BVI MAGAZIN - BVI-Magazin
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Ausgabe 04 - 2022 | 14. Jahrgang BVI MAGAZIN Das Fachmagazin des BVI Bundesfachverbandes der Immobilienverwalter e. V. bvi-magazin.de Schwerpunktthema SCHNELLES INTERNET IM PRAXISCHECK WEG- und Mietrecht HERAUSFORDERUNG VIDEOÜBERWACHUNG Aus- und Weiterbildung BVI-INITIATIVE AUSBILDUNG PLUS STARTET WIEDER IM HERBST So viel mehr Wert.
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3 EDITORIAL Eine neue Gretchenfrage Der BVI bleibt selbstredend auch bei den anderen Branchen- themen für Sie am Ball und macht Sie fit für die Zukunft. Dabei sind aber auch Sie als Verwalter gefordert sich einzubringen, zum Beispiel beim Thema soziale Medien, die unter anderem den direkten Kontakt und den prompten Austausch mit den sogenannten Followern erlauben. Wir alle wissen, dass diese moderne Form der Kommunikation nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken ist, ja ihn zuweilen sogar politisch und gesell- schaftlich bestimmt. Auch Verwalter sollten sich deshalb nicht scheuen, diese Kommunikationskanäle für den Kundenser- vice zu nutzen und damit die Chance auf ihre Sichtbarkeit im Web zu erhöhen. Dass das gar nicht so schwer ist und sich lohnt, zeigen wir in der Rubrik „BVI für Sie“. Auch hier finden Liebe BVI-Mitglieder, Sie also wieder den gewohnten Mehrwert des BVI. Ich wün- sche Ihnen dementsprechend eine nutzbringende Lektüre mir scheint, als würde „Nun sag’, wie hast du’s mit dem Breit- und natürlich auch einen sonnigen Spätsommer. band?“ unter Verwaltern gerade zur Gretchenfrage dieses Jahrzehnts. Denn mehr und mehr häufen sich die Nachfragen von Wohnungseigentümern nach einem schnellen Internetan- Herzlich schluss – idealerweise dann auch gleich mit Glasfaser als zu- Ihr kunftssicherer Technik. In unserem Schwerpunkt in dieser Ausgabe wollen wir uns deshalb etwas genauer mit den tech- nischen, aber auch rechtlichen Hürden auf dem Weg zu einer modernen „Gigabit-Gesellschaft“ beschäftigen und schauen, welche Rolle dabei Verwalter spielen. Beinahe schon ein Dauerbrenner ist der Nachweis einer Prü- Thomas Meier fung zum qualifizierten Verwalter. Dieses Qualitätssiegel ist verständlicherweise begehrt, und deshalb wollen wir noch Präsident des BVI Bundesfachverbandes einmal die Paragrafen der Prüfungsordnung durchleuchten, der Immobilienverwalter e. V. damit Sie als Verwalter den Durchblick behalten und sich auf diesem Terrain sicher fühlen. Apropos sicher fühlen: Viele scheuen den Einsatz einer Videoüberwachung im Wohnei- gentum, weil sie das Recht am eigenen Bild aus gutem Grund hoch schätzen. Auch hier bringen wir Sie auf den aktuellen rechtlichen Stand und stehen Ihnen mit unserem Rat für die Praxis zur Seite – so, wie Sie es von uns als Ihrem Fachver- band gewohnt sind. Ausgabe 04/22 | EDITORIAL | BVI ◆ Magazin | 3
4 INHALT POLITIK & AKTUELLES ENERGIE & UMWELT 6 Kolumne des Vorstands 40 Effizienter heizen dank Da haben wir den Breitbandsalat! hydraulischem Abgleich Thomas Meier Prof. Dr. Martin Neumann 7 SCHWERPUNKTTHEMA TECHNIK & BAUEN Schnelles Internet im Praxischeck 24 Grundsteuerreform: (K)eine Frage der 43 Elastische Dichtstoffe im Bodenbereich Ressourcen in Immobilienverwaltungen in Außenbereichen Rainer Spirgatis WEG- & MIETRECHT AUS- UND WEITERBILDUNG 28 Herausforderung Videoüberwachung 45 Ausbildung Plus startet wieder im Herbst Reinhold Okon Martina Schinke und Olaf Liedtke 48 Interesse an Aus- und Fortbildung? MANAGEMENT & FÜHRUNG Das LEB stellt sich vor Andrea Schmitz-Fehst 31 Nachweis als zertifizierter Verwalter bei BVI FÜR SIE juristischen Personen und Personen- gesellschaften im Außenverhältnis? Massimo Füllbeck 50 Social Media für Hausverwaltungen Interview mit Maya Eberts DIENSTLEISTUNGEN 53 Neue Mitglieder im BVI e. V. 53 Neues beratendes Mitglied 33 Deutschlands Zukunftspläne können nur mit dem Handwerk gelingen BVI-VERANSTALTUNGEN Hans Peter Wollseifer 35 Die Betriebshaftpflichtversicherung für 54 Endlich wieder BVI-Management-Training! Immobilienverwaltungen ist Pflicht Thorsten Woldenga Carsten Wiegel 56 Die WEG möchte Glasfaser – und nun? 37 Cyber-Attacken: Versicherungsschutz Dr. Robert Borsch wichtiger denn je Christian von Göler 57 BVI-TERMINE 58 IMPRESSUM 4 | BVI ◆ Magazin | INHALT | Ausgabe 04/22
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6 POLITIK & AKTUELLES Foto: © petrmalinak / shutterstock o lumne des K ds Vorstan THOMAS MEIER Da haben wir den Breitbandsalat! Haben Sie auch Fiber? Nein, ich meine nicht das Fieber, die auch gesehen und mit dem Glasfaserbereitstellungsentgelt stark erhöhte Körpertemperatur, sondern den schnellen eine eigene Finanzierungsmöglichkeit geschaffen. Doch die hat Breitbandanschluss über eine Glasfaserleitung. Wenn ja, gleich mehrere Haken, vor allem die Begrenzung auf höchstens dann kennen Sie sicherlich die Schwierigkeiten, die mit einer 60 Euro im Jahr und auf höchstens 540 Euro je Wohneinheit Verlegung zum Haus (Fiber-to-the-Building – FTTB) oder gar insgesamt. Schon wer mehr als 300 Euro Gesamtkosten ver- im Haus selbst, also zu jeder Wohnung (Fiber-to-the-Home anschlagt, muss das sehr detailliert begründen. Viel Spaß! Zu- – FTTH), verbunden sind. Wenn nicht, dann werden Sie als dem gilt eine Befristung: Nach fünf, spätestens neun Jahren ist Verwalter in nächster Zeit mit dieser Frage konfrontiert wer- Schluss – danach darf das Glasfaserbereit… na, Sie wissen den – garantiert. Denn der Anspruch auf einen Anschluss an schon, nicht mehr erhoben werden. Hoffentlich haben Sie bis ein „Netz mit sehr hoher Kapazität“ ist seit dem 1. Dezember dahin Ihren Anschluss refinanziert! 2020 im Wohnungseigentumsgesetz festgeschrieben – für jeden. Weil der Gesetzgeber wusste, dass damit vor allem für Leider ist das Glasfaserbereitstellungsentgelt die einzige Wohnungseigentümer und Mieter zwar alles besser, für Ver- Möglichkeit, den Ausbau über eine Umlage zu finanzieren. walter aber vieles schwieriger wird, hat er in der am 1. De- Gut, es gäbe noch die Modernisierungsumlage, womit die zember 2021 in Kraft getretenen Novelle des Telekommuni- Investitionen zum dauerhaften Bestandteil der Kaltmiete kationsgesetzes für den Breitbandausbau eine Gnadenfrist werden, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Besser bis zum 30. Juni 2024 eingeräumt. Danke! ist es also, wenn die großen Telekommunikationsunterneh- men auf die Wohnungseigentümergemeinschaft und damit Worum geht es also konkret? Zum einen ist da die techni- auch auf Sie zukommen und auf eigene Kosten die Glasfaser sche Seite. Was ist im Haus verbaut? Kupferkabel, Koaxial- im Haus verlegen – Werbung machen sie dafür schon zuhauf. kabel oder schon Glasfaser? Als Verwalter kommt man nicht Denn vor allem die Anbieter sind im Fi(e)ber. Der Glasfaser umhin, sich mit diesem, nun ja, Kabelsalat zu beschäftigen, gehört also die Zukunft – früher oder später. Meckern wir will man die Wohnungseigentümer mit einem schnellen Breit- nicht, sehen wir die Chancen und freuen uns auf die digitale bandanschluss beglücken. Und darauf haben sie ja, siehe Breitbandzukunft. Um zum Ende auch einmal etwas Positi- oben, ein Anrecht. Womit wir bei rechtlichen Fragen wären – ves zu sagen. und damit zu den eigentlichen Ärgernissen der Neuregelung kommen, zum Beispiel der Abschaffung der Umlagefähig- keit, dem Sonderkündigungsrecht für Sammelverträge und der sogenannten Opt-out-Regelung für Mieter. Oder dem Glasfaserbereitstellungsentgelt. Schon dieses Wortungetüm verrät, dass da nicht praxisnah gedacht wurde. THOMAS MEIER Wer also auf die modernste Technik im Haus setzen will und von Präsident des BVI sich aus die Anbindung über Glasfaser anstrebt, darf die Kos- Bundesfachverbandes der tenfrage nicht aus dem Blick verlieren. Der Gesetzgeber hat das Immobilienverwalter e. V. 6 | BVI ◆ Magazin | Politik & Aktuelles | Ausgabe 04/22
7 SCHWERPUNKTTHEMA Foto: © istock.com / style-photography Breitband, Glasfaser & Co. Schnelles Internet im Praxischeck Auswirkungen des neuen Telekommunikationsgesetzes auf den Verwalteralltag Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG), Te- Noch viel zu tun lekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG), TK- Mindestversorgungsverordnung (TKMV) – wahre Zungen- Es gibt dementsprechend noch viel zu tun – nicht nur für brecher, die Verwaltern in letzter Zeit im Zuge des Ausbaus Netzbetreiber und Internetanbieter, sondern auch für Ver- der Breitbandversorgung und der von der Bundesregierung walter, die nicht nur den gesetzlich verankerten Anspruch postulierten Gigabit-Strategie vermehrt begegnen. Und für- des Eigentümers auf Versorgung mit schnellem Internet wahr: Schnelles Internet, Telefonie, Fernsehen und Hörfunk, umsetzen, sondern auch die freie Wahl des Anbieters si- und zwar alles aus einer Dose, sind heutzutage unabdingbar cherstellen müssen. In unserem Schwerpunkt wollen wir in einer sich immer mehr vernetzenden und digitalen Welt. deshalb neben technischen auch rechtliche Fragen aus unterschiedlicher Perspektive beleuchten. Dabei darf auch Man mag sich gar nicht ausmalen, wie vor zehn Jahren eine ein Blick auf die Politik nicht fehlen, die das Thema Breit- Homeoffice-Pflicht, wie wir sie angesichts der Corona-Pan- bandversorgung seit acht Jahren in einem eigenen Digital- demie noch bis Anfang 2022 erlebt haben, ausgesehen hät- ausschuss des Bundestags begleitet – mit, nun ja, ausbau- te. Beim Ausbau des Festnetzes hat sich also in den letzten fähigem Erfolg. Jahren einiges getan – und doch steht Deutschland laut des Speedtest Global Index, abrufbar unter speedtest.net/ BVI e. V. global-index, im Mai 2022 bei der Geschwindigkeit nur auf bvi-verwalter.de Platz 44 im internationalen Vergleich – immerhin nur knapp hinter Trinidad und Tobago. Ausgabe 04/22 | SCHWERPUNKTTHEMA | BVI ◆ Magazin | 7
8 SCHWERPUNKTTHEMA Foto: © Deutsche Telekom AG Glasfaser: Worauf Verwalter achten müssen Brauchen Verwalter erst einen WEG-Beschluss, bevor sie die Glasfaser ins Haus lassen? Wie vermeiden sie eine Dauerbaustelle? Müssen sie mehrere Anbieter im Haus dulden? So sichern Sie sich ab, bevor der neue Anschluss kommt. Seit der WEG-Novelle sind Verträge mit Haus- oder Woh- Muss das denn sein? nungsverwaltern leichter kündbar. Deshalb sind sie mehr denn je bemüht, es sich mit den Eigentümergemeinschaf- Ja, das muss sein: Der Glasfaseranschluss löst jetzt als ten nicht zu verscherzen. Das führt oft zu Unsicherheiten Standard für die digitale Grundversorgung das Koax-Fern- über gesetzliche Pflichten und Befugnisse. Das gilt auch sehkabel und die Kupferdoppelader (Telefon, DSL) ab. Er ist für die Glasfaser: Verwalter, die zu lange zögern, können politisch gewollt, gesetzlich geboten und technisch auf die Frist für den kostenlosen Hausanschluss verpassen Dauer alternativlos. Und er kommt nicht allein: Die Glasfa- und damit unnötige Folgekosten verursachen. Wie sichert ser vernetzt nicht nur Häuser und Wohnungen, er ist auch sich der Verwalter ab – und wie sichert er der WEG Kos- die Grundlage für den neuen Mobilfunkstandard 5G. Haus & ten- und Leistungsvorteile? Hier ist eine Anleitung. Grund hat in einer Studie für den Glasfaseranschluss Wert- steigerungen von fünf bis sieben Prozent errechnet. Um- Regel Nummer eins: Kommunikation ist alles. Je früher Sie gekehrt dürften nicht angeschlossene Gebäude jedoch sich über den Glasfaserausbau in Ihrer Region informie- auch an Wert verlieren: Sobald ausreichend Menschen ren, desto früher können Sie die WEG über Rechte, Pflich- über einen Glasfaseranschluss mit Gigabitgeschwindigkeit ten, Kosten und Handlungsoptionen aufklären und gege- verfügen können, folgen neuartige Anwendungen und benenfalls vorsorglich Beschlussfassungen einholen. Sie Dienste, auf die die Nutzer dann nicht mehr verzichten wol- sorgen für einen geordneten Anschluss und sparen sich len. Auch als das iPhone erfunden wurde, riefen viele Kriti- unnötige Diskussionen und Paragrafenreiterei. Besser ker damals: „Das brauchen wir nicht!“ – heute geht kaum noch: Sie schlagen für Ihre WEG geldwerte Vorteile her- noch etwas ohne Smartphone. aus. Warten Sie also nicht ab, bevor der Betreiber an Sie herantritt oder Sie kalt erwischt werden, wenn der Bagger vor der Tür steht. 8 | BVI ◆ Magazin | SCHWERPUNKTTHEMA | Ausgabe 04/22
9 SCHWERPUNKTTHEMA Giga ist nicht genug Der Verwalter erspart sich und der WEG im besten Fall Dis- kussionen darüber, wer die Kosten zu verschulden hat. Viele Das rufen heute allenfalls die Kabelnetzbetreiber. Deshalb Vor- Verwalterverträge sehen ausdrücklich das Mandat zum Ab- sicht: Von Werbesprüchen, die mit Begriffen wie „Giganetz“ schluss von Verträgen mit Netzbetreibern und Versorgungs- oder „Glasfaser-Kabelnetz“ eine Gleichartigkeit ihrer Netze unternehmen vor. Und: Verwalter gehen mit dem Glasfaser- suggerieren, sollten sich Verwalter nicht täuschen lassen. Das Hausanschluss kein Dauerschuldverhältnis für die WEG ein, Vorhandensein eines Koax-Kabelfernsehnetzes einer Liegen- denn der Anschluss ist kostenlos. Somit geht der Verwalter schaft verhindert weder technisch noch rechtlich den neuen nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG keine beschlusspflichtige „er- Glasfaseranschluss. Aktuell versuchen Kabelnetzbetreiber die hebliche Verpflichtung“ ein. Verwalter dazu zu bewegen, die Bewohner mit sogenannten „Versorgungsverträgen“ von anderen TV-Empfangsmöglich- Nun zur zweiten Phase: dem Wohnungsanschluss. Unter- keiten fernzuhalten. Dabei zeigt ein Blick in die Wirtschafts- nimmt der Verwalter nach dem Hausanschluss nichts weiter, presse, dass sich der Verbraucher ungern vom Vermieter oder werden die Wohnungen nach und nach vernetzt – immer Verwalter vorschreiben lässt, wie und womit er fernzusehen dann, wenn ein Bewohner einen Dienst bestellt. Das ist kos- hat: Allein Vodafone verlor im letzten Jahr über 300.000 TV- tenlos, aber nervig: Wer hat schon gerne ständig Techniker Kunden. Übrigens: Das Kabelnetz braucht sechs Mal mehr im Haus? Dieser nachfragegetriebene Ausbau wird von der Strom als der Lichtwellenleiter aus Glas. Wohnungswirtschaft kritisiert, ist aber rechtens: Wohnungs- eigentümer können den Anschluss ihrer Wohnung nach § 20 Die zwei Phasen des Glasfaseranschlusses Abs. 2 Nr. 4 WEG von den anderen Wohnungseigentümern verlangen und Netzbetreiber können den Ausbau aufgrund Wie läuft das Anschließen mit Glasfaser ab und worauf müs- von § 145 Abs. 1 TKG gegen Wohnungseigentümer durch- sen Verwalter achten? Zunächst ist wichtig zu wissen, dass setzen. Schon vor der TKG-Novelle urteilte das Amtsgericht der Glasfaseranschluss in zwei Phasen abläuft. Phase eins Plön (Az 75 C 11/19 vom 3. April 2020): Ein Glasfaseran- ist der Hausanschluss: Wenn der Netzbetreiber ganze Stra- schluss eines Bewohners bedarf nicht der Zustimmung aller ßenzüge mit Glasfaser erschließt, erhalten die anliegenden Eigentümer. Anderslautende Beschlüsse sind nichtig. Wohn- und Gewebeimmobilien einen Hausanschluss, der im Keller oder im Technikraum endet. Er ist in der Regel kosten- Vollausbau sorgt für Ruhe im Haus los – aber nur, wenn er innerhalb der Erschließungsphase umgesetzt werden kann. Der Verwalter hat dann wenige Wo- Verhindern lässt sich das ständige „Strippenziehen“ nur chen Zeit, um Planungsunterlagen für den Hausanschluss durch einen Vollausbau bis in alle Wohnungen (FTTH: Fiber- („Herstellungsauftrag Netze“) auszufüllen und zu unter- to-the-Home). Darüber sollte die WEG rechtzeitig einen Be- schreiben. Darf er das? Nun – rechtlich gesehen ist seine schluss fassen: Beim Vollausbau bekommt jede Wohnung Unterschrift eigentlich nicht nötig: Der Netzbetreiber hat einen Anschluss, der Bewohner ist zu nichts verpflichtet und nach § 134 TKG das Recht, Gebäude an ein „Netz mit sehr auch nicht auf einen Anbieter festgelegt. Der „Anschluss für hoher Kapazität“ anzuschließen; der Hauseigentümer unter- alle“ reduziert die Bauarbeiten auf wenige Tage. Einmal ver- liegt einer Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Die Netzbetrei- legt, müssen die Leitungen nicht mehr angefasst werden. Ein ber ziehen mit ihrem Bautrupp jedoch bisweilen unverrichte- solcher Vollausbau kostet Geld. Aber nicht das Geld der Ei- ter Dinge weiter, wenn der Verwalter es versäumt, rechtzeitig gentümer: Er rechtfertigt dank der TKG-Novelle entweder die Planungsunterlagen zurückzuschicken. Die Netzbetrei- eine Erhöhung der Nettokaltmiete von bis zu acht Prozent ber bitten meist um einen Ortstermin im Haus („Auskun- („Modernisierungsumlage“) oder lässt sich bis zu fünf Jahre dung“); dennoch geht mancher Verwalter aus Unsicherheit lang bis zu einer Höhe von 60 Euro jährlich auf die Neben- auf Tauchstation – und verpasst den Anschluss: Ein solches kosten umlegen („Glasfaserbereitstellungsentgelt“). Gute Erschließungsprojekt ist genau durchgetaktet und kann nicht Gründe also, die WEG rechtzeitig zu informieren und einen bis zur nächsten WEG-Versammlung warten. Ein nachträgli- Beschluss herbeizuführen. Hausanschluss und Vollausbau cher Anschluss, bei dem die Baumaschinen extra anrücken lassen sich zeitlich entkoppeln, da damit zwei verschiedene müssen, ist jedoch sehr aufwendig – und geht obendrein mit Ausbauteams beschäftigt sind. Ist jedoch Eile geboten, kann einer hohen Rechnung einher. Schlimmer noch: In bestimm- der Verwalter nach §§ 23–25 WEG auch einen schriftlichen ten Fällen sieht sich der Netzbetreiber dazu gezwungen, Umlaufbeschluss fassen lassen. Dafür ist eine einfache nicht nur einen Bogen um das Haus, sondern auch gleich die Mehrheit ausreichend. umliegenden Liegenschaften zu schlagen. Wenn so die Nachbarschaft zum „weißen Fleck“ wird, ist Ärger absehbar. Ausgabe 04/22 | SCHWERPUNKTTHEMA | BVI ◆ Magazin | 9
10 SCHWERPUNKTTHEMA Kostenloser Vollausbau mit FTTH Auch in diesem Fall gilt die gesetzliche Duldungspflicht des Hauseigentümers. Aber keine Sorge: Das bedeutet nicht, Handelt es sich bei der verwalteten Liegenschaft um ein Ob- dass jeder Anbieter gesondert Strippen im Haus legt. Hat ein jekt mit mehr als 50 Wohneinheiten, haben Verwalter gute Anbieter ein FTTH-Netz errichtet, haben alle anderen einen Chancen, beim Netzbetreiber noch bessere Konditionen gesetzlichen Mitnutzungsanspruch zum Glasfaser-Gebäu- auszuhandeln – unter Umständen ist sogar ein kostenloser denetz. Das verhindert Chaos und sichert die Anbieterfrei- Vollausbau möglich. Diese Art „Mengenrabatt“ ist auch heit des Verbrauchers – eine Freiheit, die sie beim Fernseh- möglich, wenn der Verwalter im Ausbaugebiet mehrere Ob- kabel nie hatten. Auch deshalb empfiehlt es sich, auf den jekte verwaltet und so eine größere Anzahl an Wohneinheiten Vollausbau mit FTTH zu setzen. zusammenbringt. Schon allein deshalb lohnt es sich, früh- zeitig aktiv Kontakt mit dem Netzbetreiber aufzunehmen. Um eine Sache kommt die WEG beim FTTH-Vollausbau nicht herum: Die Glasfaserkabel müssen bis in die Wohnungen verlegt werden. Das ist weniger schlimm, als es klingt, denn Teilen Sie diesen Artikel Glasfasern sind feiner als ein menschliches Haar. Selbst mit mit Ihrem Netzwerk der dazugehörigen Kunststoffummantelung sind sie extrem dünn, unauffällig und robust und können sogar über die Fas- sade verlegt werden. Dennoch kommt es vor, dass die WEG noch kürzlich eine größere Sanierungsmaßnahme erdulden musste oder den FTTH-Vollausbau mit einer anderen Moder- nisierungs- oder Verschönerungsmaßnahme zusammenle- gen möchte. In diesem Fall sind Übergangslösungen mög- lich, bei denen das bestehende Kabelfernseh- oder Telefonnetz vorübergehend zur Weiterleitung der Glasfaser- Signale umfunktioniert wird. STEFAN SUSBAUER Telekom, Energieversorger, Finanzinvestor oder Lo- s.susbauer@susbauer.de kalmatador? i Nun zur Frage: Auf welchen Betreiber sollte die WEG setzen? Die Frage stellt sich meistens nicht, denn die Telekommuni- kationsanbieter gehen sich mit ihren Glasfaserausbaupro- INFORMATION jekten in der Regel aus dem Weg. Die Telekom hat als einzi- ger Betreiber einen deutschlandweiten Ausbauplan. Daher ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass der Verwalter mit STEFAN SUSBAUER ist freier Autor und Berater im der Telekom spricht. In vielen Regionen kooperiert die Tele- Bereich Medien und Kommunikation sowie E-Mobili- kom mit regionalen Netzbetreibern. Das ergibt Sinn, denn die tät. Er gilt als Experte für Innovationsthemen, insbe- Telekom hat, was dem Lokalmatador fehlt: ein professionel- sondere im Themenfeld Kabel- und Glasfasernetze. les Produkt- und Diensteportfolio, die größte Serviceorgani- sation, das Vertrauen der Verbraucher. Skepsis ist also an- gebracht, wenn lokale Betriebe oder Energienetzbetreiber versuchen, sich als Betreiber von Hausverteilnetzen und „Zwischenhändler“ zwischen den Bewohner und den großen Der BVI hatte alle großen Marktteilnehmer gebeten, Telekommunikationsanbieter zu drängen. Dem Nutzer bringt ihre Sicht der Dinge zu schildern. Dieser Beitrag dies nichts, im Gegenteil: Das Ergebnis wäre ein fragmentier- entstand im Auftrag der Deutschen Telekom AG. tes Netz, das bei Störungen zu Zuständigkeitschaos führt. Was tun bei mehreren Glasfaser-Anbietern? In einigen Großstädten kann es vorkommen, dass mehrere Anbieter einen Glasfaser-Hausanschluss legen können. 10 | BVI ◆ Magazin | SCHWERPUNKTTHEMA | Ausgabe 04/22
11 SCHWERPUNKTTHEMA Foto: © Stephan Dannhaus / Tele Columbus Glasfaserausbau im Zusammenspiel von Verwalter und Netzbetreiber Über die Technologie muss nicht mehr diskutiert werden: Glasfaser ist bei allen Neu- und Ausbauprojekten die einzige langfristig zukunftssichere Technik. Also liegt der Fokus auf den praktischen Fragen: Wie kommen eine Liegenschaft und die einzelnen Wohnungen zeitnah zur leistungsfähigen Vernetzung? Ausgabe 04/22 | SCHWERPUNKTTHEMA | BVI ◆ Magazin | 11
12 SCHWERPUNKTTHEMA Es ist paradox: Manche Immobilieneigentümer brauchen Gestaltungsmöglichkeiten bei den Wohnungsan- dringend einen Glasfaseranschluss – aber kein Anbieter schlüssen kann ihn zeitnah bereitstellen. Und andere erhalten die Möglichkeit für einen kostenfreien Anschluss, wollen sie Dass beim Anschluss kleinerer Liegenschaften im Zeitplan aber nicht wahrnehmen, weil sie aktuell noch keinen Bedarf großer Ausbauprojekte die Herzen der Hausverwalter und sehen. Besonders in Gemeinschaften mit eher älteren Ei- der Netzbetreiber leider nicht immer in gleicher Geschwin- gentümern findet die Mehrheit in etlichen Fällen, das be- digkeit schlagen, ist den Glasfaserexperten bewusst. In der stehende Internet-Angebot sei schnell genug, und scheut gezwungenermaßen engen Bauprojekt-Taktung bleiben für den Aufwand für eine Modernisierung. die Entscheidung über die Anschlussgestattung oft nur ei- nige Wochen Zeit. Für die Verwalter ist es nicht immer mög- Ein paar Eigentümerwechsel später und ein paar intensive lich, innerhalb so kurzer Frist eine Beschlussfassung der Homeoffice-Nutzer mehr zeigt sich dann das Risiko der Eigentümer herbeizuführen. Meist ist es allerdings auch Glasfaserabstinenz: Netzbetreiber und -errichter planen nicht notwendig: Die schlichte Hauseinführung der Glasfa- den Glasfaserausbau in Clustern, die häufig einige Tausend ser zu erlauben, ist angesichts der allenfalls geringen Kos- Wohneinheiten umfassen. Dieser gebietsorientierte Ansatz ten als einfache Verwalterentscheidung zu sehen. Wer sei- ist effizient und ermöglicht es, die einzelnen Hausanschlüs- ne Eigentümer trotzdem informieren möchte, darf vom se kostenfrei oder mit einem nur geringen Anschlussbeitrag Netzbetreiber jedenfalls unterstützendes Informationsma- anzubieten. Individuelle Glasfasererschließung außerhalb terial erwarten. der Projekte ist teuer und bei der momentanen Auslastung der spezialisierten Baufirmen oft nicht rasch zu realisieren. Entscheidungsbedarf entsteht für Verwalter und Eigentü- Sogar entlang bereits errichteter Glasfasertrassen bedeutet mer dann vor allem bei der Frage, wie es hinter dem Haus- ein nachträglicher Anschluss von Liegenschaften erhöhten anschluss weitergeht. Soll möglichst schnell FTTH umge- Aufwand und eventuell längere Wartezeiten. setzt werden, also die Glasfaser bis in jede Wohnung gelegt werden? Wie aufwendig und sinnvoll ein sofortiger FTTH- Große Wohnanlagen planen unabhängiger Vollausbau ist, hängt von vielen Faktoren ab – zum Beispiel der Kapazität der bestehenden Hausverkabelung, der Ver- Unabhängiger sind die Eigentümer und Verwalter großer fügbarkeit von Leitungskanälen, ohnehin geplanten Sanie- Wohnanlagen mit einer drei- oder sogar vierstelligen Zahl rungsarbeiten im Haus – und lässt sich nur gebäudespezi- geografisch konzentrierter Einheiten. Sie stellen aus Netz- fisch beantworten. Kundennahe Netzbetreiber bieten hier betreibersicht eigene Glasfaserprojekte dar, hier sind – je- individuelle Kooperationsmodelle und reagieren auf Wün- denfalls bei Tele Columbus – individuelle Zeitpläne in enger sche der Immobilienverwalter und der Eigentümer offen und Zusammenarbeit mit dem Immobilienträger möglich. Regi- flexibel. Ungünstig ist allerdings stets, wenn einzelne Mieter onen mit einem hohen Marktanteil einzelner Wohnungsun- oder Eigentümer ihr Recht auf einen FTTH-Anschluss ternehmen haben also einen Startvorteil, weil sie mit ihren durchsetzen wollen, also unkoordiniert Einzelleitungen ver- geballten Beständen machtvolle Verhandlungspartner der legt werden sollen. Ein gebäudeweiter Ausbau erspart ge- Netzbetreiber sind. genüber Einzelumbauten viel Aufwand und Ärger. Aber auch bei individuellen Projekten braucht die Realisie- Die Zukunft einplanen rung eines Glasfaserprojekts für eine große Wohnanlage mit erstmaliger FTTH-Ausstattung (FTTH = Fiber-to-the- Zu diesem Gebäudeausbau zwei konkrete Empfehlungen Home) für alle Wohnungen ihre Zeit: Planung, Tiefbauge- aus der Praxis: Eine Glasfaser hat zwar nahezu unbegrenz- nehmigungen für Trassen im öffentlichen Grund, Trassen- te Datenkapazität, trotzdem ist es sinnvoll, in jede Wohnung bau, Ausbau des örtlichen Netzknotens, Hausverkabelung nicht nur eine, sondern vier Fasern zu verlegen. Der Mehr- und Installation der Wohnungsanschlüsse bedeuten, dass aufwand für die zusätzlichen Fasern ist völlig vernachläs- die durchschnittliche Projektdauer von Vertragsschluss bis sigbar, es entsteht aber zusätzliche Flexibilität, falls irgend- betriebsbereiten FTTH-Anschlüssen erfahrungsgemäß bei wann in Zukunft zusätzliche Netzbetreiber oder Dienste auf rund achtzehn Monaten liegt. separaten Infrastrukturen gewünscht werden. Glasfaser ist eine langfristige Investition, deshalb sollten künftige Optio- nen immer berücksichtigt werden. Und: Denken Sie beim Glasfaserausbau im Gebäude auch an die Anbindung der technischen Funktionsräume, Gemeinschaftsbereiche und 12 | BVI ◆ Magazin | SCHWERPUNKTTHEMA | Ausgabe 04/22
13 SCHWERPUNKTTHEMA Zugangsflächen. Auch wo die Haustechnik derzeit noch nicht digitalisiert und vernetzt ist, wird das für immer mehr INFORMATION i Komponenten kommen. Die Netzanschlüsse bereits beim Glasfaser-Erstausbau vorzubereiten, ist immer einfacher, als das Netz später mit nachträglichen Baumaßnahmen zu Die TELE COLUMBUS AG ist einer der führenden erweitern. Bei einem partnerschaftlichen Verhältnis zur Glasfasernetzbetreiber in Deutschland mit einer Hausverwaltung bieten Netzbetreiber kostengünstige Lö- Reichweite von mehr als drei Millionen Haushalten. sungen, wie diese Gemeinschaftsanschlüsse dann auch Unter der Marke PΫUR bietet das Unternehmen High- mit einem Internet-Zugang ausgestattet werden können. speed-Internet einschließlich Telefon sowie mehr als 200 TV-Programme auf einer digitalen Entertainment- Insgesamt ist die Glasfaservernetzung gerade bei WEG- Plattform an. Auf Basis offener Netze realisiert die Objekten also kein Massenprodukt, sondern eine Maßan- Tele Columbus Gruppe gemeinsam mit Wohnungs- fertigung. Die Netzbetreiber stehen in der Pflicht, entspre- wirtschaft und Kommunen die leistungsfähige Ver- chend individuell zu beraten und zu planen – mit persönlichen sorgung mit Gigabit-Bandbreiten via Glasfaser bis in Ansprechpartnern und mit Verständnis für die Belange der die Wohnungen (FTTH). www.telecolumbus.com Immobilienverwalter ebenso wie für die Erwartungen der Bewohner. Glasfaser ist die Zukunft. Aber die Partnerschaft dafür beginnt jetzt und heute in der Gegenwart. RÜDIGER SCHMIDT ist Geschäftsführer in der Tele Columbus Gruppe und verantwortet als CSO der Tele Columbus AG die Zusammenarbeit mit der Woh- nungswirtschaft. RÜDIGER SCHMIDT Mitmachen – mitgestalten! Welche Themen beschäftigen Sie in Ihrer Arbeit als Verwalter? Sie haben Anregungen und Wünsche für unsere Verbands- und Facharbeit? Sie haben eine Frage, die Ihnen schon lange auf den Nägeln brennt? Nur her damit – Ihre Vorschläge und Ideen rund um die Immobilienverwaltung sind uns willkommen! Schreiben Sie einfach an service@bvi-verwalter.de oder rufen Sie uns an: Telefon +49 (0) 30 308729-17 Ausgabe 04/22 | SCHWERPUNKTTHEMA | BVI ◆ Magazin | 13
14 SCHWERPUNKTTHEMA Foto: © istock.com / tongpatong Novelle des Telekommunikationsgesetzes und die Folgen in der Praxis Seit 1. Dezember 2021 ist es in Kraft getreten: das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG). Viele Änderungen haben Auswirkungen auf das Tagesgeschäft, die es zu beachten gilt. Die eigentliche Idee der Gesetzesnovelle, den Glasfaser- und keine Betriebskosten abrechnen. Eigentlich könnte da- ausbau zu beschleunigen, die Wahlmöglichkeit eines An- mit der „Sammelvertrag“ ohne Weiteres weitergeführt wer- bieters von TV-Angeboten dem Nutzer zu überlassen und den, wenn da nicht einzelne Eigentümer einer WEG gegen- generell einen verbesserten Kundenschutz zu gewährleis- über ihren Mietern die Kabel-TV-Entgelte als „Betriebs- ten, sind grundsätzlich zu begrüßen. Aber die nun gelten- kosten“ abrechnen würden. Um rechtlich korrekt abzurech- den gesetzlichen Regelungen bieten nicht nur Vorteile, son- nen, müsste dieser Eigentümer dann einen separaten Ka- dern bedeuten erst einmal, dass teilweise eine langgeübte bel-Vertrag ergänzend zum Mietvertrag mit seinem Mieter Praxis, wie die Abrechnung von Kabel-TV-Entgelten im so- abschließen, den dieser wiederum durch ein „Opt-out- genannten Sammelinkasso (ein Kabel-TV-Vertrag für alle Recht“ (§ 71 Abs. 2 TGK-E in Verbindung mit § 56 Abs. 3 Bewohner einer Liegenschaft – die Verwaltung rechnet dies TKG-E) nach 24 Monaten Laufzeit monatlich aufkündigen mit dem Anbieter ab) auf den Prüfstand gestellt werden könnte. Zu klären wäre hier, wer das Risiko der Entgeltfort- muss. zahlung des weitergeführten Sammelvertrags trägt. Die Möglichkeit, die Kabelentgelte mit den Betriebskosten Sonderkündigungsrecht abzurechnen, entfällt mit der Abschaffung der Umlagefä- higkeit nach § 2 Nr. 15 a, b BetrKV zum 30. Juni 2024. Damit Der Gesetzgeber hat zur Risikominimierung für die Immobi- sind auf jeden Fall verschiedene Handlungsoptionen zu be- lienwirtschaft ein Sonderkündigungsrecht für solche Be- rücksichtigen. zugsverträge fixiert (§ 230 Abs. 5 TKG-E). Das heißt, wenn ein Gestattungsvertrag, eine Versorgungsvereinbarung Wegfall der Umlagefähigkeit oder ein Signalliefervertrag im Sammelvertrag über den 30. Juni 2024 hinaus besteht und keine anderweitigen Re- Kommunale Wohnungsgesellschaften und Genossenschaf- gelungen für einen Wechsel zum Einzelinkasso getroffen ten sind dabei stärker vom Wegfall der Umlagefähigkeit be- wurden und die Abrechnung über die Betriebskosten er- troffen, da circa 80 Prozent dieser Unternehmen diese Form folgt, dann gilt das Sonderkündigungsrecht ohne weitere der Abrechnung nutzen und nun nach einer Übergangsfrist Schadensersatzansprüche. Verständlich, dass die Kabel- in der Regel nur noch individuelle Verträge zwischen Anbie- TV-Anbieter über diese Regelung nicht begeistert sind. ter und Kunde abgeschlossen werden sollen. Verwaltungen müssen aber berücksichtigen, dass sie lediglich Wohngeld 14 | BVI ◆ Magazin | SCHWERPUNKTTHEMA | Ausgabe 04/22
15 SCHWERPUNKTTHEMA Ist eine solche Sonderkündigung aber wirklich empfehlens- liegen würde. Hier bietet sich eine direkte Zusammenarbeit wert? Wichtig wäre es, erst einmal den vorhandenen Ver- mit einem Netzbetreiber an, der bereit ist, die Infrastruktur sorgungsvertrag zu prüfen, bevor eine Sonderkündigung in im Haus zu eigenen Lasten vorzunehmen und auch die zu- Erwägung gezogen wird: künftige Administration des Netzes zu gewährleisten. 1. Gibt es eine Regelung, die den Übergang von Sammel- Fazit inkasso zu Einzelinkasso bereits beschreibt oder zumin- dest Verhandlungen über dieses Thema vorgibt? In Es ist absolut richtig und erforderlich, dass zukünftige diesem Fall wäre eine Sonderkündigung aller Wahr- Hausnetze mit Glasfaser (FTTH – Fiber-to-the-Home), un- scheinlichkeit nach nicht möglich. abhängig von einem Gebäudeanschluss mit Glasfaser (FTTB – Fiber-to-the-Building) ausgebaut werden. Solange 2. Werden die Entgelte über die Betriebskosten abgerech- niemand Einstein widerlegt, werden Glasfasernetze mit ei- net? Dies wäre ein eindeutiges Kriterium, dass eine ner optischen Übertragung das Beste sein, um schnelle Sonderkündigung möglich wäre. Bei Wohnungseigen- und hohe Bandbreiten jedem einzelnen Teilnehmer bereit- tümern wäre aber entscheidend, wie hoch die Anzahl der stellen zu können. Der Weg bis dahin wird nicht einfach Eigennutzer versus den Kapitalanlegern ist und wer sein, da der Gesetzgeber mit seiner TKG-Novelle diesbe- bereit wäre, die Kosten bei einer Kündigung durch züglich keine optimalen Voraussetzungen für Verwaltungen einzelne Mieter zu tragen. und private Eigentümer geschaffen hat. 3. Die wichtigste Frage, die es zu klären gilt, bevor eine Sonderkündigung ausgesprochen wird: Wem gehört das Hausnetz, die sogenannte Netzebene 4? Und damit einhergehend die Frage: Wie soll eine Versorgung nach dem 1. Juli 2024 gewährleistet werden? Teilen Sie diesen Artikel mit Ihrem Netzwerk Hier muss Klarheit geschaffen werden, was man möchte. Damit wäre man bei einem weiteren Glanzpunkt der TKG- Foto: © Hoffotografen Novelle: Wie soll das Netz der Zukunft aussehen und wie soll es finanziert werden? Glasfaserbereitstellungsentgelt Tatsächlich hat der Gesetzgeber eine Finanzierung neuer Netze im Gesetz explizit geregelt. So können Eigentümer gemeinsam mit einem Netzbetreiber ein neues Glasfaser- DIETMAR SCHICKEL netz errichten lassen und monatlich fünf Euro Glasfaser- schickel.de bereitstellungsentgelt über die Betriebskosten geltend machen (§ 2 Abs. 15 c BetrKV). Diese fünf Euro können monatlich über einen Zeitraum von fünf Jahren inkassiert DIETMAR SCHICKEL, Jahrgang 1955, gehört zu den werden, in Ausnahmefällen sogar für neun Jahre – ein Männern der ersten Stunde im deutschen Kabel-TV- Instrument zur Refinanzierung, was natürlich im Wohnungs- Geschäft. Seine Karriere begann er als Marketinglei- eigentum in dieser Form nicht umsetzbar ist. Hinzu kom- ter in Versicherungs- und Handelsunternehmen. 1986 men weitere Voraussetzungen, die dazu führen, dass Ver- kam er nach Berlin und baute im Auftrag der Bertels- waltungen irgendwann die Administration des neuen mann AG eine der ersten regionalen Kabel-Service- Glasfasernetzes vornehmen müssten, was sich bei einer gesellschaften in Deutschland auf. 1990 übernahm er zwingenden kostenfreien Öffnung dieser Netze für dritte für die Tele Columbus Holding die Geschäftsführung Anbieter als wenig praktikabel oder wirtschaftlich erweist. „Marketing und Vertrieb“ der Gruppe. 2014 gründete Auch eine Modernisierungsumlage bei einer eigenen Er- er DSC Dietmar Schickel Consulting, das Immobilien- richtung dieses Glasfasernetzes macht bei WEG-Verwal- unternehmen aller Art, Stadtwerke und Kommunen in tungen wenig Sinn, zumal hier die Netzverantwortung un- Sachen digitales Quartiersmanagement berät. mittelbar bei der WEG beziehungsweise der Verwaltung Ausgabe 04/22 | SCHWERPUNKTTHEMA | BVI ◆ Magazin | 15
16 SCHWERPUNKTTHEMA Foto: © istock.com / Thomas-Soellner Interview mit Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM e. V. „Wir müssen endlich schneller für echtes Gigabit sorgen“ Im Gespräch mit dem BVI-Magazin erklärt der Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e. V. (VATM), weshalb es jetzt viel mehr Gigabit statt ein bisschen mehr Megabit geben sollte, warum das Glasfasernetz zukunftssicher ist und wieso es sinnvoll ist, sich jetzt um die Inhouse-Versorgung zu kümmern. 16 | BVI ◆ Magazin | SCHWERPUNKTTHEMA | Ausgabe 04/22
17 SCHWERPUNKTTHEMA BVI-Magazin: Herr Grützner, sind Sie mit der Definition tragungsraten sowie immenser Verlässlichkeit. Hinzu des schnellen Internets durch die Bundesnetzagentur und kommt, dass sie deutlich energiesparender ist als Kupfer. die Bundesregierung – 10 Megabit pro Sekunde im Down- Heutzutage bieten auch die DOCSIS-3.1-Anschlüsse der load und 1,7 Megabit pro Sekunde im Upload – zufrieden? Kabelnetzbetreiber sehr gute Werte und Leistungen. Auch hier schreiten die Entwicklungen weiter voran und die Jürgen Grützner: Wir begrüßen die Einigung im Bundes- nächste Steigerung steht bevor. Beim Mobilfunk wird eben- rat auf die Mindestanforderungen eines Versorgungsan- falls schon an der nächsten Generation geforscht und ge- spruchs mit Telekommunikationsdiensten, die durch meh- testet: 6G. rere Gutachten von der Bundesnetzagentur ermittelt und gestützt wurden. Unser Ziel ist es, gerade für die am BVI-Magazin: Wozu braucht es noch die Verlegung teurer schlechtesten versorgten Haushalte in Deutschland nicht Leitungen für Festnetzanschlüsse, wenn demnächst ein flä- für ein paar mehr Megabit zu sorgen, sondern möglichst chendeckendes 5G-Funknetz zur Verfügung steht? schnell auf Gigabit aufzurüsten. Jürgen Grützner: Hier geht es nicht um ein Entweder- BVI-Magazin: Wie sinnvoll ist es, eine solche Mindestan- oder. Wir brauchen beides: Festnetz und Mobilfunk. Ohne forderung zu definieren, die ohnehin die meisten Anschlüs- Glasfaserverbindungen wird es auch kein bundesweites se erfüllen? 5G-Funknetz geben. Die Mobilfunkmasten werden via Glasfaser angebunden, um die entsprechende Perfor- Jürgen Grützner: Es geht hier um eine Grundversorgung mance zu liefern. Und bei aller großartigen Leistungsfähig- für alle Haushalte. Mehrere Hunderttausend verfügen noch keit und den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von 5G wird nicht über Anschlüsse mit 10 Mbit/s im Downstream. Aber das Glasfasernetz aufgrund der Gesetzmäßigkeiten der wie gesagt: Wir setzen uns dafür ein, möglichst schnell eine Physik dauerhafte Konstanz bieten können. zukunftssichere Gigabit-Versorgung zu erreichen. Genau hierfür gibt es die mit der EU abgestimmte Gigabit-Förde- BVI-Magazin: Wie kann der Ausbau des Glasfasernetzes rung. Diese sollte genutzt werden. Es liegt allein in der Hand innerhalb von Gebäuden am besten finanziert werden? der Kommunen, für viel mehr Gigabit statt ein bisschen mehr Megabit zu sorgen. Dort, wo es nicht sofort möglich Jürgen Grützner: Wie so oft muss bei der „besten“ Lö- ist, Glasfaser zu verlegen, sollte per Mobilfunk oder Satellit sung auf die individuelle Ausgangssituation der Immobilie eine schnelle Digitalisierungshilfe für die Übergangszeit zur und des Eigentümers Rücksicht genommen werden. Es Verfügung gestellt werden. Wie in anderen Ländern und im können unterschiedliche Wege für die Finanzierung eines Koalitionsvertrag ausdrücklich vorgesehen, sollten die Bür- Inhouse-Netzes zur Verfügung stehen und genutzt werden. gerinnen und Bürger dabei mit einem Digitalisierungsvou- cher unterstützt werden. Zum einen kann der Vermieter/Eigentümer mit einem Tele- kommunikationsanbieter zusammenarbeiten, indem er ihn Wir müssen endlich einerseits ganz pragmatisch sofort hel- mit der Errichtung und dem Betrieb einer gebäudeinternen fen und andererseits schneller für echtes Gigabit sorgen. Netzinfrastruktur beauftragt. Soforthilfe funktioniert aber nur, wenn wir uns auf die wirk- lich unversorgten Anschlüsse konzentrieren können. Die Das Telekommunikationsgesetz sieht die Möglichkeit der Politik muss entscheiden, ob es schneller oder noch büro- Erhebung eines Glasfaserbereitstellungsentgelts vor. Das kratischer wird in Deutschland. Der Nutzen einer Voucher- bedeutet, dass der Eigentümer einer Immobilie für die Neu- lösung für die noch schlecht versorgten Haushalte wäre errichtung eines Inhouse-Netzes aus Glasfaser die Investi- enorm – das Warten auf ein nicht existierendes Umlagesys- tionskosten von bis zu 540 Euro pro Wohneinheit über einen tem wäre hingegen fatal. Bereitstellungszeitraum von maximal neun Jahren an das Unternehmen zu zahlen hat, das das Inhouse-Netz errichtet BVI-Magazin: Der Koalitionsvertrag sieht die flächende- hat. Diese Kosten kann er dann aber im Rahmen der Miet- ckende Versorgung mit Glasfaser vor. Auch Sie setzen auf nebenkosten auf den Mieter umlegen. diese Technik. Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie, hohe Übertragungsgeschwindigkeiten zu erreichen? Diese Regelung gilt jedoch nur, wenn das Glasfasernetz bis Ende 2027 errichtet ist. Es gilt zu bedenken, dass der Jürgen Grützner: Glasfaser ist die Festnetzinfrastruktur Eigentümer oder Vermieter nach Ablauf des Bereitstel- der Zukunft – mit sehr hohen und weiter wachsenden Über- lungszeitraums für den Betrieb der gebäudeinternen Netz- Ausgabe 04/22 | SCHWERPUNKTTHEMA | BVI ◆ Magazin | 17
18 SCHWERPUNKTTHEMA infrastruktur sowie die Gewährung des – kostenlosen – Zu- gangs anstelle des TK-Unternehmens verantwortlich ist. Natürlich kann man auch das Telekommunikationsunter- nehmen dafür vertraglich weiter verpflichten. Teilen Sie diesen Artikel mit Ihrem Netzwerk Alternativ kann das Inhouse-Glasfasernetz durch den Ei- gentümer in Eigenregie und auf eigene Kosten errichtet werden. Dann steht eine Refinanzierungsmöglichkeit über die Modernisierungsumlage nach § 556 Abs. 3a BGB zur Verfügung. Der Vermieter darf dann die Kaltmiete um acht Prozent erhöhen, ist aber verpflichtet, das Netz jedem am Zugang interessierten TK-Anbieter kostenfrei anzubieten und sich um Betrieb, Entstörung etc. zu kümmern. BVI-Magazin: Der Anspruch des Wohnungseigentümers auf den Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität, der sich aus § 20 Wohnungseigentums- JÜRGEN GRÜTZNER gesetz ergibt, führt künftig in der Praxis in der Wohnungs- eigentümergemeinschaft zu einer Vielzahl von Verträgen und damit Anbietern für Telekommunikations- und Medien- JÜRGEN GRÜTZNER ist Geschäftsführer des Ver- dienstleistungen, was die Abrechnung des Verwalters er- bandes der Anbieter von Telekommunikations- und schwert. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diesem Problem Mehrwertdiensten e. V. (VATM). zu begegnen? Jürgen Grützner: Solange keine der Vertragsparteien auf das Sonderkündigungsrecht ab dem 1. Juli 2024 zugreift, i können die Verträge auch über das Jahr 2024 hinaus fort- geführt werden. Der Vermieter übernimmt dann weiter die Kosten der TV-Versorgung – nicht Kosten der Installation – und kann diese nur nicht mehr als Betriebskosten auf den INFORMATION Mieter umlegen. Alternativ und in der Kommunikation mit den Mietern aufwendiger ist eine Versorgungsvereinbarung mit dem bisherigen TK-Unternehmen, bei der jeder Mieter Dem VATM gehören die größten deutschen Tele- einen Einzelnutzervertrag zur Lieferung eines TV-/Internet- kommunikationsunternehmen an, insgesamt rund angebots angeboten bekommt. In jedem Fall ist es für den 160 auch regional anbietende Netzbetreiber, Diens- Haueigentümer ratsam, sich jetzt um die Frage einer zu- teanbieter usw. Die VATM-Mitglieder versorgen kunftsfähigen Inhouse-Versorgung zu kümmern und dieses 80 Prozent aller Festnetzkunden und nahezu alle Mo- Thema nicht hinauszuzögern. Andernfalls steigt die Wahr- bilfunkkunden außerhalb der Telekom. 90 Prozent der scheinlichkeit, dass immer mehr Mieter sich eigenständig Kunden nutzen die gigabitfähigen Netze der alterna- um einen Anschluss kümmern. Der Vermieter darf dies dem tiven Anbieter. Mieter nicht verweigern. Selbst Wohnungseigentümerge- meinschaften müssen den Anschluss ans Glasfasernetz und die dazugehörigen Bauarbeiten dulden. Daher lohnt es sich, direkt jede Wohneinheit bei einer Ausbauaktivität ei- nes TK-Unternehmens vor Ort mit einem Glasfaseran- schluss zu versehen. Stand: 23. Juni 2022 BVI e. V. bvi-verwalter.de 18 | BVI ◆ Magazin | SCHWERPUNKTTHEMA | Ausgabe 04/22
19 SCHWERPUNKTTHEMA Foto: © Dirk Lamprecht Interview mit Johannes Schätzl, SPD, ordentliches Mitglied im Ausschuss für Digitales des Deutschen Bundestages „Fördergutscheine können eine unbürokratische und finanziell auskömmliche Lösung sein“ Seit dieser Legislaturperiode sitzt Johannes Schätzl als Abgeordneter für die SPD im Deutschen Bundestag. Der studierte Informatiker erklärt im Interview, warum er auf Glasfaseranschlüsse setzt, 5G nicht immer eine Alternative ist und was es mit der von der Ampelkoalition geplanten Voucher-Lösung auf sich hat. BVI-Magazin: Herr Schätzl, mindestens 10 Megabit pro spruch hat. Dieses absolute Minimum darf nicht Sekunde im Download und 1,7 Megabit pro Sekunde im unterschritten werden, sonst haben die Betroffenen An- Upload – ist diese Begriffsbestimmung für schnelles Inter- spruch auf eine bessere Versorgung. Für die Sicherstellung net, die Sie als Koalition vertreten, noch zeitgemäß? dieser Mindestversorgung kann die Bundesnetzagentur sogar einen Anbieter verpflichten. Das ist eine echte Ver- Johannes Schätzl: Es handelt sich eben nicht um eine besserung für bisher völlig unterversorgte oder sogar über- Begriffsbestimmung für schnelles Internet. Wir haben fest- haupt nicht versorgte Haushalte. gelegt, auf welche Versorgung ein Haushalt mindestens An- Ausgabe 04/22 | SCHWERPUNKTTHEMA | BVI ◆ Magazin | 19
20 SCHWERPUNKTTHEMA BVI-Magazin: Im Koalitionsvertrag haben Sie sich die flä- Johannes Schätzl: Es gibt im Grunde nicht viele infrage chendeckende Versorgung mit Glasfaser zum Ziel gesetzt. kommende Netze, die hier einschlägig sind. Ein Anschluss Ist es richtig, nur auf diese Technik zu setzen, wo doch auch an ein Glasfasernetz bietet zudem einen Anreizpunkt, mög- beispielsweise Anschlüsse über das TV-Kabel hohe Über- lichst viele Eigentumsparteien auf diesem Übertragungs- tragungsraten bieten? medium zu versammeln. Johannes Schätzl: Die Anschlüsse über das TV-Kabel Stand: 21. Juni 2022 sind ein wichtiger Teil der Infrastruktur in Deutschland und ermöglichen schon heute hohe Geschwindigkeiten. Die im- BVI e. V. mer weiter steigenden Bandbreiten von morgen können bvi-verwalter.de aber nur mit der Glasfasertechnologie zukunftsfest abgebildet werden. Deshalb ist es richtig, bei einem Ausbau auf diese Technologie zu setzen. Wir wollen damit langfristige und vorausschauende Politik machen. BVI-Magazin: Sind 5G-Lösungen, die mit moderner Funk- Teilen Sie diesen Artikel technik arbeiten, für die Versorgung mit schnellem Internet mit Ihrem Netzwerk nicht einfacher umzusetzen, weil keine teuren Leitungen gelegt werden müssen? Johannes Schätzl: Das kommt auf den Ort und die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer an. Für einige entlegene Haus- halte kann das aber ganz sicher eine Alternative sein. Die höhere Geschwindigkeit und Übertragungsqualität bietet aber auch hier klar die Glasfaserleitung. BVI-Magazin: Das sogenannte Glasfaserbereitstellungs- entgelt nach § 72 Telekommunikationsgesetz ist eine Mög- lichkeit, den Ausbau der Netzinfrastruktur innerhalb eines JOHANNES SCHÄTZL Gebäudes zu refinanzieren, eignet sich jedoch nicht für eine i Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund der engen rechtlichen Vorgaben, die kaum eine Amortisierung der Kosten zulassen. Wie kann dieses Instrument dennoch pra- INFORMATION xistauglich gestaltet werden? Johannes Schätzl: Wir prüfen, das Instrument des Glas- JOHANNES SCHÄTZL wurde 1993 in Hutthurm ge- faserbereitstellungsentgelts um eine Voucher-Lösung zu boren und studierte Informatik an der Universität Pas- ergänzen. Also Fördergutscheine, mit denen wir den Aus- sau. Er arbeitete vier Jahre bei der ZF Friedrichshafen bau innerhalb von Gebäuden fördern wollen. Diese können AG im Bereich der Digitalisierung und gehört seit Ok- eine unbürokratische und finanziell auskömmliche Lösung tober 2021 dem 20. Deutschen Bundestag an. sein – sowohl für Unternehmen als auch Privathaushalte. BVI-Magazin: Wie kann vermieden werden, dass der An- spruch des Wohnungseigentümers auf den Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität, der sich aus § 20 Wohnungseigentumsgesetz ergibt, in der Wohnungseigentümergemeinschaft zu einem Wildwuchs an Anbietern für Telekommunikations- und Mediendienst- leistungen führt, der für Verwalter nicht mehr beherrschbar ist? 20 | BVI ◆ Magazin | SCHWERPUNKTTHEMA | Ausgabe 04/22
21 SCHWERPUNKTTHEMA Foto: © Dirk Lamprecht Interview mit Dr. Reinhard Brandl, CSU, ordentliches Mitglied im Ausschuss für Digitales des Deutschen Bundestages „Die Ampel scheint nicht auf der Höhe der Zeit zu sein“ Dr. Reinhard Brandl ist seit Dezember 2021 digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Wir sprachen mit ihm unter anderem über Mindestanforderungen für schnelles Internet, die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und 5G-Lösungen als mögliche Alternative zum Breitband-Festnetz. BVI-Magazin: Herr Dr. Brandl, 10 Megabit pro Sekunde im 20 Mbit/s im Download und auf mindestens 3,4 Mbit/s im Download und 1,7 Megabit pro Sekunde im Upload – das ist Upload verdoppeln sollen, damit auch in Mehrpersonen- die Mindestanforderung der Bundesregierung für schnelles haushalten Homeoffice und Internetnutzung technisch soli- Internet, auf das jeder Bürger Anspruch hat. Ist diese Über- de sichergestellt sind. Das entspricht auch den aktuellen tragungsrate überhaupt noch zeitgemäß? Marktgegebenheiten. Dr. Reinhard Brandl: Bundesminister Wissing hat über Darüber hinaus plant die Ampel, dass die Mindestbandbrei- den Rechtsanspruch auf schnelles Internet im Blindflug ten nur „regelmäßig“ erbracht werden und nicht „stets“, wie entschieden. Es fehlt an einer genauen bundesweiten Er- wir es fordern. Einen entsprechenden Antrag mit den höhe- hebung der Bandbreiten pro Haushalt. Ob Mehrpersonen- ren Bandbreiten, die „stets“ erbracht werden müssen, hat- haushalte vernünftig versorgt werden, ist vollkommen ten wir von der CDU/CSU im Digitalausschuss des Deut- unklar. Deshalb habe ich erhebliche Zweifel, ob die festge- schen Bundestages eingebracht. Leider hat die Ampel dies legten Mindestwerte pro Anschluss als Grundversorgung abgelehnt, aber in einem eigenen Antrag zumindest den für eine Familie mit Kindern ausreichen. Die Entscheidung eigenen Bundesminister Wissing aufgefordert, im nächsten scheint das mittlerweile übliche Nutzungsverhalten der Jahr noch einmal nachzuarbeiten. Anschließend gab es im- Bürger zu ignorieren. Nach zwei Jahren Pandemie, merhin auch im Bundesrat seitens der Länder parteiüber- Homeoffice, üblicher Internetnutzung und im Bedarfsfall greifend so starke Kritik an Wissings Verordnungsentwurf, Homeschooling scheint die Ampel hier nicht auf der Höhe dass dieser in einer Protokollerklärung den Ländern zusag- der Zeit zu sein. Vielmehr nutzt sie stattdessen konsequent te, bis Mitte 2023 die Mindestversorgungsbandbreite auf 15 alte Bandbreiten, um den Rechtsanspruch für den Bürger Mbit/s anzuheben. Damit hat der Digitalminister auf den möglichst niedrig zu halten. Unserer Ansicht nach hätte die letzten Metern eingesehen, dass sein Vorschlag für eine Ampel jetzt schon die Mindestbandbreiten auf mindestens Mindest-Internetversorgung von 10 Mbit/s im Download in Ausgabe 04/22 | SCHWERPUNKTTHEMA | BVI ◆ Magazin | 21
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