Das Band - Bundesverband für Körper- und ...
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Das Band www.bvkm.de 3/2017 Zeitschrift des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. Neues Projekt 2 Tandemqualifikation für WErkstatträte Rückblick 36 Planänderung Jahres- und Finanzbericht 2016 Wissenswert 40 Ein Kind mit Behinderung Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) wird geboren
» i n h a lt Auftakt 3 |17 Liebe Leserin und lieber Leser, Meldungen Forum 10 2 bvkm-Panorama 36 jahres- und Finanzbericht Glück kann man teilen – Sorgen auch! des bvkm 2016 4 bvkm-Pinnwand Dieses Prinzip ist kennzeichnend für den Ver- band, Leitbild und Verpflichtung zugleich. Thema Ratgeber Der Bundesverband und seine regionalen Organisationen sind aus Elterninitiativen ent- 6 Leben mit einem behinderten Kind 39 Termine und kontakte standen. Eltern, die die Hilflosigkeit und das christa Büker Erschrecken kennen, wenn ein Kind mit Be- 40 Recht & Praxis hinderung geboren oder die Diagnose offen- Und das wollen wir als Elternverband erst 10 einen normalen Alltag Katja KRuse / Sebastian Tenbergen / bar wird. Die wissen, wie die vielen Gedan- recht nicht aus dem Blick lassen: mit unseren gibt es nicht Hülya turhan ken über Therapien, für das Geschwisterkind, Kindern mit Behinderung und den Heraus- sandra bachmann das nun auch anders aufwachsen wird, für forderungen ändern wir uns, erleben uns 24 13 „Was hat denn die Omma gesagt?“ thomas becher / die Bewältigung des Alltags und auch die Verabschiedung von der eigenen ursprüng- lichen Lebensplanung Kraft, Nerven und und andere anders, tragen umfangreiche- re Verantwortung, spüren Vereinsamung, aber auch Unterstützung und Anerkennung. Stephanie Wilken-Dapper Emotionen erfordern. Wir haben uns zusam- Die Bewältigung der enormen Herausfor- mengetan – klassische Selbsthilfe – und tau- derungen verwandelt uns, lässt das bisher 18 „Was kann ich für Sie tun?“ schen Informationen und Erfahrungen aus, Wichtige in anderem Licht erscheinen, ver- Karin Schwartzenberger / erhalten praktische Hilfen bei den bürokra- rückt Maßstäbe und macht zufrieden. Stephanie Wilken-Dapper tischen Aufwendungen, bewältigen die vie- Nicht zu spät müssen wir für uns wissen, len emotionalen Tiefen, die Trauer und das wie wir im Alltag ankommen, wie wir die 23 austausch mit anderen Eltern Alleingelassen werden, erleben Zusammen- Lebensplanung aktiv fortsetzen und mit ist die wichtigste halt genauso wie Momente der Zuversicht unserem vielleicht veränderten menschli- informationsquelle und des Glücks. chen Umfeld glücklich werden können. Oft astrid richter Selbsthilfe ist ein ständiges Geben und Neh- entstehen dann auch Initiativen und Neues, men, und wenn wir nicht nur das Glück, damit unsere Kinder, wenn sie erwachsen 24 wir haben uns in vielen bereichen sondern auch die Sorgen dann miteinander werden und wir nicht mehr für sie sorgen „locker gemacht“ teilen, geschieht etwas: wir sehen die Mög- können, möglichst selbstbestimmt und gut beret giering 30 lichkeiten des Glücks mit unseren Kindern betreut leben können. und der besonderen Situation. Wir können Um all das geht es in dieser Ausgabe unserer 28 Informieren, informieren, Gemeinsamkeit und Solidarität erleben, Ver- DAS BAND auf www.bvkm.de Verbandszeitschrift DAS BAND. informieren trauen wecken und daraus Kraft gewinnen. DAS BAND finden Sie als digitale Version Lesen Sie und Sie finden vielleicht den Ge- marlene Fischer/ Am Anfang stehen vielleicht erst nur Ge- unter www.bvkm.de (Unsere Magazine). danken und die Unterstützung, die Ihnen Stephanie Wilken-Dapper fühle und Vermutungen, dann folgt die Sie können dort ein interaktives PDF hilft und die Sie brauchen. Ich wünsche es Diagnose und plötzlich ist alles anders. Wir Ihnen. 30 fachstelle für „Väter von Kindern herunterladen und allen MitarbeiterInnen müssen aber nicht nur damit fertig werden, mit Behinderung“ und Interessierten zeitnah zugänglich ma- sondern geraten in einen bürokratischen Daniel Wilms chen. Einzelne Fachbeiträge können ausge- Dschungel, in mitunter schwierige Ausei- druckt und für die tägliche Beratungsarbeit 33 wie man eine Selbsthilfegruppe nandersetzungen mit Einrichtungen und genutzt werden. Verlinken Sie uns! gründet der Kranken- oder Pflegkasse. Und dann müssen Entscheidungen getroffen werden Helga Kiel helga Mesmer Materiallisten aus alten Ausgaben gesucht? 1. Vorsitzende des bvkm für Therapien, Hilfsmittel und medizinische Als Download zu finden auf www.bvkm.de 34 MATERIAL ZUM THEMA Maßnahmen, wobei wir auch mit Fehldia- (Unsere Zeitschriften) gnosen, unprofessionellem Umgehen, nicht Möchten Sie den bvkm-Newsletter nachvollziehbaren Verordnungen und den „kurz & knapp“ abonnieren? Ratschlägen aus Familie und Nachbarschaft Auf unserer Website unter umgehen müssen. www.bvkm.de/newsletter/ Das Band Ausgabe 3/17 1
BVKM »panor ama Nicht verpassen: Nicht verpassen: 8. November 2017/Hannover 16. November 2017/Berlin Hilfreiche Broschüre trächtigung in Projekte in Afrika, gebote informieren. Das „Update“ leiten zu können. Es werden Asien und Lateinamerika, die im Bereich Inklusion und Barriere- die körperlichen, psychischen Der „Paritätische NRW“ hat mit Menschen mit Beeinträch- freiheit umfasst auch die Ausstel- und sozialen Bedürfnisse von Projekttag – „Leben im Sozialraum“. „Ergänzende unabhängige Teilhabe eine hochinformative Broschüre zum Thema Vorstandswechsel tigung/ Behinderung arbeiten. http://www.bezev.de/media/ lungen: z. B. sorgen im runderneu- erten Themenraum „Leben und Sterbenden herausgestellt. Auch wird der Sterbende aus medizi- Freizeit, Kultur, Begegnung, Mobilität & Sport beratung für Menschen mit Behinde im Verein herausgegeben. Die flyer_weltwaerts_2017-koop.pdf Sterben“ der Dauerausstellung nischer Sicht beschrieben. Neben rung und ihre Angehörigen“ Broschüre „Übergabe. Wie der Tastobjekte, Audiodeskriptionen der Versorgung des Verstorbenen Vorstandswechsel im Verein und Videos in Deutscher Gebär- geht es auch um das Abschied- Eine Kooperationsveranstal- verbände aktiv mitgestalten und gelingt.“ Steht zum kosten- Guide in Deutscher densprache für ein Museumserleb- nehmen, die Bestattung und tung des Bundesverbandes für einfordern. Neben Fachbeiträgen losen Download bereit. https:// Gebärdensprache nis für alle Sinne. www.dhmd.de die Trauerarbeit. Die Broschüre körper- und mehrfachbehinderte zur Förderung der EUTB von www.paritaet-nrw.org/filead- kann heruntergeladen werden. Menschen e.V. (bvkm) und des zuständigen Entscheider*innen min/user_upload/KG_Down- Seit Mai bietet das Deutsche http://www.lebenshilfe-aa- Bundesverbandes Selbsthilfe auf Bundes- und Landesebene, loads/05_Rat_und_Tat/Rat_ Hygiene-Museum einen Guide Ausschreibung chen.de/uploads/sbs_dl_list/ Körperbehinderter e.V. (BSK). werden die Teilnehmenden Ge- und_Tat_Veroeffentlichungen/ in Deutscher Gebärdensprache Förderpreis Leben pur 2018 Leitfaden_Broschuere.pdf legenheit haben, sich in Dialog- Uebergabe-Vorstandswechsel.pdf an, der online als kostenfreie Die Neuausrichtung der Leis- foren zu einzelnen wesentlichen App heruntergeladen werden Die Stiftung Leben pur schreibt Foto: Collage // bvkm tungen der Eingliederungshilfe Kriterien der Förderung ausein- kann. Darüber hinaus können zum 13. Mal in Folge den Förder- SeeleFon nun auch für auf personenzentrierte Leis- anderzusetzen sowie Leitfragen weltwärts alle inklusive sich Besucher der neu gestalteten preis Leben pur aus. Für das Jahr Flüchtlinge tungen hin eröffnet Menschen für die Fragestunde am Nach- Website www.dhmd.de auf 2018 lautet das Thema: „Teilhabe mit Behinderung eine Vielzahl mittag zu entwickeln. Wir laden Behinderung und Entwicklungs- speziellen Unterseiten nun auch in und Teilgabe von Menschen mit Der Bundesverband der Ange- von Entscheidungsoptionen, die Sie herzlich ein, sich mit Ihren zusammenarbeit e.V. entsendet Deutscher Gebärdensprache und Komplexer Behinderung“. Einge- hörigen psychisch erkrankter wahrgenommen und umgesetzt Erfahrungen und Fragen bei der Freiwillige mit oder ohne Beein- in Leichter Sprache über die An- reicht werden können Studien-, Menschen (BApK) e.V. ist mit Der Sozialraum: Das Wohnviertel, der Stadtteil, die Gemeinde. werden müssen. Ab dem 1. Entwicklung unter anderem von Abschluss- oder Dissertations- seinem „SeeleFon“ für Flücht- Hier findet das Leben statt, hier soll Inklusion verwirklicht wer- Januar 2018 sollen aus Bundes- Qualitätsstandards und Bera- arbeiten sowie Arbeiten bzw. linge am Netz. Gemeinsam mit den, Begegnung stattfinden, alle Bürgerinnen und Bürger sollen „Tandemqualifikation zur Durchführung von Projekte oder Konzepte aus der dem BKK-Dachverband bietet gleichberechtigt agieren können, wie sie es wünschen. Die Art mitteln neue Beratungsstellen tungsinhalten einzubringen und gefördert und etabliert werden. zur Professionalisierung dieser Bildungsmaßnahmen für Werkstatträte“ Praxis mit hoher Relevanz für der BApK das niedrigschwellige und Weise, wie Menschen zusammenleben, prägt den Sozial- Diese Ergänzende unabhängige Ergänzenden unabhängigen den Alltag von Menschen mit und zeitgemäße Beratungstele- raum. Damit Inklusion gelingt, braucht es an vielen Orten Anstö- Der bvkm hat ein neues Projekt qualifiziert werden, in ihrer Teilhabeberatung (EUTB) ist mit Beratung beizutragen. Zielgrup- schwersten Behinderungen, die fon an, mit dem sich Menschen ße, Ressourcen, Unterstützung, Vernetzung und Engagement. Es gestartet: Mit der „Tandem- Eigenschaft als „Experten/ dem Bundesteilhabegesetz in pen sind haupt- und ehrenamt- sich mit diesem oder einem an- mit Fluchterfahrungen und geht darum, ein Netz zu schaffen, das Anbieter, Dienstleister, qualifikation zur Durchführung Expertinnen in eigener Sa- das SGB IX in § 32 implementiert liche Beraterinnen und Berater grenzenden Thema beschäftigen. anderem Migrationshintergrund reguläre Angebote für alle BürgerInnen und ggf. auch familiäre von Bildungsmaßnahmen für che“ als Ko-Referenten bzw. worden. Wir glauben, dass wir für Menschen mit Behinderung Einsendeschluss: 30. November Hilfe holen können, wenn sie oder ehrenamtliche Unterstützung miteinander verbindet. Werkstatträte“ soll auch zu Ko-Referentinnen bei den als Fach- und Selbsthilfeorga- und Familien mit behinderten 2017. Der Förderpreis Leben ihre seelische Balance verloren künftig der Bedarf an fachlich Fortbildungen mitzuwirken. nisation behinderter Menschen Angehörigen sowie die interes- pur 2018 ist mit 5.000 € dotiert. haben. Präsenzzeiten des See- Auf dem Projekttag werden Konzepte und Ideen vorgestellt, die qualifizierten und unab- und Eltern behinderter Kinder sierte Fachöffentlichkeit aus den Der Preisträger wird von einer leFon für Flüchtlinge: montags, Begegnung im Sozialraum fördern, die Menschen mit Behinde- hängigen Fortbildungen für Ziel ist es, dass Fortbildungen und mit den Erfahrungen der Verbänden und der Verwaltung. interdisziplinär zusammengesetz- dienstags, mittwochs von 10 bis rung an regulären Angeboten teilhaben lassen, die ihnen eine Werkstatträte gedeckt werden. für Werkstatträte zukünftig letzten Jahre einen qualifizierten ten Jury der Stiftung Leben pur 12 Uhr sowie von 14 bis 15 Uhr. Mitgestaltung ihrer Umgebung ermöglichen. Sechs Praxisbei- Die Ausbildung besteht aus: gemeinsam von Fachreferenten fachlichen Beitrag zur Diskussi- Die allgemeine Teilnahmegebühr ausgewählt. Weitere Informati- Erreichbar ist es unter der Tele- spiele aus den Reihen des bvkm zeigen, wie Anstöße für eine und Ko-Referenten durchge- on der unabhängigen Beratung incl. Verpflegung beträgt 30,00 onen, z. B. über Zielgruppe und fonnummer 0228/71002425. Öffnung und Nutzung des Sozialraums aussehen können. Sie Ausbildung zum Refe- führt werden. Der bvkm führt leisten können. Auf dieser Fach- Euro. Die Teilnahmegebühr für Ausschreibungskriterien, finden https://www.bapk.de/aktu- sind Ausgangspunkt für den Praxisaustausch dazu, wie diese An- renten/zur Referentin für seit 1996 mit großem Erfolg veranstaltung möchten wir die ehrenamtliche Peer-Berater*innen sich unter: www.stiftung-leben- elles/artikel-presseberichte/ sätze in die eigene Arbeit übertragen werden können. Auch Fi- Werkstatträtefortbildungen Fortbildungen für Werkstatträte Akteure auf Bundes, Landes und beträgt 10,00 Euro. Reisekosten pur.de/navigation-links/wissens- fluechtlingstelefon.html nanzierungswege für Projekte werden vorgestellt. Geplant ist die systematische und ihre Vertrauenspersonen Betroffenenebene zusammenfüh- werden nicht übernommen. austausch/foerderpreis.html. Ausbildung von Referenten und durch. Die Bildungsangebote ren, unterschiedliche Sichtweisen Der Tagungsort ist barrierefrei. www.stiftung-leben-pur.de Anmeldung und Programm unter: Referentinnen für die selbststän- zeichnen sich durch zu den Förderkriterien wie z.B. Förderfinder-App online www.bvkm.de/ueber-uns/veranstaltungen/ dige Leitung von Fortbildungen Einrichtungsunabhängigkeit, Peer-Beratung, niedrigschwellige Kontakt: Hülya Turhan, für Werkstatträte. Angesprochen Parteilichkeit für die Interessen unabhängige und sozialraumori- Tel. 0211-64 00 4-22, Leitfaden zum Umgang mit REHADAT hat die erste App zur Kontakt: Anne Willeke, Tel. 0211-64 00 4-21, werden dabei insbesondere der Werkstattbeschäftigten und entierte Beratung diskutieren und E-Mail: huelya.turhan@bvkm.de Sterben, Tod und Trauer in Suche nach Fördermöglichkeiten E-Mail: anne.willeke@bvkm.de, www.bvkm.de Absolventinnen und Absol- einen hohen Praxisbezug aus. die Beteiligung der Interessens- www.bvkm.de Wohnangeboten für die berufliche Teilhabe von venten von Fachrichtungen wie (schwer)behinderten Men- Rehabilitationswissenschaften, Das Projekt läuft bis Juni 2019. Zunehmend müssen sich Wohn- schen in Deutschland veröf- Erziehungswissenschaften, Interessierte können sich angebote (stationär & ambulant) fentlicht. Arbeitgeber, Berater nützliche Links zu Ansprechpart- Immer wissen, was läuft! Abon- Pädagogik, Sozialpädagogik melden bei: bvkm, Reinhard mit dem Thema Tod, Sterbebe- und Betroffene können nach nern oder direkt zum jeweiligen nieren Sie den wöchentlichen und Psychologie aus Uni- Jankuhn (Projektleitung) gleitung und Trauerbewältigung bundesweiter Regelförderung Programm. Ein umfangreiches bvkm-Newsletter „kurz & knapp“ versitäten, Fachhochschu- Tel. 0211-64 00 4-13 // E-Mail: auseinandersetzen. Aus diesem oder nach Sonderförderprogram- Lexikon der beruflichen Teilhabe mit aktuellen Meldungen, An- len und Hochschulen. reinhard.jankuhn@bvkm.de Foto: gesellschaftsbilder.de / Andi Weiland Grund hat die Lebenshilfe Aachen men der Länder suchen – bis ergänzt die barrierefreie App. kündigungen und Terminen. einen Leitfaden als Hilfestellung jetzt sind über 50 verschiedene Die kostenlose Förderfinder- Auf unserer Website unter Ausbildung von Werkstat- Gefördert wird das Projekt aus für die Mitarbeitenden und als Fördermöglichkeiten vorhan- App ist in den App-Stores der www.bvkm.de/newsletter träten zum Ko-Referenten/ Mitteln der Aktion Mensch. Ergänzung zum Konzept „Pallia- den. Der Nutzer kann die Suche jeweiligen Anbieter erhältlich. zur Ko-Referentin Weitere Informationen zu tive Care“ verfasst. Er stellt den individuell gestalten und erfährt Kontakt für Rückfragen: Andrea Parallel dazu sollen Menschen den Ausbildungsmodali- wesentlichen Handlungsablauf in der Detailansicht mehr über Kurtenacker, Tel. 0221 4981- mit Behinderung, die in einem täten unter www.bvkm.de und Informationen zusammen, Zielgruppe, genaue Inhalte, 848, kurtenacker@iwkoeln.de Werkstattrat tätig sind, dazu um in Ruhe alle notwendigen Laufzeit und Umfang der För- Schritte beim Sterbefall ein- derung. Außerdem bekommt er 2 Das Band Ausgabe 3/17 3
BVKM » p i n n wa n d Duisburg Hier könnte auch eine Meldung über Ihren Verein stehen. Schreiben Sie uns unter Eisenach Sommerfest in Eisenach Esslingen Rückenwind übergibt Sche ck Urban Gardening – Kunterbuntgruppe verschönert das Quartier E-Mail: dasband@bvkm.de Zur Scheckübergabe auf der Bau stelle trafen sich Vertreterinnen Rückenwind mit einem Team der des Vereins Im Rahmen des jährlichen Um- Gruppe des VKM Duisburg Familienherberge in Illingen-Sch Euro sind der Erlös der letzten ützingen. Stolze 6000 welttages der Stadt Duisburg mit e.V. aktiv mit eingebracht. Im Weihnachtspackaktion die im stattfand. Das Geld wurde nun DAS ES! Esslingen dem Thema „Urban Gardening“ Quartier am Michaelsplatz im an das Projekt Familienherberge Mitglieder von Rückenwind pfle übergeben. Die meisten hat sich die Kunterbunt-Kinder- Stadtteil Wanheimerort hat sich gen seit vielen Jahren ihr eigenes ist eine extrem fordernde Sorg behindertes Kind. Dies die inklusive Samstagsgruppe ver- earbeit, die alle Lebensbereiche Freizeitmöglichkeiten und Urla eine r Familie betrifft. abredet. Mit Blümchen, Erde und ubsziele sind meist nicht auf Men Esslingen Pflegebedarf haben, eingestellt. schen, die einen hohen Schaufeln bewaffnet wurden die Eltern und Geschwisterkinder eine Auszeit genießen können werden dort zukünftig Baumscheiben vor der Michaels- , während das besondere Kind Inklusives Rolli-Basketball-Turnier professionell gepflegt und gefö rdert wird. Rückenwindfamilien im selben Haus kirche bepflanzt. Die besonderen dieses Urlaubsdomizil jetzt im sind überglücklich, dass Hingucker sind bepflanzte Gummi- Ländle entsteht. Schon zum zweiten Mal veranstaltete der Basketballverein www.familienherberge-lebensw stiefel, die schonend an die alten eg.de Hellas Esslingen zusammen mit dem Verein für Körperbehinderte Bäume angebracht wurden. Die Esslingen (VfK) ein Rollstuhlbasketball-Turnier unter dem Motto Mitte Juli fand das diesjährige Sommerfest statt. Von 14 bis 17 Uhr Aktion stieß auf großes Interesse „Gemeinsam unbehindert“. Unterstützt von einigen Profi-Spielern waren die Türen des Vereinssitzes in der Rudolf-Breitscheid-Straße 7a bei Anwohnern und Nachbarn. des RSKV Tübingen, zeigte der ehemalige Bundesligacoach für Mitarbeiter, Mitglieder und Gäste aller Art geöffnet. Zahlreiche www.vkm-duisburg.de Michael Haidle den Kindern und Jugendlichen Grundlagen Menschen fanden an jenem Tag den Weg zum Verein, darunter auch des Rollstuhlbasketballs. Bei dem Turnier ging es nicht nur der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow, der während des um den Wettbewerb sondern auch um Inklusion. Kinder und Nachmittags eine bewegende Rede hielt. Ebenso wurde der Landrat des Jugendliche mit und ohne Behinderung sollten durch den Sport Wartburgkreises Reinhard Krebs freundlich als Gast empfangen und be- zusammengebracht werden. Für die Verantwortlichen war das grüßt. Eis, Hüpfburg und viele andere Aktionen sorgten bei den kleinen Weitere Informationen Rollstuhlbasketball-Turnier ein voller Erfolg: Sie freuten sich über Gästen für viel Spaß. Um dem Fest eine lockere Atmosphäre zu verlei- unter www.bvkm.de die gestiegene Besucherzahl und das rege Interesse der Aktiven. hen, kreierte Komiker Martin Fromme mit einem vorgetragenen Auszug www.vfk-es.de aus seinem Programm „Besser Arm ab als arm dran“ lustige Momente. www.vdb-wartburgkreis.de Ludweiler Kyu-Prüfung in Päd-Ka „Päd-Ka“ (Pä- Meerbusch Seit zweieinhalb Jahren bietet der TV Ludweiler e) für Mens chen mit Behin derun g an. Zweimal Königsbrunn dagogisches Karat oder körpe rlicher Ferien vor Ort wöchentlich können Menschen mit geistiger oder Mehrfachbehinderung für eine Stund e trainie ren. Auch Preis für Fritz-Felsenstein-Haus Training wird geleitet In den Ferien freiwillig zur Schule gehen? Für jeweils 15 Schüler der Rollstuhlfahrer sind herzlich willkommen. Das n Gottf ried Graeb ner (7. DAN). Ziele Das Fritz-Felsenstein-Haus in Königsbrunn ist mit Mosaikschule in Grevenbroich und der Sebastianus-Schule in Kaarst Velbert von dem Arbeitspäd agoge a. die Steige rung der Leistu ngsfähigkeit dem BGW Gesundheitspreis 2017 ausgezeichnet war das gar keine Frage. Hier wurde ihnen in den ersten drei Sommer- des Traini ngs sind in u. und die Schaffung eines Ausgleichs bei Bewe gungs mangel. Wie worden. Die Berufsgenossenschaft für Gesund- ferienwochen ein abwechslungsreiches Programm in ihrer gewohnten Ferienspiele in Velbert a der Gesun dheits vorso rge, der heitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) würdigte Umgebung geboten. Jede Woche bekam ein anderes Motto: In der jeder Sport, dient auch Päd-K etenz und gesell schaft lich benac hteiligter mit dem Preis vorbildliches Engagement für die ersten Ferienwoche standen unter dem Motto „Cowboy und India- Der Verein Pro Mobil hat zum dritten Mal in Folge in Kooperation mit der Schule am Förderung sozialer Komp n in diesem ner“ das Basteln von Kopfbedeckungen und Traumfängern, Ausflüge Gruppen. Koordination und Konzentration stehe Gesundheit und Sicherheit im Betrieb. Das Fritz- Thekbusch das Ferienprogramm angeboten. Drei Wochen dauerte der Spaß, die meisten und Selbstver- mit Planwagen und in den Tannenbusch und eine Schnitzeljagd auf Training an erster Stelle, aber auch Stressabbau Felsenstein-Haus ist in Königsbrunn im Landkreis Kinder waren zum wiederholten Male dabei. Der Verein Pro Mobil hat gemeinsam mit chläss igt. Im Juni 2017 konnten Augsburg angesiedelt. 280 Kinder und Jugendliche dem Programm. In der zweiten Woche ging es um „Wasser, Luft und einem Team von neun Betreuerinnen und Betreuern den Ferienspaß für Förderschüler teidigung werden nicht verna a-Trai nings erfolg reich die Prüfu ng sowie 70 Erwachsene mit Körper- und Mehrfach- Elemente“. Neben den Ausflügen nach Toverland und Bobolandia wurde organisiert. Das Motto: Sommer, Sonne, Ferienspaß. Und Regen? Kein Problem. Eine fünf Mitglieder des Päd-K en. Die Gürte l wurde n vom Vizepräsi- behinderung werden hier beim Lernen, Leben, auch modelliert und gemalt. Die dritte Woche war „kunterbunt“. Das Hüpfburg in der Turnhalle, Bastelangebote und andere spannende Dinge sorgten dafür, zum gelbe n Gürte l ableg e.V.) überreicht. Angebot des Vereins für Behinderte e. V. Meerbusch, der das Programm denten des SKV (Saarländischer Karateverband Wohnen und Arbeiten begleitet. Dafür sind rund dass es den Kinder und Jugendlichen im Ferienspaß von Pro Mobi nicht langweilig wurde. TV Ludw eiler, 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz. mit finanzieller Unterstützung des Rhein-Kreises Neuss und der Sparkasse www.pmobil.de Kontakt: Susanne Schwarz, www.felsenstein.org Neuss, sowie aus Mitteln der Sparkassenstiftung im Rhein Kreis Neuss Abt. Karate, 0160/96 86 93 26, organisiert, ermöglicht es damit auch Kindern mit Behinderung, eine www.tvl-karate.de sorglose, abwechslungsreiche und spannende Ferienzeit zu erleben. www.vfb-meerbusch.de 4 Das Band Ausgabe 3/17 5
THEMA ■ EINFACHE SPRACHE Leben mit einem Christa Büker ist eine Expertin. Sie hat eine Um-Frage mit Müttern gemacht. Diese Mütter haben ein behindertes Kind. Frau Büker wollte wissen, wie die Mütter mit der behinderten Kind Behinderung ihres Kindes zurecht kommen. Frau Büker hat herausgefunden, dass Mütter mit einem behinderten Kind nach der Geburt verschiedene Abschnitte erleben. Im ersten Abschnitt sind die Mütter sehr traurig, weil das Bewältigungshandeln pflegender Mütter Kind eine Behinderung hat. Sie wissen oft nicht, wie es Christa Büker weitergehen soll. Im zweiten Abschnitt danach geht es den Müttern dann schon etwas besser. Im dritten Ab- schnitt sammeln sie sehr viele Informationen über die Behinderung des Kindes. Im vierten Abschnitt haben die Die Geburt eines behinderten Kindes ist ein Einschnitt, der Mütter schon ganz viel Erfahrung mit der Behinderung. Sie haben jetzt keine Angst mehr. Im fünften Abschnitt das Leben der betroffenen Familien nachhaltig verändert. werden Müttern dann zu Expertinnen. Sie wissen fast al- Wie lernen die Mütter, mit dieser neuen Situation umzuge- les über die Behinderung und schließen sich oft mit ande- Fotos: Michael Bause hen? Und wie bewältigen sie im Laufe der Zeit die neuen ren Eltern zusammen. Frau Büker sagt aber auch, dass es Herausforderungen? Eine qualitative Studie bietet einen sehr wichtig ist, die Mütter zu unterstützen. ■ Einblick in das Bewältigungshandeln pflegender Mütter. Die Fotos von Michael Bause auf den Seiten 6-22 sind illustrierend. Sie zeigen Kinder und MitarbeiterInnen des Integrativen Montessori Kindergarten/Familienzen- trums des Vereins „Menschen im Zentrum e. V.“ in Mönchengladbach. www.das-z-mg.de U nter den 6,9 Millionen Menschen mit Behin- trachtungsweise. Es konnte aufgezeigt werden, dass es da dieses Konzept die Handlungsdimensionen von Be- sich auf die Bewältigung der behinderungsbedingten derungen in Deutschland gelten etwa 160 000 vielen Familien durchaus gelingt, ihr Leben mit einem wältigung in den Blick nimmt und temporale Aspekte be- Herausforderungen. Dabei wird deutlich, dass das Be- Kinder und Jugendliche als schwerbehindert behinderten Kind trotz der enormen Herausforde- rücksichtigt. In Anbetracht der Zielsetzung der Untersu- wältigungshandeln pflegender Mütter sich als ein Pro- (Statistisches Bundesamt 2009). Kinder mit rungen zu bewältigen. In Folge richtete sich der Fokus chung erschien es notwendig, die Sicht der Betroffenen zess charakterisieren lässt, in dem verschiedene Phasen Behinderungen stellen demnach eine zahlenmäßig eher wissenschaftlicher Untersuchungen vermehrt auf das in den Mittelpunkt zu stellen, da sie die Einzigen sind, die identifiziert werden können. Im Verlauf dieses Prozesses kleine Bevölkerungsgruppe dar. Dennoch handelt es sich Bewältigungsgeschehen, allerdings in erster Linie auf in umfassender Weise über ihre Lebenssituation und ih- vollziehen die Mütter eine beeindruckende Entwicklung: um eine besonders vulnerable Gruppe, die vielfältigen psychische Aspekte von Bewältigung. ren Alltag Auskunft geben können. Der Forschungsarbeit aus anfänglich tiefer Verzweiflung und Hilflosigkeit hin gesundheitlichen Risiken ausgesetzt ist und oftmals ei- wurde daher ein qualitatives Forschungsdesign zugrunde zu einer zunächst angepassten, später lernenden und ner besonderen Versorgung bedarf. Viele der Kinder sind Dem Bewältigungsgeschehen auf der Handlungsebene, gelegt. Mit insgesamt 27 Müttern schwerstbehinderter schließlich Spezialistenstatus einnehmenden Persön- lebenslang auf umfangreiche medizinische, rehabilitativealso dem Umgang mit Krankheit und Behinderung im Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und 17 Jahren, lichkeit. Zu den zentralen Erkenntnissen der Untersu- und präventive Maßnahmen, pflegerische Unterstützung Alltag der Familien, wurde eher wenig Beachtung ge- die zugleich auch als pflegebedürftig anerkannt waren, chung gehört die Herausarbeitung einer Verlaufskurve sowie Hilfe bei Alltagsaktivitäten angewiesen. schenkt. Die Bearbeitung dieser Lücke war das Ziel einer konnten leitfadengestützte Interviews durchgeführt wer- des mütterlichen Bewältigungshandelns. Im Folgenden empirischen Untersuchung (Büker 2010), deren zentra- den. Die Auswertung erfolgte in Anlehnung an die Prin- sollen zunächst die einzelnen Phasen dieses Prozesses Das Leben mit einer Behinderung ist jedoch nicht nur le Ergebnisse nachfolgend vorgestellt werden. zipien der Grounded Theory (Glaser/Strauss 2005). näher betrachtet werden. Auszüge aus den Interviews für die Betroffenen mit weitreichenden Konsequenzen veranschaulichen und unterstreichen dabei wesentliche verbunden, sondern auch für die Familien, die sich mit Erkenntnisse. einem komplexen Versorgungsbedarf ihres Kindes kon- Studie untersucht Bewältigungshandeln Geburt als „biografische Zäsur“ frontiert sehen und diesen über lange Zeit bewältigen müssen. Die Situation von Familien mit einem behin- Bewusst richtete sich der Fokus der Untersuchung auf Wie die empirische Untersuchung aufzeigt, beeinflusst Bewältigung als Prozess derten Kind ist bereits seit Jahrzehnten Gegenstand um- die Person der Mutter. Sie ist in aller Regel diejenige, eine kindliche Behinderung das Leben der betroffenen fangreicher Forschungsaktivitäten. die sich vorrangig um das Kind kümmert und den Groß- Mütter in nachhaltiger Weise. Der Schicksalsschlag Phase I: Handlungsunfähigkeit teil der Pflege und Versorgung leistet. Gefragt wurde kommt einer „biografischen Zäsur“ gleich (Bury 2009). Den Ausgangspunkt im Bewältigungsgeschehen bildet Lange Zeit stand die Belastungssituation von betrof- im Einzelnen nach den Herausforderungen und Hand- Er bewirkt eine Aufteilung des Lebens in die Zeit davor die mehr oder weniger plötzliche Wahrnehmung einer fenen Familien im Mittelpunkt wissenschaftlicher Un- lungserfordernissen im täglichen Leben mit einem be- und die Zeit danach. Die daraus resultierenden Verän- gesundheitlichen Beeinträchtigung des Kindes. Diese tersuchungen. Das behinderte Kind wurde quasi zur hinderten Kind, nach dem daraus resultierenden kon- derungen betreffen alle Bereiche des Lebens: Alltag, erste Phase ist gekennzeichnet von einer tiefgreifen- Tragödie erklärt, von der sich die Familie nie wieder kreten Bewältigungshandeln der Mütter sowie nach Familie und Partnerschaft, Beruf, soziale Kontakte, Frei- den Erschütterung der Mütter. Je nachdem, ob eine erholt und die die Familie sogar potenziell gefährdet. den Veränderungen des Bewältigungshandelns im Zeit- zeit und die eigene Biografie. In all diesen Bereichen Diagnosestellung plötzlich und unerwartet oder nach Erst mit zunehmender Kritik an diesem Eindruck einer verlauf. Ihre theoretische Verortung fand die Arbeit im gilt es, die anstehenden Herausforderungen zu bewäl- einer Zeit der Ungewissheit unter dem Damokles- „behinderten“ Familie kam es zu einem Wandel der Be- Trajektkonzept von Corbin/Strauss (Corbin et al. 2009), tigen. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren schwert eines ungeheuerlich erscheinenden Verdachts 6 Das Band Ausgabe 3/17 7
THEMA geschieht, durchleben die Mütter in dieser Phase eine nahmen treffen auf eine Leerstelle im Erfahrungsreper- identifizieren, deren Kernaufgabe in der dauerhaften existenzielle Krise, gekennzeichnet durch einen schwe- toire der Mütter. Mehr oder weniger hilflos und einge- Ausgestaltung des Lebens mit einem behinderten Kind ren Schock, lähmendes Entsetzen und tiefe Trauer. Fast schüchtert „irren“ sie durch das Versorgungssystem und liegt. Die Behinderung und der Umgang damit bilden alle interviewten Mütter konnten sich auch nach Jah- fügen sich unhinterfragt den Anweisungen der professi- inzwischen einen inhärenten Bestandteil des Lebens der ren noch sehr deutlich an den Moment der Diagnose- onellen Akteure, wie das folgende Interviewzitat zeigt: Mütter. Die erworbenen Kompetenzen werden in Rou- stellung erinnern, wie diese Mutter, der am Tag nach „Das ist schon wie, ja, hilflos alleine in einem Urwald tinen überführt und durch Erfahrungslernen weiterent- der Entbindung mitgeteilt wurde, dass ihr Kind ein stehen. Ich wusste gar nicht, was es da gab an The- wickelt: „Mittlerweile ist es auch so, ich geh’ da nicht Down-Syndrom hat: rapien oder so. Und dann hat mir die Frühförderung mehr einfach so immer mit ihm zum Arzt. Ich hol’ die „Da ist man auch so geschockt und so weit unten. Und gesagt: ‚Geh mal zur Krankengymnastik.‘ Und die hat Medikamente (…). Wir wissen ja mittlerweile, was wir tief unten in einem so großen, tiefen, schwarzen Loch mir dann gesagt: ‚Du kannst da und da einen Antrag machen müssen“ (M 06: 109 – 110). (…). Im fünften Stock lag ich da oben und ich hab’ be- stellen.‘ Und dann habe ich das alles so gemacht“ (M Mit dem Älterwerden des Kindes, der immer größeren stimmt mehr als einmal gedacht, ob ich da rausspringe 08: 343 – 345). Vertrautheit auch mit krisenhaften Auswirkungen der stung wird jedoch im hiesigen Gesundheits- und Sozialsy- oder nicht. Oder sollte ich lieber mein Kind da raus- Die vorherrschenden Bewältigungsmuster in dieser Behinderung, dem Zugewinn an Handlungssicherheit, stem bislang nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach schmeißen?“ (M 09: 478 – 482). Phase sind die der Anpassung an die Situation und der bedingt durch kontinuierlich steigende Kompetenz und wie vor erfolgt eine Konzentration auf das gesundheitlich Das bisherige Leben scheint sich in diesem Moment in Versuch, allen Anforderungen gerecht zu werden. Im Erfahrung, gelingt es den Müttern, die Herausforde- beeinträchtigte Kind, während den Bedürfnissen der Fa- nahezu vollständiger Auflösung zu befinden. Zentra- Alltag bemühen sich die Mütter geradezu verzweifelt rungen nicht nur zu meistern, sondern als Normalität in milien vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt um ein Festhalten an gewohnten Routinen. Wenn- den Alltag zu integrieren. wird. Bisher vorhandene Entlastungsangebote wie Kurz- gleich die kindliche Gesundheitsstörung klar vor Au- zeitpflegeeinrichtungen für pflegebedürftige Kinder oder gen steht, leben sie faktisch noch in ihrer alten Welt Phase V: Spezialistentum Familienunterstützende Dienste sind entweder noch und in der Hoffnung auf eine Rückkehr zum früheren In der fünften Phase hat sich das Leben mit dem be- nicht flächendeckend vorhanden oder wirken lediglich Leben. Noch haben sie nicht realisiert, dass ihnen dies hinderten Kind weitgehend stabilisiert und läuft in ge- punktuell entlastend. Es fehlt an einer Gesamtkonzep- nicht möglich und ein dauerhafter Wandel unumgäng- wohnten Bahnen. Viele Mütter haben sich inzwischen tion, die den speziellen Bedürfnissen insbesondere der lich sein wird. zu regelrechten Spezialisten entwickelt. Auf der Basis Mütter Rechnung trägt und passgenaue Unterstützung weitreichenden theoretischen und handlungsprak- zum richtigen Zeitpunkt bereithält. Ein zentrales Ergeb- Phase III: Sukzessiver Kompetenzzuwachs tischen Wissens sowie mittlerweile jahrelanger Erfah- nis der empirischen Untersuchung bildet die Erkenntnis, Mit Eintreten in die dritte Phase wird den Müttern die rung haben sie eine hohe Expertise herausgebildet, dass wirksame Unterstützungsmaßnahmen einer Orien- Nachhaltigkeit der Auswirkungen der kindlichen Ge- ähnlich der Expertise professioneller Akteure. Im Unter- tierung entlang der Verlaufskurve bedürfen. Eine zentrale sundheitsstörung zunehmend bewusst. Es kristallisiert schied zu diesen handelt es sich jedoch nicht um ein Rolle bei der Unterstützung von Familien mit einem be- sich heraus, dass ein einigermaßen geordnetes „Wei- generelles Spezialistentum. Vielmehr handelt es sich hinderten Kind könnte der professionellen Pflege zukom- terleben“ auf Dauer nur gelingen kann, wenn sie sich um eine von hoher Individualität geprägte Expertise, men. Entsprechende Möglichkeiten gibt es bereits heute, der Situation stellen und gezielt Strategien zu ihrer gepaart aus Fachwissen und Vertrautheit mit den per- beispielsweise durch häusliche Schulung und Beratung Bewältigung entwerfen. Im Folgenden durchleben sie sönlichen Eigenarten des Kindes, wie das nachfolgende nach dem Pflegeversicherungsgesetz oder im Rahmen einen Entwicklungsprozess, dessen zentrales Merkmal Interviewzitat eindrücklich zeigt: der sozialpädiatrischen Nachsorge. Wünschenswert wäre das Lernen ist. In großem Umfang werden Wissen, Fer- „Und der Epileptologe sagt mir jedes Mal, er sei der ferner ein Ausbau eines zielgruppenspezifischen Case tigkeiten und Fähigkeiten erworben, um die Vorausset- Spezialist der Epilepsie. Aber ich bin im Grunde ge- Managements. Als weiteres vielversprechendes Konzept zungen für ein Leben mit einem behinderten Kind zu nommen der Spezialist für diese Epilepsie“ (M 23: 453 könnte die Familiengesundheitspflege wirksame Unter- schaffen, wie diese Mutter verdeutlicht: – 455). stützung von betroffenen Familien leisten. „Was ich weiß, habe ich vorwiegend aus Büchern, Gesundheitliche Krisen des Kindes können bereits oft- auch Fachbücher. Also ich hab’ einfach viel gelesen. mals im Vorfeld erspürt werden und die Mütter han- Man beschäftigt sich damit. Und bei der Krankengym- deln ohne große Überlegungen intuitiv richtig, um sie Literatur Büker, C. (2010): Leben mit einem behinderten Kind. Bewälti- nastin, bei der habe ich mir viel abgeguckt“ (M 24: zu bewältigen. Sie haben ein hohes Vertrauen in die gungshandeln pflegender Mütter im Zeitverlauf. Bern: Huber le Aufgabe der ersten Phase ist die Bewältigung des 300 – 303). eigenen Fähigkeiten und eine hohe Problemlösungs- Bury, M. (2009): Chronische Krankheit als biografischer Bruch. Traumas und die Überwindung der schockbedingten Angepasstheit und Passivität sind überwunden, ak- kompetenz. In: Schaeffer, D. (Hrsg.): Bewältigung chronischer Krankheit im Handlungsunfähigkeit. tives Lernen wird zur zentralen Handlungsstrategie. Lebenslauf. Bern: Huber, S. 75 – 90 Corbin, J.; Hildenbrand, B.; Schaeffer, D. (2009): Das Trajektkon- Damit gelingt den Müttern zugleich die Rückgewin- zept. In: Schaeffer, D. (Hrsg.): Bewältigung chronischer Krankheit Phase II: Anpassungsbemühungen nung der Selbstbestimmung über das eigene Leben Mütter bedürfen Unterstützung im Lebenslauf. Bern: Huber, S. 55 – 74 Unmittelbar nach dem Abklingen der ersten Schocksymp und das ihres Kindes. Außerdem ist ihnen bewusst entlang der Verlaufskurve Glaser, B.G.; Strauss, A. L. (2005): Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. 2. Auflage. Bern: Huber tome, sehen sich die Mütter in der zweiten Phase mit den geworden, dass sie zwar in einem gut ausgebauten Statistisches Bundesamt (2009): Statistik der schwerbehinderten Konsequenzen der kindlichen Gesundheitsstörung kon- Gesundheitssystem leben, dort aber weitgehend auf Die Tatsache, dass den meisten Müttern eine Bewälti- Menschen. Kurzbericht. Wiesbaden frontiert. Die ersten Monate nach Manifestierung der sich allein gestellt sind und es entscheidend auf ihre gung ihrer Lebenssituation gelingt, darf nicht darüber Diagnose sind oftmals geprägt von erheblichen Turbu- Eigeninitiative ankommt. hinwegtäuschen, dass es sich bei der Zuständigkeit für Kontakt Prof. Dr. Christa Büker, Fachhochschule Bielefeld, lenzen, großer Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. ein behindertes Kind um eine äußerst kräftezehrende christa.bueker@fh-bielefeld.de Schwer zu deutende (Verhaltens-)Auffälligkeiten des Phase IV: Routinisierung Angelegenheit handelt und die Mütter im wahrsten Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht in der Zeitschrift Kindes, der Bedarf an speziellen Pflegemaßnahmen und Nach einer Zeit intensiver Lerntätigkeit lässt sich im Be- Sinne des Wortes „Schwerstarbeit“ verrichten. Ihren „Die Schwester/Der Pfleger“, 51. Jahrgang, Ausgabe 8/2012, die Notwendigkeit vielfältiger Therapie- und Fördermaß- wältigungshandeln pflegender Mütter eine neue Phase berechtigten Wünschen nach Unterstützung und Entla- S. 814-818. 8 Das Band Ausgabe 3/17 9
THEMA „Einen normalen Alltag gibt es nicht“ „Den Eltern ist es besonders wichtig, dass ihre Kinder selbstständig werden, sie sich Wie Eltern von chronisch kranken Kindern ihre Situation erleben wie andere Kinder auch entwickeln Sandra Bachmann und verhalten Fotos: Michael Bause können und sie in ihrer Lebensqualität nicht eingeschränkt werden.“ Ob Asthma, Epilepsie, Krebserkrankungen oder Rheuma im Folge haben, wie die Fanconi-Anämie wurden ebenfalls nischen Erkrankung und die damit verbundene, nicht werden. Sie wünschen sich stabile Phasen und weniger in die Untersuchung mit aufgenommen. Die Ergebnisse planbare Zukunft für ihr Kind. Die Nebenwirkungen der akute und unvorhersehbare Ereignisse, da diese meist mit Kindesalter, alle diese Krankheiten haben gemein, dass sie den der Untersuchung zeigten unterschiedliche Auswir- Therapie und die Sorge, dass ihre heranwachsenden Kin- einer Verschlechterungen des Gesundheitszustands und Alltag der betroffenen Kinder und ihrer Familien auf den Kopf kungen der chronischen Erkrankung eines Kindes auf die der die Therapie verweigern, belasten die Eltern und das erheblichen Einschnitten der wiedergewonnenen Nor- stellen. Die Familien sehen sich konfrontiert mit existentiellen gesamte Familie und das soziale Umfeld. Eine chronische gesamtes Familienleben zusätzlich. malität im Familienalltag verbunden ist. Für ihre Kinder Erkrankung oder Behinderung bedeutet besonders für die wünschen sich die Eltern ein glückliches Leben und eine Fragen aber zugleich auch mit alltäglichen Fragen wie: Wer Eltern, aber auch für das gesamte soziale Netz, eine zeit- unbeschwerte Kindheit. Sie hoffen auf neue Forschungs- betreut morgen das Geschwisterkind? Welche Schulform ist und auch kostenintensive Herausforderung. Unbestritten Unterstützung: Ja bitte! ergebnisse und Therapieverbesserungen, die ihnen und die richtige? Kann unsere Tochter in den Regelkindergarten? ist die Bedeutung der Unterstützung durch die Familie, ihrem Kind mehr Freiraum und Bewegungsspielraum im insbesondere der Partner, die Geschwister und die Groß- Die Eltern wünschen sich Unterstützung von ihrem so Alltag lassen und ihnen neue Perspektiven ermöglichen. Wer hilft uns im Haushalt? eltern spielen eine große Rolle. Von der Unterstützung zialen Umfeld und von professionellen Helfern. Feste und Die Einschränkungen, die ein Familienmitglied durch durch das familiäre Netzwerk ist aber auch die Stabilität professionelle Ansprechpartner helfen den Eltern, durch die Erkrankung erfährt, führen zu Veränderungen der D der Versorgungssituation des chronisch kranken oder be- das fragmentierte und nicht vernetzte Hilfe- und Ge- gesamten Familienstrukturen und müssen von profes iese und andere Fragen nach der Lebenswirk- hinderten Kindes abhängig. Sehr kleine und pflegeinten- sundheitssystem zu kommen. Selbsthilfeorganisationen sioneller Seite immer mit gedacht werden. Die Eltern lichkeit von Familien mit chronisch kranken sive Kinder, aber auch Kinder und Jugendliche mit lebens- und Elternverbände dienen als wesentliche Informations- pflegen ihre Kinder nicht, sie umsorgen und sie beschüt- Kindern und den eingesetzten Strategien im verkürzenden oder lebensbedrohenden Erkrankungen, und Austauschquelle für die Eltern. Ausgleichend und zen sie und sie führen notwendige pflegerische und me- Alltag bildete die Grundlage für eine empi- scheinen für das Belastungserleben der Eltern eine hohe gesundheitsfördernd wirkt sich insbesondere eine stabile dizinische Maßnahmen durch, da die Erkrankung dies rische Untersuchung, an der Familien mit einem chronisch Bedeutung zu haben. Bedeutsam ist ebenso die Dauer Partnerschaft, die Unterstützung innerhalb der Familie erfordert (Büscher/Schnepp 2011; Horn 2008; Metzing kranken und/oder körperbehinderten Kind teilgenom- der Erkrankung, die Auswirkungen der medikamentösen und einem beständigen sozialen Netzwerk aus. Die El- 2007; Schnepp 2006). Die Eltern durchlaufen einen Pro- men haben (Bachmann 2014). Das Krankheitsspektrum Behandlung sowie der Grad der Behinderung des Kindes tern fühlen sich sehr stark belastet durch den bürokra- zess von der Diagnosestellung an, über die zunehmende und das Alter der betroffenen Kinder reichte von Asth- auf das Belastungserleben der Eltern. (Büker 2010; Coffey tischen Aufwand im Gesundheits- und Sozialsystem und Kontrolle, bis hin zur Loslösung und Abgabe der Kontrol- ma über Diabetes, Epilepsie und Rheuma, lebensbe- 2006; Clements et al. 1990; Gallo/Knafl 1998; Hatton wünschen sich gerade hier mehr systematische Beratung le an ihr heranwachsendes Kind. Zu Beginn dieses Pro- drohlichen Krebs- oder Herzerkrankungen, körperlichen et al. 1995; Herber 2005; Hirchert 2004; Hirose/Ueda und Begleitung, verbunden mit unbürokratischen und zesses stehen die ersten Krankheitssymptome und/oder Behinderungen bis zu Kindern mit zystischer Fibrose 1990; Hodgkinson/Lester 2002; Köhlen et al. 1999; Mi- zeitnahen Hilfen aus einer Hand. Im Verlauf der Erkran- die Diagnosestellung und der damit verbundene Schock, (Mukoviscidose). Auch Kinder mit sehr seltenen Erkran- les et al. 1999; Prakke 2004; Ray/Ritchie 1993; Schnee- kung ihres Kindes entwickeln die Eltern unterschiedliche das Trauma, die „biografische Zäsur“ (Schaeffer/Moers kungen, die eine Verkürzung der Lebenserwartungen zur kloth/Wahl 2005; Seiffge-Krenke/Kichheim 2003; Sieber Strategien. Zu den wesentlichen Strategien zählt der et al. 2008; Thimm 2001; Wilson et al. 2005; Wingen- Wissens- und Kompetenzerwerb. Er ist ein wesentlicher ■ EINFACHE SPRACHE feld/Büker 2007). Das zentrale Ergebnis der Untersu- Schritt in der Krankheitsbewältigung und eine wichtige Sandra Bachmann ist eine Expertin. Sie hat eine Um-Frage gemacht. Sie hat chung ist, dass das Wohl der Kinder für die Eltern immer Voraussetzung auf dem Weg zur Normalisierung des im Vordergrund aller Entscheidungen steht. Sie selber Familienlebens. Die Eltern erlangen mehr Kontroll- und mit Familien gesprochen, die ein behindertes Kind haben. Frau Bachmann hat stellen sich mit ihren Wünschen und Bedürfnissen hinter Steuerungsmöglichkeiten und können somit flexibler auf herausgefunden, dass die Eltern sich gerade am Anfang sehr viele Sorgen um das Wohl ihrer Kinder und wollen nur das Beste für ihr aktuelle Veränderungen und unabhängiger von fremder das Kind machen. Und dass manche Eltern sehr traurig waren, dass das Kind Kind. Sie halten durch und kämpfen, setzen sich mit für Hilfe agieren. Die befragten Familien wünschen sich in eine Behinderung hat. Frau Bachmann hat aber auch herausgefunden, dass sie fremden und neuen Fragen und Wissensgrundlagen erster Linie, ihren normalen Alltag und ihre Unabhän- sich die Stimmung ändert und die meisten Eltern bald gut mit der Behinde- auseinander. Durchlaufen eine Kompetenzentwicklung gigkeit wiederzuerlangen. Den Eltern ist es besonders und werden zum Experten für die Erkrankung und die wichtig, dass ihre Kinder selbstständig werden, sie sich rung ihres Kindes zurecht kommen. Irgenwann sind die Eltern auch wieder Bedürfnisse ihres Kindes. Sorgen und Probleme bereiten wie andere Kinder auch entwickeln und verhalten kön- glücklich. Und viele Eltern werden schnell zu Experten in eigener Sache. ■ den Eltern die Unvorhersehbarkeit im Verlauf einer chro- nen und sie in ihrer Lebensqualität nicht eingeschränkt 10 Das Band Ausgabe 3/17 11
THEMA „Was hat denn das der Familie verbessern. Am Ende – und in der siebten Phase – steht für die Eltern aufgrund der physiologischen Entwicklung ihres Kindes zum Erwachsenen der Loslö- die Omma gesagt?“ sungsprozess. Diese Loslösung fordert von den Eltern die Abgabe der Kontrolle über die Erkrankung und die Übertragung dieser an ihr heranwachsendes Kind. Diese Phase fällt den Eltern besonders schwer und wird sicher von der Art, dem Verlauf und der Prognose der Erkran- kung beeinflusst. Dennoch wünschen sich die Eltern mit Sich mit den Familien auf den gemeinsamen Weg machen zunehmendem Alter ihres Kindes die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit ihrer Kinder. Diese sieben Phasen, Thomas Becher / Stephanie Wilken-Dapper die die Eltern im Rahmen der Bewältigung der Erkran- kung ihres Kindes durchlaufen, werden beeinflusst von der Schwere der Erkrankungen und der damit verbun- denen stabilen und instabilen Phasen. Für die professi- onellen Akteure ergeben sich folgende Erkenntnisse aus Wilken-Dapper: „Traumatisches Erlebnis“ oder „Gelin- Wenn sich bei einem Kind eine Entwicklungsstörung oder Be- dieser Untersuchung: gendes Gespräch“ – Wie und in welchem Setting teilt hinderung abzeichnet, ist es für die Eltern wichtig, die Ursache • Die Familie mit einem chronisch kranken Kind muss man Eltern die Diagnose mit? von Beginn der Diagnosestellung an in ihrer Gesamt- Becher: Ich glaube, dass der Beginn der Diagnosevermitt- zu erfahren oder eine Diagnose zu erhalten. Ein solches Aufklä- heit und in ihrem Prozess der Lebensgestaltung und lung schon im Beziehungsaufbau ganz zu Anfang liegt. rungsgespräch erfordert großes Fingerspitzengefühl seitens der Bewältigungsprozess gesehen werden. Die Eltern be- Die Eltern kommen in der Regel mit einer konkreten Fra- nötigen mit Beginn der Diagnosestellung und über gestellung, wenn es sich um ein Kind handelt, das eine Fachleute. Thomas Becher, Oberarzt im Kinderneurologischen den gesamten Krankheitsverlauf hinweg eine profes- unklare Entwicklungsstörung hat, und es darum geht, Zentrum der Sana Kliniken Düsseldorf (Gerresheim), erklärt, wie sionelle, multidisziplinäre, sektorübergreifende und eine Diagnose und eine Ursache für die Entwicklungs- solche Gespräche gelingen können und zum Ausgangspunkt „Eltern wünschen 2008: 15). Die Eltern erleben große Sorge und Angst aufsuchende Begleitung und Beratung. problematik zu finden. Dann geht es darum, einen ge- sich Unterstützung um das Leben ihres Kindes. Sie erleben Hilflosigkeit und • Biografische Übergänge und entwicklungsbedingte meinsamen Blick auf das Kind zu entwickeln, dass man für eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit werden. von ihrem sozialen Unsicherheit vor der unklaren Perspektive. In der Konse- Veränderungen sind bei der professionellen Beglei- die Phänomenologie gemeinsam beschreibt und dann Umfeld und von quenz dieser Unsicherheit und mit dem Wissen, für ihr tung und Beratung der Familien zu berücksichtigen. miteinander entscheidet, welche diagnostischen Schritte professionellen Kind und ihre Familie sorgen zu müssen und keine ande- • Wissens- und Kompetenzerwerb d. Eltern unterstützen. wichtig sind und dies auch immer wieder im Austausch keit im Verlauf der Behandlung Komplikationen wie eine Helfern.“ re Wahl zu haben, eignen sie sich in der zweiten Phase • Zugang zum Versorgungssystem und die sozialrecht- und in der Rückkoppelung tut. Anders ist die Situation, Hirnblutung entwickelt. Dann ist die Situation anders. Wissen an und wachsen an ihren Aufgaben. Ein „suk- lichen Angelegenheiten müssen auf die Kennzeichen wenn es sich um ein Kind handelt, das offensichtlich ein Dann kommt es aus meiner Perspektive in erster Linie zessiver Kompetenzzuwachs“ findet statt (Büker 2010: chronischer Erkrankungen im Kindesalter zugschnitten Syndrom hat oder ein Kind, das durch Frühgeburtlich- auf Ruhe, Zeit und Hoffnung an. 106). Sie versuchen, ihre Ängste zu überwinden; schöp- und vernetzt werden. fen Hoffnung und Vertrauen und nehmen die Krankheit Ziele der professionellen Beratung von Eltern sollten, im „Bei der Diagnostik an. Zu ihrer Unterstützung, forciert durch die Erfahrung, Sinne eines professionellen Case Managements, insbe- von Kindern mit Ent- oft allein zu sein und zu einer Randgruppe zu gehören, sondere die Stabilität und (Re-)Organisation des Alltags wicklungsstörungen suchen sie in der dritten Phase nach Verbündeten inner- der Familie, die Einbindung in ein Hilfesystem (inklusive ist es am wichtigsten, halb ihres sozialen Umfeldes, in Selbsthilfeorganisati- Selbsthilfeorganisationen) und in das Versorgungssystem, dass man sehr klar mit onen, Gesprächskreisen oder bei professionellen Helfern. die krankheitsbezogene Kompetenzentwicklung der El- den Eltern spricht, was Die zunehmende Expertise und die Unterstützung durch tern und der Abbau von Ängsten, die Unterstützung bei man sieht, ohne gleich Verbündete helfen den Eltern in der vierten Phase, Ent- der Entwicklung eines Kriseninterventionsplans sowie die zu werten.“ scheidungen zu treffen, die das Wohl und die Zukunfts- Berücksichtigung der Lebensqualität, der Ressourcen und perspektive des Kindes und der Familie beeinflussen. Bedürfnisse sein (GKV Spitzenverband 2012; Podeswik Diese Entscheidungen berühren sowohl entwicklungs- et al. 2009; Porz/Podeswik 2006). Im Vordergrund der bedingte als auch krankheitsbedingte Entscheidungen. Unterstützung stehen pragmatische Lösungen, die der Somit erlangen die Eltern im Verlauf der Erkrankung und Familie einen selbstständigen Umgang mit der Situation Entwicklung ihres Kindes und mit zunehmendem Kom- ermöglichen. So drückt eine Mutter ihren Wunsch nach petenzzuwachs in der fünften Phase mehr Kontrolle über Wertschätzung und Begleitung im abschließenden Zitat ihre Situation. Mit der zunehmenden Kontrolle über die aus: „Ich denke mal, wir meistern das irgendwie. Ist Erkrankung, eröffnen sich den Eltern neue Freiheiten. manchmal nicht ganz einfach, aber 12 Jahre haben wir Sie haben die Möglichkeit, in der sechsten Phase der schon geschafft.“ (Bachmann 2012) Bewältigungsstrategien die Entwicklung ihres Kindes zu Fotos: Michael Bause beeinflussen und zu gestalten. Sie können ihrem Kind, Kontakt Prof. Dr. Sandra Bachmann, Hochschule für Gesundheit trotz der Erkrankung, mehr Normalität und Freiheit ge- Department für Pflegewissenschaft währen und somit die Lebensqualität ihres Kindes und E-Mail: sandra.bachmann@hs-gesundheit.de 12 Das Band Ausgabe 3/17 13
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