auch 2010/2011 wurde hartnäckig
durchexerziert werden sollen, unter denen           Industrie hat sich bisher gegen alle Unter-         behauptet, die Wiedereinführung eines
bei ganz anderen Voraussetzungen die süd-           gangsszenarios unter schwierigen Bedin-             Mindestkurses sei unmöglich oder unre-
europäischen Länder zu leiden hatten und            gungen behauptet und ist weltmarktfähig.            alistisch. Bis im Sommer 2011 nicht mehr
zu leiden haben.                                    Eine Nationalbank, die mit ihrer Währungs-          nur die Gewerkschaften, sondern auch
                                                    politik ein Grounding von wichtigen Teilen          wichtige Teile der Industrie einen neuen
Versagen beim Grundauftrag                          der Schweizer Wirtschaft in Kauf nimmt,             Mindestkurs forderten.
Verantwortungslos handeln auch jene, die            versagt bei ihrem Grundauftrag. Auch eine           Angesichts des viel stärkeren und präze-
sich mit der krassen Überbewertung des              fatalistische Haltung gegenüber dem dro-            denzlosen Währungsschocks vom Janu-
Frankens einfach abfinden. Das Ergebnis             henden massiven Anstieg der Arbeitslosig-           ar darf es jetzt nicht wieder ein Jahr oder
des politischen Fatalismus wäre, dass ganze         keit ist zu verurteilen.                            länger dauern bis zur Kehrtwende. Die
Branchen mit Zehntausenden von Arbeits-             Wenn aber Wechselkursprobleme wirksam               Schweiz hat eine eigene Währung, und so-
                                                    nicht anders bekämpft werden können als             lange das so ist, müssen die zuständigen In-
                                                    über den Wechselkurs selber, dann muss              stanzen dafür sorgen, dass diese Währung
                                                    die Nationalbank das Heft in die Hand neh-          der Wirtschaft und der Bevölkerung nützt,
                                                      men und den Kurs wieder unter Kontrolle           nicht schadet. Es gibt weltweit keine ver-
                                                          bringen. Die Schweiz kannte seit 1978         gleichbare offene Volkswirtschaft, die ihre
                                                             mit Ausnahme der Phase 2010/2011           Währung völlig ungeschützt der Devisen-
                                                               stets eine explizite oder implizite      spekulation aussetzt. Die Gewerkschaften
                                                                                      Franken-          verlangen also, dass die Zuständigen den
                                                                                          U n t e r-    Franken wieder auf ein tragbares Niveau
                                                                                                        bringen – auf ein Level, das Planungssi-
                                                                                                        cherheit schafft und die Wirtschaft und die
                                                                                                        Arbeitsplätze schützt. Und sie verteidigen
                                                                                                        die Löhne und Arbeitsbedingungen. In der
                                                                                                        Pf licht steht nicht nur die Nationalbank,
                                                                                                        sondern auch der Bundesrat.

                                                                                                                                         März 2015 7
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
VPOD | Politik

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung wird für Gutverdienende mit viel Arbeitsautonomie gelockert

Keine Zeit verschenken
Seit Jahren ist die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung Gegenstand von Verhandlungen. Jetzt haben sich die Spitzen
der Sozialpartner auf eine neue Regelung geeinigt. Für Gutverdienende mit grosser Zeitsouveränität soll die
Vertrau­ensarbeitszeit zulässig sein – aber nur im Rahmen eines GAV. | Text: Luca Cirigliano, SGB, und Christoph Schlatter,
VPOD (Foto: Cydonna/photocase.de)

Die Firmen in der Schweiz sind gesetzlich verpflichtet, die Arbeits-        festlegen können und die einen AHV-pflichtigen Bruttolohn von über
zeit ihrer Angestellten zu dokumentieren. Ausnahmen gibt es nur für         120 000 Franken pro Jahr haben. Weitere Bedingung: Die Ausnahme
die Führungsebene. Damit sollen die Beschäftigten vor Überlastung,          muss in einem Gesamtarbeitsvertrag geregelt sein, der von den re-
Burnout und Selbstausbeutung geschützt werden. Doch das Instru-             präsentativen Sozialpartnern in der Branche oder im Unternehmen
ment wurde zunehmend schlechter angewendet und immer seltener               abgeschlossen wird. Dieser GAV muss zudem spezifische Massnah-
durchgesetzt. Im Journalismus zum Beispiel oder in der Finanzbran-          men zum Schutz der physischen und psychosozialen Gesundheit ent-
che hat sich eine Mentalität verbreitet, die das Pochen auf einen Feier-    halten. Schliesslich ist das schriftliche Einverständnis des betroffenen
abend oder gar auf ein freies Wochenende mit ungenügender Loyalität         Arbeitnehmers Voraussetzung – wobei diese letztere Bestimmung
gleichsetzt. Wirtschaftsverbände, Parlament und Bundesrat nutzten           erfahrungsgemäss relativ schwach wirkt, weil arbeitnehmerseits im
die Gelegenheit und machten Druck, bei der Pflicht zur Arbeitszeiter-       Weigerungsfall negative Konsequenzen befürchtet werden.
fassung grössere Spielräume einzubauen. Einige wollten unter dem            Eine andere Erleichterung der Erfassungspflicht ist für Branchen
Label «Flexibilisierung» die Formel «Zeit gegen Geld» grad gänzlich         und Betriebe ohne GAV vorgesehen: Dort kann zwischen Direktion
aufheben. Die Gewerkschaften aber wissen um die Gesetzmässigkeit,           und Personalkommission eine Vereinbarung für eine «erleichterte»
dass Deregulierung immer der schwächeren Partei schadet.                    Zeiterfassung getroffen werden, welche die Lage der Arbeitszeit –
                                                                            von wann bis wann gearbeitet wurde – nicht festhält.
Neues Fundament                                                             Mit der neuen Regelung wurde aber Schlimmeres verhindert. Die
Jetzt stellt eine neue Regelung die Arbeitszeiterfassung auf ein neues      vollständige Abschaffung der Zeiterfassung für ganze Branchen,
Fundament. Die Formulierung wurde vom Departement für Wirt-                 wie sie zum Beispiel zwei in den eidgenössischen Räten hängige
schaft, Bildung und Forschung vorgeschlagen und wird von den                Motionen verlangen, wäre einem eigentlichen Dammbruch gleich-
Dachverbänden der Sozialpartner akzeptiert oder zumindest nicht             gekommen. Es bestand zudem die Gefahr, dass der Bundesrat in ei-
bekämpft; ausgehandelt wurde sie letztlich zwischen SGB-Präsident           gener Regie via Verordnungsänderung weitergehende Ausnahmen
Paul Rechsteiner und Arbeitgeberverbandspräsident Valentin Vogt.            beschlossen hätte. Mit der Neuregelung sind Mechanismen zum
Ausnahmen lässt die Vorschrift, deren Text noch nicht im Wortlaut           automatischen Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung blockiert, etwa
bekannt ist, nur beschränkt zu. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit und       eine schlichte Lohngrenze, oberhalb welcher Vertrauensarbeitszeit
die Bestimmungen über Pausen und Überzeit haben weiterhin für               ohne weitere Bedingung zulässig gewesen wäre. Oder der Eintrag
alle Beschäftigten Gültigkeit. Von der Zeiterfassungspflicht ausneh-        des für die Befreiung von der Erfassung vorgesehenen Arbeitneh-
men lassen sich nur Arbeitnehmende, die in ihrer Tätigkeit über eine        mers im Handelsregister, was das Seco ursprünglich vorgeschlagen
grosse Autonomie verfügen, die ihre Arbeitszeit grösstenteils selber        hätte (und was dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet hätte).

                                                                            Korrekte Durchsetzung nötig
                                                                            Mit der neuen Regelung stehen nun die Arbeitgeber sowie Bund
                                                                            und Kantone in der Pflicht. Sie müssen für eine korrekte Durchset-
                                                                            zung sorgen. Auch müssen die Arbeitgeber in den GAV spezifische
                                                                            Schutzmassnahmen gegen psychosoziale Risiken akzeptieren; das
                                                                            gilt auch für die Bankbranche, wo eine Vereinbarung bereits besteht.
                                                                            Es darf nicht wieder vorkommen, dass die Behörden einfach weg-
                                                                            schauen, wenn Gesetz und Verordnung mit Füssen getreten werden.
                                                                            Sonst greift die Gesellschaftskrankheit Burnout immer weiter um
                                                                            sich. Das würde allen schaden, Arbeitnehmenden wie Firmen.

                                                                            Gratis ist fast nichts im Leben – auch nicht
                                                                            die Zeit jener, die ihre Arbeitskraft verkaufen.
                                                                            Die Arbeitsstunden werden gemessen, damit
                                                                            sie gerecht bezahlt werden können.

8 März 2015
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
International | VPOD

Tisa-Geheimverhandlungen: Ein neuer Vorschlag zielt offenbar auf vollständige Kommerzialisierung des Gesundheitswesens

«Mangel an Marktorientierung»
Unter dem Label Tisa verhandelt eine Auswahl von (reichen) Staaten in Genf ein globales Dienstleistungsabkommen.
Auch die Schweiz ist dabei – ohne jedes Mandat. Neue Enthüllungen zeigen, dass einige Länder in diesem Rahmen das
Gesundheitswesen radikal liberalisieren wollen. Ein Ansatz mit katastrophalen Folgen.

Allmählich nimmt die Schweizer Öffentlich-
keit Kenntnis von dem, was in Genf seit ge-
raumer Zeit hinter verschlossenen Türen in
einem selbsternannten Staatenclub verhan-
delt wird: Mit dem Tisa-Abkommen wollen
die reichen Industrienationen Liberalisie-
rungen im Dienstleistungsbereich durch-
drücken. Im Rahmen des Doha-Abkommens
ist ihnen das nicht gelungen, weil sie dort
selber zu Zugeständnissen bei ihrer protekti-
onistischen Landwirtschaftspolitik gezwun-
gen worden wären. Nach und nach sickern
nun – dank Whistleblowern – Details aus
den geheimen Gesprächen durch. Ein Vor-
schlag zielt auf die globale und totale Kom-
merzialisierung des Gesundheitswesens ab.

«Grosses Potenzial»
Gemäss der Quelle Associated Whistle-            Qualitätsverlust in den Industrienationen       Gesundheit ist keine Ware und mit der Logik des
Blowing Press wurde der Antrag im Septem-        führen», sagt sie. Der Tisa-Vorschlag gehe      Marktes nicht kompatibel.
ber von der Türkei eingebracht (an den Ver-      davon aus, dass Gesundheitsdienstleistun-
handlungen nehmen unter anderen auch die         gen eine Ware sind, die wie andere Waren
USA und Kanada, die EU und die Schweiz           auf dem Markt gehandelt werden sollen. Und
teil). Danach soll es zum Tisa-Abkommen ei-      das hätte katastrophale Folgen für die über-
nen Anhang geben, der es Patientinnen und        wiegende Mehrheit der Menschheit – auch in      Türen debattiert werden und dass sich die
Patienten einfacher macht, Gesundheits-          den reichen Ländern.                            Öffentlichkeit auf durchgesickerte Informa-
dienstleistungen im Ausland in Anspruch          Die Implementierung eines freien Handels        tionen verlassen muss, um herauszufinden,
zu nehmen. Es gebe «ein grosses ungenutz-        mit Gesundheitsdienstleistungen würde           was die Regierungen in ihrem Namen ver-
tes Potenzial für die Globalisierung» von sol-   unweigerlich einen Abzug staatlicher Mittel     handeln», kommentiert PSI-Generalsekretä-
chen Services, heisst es im Papier. Das liege    aus den Systemen bewirken: Man kann’s ja        rin Rosa Pavanelli.
in erster Linie daran, «dass die Gesundheits-    im Ausland billiger haben. Dort allerdings
versorgung von staatlichen Institutionen         auch nur solange, als die Finanzierung öf-      Kein Verkauf von Menschenrechten
oder Wohlfahrtsorganisationen finanziert         fentliche Gelder mit einschliesst. Fallen       Pavanelli hält fest, dass Gesundheit ein
und übernommen wird und für ausländi-            diese weg, entstehen Marktpreise, gemäss        Menschenrecht ist: «Sie darf nicht verkauft
sche Wettbewerber aufgrund des Mangels           denen zahlreiche Behandlungen auch für          werden und ist kein Handelsgut. Das Ge-
an marktorientierten Betätigungsfeldern          den Mittelstand unerschwinglich werden          sundheitssystem ist dazu da, uns und un-
praktisch nicht von Interesse ist». Und das      (und folglich bald gar nicht mehr angeboten     seren Angehörigen ein möglichst gesundes
soll sich ändern?                                werden). Die Staaten müssten erneut interve-    Leben zu ermöglichen – und dient nicht
Odile Frank von Public Services Internati-       nieren – mit einem System von Gutscheinen       dem Zweck, Grosskonzernen fette Gewin-
onal (PSI), der Dachorganisationen der Ge-       oder von individuellen Gesundheitskonten.       ne zu sichern.» Das Gewinnpotenzial für
werkschaften im öffentlichen Dienst, der         Damit wäre die Subjektfinanzierung etab-        Unternehmen ist in der Tat hoch. Die Ge-
auch der VPOD angehört, hat das Papier           liert, die bewirkt, dass öffentliches Geld am   sundheitsversorgung nimmt in den 50 an
analysiert und hegt schlimmste Befürchtun-       Ende in den Taschen der privaten Konzerne       Tisa beteiligten Staaten einen gewichteten
gen: «Die Umsetzung des Prinzips würde           verschwindet. «Es ist ein Skandal, dass Vor-    Anteil von 12,5 Prozent des Bruttoinland-
die Gesundheitskosten in den Entwicklungs-       schläge über die Abschaffung öffentlicher       produktes ein. | PSI/slt (Foto: trepavica/pho-
ländern in die Höhe treiben und zu einem         Gesundheitssysteme hinter geschlossenen         tocase.de)

                                                                                                                                       März 2015 9   9
Bürokratieexzesse - Die Gewerkschaft - Rapporte, Checklisten, Evaluationen - und wer macht die Arbeit? - UB Basel
VPOD | Aus den Regionen und Sektionen

                                    Ganz schräge Masche: Eurolöhne für
                                            Schaff hauser Grenzgänger.

                                        Ganz falsche Farbe: Der Rotstift
                                         schadet der Bundesverwaltung.

Freiburg: Wasser und Gas – städtisch
Es geht um die Zukunft der Industriellen Betriebe: Heute eine öf-
fentlich-rechtliche Einrichtung, sollen sie in der Stadt Freiburg in
zwei Aktiengesellschaften umgewandelt werden, deren Aktien zu-
mindest zu Anfang vollumfänglich in städtischem Besitz sind. Der
VPOD kämpft gegen das Projekt, weil er es als einen ersten Schritt
in einem Szenario sieht, bei dem der Staat die Kontrolle über we-
sentliche Grundversorgungsbereiche verliert. Auch andernorts hat
man die Erfahrung gemacht, dass die Veräusserung öffentlicher Gü-
ter scheibchenweise geschieht – Ausgliederung aus der öffentlichen
Verwaltung, öffentliche AG, private AG, Ausverkauf … In der Stadt
Freiburg geht es aktuell um die Versorgung mit Wasser und mit Erd-
gas und um rund 60 Beschäftigte. Der VPOD fürchtet um deren                menssteuerreform II des Bundes. Das gilt auch für Basel-Stadt, wo
Anstellungsbedingungen und beklagt, dass das künftige Reglement            der VPOD die neuesten Sparpläne der Regierung nicht nachvollzie-
keinen speziellen Kündigungsschutz mehr vorsieht. | slt                    hen kann. Insbesondere den Stellenabbau an Schulen, die Reduktion
                                                                           der Unterstützung für die integrative Schule und die Massnahmen
Schaffhausen: «Ganz schräge Masche»                                        im Sozialbereich weist der VPOD vehement zurück, ebenso wie eine
Die Schaff hauser Regierung soll prüfen, ob der Kanton die Grenz-          Verschlechterung der Anstellungsbedingungen. Vielmehr bedarf es
gängerlöhne künftig in Euro entrichten könne. Dies fordert ein             einer Verbesserung: Während in der Privatwirtschaft längst die 41-,
Schaff hauser SVP-Kantonsrat mittels Kleiner Anfrage. Auch die             wenn nicht die 40-Stunden-Woche üblich ist, müssen die Kanton-
Schaff hauser Luxusuhrenfabrik IWC hat verlauten lassen, sie ziehe         sangestellten immer noch 42 Wochenstunden bügeln. Nötig wären
Eurolöhne in Erwägung. Doch Währungsschwankungen gehören                   aus VPOD-Sicht zudem endlich einnahmeseitige Massnahmen,
zum Unternehmerrisiko und lassen sich nicht auf die Arbeitneh-             auch zwecks Korrektur der wachsenden Einkommensunterschiede.
menden abwälzen. Das gilt für die ohne Zweifel unter dem Wäh-              Eigentlich, so der VPOD, müsste Letzteres auch ein Anliegen der
rungsschock leidende Exportindustrie – und erst recht natürlich für        rot-grünen Regierung sein … | vpod
einen Kanton, für den es nicht in Frage kommen kann, für gleiche
Arbeit unterschiedliche Löhne zu bezahlen. Der VPOD erteilt dieser         Bund: Sparen schadet der Heimat
offenkundigen Schnapsidee eine glasklare Absage: Regionalsekre-            Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat ein Nullwachstum beim
tär Kurt Altenburger nannte sie in der Schaff hauser AZ eine «ganz         Stellenbestand des Bundes ab 2016 angekündigt – als Massnahme
schräge Masche». | slt (Foto: Francesca Schellhaas/photocase.de)           vor dem Hintergrund der nach unten korrigierten Rechnung 2014,
                                                                           der schlechter werdenden Wirtschafts- und Steueraussichten und
Zürich: Bischoff will’s wissen                                             in Vorwegnahme von Ausfällen durch die Unternehmenssteuerre-
Kantonsrat Markus Bischoff, Regierungsratskandidat der Alternati-          form III. Die Verhandlungsgemeinschaft Bundespersonal (darin: der
ven Liste Zürich und Präsident des kantonalen Gewerkschaftsbun-            VPOD) kritisiert diese Sparmassnahme allerdings scharf, da sie die
des, will’s wissen und zwingt die Zürcher Regierung zum Handeln.           aktuelle Personalsituation ignoriert: Die aussenpolitische Lage, die
Das Zürcher Kantonsparlament hat ein Postulat der Gewerkschaft-            demografische Entwicklung und die Umsetzung von komplexen Ge-
lichen Gruppe im Kantonsrat für dringlich erklärt. Dieses fordert          setzesrevisionen fordern im Gegenteil der Bundesverwaltung noch
eine rasche Analyse der Folgen des Währungsschocks für den Kan-            mehr Ressourcen ab. Mit dem bestehenden Personal ist die anfallen-
ton. Der Regierungsrat müsse aufzeigen, was er zu unternehmen              de Arbeit nicht zu schaffen. Die Folge: Viele Bundesämter weichen
gedenkt, um Arbeitsplätze und Löhne zu sichern, verlangt VPOD-             seit Jahren auf externe Fachkräfte aus, was vom Parlament kritisiert
Kollege Bischoff. Sein Vorstoss erhielt Stimmen aus AL, SP, Grünen,        wurde. Absolut zu Recht, wie der VPOD findet – nicht nur im Hin-
CSP – und der FDP. Der Ball liegt jetzt beim Regierungsrat. | vpod         blick auf ungleiche Arbeitsbedingungen, sondern auch bezüglich der
                                                                           Wissenssicherung. Erste notwendige Schritte hat der Bundesrat im
Basel-Stadt: Besser kürzer arbeiten …                                      Budget 2015 umgesetzt, indem externes Personal teilweise interna-
Wieder einmal soll das Kantonspersonal die Löcher stopfen, die an-         lisiert und Stellenetats etwas aufgestockt wurden. Die neuen Spar-
dere gerissen haben – in diesem Fall vorab die unselige Unterneh-          massnahmen machen diese Korrektur zunichte. | vpod/slt

10 März 2015
Dossier: Gegen Administrationsexzesse | VPOD

VPOD-Kollegin Sina Bardill hat ein Manifest gegen Überadministration lanciert

Die Evaluation frisst ihre Kinder
Die Klage ist im VPOD verbreitet – speziell bei den Kolleginnen und Kollegen im Gesundheits- und Sozialwesen:
«Vor lauter Rapporten und Checklisten entfernen wir uns immer mehr vom Kern unserer Arbeit.» Was tun gegen über-
bordende Bürokratie? Das VPOD-Magazin hat sich mit Sina Bardill unterhalten, die ein Manifest mitinitiiert hat.
| Text: Christoph Schlatter (Fotos: VPOD und Epert/Photocase.de)

«Wir sind Menschen, die gerne arbeiten und        Paarbeziehungen promoviert und konzent-           shing betrieben wird, geht die Gewerkschaft
unser Bestes geben», heisst es im Manifest        riert sich derzeit auf Beratungs- und Super-      auf Abwehr. Doch die Kritik von Sina Bardill
«Adminus – Eigenverantwortung statt Bü-           visionstätigkeit in eigener Praxis. Aber sie      und Konsorten zielt nicht auf diese – sozu-
rokratie» (zu finden unter adminus.ch).           kennt den Laden «öffentliche Verwaltung»          sagen ältere – Form von Bürokratie, die mit
Und weiter: «Wir wehren uns dagegen, dass         sehr wohl: aus ihrer Arbeit als Leiterin der      grauen Menschen in staubigen Amtsstuben
unser Kerngeschäft zunehmend durch bü-            Berufs-, Lauf bahn- und Studienberatung           assoziiert ist, mit ellbogenschonerbewehrten
rokratische Inhalte entwertet wird, die uns       des Kantons St. Gallen zum Beispiel. Jetzt,       Bürokraten, die eine überflüssige Vorschrift
zu Leistungserbringerinnen, Statistikzu-          in der Küche des alten Bündner Hauses in          nach der anderen erlassen, ohne zu wissen,
lieferern, Formularausfüllern und Berich-         Scharans, das sie mit Ehemann, Kindern            wovon sie reden. (Ganz abgesehen davon,
teverfasserinnen machen. Für uns stehen           und Seite an Seite mit weiteren teils promi-      dass in der Schweiz eine Tradition der Bür-
die uns anvertrauten Menschen im Mittel-          nenten Verwandten bewohnt, erzählt sie von        gernähe herrscht, von der man in den Nach-
punkt. Wir verwenden unsere Zeit lieber für       (fruchtlosen) Gefechten gegen (nutzlose) Bü-      barländern nur träumen kann. In deutschen
sie als für Qualitätsmanagement, Optimie-         rokratie, die auch sie geführt hat. Beispiel:     Amtsstuben ist Reinhard Meys «Antrag auf
rungswut, Statistiken und Berichte, die am        die Einführung eines neuen Arbeitszeiter-         Erteilung eines Antragsformulars zur Bestä-
Ende keiner liest.»                               fassungssystems im Kanton St. Gallen. Der         tigung der Nichtigkeit des Durchschriftex-
                                                  interviewende Gewerkschafter vis-à-vis zuckt      emplars» oft noch immer nicht so weit von
Gewerkschaftliche Reflexe                         zusammen. Zeiterfassung gehört ja zu den          der Realität entfernt.) Angriffsziel ist viel-
Sina Bardill ist Psychologin (und VPOD-           gewerkschaftlichen Kernanliegen. Ist deren        mehr eine Erscheinung der letzten 10 oder
Mitglied). Sie hat mit einer Arbeit über          Schleifung gemeint mit dem Abbau von Bü-          15 Jahre: Unter Labels wie «Evaluation» und
                                                  rokratie?                                         «Qualitätsmanagement» fressen sich auf-
                                                  Nein, die Kollegin will die Arbeitszeiterfas-     wendige Dokumentationsverfahren in im-
                                                  sung nicht abschaffen. Sie will vielmehr          mer mehr Berufsfelder ein und breiten sich
                                                  den Aufwand für die Erhebung in einem             dort einer Hydra gleich aus. Zur Empörung
Sina Bardill, Psychologin und VPOD-Kollegin,      vernünftigen Verhältnis zur gesamten Ar-          der Berufsleute, die sich und das Ethos ihrer
kämpft gegen bürokratische Exzesse.               beitszeit halten: «Wenn täglich eine Viertel-     Profession verkannt, ja verhöhnt sehen.
                                                  stunde bloss fürs Ausfüllen draufgeht oder
                                                  wenn es nicht möglich ist, einen Elternabend      Am Eigentlichen vorbei
                                                  vom Vortag ins System einzuspeisen, dann          «Gerade in Sozial- und Gesundheitsberufen,
                                                  stimmt etwas nicht.» Die kurze Irritation         allgemein in Berufen, die eine hohe inne-
                                                  zeigt, wie schwierig das Thema «Bürokra-          re Motivation voraussetzen, droht dabei ein
                                                  tie» im gewerkschaftlichen Wahrnehmungs-          Gleichgewicht untergraben zu werden, das
                                                  raster zu platzieren ist. Die Dokumentation       für die Ausübung der Profession Vorausset-
                                                  von Handlungen, besonders von staatlich           zung ist», sagt Sina Bardill. «Der Deal lautete
                                                  erbrachten, stellt ja historisch gesehen einen    einst: ‹Ich bin eine motivierte Arbeitskraft,
                                                  Fortschritt dar (siehe Seite 16) – das bestrei-   ich verpf lichte mich kraft Ausbildung und
                                                  tet Sina Bardill in keiner Weise. Aufzeich-       Berufsethik auf zentrale Grundprinzipien
                                                  nung bedeutet Nachvollziehbarkeit, schafft        meiner Arbeit, übernehme Verantwortung
                                                  die Möglichkeit, dass Dinge auch noch im          für mein Handeln – im Gegenzug lasst ihr
                                                  Nachhinein auf ihre Richtigkeit und Gerech-       mich meine Arbeit machen, gewährt mir
                                                  tigkeit hin überprüft werden können.              Handlungs- und Gestaltungsspielraum.›»
                                                  Ausserdem vertritt ja gerade der VPOD jene        Wenn dieser Kontrakt aufgekündigt wird,
                                                  Menschen, die in diesen staatlichen oder pa-      ist Demotivation die zwingende Folge – auch
                                                  rastaatlichen Bürokratien arbeiten – und also     weil all das, was gemessen und dokumentiert
                                                  davon leben. Wo in der Art eines Volkssports      wird, am eigentlichen Inhalt der Tätigkeit vor-
                                                  auf den wiehernden Amtsschimmel ge-               beigeht. Die Pflegefachfrau notiert die Anzahl
                                                  schimpft wird, wo pauschales Beamten-Ba­          verbrauchter Tupfer und Kanülen; der Sozial-

                                                                                                                                     März 2015 11
Zergliedert bis zur Unkenntlichkeit: Nicht alles,
                                                                                                  was Menschen in ihren Berufen tun, lässt sich
                                                                                                  dokumentieren und in Statistiken und Diagramme
                                                                                                  abfüllen.

                                                                                                  kratie? Die Ursachenforschung gestaltet sich
                                                                                                  nicht so einfach. Die Psychologin und der
                                                                                                  Gewerkschaftssekretär mutmassen, dass die
                                                                                                  Komplexität der Systeme, in denen wir uns
                                                                                                  heute bewegen, dazu beiträgt – Administrati-
                                                                                                  on als Versuch, der Unübersichtlichkeit Herr
                                                                                                  zu werden. Oder der Verunsicherung, die da-
                                                                                                  mit einhergeht. Nur keinen Fehler machen,
                                                                                                  den die Presse finden und auf bauschen
                                                                                                  könnte! Dann lieber drei Checklisten abar-
                                                                                                  beiten! Sina Bardill stellt fest, dass dabei oft
                                                                                                  wenig gewonnen ist: Das Sicherheitsszenario
                                                                                                  dient nicht der Klientin oder dem Patienten,
                                                                                                  sondern den Angestellten selbst zu ihrem
                                                                                                  eigenen Schutz gegenüber Vorgesetzten und
                                                                                                  Öffentlichkeit. Man wird ihnen im Zweifel
                                                                                                  nichts vorwerfen können. Umkehrschluss:
                                                                                                  «Was bedeutet es», fragt Sina Bardill, «für
                                                                                                  den Umgang mit Fehlern in einem Unter-
                                                                                                  nehmen, wenn die Fehlermeldung bedeutet,
                                                                                                  dass wieder ein neues Formular geschaffen
                                                                                                  wird, das fortan alle Kolleginnen und Kol-
                                                                                                  legen bei diesem oder jenem Vorgang aus-
                                                                                                  zufüllen haben?» Antwort: Man will ja kein
                                                                                                  Kollegenschwein sein und unterlässt die
                                                                                                  Meldung ... Die Entwicklung im IT-Bereich
                                                                                                  trägt ohne Zweifel das ihre zu administrati-
arbeiter trotzt der Klientin den Nachweis der     Beispiel «Zeiterfassung» veranschaulicht,       ven Exzessen bei: Es sei ja einfach, diese und
Bemühungen um Arbeit ab; die Tramwagen-           um eine Frage des Masses. Wenn das Eigent-      jene Kennzahl auch noch zu erheben, denkt
führerin wird auf die Farbe ihrer Socken und      liche und Zentrale unter die Räder des «Bü-     man. Und erhebt sie. (Vom Datenschutzpro-
die korrekte Befestigung ihres Namensschilds      ros» gerät, ist die Grenze überschritten. Und   blem, das so genährt wird, nicht zu reden.)
untersucht. Das, wofür sie sich eigentlich zu-    häufig sind aktuelle Qualitätsmessungen
ständig fühlen, die Krankenpf lege oder die       nicht nur kaum hilfreich für die zu erledi-     «Wir wissen, wie’s geht»
Anleitung zur Selbsthilfe oder das sichere        gende Aufgabe, sondern regelrecht kontra-       Auch Effizienzsteigerung wird zur Begrün-
Chauffieren durch den Stossverkehr, entzieht      produktiv. Ein Beispiel sind die Fehlanreize,   dung für (Über-)Administration häufig an-
sich derweil der Benotung.                        die Fallpauschalen im Gesundheitswesen          geführt, wie ja viele der genannten Elemente
Es ist laut Sina Bardill ja keineswegs so, dass   setzen, ein anderes die Mitarbeitergesprä-      im Windschatten des New Public Manage-
Berufsleute 8 von 8 Stunden im Kernge-            che: Wo sie lohnwirksam sind, sind sie in-      ment und der Vermarktlichung nicht vom
schäft tätig sein wollen und müssen. Früher       haltlich entwertet: Ich plustere mich mit       Markt gesteuerter Bereiche Einzug gehalten
war man vielerorts – gerade in Berufen mit        falschen Federn auf einer Scheinbühne auf;      haben. Einer näheren Betrachtung hält die
viel Sozialkontakt – ganz froh, wenn man          meine wirklichen Schwächen und Schwie-          Behauptung kaum je stand. «Es ist nicht
zwischendurch mal eine halbe Stunde «Büro         rigkeiten werde ich unter solchen Vorzei-       effizient, wenn die Spitex-Pf legefachfrau
machen» konnte, wie man es damals nann-           chen niemals ansprechen ... Und also auch       mit 30-jähriger Erfahrung bei jeder Neuauf-
te: «Der zwischenmenschliche Austausch            nicht anpacken ...                              nahme einen 70-Punkte-Katalog abarbeiten
ist intensiv und verlangt viel ab.» Aber für      Woher kommt das denn alles, diese Überad-       muss», sagt Bardill. Und ebenso wenig kön-
Sina Bardill handelt es sich, wie bereits am      ministration, diese lebensfeindliche Büro-      ne von Effizienzzuwachs gesprochen wer-

12 März 2015
Dossier: Gegen Administrationsexzesse | VPOD

den, wenn man ermesse, welch immense               Das Murren über Exzesse des Qualitätsma-            von Selbständigkeit und Wertschätzung mit
Ressourcen in Aufgaben fliessen, die es vor        nagements kommt typischerweise von der              Zukunftsfähigkeit und Erneuerung verbun-
20 Jahren noch gar nicht gab. Woher also das       Basis, aus der Praxis. Man wisse schliesslich       den sind. Starre Kataloge, unbegrenzter Kon-
alles? Keineswegs möchte Sina Bardill un-          schon, wie es geht, und müsse sich von fer-         trollzwang, übermässige Zergliederung in
terstellen, dass böse Menschen mit Absicht         nen Schreibtischtätern nicht dreinreden las-        exceltaugliche Daten erdrosseln die Innova-
engagierte Berufsleute schikanieren und            sen. Darin liegt sicher etwas Wahres. Doch          tionskraft. Aber auch wenn Konsens besteht
quälen möchten. Der Ausgangspunkt sei              stellt sich die Frage, wie denn überhaupt           und das Ziel «weniger Bürokratie» etabliert
häufig nachvollziehbar, ja sogar begrüssens-       Innovation in Systeme gelangen kann. Denn           wäre – bei der Implementierung wird man
wert: der Versuch, bessere Auslastung zu er-       mit dem «Wir wissen schon, wie das zu ma-           sich vorsehen müssen. Erstens, dass man
zielen oder einen sparsameren Umgang mit           chen ist» geht gern auch ein «Das haben wir         nicht den Sack schlägt, wenn man den Esel
Ressourcen oder mehr Gerechtigkeit. Auch           schon immer so gemacht» einher, ein Be-             meint. Und zweitens, dass nicht auch der
an historischen Beispielen fehlt es nicht, die     harrungsvermögen, das womöglich aktuelle            Kampf gegen Überadministration selber
belegen, was – gerade im Sozialbereich – das       Entwicklungen verpennt. Allerdings zeigen           sinnlose Bürokratie generiert ...
Resultat mangelnder Kontrolle sein kann.           die neueren Befragungen zum Thema «gu-
Das steht am Anfang, ja. «Aber am Ende             te Führung», dass Faktoren wie Flexibilität,
steht etwas, was niemand gewollt hat.»             Diversität, flache Hierarchien und ein Klima

Mit dem Rechtsanwalt zum Elternabend ...
Ausufernde Administration wird von VPOD-Kolleginnen und -Kollegen            Auch wenn das (noch) ein Gerücht sein mag, sagt es einiges aus über die
immer wieder angeführt, wenn es um die Widerwärtigkeiten des Alltags         Stimmung bei den Lehrkräften.
geht. Speziell im Bildungs-, im Gesundheits- und im Sozialbereich. «Zu       An sich dürfte Administration nur einen minimalen Anteil der Arbeit ei-
viel Bürokratie, zu viel Kontrolle – und die Integration kommt, obwohl       ner Lehrerin ausmachen; im LCH-Konzept etwa ist der ganze Bereich «Ge-
erwünscht und angestrebt, zu kurz», sagt etwa Daniel Altenbach, Sozial-      staltung der Schule», der auch (aber keineswegs ausschliesslich) Büro-
arbeiter (VPOD-Magazin Februar 2015). Auch an der letzten Verbands-          Aufgaben umfasst, mit 5 Prozent der Arbeitszeit veranschlagt. Die erlebte
konferenz Sozialbereich löste die Frage «Wann habe ich endlich wieder        Realität sieht aber offensichtlich anders aus, wie ein zufällig ausgewähltes
Zeit, meine Arbeit zu machen?» eine intensive Diskussion aus. Unisono        Beispiel aus der Stadt Zürich zeigt: Für Barrückforderungen im Rahmen
wurde die Zunahme des administrativen Aufwands bestätigt: «Die Doku-         des Globalkredits existiert ein zweiseitiges Merkblatt, das nicht nur erläu-
mentation der Fälle und die Dateneingabe beanspruchen sehr viel Zeit.        tert, dass solche Quittungen auf A4-Blätter geklebt gehören, sondern auch,
Wo öffentliche Gelder fliessen und Leistungsverträge erfüllt werden,         dass «zu grosse oder zu lange Quittungen ... gefaltet werden» müssen.
muss alles genauestens erfasst werden.» Es ist nicht so, dass man das        Wichtig auch: «Beträge auf Quittungen dürfen nicht mit Leuchtstift mar-
pauschal ablehnt; es besteht bei Sozialarbeiterinnen und Sozialpädago-       kiert werden.» Und sehr hilfreich die Anleitung: «Vermeiden Sie ‹Misch-
gen durchaus Verständnis dafür, dass das Handeln von staatlichen oder        belege›, indem Sie private und schulische Einkäufe zusammen auf einer
staatlich getragenen Einrichtungen nachvollziehbar sein muss. Aber die       Quittung aufführen lassen.» Ach ja? Sollten wir das nicht eher vermeiden,
VPOD-Kolleginnen und Kollegen in den Sozialberufen leiden, wenn ihre         indem wir diese Einkäufe eben gerade nicht auf einen Zettel nehmen?
eigentliche Arbeit leidet.                                                   Allerdings zeigt das Beispiel der familienergänzenden Kinderbetreuung
Der Absicherung bedarf es nicht nur gegenüber dem Geldgeber, sondern         laut VPOD-Zentralsekretärin Christine Flitner auch auf, dass Bürokratie und
auch – im «eigenen» Interesse – gegenüber der Vorgesetzten, gegenüber        Bürokratisierung häufig als polemische Schlagworte eingesetzt werden –
anderen Klientinnen, gegenüber der Öffentlichkeit. Im Bildungsbereich        zwecks Bekämpfung von Fortschritt und Qualitätsverbesserung. Bürokratie
kommen die Eltern als weiterer potenziell «bedrohlicher», Rechenschaft       verhindere den bedarfsgerechten Ausbau von Kitas durch unzählige Aufla-
verlangender Player dazu – Eltern, die offensichtlich immer weniger bereit   gen wie Platzbestimmungen, Hygienestandards, Ausbildungsanforderun-
sind, eine mässige oder negative Qualifikation ihres (in aller Regel hoch-   gen, heisst es da. Was erstens nicht zutrifft und zweitens unverkennbar ein
begabten) Nachwuchses zu akzeptieren. Angeblich gibt es Schulen, wo die      reines Deregulierungsargument darstellt ... | slt
Eltern schon gleich mit dem Rechtsanwalt zum Elternabend erscheinen.         Siehe auch folgende Doppelseite zur Bürokratisierung im Gesundheitswesen.

                                                                                                                                          März 2015 13
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