Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG

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Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
Das nächste Level
Die digitale Herausforderung

                               November 2015
Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
Orientierung in
                                  140 Zeichen
                                   Prognos demnächst auf Twitter

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                                                                        Prognos trendletter November 2015
Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
Editorial

Wie im Spiel,
so im Leben

Einfach zum nächsten Level hüpfen und        und insbesondere in Deutschland müssen
den Hindernissen unterwegs mit ein biss-     gewaltig an Tempo zulegen, wenn wir auf
chen Geschick ausweichen. Auf unserem        dem nächsten Level mitspielen und wei-
Titelblatt, wie auch in zahlreichen virtu-   ter zu den Champions einer digitalisierten
ellen Spielen, sieht das kinderleicht aus.   Welt gehören wollen.
Wie so viele Weisheiten des täglichen
Lebens ist auch diese Allegorie wegwei-      Dafür können wir wieder einmal etwas
send. Umso mehr gilt es – im Spiel wie im    von einem der großen Spielmacher aus
Leben – Bedingungen und Ziele genau zu       dem Sport lernen: „Gehe nicht dahin, wo
verstehen, um erfolgreich sein zu können.    der Puck ist. Gehe dahin, wo er sein wird.“
                                             Das Zitat stammt von Wayne Gretzky,
Wie also sind die Spielregeln, wer die       dem kanadischen Eishockey-Star. Die
Spielmacher und wie funktionieren die        zentrale Erfolgsbotschaft dahinter lässt
Spielzüge beim großen „Digitalisie-          sich mit Antizipation und vorausschau-
rungs-Monopoly“? Ohne zu übertreiben,        endem Handeln übersetzen.
befinden wir uns aktuell in einem funda-
mentalen Zukunftsspiel für die nächsten      Diesem Ziel – der Zeit ein Stück voraus
Generationen. Die Karten für Wirtschaft      zu sein und zukunftsorientiert agieren zu
und Gesellschaft werden neu gemischt –       können – wollen wir uns mit Ihnen im
und das weltweit. Das ist allenfalls noch    aktuellen Trendletter nähern. Dazu bieten
vergleichbar mit den drei anderen überra-    wir Digitalisierungsthemen als Anregung
genden Herausforderungen Klimawandel,        und zur Diskussion an. Wie immer bli-
Demografie und Globalisierung. Dieses        cken unsere Expertinnen und Experten
reale Spiel hat Einfluss auf alle Lebens-    auf Entwicklungen in Gesellschaft, Staat
bereiche: die Selbstbestimmung der eige-     und Unternehmen und verweisen auf
nen Identität, den zwischenmenschlichen      Handlungsbedarfe. Zusätzlich bekommen
Umgang und das Zusammenleben, die            Sie als Leser einen Eindruck, wie wir uns
Möglichkeiten und Risiken von Lernen         selbst mit den eigens entwickelten For-
und Arbeiten und die (Neu)-Verteilung        maten „Zukunftslab“ und „DigiLog“ fit
von Einfluss und Macht innerhalb unse-       gemacht haben und halten. Vielleicht ist
rer Gesellschaft und zwischen den inter-     das ja auch etwas für Sie?
nationalen Gemeinschaften.
                                             Jedenfalls wünsche ich Ihnen jetzt eine
Es geht also ums Ganze – für uns, unse-      spannende Lektüre und freue mich, von
re Kinder und Enkel. Als Megatrend ist       Ihnen zu hören.
die Digitalisierung ein originäres The-
ma für uns bei Prognos. Dynamisch und
unaufhaltsam hat sie unser Leben und         Herzlich, Ihr
Wirtschaften bereits in den beiden ver-
gangenen Dekaden verändert. Dennoch
stehen wir erst am Anfang einer rasan-
ten Entwicklung. Die große Grafik in der
Mitte unseres Heftes zeigt: Verglichen mit
früheren revolutionären Innovationen
hat die Geschwindigkeit exponentiell zu-     Christian Böllhoff
genommen. Das bedeutet, wir in Europa        christian.boellhoff@prognos.com

Prognos trendletter November 2015                                                          3
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                                                                                        Wie digitalisiert
                                                                                        ist Deutschland?

       Fachbeitrag
05     Wie digitalisiert ist Deutschland?

07
       Fachbeitrag
       Spaltung oder Integration?
                                                                    07
                                                                            
                                                                            Spaltung oder
                                                                            Integration?
       Fachbeitrag
08     Digital ist anders! Der Wandel der Kreativwirtschaft

       Rankings
09     Das Fundament für smarte Städte

       Zeitzeugnis
11     Blick ins Archiv: Mit Pioniergeist ins digitale Zeitalter

12
       Fachbeitrag
       Arbeitslos durch Digitalisierung?                                         12
                                                                                            
                                                                                            Arbeitslos durch
                                                                                            Digitalisierung?

       Zeitenwende
14     Digitale Revolution: Mächtiger als der Buchdruck

       Kurz gefasst
16     Digitale Chancen

       Fachbeitrag
19	Mobilität: Für unsere Wirtschaft steht viel auf dem Spiel
       Kurzinterview
20	Zehn Fragen an … Philipp Fink (Friedrich-Ebert-Stiftung)
       Fachbeitrag
21     Adapt and thrive!

       Standpunkt
24     Kein Fortschritt ohne Nebenwirkungen

       Über uns
25     Blick in unsere Projekte

       Über uns                                                    14
                                                                        
                                                                        Digitale Revolution:
                                                                        Mächtiger als der Buchdruck
27     Rückblick in Bildern

4                                                                                                 Prognos trendletter November 2015
Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
Fachbeitrag

Wie digitalisiert ist Deutschland?
Deutschland will Nährboden für digitale Innovationen sein. Doch
Branchen, Bundesländer und Regionen hierzulande sind unterschiedlich
gut aufgestellt.

Digitalisierung ist ein wesentliches
Element des technischen Fortschritts
und Wachstumstreiber für entwickelte
Volkswirtschaften. Prognos schätzt, dass
die Digitalisierung zwischen 1998 und
2012 für 0,6 Prozentpunkte der jahres-
durchschnittlichen Wachstumsrate der
Bruttowertschöpfung verantwortlich ist.
Doch wie stark sind einzelne Branchen
in Deutschland digitalisiert? Welche Im-
pulse gibt die Innovationspolitik? Und
welche Regionen nehmen diese Impulse
auf?

Unterschiede im Digitalisierungsstand
der Branchen

Der Digitalisierungsgrad eines Wirt-
schaftsbereichs kann gemessen wer-
den als Anteil digitaler Patente an den
gesamten Patenten eines Wirtschafts-
bereichs. Patente sind ein wichtiger
Indikator für den Stand und die Wei-
terentwicklung von Wissen. Wir haben         Messungen an einem Multiplexer beim „Tag der Digitalisierung“ der Deutschen Telekom im Jahr
die Patentstatistik EPO des Europäischen     1997. Die Telekommunikation zählt heute zu den am stärksten digitalisierten Branchen.
Patentamtes von 1991 und 2011 ausge-
wertet. Sie enthält die Patente aller öko-   der Prozessebene ist der Digitalisierungs-        -0,05 Prozentpunkten). Ein genaueres
nomisch bedeutenden Staaten der Erde.        grad meist höher – Ausdruck dafür, dass           Bild über den Digitalisierungsgrad der
Ein Anteil von über 50 % bedeutet einen      die Industrie digitalisierte Dienstleistun-       Wirtschaft für die einzelnen Bundeslän-
hohen Digitalisierungsgrad.                  gen nutzt, um Produktionsprozesse zu              der wird eine bundesländerspezifische
                                             optimieren.                                       Patentanalyse, die noch nicht vorliegt,
Der Digitalisierungsgrad hat in allen                                                          ermöglichen.
Wirtschaftsbereichen spürbar zugenom-        Unterschiede zwischen den Ländern beim
men – auf der Produkt- als auch auf der      Digitalisierungsstand                             Innovationspolitik und regionale
Prozessebene. Vorn liegen die Dienst-                                                          Hotspots
leistungsbranchen, angeführt von den         Fragt man, welchen Anteil die sozialver-
Informations- und Kommunikationstech-        sicherungspflichtig Beschäftigten in den          Mithilfe direkter Projektförderung will
nologien. Unangefochtene Spitze: Audio-      sieben digitalisiertesten Branchen an al-         die Bundesregierung digitale Innovati-
visuelle Medien und Rundfunk mit einem       len Beschäftigten in den Bundesländern            onen fördern. Was wird durch die För-
Digitalisierungsanteil von 70 % der Pa-      aufweisen, ergibt sich folgendes Bild:            derung von Verbundvorhaben zwischen
tente. Es folgt die Telekommunikations-                                                        Wirtschaft und Wissenschaft regional
branche mit knapp 60 %. Die deutlichste      Die hoch digitalisierten Branchen stellen         erreicht? Wir haben die Daten des För-
Veränderung in der Spitzengruppe zeigt       nur einen kleinen Anteil an den sozi-             derkatalogs des Bundes (FÖKAT) aus-
die Gruppe der IT- und Informations-         alversicherungspflichtig Beschäftigten.           gewertet und diejenigen Projekte iden-
dienstleister mit einem Plus von 17,5        Nur Berlin (5,5 %) und Hamburg (5 %)              tifiziert, die sich Digitalisierungsthemen
Prozentpunkten.                              weisen Anteile von über 5 % auf, Hessen           widmen.
                                             (4,3 %), Baden Württemberg (3,6 %) und
Zur Industrie: Hier sind die Herstellung     Bayern (3,4 %) liegen darunter.                   Im Zeitraum 1.1.2010 bis 31.8.2015 ha-
von Datenverarbeitungsgeräten und elek-                                                        ben wir 1.140 Verbundprojekte mit ei-
trischer Ausrüstungen spitze. Die meisten    Zwischen 2010 und 2014 sind die An-               nem Fördervolumen von 450,8 Mio.
Industriebranchen weisen einen mittleren     teile der Beschäftigten in den hoch di-           Euro identifiziert und nach dem Ort
bis unterdurchschnittlichen Digitalisie-     gitalisierten Branchen an allen Beschäf-          der „ausführenden Stelle“ lokalisiert.
rungsgrad auf. Der Grund: In Industrie-      tigten in nahezu allen Bundesländern              Schaut man sich die Bewilligungen in
produkten sind noch zahlreiche weitere,      gestiegen (Ausnahmen: Schleswig-Hol-              diesem Zeitraum an, so zeigt sich zwar
nichtdigitale Patente enthalten. Doch auf    stein und das Saarland mit -0,08 bzw.             eine stetige, aber keine sprunghafte Zu-

Prognos trendletter November 2015                                                                                                          5
Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
Fachbeitrag

    DEUTSCHLAND DIGITAL:
    Hier landen die meisten Fördermittel

                                                                                                                        91,3 Mio EUR (NRW)

                             Bremen

                                                                                                    Berlin

              Dortmund

                    Köln
                                                                                                      Dresden
                Aachen

               Saarbrücken

                   Kaiserslautern
                              Karlsruhe
                             Stuttgart
                                                                                              München

                                                                                                                           3,3 Mio EUR (ST)
     Diese elf Kommunen erhalten zusammen 50 % der Fördermittel.

Quelle: FÖKAT/eigene Berechnungen                                                                                                               © Prognos 2015

nahme der bewilligten Fördermittel. Die                       belegen in keiner Kategorie vordere Ränge.     schaft und den Regionen. Die Innova-
Themenkonjunktur der Digitalisierung                          Bremen ist bei der Wissenschaft Zweiter,       tions- und Wirtschaftspolitik muss in
bildet sich hier nicht ab.                                    schafft es aber nicht auf einen vorderen       vielen Bundesländern noch mehr unter-
                                                              Rang bei den Unternehmen. Baden-Würt-          nehmen – auch in den vermeintlich star-
Wenig überraschend vereinen Nord-                             temberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen        ken Ländern Baden-Württemberg, Bay-
rhein-Westfalen, Bayern und Baden-Würt-                       liegen in der Kategorie Unternehmen hin-       ern und Nordrhein-Westfalen. Manche
temberg die meisten Digitalisierungsmittel                    ter Thüringen oder Berlin.                     Regionen laufen Gefahr, den Anschluss
auf sich. Doch das Bild ändert sich, wenn                                                                    an die vierte industrielle Revolution zu
man die Mittel in Bezug zur Wirtschafts-                      Vom Bund geförderte Aktivitäten im             verpassen. Eine Politik unterstützende
leistung setzt. Dann fallen diese drei Län-                   Bereich der Digitalisierung sind in            Analyse des Digitalisierungsgrades der
der auf die Plätze 6 (BW), 7 (BY) und 8                       Deutschland regional stark konzentriert.       Wirtschaft in den einzelnen Bundeslän-
(NRW). Relativ betrachtet werden also in                      Die elf stärksten Kommunen erhalten            dern würde helfen, die Ausgangsbedin-
anderen Ländern mehr Mittel eingesetzt.                       50 % (!) des gesamten Fördervolumens.          gungen und die Abstände zwischen den
Die nur mittlere Position der großen Län-                     „Hotspots“ sind Berlin, München und            Ländern festzustellen. _
der überrascht und ist ein Indiz für deren                    Stuttgart, gefolgt von Aachen, Karlsruhe
Nachholbedarf. Die stärkste Aktivität zeigt                   und Saarbrücken (siehe Abb.).
das Saarland, gefolgt von Berlin und Bre-
men. An vierter Stelle liegt Thüringen,                       Die 22 Top-Standorte vereinen zwei
danach Sachsen. Dies ist Ausdruck von                         Drittel der Mittel auf sich. Die Mehrzahl
ausgeprägten wissenschaftlichen For-                          der Regionen in Deutschland teilen sich
schungsstrukturen.                                            somit lediglich ein Drittel der Mittel.
                                                              Hier werden die Herausforderungen und
Mit dem FÖKAT können die Zuwen-                               Chancen der Digitalisierung noch nicht
dungsempfänger entweder der Wirt-                             hinreichend fokussiert.
schaft oder der Wissenschaft zugeordnet
werden. Gemessen an der Wirtschafts-                          Viele Länder haben Nachholbedarf
leistung zeigt das Saarland in beiden
                                                                                                                Holger Bornemann
Kategorien die stärkste Performance.                          Fazit: Allenthalben besteht die Notwen-
Niedersachsen und Schleswig-Holstein                          digkeit für Aufholprozesse in der Wirt-           holger.bornemann@prognos.com

6                                                                                                                             Prognos trendletter November 2015
Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
Fachbeitrag

Spaltung oder Integration?
Als „digital divide“ droht die Digitalisierung unsere Gesellschaft zu spalten.
Umgekehrt besitzt digitale Bildung Integrationskraft. Wer die digitale Kluft
verringert, verbessert Chancengleichheit.

Gesellschaftliche Spaltung hat viele
Gründe. Ein Grund ist der Zugang zu
und die Nutzung von digitalen Informa-
tions- und Kommunikationstechnologi-
en (IKT). Berufliche und soziale Chancen
von Menschen sind zunehmend davon
bestimmt, ob sie mit IKT kompetent um-
gehen können.

Deutschland hat hier Aufholbedarf. Das
zeigt der internationale Vergleich: Nach
Eurostat-Daten verfügten 2013 nur 5 %
der 16- bis 74-jährigen Deutschen über
sehr gute, 33 % über mittlere Internet-
kenntnisse. Auf Platz eins liegt Island       Miami, USA: Die Schüler Devin (7) und Paolo (9) programmieren ein Ressourcenpaket, das die Farben
mit 34 % (sehr gut) und 43 % (mittel),        im beliebten Computerspiel „Mine Craft“ ändert.
Dänemark folgt mit 21 % und 50 %,
Schweden mit 26 % und 42 %.                   dies ist stark abhängig vom sozioöko-             der ersten Klasse. Die Deutschschweiz hat
                                              nomischen Hintergrund der Kinder. Im              mit dem Lehrplan 21 Medien und Infor-
Die kompetente Nutzung von IKT ist in         internationalen Vergleich liegt Deutsch-          matik als fächerübergreifendendes Modul
Deutschland stark abhängig von sozio-         land im Mittelfeld der 21 untersuchten            in den Lehrplan aufgenommen. Außer-
ökonomischen Faktoren. „Verlierer“ der        Bildungssysteme (ICLIS 2013).                     halb Europas haben viele Länder (u. a.
Digitalisierung sind Haushalte mit ge-                                                          die USA, Indien, Südkorea, Israel) bereits
ringem Einkommen, Personen mit nied-          Schon in den 1990er-Jahren wurde in               Computerlehrpläne entwickelt.
rigem oder keinem Bildungsabschluss           den USA auf die gesellschaftlichen Aus-
sowie Ältere, so eine Studie der Initiative   wirkungen einer „digital divide“ hinge-           In Deutschland ist – neben verschiedenen
D21. Und nur weil sie „Digital Natives“       wiesen. Heute dominieren digitale An-             (Einzel-)Aktivitäten zur Nutzung und In-
genannt werden, ist auch die junge Ge-        wendungen zentrale Bereiche unseres               tegration von Digitalisierung in Schulen
neration nicht automatisch digital kom-       Alltags- und Berufslebens (Stichwort              – das Schulfach Informatik bislang nur
petent: In Deutschland verfügen nach          „Arbeit 4.0“). Das erhöht den Handlungs-          in Sachsen verpflichtend. In Bayern ist
der „International Computer and Infor-        bedarf, allen Bürgern Wege zu einer digita-       es an Gymnasien mit Schwerpunkt Ma-
mation Literacy Study“ (ICLIS) knapp ein      len Grundbildung zu eröffnen. Der kom-            thematik und Naturwissenschaften ver-
Drittel der Achtklässler/innen über ge-       petente Umgang mit den Anforderungen              ankert. Aber Vorsicht vor Schnellschüs-
ringe computer- und informationsbezo-         der digitalen Welt bezieht sich dabei nicht       sen! Digitalisierung ist kein Selbstzweck,
gene Kompetenzen. Weniger als 2 % der         nur auf die Bedienung und das Verständ-           sondern muss in ihren Nutzwerten für die
Kinder haben hohe Kompetenzen. Auch           nis von Hard- und Software. Eine digital          pädagogischen Ziele, die prozessuale Or-
                                              gebildete Person kann IKT gezielt nut-            ganisation in Bildungseinrichtungen und
   COMPUTERNUTZUNG AN SCHULEN                 zen, um Informationen zu suchen und               die Umsetzungsbedingungen differenziert
   43 Länder, Index -1 bis +1                 zu bewerten, sie kann sich mit anderen            werden. Parallel muss die Ausbildung des
                                              vernetzen, Inhalte selbst schaffen und            Lehrpersonals weiterentwickelt werden.
                                              mit anderen teilen. Nur wer die neuen             Digitale Bildung bietet Chancen und be-
                                              Technologien sicher beherrscht, kann in           sitzt Integrationskraft. Diese gilt es zu
   1. Dänemark                      + 0,9
                                              der digitalen Gesellschaft mitwirken. Po-         nutzen! _
   2. Norwegen                      +0,7      litik und Wirtschaft sind daher gefordert,
                                              die Vermittlung digitaler Kompetenzen in
   3. Australien                    + 0,6     die Schul- sowie die Erwachsenenbildung
   …                                          stärker zu integrieren. Eine Studie der
                                              OECD zur Einbindung von IKT in Schu-
   17. Schweiz                      + 0,0     len zeigt, dass in Deutschland der Index
   …                                          „ICT use at school“ deutlich unter dem
   30. Deutschland                  - 0,3     OECD-Durchschnitt liegt. Andere Länder
                                              sind hier schon weiter. So ist „Computer
   …                                          Programming“ in Polen, den Niederlan-                Claudia Münch
                                              den und Großbritannien Pflichtfach – in
Quelle: OECD, PISA 2012 Database              Großbritannien seit September 2014 ab                claudia.muench@prognos.com

Prognos trendletter November 2015                                                                                                             7
Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
Fachbeitrag

Digital ist anders! Der Wandel
der Kreativwirtschaft
Die Kreativwirtschaft zählt zu den fortschrittlichsten Branchen im
Digitalisierungsprozess, ist aber auch besonders stark von den Folgen
der Entwicklung betroffen.
Mit der Fortentwicklung digitaler Techno-
                                                                                                     Pankow
logien und neuen digitalen Produktions-,         Reinickendorf
Vertriebs-, Rezeptions- und Entwick-
lungsprozessen ergeben sich neue For-
men der Wertbildung und der Wertschöp-
fung, mit denen sich KreativakteureSpandau
                                       zu
behaupten versuchen. Die reale und die
virtuelle Welt wachsen weiter zusammen.
Vom Internet der Dinge in der Produk-                           Mitte                                                    Lichtenberg
tion ist die Rede, aber es vollzieht sich
auch eine Veränderung in der Gesell-                                                                                                                     Marzah
schaft. Industrie 4.0 – das ist auch die
Demokratisierung der Produktionsmittel,
eine Do-It-Yourself-Kultur dank aktueller Charlottenburg-
                                                               Friedrichshain
Technik, die es jedem erlaubt, zum Produ- Wilmersdorf          Kreuzberg
zenten zu werden.
                                                                                        Tempelhof-
Kreativwirtschaft als Treiber für Innovation                                            Schöneberg
                                                Analog bleibt wichtig: Allein in Berlin bieten rund 100 Coworking-Spaces Begegnungsmöglich-
                                                keiten für digitale Vordenker. (Quelle: Projekt Zukunft/Berliner Senatsverwaltung)
Die Kreativwirtschaft gibt Impulse für          Steglitz-Zehlendorf
zahlreiche Digitalisierungsanwendungen,
neue Geschäftsmodelle und -felder ent-          Spezialisierung. Die Zeit der isolierten
                                                                                                           Neukölln
                                                                                                    toren müssen unterstützt, neue Be-
                                                                                                                                                          Trepto
stehen:                                         Ideenentwicklung weicht dabei einer                 rufsbilder und Tätigkeitsfelder mitsamt
                                                neuen Ära, die durch Matching- und                  Förder- und Ausbildungsangeboten
»	Coaching,Bildung: Lernapps, digitale      Partneringprozesse zwischen Kreativ-                ausgewiesen werden.
    Lernspiele, Weiterentwicklung/Beglei-       wirtschaft und Mittelstand geprägt ist.
    tung von MOOCs (massiver offener                                                             »	Auch plädieren wir dafür, zielgerichtet
    Onlinekurs), Virtuelle Universitäten.       Thüringen und Sachsen-Anhalt wid-                   sogenannte Matchmaking-Formate ein-
                                                meten deshalb je ein Modellprojekt der              zusetzen. Zahlreiche existieren bereits:
»	Medizintechnik,  Gesundheit: Usability       Erprobung sektorübergreifender Koope-               szeneaffine Barcamps, Unkonferenzen,
    und Design, Onlinetools zur Ferndiag-       rationen (Landesprojekt „KMU-krea-                  Ad-hoc-Meetings, Innovationswerkstät-
    nose, Gesundheitsapps, Gestaltung von       tiv“ Thüringen; „Bestform-Wettbewerb“               ten, Designcamps etc.
    physischen Umgebungen zur Behand-           Sachsen-Anhalt). Diese verfolgen un-
    lung usw.                                   terschiedliche Ansätze hinsichtlich der          Die Digitalisierung bewirkt nicht aus-
                                                Anbahnung und Umsetzung von Inno-                schließlich eine Verlagerung in digital
»	Industrie  4.0: Visual Computing, Ge-       vationskooperationen: Die Arbeit mit             operierende Geschäftswelten. Die Bedeu-
    staltung von Usability-Interfaces, Ent-     B2B-Coachings und jene mit einem lan-            tung zentraler sozialer Orte (Coworking
    wicklung von Tools zur selbstständigen      desweiten Veranstaltungsformat.                  Spaces, Inkubatoren und Begegnungse-
    Fabrik, Internet der Dinge.                                                                  vents) zeigt die Wichtigkeit analoger und
                                                Die Projekte wurden begleitend evaluiert.        sozial bestimmter Welten. _
»	Crossmedia:      digitale Distribution,      Auf dieser Basis haben Prognos und das
    Connected TV, Interactive Media, spie-      Forschungsbüro multiplicities wichtige
    lebasierte Lernumgebungen, eBooks/          Handlungsdimensionen entwickelt:
    eReading, Multichannel Marketing, On-
    linemarktplätze, Data Privacy & Security.   »	Die Etablierung neuer Kanäle für
                                                  cross-sektorale Matching- und Part-
Gleichzeitig verlangt die Digitalisierung         neringprozesse braucht Orte des Aus-
den Unternehmen viel ab: Zunehmend                tauschs (Labs, Coworking Spaces etc.).
werden standardisierte und Routinetätig-
keiten auf technische Systeme übertragen,       »
                                                 Systemische    Vermittler von Markt-,
                                                                                                    Dr. Olaf Arndt
die durch die Digitalisierung ausgelöste          Produkt- und Prozesswissen zwischen
Wissensexplosion provoziert eine stärkere         unterschiedlichen Akteuren und Sek-               olaf.arndt@prognos.com

8                                                                                                                    Prognos trendletter November 2015
Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
Rankings

Das Fundament
für smarte Städte
Wie gut sind die Voraussetzungen für vernetzte Stadtgesellschaften
in Deutschland und in der Schweiz? Und wie groß ist der Abstand zum
europäischen Spitzenreiter?

1. Mehr Menschen, mehr Dichte, mehr Daten: Wie dicht besiedelt ist das Land?
    Einwohner je Quadratkilometer (2013)

    NIEDERLANDE »                                                                                                    498

    DEUTSCHLAND »                                                 231

    SCHWEIZ »                                            205

2. Ich hab‘ da eine Idee. Aus frei        3. W
                                               ie kompliziert ist es, dafür eine Firma zu gründen?
    verfügbaren öffentlichen Daten            Anzahl der Schritte bis zur Unternehmensgründung (2013)
    Gold machen!
		Rang OpenData Barometer (2014) *                                 1

                                           SLOWENIEN »
                                                                            2
     GROSSBRITANNIEN

    Platz 1                                                        1    2       3     4      5

     DEUTSCHLAND                           SCHWEIZ »
                                                                                                     6

    Platz 10                                                       1    2       3     4      5   6        7      8

     SCHWEIZ
                                           DEUTSCHLAND »
                                                                                                                           9
    Platz 22

4. Wie lange dauert es,                   5. U
                                               nd wie lange warte ich auf Strom?
    bis ich (legal) loslegen kann?         		Anzahl der Tage bis ein Unternehmen mit Strom versorgt ist (2013)
	Anzahl der Tage bis zur
  Unternehmensgründung (2013)
                                                                  17                      23                         39
      MAZEDONIEN

     2
      DEUTSCHLAND

     14,5
      SCHWEIZ                                    DEUTSCHLAND                 ÖSTERREICH                  SCHWEIZ
                                                 (1. IN EUROPA)             (2. IN EUROPA)
     18

Prognos trendletter November 2015                                                                                              9
Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
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6. Vernetzt – und sicher?                       7. Klar (ver-)kauf‘ ich online ...
	Anzahl sicherer Internet-                       Umsatz Internethandel pro Kopf (US-Dollar, 2012) **
  server pro 100 Einwohner
  (2013)

                                                                          EN
                                                                   NORWEG                                                SCHWEIZ                                          LAND
                                                                                                                                                                   DEUTSCH
                                                                        921 $                                                 533 $
                                                                                                                                                                        391 $
     NIEDERLANDE / 2382
     SCHWEIZ / 2211
     DEUTSCHLAND / 1071

8. ... denn es kommt auch an!
     Index Zuverlässigkeit der Logistik (5 = termingerecht, 1 = unpünktlich, 2014)

                LUXEMBURG                                          DEUTSCHLAND                                                              SCHWEIZ

                4,71 von 5 Sternen                                   4,36 von 5 Sternen                                                 4,06 von 5 Sternen

9. Und ist mein Nachwuchs gesichert?
     Computer- und informationsbezogenes Kompetenzniveau von Schülern, 2014 ***

                      553                                                 526                                                                 523
            TSCHECHISCHE REPUBLIK                                          SCHWEIZ                                                         DEUTSCHLAND

Quelle:                                            Abweichende Quelle:
Weltbank, http://databank.worldbank.org, 2015      * World Wide Web Foundation, Open Data Barometer Global Report (2nd Edition)
                                                   ** Euromonitor International, Cushman & Wakefield, 2012
                                                   ***	International Computer and Information Literacy Study (ICLIS), International Association for
                                                        the Evaluation of Educational Achievement (IEA), 2014

10                                                                                                                                              Prognos trendletter November 2015
Zeitzeugnis

Blick ins Archiv: Mit Pioniergeist
ins digitale Zeitalter
Mitte der 1980er-Jahre begannen die schweizerischen Post-, Telefon-
und Telegrafenbetriebe PTT mit dem Aufbau eines „Integrated Services
Digital Networks“. Prognos begleitete das Projekt in der Startphase.
von Felix Neiger

In Schweizer Büros waren Mitte der            Der Vorschlag stieß im Generaldirektori-
1980er-Jahre die elektrische IBM-Kugel-       um der PTT auf großes Interesse. Im No-
kopfschreibmaschine und der program-          vember 1985 wurde Prognos zunächst
mierbare HP-Taschenrechner State of the       mit der Erarbeitung eines Realisierungs-
Art. Der erste IBM-PC mit Festplatte und      konzepts beauftragt, anschließend wur-
Windows-Betriebssystem war gerade erst        de das Projekt realisiert. Bis Ende 1987
auf den Markt gekommen und kaum ver-          reichten die Gemeinden 375 Projekt-
breitet. Die elektronische Übermittlung       vorschläge ein. Landesweit wurden 14
von Texten geschah meist noch per Telex.      Gemeinden als Kommunikations-Mo-
Dank sinkender Preise konnten sich zu-        dellgemeinden ausgewählt. 81 Projekte                     Der Bildschirmtext (Btx) brachte
                                                                                             Telefon und Bildschirm zusammen. Er war
nehmend auch kleinere Unternehmen             wurden umgesetzt, darunter ein Lawi-
                                                                                          wichtiger Bestandteil des Konzepts „Integrated
ein Faxgerät leisten. Das Internet wurde      nenfrühwarnsystem in den Bündner Al-                           Services Digital Networks“.
erst später öffentlich zugänglich. Wie die    pen, ein intelligentes Gebäude in Basel,
Kunden die neuen Möglichkeiten der Di-        ein Hotelreservierungssystem in St. Mo-
gitalisierung dereinst nutzen würden, war     ritz und der elektronische Austausch von
damals noch kaum abschätzbar.                 Röntgenbildern zwischen verschiedenen
                                              Spitälern. Ein Basler Pharmaunterneh-
Eine große Zukunft sagte man Mitte der        men sammelte Erfahrungen mit einem
1980er-Jahre hingegen dem Bildschirm-         Homeoffice-Pilotprojekt. Einige Projekte
text voraus. Dieser Dienst sollte es jeder-   scheiterten schon bei der Realisierung,
mann ermöglichen, über das öffentliche        andere waren nicht markttauglich. Nur
Netz auf Informationen aus externen Da-       wenige Projekte konnten nach der Pi-
tenbanken zuzugreifen.                        lotphase erfolgreich vermarktet werden.
                                              Insgesamt lösten die Modellgemeinden
1985 empfahl Prognos den PTT-Betrie-          Investitionen in Höhe von rund 150 Mio.
ben, bei der Erkundung der Einsatzmög-        Franken aus. Die Ziele, die sich die PTT
lichkeiten der neuen digitalen Technolo-      gesetzt hatte, waren bei Projektabschluss
gien eng mit ihren Kunden, aber auch mit      1993 erreicht. _
der damaligen Fernmeldeindustrie, den
Hard- und Software-Anbietern und der
Wissenschaft zusammenzuarbeiten. Zu
diesem Zweck sollte in jeder Sprachregion
mindestens eine Kommunikations-Mo-
dellgemeinde eingerichtet werden. In die-
sen Gemeinden sollten die Bevölkerung,
die örtliche Wirtschaft, die politischen
Organe und die öffentliche Verwaltung,
die Schulen, das Gesundheitswesen, die
Kirchengemeinden, Vereine und die üb-
rigen ortsansässigen Organisationen Er-
fahrungen mit dem Einsatz der neuen
Informations- und Kommunikationstech-
niken sammeln können. Gemeinsam mit
den IKT-Anbietern und den Universitäten
wollte die PTT diese Erfahrungen aus den
Kommunikations-Modellgemeinden für die
Entwicklung und Erprobung neuer be-
darfsgerechter Anwendungen nutzen.

Prognos trendletter November 2015                                                                                               11
Fachbeitrag

Arbeitslos durch Digitalisierung?
Die Angst: Digitalisierung erzeugt Arbeitslosigkeit.
Der Verdacht: Sie setzt bisherige Gesetzmäßigkeiten außer Kraft.
Zeit für einen Überblick.

Laut einer unserer Studien droht die            Dies gilt nicht nur für Unternehmen,        Diese Sichtweise ist zu teilen. In Bran-
Zahl der Arbeitslosen in Deutschland            sondern vor allem für Beschäftigte. So      chen, Unternehmen, Abteilungen und
durch neue Technologien binnen zwölf            kommt eine viel beachtete Studie von        bei einzelnen Tätigkeiten wird sich die
Jahren um bis zu drei Millionen anzu-           Osborne und Frey zu dem Ergebnis, dass      Arbeitswelt durch die Digitalisierung
steigen. Demgegenüber liegt subjektiv           in den Vereinigten Staaten in den kom-      massiv ändern. Viele der heutigen Tätig-
gemäß einer regelmäßig von der R+V              menden 10 bis 20 Jahren 47 % der Be-        keiten werden obsolet sein. Das ist die
Versicherung durchgeführten Umfrage             schäftigungsverhältnisse vom techno-        eine, die leicht sichtbare Perspektive.
zu den größten Ängsten der Deutschen            logischen Wandel bedroht seien. Zwar
eine höhere Arbeitslosigkeit im Jahr            stehen Einwände gegenüber der Metho-        Kann diese Einschätzung auf die Gesamt-
2015 nur auf Rang 11.                           dik der Studie und damit der Größen-        wirtschaft, also auf die Beschäftigung
                                                ordnung der Ergebnisse im Raum. Auch        insgesamt, übertragen werden? Im Kern
Welchen Einfluss wird die Digitalisie-          sind die Erkenntnisse nicht ohne Wei-       geht es um das Argument, die Digitalisie-
rung tatsächlich auf die Beschäftigung          teres auf andere Länder wie Deutsch-        rung bringe so hohe Produktivitätsfort-
haben?                                          land übertragbar. Gleichwohl entsteht       schritte mit sich, dass zur Produktion ei-
                                                doch der Eindruck, dass die Digitalisie-    ner bestimmten (sic!) Gütermenge immer
Wann immer neue Entwicklungen Fahrt             rung die Beschäftigung massiv bedroht.      weniger Arbeitseinsatz erforderlich sei.
aufnehmen, treten die Maximalisten auf          Und die Argumente hierfür sind nicht        Geht uns also durch die Digitalisierung
den Plan, nach denen künftig kein Stein         schlecht: Maschinen werden in Zukunft       die Arbeit aus? Zur Beantwortung dieser
mehr auf dem anderen bleibt. So auch            „intelligent“ sein und zunehmend in         Frage bietet sich zunächst ein Blick auf
im Falle der Digitalisierung. Sie zeigen        bislang dem Menschen vorbehaltene           die Theorie an: Wovon wird die Nachfrage
uns, welche Möglichkeiten sich durch            Tätigkeiten drängen. Dabei werden alle      nach Arbeitskräften eigentlich bestimmt?
die neuen Technologien eröffnen. Sie            Tätigkeiten mit Ausnahme sogenannter        Hier ergibt sich ein diffuses Bild aus Fak-
verbreiten die Kunde über die Chancen           technical bottlenecks als grundsätzlich     torpreisen, Produktpreisen, Produktions-
der digitalen Revolution. Sie führen uns        automatisierbar erachtet. Betroffen sei-    technik, Güternachfrage und Marktform.
aber auch die darwinistischen Folgen            en nicht nur einfache, sondern zuneh-       Zudem spielen Innovationen selbstver-
vor Augen: Wer sich nicht anpasst, hat          mend auch mittlere Qualifikationen.         ständlich eine wichtige Rolle. Doch wäh-
zunehmend Schwierigkeiten in einer di-          Dies gilt auch, wenn nicht alles, was       rend Produktinnovationen tendenziell
gitalisierten Wirtschaft zu bestehen. Und       technisch möglich, auch betriebswirt-       positiv auf die Arbeitsnachfrage wirken,
sie haben Recht.                                schaftlich sinnvoll ist.                    ist bei Prozessinnovationen oftmals genau

Geht uns die Arbeit aus? Parkett der Frankfurter Börse in den Jahren 1962, 1986 und 2015.

12                                                                                                            Prognos trendletter November 2015
Fachbeitrag

das Gegenteil der Fall. Die Theorie liefert          PRODUKTIVITÄT UND BESCHÄFTIGUNG IN DEUTSCHLAND
also keine befriedigende Antwort.                    Veränderung in %

Die Empirie wird demgegenüber deutli-                                                                                                                   Stundenproduktivität
                                                  6,0                                                                                                   Arbeitsvolumen
cher. Seit Beginn der Industrialisierung
– vorher hat es praktisch keinen techni-          4,0
schen Fortschritt gegeben – ist die Sum-
me der Arbeitsplätze nicht etwa gesunken,         2,0
sondern deutlich gestiegen. Im Zuge des
                                                    0
technischen Fortschritts wurden also viel
mehr neue Arbeitsplätze geschaffen als           - 2,0
alte zerstört. Die Erklärung ist einfach: Erst
technischer Fortschritt hat neue Märkte          - 4,0
eröffnet, den Wettbewerb gestärkt und

                                                                                                                                               05
                                                                                                                     95
                                                                              80
                                                                 75

                                                                                           85

                                                                                                        90

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                                                    70

                                                                                                                                                                         14
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als Katalysator für einen dynamischen

                                                                                                                                             20
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                                                                            19
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                                                               19

                                                                                         19

                                                                                                      19

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Strukturwandel gewirkt. Auch haben sich          1970er-Jahre: deutlich negativer Zusammenhang zwischen Produktivitätsfortschritt und Veränderung des Arbeitsvolumen. Darauf
durch die Veränderung der relativen Fak-         folgende Dekaden: schwache Wendung ins Positive. Letzte Dekade: ausgeprägter Gleichlauf mit einem Korrelationskoeffizient von
torpreise stets neue Komplementaritäten          bemerkenswerten 0,86.

zwischen Kapital und Arbeit ergeben. All
                                                 Quelle: Ameco Datenbank/Europäische Kommission                                                                  © Prognos 2015
dies hat auch neue Beschäftigungsmög-
lichkeiten eröffnet. Nur ist das nicht so        winne der Digitalisierung, die ja erst die                        le Revolution nicht überfordert. Trotzdem
sichtbar. Während wegfallende Arbeits-           Grundlage für weniger Beschäftigung                               besteht Grund zur Zuversicht: Kaum ein
plätze stets Schlagzeilen verursachen            bilden können? Dass sich diese in den                             anderes System auf der Welt – vielleicht
und so ins Bewusstsein der Öffentlichkeit        Statistiken bislang nicht zeigen (das soge-                       mit Ausnahme des menschlichen Immun-
dringen, entstehen neue Arbeitsplätze in         nannte Solow-Paradoxon), wird oftmals                             systems – weist eine so hohe Anpassungs-
der Regel zunächst sehr vereinzelt und           damit begründet, dass dies eben noch Zeit                         fähigkeit auf wie die Marktwirtschaft –
dezentral an unzähligen Stellen. Nicht zu        bräuchte. Da aber die Digitalisierung nicht                       wenn man sie nicht über Gebühr bremst.
vergessen: Die produzierte Gütermenge ist        erst gestern Einzug in unser Wirtschaften
keine Naturkonstante, denn die Bedürf-           gehalten hat, ist dies ein wenig überzeu-                         Es dürfte unstrittig sein, dass die Digita-
nisse des Menschen sind unendlich. Wäre          gendes, ein Immunisierungsargument.                               lisierung hohe Anpassungserfordernisse
das nicht so, würden sie ihr Geld nicht für                                                                        mit sich bringt. Unterhalb der gesamt-
Neues ausgeben, sondern sparen und wir           Viel wahrscheinlicher ist eine andere Er-                         wirtschaftlichen Ebene, in den Branchen,
müssten weltweit eine ständig steigende          klärung: Die Digitalisierung bringt spür-                         in den Unternehmen, bis hin zu einzel-
Sparquote beobachten.                            bare Produktivitätsfortschritte mit sich,                         nen Produkten wird sie weiterhin mit
                                                 löst aber andere ab. Neue Technologien                            massiven Umwälzungen einhergehen.
Zumindest für die Vergangenheit erlaubt          können nur über einen begrenzten Zeit-                            Es bedarf enormer Anstrengungen, diese
die Erkenntnis, dass durch technischen           raum hinweg die Produktivität steigern,                           Umwälzungen aktiv und erfolgreich mit-
Fortschritt an vielen Stellen Arbeitsplät-       danach halten sie sie nur noch auf ihrem                          zugestalten. Gering Qualifizierte werden
ze weggefallen sind, somit keinen Rück-          Niveau. Bereits eingeführte Technologien                          es schwer haben und Bildung ist die beste
schluss auf einen gesamtwirtschaftlichen         werden weiter genutzt, stellen aber keinen                        Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Aber
Beschäftigungsrückgang. Die Menschen             Fortschritt mehr dar und sind somit auch                          sind das wirklich neue Erkenntnisse? Dass
machen nachher etwas anderes als vorher,         nicht mehr als produktivitätswirksam in                           uns durch die Digitalisierung die Arbeit
aber sie arbeiten in ihrer Gesamtheit nicht      der Statistik kenntlich. Mit anderen Wor-                         ausgeht, müssen wir wahrlich nicht be-
weniger.                                         ten: Vieles spricht dafür, dass wir froh                          fürchten.
                                                 sein können, die Digitalisierung zu haben,
Doch nicht immer ist die Vergangenheit           um in unseren hoch technologisierten                              Übrigens: Die eingangs erwähnte Studie
ein guter Ratgeber für die Zukunft. Die          Volkswirtschaften überhaupt noch Pro-                             stammt aus dem Jahr 1978. Auch Prognos
Digitalisierung sei, so heißt es, in Tempo       duktivitätsfortschritte erzielen zu können                        kann einmal irren. _
und Ausmaß mit keiner früheren techni-           (s. Abb.).
schen Revolution vergleichbar. Und tat-
sächlich: Digitale Innovationen nehmen           Widmen wir uns gleichwohl für einen
mit enormer Geschwindigkeit und Durch-           Moment dem Gedankenexperiment, dass
schlagskraft immer mehr Bereiche unserer         dieses Mal doch alles anders und die Di-
Wirtschaft und unseres Lebens ein. Wenn          gitalisierung mächtiger sei als alles in der
es stimmen sollte, dass Digitalisierung zu-      Vergangenheit gesehene. Selbst dann ist
lasten der Beschäftigung insgesamt geht,         nicht erkennbar, dass sich die grundle-
bleiben jedoch zwei Fragen offen:                genden Zusammenhänge zwischen tech-
                                                 nischem Fortschritt und Beschäftigung
1. Wie kann es sein, dass Deutschland            ändern würden. Ändern würden sich –
heute den höchsten bislang erreichten            das allerdings ist nicht gering zu schätzen
Digitalisierungsstand und zugleich den           – die Anpassungserfordernisse. Dies ver-
historisch höchsten Beschäftigungsstand          langt uns eine Menge ab. Wir spüren das
                                                                                                                       Dr. Michael Böhmer
aufweist?                                        in einigen Bereichen schon heute. Es gibt
2. Wo sind die hohen Produktivitätsge-           keine Garantie dafür, dass uns die digita-                            michael.boehmer@prognos.com

Prognos trendletter November 2015                                                                                                                                             13
Zeitenwende

         Digitale Revolution:
         Mächtiger als der Buchdruck
         Das exponentielle Wachstum der Rechnerleistung und Vernetzung schafft
         ungeahnte Möglichkeiten in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.
         Das technologische Wachstum der Infor-
         mationstechnologie verläuft nicht linear,
  »» v   sondern exponentiell. Durch die zu-
         nehmende informationstechnologische
         Durchdringung aller Bereiche des Wis-
         sens und der Wissenschaften – wie etwa
         gegenwärtig in der Biologie oder den
         Neurowissenschaften – wachsen unser
         gesamtes Wissen und damit auch unse-
         re technischen Möglichkeiten zusehends
         exponentiell.

         Die Folge: Ein explosionsartiger Wissens-
         und Technologiefortschritt, der unsere
         Gesellschaft grundlegend verändert.

         »	Innovationszyklen      werden allgemein
              immer kürzer.

         »	Große     Fortschritte in der Robotik er-
              möglichen die Schaffung künstlicher
              Intelligenz, die das Niveau menschlicher
              Intelligenz erreicht und sogar übersteigt.

         »	Neue Technologien in der Genetik er-
              möglichen weitreichende Eingriffe in
              das menschliche Erbgut (z.B. Verände-
              rung der Alterung von Zellen).

         »	Die     nanotechnologische Revolution
              befähigt den Menschen, molekulare                                                                                                K
              Fertigung auf atomarer Ebene vorzu-                                                                                   Wäschetrock
              nehmen und sich die Welt Atom um
                                                                                                               Spülmaschine
              Atom neu aufzubauen. Dies kann zur
              Überwindung der Rohstoffknappheit                                                                        Radio
              führen.                                                                            Kühlschrank
                                                                                            Waschmaschine
         »	Es kommt zu einer weiteren Verstärkung
              des exponentiellen Wachstums insbe-                                    Auto
              sondere durch die Weiterentwicklung                            Elektrizität
              der künstlichen Intelligenz._                        Telefon

                                                                                                                                          Entsc
                                                                                                                                           der N

1790                  1810                  1830           1850   1870         1890                       1910                          1930

         14                                                                                     Prognos trendletter November 2015
Zeitenwende

              Die Innovationszyklen werden immer kürzer:                                                                                   Rechnerleistung
              Die Länge der roten Balken entspricht einer                                                                     (Anzahl von Berechnungen pro
              Marktdurchdringung von 50% in den USA.                                                                         Sekunde, die für ein Budget von
                                                                                                                              1000 US-Dollar zu haben sind)

                                                                                                                                                        1E+28

                                                                                                                                                        1E+26

                                                                                                                                                        1E+24

                                                                                                                                                        1E+22

                                                                                                                                                        1E+20

                                                                                                                                                        1E+18

                                                                                                                                                        1E+16

                                                                                                                                                        1E+14

                                                                                            Instagram
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                                                                                          Twitter
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                                                                    Tablet-PC
                                                                    Internet                                                                            100.000.000
                                                     Mobiltelefon
                                                  Computer
                                                                                                                                                        1.000.000
                                Mikrowelle
                      Videorekorder
          Farbfernseher                                                                                                                                 10.000
Klimaanlage
kner                                                                                                                                                    100

                                                                                                                                                        1

                                                                                                                                                        0,01

                                                                                                                                                        0,0001

                                                                                                    Prozessor mit   Prozessor mit       Prozessor mit   0,000001
                                                                                Bestimmung der       der Rechen-      der Rechen-        der Rechen-
hlüsselung           Erster Berechnung der                         Erste         Kreiszahl π auf     leistung des    leistung des        leistung der
Nazi-Codes         Schach- Umlaufbahn der                    graphische           1,24 Billionen    Gehirns einer   Gehirns eines       Gehirne aller
 (Enigma)         computer    Mondlandung                    Oberfläche                  Stellen            Maus       Menschen            Menschen
       1943          1956                 1969                   1984                    2002             2016            2030                2050

                  1950                            1970                     1990                      2010                   2030                2050

              Prognos trendletter November 2015                                                                                                                       15
Kurz gefasst

Digitale Chancen
Die Bedeutung der Digitalisierung ist kaum zu überschätzen. Wir haben
sechs Prognos-Expertinnen und Experten gebeten, eine Neuerung aus
ihrem Fachbereich vorzustellen.

… für bessere Beteiligungsprozesse
Bei der Gestaltung von Zukunfts- und         keit, viele Adressaten in kürzester Zeit zu    mobilem Internet haben sich in kurzer Zeit
Strategieprozessen für Wirtschaftsförde-     erreichen. Per Filterfunktion und gezielter    über 1.000 Personen beteiligt. Das zeigt:
rungen oder Unternehmen sind oft die         Kommunikation wird die Zielgruppe ein-         Social Media und mobile Anwendungen
Meinungen und Erfahrungen vieler rele-       gegrenzt und angesprochen. Teilnehmer          machen Befragungen attraktiver! _
vant. Befragungen sind hier ein wichtiges    liken, posten oder teilen die Umfrage, so-
Instrument. Was fehlt, um Unternehmen an     dass sich deren Reichweite schnell erhöht.
den Standort zu binden? Wie wird meine       Auch die Verbreitung von Smartphones
Region attraktiver für Fachkräfte? Welche    und Tablets wirkt positiv. Die Teilnahme ist
Verbesserungen wünscht sich die Bevölke-     so zu jeder Zeit und von überall möglich.
rung, welche die Wirtschaft? Neben dem       Diese positiven Effekte werden auch durch
Internet, das seit Jahren Onlinebefragun-    eine Umfrage bestätigt, die Prognos für die
                                                                                              Kathleen Freitag
gen ermöglicht, eröffnen soziale Netzwer-    Strategieentwicklung eines Auftraggebers
ke wie Facebook oder Twitter die Möglich-    durchgeführt hat. Per Social Media und           kathleen.freitag@prognos.com

… für smartes Wegwerfen
„Digitalisierung und Abfall“ – das klingt    behälter im attraktiven Design erhalten        daten. Digitalisierung kann uns auf dem
fast wie „die Schöne und das Biest“. Dabei   das Stadtbild. Solarbetrieben weisen sie       Weg zur besseren Ressourcenwirtschaft
haben IKT-Lösungen bereits Einzug in die     mir den Weg und bedanken sich, wenn            unterstützen. Handeln und unsere Mög-
abfallwirtschaftliche Wertschöpfungskette    ich sie nutze. Durch das Ident-System an       lichkeiten nutzen müssen wir selber. _
gehalten. Sie helfen, Abfall zu vermeiden,   meinem Abfallbehälter zahle ich verursa-
nutzen diesen als Ressource und schonen      chergerecht, also nur für den Müll, den
Umwelt, Gesundheit und Natur. Sensor-        ich selber erzeuge. Da ich meine Rech-
und Aktormodule in Sammelfahrzeugen,         nungen vom Entsorger online statt posta-
hoch selektive Trennverfahren und effi-      lisch beziehe, leiste ich einen Beitrag zum
ziente Prozessleitsysteme sind nur drei      Umweltschutz. Eine App informiert mich
Beispiele. Das Potenzial ist noch nicht      über Abholtermine, Tauschbörsen und
                                                                                              Dr. Bärbel Birnstengel
ausgeschöpft. Doch hier komme ich als        Recyclinghöfe. Und vielleicht erinnert
Verbraucher ins Spiel: Unterflur-Abfall-     mich mein Kühlschrank an Haltbarkeits-           baerbel.birnstengel@prognos.com

… für warme Wohnungen und komfortablen Klimaschutz
Für die Wärmeversorgung unserer Gebäu-       und Wärmebereitstellung entkoppeln. Da-        Wohnung nur noch dann warm ist, wenn
de wird Strom künftig eine viel stärkere     mit bietet die Wärmeversorgung von Ge-         wir es brauchen. Offen ist aber bis heute,
Rolle spielen als heute. Neubauten und gut   bäuden eine wichtige Möglichkeit zur zeit-     wie die Rahmenbedingungen für ein sol-
gedämmte Altbauten werden zunehmend          lichen Anpassung der Stromnachfrage an         ches dezentrales System aussehen und wer
mit Wärmepumpen beheizt werden, die          die zunehmend fluktuierende Stromerzeu-        die Kosten tragen soll. _
Heizenergie aus Strom und Umweltwärme        gung. Ein schwieriges Unterfangen, das
bereitstellen. In Wärmenetzen und großen     permanent wachsame Augen erfordert.
Gebäuden wird die Kraft-Wärme-Kopp-          Genau hier liegt eine Chance der Digita-
lung, ob mit erneuerbaren oder fossilen      lisierung für den Klimaschutz in Wohnge-
Brennstoffen, eine wichtige Rolle zur        bäuden: Sie kann dabei helfen, dass wir im
CO2-armen Strom- und Wärmeversorgung         Alltag von all dem wenig mitbekommen
behalten. Zusätzlich wird der Strombedarf    und auch weiterhin sorglos unsere warme
durch Lüftungs- und Klimatisierungsanla-     Wohnung genießen können. Willkomme-
                                                                                              Nils Thamling
gen steigen. Durch den Einsatz von Wär-      ne Nebeneffekte können Komfortgewinne
mespeichern lassen sich Wärmenachfrage       und Energieeinsparungen sein, weil die           nils.thamling@prognos.com

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Kurz gefasst

… für ein selbstbestimmtes Leben
  im Alter in den eigenen vier Wänden
Traut man Umfrageergebnissen zur bevor-       des Wohnumfelds ließen sich zum Beispiel      ausrichten. Vor dem Hintergrund des Fach-
zugten Wohnform im Alter, möchten die         viele Stürze verhindern. Kommt es dennoch     kräftemangels in der gesamten Gesund-
meisten Senioren am liebsten im eigenen       dazu, bieten Sensormatten (intelligente       heitswirtschaft könnten über diesen Ansatz
Zuhause leben. Umziehen möchten die           Fußböden) die Möglichkeit der sofortigen      entsprechende personelle Ressourcen ein-
wenigsten. Doch häufig kommt es letztlich     Sturzerfassung. Kommunikations-, Über-        gespart werden. _
doch zum Heimeintritt, etwa bei fortge-       wachungs- und Notruffunktionen sowie
schrittenem Pflegebedarf, aufgrund des all-   deren Verankerung über eine IT-Plattform
gemeinen Gesundheitszustands oder wenn        bieten neue Möglichkeiten der Vernetzung
Angehörige nicht betreuen können. Künf-       von Familienmitgliedern, Pflegepersonal
tig könnten altersgerechte Assistenzsyste-    und Ärzten. Über diese neuen Wege wäre es
me, auch bekannt als „Ambient Assistance      möglich, die Versorgungssicherheit in der
Living“, ein selbstbestimmtes Leben in den    eigenen Häuslichkeit zu steigern. Zugleich
                                                                                              Dr. Tobias Hackmann
eigenen vier Wänden ermöglichen. In Ver-      ließe sich der pflegerische und ärztliche
bindung mit der altersgerechten Gestaltung    Personaleinsatz noch stärker am Bedarf          tobias.hackmann@prognos.com

… für mitdenkende Ämter
Den ersten Brief ihres Lebens erhielt meine   bietet Chancen für einen neuen Bürger-        optimiert, zugleich werden die Grenzen
Tochter vom Finanzamt, er enthielt ihre       service: einen an Lebenslagen – wie einer     der Verwaltung zu ihrer Umwelt durch-
Steuernummer. Unsere Verwaltung funk-         Geburt – orientierten Onlineservice aus       lässiger. Künftig werden Bürger digital
tioniert, dachte ich. Doch beim Antrag        einer Hand. Örtliche und sachliche Zu-        in die Entscheidungsfindung einbezogen,
auf Elterngeld war die Euphorie wieder        ständigkeiten werden für Bürger unsicht-      zugleich wirken sie an Verwaltungsleis-
verflogen: Wie oft musste ich die gleichen    bar, relevante Leistungen werden nach         tungen mit. _
Unterlagen – die ja auch von einer Be-        dem Amazon-Prinzip („Kunden kauften
hörde ausgestellt waren – noch vorlegen?      auch“) zusammengefasst, smarte Formulare
Den Kontakt mit Verwaltungen empfinden        werden auf Wunsch vorausgefüllt und
wir in der Regel dann als „bürokratisch“,     führen Schritt für Schritt durch den An-
wenn für Kleinigkeiten persönliche Vor-       tragsprozess, der mit einer elektronischen
sprache notwendig ist, wenn es um Infor-      Signatur besiegelt wird. Noch ist dies
mationen geht, die anderen Ämtern bereits     Zukunftsmusik. Die Verwaltung befindet
                                                                                              Jan Tiessen
vorliegen oder wenn man sich an mehrere       sich erst am Anfang der Transformation:
Ämter wenden muss. Die Digitalisierung        Interne Prozesse werden digitalisiert und       jan.tiessen@prognos.com

… f ür die Förderprogramme
   der Europäischen Kommission
Die Europäische Kommission möchte das         Kontrolle zuständige Verwaltung als auch      pelt mit Workshops zur gemeinsamen Re-
Prinzip der e-Cohesion bei der Umsetzung      die Projektträger. Zusätzlich zu diesen di-   flexion dieser Informationen würde so auf
ihrer Strukturpolitik 2014 - 2020 voran-      rekten Effizienzgewinnen hat e-Cohesion       allen Ebenen ein zusätzlicher Nutzen für
treiben. Ziel ist die vollständige elektro-   auch ein großes Potenzial, den Austausch      die Steuerung und Weiterentwicklung von
nische Abwicklung von Förderprogram-          aller Beteiligten zur inhaltlichen Weiter-    Förderprogrammen geschaffen. _
men – von der Antragsstellung über die        entwicklung von Förderprogrammen vo-
Finanzverwaltung bis hin zur systema-         ranzutreiben. Diese setzt erstens voraus,
tischen Erfassung der Projektergebnisse.      dass systematisch Daten dazu erhoben und
Angesichts dezentraler Umsetzungsstruk-       ausgewertet werden, was mit der Förde-
turen und vielfältiger Förderinhalte ist      rung erreicht wurde. Zweitens braucht es
dies eine große Aufgabe. Doch es kann         ein integriertes System, welches nicht nur
sich lohnen. Elektronische Systeme ent-       den Verwaltern der Mittel, sondern auch
                                                                                              Kristina Stegner
lasten alle an der Umsetzung beteiligten      den Projektumsetzern die verschiedenen
Akteure, sowohl die für die Steuerung und     Informationen zugänglich macht. Gekop-          kristina.stegner@prognos.com

Prognos trendletter November 2015                                                                                                   17
Fachbeitrag

Mobilität: Für unsere Wirtschaft
steht viel auf dem Spiel
Mehr Sicherheit, mehr Komfort, mehr Nachhaltigkeit – das versprechen
neue IT-Lösungen im Verkehr. Schneller als von vielen erwartet könnten sie
„straßenreif“ sein. Das setzt etablierte deutsche Anbieter unter Zugzwang.

Software by Google, Hardware by Toyota: Die Google-Chefs Larry Page, Eric Schmidt und Sergey Brin posieren bereits 2011 im ersten selbstfahrenden
„Google Car“.

Im Verkehr führt Digitalisierung zu neuen          Fahrzeuge mit einer „elektronischen
„intelligenten“ Verkehrssystemen (IVS).            Deichsel“ gekoppelt, das heißt, sie be-                Ausgewählte Beiträge
In diesem Bereich werden schon bald eine           wegen sich in einem Verband mit sehr                   der Prognos AG
Vielzahl neuer Anwendungen technolo-               geringen Fahrzeugabständen. Im ers-
gische Reife erlangen und in den Markt             ten Fahrzeug übernimmt ein Fahrer die                  »	Industriepolitisches
                                                                                                                                  Grundkon-
treten, die helfen, Verkehre zu automati-          Steuerung, die anderen Fahrzeuge fol-                     zept für den Bereich Intelligente
sieren, zu vernetzen und neue Formen der           gen automatisiert ohne Fahrereingriff.                    Verkehrssysteme im Freistaat
Mobilität zu schaffen (vgl. Abb. rechts).          Das homogenisiert den Verkehrsfluss,                      Sachsen, im Auftrag des Säch-
                                                   spart Personal und senkt den Kraftstoff-                  sischen Staatsministeriums für
Mit ihnen gehen erhebliche verkehrli-              verbrauch. Im Verkehrssektor besteht                      Wirtschaft, Arbeit und Verkehr,
che, ökologische und ökonomische Wir-              großer Bedarf an neuen technologi-                        in Zusammenarbeit mit dem
kungen einher. Durch die Vernetzung                schen und organisatorischen Lösungen,                     Fraunhofer-Institut für Ver-
von Fahrzeugen untereinander (Car-to-              um Emissionen zu senken. In den ver-                      kehrs- und Infrastruktursyste-
Car) und von Fahrzeugen mit der Infra-             gangenen 25 Jahren blieben die deut-                      me, 2014-2015.
struktur (Car-to-Infrastructure) können            schen C02-Emissionen – trotz effizien-
zum Beispiel Informationen zu lokalen              terer Antriebe – relativ konstant. Ziel                »	Automatisiert.
                                                                                                                            Vernetzt. Elek-
Gefahrenstellen oder der Verkehrslage              der Bundesregierung ist es, bis 2020                      trisch. – Automatisiertes Fah-
sehr schnell und in einer räumlich ho-             40 % der Emissionen gegenüber 1990                        ren aus der Perspektive Ba-
hen Auflösung ausgetauscht werden. Zu              einzusparen.                                              den-Württemberg, im Auftrag
solchen Anwendungen zählt etwa der                                                                           der e-mobil BW GmbH, in
Querverkehrsassistent, der Fahrer früh-            Für das Jahr 2017 sind zudem wichtige                     Zusammenarbeit mit der TÜV
zeitig auf Verkehre aufmerksam macht,              neue Funktionen im Bereich des hoch-                      Rheinland Consulting GmbH,
die vorfahrtsberechtigt queren, sich               automatisierten Fahrens angekündigt,                      dem Fraunhofer-Institut für
aber nicht unmittelbar im Sichtfeld be-            so etwa das Fahren auf Autobahnen                         Verkehrs- und Infrastruktursys-
finden. Tests und Simulationen zeigen              bis zu einer Geschwindigkeit von 120                      teme sowie der TU Berlin, 2015.
hohe Wirkpotenziale für die Verkehrs-              km/h sowie das vollautomatische Par-
sicherheit.                                        ken von Fahrzeugen auf der Straße und                     Als Download verfügbar unter
                                                   in Parkhäusern oder das automatische                      www.prognos.com/bw-e-mobil
Platooning ergänzt die Vernetzung von              Fahren von Fahrzeugen in die Garage,
Fahrzeugen um den technologischen                  das bereits jetzt zum Beispiel bei BMW
Lösungsbaustein der Automatisierung.               möglich ist.
Hier werden hintereinanderfahrende

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Fachbeitrag

   SO SCHNELL KOMMT DIE ZUKUNFT
   Technologische Verfügbarkeit von IVS-Anwendungen

Vollvernetzter                      2015                                              2020                                               2030
Verkehr                                                                               Platooning     Automatisierte Auslieferung    Fahrerloses Fahren

                                    Digitaler Tachograf                 Hochautomatisiertes     Intelligente              Vollautomatisiertes
                                                                                   Fahren       Container-Güterwagen      Fahren mit Modell                2030

                                                                                          Intelligentes     Health Monitoring,     Vollautomatisiertes
                                                                                  Parkraummanagement        Fahrzeugsteuerung      Fahren mit Infrastruktur
                                           Blackbox
                                                                                              Fahrzeug als Smart Meter

                                                                    Reichweitenmanagement
                                                                                                                         Car-to-Infrastructure
                                                                                Situationsabhängige Maut

                                                      Erweiterte Navigation
                                                                                                               Car-to-Car

                                                                                                                            Erweiterte Sicherheit
                                                                                                                                                           2020
                             Vollautomatischer
                                      Verkehr

                                                                                 Broadcasting

                                                                                                 Automatische Abrechnung            Sharing/Pooling

                                                                                                                                                           2015

                                                                                                                         Gemeinschaftliche
                                                                                                                                 Mobilität

  Vernetztes Fahren
   Automatisiertes Fahren

Quelle: Eigene Darstellung                                                                                                           © Prognos/Fraunhofer IVI 2015

Die damit verbundenen technologischen                     Drittel der Wertschöpfung eines Au-               sen in den nächsten Jahren daher von
Herausforderungen begründen allerdings                    tos aus und über 90 % der Innovatio-              Wirtschaft, Wissenschaft und Politik
auch das Engagement von Akteuren au-                      nen im Automobilsektor sind eng mit               noch mehr als bisher in den Blick ge-
ßerhalb der klassischen Automobilbran-                    der weiteren Digitalisierung verbunden.           nommen werden. _
che, insbesondere der IKT-Branche. Ob                     „Wenn ein Google-System das Hirn des
im deutschen Mobilitätssektor die An-                     Fahrzeugs ist, werden die Autobauer
strengungen bereits ausreichen, um in                     nur noch ganz normale Zulieferer sein“,
diesem massiven Wandel in den kom-                        fürchtet daher zum Beispiel der bekann-
menden Jahren erfolgreich zu bestehen,                    te Experte Ferdinand Dudenhöffer vom
ist derzeit noch nicht absehbar.                          Center Automotive Research. Und er
                                                          steht mit dieser Ansicht keineswegs al-
Sicher ist: Weltweit stehen den Akteuren                  lein da.
des Mobilitätssektors zahlreiche grund-
legende Änderungen ins Haus. Bereits                      Die mit den benannten Entwicklungen                  Dr. Gerhard Becher
heute macht der Bereich IKT über ein                      verbundenen Herausforderungen müs-
                                                                                                               gerhard.becher@prognos.com

Prognos trendletter November 2015                                                                                                                              19
Kurzinterview

Zehn Fragen an … Philipp Fink
Auch auf Gesellschaft und Demokratie wirkt die Digitalisierung. Philipp Fink
von der Friedrich-Ebert-Stiftung spricht im Prognos Schlagwortinterview über
Chancen und Gefahren.

                                                        1. 	Wann wurden Sie zuletzt von der Geschwindigkeit der Digitalisierung überrascht?
                                                             Neulich hat eine Kollegin berichtet, dass sie auf einem Flohmarkt in Kopen-
                                                             hagen mit ihrem Smartphone einkaufen konnte. Außerdem überraschen mich
                                                             immer wieder die Fähigkeiten der Musikerkennungsprogramme.

                                                        2.	Welcher digitale Trend wird überschätzt? Die Bedeutung von Social Media wird
                                                            in meinen Augen falsch eingeschätzt. Gerade beim Thema Trolls und Negativ(Hass)-
                                                            Postings verzerren soziale Medien die Realtität eher, als dass sie die Wirklichkeit
                                                            abbilden. Aus diesem Grund hat sich Social Media nie wirklich zu einer überzeu-
                                                            genden interaktiven Plattform entwickeln können.

                                                        3. 	Welcher wird unterschätzt? Die digitalen Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe
                                                             bleiben noch unterentwickelt. Zudem ist E-Government in Deutschland unzurei-
                                                             chend ausgebaut.
                   Dr. Philipp Fink
 ist in der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik
                                                        4. 	Wem gehören die Knotenpunkte der digitalen Gesellschaft? Die Knotenpunkte ge-
der Friedrich-Ebert-Stiftung für den Querschnittsbe-         hören den privaten Konzernen. Ohne Regulierung kann diese Schieflage zu einem
reich Digitalisierung verantwortlich sowie Leiter des        Verlust an Freiheit und Souveränität führen.
      Themenbereichs Klima-, Umwelt-, Energie-
                  und Strukturpolitik.
                                                        5.	Die Chancen von Big Data in drei Worten? Und die Gefahren? Chancen sind Ge-
                                                            winne an Erkenntnis und Effizienz sowie zielgerichtetes Handeln. Die Gefahren
                                                            sind die Monopolisierung des Datenbesitzes, die Reduzierung des Subjekts auf
                                                            einzelne Daten und ein Verlust an Souveränität bei der persönlichen Entschei-
                                                            dungsfindung.

                                                        6.	Was ist das Beste an der Digitalisierung? Und was das Schlechteste? Das Beste sind
                                                            der Wissensgewinn, die Vernetzungsmöglichkeiten und der Effizienzgewinn sowie
                                                            eine gewisse Alltagserleichterung. Das Schlechteste sind die Gefahr der digitalen
                                                            Monopole oder Oligopole, die den Zugang zu Wissen beschränken und die Erzeu-
                                                            gung von Wissen behindern, die Kurzfristigkeit und Kurzlebigkeit der Nachricht
                                                            oder Information sowie der Verlust an individueller Freiheit und Souveränität.

                                                        7.	Was macht ein Land zum digitalen Vorreiter? Wenn möglichst viele in der Gesell-
                                                            schaft an der Digitalisierung in all ihren Facetten teilhaben können und damit die
                                                            Digitalisierung einen Beitrag zum sozialen Fortschritt leisten kann. Dies setzt die
                                                            Überwindung der digitalen Kluft (Digital Divide) im räumlichen, funktionellen und
                                                            persönlichen Kontext sowie eine Verbesserung der Risikomündigkeit der Bürgerin-
                                                            nen und Bürger voraus.

                                                        8.	Die größte Herausforderung der Politik im Umgang mit Digitalisierung? Zum einen
                                                            muss sie die richtige Balance zwischen Kontrolle und Freiheit im Netz finden.
                                                            Zum anderen müssen Antworten auf die soziale Frage im Zusammenhang mit den
                                                            Auswirkungen des digitalen Strukturwandels gefunden werden (z. B. Sozialversi-
                                                            cherung der Soloselbstständigen).

                                                        9.	Wie digital ist Ihr Arbeitsplatz? Die Ausstattung am Arbeitsplatz wird immer besser.
                                                            Luft nach oben gibt es immer.

                                                        10.	Das digitale Deutschland in zehn Jahren – wenn es gut läuft? Unter anderem soll
                                                             diese Frage auf dem diesjährigen Digitalkongress der FES am 24. und 25. Novem-
                                                             ber diskutiert werden. Mehr Infos unter www.fes.de/digikon15 _

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