Darauf kommt's an Ethik - Die Forschung begleiten - Wirtschaft Neckar-Alb
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Das Wirtschaftsmagazin für Reutlingen, Tübingen, Zollernalb | 1. März 2018, 3/2018 Digitalisierung Darauf kommt’s an Ethik Die Forschung begleiten Feuer Dem Ernstfall vorbeugen Export Den Krisen trotzen
O b Kongress, Event, Meeting oder Seminar, Weihnachtsfeier oder Bankett – das Tagungshotel Grand La Strada in Kassel bietet Großes! O zentral in Deutschland – bestens erreichbar O 10 Minuten zum ICE-Bahnhof Kassel Wilhelmshöhe O 5 Minuten zur Autobahn und Stadtmitte O 850 Parkplätze O zentrale und ruhige Lage nahe dem „Staatspark Karlsaue“ O schickes Ambiente E ines der größten privat geführten Tagungshotels ist zugleich Kassels vielseitigste Hotelwelt: O 1.000 Betten in 484 modernen Zimmern, Suiten und Appartements (komplett renoviert in 2017) O 40 Tagungsräume O Exklusiver Kongress- und Event-Saal „Palazzo“ für bis zu 1.000 Personen mit neun Metern Deckenhöhe, geschwungenen Galerien und imposanten Freitreppen rechts und links der Bühne O vier Restaurants und Bars O täglich Livemusik in der Lobby O Wellness-Spa mit Sauna, Pool und Fitness O Bowlingcenter mit vier Bahnen und eigener Bowling-Bar Wir freuen uns auf Sie! Ihr Team vom Grand La Strada Raiffeisenstr. 10 . 34121 Kassel . Tel.: 05 61 / 2 09 00 . E-Mail: info@lastrada.de . www.lastrada.de
Erste Seite 3 Fragen zum... Stau ??? Laut der aktuellen ADAC-Staubilanz ist Baden-Württemberg in den Top Drei. Warum gibt es hier so viele Staus? Wird zu wenig gebaut oder wird zu viel und zu lange gebaut? Unter 15, 20 Jahren geht grundsätzlich gar nichts in Deutschland mit Bauprojek- ten. Ob A8, A81 oder B27: Es bleibt immer ein Flickenteppich. Jeder Landkreis baut ein Teilstück aus, aber am Stück wird das Projekt nicht fertig. Daher sind in jeder Region eher die Engstellen das Problem. In Bad Sebastiansweiler ist so eine Dauer-Engstelle. Ich habe mal mit dem Zuständigen telefoniert, warum die Ampel nicht von zwei auf drei Minuten Umlaufzeit geschaltet werden könnte. Geht nicht, hieß es, die Ampelsteuerung ist so alt, das kostet zu viel, um das umzuprogram- mieren. Am Sudhaus Tübingen gab es vor 6 Jahren auch immer mindestens einen Stau von bis zu 80 Minuten. Seit man eine zweite Ampelschlaufe und das Links- Jürgen Maurer (links) ist abbiegen von Balingen her umgestellt hat, ging die Wartezeit auf etwa 20 Minuten Geschäftsführer der IQ-5 GmbH (rechts John Lebherz, herunter. Noch besser liefe es wahrscheinlich mit dem Schindhautunnel und einer zweiter Geschäftsführer). Umfahrung Ofterdingen, aber da sind wir ja wieder beim Grundproblem. Er vertreibt Dokumen- tations-, Diagnose- und Gerätemanagementsysteme Was kostet Sie der Stau so durchschnittlich als Unternehmer? für die Gesundheitsbran- che. Maurer ist klassischer Schwer zu sagen. Wir fahren von Bitz aus im Schnitt 100 bis 400 Kilometer am Tag, Handelsvertreter und auf der Straße zuhause. da gehen in der Woche locker zehn Stunden Arbeitszeit im Stau drauf. Rechnet Foto: PR man 100 Euro Umsatz die Stunde, läppert sich da was zusammen. Von geplanten Terminen muss ich manchmal am Tag auch einige streichen, weil es keinen Sinn mehr macht. Wir versuchen so zu planen, dass man zu bestimmten Uhrzeiten los- oder zurückfährt und alternative Strecken wählt, aber das tun andere auch. Südlich von Tübingen ist der Verkehr halbwegs planbar, nördlich davon wird’s zum Poker- spiel. Wenn ich morgens in Heilbronn oder Pforzheim sein muss, versuche ich um Viertel vor sieben dort zu sein, sonst kann ich das Auto auch nach Tübingen oder Degerloch schieben. Ansonsten lebt man halt damit und übernachtet. Ihr Tipp: Was müsste besser laufen, damit es läuft? Die Straßen wachsen nicht mit dem Verkehrsaufkommen. Was uns fehlt ist ein überregional zuständiges Verkehrs-und Stau-Management. Hessen hat in den 90ern viele wichtige Autobahnstrecken wie A5 und A3 mit elektronischen Leitschildern bei Stau ausgerüstet: linke Spur 120, mittlere 100, rechte 60. Es gilt recht schnell Überholverbot für LKW und in den Nebenzeiten komplett freie Fahrt. In Baden- Württemberg gibt’s das nirgends. Ich habe das Gefühl, dass die für die Planung Zu- ständigen gar nicht mit dem Auto unterwegs sind oder an der S-Bahn wohnen. Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
4 || Inhalt Inhalt 20 Digitalisierung Darauf kommt’s an 08 TITELTHEMA INHALT „Unternehmen müssen sich auf die Digitalisierung 03 Erste Seite einstellen“ – dieser Satz darf derzeit in keiner Drei Fragen zum Stau Sonntagsrede fehlen. Klingt gut, doch was bedeu- 06 Hingucker tet das? WNA wird konkreter und zeigt, wie die Bier Digitalisierung in der Arbeitswelt gelingen kann. 08 Aktuelles 22 Breitbandinfrastruktur: Fleckenlösungen 08 Großbrand bei Nopma und Thomas Preuhs: 24 Aus- und Weiterbildung: Mutig sein! Wie Phönix aus der Asche 26 Digitales Estland: Tigersprung 10 Ein Blick zurück: Die Alb auf Leinwand 27 Baustein für die Region der Zukunft: Der Hub kommt 12 20 Millionen für Forschung und Entwicklung: Willkommen in der Champions League 16 Im Gespräch Theologin Elisabeth Gräb-Schmidt www.wirtschaft-neckar-alb.de
Inhalt | 5 16 10 30 42 19 IHK-Service 62 Börsen Messenübersicht 64 Bekanntmachungen 30 IHK-Report 67 Stellenanzeigen 30 Außenhandel trotz den Krisen: Die Welt ist ein Dorf 71 Ihre IHK 32 IHK-Konjunktur – Problem Fachkräfte: 71 Impressum Noch weiter nach oben 72 Leute, Leute 40 Info & Praxis 44 Berufswahl: 74 Letzte Seite Eltern sind die wichtigsten Ratgeber 45 Praxis-Workshop: Online gefunden werden 54 Firmenreport 54 Fischer Elektro- und Beleuchtungstechnik: Gold im Wettbewerb um den Elmar 56 Wir Unternehmen: Ölmanufaktur Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
6 | Hingucker 20 Brauereien halten nach wie vor die Fahne des Bierbrauens in der Region Neckar-Alb hoch. 8,20 Euro kostete 2017 eine Maß Bier im Festzelt auf dem Balinger Volksfest. Damit war die Maß rund zwei Euro günstiger als auf dem Wasen. Hingucker 230 stationäre Krankenhausaufenthalte von 13- bis 19-Jährigen aufgrund von Alkoholkonsum gab es 2016 in Neckar-Alb. Am wenigsten waren es im Landkreis Tübingen (62). Im Zollernalbkreis gab es einen Krankenhausaufenthalt Foto: Easy Morning/shutterstock.com mehr zu verzeichnen und in Reutlingen mit 105 die meisten. www.wirtschaft-neckar-alb.de
Hingucker | 7 74,6 Milliarden Euro wurden 2009 durch Bierexporte aus Baden-Württemberg erwirtschaftet. Die Einfuhren erreich- ten einen Wert von 23 Milliarden Euro. Größte Abnehmer der Biere aus dem Ländle waren Italien und Irland. 1521 wurde die Zwiefalter Klosterbrauerei erstmals urkundlich erwähnt. Den Benediktinermönchen war die Verfeinerung des Biergeschmacks wichtig, da sie damit die harten Einschränkungen der Fastenzeit umgehen konnten. 35 Prozent der weltweiten Gesamtanbaufläche für Hopfen liegen in Deutschland. Damit ist die Bun- desrepublik der größte Hopfenerzeuger der Welt. 63 Liter Bier und Biermixgetränke werden im Regierungsbezirk Tübingen jährlich pro Person getrunken. Für einen Liter Bier im Einzelhandel zahlten die Bewohner durchschnittlich 1,46 Euro. Wirtschaft Neckar-Alb | März 2012
8 | Aktuelles Brandruine: Der Schaden bei Thomas Preuhs wurde auf acht Millionen Euro beziffert. Foto: PR Großbrand bei Nopma und Thomas Preuhs Wie Phönix aus der Asche Großbrände können Firmenexistenzen zerstören, bei Nopma in Albstadt und bei Thomas Preuhs in Geislingen ist man der Katastrophe mit Zuver- sicht begegnet. Montag, 6. November 2017: Bei Nop- setzt werden wie zuvor, teilt ein Her- Produktion wieder. „Es musste alles ma, Hersteller von technischen Texti- steller von Feuerlöschanlagen mit. sehr koordiniert ablaufen“, erklärt der lien, in Albstadt wütet ein Großbrand. Fast fünfzig Prozent aller Unterneh- Firmenchef. Zum Beispiel wurden alle Wie durch ein Wunder wird niemand mens-Brände würden zum völligen Mitarbeiter, die unmittelbar für den verletzt. Ein Gebäude ist völlig zer- Zusammenbruch der betreffenden Wiederaufbau nicht benötigt wurden, stört. „Als ich Firma führen. in der Zeit weitergebildet. Der Brand die Zeitung mit „Als ich die Zeitung mit Nach Angaben mit Millionenschaden hat beim Alb- dem Katastro- dem Katastrophenbericht der Versiche- städter Unternehmen zu einer Art phenbericht auf- aufschlug, hab ich die Seite rungswirtschaft Wandel geführt: Das Miteinander, die Grafiken: Alemon cz/shutterstock.com schlug, hab ich glatt nassgeheult.“ führt etwa jeder Mitverantwortung für den Betrieb, die Seite glatt Jens Meiser, Geschäftsführer Nopma dritte Brand in sie haben unter der Brandkatastrophe nassgeheult“, er- der Industrie zu nicht gelitten – ganz im Gegenteil. zählt Geschäftsführer Jens Meiser vom Sachschäden von mehr als einer hal- ersten Schock. „In diesem Moment ben Million Euro. Ein Großfeuer wütete auch am 3. Janu- hab ich mir gesagt, das ist der tiefste ar frühmorgens bei der Thomas Preuhs Punkt, es gibt jetzt nur einen Weg: Besseres Miteinander Holding in Geislingen-Binsdorf. Ins- nach vorne!“ Bei Nopma gingen bereits wenige gesamt 160 Einsatzkräfte konnten eine Tage nach der Ka- Lagerhalle nicht vor Die Folgen eines Firmen- tastrophe die Auf- „Man rückt zusammen den Flammen be- brandes können verhee- räumarbeiten mit in der Not.“ wahren. Unterneh- rend sein: In mehr als Drei- Hochdruck voran. menssprecher Peter Peter Wark, Unternehmens- viertel aller Fälle könne der Nach nur 14 Ar- sprecher Thomas Preuhs Wark beziffert den Betrieb nicht mehr so fortge- beitstagen lief die Schaden auf acht www.wirtschaft-neckar-alb.de
Anzeige___ Aktuelles | 9 Millionen Euro, den Gebäu- mehr als einer Woche deschaden allein auf drei Mil- Zwangspause nach den lionen. „Zum Glück hatten Betriebsferien wieder wir Betriebsferien und es wur- anlaufen konnte“, erklärt de niemand verletzt“, erklärt er. Wark und fügt hinzu, Schlimmere Schäden konnten „das ist auch der Solidarität und Von Unternehmer zu Unternehmer dank einer Brandschutzwand ver- d e m Entgegenkommen vieler Lie- mieden werden, die ein Übergreifen feranten zu verdanken“. Inzwischen sei geht vieles einfacher. des Feuers verhinderte. „weitgehend Normalität“ eingekehrt. „Man rückt zusammen in der Not.“ „Es grenzt schon an ein kleines logis- Auch bei Thomas Preuhs herrscht Op- Buchhaltung beim Steuerberater tisches und organisatorisches Wunder, timismus vor: Die Lagerhalle soll bis papierlos – mit Online-Zugriff dass die Produktion mit nur etwas zum Jahresende wieder stehen. Meistens werden Belege und Auswertungen noch in Papierform ausgetauscht. Steigen Sie jetzt um auf unsere Online-Buchhal- tung und profitieren Sie von den Vortei- len der Digitalisierung: Brandschutz im Unternehmen Belege integriert in die Buchhaltung www.ihkrt.de/brandschutz Online-Zugriff auf alle Auswertungen: u.a. BWA, Kostenrechnung, Lohn-Journal Belege archiviert im DATEV-Rechenzen- trum: maximale Sicherheit, einfache Su- che, zeitlich unbegrenzt, GoBD-konform Tipps vom Kreisbrandmeister Reutlingen Mehr zum digitalen Rechnungswesen erfah- ren Sie beim RWT Kolleg am 20.03.2018 (sie- Der gute Draht zur Feuerwehr he www.rwt-gruppe.de/veranstaltungen). Angesichts der gültigen Vorschriften zum Brand- und Arbeitsschutz sei das Aus- Sie haben Fragen zur Online-Buchhaltung? maß an großen Firmenbränden in der Region zurückgegangen, informiert Wolfram Kontaktieren Sie Marc Mollenkopf, Leiter Auch, Kreisbrandmeister in Reutlingen. Unternehmen rät er, die Brandschutzvor- der RWT-Mandantenbuchhaltung: schriften ernst zu nehmen. Feuerlöscher und Brandmelder gehören regelmäßig Tel. 07121 489-341. gewartet. Rettungswege müssen freigehalten werden. Zum vorbeugenden Brand- schutz zählt ebenfalls die Schulung der Mitarbeiter in puncto Sicherheit und Sau- berkeit am Arbeitsplatz. Auch der Dialog mit der örtlichen Feuerwehr ist wichtig. Die Experten der Feuerwehren können bei allen Details zum Brandschutz hel- RWT-Gruppe fen. Außerdem bietet die IHK einen Leitfaden und veranstaltet Foren zum Thema Charlottenstraße 45-51 Brandschutz. 72764 Reutlingen Telefon: 07121 489-201 www.rwt-gruppe.de Wirtschaft Neckar-Alb | März 2012 REUTLINGEN STUTTGART ALBSTADT weltweite Zusammenarbeit mit
10 | Aktuelles Rauchende Schlote der aufkeimenden Industrie inmitten blühender Albwiesen: Ein Gemälde von Wilhelm Kehrer (geboren 1892) ist stiller Zeitzeuge. Foto: Rath Die Gemälde zeigen eine Zeit, die schon längst vergangen ist. Wie vor rund 100 Jahren die Saat ausgebracht wurde, wel- che Hunderassen es noch gab, was die Leute am Leib trugen. „Beim Betrach- ten der Bilder merkt man, dass es noch gar nicht lange her ist, dass man noch mit dem Pferdewagen gefahren ist“, sagt Rath, „die schnelle Entwicklung der Technik wird beim Anblick der Ge- mälde deutlich.“ Niethammer bis Ende April Ein Blick zurück Neben Werken von Jakob Plankenhorn, Otto Kübler und Wilhelm Kehrer sind Die Alb auf Leinwand bis April Werke des eher unbekannten Künstlers Eduard Niethammer zu se- Der Reutlinger Kunstsammler Mar- Alb eine Last“, so Rath, „heute ist sie hen. Die Arbeiten des Einsiedlers hat tin Rath hat 2016 ein Museum für mich Energiequelle. Hier tanke ich der Kunstsammler in Ungarn gefun- eröffnet, das die Werke von Hei- in einer natürlichen Landschaft wieder den. Auch die anderen Werke hat er matmalern zeigt. Die Landschafts- auf, die für mich wertvoll und erhal- bei Auktionen auf der ganzen Welt er- bilder gewähren einen Einblick in tenswert ist.“ Das Museum ist für ihn standen. „Viele sind in den 20er Jahren die Lebensbedingungen vergange- ein Tribut an die Heimat. „Wir zeigen mit der Kunst ausgewandert“, so Rath, ner Zeiten. dort oben die unangetasteten, abwechs- „jetzt sind die Bilder wieder zurück in lungsreichen Landschaften der Alb.“ der Heimat.“ In einem ehemaligen Offiziersgebäu- de des Alten Lagers in Münsingen hat die ungewöhnliche Sammlung einen Platz gefunden. Mit rund 600 Bildern mit Alb-Motiven ist es wohl die größ- te ihrer Art. Rund 200 Gemälde sind dauerhaft zu sehen, weitere 200 in einer Wechselausstellung. Auf dem Ex-Trup- penübungsplatz auf der Alb will der Unternehmer Franz Tress ein Touris- muszentrum errichten. Das Albmaler- Museum passt da genau ins Konzept. „Wir wollen die Heimat zeigen“, erklärt Martin Rath seine Motivation, ein sol- ches Museum zu führen. Der Anwalt Auch im Besitz der IHK Reutlingen befindet sich ein Albmaler-Gemälde von Jakob Planken- ist in Reutlingen und Metzingen gebo- horn (1894–1977). Der Künstler aus Mössingen-Talheim hielt die Alb auf Leinwand fest, ren und aufgewachsen. Hauptberuflich überall dort, wohin er mit dem Fahrrad und seinen Malerutensilien hinreisen konnte. Unter berät er vornehmlich asiatische Fuß- anderem auch den Blick auf die Reutlinger Achalm, wie hier zu sehen ist. Da die IHK-Zent- rale in Reutlingen derzeit abgerissen wird, übergab IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang ballspieler und kommt so viel auf der Epp das Gemälde als Leihgabe an Handwerkskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Welt rum. „In der Jugend war mir die Eisert. Nun hängt die Landschaft in Öl im ersten Stock der Handwerkskammer Reutlingen. www.wirtschaft-neckar-alb.de
Aktuelles | 11 Foto: olly - Fotolia.com Christian O. Erbe, Präsident der IHK Reutlingen Nur Erfolge verwalten Europaweite Jugendstudie Vor fünf Monaten und einer Woche Optimistischer Blick in die Zukunft haben wir einen neuen Bundestag ge- wählt. Seither wartet das Land auf eine neue Regierung. Spötter sagen: Wir ver- „Welche Rolle spielt Geld in unserer Mehrheit eher optimistisch in die Zu- missen sie nicht, es geht ja auch ohne. Gesellschaft?“ oder „Was bedeutet kunft: 38 Prozent der Befragten denken, Ich sage: Wir brauchen dringender denn Heimat für Dich?“: Antworten lie- dass ihr Leben ähnlich gut verlaufen je eine Regierung, die sich den Heraus- ferten über 100.000 Jugendliche wird wie das ihrer Eltern. Das Verhält- forderungen der nächsten Jahre stellt . aus 35 Ländern für eine Studie der nis zu Papa und Mama ist bei den meis- Europäischen Rundfunkunion. ten Befragten ohnehin sehr gut. Genau Wie wird Deutschland die Digitalisie- 90 Prozent gehen davon aus, dass ihre rung bewältigen? Die Koalition will in- Die Befragung verdeutlicht Wertvor- Eltern stolz auf ihre eigenen Kinder tensiv in Breitband und digitale Bildung stellungen, Zukunftspläne und Men- sind. Weniger positiv sieht es mit dem investieren. Doch ein Gesamtkonzept talität der sogenannten „Generation Vertrauen zur Politik aus. Lediglich erkenne ich nicht. Wo bleiben die digi- What“. So glauben beispielsweise 89 zwei Prozent der befragten Jugendli- tale Verwaltung, der Mut zu einer digital Prozent der befragten Jugendlichen chen geben an, völliges Vertrauen in getriebenen Start-up-Kultur oder Impul- zwischen 18 und 34 Jahren, dass Geld die Politik zu haben.Die Erhebung der se für ein deutsches Silicon Valley? Die grundsätzlich eine zu große Rolle in der Europäischen Rundfunkunion gilt als digitale Welt kommt mir zu kurz. Es wird Gesellschaft spiele. Dennoch blickt die größte Jugendstudie aller Zeiten. nur der Erfolg verwaltet und wenig Neu- es gewagt. Das zeigt sich auch beim Ver- zicht auf Steuerentlastungen für Unter- Neuer Studiengang startet im April nehmen. Die letzte umfassende Reform liegt zehn Jahre zurück. Unternehmen, Land finanziert fünf Jahre mit die eigenes Geld nutzen können, um zu investieren, setzen Wachstumskräfte Am 9. April wird auf dem Campus ministerin Theresia Bauer. Das Land frei. Das ist gut für Innovationen und Be- der Hochschule Reutlingen der hat eine fünfjährige Teilfinanzierung schäftigung und am Ende profitiert auch neue Studiengang „Soziale Ar- über insgesamt 3,5 Millionen Euro Vater Staat. Nur der will es gerade nicht. beit“ eröffnet. zugesichert. Inzwischen wurde auch Eine vertane Chance. die Frage der Unterbringung geklärt. Der Studiengang „Soziale Arbeit“ soll In die Bresche springt das Kultusmi- Bleibt die Reform der EU. Dieser haben starke Bezüge zum Thema Inklusion nisterium, das für eine Übergangszeit die Koalitionäre ein großes Kapitel ge- und zu den sozialen und diakonischen von drei bis vier Jahren, einen Teil der widmet. Das ist richtig, weil wir nur mit Einrichtungen in der Region Neckar- Räume des Staatlichen Seminars für einem klaren Bekenntnis zu Freihandel Alb haben. „Der gesellschaftliche Be- Didaktik und Lehrerbildung auf dem wachsen können. Mir fehlt derzeit aber darf in diesem Bereich ist unbestritten Hochschulcampus zur gemeinsamen die Hoffnung, dass wir einen Durch- und die Region bietet beste Anknüp- Nutzung zur Verfügung stellt. Die ers- bruch erleben werden. Mit den Populis- fungspunkte für den Praxisbezug die- ten Studierende starten nach der Er- ten im eigenen Haus bleiben die globa- ses Studiengangs “, sagt Wissenschafts- öffnung im Sommersemester. len Veränderungen ein sehr fernes Ziel. Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
12 | Aktuelles Foto: NMI RANDNOTIZ Kein Wachstum Facebook verliert. Bei Jugendlichen sind es nur noch 61 Prozent, die das Netzwerk nutzen. Vor vier Jahren wa- ren es noch 89 Prozent. Das zeigt der neue Social-Media-Atlas. Einen star- ken Zuwachs kann Facebook lediglich noch bei älteren Nutzern notieren: Bei den sogenannten „Silver Surfern“ ab 60 Jahren nimmt der Anteil um 23 Pro- zentpunkte auf 70 Prozent zu. 20 Millionen für Forschung und Entwicklung Willkommen in der Champions League Kein Vertrauen Die Deutschen verlieren Vertrauen zu Unternehmen. Eine Forsa-Umfrage 20 Millionen Euro sind in den neu- Materialforschung zeigt, dass derzeit nur 27 Prozent der en Regio-Win-Campus im Techno- Das Nanoanalytikzentrum des NMI Wirtschaft trauen. Die Gründe: Die logiepark Reutlingen-Tübingen ge- soll, so Hämmerle, „uns mit seinen Dieselaffäre, die Insolvenz von Air flossen. Entstanden sind das neue High-End-Elektronenmikroskopen Berlin und der angekündigte Stel- Nanoanalytikzentrum und der For- die Chance geben, in die Champions lenabbau bei Siemens. Hingegen ist schungscampus Bio-Med-Tech. League der Elektronenmikroskopie das Ansehen von Polizei und Gewerk- aufzusteigen.“ Nanoanalytik spielt schaften größer geworden. 8,5 Millionen Euro stammen aus dem heute in vielen Bereichen der Materi- Wettbewerb „Regio Win“. Er war vor alforschung eine große Rolle. Sowohl fünf Jahren vom Land und der Eu- für die industrielle Entwicklung und Anzeige___ ropäischen Union Verarbeitung neuer ausgelobt worden, Zwei Leuchttürm für die Werkstoffe als auch um Impulse für eine gesamte Region. für die Grundla- langfristige Regio- genforschung ist die nalentwicklung zu setzen. Unter der Erforschung kleinster Strukturen im Federführung des Landratsamts Tü- Maßstab des millionstel Millimeters bingen hatte sich die Region Neckar- heute unverzichtbar. Alb an dem Wettbewerb beteiligt und als Leuchtturmprojekte das Nanoana- Wachstumsbranche lytikzentrum und den Forschungscam- Der Forschungscampus Bio-Med- pus vorgeschlagen. „Das neue Zent- Tech soll die Branchen Medizintech- rum wird für einen Innovationsschub nik und Biotechnologie thematisch im Bereich Biomedizintechnik, Mate- und räumlich zusammenführen. Regi- rialwissenschaft und Werkstofftechnik onale Unternehmen können hier mit sorgen und die Wettbewerbsfähigkeit der Grundlagen- und angewandten der ansässigen Unternehmen stärken“, Forschung unter einem Dach arbei- zeigte sich Prof. Hugo Hämmerle, Lei- ten. „Wir bewegen uns hier in einer ter des Naturwissenschaftlichen und der größten Wachstumsbranchen und Medizinischen Instituts (NMI), bei der in die Arbeitsplätze der Zukunft“, sag- Schlüsselübergabe überzeugt. Die Bau- te Reutlingens Oberbürgermeisterin zeit betrug 15 Monate. Barbara Bosch. www.wirtschaft-neckar-alb.de
Aktuelles | 13 Foto: olaser/iStockphoto.com Anzeige___ Als Wirtschaftsprüfer und Steu- erberater bieten wir Ihnen un- ser breites Spektrum an Dienst- leistungen und Werten: • WIRTSCHAFTSPRÜFUNG • STEUERBERATUNG Kostenlos Bus fahren • CORPORATE FINANCE • UNTERNEHMENSBERATUNG Wer soll das bezahlen? • FINANCIAL SERVICES UND VIELES MEHR Bekommt Reutlingen einen kos- nehmen. „Wer bestellt, bezahlt“, ließ Selbstverständlich sind auch tenfreien Öffentlichen Personen- sich Bosch zitieren. Tübingens Ober- die gesamte BANSBACH-Gruppe nahverkehr? Die Bundesregierung bürgermeister Boris Palmer zeigte sich sowie unser weltweites Netz- will das testen und hat dafür fünf nicht weniger verwundert. Immerhin werk KRESTON INTERNATIONAL Städte ins Auge gefasst. startet bei ihm gerade der kostenlose jederzeit für Sie da, und das Wochenendbus. Ab Mitternacht in der Die Idee kommt nicht von ungefähr. Nacht von Freitag auf Samstag müssen RATIONAL Deutschland droht eine Klage vor dem die Fahrgäste auf allen Tübus-Linien Europäischen Gerichtshof. Um dieser des Stadttarifs Tübingen keinen Fahr- WELTOFFEN zu umgehen, bringt schein mehr lö- NACHHALTIG die geschäftsfüh- Reutlingen wäre gerne sen – bis 5 Uhr am rende Bundesregie- Testgebiet. S on nt a g m orge n . SPONTAN rung kostenlosen Damit sind auch die öffentlichen Nahverkehr ins Spiel. Der Nachtbusse Teil der Aktion. Lediglich NAH kostenlose Nahverkehr soll die Zahl Züge, Regionalbusse und regionale LEIDENSCHAFTLICH der Pkws verringern, die in Innenstäd- Nachtbuslinien gehören nicht zum te einfahren. Der Test könnte in Essen, freien Angebot. Bonn, Herrenberg, Mannheim und BANSBACH GmbH eben Reutlingen stattfinden, schreibt Überrascht zeigte sich auch der Ver- die Regierung. band Deutscher Verkehrsunterneh- Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft men. Er bemängelt: „Schon heute Wer zahlt es? drängeln sich die Fahrgäste überall in BADEN-BADEN Den Vorstoß finden Länder und Bussen und Bahnen. Ein kurzfristiger, BALINGEN Kommunen überraschend. Landes- sprunghafter Fahrgastanstieg würde DRESDEN verkehrsminister Winfried Hermann die vorhandenen Systeme vollständig FREIBURG forderte direkt tatkräftige finanzielle überlasten“, so Verbandspräsident Jür- JENA Unterstützung des Bundes. Ins gleiche gen Fenske. Der Finanzierungsbedarf LEIPZIG Horn stieß Reutlingens Oberbürger- des Nahverkehrs betrage laut Verband STUTTGART meisterin Barbara Bosch: Die Stadt sei derzeit zwölf Milliarden Euro pro Jahr. gerne Testgebiet, der Bund müsse aber Zusätzliche Fahrgäste sind noch gar www.bansbach-gmbh.de in jedem Fall die Finanzierung über- nicht eingerechnet. Anzeige IHK.indd 1 05.02.2018 10:15:45 Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
14 | Aktuelles Rufus Wainwright Drama, Baby! Eine lange Note reicht ge- heute hat er sich beharrlich wöhnlich. Mit der Rufus den Erwartungen entzogen Wainwright auf Anhieb und Grenzen ausgelotet: Er Spannung und Intimität veröffentlichte sieben Alben, erzeugt. Eine unverwech- schrieb zwei eigene Opern – selbare Stimme, zwischen die New Yorker Met hatte eine Bariton und Tenor, rund angefordert und klassische und süffig, selbstverges- Oper wollte er nicht singen –, sen, aber schnörkellos. vertonte für Theaterregisseur Man sieht einen Posterboy Robert Wilson Shakespeare- in schrägen Klamotten. Sonette und führte ein Kon- Aber man hört den wohl zert von Judy Garland in der talentiertesten Sänger Carnegie Hall in ebendieser und Songwriter seiner Ge- nochmal neu mit ihm in der neration. Einem breiten Hauptrolle auf. Privat heira- Publikum ist Wainwright tete der einstige Partylöwe mit einem Cover von Leo- seinen Geliebten und grün- Fotos: Matthew Welch, PR, L.Klauser – Fotolia nard Cohens „Halleluja“ dete mit der Tochter Leonard im Soundtrack zu „Shrek“ Cohens, seiner Sandkasten- bekannt geworden. Seine freundin, eine Patchworkfa- beiden Alben „Want One“ milie. Manche nennen so- und „Want Two“ gelten was gesundes Ego, andere bislang als die besten der Größenwahn. Jedenfalls hat Nullerjahre und als Maß- er Sinn für Drama und weiß, stab für queeres Songwri- was er kann. Auf der Bühne ting. Bei Wainwright trifft heißt das, das große Rad dre- amerikanischer Songwri- hen (er ist der erste Musiker, ter-Pop auf europäische der das Londoner Opernhaus Operndramatik, Billy Joel Covent Garden an fünf Aben- und Randy Newman auf den ausverkauft hat) sowie Strauss und Verdi. Luxuri- Er pendelt zwischen Pop und Oper, zwischen Wun- im kleinen, intimen Rahmen, öse Melancholie. Mit Witz, derkind und Wahnsinn: Der Kanadier Rufus Wain- allein am Piano auftrumpfen. Raffinesse und offener wright entspricht dem viel strapazierten Attribut Letzteres wird am 4. April im Hose. Kitsch, durchaus, Ausnahmekünstler. Sein Auftritt in Reutlingen gilt franz.K Reutlingen der Fall ja. Aber gut inszeniert. Bis schon vorab als konzertanter Coup des Jahres. sein. Garantiert glamourös. KULTUR-STENO +++ Schauspiel: „Lola rast – und andere schreckliche Geschichten“ – ab 3. März – LTT +++ Comedy: Mundstuhl „Mütze-Glatze! Simply the Pest!“ – 9. März – Sudhaus Tübingen +++ Musik: Leipziger Philharmonie „Whitney Houston Tribute“ – 9. März – Stadthalle Balingen +++ Kleinkunst: Dieter Baumann „Läuft halt. Weil singen kann er nicht“ – 10. März – Sudhaus Tübingen +++ Vortrag: Dylan Wickrama „Am Ende der Straße – mit dem Motorrad um die Welt und über den Pazifik“ – 13. März – Stadthalle Balingen +++ Lesebühne: Felix Huby & Hartwin Gromes „Die Kerners – eine Familiengeschichte“ – 15. März – Museum Tübingen +++ Kabarett:Stefan Waghubinger „Jetzt hätten die guten Tage kommen können“ – 15. März – Sudhaus Tübingen +++ www.wirtschaft-neckar-alb.de
Aktuelles | 15 „Global Players“ & „Eskalation ordinär“ Vorne und hinten Dicke Luft in Hechingen. Die schwä- in Zwangsurlaub müssen. Senior Paul übernimmt Altmeister Bernhard bische Traditionsfirma „Bogenschütz Bogenschütz sieht sein Lebenswerk be- Hurm. Im Film selbst hatten bereits ei- & Söhne“ steht vor der Pleite und der droht und nur einen Ausweg: Alles Ei- nige Lindenhöfler mitgewirkt. Fast al- Chinese vor den Toren. Globalisierung gentum, die Privathäuser, an die Bank. les sei neu in der Theaterversion, meint und Finanzkrise sind dem Textilfab- Die Erben haben eine andere Meinung, Regisseur Stöhr, und weitaus stärker rikanten so zu Leibe gerückt, dass die manche wollen verkaufen. Die Nerven auf eine Komödie zugeschnitten. Man Bank selbigen hängen lässt, Mitarbeiter liegen blank. Aber zum Glück gibt’s die darf gespannt sein (Premiere ist am Maultasche und das gute deutsche Pa- 3. März). Entscheidend ist, was hinten tent. Hannes Stöhrs Kinofilm „Global rauskommt. Zum Beispiel der Wert ei- Player – Wo wir sind isch vorne“ setz- nes Menschen. Eines arbeitslosen Men- te vor vier Jahren einige vertraute The- schen. In „Eskalation ordinär – ein men eindrucksvoll in Szene: Kriegsge- Schwitzkastenschwank in sieben Af- neration und Generationenkonflikt, fekten“, dem letzten Werk des verstor- Familienbetrieb und Nachfolge. Vor benen österreichischen Autors Werner allem aber die Region rund um den Schwab, durchläuft der ehemalige Spar- Hohenzollern. Nun legt Stöhr mit dem kassenangestellte Helmut Brennwert Lindenhoftheater Melchingen den stellvertretend unterschiedliche Stufen Stoff neu für die Bühne auf. Die zent- der Deklassierung: Vorm Bewerbungs- rale Figur Paul Bogenschütz, im Film gespräch wird er mit Senf beschmiert, gespielt von Walther Schultheiß (Foto), der Personaler verhöhnt ihn, seine Ver- lobte verlässt ihn, er wird getreten und erniedrigt. Entsprechend angeschärft zerren ihn schließlich Deutschnationa- le für eigene Zwecke aus der Gosse und vor die Kameras. Doch Brennwerts ver- meintlicher Aufstieg währt nur kurz. Schwabs Theaterstück als explizit zu bezeichnen, wäre noch untertrieben. Der Theaterschreck der 90er ätzt hier über die Heuchelwelt, dass es keine Freude mehr ist. Und aktueller nicht sein könnte (Premiere ist am 9. März, Zimmertheater Tübingen). KULTUR-STENO +++ Musik: Kevin Hays & Lionel Loueke – 17. März – Sudhaus Tübingen +++ Musik: „Irish Spring-Festival“ – 19. März – Sudhaus Tübingen +++ Schauspiel: „Arthur & Claire“ (u. a. mit Hardy Krüger Jr.) – 20. März – Thalia Theater Albstadt +++ Comedy: Rick Kavanian „Offroad“ – 21. März – franz. K Reutlingen +++ Ausstellung: „Sexy & Cool. Minimal goes emotional“ – ab 24. März – Kunsthalle Tübingen +++ Ausstellung: #RTimBild: Dein Blick, deine Stadt – Reutlingen mit dem Smartphone“ – ab 24. März – Heimatmuseum Reutlingen +++ Comedy: Chris- toph Sonntag „#Bloß kein Trend verpennt!“ – 25. März – Stadthalle Reutlingen +++ Musik: „Represent-Your- Hometown-Music-Festival“ – 30. März – franz.K Reutlingen +++ Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
16 | Im Gespräch Foto: PR Theologin Elisabeth Gräb-Schmidt Der Mensch als Schöpfer Das Klonen oder die Embryonenforschung betrifft den Menschen in seinem innersten Menschsein, meint die Tübinger Theologin Elisabeth Gräb-Schmidt. Geht die Forschung hier zu weit? www.wirtschaft-neckar-alb.de
Im Gespräch | 17 WNA: Im Januar wurde bekannt, dass Vita es in China erstmals gelungen ist, Af- fen zu klonen. Bricht China damit ein Elisabeth Gräb-Schmidt (geboren 1956 in Bad Säckingen) ist Professo- Tabu? rin für systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik an der Eberhard Gräb-Schmidt: Ja und nein, wenn Karls Universität Tübingen. Sie studierte Evangelische Theologie in wir bedenken, dass bereits vor 20 Jah- Göttingen, Berkeley, Heidelberg und Mainz. Seit 2013 ist sie Mitglied im ren das Schaf Dolly geklont wurde Rat der EKD und ebenfalls in 2013 erfolgte die Berufung in die Zentrale und seitdem 23 weitere Tiere einen Ethikkommission der Bundesärztekammer. Zudem ist sie seit 2015 Mit- genetischen Zwilling bekommen ha- glied in der Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung ben. Dass es nun gelungen ist, einen der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Theologin ist verheiratet Primaten zu klonen, ist ein Ereignis, und Mutter zweier Kinder. dessen Tragweite noch nicht in vol- ler Gänze wahrgenommen wurde. Es ist problematisch, nicht nur aus ethi- schen, sondern auch aus politischen schengemachte Auswahl für Sie ein sich nicht leichtfertig über die Mög- und wirtschaftlichen Gründen. China Eingriff in die Schöpfung Gottes? lichkeit der Forschung hinwegsetzen. hat damit einen Sprung in der For- Das ist eine Benennung des Prob- Sie hat die Aufgabe, die Forschung zu schung gemacht, vor allem in Hinblick lems, das erst an zweiter Stelle bedacht begleiten, aber nicht zu verhindern. Es auf medizinische Forschung. Es geht werden muss. Es ist nur eine religiöse muss genau geschaut werden, welche bei diesem Fortschritt darum, wer die Benennung des Sachverhaltes dessen, Chancen der Heilung gegeben sind Großmacht des 21. Jahrhunderts wird. was anthropologisch auf dem Spiel und diese müssen dann auch genutzt steht. Und hier steht auf dem Spiel, werden. Gleichwohl darf dies nicht um Und ethisch betrachtet? dass sich der Mensch selbst technisch jeden Preis geschehen. Es ist ein Tabubruch, wenn der Mensch produziert. Er verändert sich somit in seiner Individualbestimmtheit tan- von einem Wesen in ursprünglicher China, USA, Großbritannien, nur giert wird, in seinem innersten Perso- Freiheit, wie es durch geboren werden, drei Beispiele dafür, dass die For- nenkern. Das ist beim Klonen der Fall gezeugt werden möglich ist, in ein schung in anderen Ländern weniger und auch beim Eingriff in die Keim- Wesen, das genau designed ist. Und Grenzen als in Deutschland hat. Ver- bahn. Hier sehe ich große ethische insofern gemacht ist wie ein Produkt. lieren wir aufgrund moralischer Be- Bedenken im Hinblick auf das Ver- Damit verliert der Mensch auch seine denken den Anschluss an die Spitzen- ständnis des Menschen. Auch in der Zufälligkeit, an die er, zumindest für forschung oder ist das schon längst westlichen Forschungsszene ist man mich, in seiner Endlichkeit gebunden passiert? gerade dabei, solche Tabus zu brechen. ist. Entscheidend ist, dass der Mensch Das ist die Klage der Wissenschaftler eine Selbstzwecklichkeit hat. Also, hierzulande. Es gilt aufzupassen, dass Was zieht das nach sich? dass er, ganz unabhängig von seiner die Forschungsergebnisse aus anderen Wenn Primaten geklont werden, ist Leistung, einen Wert hat und in sich Ländern nicht einfach übernommen das Klonen von Menschen näher ge- Würde trägt. werden, obwohl man die Forschung rückt. Etwa auch um ein Ersatzteilla- hier nicht duldet, und doppelte morali- ger für andere Menschen zu haben. Genforschung verspricht, viel Leid schen Standards errichtet. Deshalb darf Die Vorstellung ist ein Horrorszena- im Vorfeld schon zu verhindern. man sich der ethischen Bedenken aber rio, dass Menschen gezüchtet werden, Für die Biologen ist die Ethik natür- noch lange nicht entledigen, wenn die um im Krankheitsfall für andere Men- lich nur ein Hemm- Forschungsfreiheit schen Ersatzorgane zu haben. schuh, die sie an versus Selbstbestim- ihren Forschungen „Der Mensch hat ganz mung des Menschen US-Forscher haben in 2017 erstmals hindert. Durch die unabhängig von seiner steht. Trotzdem hal- defekte Gene lebensfähiger Embryo- Genschere können Leistung einen Wert.“ te ich nichts davon, nen ausgetauscht. In Großbritannien ganz einfach und Forschung zu früh- ist es erlaubt, an bis zu sieben Tage zielgenau defekte Gene ausgetauscht zeitig zu unterbinden. Wir dürfen das alten Embryonen zu forschen, die werden, das verspricht in der Tat, viel nicht nur den anderen überlassen und danach getötet werden. Ist die men- Leid zu verhindern. Die Ethik darf dann die Erträge nutzen. Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
18 | Im Gespräch Sie sind seit rund fünf Jahren in der tion entschieden werden? Welche ethi- Themen ins Bewusstsein. Die Technik Zentralen Ethikkommission der Bun- schen Direktiven sollen programmiert ist aber lange nicht nur vernachlässigt, desärztekammer. Mit was beschäfti- werden? Soll nach utilitaristischen sondern auch verteufelt worden. Tech- gen Sie sich derzeit? Maßstäben programmiert werden, die nik war das Grundübel, das in die Ka- Der Einsatz von Robotern in der Pfle- das Leben vieler rettet und den Einzel- tegorie „Gott spielen“ gerückt wurde. ge. In Japan ist das schon weit verbrei- nen opfert? Oder soll man nach Kant Hier zeigt sich zum Glück ein Bewusst- tet, bei uns eher auf spielerische Weise. gehen, der die Würde eines einzelnen seinswandel. Ich sehe hier große Chancen: Roboter Menschen nicht verrechnet? Wollen können den Pflegenden bei schweren, wir nicht lieber von der Entscheidung Spielt der Mensch nicht schon längst repetitiven Arbeiten helfen, die ihn oft- eines Menschen abhängig sein als von Gott? mals körperlich überfordern. Roboter der einer Maschine? Die Kirche hat auch die Fähigkeit des dürfen aber nur als Begleitung, nicht Menschen vernachlässigt, die seine als Ersatz eingesetzt werden. Das wür- Wir sind also noch nicht so weit, dass schöpfungsgemäße Mitkreativität be- de dann bedeuten, dass die Pflegenden wir autonom fahrende Autos auf die deutet. Die ihn auch zu Gottes Ebenbild mehr Zeit für Gespräche haben. Was Straße lassen sollten? werden lässt als Mitarbeiter an seiner durch einen Pflegeroboter verantwort- Aus ethischer Sicht wäre es wünschens- Schöpfung. Die Technik ist ein wesent- lich übernommen werden kann, ist wert, dass autonome Systeme nur in Be- licher Faktor menschlicher Freiheit. derzeit unsere Frage. Der Einsatz kann gleitung eines Menschen fahren dürfen Ohne Technik ist der Mensch nicht auch Kosten sparen, das Geld kann so und Menschen Überwachung leisten Mensch. Dabei hat er die Aufgabe, mit in mehr Zeit für die Patienten investiert – wie es bislang im Cockpit eines Flug- dieser technischen Fähigkeit umzuge- werden. zeugs ist. Insofern entdramatisiert sich dann auch die Verantwortungsfrage. „Die Kirche muss sich spu- Sie forschen zum Thema Ethik und ten, den gesellschaftlichen Technik. Künstliche Intelligenz und Welche Rolle kann die Kirche bei sol- Diskurs mitzubestimmen.“ selbstlernende Systeme stellt die Ethik chen Debatten einnehmen? vor ganz neue Herausforderungen, Sie muss sich in den Medien dazu äu- hen. Hier muss nun die Differenz zwi- ßern und sagen, was auf dem Spiel schen Mensch und Gott greifen. In sei- „Die Technik ist ein steht. An das Verständnis des Men- nen technischen Fähigkeiten ist er eben schen erinnern und die Konsequenzen nicht der Gott, der alles übersieht und wesentlicher Faktor offenlegen, wenn beispielsweise die alle Folgen im Blick hat und die Ver- menschlicher Freiheit.“ Verantwortung an künstliche Intelli- antwortung für alles Tun übernehmen genz delegiert wird. Hier müssen die kann, dass er die Ethik nicht braucht. beispielsweise beim Thema autono- Maßstäbe für Verantwortung deutlich Die ethische Reflexion ist unabdingbar. mes Fahren. Wer trägt die Schuld: markiert werden und keine Abstriche Mensch oder Maschine? geduldet werden. Wir müssen daher Wie hält es die Kirche mit der Digita- Das Problem ist immer, dass die Tech- aufpassen, dass uns die gesellschaftliche lisierung? nik voranschreitet und die Ethik dann Debatte nicht überrollt. Die Fragen, die die Digitalisierung auf- schauen muss, wie sie mit der Sachlage wirft, sind eine Chance für die Kirche. umgehen kann. Bislang haben wir auf Mischt sich die Kirche nicht genug Sie muss sich sputen, den gesellschaft- diesem Feld mehr Fragen als Antwor- ein? lichen Diskurs mitzubestimmen. Aber ten. Wer will sich überhaupt darauf Die Kirche hat ein enormes Defizit bei die Digitalisierung ist für die Kirche einlassen, mit einem Auto zu fahren, technologischen Begleitdiskussionen. selbst eine gute Gelegenheit. Die jun- das unter Umständen entscheidet, sich Sie ist präsent, wenn es um Sterbehil- gen Leute können so ins Boot geholt selbst zu opfern zugunsten anderer? fe geht oder Embryonenforschung. werden – und die sind auch munter Auch solche Kalkulationen müssen in An den Rändern des Lebens fühlt sie und gerne dabei. Es muss auch klar die Entscheidungsfähigkeit eines sol- sich zuständig. Sie fühlt sich weniger werden, dass Digitalisierung nicht chen autonomen Systems eingebaut zuständig bei technologischen Frage- nur Bürde und Last ist, sondern die werden. Die Fragen fangen aber schon stellungen. Sie hat sich nun aber das Chance zum Dialog und zu neuen bei der Entwicklung solcher Systeme Thema Digitalisierung auf die Agenda Vergemeinschaftungsformen via so- an: Wie soll in einer bestimmten Situa- geschrieben. So langsam dringen diese ziale Netzwerke bietet. www.wirtschaft-neckar-alb.de
IHK-Service | 19 IHKSERVICE Messenübersicht Kontakte knüpfen Um auf Messen neue Geschäftskontakte zu knüp- fen oder die eigene Firma zu präsentieren, muss man die Region nicht verlassen. Die IHK bietet auf ihrer Homepage ein Verzeichnis der Branchentreffs in Neckar-Alb. Messen gibt es nicht nur in Stuttgart oder Frankfurt: Auch die Region hat einiges zu bieten – von der Automobil- über die Bau- bis hin zur Gründermesse. Das Verzeichnis findet sich unter www.ihkrt.de/messen. Mit einem Klick gelangt man direkt auf die Websites der einzelnen Ausstellungen. Foto: Pla2na/shutterstock.com IHK-NeWsletteR WeIteRBIlDUNG Mit dem IHK-Newsletter verpassen Sie keine Wirtschafts- Der schnellste Weg zum beruflichen Aufstieg: Mit den Lehr- nachricht aus der Region Neckar-Alb. Das wöchentliche gängen und Seminaren der IHK-Weiterbildung erklimmen Sie Update versorgt Sie zudem mit Veranstaltungstipps und Hin- die Karriereleiter. Das Team der IHK-Akademie berät Sie. weisen zu Gesetzesänderungen oder Förderprogrammen. www.ihkrt.de/weiterbildung Kostenlos online abonnieren. www.ihkrt.de/newsletter FüR UNteRWeGs Vernetzen Sie sich mit der IHK Reutlingen auf Facebook, wer- eHReNURKUNDeN-seRVIce den Sie Follower bei Twitter oder lesen Sie die WNA | Wirt- Ob Firmen- oder Mitarbeiterjubiläum: Eine Urkunde der IHK schaft Neckar-Alb als Online-Ausgabe. drückt Anerkennung für langjährige Leistung aus. In einem www.facebook.com/IHK.Reutlingen Leitfaden finden Sie hilfreiche Tipps zur Organisation Ihres twitter.com/ihk_reutlingen Mitarbeiterjubiläums. www.wirtschaft-neckar-alb.de www.ihkrt.de/ehrenurkunden ADResseNseRVIce BöRseN Datenbestände von bundesweit im Handelsregister eingetra- Unternehmensnachfolge, Gewerbeflächen oder Personal- genen Firmen werden nach Basisdaten ausgewertet. Liefe- und Kooperationsvermittlung: Angebote und Gesuche fin- rung erfolgt wahlweise als Liste, per E-Mail oder auf CD-Rom. den Sie in den IHK-Börsen oder inserieren Sie selbst. www.ihkrt.de/adressen www.ihkrt.de/boersen Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
20 | Titelthema Piktogramme: shutterstock: Rova N/Studio_G/Arcady/Micromaniac/Vaclav Krivsky/IhorZigor/D Line/D Line, Freepik.com Zahlen und Fakten Wie digital ist die Wirtschaft? Zur Digitalisierung und ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft gibt es viele Studien. Für diese Doppelseite haben wir einige Zahlen und Fakten zusammengestellt. Immer mehr Deutsche kaufen mehrmals die Woche online ein. So shoppen fünf Prozent der Online-Käu- fer bereits täglich. 14 Prozent kaufen mehrmals pro Wo- Für den Markt der „smarten Textilien“ wird bis zum che online ein und 15 Prozent ein Mal pro Woche. Ge- Jahr 2030 ein Marktvolumen von 4,2 Milliarden samt gesehen shoppt also knapp jeder Fünfte mehrmals pro Euro vorhergesagt. Smarte Textilien zeichnen sich Woche im Internet. (Digitalverband Bitkom) dadurch aus, dass beispielsweise Elektronik ins Garn eingewebt ist oder dass das verarbeitete Ma- terial bestimmte physische Eigenschaften aufweist. Bei den Olympischen Winterspielen in Pyeong- chang waren deutsche Skiläufer mit Heizhosen aus Reutlingen/Denkendorf am Start. (Zen- trum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW) 52 Prozent der Kunden besuchen die Händlerweb- seite vor einem Autokauf. Mehr als jeder vierte Arzt (27 Prozent) geht davon aus, Durchschnittlich verbrin- dass menschliche Organe im Jahr 2030 per 3D- gen Kunden im Internet Druck hergestellt werden. Sieben Prozent erwarten, dass zehn Stunden mit der der Einsatz solcher Verfahren im deutschen Gesundheitswesen Recherche für einen Auto- dann alltäglich sein wird. (Digitalverband Bitkom) kauf. (Ernst & Young) Achtung, Datenschutz! Im Durchschnitt haben mehr als die Hälfte der Unternehmen in Deutschland (56 Pro- zent) weniger als eine Vollzeitstelle eingeplant, die sich hauptsächlich mit Datenschutz befasst. Ab dem 25. Mai 2018 tritt die neue EU-Datenschutzverordnung (DSGVO) in Kraft. Die veränderte Rechtslage gilt ausnahmslos für alle Unternehmen. (Digitalverband Bitkom) www.wirtschaft-neckar-alb.de
Titelthema | 21 Die große Mehrheit der deutschen Un- ternehmen lässt Start-ups links lie- gen. Rund zwei Drittel (65 Prozent) der Vorstände und Geschäftsführer von Unternehmen ab 20 Mitarbeiter geben an, dass sie mit Start-ups nicht zusammenar- beiten. 28 Prozent arbeiten mit ihnen Angebot und Nachfrage von digitaler auf andere Art zusammen, etwa bei Grün- Verwaltung, sogenanntem E-Govern- derwettbewerben. Lediglich 14 Prozent ment, befinden sich noch im An- entwickeln gemeinsam mit Start-ups neue fangsstadium. Es fehlen derzeit di- Produkte oder Dienstleistungen. (Digitalver- gitale Strategien – insbesondere bei den band Bitkom) Kommunen. Zudem besteht ein Man- gel an Koordination zwischen den Verwaltungsebenen. Deutschland belegt im europäischen Vergleich nur Zwei Drittel (63 Prozent) al- den elften Platz, was die Nutzung ler Nutzer der Sozialen des Internets für Behördengänge an- Netzwerke haben dort schon geht. (Digitalisierungsstrategie der Landes- einmal eine Kaufanregung regierung Baden-Württemberg) bekommen und deshalb ein Pro- dukt gekauft. Bei 45 Prozent der Befragten kamen die Kauf- anregungen aus dem Freundes- kreis, bei 41 Prozent von Un- ternehmen. Es folgen Influencer, Blogger und Youtuber (39 Pro- zent). 72 Prozent aller Be- fragten sind der Meinung, dass ein Social-Media-Auftritt für Händler heute einfach dazugehört. (Digital- verband Bitkom) Von der Landespolitik wünschen sich die baden-württembergischen Un- ternehmen mit 87 Prozent vor al- lem eine Förderung der Forschung zur IT-Sicherheit. 81 Prozent der Unternehmen erwarten, besser über IT-Sicherheitsthemen in- formiert zu werden. 78 Prozent würden Angebote und finanzielle Un- terstützung von Weiterbildungsmaß- nahmen begrüßen. (Monitoring-Reports Wirtschaft Digital Baden-Württemberg, ZEW) Für rund 45 Prozent der befragten Unternehmen sind die größten Hürden beim Einsatz von neuen Technologien die Anforderungen an den Datenschutz. Dahinter folgen technische Sicherheitsanforde- rungen (39 Prozent) und der Mangel an Fachkräften (33 Prozent). (Digitalverband Bitkom) Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
22 | Titelthema Breitbandinfrastruktur ligenzimmern selbst den Spaten in die Hand genommen, sagt Bürgermeister Fleckenlösungen Thomas Miller. Nachdem die Telekom 2014 kein Interesse an einem Breit- Es gibt viele sogenannte „weiße Flecken“, an denen das schnelle Inter- bandausbau signalisiert hatte, plante net nicht ankommt. Manche Kommune stemmt sich dagegen, mit Eigen- und finanzierte man selbst und mit initiative und Fördermitteln. Der Weg ist dennoch lang und mühselig. Ein Landeszuschuss ein Glasfasernetz, Besuch in Rosenfeld im Zollernalbkreis. fand aber keinen Netzbetreiber. Das Netz lag brach. Nachdem man sich mit Ausgerechnet Deutschland, heißt es Basisnetz, den Backbone hat der Land- der Gemeinde Haigerloch zusammen- immer wieder, ausgerechnet das Land kreis übernommen. Die Kommune tat, fand man schließlich mit der Pep- der Exportweltmeister, der Ingenieu- selbst hat die Aufgabe die Glasfaser- com-Gruppe im zweiten Anlauf einen re und Hidden Champions bekommt leitungen auf ihren Gemarkungen zu Betreiber, geriet aber dann mit der Te- kein schnelles Internet hin. Auch das legen und dafür einen Betreiber zu lekom aneinander, die nun doch aktiv Ziel für 2018, flächendeckend min- finden, dem man das Netz verpachtet. wurde und mit Vectoring-Lösungen destens 50 Megabit pro Sekunde zu Damit soll der Netzausbau refinan- ermöglichen, wird voraussichtlich ziert werden. Im Fall von Rosenfeld „Bei der Regulierung scheitern. Vor allem in der Provinz betragen die Gesamtkosten bisher 2,5 solcher Vorhaben, kriegt gibt es immer noch sogenannte „wei- Millionen Euro, als Betreiber hat man man einen Vogel.“ ße Flecken“. Auch die Stadt Rosenfeld die Pepcom-Gruppe aus Unterföhring Thomas Miller, im Zollernalbkreis galt lange als sol- verpflichtet. „Überall, wo die Pepcom Bürgermeister Rosenfeld cher. Beharrlich und den gegebenen versorgt, sind 50 Mbit/s innerorts kein Umständen entsprechend – so lässt Problem mehr“, sagt Bürgermeister (Aufrüstung klassischer Kupferkabel sich das Engagement von Rosenfeld in Thomas Miller. per Software) die durchgeförderten Sachen Breitbandausbau beschreiben. Maßnahmen der Kommune zu torpe- Das Ziel der Bundesregierung hat man Steiniger Weg dieren drohte. Die Bundesnetzagentur inzwischen in weiten Teilen erreicht. Das war freilich nicht immer so. 2008, musste einschreiten. Inzwischen ist Dennoch bleibt noch einiges zu tun. als die Gemeinde eigenverantwortlich die Pepcom städtischer Netzbetreiber, in den Breitbandausbau einstieg, gab bis auf den Ortsteil Täbingen. Derzeit Die Stadt verfolgt das klassische Be- es noch keine Förderung vom Land laufen die Vorbereitungen für die Aus- treibermodell: Die Planung für das oder Bund. Die Bürger hätten bei Hei- schreibung der Glasfaseranbindungen www.wirtschaft-neckar-alb.de
Titelthema | 23 der Bildungseinrichtungen und den bisherigen Anbieter, die Telekom, eine Der Hersteller von feinmechanischen FTTB-Ausbau (Glasfaser ans Gebäu- symmetrische Leitung zu installieren, Metallteilen für die Medizintechnik, de) im Rosenfelder Gewerbegebiet was einer störungsfreien Standleitung Maschinenbau und Luft- und Raum- Dornbrunnen. Im diesjährigen Haus- gleichkommt. Der Dreijahresvertrag fahrttechnik ist auf große Internet- halt sind dafür 1,8 Millionen Euro mit 50 Mbit/s im upload-/download leistung angewiesen, muss hochauf- eingeplant, das Land bezuschusst die läuft demnächst ab, man möchte auf lösende Zeichnungen und diffizile Masterplanung mit 90 Prozent. Der 100 Mbit/s aufstocken. Vom Standort Daten verarbeiten und verwalten. Baubeginn ist, Bürgermeister Thomas ist man nach wie vor mehr als über- Was den städtischen Provider betrifft, Miller zufolge, allerdings offen. Der zeugt: Das zentrale Rechenzentrum ist man verhalten optimistisch. „Wir Grund: Wegen der guten Konjunktur des Unternehmens, auf das alle inter- brauchen Versorgungssicherheit und sind die Tiefbaukapazitäten nahezu nationalen Standorte zugreifen, liegt einen Provider, der verlässlich ist. ausgereizt und Bauunternehmen nur in Rosenfeld. „In den USA und Chi- Ich möchte nur ungern Versuchs- schwer zu kriegen. Man kalkuliere da- na braucht man hier eine verlässli- kaninchen sein“. Die Firma Helixor her größere Ausschreibungszeiträume che Performance“, so Sülzle. Letztlich Heilmittel hatte hiermit weniger Ge- ein und hofft, diesen Sommer mit dem profitiert man aber auch inzwischen wissensbisse. Profitiert hat man vor Spatenstich loslegen zu können. „Bei davon, dass die Kommune mit ihrem allem als erster Geschäftskunde des der Regulierung solcher Vorhaben Netzbetreiber so aktiv ist. Der Wett- städtischen Betreibers Pepcom, nach- kriegt man einen Vogel“, sagt Miller. bewerb hat sich erhöht, die Preise sind dem mit der erfolgreichen Koopera- tion von Haigerloch und Rosenfeld, Kommune und der Markt „Der Breitbandausbau schnelles Internet in den betreffenden Die Frage, wer den Anschluss an die der Kommune kommt Ortsteilen möglich wurde. Zuvor hat- digitale Welt sicherstellt, hat die Bun- eigentlich zu spät.“ te man 8,5 Mbit/s im upload-/down- despolitik an die Kommunen und den load und war zu kostenintensivem Martin Sülzle, Markt weitergereicht. Viele meinen, es Blickle Räder + Rollen Outsourcing gezwungen. Nun hat sei Aufgabe des Bundes ein schnelles man 100 Mbit/s und spart Geld. „Die Internet für alle zu gewährleisten. Doch Umsetzung war problemlos, die Opti- der ehemalige staatliche Netzbetreiber, gefallen. Blickle plant über die Pepcom mierung der Arbeitsprozesse weitrei- die Telekom, handelt eigenwirtschaft- einen Backup zu buchen, also sogar chend“, sagt Geschäftsführer Raffaele lich. Wo es sich nicht rechnet, passiert mit zwei Providern zu fahren. Constantini. freilich auch nichts. Den Ländern und Kommunen werden daher diverse För- Auch der Feinmechanikproduzent Ausbaufähig bleiben dermittel zur Verfügung gestellt, doch Beutter Präzisionskomponenten spielt In Rosenfeld, so viel kann man fest- die Prozesse sind langwierig. Von der mit diesem Gedanken, auf zwei Pro- halten, ist auf jeden Fall Bewegung Markterkundung, der Planung, den vider – Pepcom und Telekom – zu drin. Die Erfolge sind spürbar, doch Förderanträgen, dem Bau und Aus- setzen. Allerdings sieht es, auf der das zähe Ringen ums Netz hat man- schreibung bis zum letztendlichen An- von Blickle aus betrachteten anderen chen Unternehmer und kommunalen schluss können ein paar Jahre vergehen. Ortsseite, mit schnellem Internet ver- Akteur auch ermüdet. Die Struktur ist gleichsweise mau aus. „Wir erreichen weiterhin ausbaufähig und muss das Manchen Betroffenen dauert das oft nur 10 Mbit/s im Download und 1 eigentlich auch bleiben: Der Standard schon mal zu lang: „Wir wollen nichts Mbit/s im Upload – da können Sie ei- von 50 Mbit/s wird in ein paar Jahren schönreden: Für uns kommt der Breit- gentlich einpacken und nachhause ge- auch wieder veraltet sein. Die Mittel bandausbau der Kommune eigentlich hen“, sagt Geschäftsführer Wolf-Dieter dazu wären vorhanden: Mit bis zu 12 zu spät“, meint Martin Sülzle, Leiter Kiessling. Bisher hat man nur mit der Milliarden Euro will die neue Bun- Einkauf bei Blickle Räder + Rollen. Telekom einen Vertrag. Auf Anfragen desregierung den Breitbandausbau Vor drei Jahren hat sich das Unterneh- für schnellere Internet-Leitungen habe in Deutschland vorantreiben. Ob die men selbst um einen FTTB-Glasfa- der Netzbetreiber aber bisher nicht re- Wege für Kommunen wie Rosenfeld seranschluss gekümmert. Man nahm agiert. Das Angebot einer Vectoring- dadurch schneller gangbar werden, Geld in die Hand, beauftragte den Lösung lehnte Beutter ab. bleibt abzuwarten. Nach wie vor. Wirtschaft Neckar-Alb | März 2018
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