K Behinderung und Sprache - Februar 2019 | Nr. 2 - Sozialinfo

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K Behinderung und Sprache - Februar 2019 | Nr. 2 - Sozialinfo
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik

Februar 2019 | Nr. 2
                                          Behinderung und Sprache
K Behinderung und Sprache - Februar 2019 | Nr. 2 - Sozialinfo
Inhalt
Daniel Stalder
Editorial                                                               1

Rundschau                                                               2

SCHWERPUNKT

Dorothea Lage
Grundlegende Aspekte zur Unterstützten Kommunikation                    6

Sara Gschwend-Sennhauser und Michaela Cappello Müller
Qualitätsmerkmale zu Unterstützter Kommunikation in Organisationen
Eine Checkliste für Leitungspersonen                                   13

Christina Arn und Rita Baumann
Fachwissen in Leichter Sprache
Leichte Sprache in der Aus- und Weiterbildung von Heilpädagoginnen
und Heilpädagogen sowie Logopädinnen und Logopäden                     21

Bettina Ledergerber
Leichte Sprache
Ein Praxiskonzept verbreitet sich in der Schweiz                       26

Sarah Guidi und Patricia Hermann-Shores
Warum es für Barrierefreiheit auch «Leichte Gebärdensprache» braucht
Beobachtungen aus der Praxis und Überlegungen für die Forschung        33

Sandra Trevissoi, Simone Berner-Nayer und Lilo Eglin-Puschmann
Die Begleitung von Lernenden mit
spezifischen Sprachentwicklungsstörungen                                39

Erich Hartmann, Christoph Till und Julia Winkes
Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen in der Regelschule
Gelingensbedingungen für erfolgreiche (Sprach-)Förderung und
Kooperation zwischen beteiligten Fachpersonen                          46

Dokumentation zum Schwerpunkt                                          53

Impressum                                                              19

Rezension / Bücher / Behinderung im Film / Forschung / Agenda          54

Inserate                                                               62

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
EDITORIAL                          1

Daniel Stalder

Sprache als Schlüssel zur Partizipation

Wenn wir davon ausgehen, dass Sprache                            beiden Beiträgen wird deutlich, dass UK die
der Ausgangspunkt ist, um unsere Lebens-                         Grundlage schafft, damit Menschen mit
welt zu begreifen, dann ist sie auch ein In-                     eingeschränkten Kommunikationsmöglich-
strument, um diese zu gestalten – oder um                        keiten selbstbestimmt entscheiden können.
sich überhaupt Zugang zu den Lebensberei-                        Dies wiederum ist ausschlaggebend für ih-
chen unserer Gesellschaft zu verschaffen.                        re gesellschaftliche Teilhabe.
Beherrschen Menschen eine Sprache, fällt                              Auch der Leichten Sprache wird oft ei-
ist es ihnen leichter, soziale Beziehungen zu                    ne Partizipationsfunktion zugeschrieben.
gestalten und in der Gesellschaft zu partizi-                    Arn und Baumann sehen sie als eine «Form
                                                                                                                  Daniel Stalder
pieren. Eingeschränkte sprachliche Fähig-                        gelebter Inklusion» und plädieren dafür,
                                                                                                                  Wissenschaftlicher
keiten führen oft zu Abhängigkeiten oder                         heilpädagogische Fachpersonen entspre-
                                                                                                                  Mitarbeiter
beeinträchtigen die gesellschaftliche Teil-                      chend aus- und weiterzubilden. Lederger-
                                                                                                                  SZH / CSPS
habe.                                                            ber nimmt eine kritische Perspektive ein
                                                                                                                  Haus der Kantone
      In der UN-BRK wird gefordert, dass al-                     und zeigt Schwierigkeiten rund um die
                                                                                                                  Speichergasse 6
le Menschen Zugang zu einer selbstbe-                            Leichte Sprache auf. Inwiefern die Leichte
                                                                                                                  3001 Bern
stimmten Kommunikation haben sollen.                             Deutschschweizerische Gebärdensprache
                                                                                                                  daniel.stalder @
Dies gilt als eine Bedingung, um sämtliche                       zur Barrierefreiheit beiträgt, umschreiben
                                                                                                                  szh.ch
Menschenrechte und Grundfreiheiten bean-                         Guidi und Hermann-Shores in ihrem Artikel.
spruchen zu können. Dazu gehört auch die                              Auf die Partizipation wirken sich auch
Partizipation in der Gesellschaft. Um diese                      Sprachentwicklungsstörungen aus. Im Bei-
zu gewährleisten, müssen vielfältige Kom-                        trag von Trevissoi, Berner-Nayer und Eglin-
munikationsformen und -mittel sowie Zei-                         Puschmann geht es um die Begleitung und
chensysteme über alle Lebensbereiche hin-                        Förderung von Lernenden mit einer starken
weg und lebenslang verfügbar sein.                               Beeinträchtigung der Sprache und des Spre-
      Es liegt also auf der Hand: Teilhabe                       chens. Hartmann, Till und Winkes beschrei-
hängt massgeblich von den kommunikati-                           ben Fördermassnahmen und Rahmenbedin-
ven Möglichkeiten ab, die ein Mensch hat.                        gungen hinsichtlich der inklusiven Schulung
In der Unterstützten Kommunikation (UK)                          von Kindern mit Sprachstörungen im Regel-
liegt ein grosses Potenzial für Menschen mit                     unterricht.
Behinderungen, wie Dorothea Lage in ih-                               In dieser Ausgabe wird deutlich, wie
rem differenzierten Beitrag aufzeigt. Damit                      grundlegend die Partizipation von Men-
der Zugang zu UK lebenslang gewährleistet                        schen mit Behinderungen auf einer funktio-
wird, fordern Gschwend-Sennhauser und                            nierenden Kommunikation beruht. Die
Cappello Müller von den Organisationen                           Möglichkeiten dazu gilt es für alle Men-
der Behindertenhilfe die Schaffung von ent-                      schen zu sichern und zu fördern. Ich wün-
sprechenden Rahmenbedingungen. Aus                               sche eine anregende Lektüre.

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019                      www.szh-csps.ch/z2019-02-00
2   RUNDSCHAU

    Rundschau
    INTERNATIONAL                                    hen, sei eine Kernbotschaft der Jahresta-
                                                     gung. Diesmal steht die Tagung in Davos
    DE: Lehre barrierefrei gestalten                 unter dem Motto «Globalisierung 4.0: Auf
    Das Projekt «Inklusive Hochschullehre» der       der Suche nach einer globalen Architektur
    Universität Rostock zielt auf die Entwick-       im Zeitalter der Vierten Industriellen Revo-
    lung und Implementierung barrierefreier          lution».
    Studienstrukturen sowie barrierefreier           Quelle: www.rollingplanet.net
    Lehrangebote in den Hochschulen des Lan-         ¬ News vom 14.12.2018
    des; dies vor dem Hintergrund des Überein-
    kommens über die Rechte von Menschen
    mit Behinderungen (UN-BRK) der Vereinten         NATIONAL
    Nationen sowie der Strategie des Landes
    zur Umsetzung der Inklusion im Bildungs-         Inklusion in der Arbeitswelt
    system in Mecklenburg-Vorpommern bis             Um die Vorbehalte der Unternehmen aufzu-
    zum Jahr 2023. Ein im Jahr 2018 entwickel-       heben, fördert das Projekt iPunkt+ ein in-
    ter Leitfaden gibt Tipps, wie Lehrveranstal-     klusives Arbeitsumfeld mit einem Label. Der
    tungen barrierefrei gestaltet und individu-      Verein Impulse hat mit dem Label iPunkt vor
    elle Bedürfnisse von Studierenden mit Be-        vier Jahren die Förderung eines inklusiven
    einträchtigungen berücksichtigt werden           Arbeitsumfelds gestartet, um das Ziel einer
    können. Für barrierefreie Lehre und Didak-       bestmöglichen Integration von Menschen
    tik sind selten enorme Umstellungen und          mit Behinderungen in den regulären Ar-
    Veränderungen notwendig. Vieles ist Be-          beitsmarkt anzustreben. Das Label zeichnet
    standteil «guter Lehre» und kommt allen          Unternehmen aus, die Menschen mit Behin-
    Studierenden zugute.                             derungen oder einer dauerhaften Erkran-
    Weitere Informationen: www.uni-rostock.de        kung einstellen oder wiederbeschäftigen.
    ¬ Inklusive Hochschule                           Dabei wird das Bewusstsein der Unterneh-
                                                     men gefördert, Menschen mit Behinderun-
    CH: Weltwirtschaftsforum                         gen zu engagieren, Barrieren systematisch
    und Behinderung                                  abzubauen und Vielfalt wertzuschätzen.
    Das Weltwirtschaftsforum (WEF) stellt bei        Die Sensibilisierung fördert das gegenseiti-
    seiner Jahrestagung vom 22. bis 25. Januar       ge Verständnis sowie nachhaltige Bezie-
    in Davos die stärkere Einbeziehung von           hungen und verstärkt Wirkungen durch ko-
    Menschen mit einer Behinderung in den            ordiniertes Vorgehen. Das Projekt wird nun
    Mittelpunkt. «Gemeinsam müssen wir eine          ausgeweitet, indem interdisziplinäre Ar-
    integrativere Welt entwickeln, die sich um       beitsgruppen Kriterien ausarbeiten, die wir-
    die aktuellen und künftigen Bedürfnisse je-      kungsvolle und praxistaugliche Prozesse
    des Einzelnen kümmert», sagte Nico Das-          definieren. Es wird daraus eine modellhafte
    wani, Leiter des Bereichs Kunst und Kultur       Darstellung von Schnittstellen, Prozessen
    beim WEF. Die Notwendigkeit, stärker auf         und Akteuren erarbeitet, die als Organisati-
    die Belange der weltweit etwa eine Milliar-      onsvorlage für ein inklusives Arbeitsumfeld
    de Menschen mit Behinderung einzuge-             dienen wird. Die Vorlage wird in das Label

                                                   Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
RUNDSCHAU        3

integriert, was so zu einer besseren Förde-                      wenn sie die Urteilsfähigkeit abklären müs-
rung der Inklusion von Menschen mit Be-                          sen. Als Hilfestellung für die Praxis hat die
hinderungen im Arbeitsmarkt führt.                               Schweizerische Akademie der Medizini-
Weitere Informationen: www.impulse.swiss                         schen Wissenschaften (SAMW) medizin-
                                                                 ethische Richtlinien ausgearbeitet. In den
Berufliche Eingliederung                                          Richtlinien enthalten ist ein Subkapitel zur
von Jugendlichen                                                 Evaluation der Urteilsfähigkeit bei Men-
Jährlich schaffen 2 000 Jugendliche in der                       schen mit einer kognitiven Beeinträchti-
Schweiz wegen physischer oder psychischer                        gung.
Beeinträchtigungen den Eintritt ins Er-                          Weitere Informationen: www.samw.ch ¬
werbsleben nicht. Stattdessen sind sie auf                       News vom 11.12.2018
eine IV-Rente angewiesen. Das Informati-
onsportal Compasso, das für Arbeitgeben-                         Bewegung und Sport
de mit dem Fokus auf Früherkennung und                           in Institutionen
Intervention sowie berufliche Wiederein-                          In einem Kooperationsprojekts von Special
gliederung an den Schnittstellen zwischen                        Olympics Switzerland, INSOS Schweiz und
Unternehmen, Betroffenen, IV, Suva, Pensi-                       dem Institut für Sportwissenschaft der Uni-
onskassen und Privatversicherern tätig ist,                      versität Bern wurde untersucht, welche An-
hat die Situation analysiert und vier Hand-                      gebote zu Bewegung und Sport es heute in
lungsfelder und acht konkrete Massnahmen                         Institutionen für Menschen mit Behinde-
erarbeitet, um junge Erwachsene mit Beein-                       rung gibt und welche Rahmenbedingungen
trächtigung besser ins Berufsleben zu inte-                      dafür förderlich oder hinderlich sind. Im
grieren. Die wichtigsten Resultate und                           Schlussbericht «Bewegung und Sport in In-
Handlungsansätze der Studie «Jung und be-                        stitutionen für Menschen mit einer Behin-
einträchtigt – ein erfolgreicher Weg in die                      derung» werden folgende Empfehlungen
Arbeitswelt» sind: 1) Prozessbegleitung                          für die Praxis formuliert: Es soll ein Ausbau
erstmalige Eingliederung optimieren, 2) Po-                      neuer Sport- und Bewegungsangebote
tenzial niederschwelliger Ausbildungen                           stattfinden und die Personalstrukturen und
besser nutzen, 3) Statistik verbessern, 4) ge-                   das Management sowie Kooperationen mit
zielte Informationen verstärken und 5) Rah-                      externen Sportorganisationen sollen ge-
menbedingungen verbessern.                                       stärkt werden.
Weitere Informationen: www.compasso.ch                           Zum Bericht: www.insos.ch ¬ Aktuelles
¬ Newsmeldung vom 30.11.2018                                     vom 13.12.2018

Urteilsfähigkeit in                                              Beschwerde gegen Doppelstockzüge
der medizinischen Praxis                                         FV-Dosto der SBB
Urteilsfähigkeit ist eine Grundvorausset-                        Der Dachverband Inclusion Handicap hatte
zung, damit Patientinnen und Patienten in                        im Januar 2018 Beschwerde gegen die be-
eine medizinische Behandlung einwilligen                         fristete Betriebsbewilligung der Dosto-Züge
können. Die Entscheidung, ob jemand ur-                          eingereicht, weil diese von Menschen mit
teilsfähig ist oder nicht, hat somit weitrei-                    Behinderungen nicht selbstständig genützt
chende Auswirkungen. Gesundheitsfach-                            werden könnten. Im November 2018 einig-
personen fühlen sich jedoch oft unsicher,                        ten sich Inclusion Handicap und die SBB

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
4   RUNDSCHAU

    aussergerichtlich zu vier Punkten: Die SBB         einbarung mit sieben Verbänden für Men-
    verpflichteten sich, grössere Piktogramme           schen mit einer Sinnesbehinderung. Diese
    zur Kennzeichnung der Vorrangsitze für             regelt, welche Sendungen untertitelt, wel-
    Menschen mit Behinderung zu verwenden,             che Inhalte audiodeskribiert oder gebärdet
    ein durchgängiges taktiles Leitsystem zu in-       werden.
    stallieren, Monitore zu entspiegeln und            Quelle: www.sgb-fss.ch ¬ Medienmitteilung
    kontrastreiche Bodenleisten anzubringen.           vom 13.12.2018
    Kurz danach entschied das Bundesverwal-
    tungsgericht, zehn von den elf verbleiben-         Inklusives Gaming
    den Rechtsbegehren abzuweisen. Der Ent-            Gamerinnen und Gamer mit eingeschränk-
    scheid wurde weitgehend damit begründet,           ter Mobilität haben grosse Mühe, die kom-
    dass die Ausstattung der Züge den durch            plexen Eingabegeräte zu bedienen. Ein heu-
    die EU-Kommission ausgearbeiteten Nor-             tiger Controller hat über 14 Knöpfe und er-
    men «Technische Spezifikation für Interope-         fordert eine gute Feinmotorik und Hand-
    rabilität – Zugänglichkeit für Menschen mit        Augen-Koordination. Seit September 2018
    Behinderung und Menschen mit einge-                ist der «Xbox Adaptive Controller» von
    schränkter Mobilität» (TSI PRM) entsprä-           Microsoft auf dem Markt. Der «Xbox Adap-
    chen. Der Argumentation von Inclusion              tive Controller» verspricht, Games für alle
    Handicap, diese Normen würden den An-              zugänglicher zu machen. Er ist einfach er-
    forderungen des Behindertengleichstel-             weiterbar und die Bedienung passt sich an
    lungsgesetzes nicht genügen, leistete das          die Spielerinnen und Spieler an, nicht umge-
    Gericht keine Folge. Einzig im Punkt der zu        kehrt, wie es sonst der Fall ist. Damit er-
    steilen Rampe gab das Gericht der Be-              schliesst Microsoft ein Kundensegment, das
    schwerdeführerin teilweise Recht.                  bislang stark von der Game-Industrie ver-
    Weitere Informationen: www.humanrights.ch          nachlässigt wurde.
    ¬ Medienmitteilung vom 11.12.2018                  Quelle: www.srf.ch ¬ Digital ¬ News
                                                       vom 10.12.2018

    VARIA                                              «Easy dressing» für Kinder
                                                       mit einer Behinderung
    Gebärdensprache im SRF                             Das Modelabel Marks & Spencer hat eine
    Ab 2019 wird die Gesundheitssendung                Kleiderlinie für Kinder mit Behinderung ent-
    «Puls» die vierte Sendung, die SRF neben           worfen. Die aktuelle Herbst-Winter-Kollek-
    «Kassensturz», «Tagesschau» und «Signes»           tion enthält rund 100 Modelle von Alltags-
    regelmässig in Gebärdensprache zeigt. Die          kleidern, die leicht anzuziehen sind, auch
    «Puls»-Sendung vom Montag wird jeweils             von Kindern, die Unterstützung brauchen.
    am darauffolgenden Sonntag auf SRF 1 ge-           Diese spezielle Linie wurde in Zusammenar-
    bärdet ausgestrahlt. Die SRG baut das An-          beit mit Eltern von Kindern mit Behinderung
    gebot von Sendungen in Gebärdensprache,            realisiert und unterscheidet sich äusserlich
    Audiodeskription und Untertitelungen jähr-         nicht von der Hauptkollektion.
    lich aus. Seit diesem Jahr gilt eine neue Ver-     Quelle: insieme Magazin, 4, 7.

                                                     Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
THEMENSCHWERPUNKTE 2019                                   5

  Themenschwerpunkte der Schweizerischen Zeitschrift für Heilpädagogik 2019
  Heft                 Schwerpunkt                                                          Ankündigung           Einsendeschluss

  1 / 2019             Zusammenarbeit mit Eltern                                            10.09.2018            10.10.2018
  2 / 2019             Behinderung und Sprache                                              10.09.2018            01.11.2018
  3 / 2019             Beziehungsgestaltung                                                 10.10.2018            10.12.2018
  4 / 2019             Behinderung und Sexualität                                           10.11.2018            10.01.2019
  5 – 6 / 2019         Inklusive Freizeitangebote                                           10.12.2018            10.02.2019
  7 – 8 / 2019         Übergänge Schule – Berufsausbildung – Arbeitswelt                    10.02.2019            10.04.2019
  9 / 2019             Neue Wohnformen, innovative Lebensformen                             10.04.2019            10.06.2019
  10 / 2019            Schule von morgen                                                    10.05.2019            10.07.2019
  11 –12 / 2019        Digitale Transformation                                              10.06.2019            10.08.2019

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  Thèmes 2019 de la Revue suisse de pédagogie spécialisée
  Numéro                                                     Dossier
  1 (mars, avril, mai 2019)                                  De l’employabilité à l’intégration professionnelle
  2 (juin, juillet, août 2019)                               Littératie et numératie
  3 (septembre, octobre, novembre 2019)                      Nouvelles façons d’habiter
  4 (décembre 2019, janvier, février 2020)                   Transformation numérique : aubaine ou écueil pour
                                                             la pédagogie spécialisée ?

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Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
6                        BEHINDERUNG UND SPRACHE

Dorothea Lage

Grundlegende Aspekte zur Unterstützten Kommunikation

Zusammenfassung
Die UN-BRK fordert, dass für alle Menschen – ganz gleich wie schwer und umfassend deren Beeinträchtigung ist –
der Zugang zur autonomen Kommunikation mit individuell angepassten Mitteln gewährleistet ist. In diesem Beitrag
wird einerseits aufgezeigt, wie die Kommunikation mit Teilhabe und Inklusion in Zusammenhang steht und welche
professionellen Grundhaltungen dem pädagogischen und arbeitsagogischen Handeln dienlich sind. Andererseits wird
die Bedeutung der Unterstützten Kommunikation (UK) für die Umsetzung der UN-BRK erörtert und mögliche Hand-
lungsmaximen dafür werden vorgestellt.

Résumé
La CDPH de l’ONU exige que toute personne, quelle que soit la gravité ou l’étendue de son handicap, ait un accès
garanti à la communication autonome par le biais de moyens adaptés individuellement. Le présent article montre
d’une part où se situe la communication par rapport à la participation et à l’inclusion, et quelles attitudes profession-
nelles fondamentales sont bénéfiques dans la prise en charge pédagogique et l’accompagnement socioprofessionnel.
Il se penche par ailleurs sur l’importance de la communication améliorée et alternative (CAA) dans la mise en œuvre
de la CDPH et présente de possibles principes d’action dans ce contexte.

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                         UK und die Sache mit den profes-                  gänglich gemachte sowie ergänzende und
                         sionellen Grundhaltungen                          alternative Formen, Mittel und Formate
                         In der UN-Behindertenrechtskonvention             der Kommunikation (Hervorhebung D. L.),
                         (UN-BRK) wird gefordert, dass für alle Men-       einschliesslich leicht zugänglicher Infor-
                         schen die gleichberechtigte Teilhabe an al-       mations- und Kommunikationstechnologie
                         len Lebensbereichen der Gesellschaft zu ge-       ein» (UN-BRK, Art. 2). Menschen mit
                         währleisten ist und somit die Grundlage für       schweren Kommunikationsbeeinträchti-
                         die Inklusion geschaffen wird. In den Be-         gungen sollen diese Formen, Mittel und Zei-
                         griffsbestimmungen der UN-BRK (Art. 2)            chensysteme zur Verfügung stehen, um am
                         wird die Kommunikation ins Zentrum ge-            gesellschaftlichen Leben teilhaben zu kön-
                         stellt, um Menschen mit Behinderungen die         nen. Dazu gehören unter anderem Metho-
                         «volle und wirksame Teilhabe an der Gesell-       den und Mittel der UK, welche die gespro-
                         schaft und Einbeziehung in die Gesell-            chene und geschriebene Sprache ergänzen
                         schaft» (UN-BRK, Art. 3c) zu garantieren.         bzw. ersetzen. Die UK ist somit ein zentra-
                         Kommunikation «schliesst Sprachen, Dar-           ler Bereich der Behindertenhilfe. Organisa-
                         stellung, Brailleschrift, taktile Kommunika-      tionen in diesem Bereich müssen sich nun
                         tion, Grossdruck, leicht zugängliches Multi-      der Aufgabe stellen, Voraussetzungen zu
                         media sowie schriftliche, auditive, in einfa-     schaffen, dass der Zugang zur UK in ihrem
                         che Sprache übersetzte, durch Vorleser zu-        umfassenden Verständnis ermöglicht, UK

                                                                         Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
BEHINDERUNG UND SPRACHE            7

implementiert und als UK-Kultur gelebt                           Begleitung in der UK. Konzepte wie TripleC
werden kann (Lage, 2006).1                                       (Bloomberg & West, 1999) und InterAACtion
     Menschen mit schweren Kommunikati-                          (Bloomberg, Johnson & West, 2004), Co-
onsbeeinträchtigungen stehen auch nach                           Creating Communication, Intensive Inter-
30 Jahren UK in der Schweiz noch vor Barri-                      action, TEACCHTM und / oder PECS, bieten
eren: sowohl im direkten Kontakt mit ande-                       handlungsleitende Methoden für die UK,
ren Menschen als auch beim Zugang zu den                         wie Lebenswelten gemeinsam, kommuni-
Lebensbereichen unserer Gesellschaft.                            kativ und teilhabeorientiert gestaltet wer-
Nach wie vor kann entweder der Wechsel                           den können. Methodenvielfalt in der UK
einer Lehrperson oder in einen anderen Le-                       wird unabdingbar.
benskontext dazu führen, dass ein unter-
stützt kommunizierender Mensch keine Be-
                                                                 Menschen mit schweren Kommunikations-
gleitung oder keine UK-Kultur (mehr) um
                                                                 beeinträchtigungen stehen auch nach
sich hat, da die Angebote der UK in vielen
Einrichtungen je nach Lebensbereich oder                         30 Jahren UK in der Schweiz vor Barrieren.
Schulklasse qualitativ sehr unterschiedlich
sind. Mit UK zu kommunizieren, wird zum                          UK und die Sache mit der Teilhabe
Exklusionsrisiko.                                                Das der ICF zugrundeliegende Konzept der
     Zeitgleich entwickelt sich das Fachge-                      Funktionalen Gesundheit (FG) besagt: «Das
biet der UK weiter und Erkenntnisse aus an-                      Ziel FG ist dann erreicht, wenn ein Mensch,
grenzenden Fachgebieten, wie Linguistik                          möglichst kompetent und gesund, an den
und frühkindliche Kommunikationsent-                             Lebensbereichen teilnimmt und teilhat, an
wicklung, verändern das UK-Fachwissen.                           denen nicht beeinträchtigte Menschen nor-
Sei es das Erlernen von Zeichensystemen,                         malerweise auch teilnehmen und teilha-
die Sprachentwicklung im Kontext der                             ben» (INSOS, 2009, S. 38). Im sozialen Han-
Mehrsprachigkeit sowie der Blick auf die                         deln entwickelt ein Mensch kommunikative
Pragmatik und die Wirkung des kommuni-                           Kompetenzen Im Sinne des Empowerments
kativen Handelns. Schliesslich stellt die UK                     – aber nur, wenn entsprechende Teilhabe-
für Menschen mit schwersten mehrfachen                           möglichkeiten vorhanden sind. So wird
Beeinträchtigungen ein wichtiges Mittel                          Kommunizieren ein Mittel zum Zweck im
der Kooperation und Verständigung dar.                           Sinne der UN-BRK und Inklusion: ohne
Auch wenn oft noch die Meinung vor-                              Kommunikation keine Teilhabe und ohne
herrscht, dass viele dieser Menschen so-                         Teilhabe keine Kommunikation (Lage, 2006,
wohl für die UK als auch für die Inklusion zu                    S. 186). Es ist Aufgabe des sozialen Um-
beeinträchtigt seien. Mit Blick auf diese                        felds, die Handlungsspielräume und Ange-
Menschen wird deutlich, welchen Heraus-                          bote zur Teilhabe bereitzustellen bzw. zu-
forderungen wir gegenüberstehen: den Ein-                        gänglich zu machen (Knobel & Lage, 2013).
stellungsbarrieren, das heisst den Barrieren
in unseren Köpfen, und den Wissensbarrie-                        UK und die Sache mit der Sprache
ren bzgl. einer entwicklungsangemessenen                         UK ist primär Kommunikation und somit
                                                                 mehr als Sprache. Gesprochene und ge-
1
    siehe auch Artikel in dieser Ausgabe von                     schriebene Sprache ist ein symbolisch ge-
    Gschwend-Sennhauser und Cappello Müller                      nutztes System von Zeichen. Dieses System

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
8             BEHINDERUNG UND SPRACHE

              funktioniert nach bestimmten komplexen              nen und ein Zeichensystem noch nicht sym-
              Regeln, die es ermöglichen, aus einer be-           bolisch verwenden, sind folgende Aspekte
              grenzten Anzahl Zeichen, zum Beispiel den           entscheidend: die Urheberschaft des eige-
              Buchstaben, Begriffe zu bilden. Mit diesen          nen Tuns empfinden, den Zusammenhang
              Begriffen lassen sich wiederum nach be-             von Ursache-Wirkung erleben, Aufmerk-
              stimmten Regeln Aussagen kombinieren                samkeit auf sich lenken sowie Ablehnung
              und Inhalte formulieren. Das Geniale eines          und später auch Zustimmung zeigen. Diese
              Zeichensystems ist das Symbolische: Losge-          präintentionalen Handlungsweisen führen
              löst vom Hier und Jetzt können Inhalte dar-         dazu, dass sich Bezugspersonen auf die Ko-
              gestellt werden. Und zwar ist es möglich,           operation und Kommunikation einlassen.
              sich mit einem symbolischen Zeichensystem           Sie trauen der Person ohne Vorbehalt etwas
              nicht nur über Befindlichkeiten oder Infor-          zu und führen sogenannte Pseudo-Dialoge:
              mationen auszutauschen, sondern auch                Jedes Zeichen, auch die leisen, feinen und
              Vergangenes, Zukünftiges oder Fiktives zu           undeutlichen, werden konsequent und
              übermitteln. Um mit den vorgegebenen Zei-           prompt als kommunikative Zeichen ange-
              chen, den Wörtern und den Sätzen inner-             nommen und als solche strukturiert über-
              halb des sprachlichen Systems handeln und           interpretiert (Nonn, 2011). Ebenso ist aus
              variieren zu können, benötigt man sprachli-         der Säuglingsforschung bekannt, dass sich
              che und kognitive Kompetenzen. Sprache ist          aus dieser zutrauenden Haltung der Bezugs-
              notwendig für eine differenzierte Kommuni-          personen heraus erste Zeichen für die vor-
              kation. Sie ist zudem identitätsbildend und         sprachliche, intentionale und kommunikati-
              ein kulturelles Phänomen (Lage, 2006,               ve Kompetenz entwickeln. Diese Methoden
              S. 25ff.). Und schliesslich ist UK für diejeni-     der strukturierten Überinterpretation, das
              gen, die mit UK-Mitteln kommunizieren (ler-         Scaffolding und das Modelling (Castañeda,
              nen), nichts anderes als Kommunikation.             Fröhlich & Waigand, 2017), sind derzeit viel
              Neben der linguistischen Kompetenz gehö-            diskutierte UK-Themen, um Gelingensbe-
              ren zur Kommunikation auch die operatio-            dingungen für die kommunikative Entwick-
              nale, soziale und strategische Kompetenz            lung zu schaffen. Die Methoden aus der
              (Antener, 2014; Light & McNaughton, 2014).          frühkindlichen Interaktion in den Kontext
                                                                  der UK zu übertragen, ist Ausgangspunkt,
                                                                  um die UK bei Menschen mit schweren
UK ist primär Kommunikation und
                                                                  Kommunikationsbeeinträchtigungen anzu-
somit mehr als Sprache.                                           bahnen: Dies wird auch kompetente Ge-
                                                                  sprächsführung in UK genannt. Hier steht
              Bei jedem noch nicht sprechenden Kind ste-          das kommunikative Handeln der Bezugsper-
              hen Erleben und Erfahrungen mit präinten-           sonen im Zentrum – die UK fängt bei uns an.
              tionalen und vorsprachlichen körpereigenen
              Zeichen im Mittelpunkt. Dies können das so-         UK und die Sache mit
              ziale Lächeln bei Zuwendung, das Schreien           dem Lernen und Lehren
              bei Hunger, Durst und Schmerzen oder das            Die Ausgestaltung einer entwicklungsange-
              Zappeln bei Freude sein. All diese Zeichen          messenen Interaktion unterstützt kommuni-
              erzeugen eine Wirkung im sozialen Umfeld.           kative Kompetenz und fördert entwicklungs-
              Für alle Menschen, die kommunizieren ler-           freundliche Angebote für die Teilhabe. Die ei-

                                                                Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
BEHINDERUNG UND SPRACHE               9

gene Rolle und das eigene kommunikative                          zeichnet Tomasello (2009) als Ursprung der
Handeln sind in der Entwicklungsbegleitung                       menschlichen Kommunikation. Vor dem ge-
entscheidend. Mit der Checkliste Triple-C für                    meinsamen Hintergrund, der durch lebens-
kommunikative Kompetenz (Bloomberg &                             weltliche Erfahrungen entsteht, können Ge-
West, 1999) existiert ein Instrument, um die                     danken und Gefühle mitgeteilt werden. Denn
frühen kommunikativen Handlungsweisen                            erst dieser macht Verständigung möglich,
eines Menschen mit schweren mehrfachen                           weil die alltägliche Kommunikation mit Aus-
Entwicklungsbeeinträchtigungen zu erfas-                         drücken gefüllt ist, die nur aufgrund eines ge-
sen. In der Zusammenarbeit mit Kommunika-                        meinsamen Weltwissens erschlossen werden
tionsanfängerinnen und -anfängern sind wir                       können (Lage, 2006). Weiter beschreibt To-
diejenigen, die die Teilhabeorte kommunika-                      masello (2009), dass Kommunikation durch
tiv und entwicklungslogisch gestalten. Des-                      Zeigegesten oder Blickrichtung und Gebär-
halb ist umfassendes Wissen zu den Grundla-                      denspiel auf dem Interesse des Anderen ba-
gen der frühen Kommunikationsentwicklung                         siert, der Zeige- und Blickrichtung zu folgen.
hilfreich, um die kleinen und feinen Verände-                    Tomasello (2009) definiert als sozial-kogniti-
rungen in der Entwicklung des Anderen er-                        ve Revolution (mit etwa neun Monaten),
kennen sowie die Begleitung mit UK planen                        wenn die kommunikative Absicht eindeutig
und reflektieren zu können (Lage, 2009). Un-                      durch die Zeigegeste erkennbar ist. Aufbau-
sere Rolle definiert sich über die Verantwor-                     end auf der geteilten Aufmerksamkeit betei-
tung, diese Menschen mit ihren individuellen                     ligt sich das Kind aktiv steuernd an der Kom-
Fähigkeiten und Ressourcen angemessen zu                         munikation und teilt seine Wünsche und Be-
unterstützen, damit sie ihre Entwicklungswe-                     dürfnisse nonverbal mit. Wenn beide Betei-
ge in ihrem Tempo, mit ihren Zielen, Wün-                        ligten kooperieren, um das Gelingen des
schen und Bedürfnissen gehen können. To-                         kommunikativen Handelns sicherzustellen,
masello (2009) hat mit seiner Theorie zur so-                    wird die kommunikative Absicht deutlich. Die
zial-pragmatischen Entwicklung der mensch-                       Kooperation hängt dabei entscheidend von
lichen Kommunikation einen wesentlichen                          der Fähigkeit der geteilten Intentionalität ab.
Beitrag für die UK geleistet. Er stellt eine an-                 Schliesslich gelingt so der Übergang zur Spra-
geborene Fähigkeit und intrinsische Motiva-                      che, bei dem die ikonischen und Zeige-Ges-
tion des Menschen zur Kooperation fest. Dies                     ten an die inhaltlichen Grenzen der Kommu-
sei der Ursprung für die geteilte Aufmerksam-                    nikation stossen. Gemeinsame Handlungen,
keit, die sich in drei Phasen entwickelt: 1) In-                 in denen jeder Mensch und seine Bezugsper-
teresse zeigen, 2) sich interessieren und 3)                     son kommunikative Absichten einbringen,
das Interesse, geteilte Aufmerksamkeit zu                        sind die Basis der frühen Kommunikations-
wiederholen.2 Die Basis der Entwicklung in-                      entwicklung (Tomasello, 2009).
tentionaler Kommunikation sind die drei Mo-                      Für die Kommunikationsentwicklung mit
tive Auffordern/Bitten, Informieren und Tei-                     UK bedeutet dies (Nonn, 2011):
len. Diese sozial-kognitiven Prozesse be-                        • viele Kommunikationsgelegenheiten
                                                                     schaffen,
                                                                 • einen umfangreichen Wortschatz zur
2
    Diese Drei-Dimensionalität im Begriff «Interesse»
                                                                     Verfügung haben mit vielen kurzen Wör-
    entstammt den Theorien zur Intentionalitäts-
    entwicklung (Joint Attention, Joint Goal, Joint                  tern, die grosse kommunikative Wirkung
    Acting; Tomasello, 2009).                                        aufweisen, sowie

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
10            BEHINDERUNG UND SPRACHE

              • lernen, die Aufmerksamkeit in sozial er-       … wie der Perspektivenwechsel zur Teilha-
                kennbarer (auch anerkannter) verständ-           beorientierung möglich wird und da-
                licher Form auf sich richten zu können           durch entwicklungsfreundliche Teilha-
                und zu wollen.                                   beorte entstehen.
                                                               … wie die Haltung der Begleitpersonen
              UK und die Sache mit                               teilhabesensibilisiert ist.
              dem Anwenden in der Praxis                       … wie mit kleinen Schritten viel möglich ist.
              Immer noch geistert der Mythos herum,
              dass ein Mensch erst bestimmte Fähig-            Mit dem Partizipationsmodell gibt es ein
              keiten erlangt haben muss, damit mit UK          Handlungsplanungsmodell in der UK, das
              begonnen werden kann. Beukelman und              für alle Menschen alltagstauglich ist.
              Mirenda (2013), nennen eine einzige Vor-
              aussetzung: die Teilhabe. Ohne diese gibt es     Fazit
              niemandem, mit dem man sprechen kann,            Was wäre, wenn alle der Überzeugung wä-
              nichts, worüber man reden könnte und kei-        ren, dass jeder Mensch kommuniziert oder
              nen Anlass zur Kommunikation.                    das Kommunizieren lernen kann? Dann wird
                                                               UK selbstverständlich im Alltag eingesetzt.
                                                               Davison-Hoult und Ward (2017, S. 14f.) kon-
Nach wie vor geistert der Mythos                               statieren: Normalerweise hören Kinder un-
herum, dass ein Mensch erst bestimmte                          gefähr 18 Monate lang rund um die Uhr ge-
Fähigkeiten erlangt haben muss,                                sprochene Sprache, bis sie das erste Wort
damit mit UK begonnen werden kann.                             sprechen. Menschen, die UK lernen sollen,
                                                               haben vielleicht eine, manchmal sogar zwei
                                                               Stunden in der Woche Zugang zur UK. Das
              Mit dem Partizipationsmodell gelang es           heisst, dass sie hochgerechnet wohl nahezu
              Beukelman und Mirenda (2013), die funk-          20 Jahre benötigen, bis sie mit UK sprechen
              tionale Teilhabe ins Zentrum der Handlungs-      können – und wir professionell Handelnde
              planung mit UK zu stellen. Es ist ein syste-     hören nicht schon vorher mit der UK auf …
              matisches Vorgehen, bei dem auch die so-              Was wäre, wenn alle Menschen mit
              zio-kulturellen Bedingungen der Lebenswel-       Kommunikationsbeeinträchtigungen ihr
              ten von Menschen mit schweren mehrfachen         Recht auf Kommunikation einfordern könn-
              Beeinträchtigungen auf Teilhabebarrieren         ten? Dann wird der konsequente Blick auf
              untersucht werden und der Partizipations-        Kommunikations- und Teilhabebarrieren im
              grad einer Person als Schlüsselkriterium für     gesellschaftlichen Leben notwendig, um
              die Kommunikationsentwicklung angese-            den Menschen mit schweren Kommunikati-
              hen wird (Lage, 2006). Das Partizipations-       onsbeeinträchtigungen den Zugang zu all
              modell integriert zudem das Wechselwir-          unseren gesellschaftlichen Bereichen zu si-
              kungsgefüge im Konzept der Funktionalen          chern. Individuelle Fähigkeiten und Bedürf-
              Gesundheit in den Kontext der UK (Lage &         nisse werden sorgfältig analysiert und
              Knobel, 2017; Knobel & Lage, 2013). Er-          durch die Diagnostik erfasst man auch mög-
              fahrungen in der Begleitung und Schulung         liche Übungsfelder für das Kommunizieren
              von Fachpersonen zum Partizipationsmodell        sowie deren Teilhabeorte. Diese Entwick-
              zeigen, …                                        lungen im Kontext der UK wie auch die

                                                             Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
BEHINDERUNG UND SPRACHE              11

menschenrechtspolitischen Vorgaben füh-                          Literatur
ren zur Forderung, dass die Begleitperso-                        Antener, G. (2014). Unterstützte Kommuni-
nen teilhabeorientierte Handlungsmodelle                            kation. Entwicklung und Perspektiven ei-
in der UK anwenden sollen.                                          nes Fachgebietes. Schweizerische Zeit-
      Was wäre, wenn für alle Menschen mit                          schrift für Heilpädagogik, 20 (11–12),
Kommunikationsbeeinträchtigungen ein Le-                            6–12.
ben lang der Zugang zur UK gewährleistet                         Beukelman, D. & Mirenda, P. (2013). Aug-
wäre? Dann ist ein Übergang in einen ande-                          mentative and Alternative Communica-
ren Lebensbereich nicht mit einem mögli-                            tion. Management of Severe Communica-
chen Risiko behaftet, die gelernten kommu-                          tion Disorders in Children and Adults (5th
nikativen Kompetenzen nicht mehr nutzen                             rev. ed.) Baltimore: Brookes Publishers.
zu dürfen oder zu können. Das BSV (2016, S.                      Bloomberg, K., Johnson, H. & West, D.
V–VII) hält in seiner Analyse zur Abgabe von                        (2004). InterAACtion (DVD). SCOPE Spas-
Kommunikationshilfen fest, dass …                                   tic Society of Victoria, Australia.
… die Unterstützung in Erwachsenen-                              Bloomberg, K. & West, D. (1999). The Triple
    einrichtungen aufgrund knapperer Res-                           C – Checklist of Communication Compe-
    sourcen und weniger geschultem Perso-                           tencies (DVD). SCOPE Spastic Society of
    nal schwächer ist.                                              Victoria, Australia.
… Fachpersonen nicht über die nötigen                            Bundesamt für Sozialversicherungen BSV
    Ressourcen (zeitlich und fachlich) verfü-                       (2016). Analyse der Abgabe von Kommu-
    gen.                                                            nikationsgeräten an Versicherte der Inva-
… UK-Kompetenzen ausbaufähig sind.                                  lidenversicherung. Bern. www.bsvlive.
… für Institutionen Anreize zu schaffen                             admin.ch/praxis/forschung/00106/01326/
    sind, um die UK stärker zu implementie-                         index.html?lang=de [Zugriff am 07.12.2018]
    ren und die entsprechenden Ressourcen                        Castañeda, C., Fröhlich, N. & Waigand, M.
    einzuräumen.                                                    (2017). Modelling in der Unterstützten
Statt Spardruck braucht es also Investitio-                         Kommunikation. Heigenbrücken: Wai-
nen im Bereich UK.                                                  gand Selbstverlag.
                                                                 Davison-Hoult, A. & Ward, C. (2017). An Int-
Was wäre, wenn alle Fachpersonen im Rah-                            roduction to AAC for People with Syndro-
men ihrer Ausbildung umfassende Kennt-                              me and other Complex Communication
nisse zur UK vermittelt bekämen? Dann kä-                           Needs. United Kingdom. www.rettuk.
men die Fachpersonen mit einem Basiswis-                            org/wp-content /uploads/woocommer-
sen in die Praxisfelder und müssen sich zu                          ce_uploads/2018/08/An-Introduction-to-
UK nicht erst noch weiterbilden.                                    A AC-for-People-with-Rett-Syndrome-
     Was wäre, wenn wir Fachpersonen un-                            and- other- Complex- Communication-
sere letzten Barrieren in den Köpfen abbau-                         Needs-Email.pdf [Zugriff am 07.12.2018].
en würden und UK als ein selbstverständli-                       Gschwend-Sennhauser, S. & Cappello Müller,
ches Handlungsfeld im professionellen Han-                          M. (2019). Qualitätsmerkmale zu Unter-
deln betrachten könnten? Dann bieten wir                            stützter Kommunikation in Organisatio-
allen Menschen immer UK an, ohne gleich                             nen. Eine Checkliste für Leitungsperso-
zu erwarten, dass sie auch sofort damit                             nen. Schweizerische Zeitschrift für Heilpä-
kommunizieren können.                                               dagogik, 2, 13–19.

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
12   BEHINDERUNG UND SPRACHE

     INSOS Schweiz (2009). Das Konzept der Funk-        Lage, D. & Knobel Furrer, C. (2017). Das Ko-
        tionalen Gesundheit. Grundlagen, Bedeu-              operative Partizipationsmodell – ein not-
        tung und Einsatzmöglichkeiten am Beispiel            wendiger Relaunch. In D. Lage & K. Ling
        der Behindertenhilfe. Bern. www.insos.ch/            (Hrsg.), UK spricht viele Sprachen. Zusam-
        assets/Downloads/Broschuere-Konzept-                 menhänge zwischen Vielfalt der Sprachen
        Funktionale-Gesundheit.pdf [Zugriff am               und Teilhabe (S. 125–138). Karlsruhe: Von
        07.12.2018].                                         Loeper.
     Knobel Furrer, C. & Lage, D. (2013). Das Kon-      Light, J. & McNaughton, D. (2014). Commu-
        zept der Funktionalen Gesundheit (FG).               nicative Competence for Individuals who
        Kompetente Teilhabe mit dem Partizipa-               require Augmentative and Alternative
        tionsmodell erreichen. In A. Hallbauer, T.           Communication. Augmentative and Al-
        Hallbauer & M. Hüning-Meier (Hrsg.), UK              ternative Communication, 30 (1), 1–18.
        kreativ! Wege in der Unterstützten Kom-         Nonn, K. (2011). Unterstützte Kommunikati-
        munikation (S. 429–443). Karlsruhe: Von              on in der Logopädie. Heidelberg: Thieme.
        Loeper.                                         Tomasello, M. (2009). Die Ursprünge der
     Lage, D. (2006). Unterstützte Kommunikati-              menschlichen Entwicklung. Frankfurt a.
        on und Lebenswelt. Eine kommunikati-                 Main: Suhrkamp.
        onstheoretische Grundlegung für eine be-        Übereinkommen über die Rechte von Men-
        hindertenpädagogische Konzeption. Bad                schen mit Behinderungen (UN-Behin-
        Heilbrunn: Klinkhardt.                               dertenrechtskonvention, UN-BRK), vom
     Lage, D. (2009). Unterstützte Kommunikation             13. Dezember 2006, durch die Schweiz ra-
        – Möglichkeiten der Prävention und Inter-            tifiziert am 15. April 2014, in Kraft seit
        vention. In K. Bundschuh & J. Bach (Hrsg.),          dem 15. Mai 2014, SR 0.109.
        Prävention und Intervention über die Le-
        bensspanne. Schulische und ausserschuli-
        sche Handlungsfelder (S. 153–187). Bad
        Heilbrunn: Klinkhardt.

                                                  Prof. Dr. Dorothea Lage
                                        Dozentin und Sonderpädagogin
                                     Leiterin des MAS Behinderung und
                                                                  Partizipation
                                      Fachhochschule Nordwestschweiz
                                           Hochschule für Soziale Arbeit
                                    Institut Integration und Partizipation
                                                      Riggenbachstrasse 16
                                                                   4600 Olten
                                                 dorothea.lage @fhnw.ch

                                                      Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
BEHINDERUNG UND SPRACHE               13

Sara Gschwend-Sennhauser und Michaela Cappello Müller

Qualitätsmerkmale zu Unterstützter Kommunikation
in Organisationen
Eine Checkliste für Leitungspersonen

Zusammenfassung
Durch den Einsatz von Unterstützter Kommunikation (UK) können Mittel und Methoden angeboten werden, mit de-
nen Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen kommunizieren und aktiv partizipieren können. Damit für Be-
troffene der Zugang zur UK lebenslang gewährleistet ist, sind Organisationen der Behindertenhilfe aufgefordert, ent-
sprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Das UK-Netzwerk Schweiz hat die Checkliste «Qualitätsmerkmale zu
UK in Organisationen» erarbeitet, um Leitungspersonen bei diesem Prozess zu unterstützen.

Résumé
L’utilisation de la communication améliorée et alternative (CAA) permet d’offrir à des personnes ayant des difficultés de
communication des outils et méthodes leur permettant de communiquer et de participer activement. Afin que les per-
sonnes concernées puissent bénéficier tout au long de leur vie de la CAA, les organisations d’aide aux personnes en si-
tuation de handicap sont appelées à créer des conditions-cadre adaptées. Le réseau CAA Suisse a établi une checklist
des « critères de qualité relatifs à la CAA dans les organisations » pour épauler les responsables dans ce processus.

Permalink: www.szh-csps.ch/z2019-02-02

Ausgangslage                                                     schiedener regionaler Netzwerke und diver-
Kommunikation ist ein menschliches Grund-                        ser Gremien zu UK in der deutschsprachigen
bedürfnis und beeinflusst die Lebensquali-                        Schweiz, hat sich über längere Zeit mit der
tät. Jeder Mensch hat das Recht, Wege und                        Ausarbeitung zentraler Qualitätsmerkmale
Mittel kennenzulernen, mit welchen er an-                        für eine organisationsinterne Implementie-
deren die eigenen Bedürfnisse, Wünsche                           rung von UK beschäftigt. Es hat die Check-
und Interessen so effektiv wie möglich mit-                      liste «Qualitätsmerkmale zu UK in Organi-
teilen kann. In den letzten Jahren konnte                        sationen»1 für Leitungspersonen in Organi-
beobachtet werden, dass sich immer mehr                          sationen der Behindertenhilfe erarbeitet,
Organisationen der Behindertenhilfe die                          welche anhand verschiedener Qualitäts-
Etablierung und strukturelle Verankerung                         merkmale eine Einschätzung des aktuellen
von UK zum Ziel gesetzt haben. Noch kann                         Standes der UK-Implementierung innerhalb
aber nicht davon ausgegangen werden,                             der Organisation ermöglicht. Das Instru-
dass UK in der Arbeit mit Menschen mit                           ment ist als Ergänzung zu bestehenden
Kommunikationsbeeinträchtigungen eine                            Qualitätssicherungssystemen gedacht und
Selbstverständlichkeit ist. Nach wie vor                         soll neben dem Istzustand auch einen allfäl-
bleiben viele Betroffene ohne angemessene                        ligen Entwicklungsbedarf im Bereich der UK
Beratung, Förderung und Versorgung.
      Das UK-Netzwerk Schweiz (www.uk-                           1
                                                                     Die Checkliste kann unter www.buk.ch/downloads
netzwerk.ch), ein Zusammenschluss ver-                               heruntergeladen werden.

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
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              aufzeigen. Die Qualitätsmerkmale basieren       Verfügbarkeit grundlegender
              auf fundierten wissenschaftlichen Erkennt-      Wissensinhalte zu UK (QM1)
              nissen und auf praxisbezogenen Erfah-           Organisationen der Behindertenhilfe erheben
              rungen verschiedener Organisationen (Bau-       den Bestand, die Ressourcen und den Bedarf
              nach et al., 2007; Lage, 2006; Sennhauser,      zu UK. Sie legen ihre grundlegenden Wissens-
              2009).                                          inhalte und individuellen Wissensstandards
                   Nebst den Grundsätzen der UK müssen        in Bezug auf UK fest und stellen diese allen
              auch Elemente aus der Organisationsent-         Mitarbeitenden zur Verfügung. Kontinuierli-
              wicklung in den Verankerungsprozess ein-        che Weiterbildungsveranstaltungen ermögli-
              bezogen werden, da sich insbesondere Fak-       chen es allen Mitarbeitenden, ein allgemei-
              toren des organisationalen Lernens, des         nes UK-Wissen aufzubauen. Interne und ex-
              Wissens- und des Qualitätsmanagements           terne Weiterbildungen zu verschiedenen UK-
              entscheidend auf eine nachhaltige UK-Im-        Themen tragen dazu bei, das Fachwissen aller
              plementierung auswirken. Vor diesem Hin-        Mitarbeitenden nachhaltig zu erweitern. Da-
              tergrund entstand die Checkliste, welche im     neben soll einzelnen Mitarbeitenden der Zu-
              Folgenden vorgestellt wird.                     gang zu individueller UK-spezifischer Weiter-
                                                              bildung ermöglicht werden, um sich dadurch
                                                              Expertise anzueignen.
Die Qualitätsmerkmale zeigen                                       Mithilfe von Wissensmanagement wird
Rahmenbedingungen auf, damit sich UK                          das individuelle (UK-)Fachwissen für die ge-
wirkungsvoll in Organisationen                                samte Organisation nutzbar und zugänglich
der Behindertenhilfe etablieren kann.                         gemacht. Dazu eignet sich beispielsweise
                                                              das Modell von Probst, Raub und Romhardt
                                                              (2012) mit den Bausteinen «Wissen identifi-
              Qualitätsmerkmale zu UK                         zieren, erwerben, entwickeln, verteilen,
              in Organisationen                               nutzen, bewahren, bewerten und Wis-
              Die nachfolgenden Qualitätsmerkmale             sensziele definieren» (vgl. dazu auch Lage
              (QM1–7) zeigen auf, welche Rahmenbe-            & Knobel Furrer, 2014). Um sich der eigenen
              dingungen berücksichtigt werden müssen,         Ressourcen bewusst zu werden, kann in
              damit sich UK wirkungsvoll in Organisatio-      Form einer Wissenslandkarte (Gerhards &
              nen der Behindertenhilfe etablieren kann.       Trauner, 2010) eine Übersicht über das in
              Gleichzeitig kann anhand dieser Qualitäts-      der Organisation vorhandene Wissen ge-
              merkmale überprüft werden, inwieweit UK         schaffen werden. Zur erfolgreichen Bewäl-
              bereits in einer Organisation implemen-         tigung aktueller sowie zukünftiger Aufga-
              tiert ist und welche Teilbereiche noch zu       ben muss gleichzeitig aber auch immer wie-
              optimieren sind. Jede Organisation funk-        der neues Wissen generiert werden.
              tioniert aufgrund ihrer Strukturen und               Neue Mitarbeitende werden in regel-
              Prozesse anders und hat einen individuel-       mässigen Abständen in die Thematik einge-
              len Bedarf. Deshalb sind die ausgearbei-        führt, um die Möglichkeiten von UK ken-
              teten Inhalte der Qualitätsmerkmale als         nenzulernen und über die organisationsin-
              Empfehlungen zu verstehen, die sich den         ternen Vereinbarungen (Standards) infor-
              Bedingungen und Bedürfnissen anpassen           miert zu werden. Die Mitarbeitenden
              lassen.                                         müssen wissen, wo und bei wem sie sich in-

                                                            Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
BEHINDERUNG UND SPRACHE             15

formieren können. Weiter geht es auch da-                        aktualisiert. Vorgänge des Implementierens
rum, dass sie sich Methoden und Strategien                       (nicht nur der UK) gehören immer in die Zu-
aneignen, um das Theoriewissen in alltägli-                      ständigkeit des Managements (Lage & Stei-
che Handlungskompetenzen integrieren zu                          ner, 2018): Leitungspersonen treffen Ent-
können. Ausgangspunkt ist das spezifische                         scheidungen für das Anpassen bestehender
Wissen (das Was) und das Know-how (das                           Strukturen, Abläufe und Konzepte und füh-
Wie) im umfassenden Konzept der UK (Lage                         ren die Prozesse, deren Planung, Umset-
& Knobel Furrer, 2014).                                          zung und Überprüfung in der Organisation.
                                                                 Sie unterstützen UK, tragen sie mit und ver-
Verankerung der UK                                               treten sie intern sowie gegen aussen.
in der Organisation (QM2)
Wird in Organisationen der Behindertenhil-                       UK ist in die Strukturen, Prozesse
fe eine nachhaltige Implementierung von UK
                                                                 und Konzepte der Organisation
angestrebt, müssen entsprechende struktu-
relle Rahmenbedingungen vorliegen und or-
                                                                 zu integrieren und muss Bestandteil
ganisationale wie auch qualitätssichernde                        des Qualitätsmanagements sein.
Massnahmen getroffen werden. UK ist in die
Strukturen, Prozesse und Konzepte der Or-                        Finanzielle, zeitliche und personelle
ganisation zu integrieren und muss Bestand-                      Ressourcen für UK (QM3)
teil des Qualitätsmanagements sein: UK                           Die Organisationen der Behindertenhilfe ver-
muss beispielsweise in Aufnahme- und                             fügen über zeitgemässe materielle Ressour-
Standortgesprächen zu einer Selbstver-                           cen (z. B. UK-Materialien, Hilfsmittel, Fach-
ständlichkeit werden sowie in verschiedens-                      literatur) oder ermöglichen den einfachen
ten Dokumenten und (päd-)agogischen Kon-                         Zugang zu diesen. Ebenso sind finanzielle
zepten (z. B. Leitbild, Rahmenkonzept, Ent-                      Ressourcen notwendig, welche eine langfris-
wicklungsplanung) verankert sein.                                tige und flächendeckende Verankerung in
      Die Organisationen verfügen über ein                       der Organisation gewährleis-ten (z. B. Aus-
entsprechendes Konzept oder einen Leitfa-                        und Weiterbildung, Fachberatung).
den zu UK. Dort sind wichtige Grundlagen                               Die Organisationen stellen in angemes-
des Fachbereichs sowie organisationsinter-                       senem Umfang Arbeitszeit für UK zur Verfü-
ne Vereinbarungen (Standards) festgehal-                         gung. Die Arbeit mit UK braucht Zeit und
ten, die für alle Mitarbeitenden verbindlich                     benötigt klar definierte Zeitgefässe für den
sind. Sie sollen als Instrument zur Umset-                       interdisziplinären Austausch, für Praxisrefle-
zung im Alltag dienen und damit zu einem                         xionen sowie zur Methoden- und Material-
Stück gelebter Kultur in der Praxis werden.                      entwicklung. Fixe Traktanden in Sitzungs-
Die Entwicklung gemeinsamer Vereinba-                            und Austauschgefässen sind nötig, damit
rungen schafft Klarheit, Kontinuität und Si-                     UK aktuell gehalten werden kann.
cherheit. Die angewandten UK-Mittel und                                Da es letztlich nicht nur um Strukturen
Methoden werden koordiniert und eine ei-                         und Prozesse, sondern vor allem auch um
gene, organisationsinterne «alternative                          Inhalte geht, sind personelle Ressourcen
Kommunikationskultur» wird festgelegt.                           nötig, um in jeder Organisation qualifizier-
      Die Umsetzung und Verankerung der                          te Fachpersonen mit vertieften UK-Kennt-
UK wird zudem regelmässig überprüft und                          nissen zur Verfügung zu haben.

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
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              Qualifizierte UK-Fachpersonen (QM4)               über alle Lebensphasen laufende Diagnos-
              In Organisationen der Behindertenhilfe           tik, Planung, Durchführung und Überprü-
              werden einzelne Mitarbeitende zu UK-Fach-        fung der UK-Massnahmen verstanden. Le-
              personen aus- oder weitergebildet. Diese         benslanges Lernen bedingt ein Erweitern
              wirken als Multiplikatoren und vervielfa-        der kommunikativen Fähigkeiten, wofür
              chen das erworbene Wissen innerhalb der          erst einmal die Kommunikationsbeeinträch-
              Organisation. Qualifizierte UK-Fachperso-         tigungen in ihrer Komplexität gezielt erfasst
              nen verfügen über umfassende Kenntnisse          werden müssen. Anhand von Handlungs-
              und Erfahrungen im sich ständig weiterent-       modellen wie beispielsweise dem «koope-
              wickelnden Fachgebiet der UK, kennen des-        rativen Partizipationsmodell» (Lage & Kno-
              sen theoretische Bezugssysteme und kön-          bel Furrer, 2017) orientieren sich die UK-
              nen Handlungsmodelle in UK anwenden              Massnahmen am Alltag, werden individuell
              (Lage, 2006). Zudem sind sie für die Erstel-     analysiert, geplant und regelmässig über-
              lung des UK-Konzepts verantwortlich und          prüft. UK-Interventionen werden aufgrund
              kümmern sich anschliessend um die Erhal-         des ermittelten Handlungsbedarfs systema-
              tung und Verbreitung des UK-Wissens in der       tisch und theoriegeleitet eingeführt, umge-
              Organisation. Ihre Positionierung innerhalb      setzt und weiterentwickelt.
              des Organigramms sowie ein schriftlicher              Die Kontinuität der kommunikations-
              Stellen- und Aufgabenbeschrieb regeln die        unterstützenden Massnahmen ist über alle
              Zuständigkeitsbereiche, definieren Aufga-         Altersstufen und auch bei Übergängen oder
              ben und verteilen Verantwortlichkeit sowie       bei Wechseln von Bezugspersonen gewähr-
              Entscheidungskompetenz.                          leistet. UK-relevante Informationen werden
                                                               bei Übertrittsgesprächen weitergegeben,
                                                               damit für Menschen mit Kommunikations-
Ausgebildete UK-Fachpersonen wirken als
                                                               beeinträchtigungen das Kommunizieren
Multiplikatoren und vervielfachen das er-
                                                               weiterhin gesichert bleibt. Hierbei hat sich
worbene Wissen innerhalb der Organisation.                     die Dokumentation der UK-Massnahmen in
                                                               einem Dossier sehr bewährt. Darin wird
              UK-qualifizierte und professionalisierte          festgehalten, über welche Kompetenzen die
              Fachpersonen bilden sich laufend weiter          betroffene Person verfügt, mit welchen
              und sind (über-)regional vernetzt. Sie koor-     Mitteln sie kommuniziert, welche Ziele an-
              dinieren, implementieren und etablieren die      gestrebt werden und welche Massnahmen
              UK in der Organisation. Sie bieten Beratung      bereits getroffen wurden. Entsprechende
              und Unterstützung an, koordinieren die           Dokumentationsvorlagen2 sind von den UK-
              Massnahmen und sind Anlaufstelle für spe-        Netzwerken erstellt worden.
              zifische Fragen und Anliegen der Mitarbei-             Der Kooperation mit den Bezugsperso-
              tenden, der Mitglieder des sozialen Netz-        nen, dem sozialen Umfeld und der UK-Per-
              werks und der Betroffenen selbst.                son selbst kommt im Rahmen der Kommu-
                                                               nikationsförderung eine erhebliche Bedeu-
              UK als Bestandteil der individuellen             tung zu. Die Kompetenzen der Bezugsper-
              Entwicklungsplanung (QM5)
              Entwicklungsorientierung wird im Zusam-          2
                                                                   siehe z. B. «Kommunikationspass» im Download-
              menhang mit UK als ständig begleitende,              bereich von www.buk.ch

                                                             Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
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sonen tragen entscheidend dazu bei, ob                           nem zentralen Mittel, den Weg in Richtung
eine unterstützende Massnahme erfolg-                            vermehrter Selbstbestimmung und Empow-
reich ist. Das soziale Umfeld ist massgeblich                    erment für Menschen mit Beeinträchtigun-
dafür verantwortlich, die alternativen For-                      gen und Behinderungen zu ebnen. UK er-
men der UK zu lernen sowie UK zu lehren                          möglicht es, Verstehens- und Verständi-
und vorzuleben (Modelling), um so gemein-                        gungsprozesse kooperativer und partizipati-
sam eine UK-Kultur in den Lebenswelten zu                        ver zu gestalten, indem die betroffenen
entwickeln (Lage & Knobel Furrer, 2014).                         Personen mitbestimmen und eine Stimme
                                                                 erhalten.
Einbezug betroffener UK-Nutzerin-
nen und -Nutzer (QM6)
                                                                 Beim UK-Versorgungsprozess wird
Bezogen auf die Lebenslaufplanung sowie
                                                                 eine grösstmögliche Mitbestimmung
die unterschiedlichen Mittel und Wege der
UK werden personelle und materielle Unter-                       der Betroffenen angestrebt.
stützungsmassnahmen der betreffenden
Person in den einzelnen Sozialisations- und                      Weiterführung von UK während
Lebensphasen und den damit verbundenen                           der gesamten Lebenszeit (QM7)
Lebensbereichen gemeinsam geplant. Es                            Die individuelle Versorgung mit UK muss
werden, wenn immer möglich, die Teilhabe                         über die gesamte Lebenszeit hinweg gesi-
der Betroffenen am UK-Versorgungsprozess                         chert sein, damit die erworbenen kommuni-
und eine grösstmögliche Mitbestimmung                            kativen Fähigkeiten beibehalten und stets
angestrebt. Die unterschiedlichen Kommu-                         weiterentwickelt werden können. Allen
nikationsbedürfnisse der Person, aber auch                       Menschen mit Kommunikationsbeeinträch-
Erwartungen und Anforderungen an ihre                            tigungen soll das Erlernen, Anwenden und
kommunikativen Kompetenzen im sozialen                           Erweitern ihrer kommunikativen Fähigkei-
Umfeld müssen lebenslang berücksichtigt                          ten ermöglicht werden. Dazu müssen ihnen
werden (Lage, 2006). Dafür soll auch das                         lebenslang all diejenigen Formen, Mittel
Vokabular auf den individuellen Hilfsmitteln                     und Zeichensysteme zur Verfügung stehen,
laufend den Bedürfnissen der UK-Nutzerin-                        die sie benötigen und lernen können, um
nen und Nutzer angepasst werden.                                 kompetent teilhaben zu können (Lage &
      Im Kontext der UK bedeuten Autono-                         Knobel Furrer, 2014).
mie und Empowerment, dass den Menschen                                Menschen mit Kommunikationsbeein-
mit eingeschränkten Kommunikationsmög-                           trächtigungen benötigen ein multimodales
lichkeiten echte Entscheidungs- und Mitbe-                       Kommunikationssystem, das auf ihre indivi-
stimmungsmöglichkeiten eröffnet, Strategi-                       duellen Bedürfnisse und Ressourcen abge-
en der persönlichen Entscheidungsfindung                          stimmt ist. Bei der Auswahl werden insbe-
vermittelt und dadurch echte Kommunikati-                        sondere auch motorische Fertigkeiten und
onsmöglichkeiten angeboten werden. Auch                          kognitive Fähigkeiten einbezogen. Zu be-
unterstützt kommunizierende Menschen                             achten ist, dass den unterstützt kommuni-
haben eigene Motive und Bedürfnisse, sol-                        zierenden Menschen in Gesprächssituatio-
len individuelle Ziele setzen und diese selbst                   nen ausreichend Zeit eingeräumt wird. UK
planen, durchführen und vor allem mitteilen                      wird im Alltag der Betroffenen so geplant,
können. UK wird in diesem Kontext zu ei-                         gestaltet und umgesetzt, dass sie gemäss

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 25, 2 / 2019
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