Dann nehm ich eben ne Pille" - Von den unscharfen Grenzen zwischen Medikamentengebrauch, -missbrauch und -sucht - LVR-Klinik Bonn
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LVR-Klinik Bonn „... dann nehm´ ich eben ´ne Pille“ Von den unscharfen Grenzen zwischen Medikamentengebrauch, -missbrauch und -sucht Dr. Dirk K. Wolter LVR-Klinik Bonn Abt. Gerontopsychiatrie und Psychotherapie Benzodiazepine
Benzodiazepin-Verordnungen Ein ähnliches Muster in den westlichen Staaten: • Benzodiazepin-Schlafmittel (Hypnotika) werden immer weniger verordnet, • dafür werden Z-Substanzen als Schlafmittel immer häufiger verordnet, • so dass die Gesamtheit der Schlafmittelverordnungen sich wenig ändert. • Die Verordnung von Benzodiazepinen als Anxiolytika (zur Behandlung von Angststörungen) verändert sich kaum.
open access Reed K, Bond A, Witton J, Cornish R, Hickman M, Strang J: The Changing Use of Prescribed Benzodiazepines and z-Drugs and of over-the-Counter Codeine-Containing Products in England: A Structured Review of Published English and International Evidence and Available Data to Inform Consideration of the Extent of Dependence and Harm. 2011. http://www.webcitation.org/62IwJzrmC
open access Reed K, Bond A, Witton J, Cornish R, Hickman M, Strang J: The Changing Use of Prescribed Benzodiazepines and z-Drugs and of over-the-Counter Codeine-Containing Products in England: A Structured Review of Published English and International Evidence and Available Data to Inform Consideration of the Extent of Dependence and Harm. 2011. http://www.webcitation.org/62IwJzrmC
open access Reed K, Bond A, Witton J, Cornish R, Hickman M, Strang J: The Changing Use of Prescribed Benzodiazepines and z-Drugs and of over-the-Counter Codeine-Containing Products in England: A Structured Review of Published English and International Evidence and Available Data to Inform Consideration of the Extent of Dependence and Harm. 2011. http://www.webcitation.org/62IwJzrmC
Henssler J, Heinz A, Brandt L, Bschor T: Absetz- und Rebound-Phänomene bei Antidepressiva Antidepressant withdrawal and rebound phenomena. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 355–61.
ohne Z-drugs Olfson M, King M, Schoenbaum M: Benzodiazepine use in the United States. JAMA Psychiatry. 2015 Feb;72(2):136-42. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2014.1763.
Norddeutsches Apothekenrechenzentrum (NARZ), Buth S, Holzbach R, Rosenkranz M, Verthein U (2017) erfasst mit einer Abdeckungsquote von Der Gebrauch von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial in Deutschland. über 80% aller Apotheken in Norddeutschland Eine prospektive Analyse kassenärztlicher Verschreibungen der Jahre 2006 bis 2010. die Rezeptdaten von ca. 11 Mio. Bundesbürgern Bundesgesundheitsbl 2017; 60:865–872
Norddeutsches Apothekenrechenzentrum (NARZ), Buth S, Holzbach R, Rosenkranz M, Verthein U (2017) erfasst mit einer Abdeckungsquote von Der Gebrauch von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial in Deutschland. über 80% aller Apotheken in Norddeutschland Eine prospektive Analyse kassenärztlicher Verschreibungen der Jahre 2006 bis 2010. die Rezeptdaten von ca. 11 Mio. Bundesbürgern Bundesgesundheitsbl 2017; 60:865–872
BZD und Z-Substanzen in Norwegen Bjørner T, Tvete IF, Aursnes I, Skomedal T: Utlevering av benzodiazepiner og z-hypnotika fra norske apotek 2004 – 11. [Dispensing of benzodiazepines and Z drugs by Norwegian pharmacies 2004-2011]. Tidsskr Nor Laegeforen. 2013 Oct 29;133(20):2149-53. doi:10.4045/tidsskr.11.0543.
BZD-Verordnung • 31 Hausarztpraxen Ba-Wü, 2009-2014 • 5 % Verordnung von BZD/Z-drugs • Ca. 1/3 über 600 mg Diazepam-Äquivalent p.a. • Ca. 1/3 Privatrezepte • Verordnung nimmt mit dem Alter zu – Durchschn. Alter mit BZD 67,5, ohne BZD 48 Jahre • Anteil Frauen mit BZD 69 %, ohne BZD 58 % Moßhammer D, Haumann H, Muche R, Scheub D, Joos S, Laux G (2018) Verordnung von Benzodiazepinen und Z-Drugs in hausärztlichen Praxen – eine Querschnittanalyse. Gesundheitswesen 2018; 80: 916–922
Benzodiazepin-Verbrauch Dunkelziffern im GKV-Arzneimittelindex • Umstieg auf Privatrezept aus „pädagogischen“ Gründen • Umstieg auf Privatrezept zur Vermeidung von Nachprüfung durch KV/Krankenkasse bzw. Regressforderung • Kassenrezepte finden nicht Eingang in GKV- Arzneimittelindex, da Preis durch Selbstbehalt bereits abgedeckt • Abgabe ohne Rezept • Diversion • Beschaffung via Internet
Sucht 2006; 52(6): 360-366
Glaeske G: Intransparenz als Strategie? Arzneimittelabhängigkeit in :ein oft übersehenes Problem! DHS Pressemitteilung 11.4.2017, Anhang
Medikamente – schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit. Leitfaden für die ärztliche Praxis Hrsg. von der Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Köln, Deutscher Ärzteverlag 2007
BZD-Niedrigdosisabhängigkeit • Verordnung per Rezept, kein illegaler Konsum • Unscharfe Grenze zwischen Missbrauch (= Einnahme zur Erzielung psychotroper Wirkungen) und Behandlung (= Anxiolyse, Sedierung) • fehlendes Problembewusstsein bei den Patienten • Therapeutische Dosen, keine Dosissteigerung • (Weitgehend) fehlende euphorisierende Eigenschaften • Kein „drug seeking behaviour“ • Akuttoxikologisch relativ ungefährlich • The only constant factor (...) is the extreme difficulty patients have in withdrawing from treatment because of abstinence symptoms. Patients have a common refrain: „I don’t know whether this drug is helping me or not, all I know is that whenever I try to reduce or stop it I feel terrible and have to start taking it again“. (Tyrer, 1993)
Alter und Pharmakokinetik Greenblatt et al., Clin Pharmacokinet 1991; 21(3): 165-177
Dia von R. Holzbach, Lippstadt/Warstein Kumulation Aus: Wolter DK: Sucht im Alter – Altern und Sucht. Stuttgart: Kohlhammer 2011
Holzbach Psychotherapie im Alter 2/2012
Nur diese BZD für alte Menschen, HWZ sonst unkalkulierbar! * Nach Goodman & Gilman 1998
Aus: Wolter DK: Substanzmissbrauch und Sucht. In: Praxishandbuch Altersmedizin. Stuttgart: Kohlhammer 2014
Aus: Wolter DK: Sucht im Alter – Altern und Sucht. Stuttgart: Kohlhammer 2011
Entzug, Rebound oder Rückfall • Absetzphänomene oder Rebound-Effekt: Gegenreaktion des Organismus, Neujustierung des Gleichgewichts („minor symptoms“) • Rückfall: Wiederauftreten der Symptome der Erkrankung/Störung, die zur Einnahme der BZD geführt hat (Angst, Schlafstörungen) • „eigentliche“ Entzugssymptome, können erhebliche Eigendynamik entfalten und bedrohlich werden („major symptoms“) (Dickinson & Eickelberg 2014)
Benzodiazepinwirkungen Effekte bei Überdosierung Entzugssymptome Erwünschte (therapeutische) und Langzeitanwendung Wirkungen (schleichende Intoxikation) Ängstlichkeit, Irritierbarkeit, Angstlösung, affektive Entkoppelung Gleichgültigkeit, affektive Verflachung, Palpitationen, Unruhe, Depressivität Interessenverarmung, „Wurstigkeit", Persönlichkeitsnivellierung, Realitätsflucht, Depressivität Übererregbarkeit des ZNS durch Verstärkung GABAerger Hemmung Ausgeprägte GABAerge Hemmung im Wegfall der GABAergen Hemmung: im ZNS: ZNS: • Krampfanfälle • antikonvulsive Wirkung • Benommenheit • Nervosität, sensorische • Beruhigung ("Tranquilizer") Antriebsverlust, Apathie, Überempfindlichkeit kognitive Beeinträchtigungen • Schlaflosigkeit, Albträume • Tagesmüdigkeit, Hangover • Sedierung, Schlafanbahnung Koordinationsstörungen, Ataxie, • Muskelschwäche, Gangstörungen, Muskelkrämpfe, Myoklonien, Ataxie • zentrale Muskelrelaxation Stürze, Atemdepression Benommenheit, Amnesie (i. d. Anästhesie) Fehlhandlungen während d. Amnesie, Konzentrationsstörungen, Konfusion, Vergesslichkeit, Lernhemmung, Delir kognitive Beeinträchtigungen
Benzodiazepinwirkungen Entzugssymptome Effekte bei Überdosierung und Erwünschte (therapeutische) Langzeitanwendung (schleichende Intoxikation) Wirkungen Ängstlichkeit, Irritierbarkeit, Palpitationen, Gleichgültigkeit, affektive Verflachung, Unruhe, Depressivität Angstlösung, affektive Interessenverarmung, „Wurstigkeit", Entkoppelung Persönlichkeitsnivellierung, Realitätsflucht, Depressivität Übererregbarkeit des ZNS durch Wegfall Ausgeprägte GABAerge Hemmung im ZNS: der GABAergen Hemmung: Verstärkung GABAerger Hemmung • Krampfanfälle im ZNS: • Benommenheit • Nervosität, sensorische Überempfindlichkeit • antikonvulsive Wirkung • Antriebsverlust, Apathie, • Beruhigung ("Tranquilizer") kognitive Beeinträchtigungen • Schlaflosigkeit, Albträume • Tagesmüdigkeit, Hangover Koordinationsstörungen, Ataxie, • Muskelkrämpfe, Myoklonien, Ataxie • Muskelschwäche, Gangstörungen, Stürze, Atemdepression • Sedierung, Schlafanbahnung • zentrale Muskelrelaxation Benommenheit, Fehlhandlungen während der Konzentrationsstörungen, Konfusion, Amnesie (i. d. Anästhesie) Amnesie, Vergesslichkeit, Delir Lernhemmung, kognitive Beeinträchtigungen
Benzodiazepinwirkungen Effekte bei Überdosierung und Langzeit- Entzugssymptome Erwünschte (therapeutische) Wirkungen anwendung (schleichende Intoxikation) Ängstlichkeit, Irritierbarkeit, Angstlösung, affektive Entkoppelung Palpitationen, Unruhe, Gleichgültigkeit, affektive Verflachung, Depressivität Interessenverarmung, „Wurstigkeit", Persönlichkeitsnivellierung, Realitätsflucht, Depressivität Übererregbarkeit des ZNS durch Verstärkung GABAerger Hemmung Wegfall der GABAergen im ZNS: Ausgeprägte GABAerge Hemmung im ZNS: Hemmung: • Krampfanfälle • antikonvulsive Wirkung • Nervosität, sensorische Überempfindlichkeit • Beruhigung ("Tranquilizer") • Benommenheit • Schlaflosigkeit, Albträume • Sedierung, Schlafanbahnung • Antriebsverlust, Apathie, kognit. • Muskelkrämpfe, Myoklonien, • zentrale Muskelrelaxation Beeinträchtigung • Tagesmüdigkeit, Hangover Ataxie Koordinationsstörungen, Ataxie, • Muskelschwäche, Gangstörungen, Stürze, Atemdepression Benommenheit, Amnesie (i. d. Anästhesie) Konzentrationsstörungen, Fehlhandlungen während Amnesie, Konfusion, Delir Vergesslichkeit, Lernhemmung, kognitive Beeinträchtigung
Benzodiazepinwirkungen Effekte bei Überdosierung und Langzeitanwendung Erwünschte (therapeutische) Wirkungen (schleichende Intoxikation) Entzugssymptome Angstlösung, affektive Entkoppelung Gleichgültigkeit, affektive Verflachung, Ängstlichkeit, Irritierbarkeit, Interessenverarmung, „Wurstigkeit", Palpitationen, Unruhe, Depressivität Persönlichkeitsnivellierung, Realitätsflucht, Depressivität Verstärkung GABAerger Hemmung im ZNS: Ausgeprägte GABAerge Hemmung im Übererregbarkeit des ZNS durch Wegfall ZNS: der GABAergen Hemmung: • antikonvulsive Wirkung • Benommenheit • Krampfanfälle • Beruhigung ("Tranquilizer") • Antriebsverlust, Apathie, kognitive Beeinträchtigung • Nervosität, sensorische • Sedierung, Schlafanbahnung • Tagesmüdigkeit, Hangover Koordinationsstörungen, Ataxie, Überempfindlichkeit • zentrale Muskelrelaxation • Muskelschwäche, Gangstörungen, Stürze, Atemdepression • Schlaflosigkeit, Albträume • Muskelkrämpfe, Myoklonien, Ataxie Amnesie (i. d. Anästhesie) Fehlhandlungen während der Benommenheit, Amnesie, Vergesslichkeit, Lernhemmung, kognitive Konzentrationsstörungen, Konfusion, Beeinträchtigung Delir
Symptome im Benzodiazepinentzug vegetativ neurologisch perzeptiv psychopathologisch Sehr häufig Schlafstörungen Unruhe Muskelschmerzen Unruhe hypersensitiv Geräusche Ängstlichkeit Muskelzittern Reizbarkeit Kopfschmerzen hypersensitiv Licht Konzentrationsstörung hypersensitiv Geruch Appetitminderung Parästhesien Depressivität hyposensitiv Geruch Depersonalisationserleben Übelkeit Abnormes Bewegungsgefühl Verschwommensehen Derealisationserleben Schwitzen hypersensitiv Berührung Herzklopfen Myoklonien hyposensitiv Geschmack Halluzinationen Sehr selten Abnorme visuelle Wahrnehmung Psychose Abnorme Geschmackswahrnehmung Delir Krampfanfälle Delirium tremens Nach Holzbach 2012, Lader 2011, Tyrer 1993 Aus: Wolter DK: Entzugssyndrome und Entzugsdelir. In: Hewer W, Thomas C, Drach LM (Hrsg.): Delir beim alten Menschen. Stuttgart: Kohlhammer 2016
Folie von Dr. R. Holzbach, Arnsberg
Patienten für den Entzug gewinnen 5-Phasen-Modell von Holzbach • Vermeidung suchttypischer Begrifflichkeiten „Nebenwirkungen“ statt „Abhängigkeit“ • Phase 1 - Prodromalphase • Phase 2 - Wirkumkehr und relative Unterdosierung/Entzugserscheinungen • Phase 3 – Apathiephase (allmähliche relative Überdosierung) • Phase 4 – Suchtphase (Beschaffungsverhalten) • Phase 5 – Intoxikationsphase (Vollbild der schleichenden Intoxikation, Tag-Nacht-Rhythmus aufgehoben) • „Benzo-Check“ zum Assessment • Dauer des Entzugs nicht zu lang (3 Monate)
Folie von Dr. R. Holzbach, Arnsberg
Holzbach R et al. (2010) Zusammenhang zwischen Verschreibungs- verhalten der Ärzte und Medikamenten- abhängigkeit ihrer Patienten. Bundesgesundheitsbl 2010; 53:319–325 Folie von Dr. R. Holzbach, Arnsberg
Folie von Dr. R. Holzbach, Arnsberg
BZD-Dependence among BZD-users 2 Hausarzt-Pat. psych. Amb. Pat. Mittlere 88 Monate 40 Monate Konsumdauer BZD- 40 % 63 % Abhängigkeit past year nach 51 % 69 % DSM III-R lifetime BZD- 52 % 69 % Abhängigkeit past year nach 63 % 74 % ICD-10 lifetime Kan CC, Breteler MH, Zitman FG: High prevalence of benzodiazepine dependence in out-patient users, based on the DSM-III-R and ICD-10 criteria. Acta Psychiatr Scand. 1997 Aug;96(2):85-93.
BZD-Abhängigkeit • Französische Studien (Guerlais et al. 2015, Landreat et al. 2010) • Anteil Abhängige von Dauerkonsumenten – Alter < 65 J.: ca. 50 % – Alter > 65 J.: ca. 35 % • BZD-Einnahme im Alter mehr Gewohnheit, weniger intensiv suchtartig ausgeprägt Dosen niedriger, soziale Folgeprobleme geringer, belangvolle komorbide psychische Störungen seltener (Gérardin et al. 2014)
Barmer GEK Arzneimittelreport 2011
Benzo-Check
Prävention • Bei der Verordnung von Benzodiazepinen und BZD-Analoga die 4 K-Regel beachten: • Klare Indikation • Korrekte Dosierung, kleinste Packung • Kurze Anwendung • Kein abruptes Absetzen Medikamente – schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit. Leitfaden für die ärztliche Praxis Hrsg. von der Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Köln, Deutscher Ärzteverlag 2007
Hypnotika: Grundregeln • Toleranzentwicklung nach 3-4 Wochen • keine längerfristige regelmäßig-tägliche Gabe, sondern z. B. – quotengeregelte Bedarfstherapie (max 10 TD in 3 Wo) – Wochenintervalltherapie (2-4 Wo, dann 2-4 Wo Hypnotika-freies Intervall) – Tagesintervalltherapie (5 von 7 Tagen pro Wo) – kontrollierte Bedarfsintervalltherapie (prospektive Festlegung von max 3-4 Einnahmetagen pro Wo) – GABA-PAM niedrig dosiert kombiniert, Intervall Pollmächer T, Wetter TC: Schlafstörungen. In: Holsboer F, Gründer G, Benkert O (Hrsg.): Handbuch der Psychopharmakotherapie. Heidelberg, Springer: 2. Aufl. 2012
Folie von Dr. R. Holzbach, Arnsberg
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