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PARA Das Magazin für den Querschnitt. plegiker Themenschwerpunkt: Pflege und Assistenz Gesundheit Burnout – wenn die Pflege den Angehörigen krank macht Politik Mehr Tempo bei der Inklusion notwendig Deutschsprachige Medizinische Winter 2019 Gesellschaft für Paraplegiologie
Foto: Volker Muth, www.volkermuth.net EDITORIAL Selbstbestimmtes Leben ist ein Menschenrecht Liebe Leserin, lieber Leser, Selbstbestimmung ist ein hohes Gut. Es ist wohl DAS Merkmal, welches den mündigen Menschen ausmacht. Lange genug war Neue die Fremdbestimmung, getarnt als Fürsorge, für Menschen mit Behinderung in Deutschland an der Tagesordnung. Jahrzehn- telang prägte diese Denkweise die Behindertenpolitik, formte den gesellschaftlichen Diskurs und benachteiligte Generatio- Impulse? nen von Menschen mit Behinderung. Meilensteine und Rückschläge Seit 2009 ist nun die UN-Behindertenrechtskonvention gel- Kirsten Bruhn eröffnet mit dem tendes Recht in Deutschland. Anfang Oktober blickte ein Editorial den PARAplegiker in 2019. Workshop des Bündnis 90/Die Grünen auf die bisherige Ent- wicklung zurück. Lesen Sie auf Seite 44, was unsere Peers Lisa Schmidt und David Lebuser dazu aus Berlin berichten. Wir müssen feststellen: zehn Jahre später ist die UN-Kon- Arbeitgebermodell in Deutschland verstarb viel zu früh im vention noch immer nicht vollends umgesetzt. Aktuelle Ent- August 2008. Elke Bartz war Mitbegründerin und langjährige wicklungen belegen, dass dieselbe defizitorientierte und vom Vorsitzende des Forums für Selbstbestimmte Assistenz (ForseA Schauen Sie doch einfach mal in unser neues Kursprogramm ! Fürsorgegedanken geprägte Denkweise noch immer in vielen e.V.). Der Bundesverband unterstützt bis heute Menschen mit Köpfen verhaftet ist. Gepaart mit dem Willen, Einsparungen Behinderungen darin, auch mit hohem Assistenzbedarf außer- bei der Versorgung hilfebedürftiger Menschen vorzunehmen, halb von stationären Einrichtungen zu leben (Seite 24). ist dies eine fatale Konstellation, die auch heute noch zu dra- matischen Einschränkungen bei Teilhabe und Selbstverwirkli- Der Preis der Teilhabe chung von Menschen mit Behinderung führt. Kurse zu verschiedensten Themen Ein aktuelles Beispiel ist der Referentenentwurf für das Re- Ein aktuelles Beispiel aus der Peer-Arbeit der FGQ belegt, wohin habilitations- und Intensivpflegestärkungsgesetz, kurz RISG. die falsche Form der Pflege führt: Für einen beatmungspflichti- Für Querschnittgelähmte und Sollte der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form umgesetzt werden, so käme dies faktisch dem Ende der häuslichen Kran- gen Tetraplegiker wird die Pflegeeinrichtung zur Endstation. Unser Vorstand und Peer, Frieder Seiferheld, berichtet im Inter- Begleitpersonen … kenpflege für Menschen mit einem hohen Bedarf an medizi- nischer Behandlungspflege gleich. Auch wenn das Bundesge- view auf Seite 17 von dieser dramatischen Entwicklung. Aufgabe der Politik ist es, gleiche Voraussetzungen für alle sundheitsministerium Nachbesserung versprochen hat, so gilt Menschen, gleich welchen Alters, ob mit oder ohne Behinde- es den Gesetzwerdungsprozess kritisch zu begleiten und auf rung und in allen Teilen Deutschlands zu schaffen, damit sich Kursprogramm online: eine Durchsetzung unserer Ansprüche zu pochen. Lesen Sie dazu unseren Kommentar auf Seite 37. diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten verwirklichen können. Der richtige Rahmen für Pflege und Assistenz ist für Men- www.manfred-sauer-stiftung.de schen mit Hilfebedarf eine wesentliche Voraussetzung für ein Langjähriger Kampf selbstbestimmtes Leben. Für diese Menschen bietet ein Leben außerhalb der Institutionen, organisiert mit Persönlicher As- Für die Selbstbestimmung haben Menschen mit Behinderung sistenz, die Möglichkeit, intensiver und selbstbestimmter am jahrzehntelang gekämpft. Persönliche Assistenz wird von der Leben teilzuhaben. Jens Spahn hat dies offensichtlich noch Selbstbestimmt-Leben-Bewegung als ein zentrales Mittel für nicht verstanden. ein selbstbestimmtes Leben in allen Bereichen gesehen: Bei der persönlichen Assistenz organisieren die Betroffenen ihre Inklusive Grüße aus der Bundeshauptstadt und alles Gute für Hilfe selbst. Unsere Autorin Nikola Hahn hat drei FGQ-Peers zu das neue Jahr sendet Ihre Oder Sie Manfred-Sauer-Stiftung ihren Erfahrungen mit der Assistenz befragt (Seite 11). bestellen Ihr Neurott 20 Elke Bartz erlebte die Einführung der UN-Behindertenkon- gedrucktes D-74931 Lobbach vention in Deutschland nicht mehr. Die Vorkämpferin für das Exemplar bei: Tel. +49 6226 960 250 info@manfred-sauer-stiftung.de PARAplegiker 4/2019 3
Inhalt Gesundheit Fo Wie viel körperliche Nähe to: Eik eH kann ich ertragen? allw achs Maria-Cristina Hallwachs hat eine hohe Querschnittlähmung Foto: Andi Weiland I Gesellschaftsbilder.de und benötigt rund um die Uhr Unterstützung. Was bedeuten Nähe und Distanz für sie? Wie definiert sie das Wort „Privat- Fo heit“? Wie gehen ihre Assistenten mit dem Thema um? to: FG Maria-Cristina Hallwachs gibt persönliche Einblicke. Q, L u ka s K ap fer 24 30 GESUNDHEIT 28 Neuro-urologische Therapieoptionen bei querschnittgelähmten Senioren Gesundheit 30 Nähe und Distanz 6 Assistenz = Freiheit 32 Burnout – wenn die Pflege den Angehörigen krank macht Viele Menschen mit Behinderung scheitern mit ihrem ersten Antrag auf Assistenz. Der PARAplegiker erläutert, welche MITEINANDER Leistungen Menschen mit Beeinträchtigungen gesetzlich zustehen, wer die Kostenträger sind und wie die Assistenz 34 Schwermetaller auf Inklusionskurs organisiert wird. FGQ News KOMMENTAR Vierter weltweiter SCI-Day 42 37 Das Ende der Selbstbestimmung? FGQ NEWS Am 5. September 2019 machten vier Verbände auf die 06 Chance genutzt – Verbände setzen ein Zeichen Anliegen von Menschen mit Querschnittlähmung in Berlin RECHT & SOZIALES 08 Tschechiche Peers zu Gast in Lobbach Foto: Werner Pohl aufmerksam: Mit Gesprächen, Präsentationen und einer 38 Der schwere Weg zur Assistenz 09 Regionaler SCI-Day in Greifswald öffentlichkeitswirksamen Aktion am Brandenburger Tor 39 Die Finanzierung der Assistenz ist gesichert: Viel zu früh … sorgten sie für Denkanstöße in der Bevölkerung. Und wie geht’s jetzt weiter? 21 FAKTEN Mobilität MOBILITÄT 10 Ohne pflegende Angehörige geht es nicht 40 Für mehr Mobilität und Lebensqualität Die große Freiheit 42 Die große Freiheit Mobil zu sein bedeutet auch, die Welt zu entdecken. PARAplegiker- PEERS Autor Werner Pohl hat sich auf der diesjährigen Rehacare in Düssel- 11 Ein Optimum an Freiheit dorf nach Anbietern, Produkten und Ideen für reisefreudige POLITIK Menschen mit speziellen Bedürfnissen umgeschaut. 44 Mehr Tempo bei der Inklusion notwendig MENSCHEN Foto: Mara Zemgaliete; uwimages – stock.adobe.com 14 Der Aktivist Foto: Keystone/Valentin Flauraud ERNÄHRUNG Ernährung 17 Tetraplegiker im Spannungsfeld von Bedürfnissen, Fo 46 Alexander Herrmann: Spaghettoni mit Ofen- Bürokratie und Betreuung Spaghettoni to: Dö tomaten-Sauce und knusprigen Parmesan-Bröseln rfel mit Ofen- Fotodesign Nürnb 47 Tomaten: paradiesischer Genuss THERAPIE 19 Versorgungslücken schließen tomaten- SERVICE Sauce er g Medizin & Forschung 48 Arbeitsgemeinschaften (ARGE) der FGQ MEDIZIN & FORSCHUNG Hoffnung auf Heilung? 21 Hoffnung auf Heilung? 48 Autoren Diesmal gibt es ein Rezept für die Seele: Die Spaghettoni von Der Schweizer Neurowissenschaftler Prof. Dr. Grégoire 50 Vorschau I Beirat I Impressum Alexander Herrmann eignen sich Courtine und sein Team arbeiten an einer kombinierten für jede Gelegenheit, sind einfach zuzubereiten GESUNDHEIT 46 Therapie aus Elektrostimulation und einem intensiven GLOSSE – DAS ALLERLETZTE und super lecker! Lokomotionstraining. Dabei senden sie elektrische Signale in 24 Assistenz = Freiheit einem auf das Gehen abgestimmten zeitlichen und räum- Verweigerte Assistenz = Freiheitsberaubung 51 Mein Mann, der Held! lichen Muster. Der langjährige Aufwand zeigt erste Erfolge. 26 Assistenz – raus aus der Sozialhilfe? Titelfoto: F GQ-Peer David Lebuser beim SCI-Day 2019 in Berlin (FGQ, Lukas Kapfer) 4 PARAplegiker 4/2019 PARAplegiker 4/2019 5
Fotos (4): FGQ, Lukas Kapfer FGQ NEWS FGQ NEWS Hilfestellungen benötigen sie dabei? Nicht nur allgemeine, sondern ganz konkrete Antworten auf diese und viele weitere relevante Fragen konnte Prof. Dr. Gutenbrunner, Chefarzt und Abteilungsleiter der Klinik für Rehabilitationsmedizin in Han- nover, der Staatssekretärin und weiteren Mitarbeitern des Mi- nisteriums geben. Möglich machte das die German Spinal Cord Injury Survey (GerSCI), eine aufwändig durchgeführte Studie, die erstmals belastbare statistische Informationen zur Verfü- gung stellt. Auf der Basis der Befragung von mehr als 1.400 Betroffenen wurde eine Vielzahl von Daten ermittelt, die eine realistische Beurteilung der Situation der Betroffenen ermög- licht. Prof. Gutenbrunner präsentierte nicht nur die bloßen Fakten, sondern stellte auch die sich daraus ergebenden Forde- rungen: Von Querschnittlähmung Betroffene bedürfen einer lebenslangen, speziellen medizinischen Versorgung. Sie benö- Prof. Dr. Gutenbrunner, Chefarzt und Abteilungsleiter der Klinik für tigen barrierefreie ambulante Versorgungsstrukturen und eine Rehabilitationsmedizin in Hannover, stellte Staatssekretärin Sabine kostenträgerunabhängige Versorgung mit den notwendigen Weiss und den Teilnehmern des Aktionstages im Bundesministerium Hilfsmitteln. für Gesundheit die Ergebnisse der GerSCI-Studie vor. Nicht zu übersehen: Vor dem Brandenburger Tor machten vier Verbände Vertieft und ergänzt wurde der Fachvortrag des Professors auf die Anliegen von Menschen mit Querschnittlähmung aufmerksam. durch eine sich anschließende Bürgersprechstunde, an der zahlreiche persönlich Betroffene sowie Experten aus Quer- schnittzentren teilnahmen. Moderiert wurde dieser Dialog von tet, sich solchen Erschwernissen im Rollstuhl zu stellen, zu die- Felix Schulte, dem Geschäftsführer der FGQ. ser Erfahrung luden die Organisatoren vor dem Brandenburger Es sind Veranstaltungen wie diese, für die der weltweite Ak- Tor Interessierte ein. Hilfsmittelhersteller Ottobock hatte für Vierter weltweiter „Spinal Cord Injury Day“ tionstag steht, und die organisierenden Verbände nutzen diese die Aktion Rollstühle zur Verfügung gestellt und so bekamen Chance genutzt – Chance gut. Die direkte Begegnung mit Betroffenen öffnet den Fußgänger die Gelegenheit zu einer „Schnupperrunde“ unter Entscheidungsträgern einen konkreten Zugang zu den Sach- sachkundiger Anleitung. Nicht anders als im Ministerium dürf- verhalten und gibt ihnen die Chance, ihre Planungen enger mit te auch hier das praktische Erleben so manchen Denkprozess der Praxis abzugleichen. Wie notwendig das ist, kam bei dieser angestoßen haben. Verbände setzen ein Zeichen Begegnung am Beispiel eines derzeit in der Kritik stehenden Entwurfs des Gesundheitsministeriums zur Sprache. Der Refe- rentenentwurf zum Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz Den Unterschied zwischen Theorie und Praxis in die Öf- fentlichkeit zu tragen und so für Denkanstöße zu sorgen, da- für steht die Idee des Spinal Cord Injury Day. Mit der Aktion in (RISG) sieht vor, die Versorgung und Pflege von Menschen, die Berlin nutzten die kooperierenden Verbände diese Gelegenheit auf Beatmung angewiesen sind, obligatorisch per Heimunter- optimal. T reffen mit einer Staatssekretärin im Bundesministerium lamentarischen Staatssekretärin Sabine Weiss, die bei dieser bringung zu organisieren und diese „Versorgungsform“ zu Las- Werner Pohl für Gesundheit, Präsentation einer Studie zur Situation Gelegenheit Informationen aus erster Hand erhielt. ten einer Pflege in den eigenen vier Wänden zu stärken. Dass von Querschnittgelähmten in Deutschland, Bürger- diese Idee völlig an der Realität einer Vielzahl von Betroffenen sprechstunde mit Betroffenen, eine öffentlichkeitswirksame Fakten und Forderungen vorbeigeht, dämmert unterdessen wohl auch den Verantwort- Aktion vor dem Brandenburger Tor: Den jährlich am 5. Septem- lichen. Das Eingeständnis des Referatsleiters Leistungsrecht ber stattfindenden Spinal Cord Injury Day nutzten vier Verbän- Wie sieht die Situation von Querschnittgelähmten konkret des Bundesmininsteriums für Gesundheit, Dr. Abt, der Entwurf de für eine erfolgreiche gemeinsame Aktion. aus, was bestimmt den Alltag dieser Menschen, wie kommen sei offensichtlich missverständlich formuliert worden, lässt sie mit ihrer besonderen Lebenssituation zurecht und welche hoffen, dass das Werk noch einmal auf den Prüfstand kommt. Wenn Politik über die Köpfe von Betroffenen hinweg gemacht wird, sind Konflikte programmiert. Bekanntlich wirkt dem Die von FGQ-Geschäftsführer Felix Schulte Probleme öffentlich gemacht nichts besser entgegen, als die Verantwortlichen beizeiten mit moderierte Bürgersprechstunde verlief lebhaft. Informationen zu versorgen. Dieser Gedanke stand Pate bei ei- Nicht nur hinter verschlossenen Türen ging es an diesem Tag nem Treffen, das am 5. September im Bundesministerium für zur Sache. Viel Beachtung fand der „Outdoor-Teil“ der Aktion, Gesundheit in Berlin stattfand. Angestoßen worden war die den Betroffene bei bestem Herbstwetter auf dem Pariser Platz Aktion von vier Verbänden, die, jeder auf seine Weise, mit der in unmittelbarer Nähe des Brandenburger Tores inszenierten. Situation von Querschnittgelähmten in Deutschland befasst Unter den wachsamen bis misstrauischen Blicken von Ord- sind: der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für nungshütern errichteten sie einen Parcours, der die Probleme Paraplegiologie (DMGP), der Deutschen Stiftung Querschnitt- illustrierte, mit denen sich Rollstuhlnutzer oft in der Öffent- Für Staatssekretärin Sabine Weiss und ihre Mitarbeiter lähmung (DSQ), der Fördergemeinschaft der Querschnittge- lichkeit konfrontiert sehen. Über nicht abgesenkte Bordsteine, Dr. Christian Abt und Andrea Krogmann (v.l.) war der lähmten (FGQ) und dem Deutschen Rollstuhlsportverband Kopfsteinpflaster, Wege mit starker Seitenneigung und vieles SCI-Day ein Tag mit Erkenntnisgewinn. (DRS). Verantwortliche dieser Verbände trafen sich mit der Par- mehr machen sich Fußgänger kaum Gedanken. Was es bedeu- 6 PARAplegiker 4/2019 PARAplegiker 4/2019 7
FGQ, Ron Liebsch FGQ NEWS FGQ NEWS Drei Damen aus Tschechien zu Besuch: CZEPA-Präsidentin Alena Jančíková, Peer-Koordinatorin Regionaler SCI-Day Petra Černá und Peer Hana in Greifswald Doležalová (v.r.). Viel zu früh … N icht nur auf nationaler, auch auf regionaler Ebene machten Betroffene auf ein barrierefreies und selbstbe- stimmtes Leben mit Querschnittlähmung aufmerksam. … verstarb unser Beiratsmitglied Dr. Eckhart Dietrich Leder, Anlässlich des „Internationalen Tags der Querschnittgelähm- Viszeralchirurg und Darmspezialist am 1. September 2019 ten“ am 5. September führte die BDH-Klinik Greifswald, ver- im Alter von 58 Jahren. treten durch den leitenden Oberarzt des Querschnittgelähm- tenzentrum Dr. Jörn Bremer, und das Sanitätshaus Strehlow Eckhart Dietrich Leder hat über GmbH, eine Informationsveranstaltung für Betroffene und viele Jahre hinweg das The- Fo Angehörige in den Greifswalder „Lebenswelten“ des Sanitäts- ma Darmfunktionsstörun- to :M anf hauses, durch. Organisiert wurde der Tag in Zusammenarbeit gen bei Menschen mit red- mit der FGQ. Querschnittlähmung Sau Miteinander reden – voneinander lernen er-Stiftung Dr. Bremer informierte über die Akutbehandlung und der mit seinen umfangrei- lebenslangen Nachsorge von Menschen mit Querschnittläh- chen Fachkenntnissen Tschechische Peers mung bis hin zu den Möglichkeiten für eine Rückkehr in den Alltag. Olaf Niebisch, Peer der FGQ, berichtete über die Tätig- keiten der FGQ und die enge Zusammenarbeit mit den Rehabi- in die Welt getragen, zahlreiche Fachperso- nen ausgebildet und Vor- zu Gast in Lobbach litationszentren für Menschen mit Querschnittlähmung. Das Sanitätshaus stellte zahlreiche Mobilitätslösungen vor und lud Interessierte zum Ausprobieren ein. Weitere Aussteller träge rund um die neuro- gene Darmfunktionsstörung sowie das Thema Darmmanage- zeigten ihre Hilfsmittel. ment gehalten. Der „Internationale Tag der Querschnittgelähmten“ war Für Fragen, egal ob von Fachpersonen oder Betroffenen, eine Premiere in Greifswald und einzigartig in Mecklen- hatte er immer ein offenes Ohr. Viele Betroffene profitierten burg-Vorpommern. Er soll ein Bewusstsein herstellen für die von seiner menschlichen, persönlichen und kompetenten E ine sechsköpfige Delegation der CZEPA, der tschechi- tren von weit über 100 Peers betreut werden, erfolgt die Ver- gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit von Betrof- Art. Wir verlieren mit Dr. Leder einen Ansprechpartner, der schen Paraplegiker-Organisation, traf sich im August mit sorgung der ca. zehn Millionen Einwohner Tschechiens über fenen, Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben mit einer sich jahrzehntelang für neurogene Darmfunktionsstörun- Verantwortlichen und Peers der FGQ zum Meinungsaus- vier Querschnittzentren, die derzeit von sieben Peers betreut Querschnittlähmung aufzeigen, sowie Hilfe und Informatio- gen eingesetzt hat. Wir werden ihn als Mensch und Experte tausch. Treffpunkt waren die Räume der Manfred-Sauer-Stif- werden. Allerdings ist das System noch im Aufbau begriffen. nen für Angehörige bieten. vermissen und ihn in guter Erinnerung behalten. tung in Lobbach. Anders als bei den Zahlen dominieren beim Vergleich der prak- Dirk Weber Veronika Geng tischen Arbeit vor Ort die Gemeinsamkeiten. Der Informations- Peerarbeit ist eine gute Sache. Diese Erkenntnis ist auf dem austausch verlief sehr bereichernd und in bester Atmosphäre. Weg, sich europaweit durchzusetzen. Und da viele Wege zum Am Ende des Treffens war deshalb für alle Beteiligten klar: Die Ziel führen, kann der Blick über die Grenzen zu den Nachbarn Kooperation wird fortgesetzt. nur bereichernd sein. Bei gelegentlichen Treffen mit tschechi- Werner Pohl schen CZEPA-Aktiven am Rande von Tagungen der European Spinal Cord Injury Federation (ESCIF) in den zurückliegenden zwei Jahren entstand die Idee, sich einmal zu einem ausführ- licheren Erfahrungsaustausch zusammenzufinden. Peers gesucht Vom 19. bis zum 21. August waren Alena Jančíková, die Wir suchen aktuell Verstärkung unter anderem Präsidentin der CZEPA, und Petra Černá, die Koordinatorin des für folgende Stützpunkte: tschechischen Peer-Programms, gemeinsam mit vier Peers zu ■ SRH-Klinikum Karlsbad-Langensteinbach Gast in der Manfred-Sauer-Stiftung und trafen sich dort mit ■ Werner-Wicker-Klinik Bad Wildungen FGQ-Aktiven und deutschen Peers. Ein vorabendliches gemein- ■ Orthopädische Klinik Markgröningen sames Essen diente dem ersten Kennenlernen, am folgenden ■ BG Klinik Ludwigshafen Tag erfolgte die gegenseitige Präsentation der jeweiligen Ini- ■ Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke tiativen und Projekte mit anschließender Diskussion. Anders als in Deutschland widmen sich die tschechischen Peers ihrer Bei Interesse melden Sie sich gerne bei der Tätigkeit hauptberuflich und durchlaufen dazu eine von der Geschäftsstelle der FGQ. CZEPA organisierte Ausbildung. Vor dem Hintergrund von zah- Telefon: 0 62 26 - 960 211 lenmäßig ganz verschiedenen Ausgangssituationen ist das E-Mail: info@fgq.de nachvollziehbar: Während in Deutschland 27 Querschnittzen- 8 PARAplegiker 4/2019 Händler finden und Probefahren: www.swisstrac.ch
FAKTEN PEERS Ohne pflegende Angehörige geht es nicht Fo to s( 2) :m Geschlechterverteilung Pflege zu Hause** ot or tio n; Vik ive cto r– s toc 1,65 Mio. 0,82 Mio. Frauen Männer k.adob e.com Beim Waschen des Oberkörpers Ein Optimum an Freiheit und des Kopfes benötigen 13,2% Foto: Andi Weiland, Gesellschaftsbilder.de 2,47 Mio. * S der Befragten vollständige chon seit 2001 können Menschen mit Behinderungen ihre Assistenz im Rahmen eines Persönlichen Budgets selbst organi- Unterstützung, während sieren. Wer soweit nicht gehen will, kann die Organisation einem ambulanten Dienst anvertrauen. Eine weitere Option ist das Leben in einer Einrichtung. Drei Peers der FGQ kennen die verschiedenen Assistenzmodelle und das Leben im Pflege- Hauptpflegepersonen 20,6% teilweise Unterstützung durch heim aus eigener Erfahrung und berichten über Vor- und Nachteile. Verteilung* Die Zahl der eine Hilfsperson benötigen. Pflege wird von vielen Älteren gestemmt Pflegebedürftigen Kai Lohmeyer ist ein umtriebiger Mensch. Sein Terminka- mit Ablehnungen seiner Anträge und immer neuen Forderun- steigt und steigt* lender ächzt unter den zahlreichen Eintragungen. Sein priva- gen nach diversen Unterlagen konfrontiert. Und das zu einer tes Umfeld kann sich glücklich schätzen, auch ab und an darin Zeit, in der er bei jedem Handgriff auf die Hilfe von Pflegeper- vorzukommen. Der 51-Jährige ist Gesetzlicher Betreuer für sonal in seiner Einrichtung angewiesen war. „Natürlich waren mehrere Personen mit Behinderungen, hat einen Verein mit nicht immer Leute da, die mir beispielsweise für ein Telefonat 3,5 gegründet, der sich für Inklusion einsetzt, ist im Kreis Lippe die notwendige Unterstützung geben konnten.“ Durch den 3,041 Mio. politisch aktiv, berät auf privater Ebene über das Persönliche Mangel an Personal sei in der Regel nach dem Motto „satt, sau- Mio. Budget und Co., hält Vorträge und will außerdem demnächst ber, trocken“ versorgt worden. „Ich habe mich gefühlt, wie auf 37,9% Soziale Arbeit studieren. Vor gut einem Jahr belegte er darüber dem Abstellgleis.“ Aber Kai Lohmeyer hatte jede Menge Ziele 2,016 hinaus die Erstschulung der FGQ, um frisch Rückenmarksver- und den festen Willen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Prognose Mio. letzten in seiner Region als Peer-Berater zur Seite zu stehen. Pflegekräfte, die ihn um 19.30 Uhr ins Bett brachten, passten nicht in seine Zukunftsvision. Sein Ziel: das Arbeitgebermodell, 38,1% benötigen teilweise oder vollständige Assistenz für die Ziel: Arbeitgebermodell Assistenz in Eigenregie mit selbstgewählten Angestellten und über 70 Jahre alt eigenen Dienstplänen. Kostenvorbehalte des Reha-Trägers Toilettenbenutzung** = 942.000 1998 2015 2030 Kai Lohmeyer hat seit einem Unfall vor sieben Jahren eine in- konterte Kai Lohmeyer beharrlich mit Hinweisen auf das Ge- komplette Lähmung unterhalb C 3 und nutzt 24 Stunden am setz, das Selbstbestimmung und Teilhabe für alle Menschen Tag Assistenz. „Als feststand, dass meine Ehe – wie in vielen mit Behinderungen vorsieht. Mit Erfolg: „Heute bietet mir das Unterstützung zu Hause** Fällen – die Querschnittlähmung Arbeitgebermodell ein Optimum an Freiheit. Ich stehe heute Personen, welche die Befragten bei ihren Alltagsaktivitäten nicht überstehen würde, bin wirklich mitten im Leben.“ er ey zu Hause und außer Haus unterstützen, waren: ich übergangsweise in eine m oh Einrichtung gezogen und Schritt für Schritt zum iL Ka 82,9 % o: Familienmitglieder und/oder Freunde habe parallel das Persön- Persönlichen Budget Fot liche Budget beantragt.“ 23,4 % Die Umsetzung des Interessenten für ein Persönliches Budget rät Kai Lohmeyer, 40,7% Haushaltshilfen und/oder Reinigungskräfte Persönlichen Budgets sich mit anderen auszutauschen, Augen und Ohren offen zu 22,2 % sei ein langer und be- halten und vor allem, erst mal anzufangen: „Je länger man das ambulante Pflegedienste schwerlicher Kampf mit vor sich herschiebt, umso größer erscheint einem dieses Vor- finden das Führen des Haushalts sehr dem Kostenträger ge- haben. Aber man wächst da Schritt für Schritt rein. Nur nicht persönliche Assistenten 7,4 % bzw. extrem problematisch** wesen. Lohmeyer sah sich die Flinte ins Korn werfen!“ Quellen: Zahlen, die mit * versehen sind: Pflegereport Barmer 2018; Querschnittlähmung in Deutschland; 10 PARAplegiker 4/2019 Zahlen, die mit ** versehen sind: Eine nationale Befragung (German Spinal Cord Injury Survey (GerSCI) PARAplegiker 4/2019 11
Foto: Rudolf Mensing PEERS PEERS Persönliche Assistenz versetzt Menschen mit Behinde- Henri Kupsch benötigt aufgrund einer inkompletten Tetra- Rudolf Mensing ist 36 Jahre alt rungen in die Lage, ihr Leben nach eigenen Wünschen, plegie (C 4/5) ebenfalls rund um die Uhr Unterstützung. Er hat und seit vier Jahren Arbeitgeber sei- Vorstellungen und Bedürfnissen autonom zu gestalten. sich gegen das Arbeitgebermodell und für Assistenz als eine ner eigenen Assistenzkräfte. Seit ei- Sie umfasst alle Bereiche des täglichen Lebens und die reine Sachleistung entschieden. Das heißt, seine Assistenten nigen Monaten begleitet er als Peer Assistenten unterstützen bei allen Tätigkeiten des All- sind bei einem Pflegedienst angestellt, der die Mittel dafür der FGQ Patienten mit neu erworbe- tags: zum Beispiel bei der Körperpflege, im Haushalt, direkt vom Kostenträger bekommt. Die Besonderheit: Henri ner Querschnittlähmung an der BGU bei der Arbeit, in der Schule oder auch bei Freizeit-Akti- Kupsch ist selbst im Personalmanagement seines Pflegediens- Frankfurt. Er selbst zog sich bei einem vitäten. Persönliche Assistenz ist ein zentrales Mittel für tes angestellt und kennt beide Perspektiven: die des Kunden Unfall mit 17 Jahren eine Tetraplegie ein selbstbestimmtes Leben. Durch das Bundesteilhabe- und die des Anbieters. „Bei uns im Unternehmen entscheidet unterhalb C 5/6 zu. Seine Assistenz- gesetz haben Menschen mit Behinderung ab 2020 einen jeder Kunde individuell, wie viel er selbst machen möchte und kräfte sind rund um die Uhr für ihn Rechtsanspruch auf Assistenz. wie viel er abgibt. Ich mache sehr viel selbst, suche mir meine da, besorgen den Haushalt und was Assistenzen selbst aus und bringe mich auch in die Organisati- sonst so anfällt. Bevor Mensing das Das Persönliche Budget ist eine Geldleistung. Damit on der Dienste ein.“ Im Unterschied zu Budgetnehmern erhält Arbeitgebermodell wählte, bezog er können Menschen mit Behinderung Leistungen zur Teil- Kupsch jedoch kein Geld vom Kostenträger auf sein eigenes zwei Jahre lang Assistenz als Leistung habe wie die persönliche Assistenz selbstständig ein- Konto und verhandelt auch nicht mit ihm über Stundenlöh- durch einen Pflegedienst, der direkt kaufen und bezahlen. Es ergänzt die bisher üblichen ne oder andere Rahmenbedingungen für Assistenten. Statt- mit dem Kostenträger abrechnete. Dienst- oder Sachleistungen. So entscheiden Menschen dessen bekommen diese vom Anbieter derzeit den aktuellen „Ich habe in dieser Zeit mitbekom- mit Behinderung selbst, wann, wo, wie und von wem sie Mindestlohn, werden zentral organisiert und geschult. „Bei men, wie viel dieser Verein beim Kos- Teilhabeleistungen in Anspruch nehmen. Mit dem Per- der eintägigen Schulung sind auch eine Physiotherapeutin tenträger veranschlagt hat und wie sönlichen Budget werden sie zu Käufern, Kunden und und eine Pflegefachkraft dabei, die beispielsweise Hebetech- wenig die Assistenzkräfte davon ge- auch zu Arbeitgebern. Sie erhalten mehr Einfluss auf die niken vermitteln“, berichtet er. Auch der zwischenmenschliche sehen haben. Das war mit einer der Art der Leistungserbringung. Umgang mit den Klienten werde thematisiert. „Es geht darum, Gründe etwas zu ändern. Ich wollte, Beim Arbeitgebermodell regeln Menschen mit Assis- dem Klienten die Dinge abzunehmen, die er selbst nicht ma- dass meine Assistenzkräfte mehr tenzbedarf ihre Hilfe von A bis Z selbstständig: Sie su- chen kann. Dazu gehört nicht, ihm zu sagen, dass das nächste verdienen – auch damit sie besse- chen ihre Helfer aus, stellen sie ein, organisieren die Stück Kuchen vielleicht zu viel wäre.“ Darüber hinaus werde re Arbeit leisten.“ Also nahm Rudolf Einarbeitung und bezahlen sie. Die Verwaltung der As- eine Zusammenarbeit erst vereinbart, wenn ein Klient nach Mensing die Sache selbst in die Hand, Assistenzkräfte unterstützen Rudolf sistenz, zu der auch die Erstellung von Dienst- und Pfle- einem Probedienst sein Okay gebe. „Ich persönlich traue mich informierte sich umfassend, setzte Mensing rund um die Uhr. Mit dem geplänen gehört, liegt in ihren Händen. Die persönliche nach 25 Jahren im Rollstuhl, meinen Assistenten alles zu sa- sich mit dem Kostenträger auseinan- Arbeitgebermodell gewinnt er viel Assistenz kann auch als eine reine Sachleistung über gen, denn es ist mein Körper und meine Gesundheit. Aber am der, engagierte Assistenzkräfte und Freiheit. einen ambulanten Pflegedienst organisiert werden. Er Anfang sind einige Leute da sehr zurückhaltend. Deshalb ist beauftragte einen Steuerberater mit übernimmt für den Menschen mit Assistenzbedarf die eine gute Einarbeitung extrem wichtig.“ den kniffligen Details. „Ich habe mich Organisation der Hilfe und rechnet auch direkt mit dem damals hauptsächlich über den Ver- Kostenträger ab. Die Assistenten sind beim Pflegdienst „Ich kann auf meinen ein ForseA, das Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen, informiert. Die haben ein gut verständliches PDF angestellt. Pflegedienst mit über 300 zum Persönlichen Budget auf ihrer Webseite, damit kam ich manchmal Schwierigkeiten: „Ein großes Problem ist, dass ich Die Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL) weiter.“ Rudolf Mensing betont, wie wichtig es sei, von Anfang mit meiner Freundin zusammenlebe und sie miterlebt, dass NRW haben eine Broschüre zum Persönlichen Budget Mitarbeitern zurückgreifen.“ an auf die Übernahme angemessener Personalkosten zu be- hier noch 24 Stunden jemand in der Wohnung ist.“ Eine etwas veröffentlicht. Sie informiert in kompakter Form unter stehen. Als Assistenznehmer sei er auf verlässliches Personal seltsame „Dreiecksbeziehung“ sei das, für die das Paar aber im anderem über gesetzliche Grundlagen und gibt prakti- Den Rückgriff auf den Personalpool seines Pflegedienstes be- angewiesen, das sich der Verantwortung bewusst sei, aber Moment keine andere Lösung sieht. Anderes sei deutlich leich- sche Tipps zur Antragstellung. Die Broschüre kann auf trachtet Henri Kupsch als entscheidenden Vorteil: „Wenn mir auch eine entsprechende Entlohnung fordere. „Ich habe mich ter geworden. So hat Mensing eigene Strategien gefunden, um der Webseite www.ksl-nrw.de kostenlos heute eine Assistenzkraft abspringt, dann kann ich auf mei- dafür eingesetzt, dass es Nacht-, Sonntags- und Feiertagszu- seine Kräfte „sozialverträglich“ anzuleiten; die Verhältnisse heruntergeladen oder als Druckversion be- nen Pflegedienst mit über 300 Mitarbeitern zurückgreifen. Im schläge gibt, genauso wie Rücklagen für Urlaubs-, Krankheits- seien gut und langfristig. Entsprechend fällt sein Fazit aus: „Ich stellt werden. Arbeitgebermodell muss man sich immer fragen, wo bekom- oder Einarbeitungstage. Außerdem habe ich meinen Plan für würde auf keinen Fall wieder zu einem Betreuungsdienst oder me ich jetzt das Personal her? Das ist das Risiko.“ Aus Sicht des den Stundenlohn mit 15 Euro pro Stunde relativ hoch ange- in eine Einrichtung gehen. Das Arbeitgebermodell lohnt sich – Anbieters ist ihm aber auch klar, dass die Sicherung einer am- setzt, damit noch Verhandlungsspielraum besteht. Heute liegt was man da an Freiheit gewinnt, will ich nicht mehr missen.“ Weitere Informationen zum Thema Assistenz gibt es in dieser bulanten (Sach-)leistung mit zunehmendem Alter schwieriger er bei 13,50 Euro.“ Rudolf Mensing ging damals allein in die Nikola Hahn Ausgabe auf den Seiten 24 bis 27 und 38 bis 39. wird. Die Auseinandersetzung mit Kostenträgern sei dann ein Verhandlung mit dem Sozialamt, obwohl er wusste, dass er extrem hoher Aufwand und für einen Pflegedienst quasi nicht das Recht gehabt hätte, in Begleitung zu erscheinen. „Aber ich wirtschaftlich. Ein Anbieter müsse in dieser Zeit in Vorleistung bin ein selbstbewusster Typ, ich kann gut reden und war gut gehen und bleibe auf den Kosten sitzen, wenn eine Auseinan- informiert.“ dersetzung nicht erfolgreich sei. Daher habe sein Unterneh- men auch fast ausschließlich junge Kundschaft. „Als Peer habe Langfristige Verhältnisse ich älteren Patienten in der Orthopädie in Heidelberg-Schlier- bach schon oft sagen müssen, dass ich ihnen mit meinem Mo- Sein Team ist gemischt, Männer und Frauen unterschiedlichen dell leider nicht weiterhelfen kann.“ Alters – „Hauptsache, die Chemie stimmt.“ Dennoch gebe es 12 PARAplegiker 4/2019 PARAplegiker 4/2019 13
Eberwein & Plassmann OHG MENSCHEN MENSCHEN www.hohenzollern-apotheke.de Hohenzollernring 57 48145 Münster Leben ist damit der zweitgrößte gemeinnützige Anbieter für Ihr Partner für: Tel 0251 200780-25 Assistenz in Schweden und verwaltet zu diesem Zweck über Harnkontinenz und Nierenschutz 2.000 Stellen. Zweiter Schwerpunkt von GIL ist die politische bei Spina bifida und Rückenmarksverletzungen Fotos (5): GIL – Göteborgskooperativet för Independent Living Arbeit und Anders Westgerd ist angetreten, um diese erfolg- reich umzusetzen und in die Breite zu tragen. Dazu bedient er sich durchaus provokanter, jedoch stets humorvoller Aktionen, die er gemeinsam mit seinem Team und in Zusammenarbeit mit kreativen Agenturen entwickelt. Die Herstellung der Instillationssets im Reinraum erfolgt ad hoc, gewichts- Von Kinderpuppen, Bier und adaptiert und patientenindividuell. Behindertenparkplätzen Nur die benötigte Menge an Lösung Die Vorgehensweise von Anders Westgerd erinnert stark an und Luft wird aufgezogen – eine die sogenannte Krüppelbewegung in den 1970er Jahren der sichere und wirtschaftliche Bundesrepublik. Auch diese verschaffte sich mit besonders Versorgung. spektakulären oder provozierenden Aktionen öffentliche Wahrnehmung. Dazu gehörte oft auch eine derbe Sprache. Die Anders Westgerd, Geschäfts- GIL spricht grundsätzlich von „Retards“, zu Deutsch „Zurück- führer der GIL, zapft ein Bier, gebliebene“ und spielt dabei auf intellektuelle Behinderungen welches man für eine Aktion hat an. Damit verwischt man bewusst die Grenze zwischen geisti- brauen lassen. gen und körperlichen Behinderungen – wie dies auch oft von den Adressaten ihrer Kampagnen getan wird. Ferner nutzt man die damit einhergehenden negativen Assoziationen ähn- lich der früheren bewussten Verwendung des Wortes „Krüp- pel“. Anders Westgerd spickt seine Aktionen aber auch mit ei- ner ordentlichen Portion Humor und Selbstironie. „Humor ist Der Aktivist wichtig, um die stereotype Vorstellung vieler Menschen, dass eine Behinderung zwingend mit Elend und einer schlechten Wir produzieren und liefern Lebensqualität einhergeht, zu durchbrechen“, erzählt er. Gleich die erste Kampagne ist ein voller Erfolg und bringt sterile Fertigspritzen zur Blaseninstillation Anders landesweit Interviews mit Zeitungen und Einladungen auf ärztliche Verordnung. Make Sweden a better place zu Talk-Shows ein. Für die Aktion hat er gemeinsam mit einer Agentur eine behinderte Kinderpuppe entwickelt, die als Spiel- Schnelle Reaktion auf Therapieänderungen möglich zeug angeboten wird. Der Aktivist versendet die Puppe Schnelle und bequeme Belieferung mit den an die 30 größten Medienagenturen in Schweden. A ls Aktivist wird landläufig eine Person bezeichnet, die Diese „Retard Doll“ und die beigefügte provokante benötigten Arznei- und Hilfsmitteln an die sich in besonders intensiver Weise für die Durchset- Botschaft: „Sie flucht nicht, trinkt nicht, hat keinen gewünschte Adresse zung bestimmter (politischer) Ziele einsetzt. Treffender Sex oder kackt. Viel besser als echte Behinderte.“, tref- Erinnerungsservice – damit keine Versorgungslücken könnte die Beschreibung für den in Göteburg beheimateten fen einen Nerv. Die Puppe wird das Aufregerthema entstehen Schweden Anders Westgerd wohl kaum ausfallen. schlechthin, plötzlich redet ganz Schweden über das hässliche Spielzeug. In den sozialen Medien geht die In seiner Heimat ist er der Rockstar unter den politisch aktiven Karriere. Er studiert und arbeitet anschließend bei Volvo, dem Aktion von GIL viral. Behinderten. Barrierefreiheit für alle und die Entwicklung einer größten Arbeitgeber in seiner Heimatstadt. Vor elf Jahren wird Neben der breiten Rezeption in der Presse und inklusiven Gesellschaft sind seine Steckenpferde. Dabei hatte er dann von einem Headhunter für die GIL, dem Zentrum für der landesweiten Bekanntheit liefert die Aktion Wir sind für Sie da – testen Sie uns! der Tetraplegiker früher selbst Berührungsängste bei Men- selbstbestimmtes Leben in Göteburg, angeworben. Zunächst Anders auch eine Blaupause für die weiteren Ak- Unser Team ist bei Fragen von montags bis freitags jeweils schen mit Behinderung. „Mir waren diese Menschen fremd ist er unschlüssig, ob er das Angebot annehmen soll, doch tionen der GIL. „Ich wusste nun, wo ich den Hebel von 08:00 bis 17:00 Uhr für Sie erreichbar: und ich hatte große Scheu vor dem Kontakt. Daher kann ich dann reizt ihn die Möglichkeit, seine eigenen Erfahrungen ein- ansetzen muss, um Öffentlichkeit für unsere An- sehr gut nachvollziehen, was sich in den Köpfen vieler Men- zubringen und etwas zu bewirken. Seitdem ist der 44-Jährige liegen zu gewinnen“, berichtet der Tetraplegiker. Service-Telefon: 0251 200 780-25 schen abspielt“, gesteht Anders. als Geschäftsführer für die GIL tätig. Weitere Kampagnen und nächtliche Guerilla-Ak- E-Mail: sterilherstellung@hohenzollern-apotheke.de „Es war definitiv die beste Entscheidung, die ich in mei- tivitäten folgen. So macht man mit Hilfe eines Interessantes Jobangebot nem Leben getroffen habe. Ich kann jeden Tag etwas Bedeu- selbst gebrauten Biers auf die mangelnde Barrie- Hohenzollern Apotheke | Eberwein & Plassmann OHG | Hohenzollernring 57 | 48145 Münster Tel.: 0251/200780-25 | Fax: 0251/200780-26 | sterilherstellung@hohenzollern-apotheke.de tungsvolles tun“, sagt Anders Westgerd über seine Jobwahl. refreiheit von Lokalen aufmerksam. Nicht nur die www.hohenzollern-apotheke.de 1995 verunfallt er beim Skifahren in Österreich und zieht sich Die Hauptaufgabe von GIL ist zunächst die Organisation der Aktion kommt gut an, sondern auch das Bier. GIL eine Verletzung des sechsten und siebten Halswirbels zu. Da ist persönlichen Assistenz für 265 Personen an der Westküste erhält eine Vielzahl von Anfragen nach dem wohl- er gerade 20 Jahre alt. Nach seiner Reha folgt eine „normale“ Schwedens. Das Göteburger Zentrum für selbstbestimmtes schmeckenden Gerstensaft. Aber das Kontingent Unser Partner für Marketing und Vertrieb 14 PARAplegiker 4/2019
Foto: japolia – stock.adobe.com MENSCHEN MENSCHEN „Ich gebe nicht auf, bis auch der letzte Winkel in Göteburg Arbeit prompt erwischt und von der Stadt Göteburg wegen Sachbeschädigung angezeigt. Nun drohen ein Bußgeld und zugänglich ist und die menta- die Erstattung der hohen Reinigungskosten. „In Anbetracht der großen Aufmerksamkeit der Aktion jedoch lohnend investier- len Barrieren beseitigt sind.“ tes Geld“, meint Anders. Zwischenzeitlich reißen sich die Kreativen in Schweden geradezu um eine Zusammenarbeit mit dem Göteburger Zen- ist begrenzt und die Vorgaben für den Verkauf streng. Vertrei- trum für selbstbestimmtes Leben. Es gibt wohl keine Werbe- ben darf das Behindertenbier in Göteburg nur, wer ein barrie- agentur von Rang in Schweden, die nicht schon angeklopft refreies Lokal hat. hätte. Und Anders Westgerd hat mit deren Unterstützung noch viel vor. „Ich gebe nicht auf, bis auch der letzte Winkel in Mangelnde Barrierefreiheit Göteburg zugänglich ist und die mentalen Barrieren beseitigt sind“, sagt er. Alter Schwede. „Entgegen der landläufigen Meinung ist die Barrierefreiheit Kevin Schultes bei uns in Schweden gar nicht so gut. Vieles ist auf dem Stand der 80er stehen geblieben. Damals waren die skandinavischen Länder noch Vorreiter“, berichtet der umtriebige Geschäfts- Vorbereitung der nächtlichen Guerilla- führer. Vor Kurzem haben er und seine Mitstreiter gleich einen ganzen Stadtteil zum Sperrbezirk für Menschen mit Behin- derung erklärt. Die Aktion kokettiert damit, dass die schlech- Aktion von Aktivisten der GIL. Tetraplegiker te Zugänglichkeit der Gebäude und das Kopfsteinpflaster im Göteburger Stadtteil Haga dafür sorgen, dass der Bezirk prak- im Spannungsfeld von Bedürfnissen, tisch behindertenfrei ist. Die Aktion, bei der die Straßenzugän- ge, Stadtkarten und Stadtinformationen mit entsprechenden Symbolen gekennzeichnet wurden, impliziert, dass man hier Bürokratie und Betreuung auch keine Begegnungen mit behinderten Menschen befürch- D ten muss. Alle Personen mit Berührungsängsten seien hier as Haus ist umgerüstet, die 24-Stunden Pflege organisiert und die persönliche also „in Sicherheit“. Assistenz gewährt – die Witwe Elena S. pflegte ab 2011 viereinhalb Jahre ihren Die Messlatte für weitere Aktionen liegt hoch, das weiß An- Mann zu Hause, nachdem er eine Odyssee durch Kliniken und Rehaeinrichtun- ders. Doch so schnell gehen ihm und seinen Helfern die Ideen gen hinter sich hatte. Doch dann stellte sich 15 Jahre nach seinem Unfall die klassische nicht aus. Das zeigt auch der nächtliche konspirative „Angriff“ Komplikation bei C4-Patienten ein: Lungenentzündung. Für die Familie begann eine auf einem Großparkplatz inmitten von Göteburg. Dort hat „Horrorphase“, wie die Witwe die letzten knapp vier Jahre ihres Mannes im Pflegeheim man im Schutze der Nacht aus einem eigens hierfür präparier- zusammenfasst. Frieder Seiferheld, Peer der FGQ, betreute die Familie vom Januar 2019 ten VW Bulli heraus kurzerhand alle Parkplätze – außer einem bis zum Tod des 57-Jährigen im Juli 2019. Im Interview erklärt er, worauf pflegende An- – zu Behindertenparkplätzen erklärt und mit den entsprechen- gehörige achten sollten, damit das Pflegeheim nicht zur Endstation wird. den Symbolen markiert. Die Aktivisten wurden nach getaner Warum empfehlen Sie Angehörigen von dass die Architektur der Altenpflege- Wie können sich pflegende Angehörige Behindertenparkplätze so Menschen mit schweren Behinderun- heime meist nicht barrierefrei ist. Die mit persönlicher Assistenz auf die Ent- weit das Auge reicht: gen, einen Aufenthalt im Pflegeheim zu Waschbecken und Spiegel sind zu hoch lassung aus dem Krankenhaus vorbe- Göteburger Parkplatz vermeiden? angebracht, die Duschen nicht berollbar reiten? nach der Aktion von GIL. In einem Pflegeheim kann man derzeit oder WC-Sitze nicht transfergeeignet, Das Entlassmanagement der Kliniken ist nur mit Pflegekräften rechnen, die die um nur einige Beispiele zu nennen. Te- darauf ausgelegt, die ärztlichen Anwei- klassische Altenpflege – trocken, satt, traplegiker oberhalb C4 mit künstlicher sungen für die Anschlussunterbringung sauber – beherrschen. Außerdem ist Beatmung und ohne Notruf sind gerade- umzusetzen. Wenn sich der zuständige die Personaldichte viel zu gering. Quer- zu ausgeliefert, wie man in diesem Fall Klinikarzt nicht in die Problematik ver- schnittgelähmte stellen zudem allein sehen konnte. tieft, kommt es zu Fehlentscheidungen. durch ihre körperlichen Besonderheiten und teils durch ihr Alter ganz andere Anforderungen. Querschnittgelähmte „Man sollte nicht vergessen, dass brauchen auch im Pflegeheim dauernde physiotherapeutische, teilweise ergo- medizinische Behandlung und Pflege in therapeutische Betreuung. Sie müssen erster Linie ein Geschäft sind und keine laufend mobilisiert und dürfen nicht nur im Bett gepflegt werden. Hinzu kommt, soziale Tat!“ 16 PARAplegiker 4/2019 PARAplegiker 4/2019 17
Fotos (2): Klinikum Bayreuth GmbH MENSCHEN THERAPIE „Die Angehörigen müssen über die not- So kam es hier zur Einweisung in ein wendige Streitlust verfügen und derartige Pflegeheim. Die Heimplätze werden dann bundesweit gesucht und auch ge- Maßnahmen gezielt durchkreuzen, weil sonst funden, weil ein derartiger Patient viel der Prozess kaum widerrufbar anläuft.“ Umsatz bringt und, wenn man ihn nur im Bett liegen lässt, keinen Mehrbedarf an Personal auslöst. Die Angehörigen mit Zustimmung des Patienten die Ver- Einzelfällen seine Kosten nicht deckt. müssen hier über die notwendige Streit- antwortung. Für die Pflegeheime hat Die meisten Betreuer haben zudem kei- lust verfügen und derartige Maßnah- der Betreuer den großen Vorteil, dass ne fachliche Kompetenz, die Pflege im men gezielt durchkreuzen, weil sonst er die laufenden Kosten umgehend be- Heim und mögliche Fehler in der Pflege der Prozess kaum widerrufbar anläuft. zahlt und so der Umsatz im Pflegeheim zu beurteilen. Die persönlichen Bedürf- stimmt. Man sollte nicht vergessen, dass nisse des Betreuten und seine Wünsche Versorgungslücken schließen Welche Fallstricke gilt es zu beachten, medizinische Behandlung und Pflege in bleiben oft unberücksichtigt. Der Patient wenn die Überstellung in ein Pflege- erster Linie ein Geschäft sind und keine war in diesem Fall zudem durch seine heim erfolgt ist? soziale Tat! künstliche Beatmung der Sprache be- Es gibt zwei wesentliche Fallstricke: die Darüber hinaus war das Pflegeheim raubt und somit nicht in der Lage, seinen Bürokratie und die Hygiene. Im vorlie- im vorliegenden Fall nicht in der Lage, Willen frei zu äußern. Neues Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit Behinderung genden Fall wurde von Seiten der Klinik mit resistenten Keimen umzugehen: und der Krankenkasse großer Druck auf Keine Schutzkleidung, kein Mundschutz Gibt es noch Handlungsspielraum für (MZEB) in Bayreuth eröffnet die Angehörigen ausgeübt, den Mann und keine Schleuse schützten die Patien- Angehörige, sobald das Betreuungsge- schnellstmöglich aus der Klinik zu holen, ten bei meinen Besuchen vor Keimen. So richt einen Betreuer eingesetzt hat? weil die Kosten für den Klinikaufenthalt gehe ich davon aus, dass die gesamte Gegen die Entscheidung des Betreu- D aus Sicht des Kostenträgers viel zu hoch Station infiziert war. Der Patient besaß ungsgerichts gibt es rechtliche Möglich- ie lebenslange Nachsorge ist von jeher zentraler Be- ren, Spastik und Schmerzen, aber auch von auch Wirbelsäulen- waren. Die Ehefrau unterschrieb eine zwei Beatmungsgeräte. Diese Geräte keiten. Wenn man sich ans Familienge- standteil der modernen Spezialbehandlung von Men- erkrankungen und die Behandlung von Gelenkbeschwerden übergangsweise Unterbringung ihres sind einem festen Wartungsplan unter- richt wendet und keinen Rechtsanwalt schen mit Querschnittlähmung gewesen. In der Realität an den oberen und unteren Extremitäten. Weiterhin umfasst Mannes für einen Monat im Pflegeheim, worfen. Es sind mehrere Filter integriert, damit betrauen will, hilft der Rechtspfle- finden Querschnittgelähmte jedoch häufig keine wohnortna- das Leistungsspektrum weitere Bereiche (Neurologie, Physika- weil sie auf die Schnelle keinen Pflege- die in strengem Turnus zu wechseln ger des Gerichts bei der Abfassung der hen Ansprechpartner oder die Wiederaufnahme in den Spe- lische und rehabilitative Medizin), die Technische Orthopädie dienst für die erforderliche Intensivpfle- sind. Die Filter waren bereits verfärbt, notwendigen Schriftsätze. Allerdings zialzentren wird von den Kostenträgern nicht übernommen. inklusive Hilfsmittelversorgung und -anpassung sowie Begut- ge finden konnte: Ihr Mann brauchte Be- als ich ihn im Februar besuchte, was auf muss man beachten, dass die betreute achtungen, auch in Führerscheinfragen. atmung. Das von der Klinik ausgesuchte Vernachlässigung der Wartungsinter- Person gegen die Entscheidung des Be- Bundesweit gibt es inzwischen über 40 Medizinische Zentren „Wir wollen fester Bestandteil des Lebens unserer Patien- Pflegeheim lag gut 70 Kilometer vom valle schließen lässt. So wurden ihm die treuungsgerichts vorgehen muss. Der für Erwachsene mit Behinderung (MZEB). Hierdurch soll den tinnen und Patienten werden“, sagt Dr. Rainer Abel. „Wir wollen Wohnort der Familie entfernt. Die Ehe- Keime des Heims über die Beatmungs- Betroffene muss klagen und gegebe- Anforderungen an Gesundheitsdienstleistungen, die von er- sie regelmäßig sehen, und wissen, was sie beschäftigt. Denn frau war von dem beginnenden Büro- einrichtung in die Lunge geblasen und nenfalls einen Fachanwalt einschalten. wachsenen Menschen mit multiplen Behinderungen benötigt unserer Erfahrung nach – und davon haben wir durch unsere kratismus überfordert. Dennoch ver- konnten dort ihre Wirkung entfalten. Andere Personen, wie zum Beispiel An- werden, Rechnung getragen werden. 2015 wurden die MZEB Zentren an der Klinik Hohe Warte durchaus einige – wird dieser suchte sie, eine Reha für ihren Mann gehörige, sind für die Klage nicht legi- durch eine Neuregelung in Paragraf 119c des Fünften Buches Austausch im Laufe der Jahre immer wichtiger.“ Mit dem Alter zu organisieren. Die beantragte Reha Gehört es nicht zu den Aufgaben eines timiert. Eine derartige Klage würde aus Sozialgesetzbuch (SGB V) eingeführt. Im Sommer 2019 hat verändern sich die Aufgaben, vor denen Patientinnen und Pati- wurde von dem Kostenträger abgelehnt. Betreuers, genau solche Situationen zu formalen Gründen abgewiesen. nun am Klinikum Bayreuth ein solches Zentrum seinen Betrieb enten mit Behinderung stehen. Ihren Gesundheitszustand und Gleichzeitig machte das Pflegeheim vermeiden? aufgenommen. Es soll vor allem auch bei Querschnittgelähm- ihr Können zu erhalten oder zu verbessern, „das ist einer unse- Druck und wollte auf die Bezahlung der Ein Betreuer hat einen eng begrenzten Im Hinblick auf persönliche Assistenz – ten medizinische Versorgungslücken schließen. rer Ansprüche an uns selbst“, sagt Dr. Abel. „Wir möchten ihnen Rechnungen über den Eigenanteil an Wirkungskreis und wird relativ schlecht welche Änderungen wünschen Sie sich? den Heimkosten nicht unverhältnismä- bezahlt. Außerdem hat er in der Regel Persönliche Assistenz ist bei den Sozial- Partner für das ganze Leben ßig lange warten. Es regte just zu dem ein festes Büro zu unterhalten und muss ämtern derzeit ein rotes Tuch. Man ist Zeitpunkt, als die Familie alles für die In- Hilfskräfte einstellen, die Termine beach- an diesen Stellen mangels einschlägiger Nach Krankenhausaufenthalt und Anschlussbehandlung wa- tensivpflege zu Hause vorbereitet hatte, ten und Schriftverkehr erledigen sowie Kenntnis der irrigen Überzeugung, dass ren Menschen mit Behinderung bisher häufig darauf angewie- beim zuständigen Familiengericht die das Telefon bedienen. Das rechnet sich Pflegeheime die Pflegeleistung bestens sen, sich selbst zu helfen. Die richtigen Ärzte zu finden, gesund- Einrichtung einer Betreuung an. Ab Mai nur, wenn viele Betreuungen übernom- erbringen würden. Auch bei den Kran- heitliche, psychische und auch mal ganz alltägliche Probleme Ihr Spezialist für Personengroßschäden seit 15 Jahren 2016 übernahm der Betreuer zunächst men werden, weil die Vergütung in den kenkassen ist das nötige Wissen frühes- zu bewältigen. Der Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Egal ob Verkehrsunfall, Behandlungsfehler, Freizeitunfall oder Berufskrankheit, Haftpflichtversicherung, private und gesetzliche Unfallversicherung oder Krankenversicherung, tens ab der Ebene der Widerspruchsbe- Medizinischer Leiter des MZEB, Privatdozent Dr. Rainer Abel, wir stehen an der Seite des Geschädigten und beraten fachübergreifend und bundesweit in den arbeitung vorhanden. Niedergelassene ist überzeugt: „In einem Zentrum wie unserem bekommen Pa- Rechtsgebieten Verkehrsrecht, Medizinrecht und Sozialrecht. „Niedergelassene Ärzte sind in der Regel Ärzte sind in der Regel ahnungslos in tientinnen und Patienten nun alles aus einer Hand. Wir haben Als auf Personengroßschäden spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei verfügen wir über ein umfangreiches Netzwerk von Ärzten, Gutachtern, Architekten und Fahrzeugumbauern. die Expertise und wir nehmen uns Zeit.“ In Bayreuth bietet eine ahnungslos in Bezug auf Querschnittlähmun- Bezug auf Querschnittlähmungen. Man muss das Wissen mitbringen und dem Sprechstunde mit umfassender Diagnostik und Therapie Hilfe Zusammen mit unseren Spezialisten managen wir Ihren Fall, so dass Sie sich auf Ihre Genesung konzentrieren können. Falls Sie nicht mobil sind: Wir kommen zu Ihnen. gen. Man muss das Wissen mitbringen und Arzt übermitteln. bei allgemeinen und speziellen Fragestellungen. Dazu gehören Karwendelstr. 17 • 86399 Bobingen • Telefon 0 82 34 966 770 Das Interview führte Ruth Justen bei angeborener oder erworbener Querschnittlähmung zum info@querschnittlaehmung.net • www.querschnittlaehmung.net dem Arzt übermitteln.“ Beispiel die Behandlung und Prophylaxe von Druckgeschwü- 18 PARAplegiker 4/2019 PARAplegiker 4/2019 19
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