Und Tschüss? Chance zum Durchstarten - nds - die Zeitschrift der GEW NRW
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nds 6/7-2019 Inklusion: Begegnung auf Augenhöhe KiBiz: Mehr Geld, mehr Qualität? Lernerfolg durch Direkte Instruktion Mitglieder aktivieren: Aber wie? Lehrer*innenhandeln im Visier DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT Wie funktioniert Unterricht 4.0? 71. Jahrgang Juni / Juli 2019 ISSN 0720-9673 Und Tschüss? Chance zum Durchstarten K 5141
Fotos: Wild Bunch Germany, Georges Pauly Mit der GEW NRW ins Kino DEUTSCHSTUNDE Der Film DEUTSCHSTUNDE basiert auf dem gleichnamigen Roman von Siegfried Lenz und erzählt die Geschichte zweier Freunde, die zu Feinden werden. Zwischen ihnen steht ein elfjähriger Junge, der von beiden geliebt werden will. Deutschland, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Jugendliche Siggi Jepsen (Tom Gronau) muss in einer Strafanstalt einen Aufsatz zum Thema „Die Freuden der Pflicht“ schreiben. Er findet keinen Anfang, das Blatt bleibt leer. Als er die Aufgabe am nächsten Tag nachholen muss, diesmal zur Strafe in einer Zelle, schreibt er wie besessen seine Erinnerungen auf. Erinnerungen an seinen Vater Jens Ole Jepsen (Ulrich Noethen), der als Polizist zu den Autoritäten in einem kleinen norddeutschen Dorf zählte und den Pflichten seines Amtes rückhaltlos ergeben war. Während des Krieges muss er seinem Jugendfreund, dem expressionistischen Künst- ler Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti), ein Malverbot überbringen, das die Nationalsozialist*innen gegen ihn verhängt haben. Er überwacht es penibel, und Siggi (Levi Eisenblätter), elf Jahre alt, soll ihm helfen. Doch der Maler widersetzt sich – und baut ebenfalls auf die Hilfe des Jungen, der für ihn wie ein Sohn ist. Der Konflikt zwischen den beiden Männern spitzt sich immer weiter zu – und Siggi steht zwischen ihnen. Vorstellungen für Schulklassen sind ab Kinostart möglich. Der Film eig- net sich unter anderem für die Fächer Deutsch, Geschichte, Sozialwissen- schaften, Politikwissenschaft, Philosophie und Religion. VORSTELLUNGEN FÜR GEW-MITGLIEDER Sonntag, 28. Juli 2019 Düsseldorf Bambi, Klosterstraße 78, Beginn: 11.00 Uhr Essen Lichtburg, Kettwiger Straße 36, Beginn: 11.00 Uhr Offizieller Kinostart 3. Oktober 2019 Filmwebseite www.deutschstunde-der-film.de Anmeldung und Infos www.gew-nrw.de/veranstaltungen
nds 6/7-2019 3 Und Tschüss? Chance zum Durchstarten Kurz bevor die Ferien anfangen, erzählen wir in der nds vom Ende: von den letzten Tagen des Schul- und Kitajahres, vom Abschied aus dem Berufsleben, vom Auslaufen befristeter Arbeits- verträge in der Erwachsenenbildung oder an der Hochschule. Und noch etwas endet: Die nds erscheint mit dieser Ausgabe zum letzten Mal. Klingt traurig? Das wird es nicht – versprochen! Nachjustieren reicht nicht mehr: Ein neues Magazin für die GEW NRW Seit rund 70 Jahren ist die „neue deutsche schule“ die Mitgliederzeitschrift der GEW NRW und wird von vielen Kolleg*innen geschätzt. Warum ein neues Magazin? War die nds nicht schon eine gute Mitgliederzeitschrift? Natürlich – das hat auch die Leser*innenbefragung im vergangenen Jahr gezeigt. Dass die nds gut war, lag aber auch daran, dass sie sich kontinuierlich weiterent- wickelt hat. Die GEW NRW ist im Laufe der Jahrzehnte vielfältiger geworden, außerschulische Bildungsbereiche und gesellschaftspolitische Themen haben an Bedeutung gewonnen. Das hat auch die Inhalte der nds verändert. Auf www.gew-nrw.de kommuniziert die Bildungsgewerkschaft ihre Themen mittlerweile aktueller und rascher. Auch das hat die Inhalte der nds beeinflusst. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem diese Veränderungen nicht mehr länger durch Nachjustieren aufgefangen werden können. Jetzt brauchen wir einen Neustart. Anja Heifel-Rohden und Geschichten, Perspektiven, Hintergründe: Mehr von allem! Fritz Junkers Die Aufgabe bleibt anspruchsvoll: Auch das neue Magazin schafft einen regelmäßigen Berüh- Redaktion der nds und des rungspunkt zwischen den Mitgliedern und ihrer GEW NRW und nimmt alle mit – von der Kita neuen Mitgliedermagazins bis zur Erwachsenenbildung. Es informiert verständlich über Bildungspolitik, Tarifpolitik und Fotos: A. Schneider Beamt*innenrecht, es kommentiert und regt Debatten an, es wirft nützliche Blicke in die Praxis und es verortet die Bildungsgewerkschaft in aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Im Mix der Kommunikationskanäle, zu denen zum Beispiel die Webseite, die Newsletter und die Facebookseite der GEW NRW gehören, muss das Printmedium längerfristig wirken. Das neue Magazin wird deshalb Themen stärker vertiefen, mehr Perspektiven, mehr Hintergrund liefern. Es wird anschauliche Geschichten von Menschen aus dem Bildungssektor erzählen, um mehr Praxis zu vermitteln. Dabei werden die Erfahrungen und das Wissen der ehrenamtlichen GEW-Kolleg*innen weiterhin ein kostbarer Baustein der Redaktionsarbeit sein. Für all das und für ein luftiges, modernes Design nehmen wir uns mehr Platz und erscheinen künftig mit 52 statt mit 40 Seiten. Apropos Seiten: Das Papier des neuen Magazins ist mit dem Blauen Engel zertifiziert – für ein Plus an ökologischer Nachhaltigkeit. Ein echter Neustart – wie aufregend! Die GEW NRW ist mit über 48.000 Mitgliedern die größte Organisation der Beschäftigten im Bildungssektor. Sie braucht ein zeitgemäßes Mitgliedermagazin, das nachhaltig wirkt. Das wird das neue Magazin leisten. Na klar: Mehr von allem fällt nicht vom Himmel. Um ein gutes Heft zu machen, das seinen Leser*innen Spaß macht und ihnen nützlich ist, braucht es Zeit. Deshalb wird das neue Magazin sieben statt zehn Mal im Jahr erscheinen. Und es wird einen neuen Namen tragen, der nicht nur die Schule adressiert und der vor allem für niemanden ein Rätsel bleibt. (Fragen Sie doch mal ein neues Mitglied, wofür „nds“ eigentlich steht ...) Ein echter Neustart eben. Nostalgischer Rückblick: Sehen Sie: So traurig ist das alles gar nicht. Am Ende des alten Schuljahres winkt schließlich 70 Jahre nds – Titelseiten auch schon das nächste und lädt zum Durchstarten ein. Am 24. September 2019 erscheint das von 1949 bis heute neue Mitgliedermagazin der GEW NRW zum allerersten Mal. Wir sind ein bisschen aufgeregt und www.tinyurl.com/nds- wir freuen uns riesig! // nostalgie
4 INHALT THEMA BILDUNG 16 8 Und Tschüss? Inklusion an der Rosenmaarschule in Köln Chance zum Durchstarten Die Vielfalt der Menschen einbeziehen – Begegnung auf Augenhöhe Ende der Schulform Hauptschule Seite 8 „Die Hauptschule hat viel geleistet!“ Seite 16 Entwurf für das KiBiz Mehr Geld gleich mehr Qualität? Ende des Schuljahrs Seite 11 Wie war das Schuljahr 2018 / 2019? Seite 18 Direkte Instruktion Kompetenzen wirksam vermitteln Bildungsübergang gestalten Seite 12 Kinderleicht von der Kita in die Grundschule Seite 19 Bildungsgerechtigkeit an der Matthias-Claudius-Schule Schulen brauchen Vertrauen Start in den Ruhestand Seite 14 „Von 120 auf 0? Das könnte ich nicht!“ Seite 22 Kommentar Das Ende immer in Sicht Seite 24
nds 6/7-2019 5 ARBEITSPL ATZ IMMER IM HEFT Nachrichten Seite 6 Kino Seite 2 Buchtipps Seite 32 Weiterbildung Seite 33 Infothek Seite 34 Termine Seite 38 Impressum Seite 39 25 Mitgliederaktivierung und Willkommenskultur Mitgestalter*innen gesucht! Seite 25 Maßnahmen für besseren Unterricht Lehrer*innenhandeln im Visier Seite 28 Interview mit Benjamin Hadrigan „Endlich den Schritt ins 21. Jahrhundert wagen!“ Seite 30
6 NACHRICHTEN Hauptschule – ein Auslaufmodell Immer mehr Hauptschulen in NRW schließen – und zwar schnell. Das Entwicklung der Zahl der geht aus der schulamtlichen Statistik des Ministeriums für Schule und Hauptschulen in NRW Illustration: vecteezy.com Bildung (MSB) NRW hervor. Im Schuljahr 2018 / 2019 gab es insgesamt nur noch 243 Hauptschulen in NRW, 82 davon laufen aus. Demnach 5 35 waren rund vier Prozent aller Schulen in NRW Hauptschulen. Zehn Jahre 1. zuvor waren es 703 Hauptschulen – knapp dreimal so viele – und der 9 13 Anteil der Schulform lag bei rund elf Prozent. Passend dazu geht auch 1. die Zahl der Hauptschüler*innen seit Jahren massiv zurück. 62.995 Schüler*innen besuchten im Schuljahr 2018 / 2019 eine Hauptschule 0 75 3 in NRW. Gemessen an der Gesamtzahl der Schüler*innen sind das etwa 70 drei Prozent. Im Jahr 2008 waren es noch 217.015 Schüler*innen, die an dieser Schulform unterrichtet wurden. Ihr Anteil lag bei rund acht Prozent. 3 24 Diese Situation stellt vor allem Beschäftigte auslaufender Schulen vor große Herausforderungen. Oft sind ihre Energiereserven am Limit. Durch den Schließungsbeschluss und das geringere Personaltableau müssen die außerunterrichtlichen Tätigkeiten auf immer weniger Schultern verteilt 1978 1988 1998 2008 2018 werden. Mehr zum Thema ab Seite 16. MSB NRW / kue Quelle: MSB NRW: Das Schulwesen aus quantitativer Sicht, 2018 / 2019 Grant-Förderung Zukunftsvertrag nachbessern! Die Hans-Böckler-Stiftung unter- Die GEW NRW hat Bund und Länder zur Nachbesserung des im Mai Begreifen stützt mit Fördermitteln herausra- ausgehandelten „Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken“ aufge- zum Eingreifen gende junge Wissenschaftler*innen. fordert, der ab 2021 den Hochschulpakt ablösen soll. „Gut, dass der Die Förderung Maria-Weber-Grant Zukunftsvertrag entfristet wird und auf unbestimmte Zeit laufen soll. gibt vier Hochschulbeschäftigten Das gibt den Hochschulen Planungssicherheit. Absolut unverständlich die Möglichkeit, sich für einige ist, dass die aus dem Programm finanzierten Wissenschaftler*innen www. Ferienjobs Zeit stark auf ihre Forschungs- weiterhin semesterweise geheuert und gefeuert werden können“, sagt Welche Regeln gelten für die arbeit zu konzentrieren – eine we- GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern. Es fehlt eine verbindliche Ver- Ferienarbeit? Die DGB- sentliche Voraussetzung, um eine pflichtung, dass mit den Bund-Länder-Mitteln in Zukunft ausschließlich Jugend gibt Tipps, worauf feste Professur zu erhalten. Die unbefristete Beschäftigungsverhältnisse finanziert werden. „Bundeskanz- Schüler*innen bei Ferienjobs achten sollten. Bewerbung erfolgt online und ist lerin Angela Merkel und die Regierungschef*innen der Länder sollten www.tinyurl.com/ferienjobs noch bis zum 15. September 2019 den Zukunftsvertrag daher überarbeiten.“ Sollten sie ihn unterschreiben, möglich. Mehr unter www.tinyurl. ist das Land NRW in der Pflicht, die Vorgaben konkret umzusetzen. Mehr www. Datenschutz com/grant-2020 kue unter www. tinyurl.com/zukunftsvertrag bp Die Datenschutzgrundverord- nung betrifft auch die Arbeit von Betriebsräten. Arbeits- und Schultoiletten Inklusionsquote leicht gestiegen Sozialforscherin Marita Körner erklärt, wie und warum Be- Drei Schulen, darunter eine Die Zahl der Schüler*innen an allgemeinbildenden Schulen (ohne triebsvereinbarungen überprüft aus NRW, haben beim „Toiletten Freie Waldorfschule, Weiterbildungskolleg und Schule für Kranke) mit und möglicherweise angepasst machen Schule“-Wettbewerb ge- sonderpädagogischem Förderbedarf war im Schuljahr 2018 / 2019 mit werden müssen. wonnen. Die Siegerschulen aus 132.468 Kindern um rund drei Prozent höher als im Schuljahr 2017 / 2018. www.tinyurl.com/dsgvo- betriebsrat Remscheid, Berlin und Saarbrü- An allgemeinbildenden Schulen waren es 57.099 Kinder und an Förder- cken erhielten für ihr Konzept zur schulen 75.369 Kinder. 2018 wurden insgesamt 43,1 Prozent aller Kinder www. Keine Kinderarbeit Verbesserung der Schultoiletten mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen und nicht an In Uganda hat die Bildungsge- jeweils 10.000,- EUR sowie wei- Förderschulen unterrichtet. Diese sogenannte Inklusionsquote ist gegen- werkschaft UNATU gemeinsam tere Sachpreise im Wert von rund über dem Vorjahr um 0,9 Prozentpunkte gestiegen. Die Vorsitzende der mit einem führenden Kaffee- 6.000,- Euro. Mit dem Preisgeld GEW NRW, Maike Finnern, sieht die steigende Quote als Alarmzeichen: exporteur des Landes und einer sollen die Schulen ihre Ideen und „Wir halten die Eckpunkte zur Neuorientierung der Inklusion für völlig lokalen Selbsthilfeorganisation zwei „kinderarbeitsfreie Zonen“ Vorstellungen für saubere Toiletten unzureichend. Die Landesregierung muss dringend in einem Inklusions- organisiert. in Zukunft umsetzen können. Mehr plan darlegen, in welchen zeitlichen und inhaltlichen Schritten sie eine www.tinyurl.com/uganda-fair- unter www.tinyurl.com/schultoi- hochwertige inklusive Bildung quantitativ und qualitativ weiterentwickeln childhood letten kue will.“ IT.NRW /kue
nds 6/7-2019 7 Maike Finnern (Mitte) ist die neue Vorsitzende der GEW NRW. Ihre Stellvertreter*innen Ab in die Tonne!? Vertreter*innen der GEW NRW protestierten in Düsseldorf gegen die sind Ayla Çelik und Sebastian Krebs. Foto: A. Schneider Abschaffung der Zivilklausel und für Demokratie und Frieden. Foto: M. Mendyka Neuer Vorsitz der GEW NRW gewählt Petition: Zivilklausel erhalten! Maike Finnern tritt als neue Vorsitzende die Nachfolge von Dorothea Rund 5.000 Unterschriften gegen die Pläne, im neuen Hochschul- Schäfer an. Mit 93,7 Prozent haben die Delegierten des Gewerkschafts- gesetz die Zivilklausel zu streichen, wurden im Juni unter anderem von tags die Bielefelderin an die Spitze der Bildungsgewerkschaft gewählt. Vertreter*innen der GEW NRW an NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Gesamtschullehrerin Ayla Çelik aus Köln und Berufsschullehrer Sebastian Pfeiffer-Poensgen übergeben. Mit einer Aktion vor dem Landtag machten Krebs aus Düsseldorf sind Stellvertreter*innen. Christian Peters wurde als die Gewerkschafter*innen auf das Thema aufmerksam. Im Fokus stand Kassierer bestätigt. Mehr unter www.tinyurl.com/vorsitz-wechsel kue die Abschaffung der Zivilklausel. Mehr unter www.zivilklausel.de kue Hürden für Studis im Ruhrgebiet Mehr Azubis in dualer Ausbildung Der DGB NRW hat einen Studierendenreport vorgestellt, der die In NRW waren Ende 2018 insgesamt 299.232 junge Menschen in einer Studiensituation und die soziale Lage von Studierenden in Deutschland, dualen Ausbildung. Das ist ein Plus von 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. NRW und im Ruhrgebiet vergleicht. „Die Hürden, das Studium erfolgreich Maßgeblich hierfür war der Anstieg der ausländischen Auszubildenden um zu meistern, liegen für Studierende im Ruhrgebiet höher als in NRW und 19,3 Prozent. Die Zahl der männlichen Berufsstarter stieg hier um 25,9 bundesweit“, fasste der Projektleiter, Dr. Ulf Banscherus von der Koopera- Prozent auf 19.833. Mit insgesamt 106.896 weiblichen Auszubildenden tionsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der TU Berlin, die Ergebnisse lag die Zahl um zwei Prozent unter dem Vorjahresniveau und zeigt den zusammen. Nur 65 Prozent der Studierenden im Ruhrgebiet bewerteten ihre bisher niedrigsten Stand seit den Aufzeichnungen 1976. Die Zahl der Situation positiv. „Dabei haben es diejenigen mit Migrationshintergrund 192.336 männlichen Azubis lag 2,1 Prozent über der vom Vorjahr. Im oder niedriger Bildungsherkunft besonders schwer.“ Die Vorsitzende des größten Ausbildungsbereich „Industrie, Handel, Banken, Versicherungen, DGB NRW, Anja Weber, forderte von der Landesregierung: „Gerade für Gast- und Verkehrsgewerbe” stieg die Zahl der Auszubildenden um 0,3 die Zukunft des Ruhrgebiets ist es existenziell wichtig, massiv in Bildung Prozent auf 175.824. Mehr Auszubildende gab es auch im öffentlichen zu investieren und alle Bevölkerungsgruppen mitzunehmen.“ Mehr unter Dienst. In diesem Bereich gab es 8.646 Auszubildende. Die Zahl stieg www.tinyurl.com/studi-report DGB NRW um 1,3 Prozent im Vergleich zum Jahr 2017.IT.NRW DGB-Filmpreis Schulfirmen Das Drama „Systemsprenger“ Zwei Schüler*innenfirmen aus hat den diesjährigen DGB-Filmpreis NRW haben am Bundeswettbe- gewonnen. Der Film der jungen werb des Instituts der deutschen Regisseurin Nora Fingscheidt über Wirtschaft in Berlin teilgenommen. engagierte Sozialarbeiter*innen Die Firmen „Düsselcycle“ aus Düs- und ein Kind, das Liebe sucht, seldorf und „Radellos“ aus Essen wurde am 16. Juni 2019 mit dem hatten Mitte April bereits den Publikumspreis beim 30. Interna- NRW-Landeswettbewerb gewon- Gewerkschaft trifft Kirche: Die GEW NRW war mit einem eigenen Stand auf dem tionalen Filmfest Emden-Nordeney nen. Beide Projekte beschäftigten deutschen evangelischen Kirchentag in Dortmund vertreten. Foto: M. Schulte ausgezeichnet. Der Preis ist mit sich mit dem Upcycling alter Fahr- GEW NRW beim Kirchentag 7.000 Euro dotiert und ehrt Filme, räder. In Düsseldorf konstruieren die sich durch ein besonderes ge- Schüler*innen des Max-Planck- Die GEW NRW war vom 19. bis 23. Juni 2019 mit einem Stand beim sellschaftliches Engagement aus- Gymnasiums Lampen und Uhren, deutschen evangelischen Kirchentag in Dortmund. Dort war Bildung eines zeichnen. In diesem Jahr wurde in Essen-Borbeck stellen Schüle- der Schwerpunktthemen. Auf dem Podium wurden unter anderem Bildungs- der DGB-Filmpreis zum 22. Mal rinnen des Mädchengymnasiums gerechtigkeit und Chancengleichheit diskutiert. Mehr ab Seite 14. kue vergeben. DGB NRW/kue Flaschenöffner her. WDR/kue
8 BILDUNG Inklusion an der Rosenmaarschule in Köln Die Vielfalt der Menschen einbeziehen – Begegnung auf Augenhöhe Blauer Himmel, Bierzeltgarnituren. Junge Leute sitzen zusammen. Es wirkt wie Nicht, wenn ich ein Kind im Rolli durch die Schule eine große Familie oder eine Gartenparty für Freund*innen. Ein Bild, als ge- schiebe“, betont Marietta Gawert. hörten alle irgendwie dazu – zur Rosenmaarschule im Kölner Stadtteil Höhen- Inklusion heißt Mitwirkung für alle – haus. Es ist Schnuppertag für die künftigen Erstklässler*innen und ihre Eltern. Beschäftigte, Eltern und Schüler*innen Die Atmosphäre: freundlich, harmonisch, ein „Wir“ der Individuen. Oder das, was 100 Menschen mit einer Vielzahl von Beru- die Schule unter Inklusion versteht. fen und unterschiedlichen Arbeitgebern muss Schulleiterin Marietta Gawert schlendert grü- Für die Schulleiterin ist Inklusion Ausdruck die Schulleitung koordinieren. Bereitschaft zur ßend durch die Reihen zum Feierraum. Manche eines Menschenbilds. Eine inklusive Schule Teamarbeit und diverse Kooperationsmodelle Eltern kennt sie schon. Der Schnuppertag ist setze eine besondere Haltung allen Menschen sind die Grundlage für eine gute Zusammenar- nach Infoabend, Hospitation der Eltern, Schul- gegenüber voraus. An der Schule sind 100 beit. Für Teamsitzungen oder Konferenzen gibt fest und Anmeldung für viele schon der fünfte Mitarbeiter*innen beschäftigt: Voll- und Teil- es feste Termine. Inklusion heißt hier auch Mit- Kontakt mit der Schule. Einige Eltern kennen zeitkräfte, Reinigungspersonal, technisches Per- wirkung. Ein Mitarbeiter*innenrat, in dem alle die Rosenmaarschule bereits länger, weil sie sonal, Therapeut*innen, Praktikant*innen. Dazu Berufsgruppen vertreten sind, entscheidet und schon Kinder hier hatten. kommen Besucher*innen, Eltern, Schüler*innen berät nach vorheriger Absprache im eigenen Inklusion ist kein Gutmenschentum, sowieso. Sie alle prägen die Schule mit. Es geht Team über alle organisatorischen und pädago- sondern eine professionelle Haltung darum, „die Vielfalt der Menschen einzubezie- gischen Punkte. „Inklusion heißt auch, voneinan- „Inklusion ist nicht die Beschulung behinder- hen – auf Augenhöhe,“ sagt Marietta Gawert. der zu lernen. Wir beteiligen alle Menschen, die ter Kinder“, erklärt Marietta Gawert auf dem Weg Das habe nichts mit Gutmenschentum zu tun, etwas beitragen können,“ erklärt die Schullei- zum Infostand des Fördervereins. Kurzer Plausch sondern sei vielmehr „Teil unserer Professionali- terin. Das Protokoll des Mitarbeiter*innenrats mit den ehrenamtlichen Unterstützer*innen, sierung“. Ein Beispiel liefert sie gleich mit: Statt wird nach den Sitzungen allen zugänglich ge- dann geht es weiter. Eltern werden eingebun- Lehrer*innenausflug gibt es an der Rosen-maar- macht. Das sorgt für Transparenz und fördert den. Inklusion wird an der Schule deutlich wei- schule einen Betriebsausflug und eine Weih- die Bereitschaft, Dinge mitzutragen. ter gefasst als die Abkehr von der Förderschule nachtsfeier – für alle. Hospitant*innen oder Statt eines Lehrer*innenzimmers für „Aus- und der Praxis, behinderte Kinder in der Regel- Reinigungskräfte sind dabei, und zwar kosten- erwählte“ gibt es einen Pausenraum für alle schule mit nicht Behinderten gemeinsam zu un- los. Deren Anteil tragen die mit, die an der Mitarbeiter*innen, Küchenecke, Kaffee und Sitz- terrichten. Schule mehr verdienen. „Da fängt Inklusion an! gelegenheiten inklusive. Auch der Arbeitsraum
nds 6/7-2019 9 nebenan mit Lese- und Infomaterial samt PC-Sta- Außentüren. Das freut nicht nur Kinder oder tionen kann von allen genutzt werden. Besucher*innen, die motorisch eingeschränkt Eingebunden werden auch die Lernenden, sind. Das hilft auch Kindern, die manchmal nicht die in einer Art Schüler*innenparlament Pro- die Kraft haben, die Türen aufzudrücken, weiß zesse beeinflussen können. Zur gelebten Inklu- die Schulleiterin. Barrierefreiheit ist selbstver- sion gehöre auch, Verantwortung abzugeben ständlich. und zu teilen. Alle sollen erkennen, „dass sie ein Leichter erreichbar wird auch der Schulgar- Teil des Gelingens sind und sich dafür gegensei- ten. Mithilfe der Eltern und des Fördervereins tig wertschätzen“. So hat Marietta Gawert es in werden Wege und Flächen im Garten plattiert. einem Vortrag über das Schulkonzept formuliert. Indem sie Beete zum Beispiel mit dem Rolli Der große, asphaltierte Schulhof bietet viel leichter erreichen können, gewinnen auch Kin- Platz. Wer auch bei Regen gerne frische Luft tan- der, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ken möchte, kann das in einem überdachten Un- neue Aktionsräume. terstand tun – ausgestattet mit urigen Tischen Die enge Zusammenarbeit mit den und Bänken. Ein Wunsch der Schüler*innen, der Eltern hat Tradition mit Unterstützung der Eltern umgesetzt wurde. Eltern und Förderverein spielen seit jeher eine Ein Rahmen für alle – menschlich, besondere Rolle an der Rosenmaarschule. Die pädagogisch, sozial und baulich Eltern werden als Erziehungspartner*innen Die Rosenmaarschule unterscheidet sich in ei- einbezogen. Es gibt drei Elternsprechtage im nigen Punkten von herkömmlichen Grundschulen: Jahr. Jeweils zwei Fachkräfte – Lehrkräfte, ◆◆ Die Schule arbeitet mit altersgemischten Erzieher*innen oder Therapeuten*innen, die Klassen, in denen Kinder des ersten bis vierten direkt mit dem Kind zu tun haben – führen die Schuljahrs gemeinsam lernen. Entwicklungsgespräche mit den Eltern. ◆◆ Im Zuge des gemeinsamen Unterrichts werden Die intensive Elternbeteiligung hat Tradi- Kinder verschiedener Förderbedarfe wie auch tion. „Die Schule war Modellschule“, erinnert besonders Begabte in einem differenzierten Marietta Gawert an eine Vorreiterrolle. Schon Vorbild für gelebte Inklusion? „Einige Dinge machen wir viel- Unterrichtsangebot beschult. Etwa 20 Prozent in den 1950er-Jahren wurden altersgemischte leicht nur anders“, meint Marietta Gawert, Schulleiterin der der 420 Kinder haben sonderpädagogischen Stammgruppen eingeführt. In den 1970er-Jahren Rosenmaarschule in Köln (oben). Fotos: A. Etges Förderbedarf. engagierten sich Schule und Eltern in Diskussi- ◆◆ Am komplexen Ganztagsangebot von 7.30 onsrunden und pädagogischen Wochenenden. bis 16.30 Uhr nehmen alle Kinder teil. Ihnen „Die Leute hier waren sehr engagiert. Eine Ini- stehen 40 AGs, vielfältige Förderangebote – tiative hat den Ganztag gestemmt“, verweist unter anderem therapeutisches Reiten – die Schulleiterin auf ein für damalige Verhält- und umfangreiche Ferienmaßnahmen zur nisse beispielhaftes Angebot, das für Attrakti- Verfügung. vität sorgte. Das sei von den Eltern honoriert Diesen Rahmen zu schaffen, ist das Ergebnis worden. Sie tragen das Konzept mit. Die Begeg- multiprofessioneller Teamarbeit. Es geht darum, nung auf Augenhöhe sieht Marietta Gawert als Kinder zwischen fünf und elf Jahren, Kinder mit „Anreiz, sich einzubringen“. Elternbeteiligung unterschiedlichen Behinderungen und Hochbe- sei mehr als bei Festen Kuchen zu backen. Als gabte, Kinder mit Migrationshintergrund, solche es zum Beispiel darum ging, den Namen der mit autistischen oder andere mit egoistischen Schule zu ändern, weil der frühere Namensgeber Zügen zu unterrichten. Unter einem Dach ler- in der NS-Zeit eine fragwürdige Rolle gespielt nen hier „Kinder, die nicht wussten, wie viele hatte, entschied sich die versammelte Schul- Finger an ihrer Hand waren, und Kinder, die gemeinde für „Rosenmaarschule“ – auch die die Wurzel aus 890 zogen“, schildert Marietta Eltern. Früher schickten Eltern aus ganz Köln Gawert die Herausforderung, der sie sich nach die Kinder nach Höhenhaus. Immer noch wer- dem Wechsel an die Rosenmaarschule stellen den deutlich mehr Kinder angemeldet als auf- musste. Das gehe „jedenfalls nicht allein und genommen werden können. nicht ohne Hilfe von anderen“, war ihr Fazit. Gesellschaftliche und berufliche Verände- Die Lösung: Inklusion. Die geht über den rungen wirken sich auch beim Einsatz für die menschlichen, pädagogischen und sozialen As- Schule aus. Ein Phänomen, das auch Vereine pekt hinaus. Alle Klassenräume sind ebenerdig oder Parteien kennen. „Trotzdem gelingt es, noch erreichbar. Das gilt auch für den Tobe-Raum und 30 bis 50 Prozent der Eltern einzubinden“, freut die Fahrradwerkstatt in einem Pavillon. Für leich- sich Marietta Gawert. Sie helfen, das 28.000 ten Zugang sorgen elektrische Öffner an den Quadratmeter große Areal der Schule zu pflegen,
10 BILDUNG packen an, wenn es gilt, den Schafstall auszu- Der Förderverein springt ein, entworfen – bezahlt vom Förderverein. Neben misten, Fenster zu putzen oder Reparaturen vor- wo öffentliche Unterstützung fehlt verschiedenen Ebenen gibt es hier auch eine zunehmen. Solche Aktionstage starten morgens Und wo Eltern nicht direkt selbst Hand anle- Kletterwand. Das Equipment im Feierraum mit einem gemeinsamem Frühstück. Mittags gen, ist der Förderverein die helfende Hand. Ein kommt, richtig, vom Förderverein. bekochen die Kinder die Eltern – für Marietta Mini-Jobber repariert Fahrräder und leiht sie aus. „Wenn ich eine Steckerleiste brauche, gehe Gawert ein Zeichen der Wertschätzung. Der Verein hat Handwerker beauftragt, einen ich in den Baumarkt und kaufe die“, sagt die In den Fluren der Rosenmaarschule stehen gemütlichen Leseraum einzurichten. Eine Bibli- Schulleiterin. Da brauche es keine Förderanträge kleine Versuchsstationen. Kinder können hier ex- othekarin „hat alles auf Vordermann gebracht“. an die Stadt und fünf Wochen Wartezeit. Der perimentieren, physikalische Gesetzmäßigkeiten Sie hat die Bücher professionell eingebunden Förderverein springt ein, um Probleme sofort zu erkennen und ausprobieren. Gebaut haben die und katalogisiert. Den Bewegungsraum, in dem lösen. „Der Schulbetrieb profitiert vom Material, Mini-Phänomenta die Eltern. Kinder toben können, hat eine Raumgestalterin das der Förderverein kauft“, weiß Marietta Ga- wert die Spielräume zu schätzen. Heile Welt also? „Den Standard halten zu können, ist ein großes Problem“, bilanziert die Schulleiterin. Es fängt beim Personal, bei Lehr- oder Fachkräften an, geht über die Ausstattung bis zu den administrativen Hemmnissen. „Eine Entmüllung von Verwaltung und Statistiken“, steht auf der Wunschliste der Rosenmaarschule ganz oben – wohl nicht nur dort. „Ein Mensch, der die Nebenaufgaben erfüllen kann“, wäre hilfreich. Die Eltern haben einen Studenten als Mini-Jobber angestellt, der die Computer warten kann. „Ich kann das nicht“, sagt die Schulleiterin. Fast jeder an der Schule habe zwei, drei Aufgaben, neben dem Unterricht etwas zu orga- Räume zum Lesen, Klettern, Toben und Spielen: Eltern und Förderverein haben einen großen Anteil daran, dass es an der Rosenmaarschule nisieren. Inzwischen gibt es 40 Tablets für die anders zugeht als an vielen anderen Schulen. Fotos: A. Etges Schüler*innen. Aber morgens muss die Schullei- tung die Geräte zum Laden einstöpseln. Es fehlt ein Schrank, in den die Geräte eingestellt und geladen werden könnten. Pädagogische Fach- kräfte, die das Material warten und verwalten müssen? „Unsäglich“, findet Marietta Gawert. Und setzt auf das Prinzip Hoffnung. Dinge anders machen: Ein Rezept für Inklusion? Dennoch: Die Schulphilosophie weckt Interesse. Hospitant*innenen, Studierende, Referendar*innen, Kolleg*innen und Aus- bilder*innen wollen wissen, wie Inklusion und Elternbeteiligung an der Rosenmaarschule funktionieren oder erhoffen sich Rezepte für ihren beruflichen Alltag. Die gibt es nicht. Die Schule hat auch nicht den Anspruch, Vorbild zu sein. „Einige Dinge machen wir vielleicht nur anders“, sagt Marietta Gawert. // www. Rosenmaarschule Köln-Höhenhaus: Aktu- elles und Hinterwissen zum Schulkonzept www.rosenmaarschule.de Rüdiger Kahlke freier Journalist
nds 6/7-2019 11 Entwurf für das KiBiz Mehr Geld gleich mehr Qualität? Der Entwurf für das Kinderbildungs- Die Landesregierung hat es zu lange verschla- Gleichung geht nicht auf gesetz (KiBiz) sieht insgesamt 1,3 Mil- fen, den Erzieher*innenberuf frühzeitig durch Auch wenn der Entwurf eine seit Langem liarden Euro mehr vor. Aber mehr Geld bessere Rahmenbedingungen attraktiver zu ge- geforderte finanzielle Verbesserung des Kita- bedeutet nicht automatisch eine bessere stalten, sodass nun ein dramatischer Fachkräfte- systems vorsieht, werden eklatante Forderungen frühkindliche Bildung. mangel herrscht. Eine Fachkräfteoffensive soll der Gewerkschaften nicht wahrgenommen. Mehr dem nun Rechnung tragen. Für ausbildende Geld im System bedeutet nicht gleichzeitig Nachdem das bundesweite „Gute-Kita- Kitas sind zusätzliche Mittel vorgesehen. bessere Bildung und Arbeitsbedingungen. Um Gesetz“, das 5,5 Milliarden Euro für die Bun- diese zu erreichen, braucht es in erster Linie Kostenfreies zweites Kindergartenjahr desländer zur Verbesserung der Kitaqualität den ernsthaften Dialog mit den Fachkräften, vorsieht, zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten Grundsätzlich fordert die GEW, dass alle von deren Arbeit ein Gelingen des angestrebten ist, zieht NRW mit einem Referentenentwurf für Bildungsinstitutionen, von der Kita bis zur Hoch- Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrags ein neues Kinderbildungsgesetz (KiBiz) nach schule, kostenfrei und damit für alle Menschen maßgeblich abhängt. und will 1,3 Milliarden Euro jährlich mehr inves- gleich zugänglich sind. Das muss das Ideal einer Die GEW wird den Gesetzgebungsprozess tieren. Davon sollen für das Kindergartenjahr Gesellschaft sein, für die Chancengleichheit weiter begleiten und klarmachen: Mehr Geld 2020 / 2021 rund 750 Millionen vom Land und keine Option, sondern eine Notwendigkeit ist. für die Kitas ist grundsätzlich gut, aber auf die den Kommunen bezahlt werden. Der Entwurf Die Landesregierung plant nun ein zusätzliches Umsetzung kommt es an! // wurde am 7. Mai 2019 im Landtag beschlossen – kostenfreies Jahr, sodass die letzten beiden seitdem häufen sich Diskussionen bei Trägern, Kitajahre nicht mehr bezahlt werden müssen. Eltern und vor allem bei Beschäftigten und ihrer Ist das nicht ein sehr hoher Preis dafür, dass Referentenentwurf zum KiBiz Interessenvertretungen. die Kitafinanzierung auch mit den KiBiz-Plänen PDF www.tinyurl.com/referentenentwurf-kibiz www. Stefan Raffelsieper: Gute-Kita-Gesetz Finanzierungslöcher sinnvoll stopfen noch nicht auskömmlich gedeckt ist? Das Geld greift zu kurz Die GEW fordert schon seit Jahren eine grund- könnte an anderer Stelle erst einmal besser www.tinyurl.com/gute-kita-gesetz legende Reform des KiBiz, die sich am Wohl verwendet werden. Ein erster, weniger kosten- der Kinder, Eltern und gleichermaßen am Wohl intensiver Schritt hätte eine landeseinheitliche Joyce Abebrese der Erzieher*innen und weiteren sozialpädago- Elternbeitragstabelle sein können, die Eltern in Referentin für Jugendhilfe und Sozial- finanzschwächeren Kommunen nicht gegenüber arbeit der GEW NRW gischen Fachkräfte in den Kitas orientieren muss. Dafür ist eine finanzielle Stärkung des Systems Eltern in finanziell besser gestellten Kommunen begrüßenswert. Leider ändert der Entwurf aber benachteiligt. nichts an der bisherigen Berechnung: Die Kitas sollen, entgegen der GEW-Forderung, weiter nach Kindpauschalen finanziert werden. Diese sollen zwar jährlich unter Berücksichtigung der tatsäch- lichen Kostenentwicklungen angepasst werden, allerdings könnte die für die Eltern geplante Flexibilisierung der Buchungszeiten dazu führen, dass sich die Pauschalen verringern und keine finanzielle Planungssicherheit besteht. Dieser Entwicklung muss entgegengesteuert werden, denn nur eine solide Finanzierung kann auch für gute Arbeit in den Einrichtungen sorgen. Mehr Zeit für gute Arbeit Erzieher*innen benötigen ausreichend Zeit, Foto: onemorenametoremember / photocase.de um den Anforderungen, wie der individuellen Vor- und Nachbereitung, einschließlich Bildungs- und Entwicklungsdokumentation, gerecht zu werden. Der Referentenentwurf sieht dazu eine Verfügungszeit von zehn Prozent vor – zu wenig, wissen die sozialpädagogischen Fachkräfte. Deswegen fordert die GEW 30 Prozent der Arbeitszeit.
12 BILDUNG beim Bearbeiten der Aufgaben selbst aneignen. Damit sind sie aber nicht selten überfordert. Sie sollen etwas machen, wissen aber noch nicht, wie es geht. Dann bekommen die einen Hilfe der Eltern oder Nachhilfe – und die anderen bleiben zurück. Dabei ist unstrittig, dass Selbstständigkeit das Ziel von Unterricht ist. Bis die Schüler*innen diese aber erreicht haben, ist es ein langer Weg; auf diesem brauchen sie genügend Er- klärung, Anleitung und Hilfe. Werden sie beim Lernen zu früh alleingelassen, wird der Weg mit dem Ziel der Selbstständigkeit verwechselt. Verschärft wird die Problematik, da Schulbücher und Lernmaterialien in der Regel keine Erklä- rungen enthalten, mit denen Schüler*innen sich Fotos: iStock.com / SolStock, jacoblund selbstständig eine Kompetenz aneignen können. Direkte Instruktion: Alle mitnehmen in drei Phasen Die Schule soll kein Kind zurücklassen und zu früh mit Anforderungen konfrontieren, die es nicht bewältigen kann. Aus dieser Forde- rung leiten sich alle Elemente der Direkten Instruktion ab: Der Unterrichtende erklärt den Schüler*innen in der ersten Phase das, was sie später allein können sollen. Diese Präsentation darf nicht einfach mit einem herkömmlichen Lehrer*innenvortrag verwechselt werden. Denn Direkte Instruktion die Lehrkraft erklärt klar, strukturiert, anschau- Kompetenzen lich, lebendig, mit Mustern und Modellen, in- dem sie etwas demonstriert und indem sie laut wirksam vermitteln denkend zeigt, was in ihrem Kopf vorgeht. So bekommen die Schüler*innen ein lebendiges Bild dessen, was sie lernen sollen, und können Wer die Schüler*innen zu früh in die Selbstständigkeit entlässt, lässt sie allein. sich an diesen Modellen orientieren. Dabei Nur wer klar erklärt, geduldig fördert und zum Üben anhält, schafft die Basis für beachtet der Unterrichtende die begrenzte Auf- eigenverantwortliches Lernen. Für diesen Weg ist die Direkte Instruktion ideal. merksamkeitsspanne der Schüler*innen und legt immer wieder Phasen der Verarbeitung Denn wenn es gilt, neue Kompetenzen einzuführen, ist diese Unterrichtsform ein. Anschließend prüft die Lehrkraft, ob die das Mittel der Wahl. Schüler*innen verstanden haben, was sie erklärt In Deutschland hängt der Bildungserfolg Selbstständiges Lernen braucht hat und wiederholt es – wenn nötig – gedul- immer noch in hohem Maße vom Elternhaus Anleitung und Hilfe dig. Wie auch andere Didaktiker*innen betont ab. Es gelingt also nicht, im Unterricht die un- Aber auch in einem Unterricht, der Kon- Hilbert Meyer die Bedeutung des Vormachens terschiedlichen Voraussetzungen auszugleichen, zepte des selbstständigen Lernens umsetzt, durch Lehrer*innen: „Eigentlich handelt es sich die die Schüler*innen mitbringen. Im fragend- werden vorhandene Unterschiede zwischen den um das ,natürlichste‘ methodische Gestaltungs- entwickelnden Unterricht werden die vorhan- Schüler*innen häufig vergrößert. Der Unter- mittel, das man sich denken kann. Die Schüler denen Unterschiede sogar oft noch verstärkt. richtende gibt den Lernenden – nach einer sollen etwas Neues lernen – also macht ihnen Denn in der Regel arbeitet die Lehrkraft im Einstiegsphase – Material mit Aufgaben, die der Lehrer vor, wie‘s geht.“ Unterrichtsgespräch vor allem mit denen, die sie bearbeiten und später präsentieren sollen. Nach der Einführung der neuen Kompetenzen sich melden, ihre Ergebnisse vorstellen und den Dabei sollen sich die Schüler*innen möglichst arbeiten die Schüler*innen noch nicht selbst- Unterricht voranbringen. Die anderen bleiben alles selbst erarbeiten. Dies führt dazu, dass ständig. Sie bekommen in der zweiten Phase zurück – was häufig erst bei der Klassenarbeit sie häufig Aufgaben allein bewältigen müssen, zunächst Lernaufgaben, die sie Schritt für Schritt deutlich wird. Im Verlauf von vielen Schuljahren für die viele Schüler*innen einer Klasse noch dahin führen, die Kompetenzen selbstständig ergeben sich so innerhalb einer Klasse divergie- nicht die Kompetenzen besitzen. Begründet anwenden zu können. Zu den Lernaufgaben rende Lernverläufe. wird dies damit, dass sie sich die Kompetenzen gehören viele Hilfen. Diese werden in dem Maße
nds 6/7-2019 13 weniger, in dem es den Lernenden gelingt, die alle empirischen Studien unisono bestätigt. Kompetenzen anzuwenden. Hier wird differen- Und doch wird das Konzept in der Praxis selten Zum Weiterlesen ziert, weil die Schüler*innen in unterschiedlichem angewandt. Hier muss ein Umdenken erfolgen. Ludger Brüning, Tobias Saum: Maße Hilfe brauchen und für leistungsstärkere Nicht umsonst schreibt der Unterrichtsforscher Kinder auch Herausforderungen bereitgestellt Andreas Helmke: „Es gibt wenige Konzepte, bei Direkte Instruktion. Kom- werden müssen. denen der Kontrast zwischen nachweislicher petenzen wirksam vermitteln. Erst danach arbeiten die Schüler*innen Wirksamkeit in der Schulpraxis und Berücksichti- selbstständig – wenn sichergestellt ist, dass gung in der Lehreraus- und -fortbildung so groß sie die Kompetenzen auch wirklich selbststän- ist wie bei der Direkten Instruktion.“ dig anwenden können. Die Lehrkraft tritt in Und die Schüler*innen lernen nicht nur sehr den Hintergrund, steht aber immer für Hilfe viel, sondern sie sind unserer Erfahrung nach NDS Verlag, 2019 zur Verfügung. Die Grundstruktur der Direkten auch sehr gerne in einem so gestalteten Unter- ISBN: 978-3-87964-324-0 150 Seiten Instruktion besteht also aus drei Phasen: richt. Wenn sie Analysen schreiben sollen, sind 27,90 Euro sie dankbar, wenn sie einen von der Lehrkraft www.nds-verlag.de 01 V E R M I T T L U N G geschriebenen Modelltext bekommen, anstatt Ludger Brüning und Tobias Saum stellen „Direkte Präsentation des neuen Inhalts immer nur im Unterrichtsgespräch Analysen Instruktion“ praxisnah und anschaulich dar. Sie durchzuführen, bei denen viele etwas beitragen, zeigen, wie sie mit dem Kooperativen Lernen zu einem wirksamen, schüler*innenaktivierenden aber man nicht lernt, eine vollständige Analyse Arrangement verbunden werden kann. Nur wer zu schreiben. Und wenn Unterrichtende laut klar erklärt, geduldig fördert und zum Üben an- 02 ANGELEITETES ÜBEN denkend zeigen, was ihnen durch den Kopf hält, schafft die Basis für eigenverantwortliches Anwenden mit Hilfen geht, wenn sie eine Aufgabe lösen, ist die Auf- Lernen. Für diesen Weg ist die Direkte Instruktion ideal. Ein Buch gleichermaßen für Routiniers wie merksamkeit der Schüler*innen gebannt nach für Newcomer. vorne gerichtet. Die Grenzen von Direkter Instruktion – Lernens ist die Direkte Instruktion.“ Wir möch- 03 SELBSTSTÄNDIGES ÜBEN und warum sie sich trotzdem lohnt ten Lehrkräfte dazu ermutigen, die Direkte Arbeit ohne Hilfe Direkte Instruktion ist sehr wirksam – aber Instruktion ausprobieren und anschließend Ihre nicht bei jedem Lernziel. Sie eignet sich sehr Schüler*innen zu befragen, ob sie auf diesem Kooperatives Lernen ist die gut, wenn Schüler*innen Kompetenzen erwer- Wege gut lernen können. Wir haben die Erfah- ideale Ergänzung ben sollen. Sprachliche Kompetenzen lassen rung gemacht: Es lohnt sich. // Direkte Instruktion ist nicht der altbekannte sich zum Beispiel sehr gut über Modelle und Frontalunterricht in neuem Gewand. Im Gegen- anschließende Übung vermitteln. Wenn die teil: Es handelt es sich um eine ausgefeilte Unter- Ludger Brüning Schüler*innen die entsprechenden Kompetenzen Lehrer für Deutsch, Geschichte richtskonzeption, in der ganz unterschiedliche erworben haben, sollten sie in der Lage sein, und Sozialwissenschaften an der Lehr-Lern-Methoden miteinander verbunden sich selbstständig Wissen anzueignen. Gesamtschule Haspe in Hagen und werden. Lehrer*innenfortbildner Wenn sie jedoch Probleme lösen und etwas Und um die Schüler*innen in möglichst selbst entdecken sollen, stellen sie Hypothesen hohem Maße zu aktivieren, ist es optimal, Tobias Saum auf und prüfen diese selbstständig. Hierfür eig- die Direkte Instruktion konsequent mit dem Lehrer für Deutsch und Philosophie net sich nicht die Direkte Instruktion – auch wenn an der Gesamtschule Haspe in Hagen Kooperativen Lernen zu kombinieren. John Hattie es sehr hilfreich ist, mittels Direkter Instruktion und Fachleiter am ZfsL Hagen und Klaus Zierer betonen, dass gerade diese (Gymnasium / Gesamtschule) vorzumachen und einzuüben, wie man gute Kombination enorm lernwirksam ist. Deshalb Hypothesen aufstellt. Wenn es um allgemeine wird in unserem Konzept der Direkten Instruktion Bildungsziele wie den Aufbau der Kompetenz zur in allen Phasen die kooperative Grundstruktur Mitgestaltung einer demokratischen Gesellschaft „Denken – Austauschen – Vorstellen“ angewen- geht, wenn es um die Entwicklung von an der det. Das regt die Schüler*innen noch stärker zur Vernunft orientierter Autonomie geht, wenn es Verarbeitung des Gelernten an und es öffnet sich um Werteerziehung oder Identitätsentwicklung ein Raum für die soziale Dimension des Lernens. geht, dann werden nur andere Unterrichtsformen Und in der zweiten und dritten Phase bieten den Raum öffnen, in dem diese Ziele angestrebt sich auch andere Methoden des Kooperativen werden können. Das aber ist kein Grund, die Lernens wie das Lerntempoduett an. Direkte Instruktion nicht dann anzuwenden, Erwiesene Wirksamkeit wenn sie den größten Erfolg verspricht und und Lernfreude allen Schüler*innen entgegenkommt. Die Direkte Instruktion ist eine Unterrichtskon- Schon der bedeutende Unterrichtsforscher zeption, mit der Lehrer*innen sehr wirksamen Franz E. Weinert stellte fest: „Die zweckmäßigste Unterricht durchführen können – das haben Lehrstrategie zur Steuerung des systematischen
Fotos: iStock.com / PeopleImages, jacoblund 14 BILDUNG Bildungsgerechtigkeit an der Matthias-Claudius-Schule Schulen brauchen Vertrauen Bildungsgerechtigkeit war eine der großen Schwerpunkte auf dem evangelischen Kirchentag 2019, bei dem auch die GEW NRW vertreten war. An einer Podiumsdiskussion zum Thema nahmen Vertreter*innen der evangelischen Gesamtschule in Bochum teil, die sich seit Jahren stark macht für mehr Chancengleichheit. Ein Schulporträt. Individuelle Förderung, Heterogenität als Nor- Oftmals hängt sogar der Familienfrieden von gemeinsam mit den begleitenden Lehrkräften malfall, echte Integration, gemeinsames Lernen der Schulkultur ab. Die Atmosphäre, in der individuelle Ziele setzen und Verantwortung und Leben im Klassenverband, Pädagog*innen, Schüler*innen die meisten Stunden des Tages übernehmen. Die Angebote berücksichtigen die sich als Lernbegleiter*innen verstehen, verbringen, wirkt demzufolge persönlichkeits- verschiedene Niveaustufen und ermöglichen und intensive Förderung von Selbsttätigkeit, bildend und nachhaltig. durch Wechsel die Durchlässigkeit des Systems. Selbstständigkeit und Selbstverantwortung Im integrativen Manifest der Matthias-Clau- Im gemeinsamen Unterricht nach dem Zwei- der Schüler*innen. Diese Liste liest sich wie dius-Schule (MCS) in Bochum heißt es deshalb: Lehrer*innen-Prinzip mit Fachlehrer*in und ein Wunschzettel von Eltern und Lehrer*innen „Eine solidarische Gesellschaft braucht das Sonderpädagog*in lernen Kinder mit und ohne zu Weihnachten. Und ebenso wie der Weih- solidarische Miteinander schon in der Schule.“ Handicap in ihrem eigenen Tempo an frei ge- nachtsmann am Ende nur die Idee einer klugen Nicht zuletzt zieht sich das Prinzip „Bildung wählten Unterrichtsinhalten in sogenannten Werbekampagne ist, scheinen auch die päda- für alle“ wie ein roter Faden für Schüler*innen, Lernbüros. Klassenarbeiten finden zu individu- gogischen Kernthemen wenig mit der Realität Lehrer*innen und Eltern, Kooperationspart- ellen Zeitpunkten statt, differenzierte Aufgaben zu tun zu haben. Die Abhängigkeit des Schul- ner aus Wirtschaft, Wissenschaft und sozialen zur individuellen Förderung werden vergeben, erfolgs von der sozialen Herkunft, scheinbar Kontexten, Ehemalige sowie Aktive durch das Formate ermöglicht, mit denen Schüler*innen unerlässliche Nachhilfe, Klassenwiederholungen, gesamte Schulleben. sich untereinander helfen oder sogar an Semi- hohe Schulabbrecher*innenquoten, schlechte naren verschiedener Hochschulen teilnehmen. Das Konzept: Eine Schule für alle Integrationsergebnisse für Behinderte und Das Miteinander von Kindern und Jugend- In Lerngruppen von circa 26 Schüler*innen Schüler*innen mit Migrationshintergrund sowie lichen mit und ohne Förderbedarf ist der Normal- werden in der Regel sechs zieldifferent unterrich- Jungen als sogenannte Bildungsverlierer – nach fall, sie leben und lernen gemeinsam in einer tet und können die Abschlüsse der jeweiligen För- Bildungsgerechtigkeit klingt das alles nicht. Klasse und können nach ihren Möglichkeiten derschule erreichen. Besonders für Schüler*innen Bildung als Grundlage für ein Fortschritte machen. So werden Schüler*innen mit dem Förderbedarf geistige Entwicklung selbstbestimmtes Leben mit den Förderschwerpunkten körperliche und wurde die an die Klasse 10 anschließende Lernen und Wissen sind zwar bedeutsame motorische Entwicklung, Hören, Sehen, Sprache Berufspraxisstufe entwickelt, die theoretische Aspekte von Bildung, aber Persönlichkeitsent- und Kommunikation, emotionale und soziale und praktische Lernbausteine sowie Tagesprak- faltung, Charakterbildung und gesellschaft- Entwicklung, Lernen und geistige Entwicklung tika umfasst. Zum Kollegium gehören auch liche Teilhabe gehören ebenso dazu. Bildung inklusiv unterrichtet. Integrationshelfer*innen, Lernbegleiter*innen entscheidet über Lebenschancen und befähigt Diese Grundhaltung erfordert einen indivi- und ein Heilpädagoge, sodass im Schultag Menschen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. duellen Lernplan, in dem sich Schüler*innen zusätzliche Förderung möglich ist.
nds 6/7-2019 15 Individuelle Unterstützung Mit einem knappen Budget probieren sich titutionen außerhalb der Schule zugutekommen. im Schulalltag Schüler*innen in inklusiven Gruppen aus, neh- Sie engagieren sich als Schulsanitäter*innen und Auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit men sich ökologische, diakonische oder soziale Sporthelfer*innen in den Pausenzeiten und bei gehört neben dem durchgängig inklusiven Schul- Projekte an fremden Orten vor, gehen Risiken ein, Veranstaltungen, als Streitschlichter*innen und system und der selbstverständlichen Aufnahme erleben Scheitern und auch das Überwinden von Klassenpat*innen für jüngere Schüler*innen, von Geflüchteten durch den Solidarfonds auch Schwierigkeiten. Auch für die begleitenden Stu- als Lernbegleiter*innen oder als Mitglieder der die Möglichkeiten der beruflichen Weiterbeschäf- dierenden der benachbarten evangelischen Fach- „Bildungsbande“. Während der Unterrichtszeit tigung für Menschen mit Handicap im schulei- hochschule ist damit ein Vertrauensvorschuss besuchen sie zum Beispiel alte Menschen oder genen Hotel, Restaurant oder Cateringbetrieb verbunden, der sich einer Bewährungsprobe betreuen in Grundschulen Kinder, die besondere dazu, um einen Berufseinstieg zu fördern. stellen muss. Durch diese „Intensiverfahrung“ Unterstützung benötigen. Die Grundhaltung, Den konkreten Schulalltag begleitet ein Log- lernen Schüler*innen Vertrauen in die eigenen Menschen mit ihren Stärken und Schwächen Möglichkeiten, die Lösbarkeit schwieriger Situa- wahrzunehmen und sie individuell zu fördern, buch als Kommunikationshilfe zwischen Eltern tionen gemeinsam mit anderen Menschen und hat die MCS seit ihrer Gründung im Jahr 1986 und Schule. Darin wird von den Schüler*innen die Sinnhaftigkeit der Welt und das eigene zu dem entwickelt, was sie heute ist. der persönliche Lernweg dokumentiert und Geborgen- und Gehaltensein in der Welt. Schule gemeinsam gestalten bedeutet regel- die eigene Lebenssituation in den Blick ge- mäßige Verständigung in einer vertrauensvollen nommen. In regelmäßig stattfindenden Tuto- Besondere Kommunikationskultur Beziehungsstruktur, die notwendige Unterstüt- r*innengesprächen erleben sie eine persönliche 2018 war die Bochumer Schule eine von sechs zung für individuelle Lernprozesse in koopera- Begleitung bezüglich ihrer fachlichen Entwick- Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises. tiven und solidarischen Arrangements bietet. lung und anderer Lebens- und Lernfaktoren. Die Juror*innen erwähnten unter anderem Das stetige Bemühen aller Beteiligten um eine Bildungsgerechtigkeit heißt auch, Raum für Lob die „auffallend achtsame, wertschätzende und vertrauensvolle Kommunikationskultur und eine und Wertschätzung zu bekommen und Probleme anerkennende Kommunikationskultur dieser konsequente Potenzialorientierung statt einer in vertrauensvoller Atmosphäre thematisieren Schule“ in ihrer Begründung. Kritiker*innen, Defizitorientierung überzeugt. Bildungsgerech- zu können. die meinen, allein ein finanzieller Elternbeitrag tigkeit und Vertrauen bedingen einander! // Persönlichkeitsentwicklung im Fokus an einer Schule schaffe ungeahnte Freiräume, Ein wichtiges Fundament für das Schulleben die vieles für einige Wenige ermöglichen, aber ist sicher das christliche Ethos „Jeder Mensch Bildungsgerechtigkeit im umfassenden Sinn www. Gesamtschule MCS Bochum ist ein von Gott geliebtes Geschöpf und gleich ausschließen, übersehen leicht, welche Bedeut- www.gesamtschule.mcs-bochum.de wertvoll“, das sich in pädagogischen wie organi- samkeit identitätsstiftende Angebote haben. www. GEW NRW: Themenseite „Bildungs- Klassengruppen werden möglichst heterogen gerechtigkeit“ satorischen Entscheidungen widerspiegelt. Der www.gew-nrw.de/bildungsgerechtigkeit Träger der Schule ist ein eingetragener Verein, zusammengesetzt. Solidarfond und Förderverein www. Deutscher evangelischer Kirchentag 2019 der Mitglied im evangelischen Schulbund Nord gleichen soziale Bedürftigkeit aus. www.kirchentag.de e. V. ist. „Wir glauben daran, dass Gott jeden Menschen mit Stärken und Menschen einzigartig und wertvoll geschaffen Schwächen wahrnehmen Dr. Elke Jüngling und in die Gemeinschaft mit anderen Menschen Zur Bildungsgerechtigkeit gehört aber auch Gymnasiallehrerin für Evange- gestellt hat.“ Dieses Leitbild soll den Lebensraum der Blick über den Tellerrand. In der MCS überneh- lische Religionslehre und Deutsch, MCS gestalten. Dozentin in der Lehrer*innenfort- men Schüler*innen von Anfang an Aufgaben, die und weiterbildung Das zeigt sich zum Beispiel auch in einer der Schulgemeinschaft sowie Menschen und Ins- dreiwöchigen Praxisphase für Schüler*innen der neunten Jahrgangsstufe, die sich während des Schuljahrs einer persönlichen Herausforderung stellen, um sich selbst besser kennenzulernen und in ihrer Persönlichkeit zu wachsen. Im Hinblick auf positive Ausgangsbedingungen von Lernprozessen formuliert der Hirnforscher Gerald Hüther: „Vertrauen ist das Fundament, auf dem alle unsere Entwicklungs-, Bildungs- und Sozialisierungsprozesse aufgebaut werden.“ In diesem Projekt „Herausspaziert“ wird offen- sichtlich, dass die Schule ihren Schüler*innen Organisationsvermögen und Evaluationsfähig- keit zutraut und Eltern auf der anderen Seite ebenfalls darauf vertrauen, dass die Schule das notwendige Verhältnis von gesichertem Rahmen und notwendiger Freiheit bereithält.
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