Das nächste Level Die digitale Herausforderung - Prognos AG
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Orientierung in 140 Zeichen Prognos demnächst auf Twitter Auch ohne Twitter-Account können Sie unsere Mitteilungen lesen unter: www.twitter.com/Prognos_AG @Prognos_AG Prognos trendletter November 2015
Editorial Wie im Spiel, so im Leben Einfach zum nächsten Level hüpfen und und insbesondere in Deutschland müssen den Hindernissen unterwegs mit ein biss- gewaltig an Tempo zulegen, wenn wir auf chen Geschick ausweichen. Auf unserem dem nächsten Level mitspielen und wei- Titelblatt, wie auch in zahlreichen virtu- ter zu den Champions einer digitalisierten ellen Spielen, sieht das kinderleicht aus. Welt gehören wollen. Wie so viele Weisheiten des täglichen Lebens ist auch diese Allegorie wegwei- Dafür können wir wieder einmal etwas send. Umso mehr gilt es – im Spiel wie im von einem der großen Spielmacher aus Leben – Bedingungen und Ziele genau zu dem Sport lernen: „Gehe nicht dahin, wo verstehen, um erfolgreich sein zu können. der Puck ist. Gehe dahin, wo er sein wird.“ Das Zitat stammt von Wayne Gretzky, Wie also sind die Spielregeln, wer die dem kanadischen Eishockey-Star. Die Spielmacher und wie funktionieren die zentrale Erfolgsbotschaft dahinter lässt Spielzüge beim großen „Digitalisie- sich mit Antizipation und vorausschau- rungs-Monopoly“? Ohne zu übertreiben, endem Handeln übersetzen. befinden wir uns aktuell in einem funda- mentalen Zukunftsspiel für die nächsten Diesem Ziel – der Zeit ein Stück voraus Generationen. Die Karten für Wirtschaft zu sein und zukunftsorientiert agieren zu und Gesellschaft werden neu gemischt – können – wollen wir uns mit Ihnen im und das weltweit. Das ist allenfalls noch aktuellen Trendletter nähern. Dazu bieten vergleichbar mit den drei anderen überra- wir Digitalisierungsthemen als Anregung genden Herausforderungen Klimawandel, und zur Diskussion an. Wie immer bli- Demografie und Globalisierung. Dieses cken unsere Expertinnen und Experten reale Spiel hat Einfluss auf alle Lebens- auf Entwicklungen in Gesellschaft, Staat bereiche: die Selbstbestimmung der eige- und Unternehmen und verweisen auf nen Identität, den zwischenmenschlichen Handlungsbedarfe. Zusätzlich bekommen Umgang und das Zusammenleben, die Sie als Leser einen Eindruck, wie wir uns Möglichkeiten und Risiken von Lernen selbst mit den eigens entwickelten For- und Arbeiten und die (Neu)-Verteilung maten „Zukunftslab“ und „DigiLog“ fit von Einfluss und Macht innerhalb unse- gemacht haben und halten. Vielleicht ist rer Gesellschaft und zwischen den inter- das ja auch etwas für Sie? nationalen Gemeinschaften. Jedenfalls wünsche ich Ihnen jetzt eine Es geht also ums Ganze – für uns, unse- spannende Lektüre und freue mich, von re Kinder und Enkel. Als Megatrend ist Ihnen zu hören. die Digitalisierung ein originäres The- ma für uns bei Prognos. Dynamisch und unaufhaltsam hat sie unser Leben und Herzlich, Ihr Wirtschaften bereits in den beiden ver- gangenen Dekaden verändert. Dennoch stehen wir erst am Anfang einer rasan- ten Entwicklung. Die große Grafik in der Mitte unseres Heftes zeigt: Verglichen mit früheren revolutionären Innovationen hat die Geschwindigkeit exponentiell zu- Christian Böllhoff genommen. Das bedeutet, wir in Europa christian.boellhoff@prognos.com Prognos trendletter November 2015 3
Inhalt Inhalt 05 Wie digitalisiert ist Deutschland? Fachbeitrag 05 Wie digitalisiert ist Deutschland? 07 Fachbeitrag Spaltung oder Integration? 07 Spaltung oder Integration? Fachbeitrag 08 Digital ist anders! Der Wandel der Kreativwirtschaft Rankings 09 Das Fundament für smarte Städte Zeitzeugnis 11 Blick ins Archiv: Mit Pioniergeist ins digitale Zeitalter 12 Fachbeitrag Arbeitslos durch Digitalisierung? 12 Arbeitslos durch Digitalisierung? Zeitenwende 14 Digitale Revolution: Mächtiger als der Buchdruck Kurz gefasst 16 Digitale Chancen Fachbeitrag 19 Mobilität: Für unsere Wirtschaft steht viel auf dem Spiel Kurzinterview 20 Zehn Fragen an … Philipp Fink (Friedrich-Ebert-Stiftung) Fachbeitrag 21 Adapt and thrive! Standpunkt 24 Kein Fortschritt ohne Nebenwirkungen Über uns 25 Blick in unsere Projekte Über uns 14 Digitale Revolution: Mächtiger als der Buchdruck 27 Rückblick in Bildern 4 Prognos trendletter November 2015
Fachbeitrag Wie digitalisiert ist Deutschland? Deutschland will Nährboden für digitale Innovationen sein. Doch Branchen, Bundesländer und Regionen hierzulande sind unterschiedlich gut aufgestellt. Digitalisierung ist ein wesentliches Element des technischen Fortschritts und Wachstumstreiber für entwickelte Volkswirtschaften. Prognos schätzt, dass die Digitalisierung zwischen 1998 und 2012 für 0,6 Prozentpunkte der jahres- durchschnittlichen Wachstumsrate der Bruttowertschöpfung verantwortlich ist. Doch wie stark sind einzelne Branchen in Deutschland digitalisiert? Welche Im- pulse gibt die Innovationspolitik? Und welche Regionen nehmen diese Impulse auf? Unterschiede im Digitalisierungsstand der Branchen Der Digitalisierungsgrad eines Wirt- schaftsbereichs kann gemessen wer- den als Anteil digitaler Patente an den gesamten Patenten eines Wirtschafts- bereichs. Patente sind ein wichtiger Indikator für den Stand und die Wei- terentwicklung von Wissen. Wir haben Messungen an einem Multiplexer beim „Tag der Digitalisierung“ der Deutschen Telekom im Jahr die Patentstatistik EPO des Europäischen 1997. Die Telekommunikation zählt heute zu den am stärksten digitalisierten Branchen. Patentamtes von 1991 und 2011 ausge- wertet. Sie enthält die Patente aller öko- der Prozessebene ist der Digitalisierungs- -0,05 Prozentpunkten). Ein genaueres nomisch bedeutenden Staaten der Erde. grad meist höher – Ausdruck dafür, dass Bild über den Digitalisierungsgrad der Ein Anteil von über 50 % bedeutet einen die Industrie digitalisierte Dienstleistun- Wirtschaft für die einzelnen Bundeslän- hohen Digitalisierungsgrad. gen nutzt, um Produktionsprozesse zu der wird eine bundesländerspezifische optimieren. Patentanalyse, die noch nicht vorliegt, Der Digitalisierungsgrad hat in allen ermöglichen. Wirtschaftsbereichen spürbar zugenom- Unterschiede zwischen den Ländern beim men – auf der Produkt- als auch auf der Digitalisierungsstand Innovationspolitik und regionale Prozessebene. Vorn liegen die Dienst- Hotspots leistungsbranchen, angeführt von den Fragt man, welchen Anteil die sozialver- Informations- und Kommunikationstech- sicherungspflichtig Beschäftigten in den Mithilfe direkter Projektförderung will nologien. Unangefochtene Spitze: Audio- sieben digitalisiertesten Branchen an al- die Bundesregierung digitale Innovati- visuelle Medien und Rundfunk mit einem len Beschäftigten in den Bundesländern onen fördern. Was wird durch die För- Digitalisierungsanteil von 70 % der Pa- aufweisen, ergibt sich folgendes Bild: derung von Verbundvorhaben zwischen tente. Es folgt die Telekommunikations- Wirtschaft und Wissenschaft regional branche mit knapp 60 %. Die deutlichste Die hoch digitalisierten Branchen stellen erreicht? Wir haben die Daten des För- Veränderung in der Spitzengruppe zeigt nur einen kleinen Anteil an den sozi- derkatalogs des Bundes (FÖKAT) aus- die Gruppe der IT- und Informations- alversicherungspflichtig Beschäftigten. gewertet und diejenigen Projekte iden- dienstleister mit einem Plus von 17,5 Nur Berlin (5,5 %) und Hamburg (5 %) tifiziert, die sich Digitalisierungsthemen Prozentpunkten. weisen Anteile von über 5 % auf, Hessen widmen. (4,3 %), Baden Württemberg (3,6 %) und Zur Industrie: Hier sind die Herstellung Bayern (3,4 %) liegen darunter. Im Zeitraum 1.1.2010 bis 31.8.2015 ha- von Datenverarbeitungsgeräten und elek- ben wir 1.140 Verbundprojekte mit ei- trischer Ausrüstungen spitze. Die meisten Zwischen 2010 und 2014 sind die An- nem Fördervolumen von 450,8 Mio. Industriebranchen weisen einen mittleren teile der Beschäftigten in den hoch di- Euro identifiziert und nach dem Ort bis unterdurchschnittlichen Digitalisie- gitalisierten Branchen an allen Beschäf- der „ausführenden Stelle“ lokalisiert. rungsgrad auf. Der Grund: In Industrie- tigten in nahezu allen Bundesländern Schaut man sich die Bewilligungen in produkten sind noch zahlreiche weitere, gestiegen (Ausnahmen: Schleswig-Hol- diesem Zeitraum an, so zeigt sich zwar nichtdigitale Patente enthalten. Doch auf stein und das Saarland mit -0,08 bzw. eine stetige, aber keine sprunghafte Zu- Prognos trendletter November 2015 5
Fachbeitrag DEUTSCHLAND DIGITAL: Hier landen die meisten Fördermittel 91,3 Mio EUR (NRW) Bremen Berlin Dortmund Köln Dresden Aachen Saarbrücken Kaiserslautern Karlsruhe Stuttgart München 3,3 Mio EUR (ST) Diese elf Kommunen erhalten zusammen 50 % der Fördermittel. Quelle: FÖKAT/eigene Berechnungen © Prognos 2015 nahme der bewilligten Fördermittel. Die belegen in keiner Kategorie vordere Ränge. schaft und den Regionen. Die Innova- Themenkonjunktur der Digitalisierung Bremen ist bei der Wissenschaft Zweiter, tions- und Wirtschaftspolitik muss in bildet sich hier nicht ab. schafft es aber nicht auf einen vorderen vielen Bundesländern noch mehr unter- Rang bei den Unternehmen. Baden-Würt- nehmen – auch in den vermeintlich star- Wenig überraschend vereinen Nord- temberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen ken Ländern Baden-Württemberg, Bay- rhein-Westfalen, Bayern und Baden-Würt- liegen in der Kategorie Unternehmen hin- ern und Nordrhein-Westfalen. Manche temberg die meisten Digitalisierungsmittel ter Thüringen oder Berlin. Regionen laufen Gefahr, den Anschluss auf sich. Doch das Bild ändert sich, wenn an die vierte industrielle Revolution zu man die Mittel in Bezug zur Wirtschafts- Vom Bund geförderte Aktivitäten im verpassen. Eine Politik unterstützende leistung setzt. Dann fallen diese drei Län- Bereich der Digitalisierung sind in Analyse des Digitalisierungsgrades der der auf die Plätze 6 (BW), 7 (BY) und 8 Deutschland regional stark konzentriert. Wirtschaft in den einzelnen Bundeslän- (NRW). Relativ betrachtet werden also in Die elf stärksten Kommunen erhalten dern würde helfen, die Ausgangsbedin- anderen Ländern mehr Mittel eingesetzt. 50 % (!) des gesamten Fördervolumens. gungen und die Abstände zwischen den Die nur mittlere Position der großen Län- „Hotspots“ sind Berlin, München und Ländern festzustellen. _ der überrascht und ist ein Indiz für deren Stuttgart, gefolgt von Aachen, Karlsruhe Nachholbedarf. Die stärkste Aktivität zeigt und Saarbrücken (siehe Abb.). das Saarland, gefolgt von Berlin und Bre- men. An vierter Stelle liegt Thüringen, Die 22 Top-Standorte vereinen zwei danach Sachsen. Dies ist Ausdruck von Drittel der Mittel auf sich. Die Mehrzahl ausgeprägten wissenschaftlichen For- der Regionen in Deutschland teilen sich schungsstrukturen. somit lediglich ein Drittel der Mittel. Hier werden die Herausforderungen und Mit dem FÖKAT können die Zuwen- Chancen der Digitalisierung noch nicht dungsempfänger entweder der Wirt- hinreichend fokussiert. schaft oder der Wissenschaft zugeordnet werden. Gemessen an der Wirtschafts- Viele Länder haben Nachholbedarf leistung zeigt das Saarland in beiden Holger Bornemann Kategorien die stärkste Performance. Fazit: Allenthalben besteht die Notwen- Niedersachsen und Schleswig-Holstein digkeit für Aufholprozesse in der Wirt- holger.bornemann@prognos.com 6 Prognos trendletter November 2015
Fachbeitrag Spaltung oder Integration? Als „digital divide“ droht die Digitalisierung unsere Gesellschaft zu spalten. Umgekehrt besitzt digitale Bildung Integrationskraft. Wer die digitale Kluft verringert, verbessert Chancengleichheit. Gesellschaftliche Spaltung hat viele Gründe. Ein Grund ist der Zugang zu und die Nutzung von digitalen Informa- tions- und Kommunikationstechnologi- en (IKT). Berufliche und soziale Chancen von Menschen sind zunehmend davon bestimmt, ob sie mit IKT kompetent um- gehen können. Deutschland hat hier Aufholbedarf. Das zeigt der internationale Vergleich: Nach Eurostat-Daten verfügten 2013 nur 5 % der 16- bis 74-jährigen Deutschen über sehr gute, 33 % über mittlere Internet- kenntnisse. Auf Platz eins liegt Island Miami, USA: Die Schüler Devin (7) und Paolo (9) programmieren ein Ressourcenpaket, das die Farben mit 34 % (sehr gut) und 43 % (mittel), im beliebten Computerspiel „Mine Craft“ ändert. Dänemark folgt mit 21 % und 50 %, Schweden mit 26 % und 42 %. dies ist stark abhängig vom sozioöko- der ersten Klasse. Die Deutschschweiz hat nomischen Hintergrund der Kinder. Im mit dem Lehrplan 21 Medien und Infor- Die kompetente Nutzung von IKT ist in internationalen Vergleich liegt Deutsch- matik als fächerübergreifendendes Modul Deutschland stark abhängig von sozio- land im Mittelfeld der 21 untersuchten in den Lehrplan aufgenommen. Außer- ökonomischen Faktoren. „Verlierer“ der Bildungssysteme (ICLIS 2013). halb Europas haben viele Länder (u. a. Digitalisierung sind Haushalte mit ge- die USA, Indien, Südkorea, Israel) bereits ringem Einkommen, Personen mit nied- Schon in den 1990er-Jahren wurde in Computerlehrpläne entwickelt. rigem oder keinem Bildungsabschluss den USA auf die gesellschaftlichen Aus- sowie Ältere, so eine Studie der Initiative wirkungen einer „digital divide“ hinge- In Deutschland ist – neben verschiedenen D21. Und nur weil sie „Digital Natives“ wiesen. Heute dominieren digitale An- (Einzel-)Aktivitäten zur Nutzung und In- genannt werden, ist auch die junge Ge- wendungen zentrale Bereiche unseres tegration von Digitalisierung in Schulen neration nicht automatisch digital kom- Alltags- und Berufslebens (Stichwort – das Schulfach Informatik bislang nur petent: In Deutschland verfügen nach „Arbeit 4.0“). Das erhöht den Handlungs- in Sachsen verpflichtend. In Bayern ist der „International Computer and Infor- bedarf, allen Bürgern Wege zu einer digita- es an Gymnasien mit Schwerpunkt Ma- mation Literacy Study“ (ICLIS) knapp ein len Grundbildung zu eröffnen. Der kom- thematik und Naturwissenschaften ver- Drittel der Achtklässler/innen über ge- petente Umgang mit den Anforderungen ankert. Aber Vorsicht vor Schnellschüs- ringe computer- und informationsbezo- der digitalen Welt bezieht sich dabei nicht sen! Digitalisierung ist kein Selbstzweck, gene Kompetenzen. Weniger als 2 % der nur auf die Bedienung und das Verständ- sondern muss in ihren Nutzwerten für die Kinder haben hohe Kompetenzen. Auch nis von Hard- und Software. Eine digital pädagogischen Ziele, die prozessuale Or- gebildete Person kann IKT gezielt nut- ganisation in Bildungseinrichtungen und COMPUTERNUTZUNG AN SCHULEN zen, um Informationen zu suchen und die Umsetzungsbedingungen differenziert 43 Länder, Index -1 bis +1 zu bewerten, sie kann sich mit anderen werden. Parallel muss die Ausbildung des vernetzen, Inhalte selbst schaffen und Lehrpersonals weiterentwickelt werden. mit anderen teilen. Nur wer die neuen Digitale Bildung bietet Chancen und be- Technologien sicher beherrscht, kann in sitzt Integrationskraft. Diese gilt es zu 1. Dänemark + 0,9 der digitalen Gesellschaft mitwirken. Po- nutzen! _ 2. Norwegen +0,7 litik und Wirtschaft sind daher gefordert, die Vermittlung digitaler Kompetenzen in 3. Australien + 0,6 die Schul- sowie die Erwachsenenbildung … stärker zu integrieren. Eine Studie der OECD zur Einbindung von IKT in Schu- 17. Schweiz + 0,0 len zeigt, dass in Deutschland der Index … „ICT use at school“ deutlich unter dem 30. Deutschland - 0,3 OECD-Durchschnitt liegt. Andere Länder sind hier schon weiter. So ist „Computer … Programming“ in Polen, den Niederlan- Claudia Münch den und Großbritannien Pflichtfach – in Quelle: OECD, PISA 2012 Database Großbritannien seit September 2014 ab claudia.muench@prognos.com Prognos trendletter November 2015 7
Fachbeitrag Digital ist anders! Der Wandel der Kreativwirtschaft Die Kreativwirtschaft zählt zu den fortschrittlichsten Branchen im Digitalisierungsprozess, ist aber auch besonders stark von den Folgen der Entwicklung betroffen. Mit der Fortentwicklung digitaler Techno- Pankow logien und neuen digitalen Produktions-, Reinickendorf Vertriebs-, Rezeptions- und Entwick- lungsprozessen ergeben sich neue For- men der Wertbildung und der Wertschöp- fung, mit denen sich KreativakteureSpandau zu behaupten versuchen. Die reale und die virtuelle Welt wachsen weiter zusammen. Vom Internet der Dinge in der Produk- Mitte Lichtenberg tion ist die Rede, aber es vollzieht sich auch eine Veränderung in der Gesell- Marzah schaft. Industrie 4.0 – das ist auch die Demokratisierung der Produktionsmittel, eine Do-It-Yourself-Kultur dank aktueller Charlottenburg- Friedrichshain Technik, die es jedem erlaubt, zum Produ- Wilmersdorf Kreuzberg zenten zu werden. Tempelhof- Kreativwirtschaft als Treiber für Innovation Schöneberg Analog bleibt wichtig: Allein in Berlin bieten rund 100 Coworking-Spaces Begegnungsmöglich- keiten für digitale Vordenker. (Quelle: Projekt Zukunft/Berliner Senatsverwaltung) Die Kreativwirtschaft gibt Impulse für Steglitz-Zehlendorf zahlreiche Digitalisierungsanwendungen, neue Geschäftsmodelle und -felder ent- Spezialisierung. Die Zeit der isolierten Neukölln toren müssen unterstützt, neue Be- Trepto stehen: Ideenentwicklung weicht dabei einer rufsbilder und Tätigkeitsfelder mitsamt neuen Ära, die durch Matching- und Förder- und Ausbildungsangeboten » Coaching,Bildung: Lernapps, digitale Partneringprozesse zwischen Kreativ- ausgewiesen werden. Lernspiele, Weiterentwicklung/Beglei- wirtschaft und Mittelstand geprägt ist. tung von MOOCs (massiver offener » Auch plädieren wir dafür, zielgerichtet Onlinekurs), Virtuelle Universitäten. Thüringen und Sachsen-Anhalt wid- sogenannte Matchmaking-Formate ein- meten deshalb je ein Modellprojekt der zusetzen. Zahlreiche existieren bereits: » Medizintechnik, Gesundheit: Usability Erprobung sektorübergreifender Koope- szeneaffine Barcamps, Unkonferenzen, und Design, Onlinetools zur Ferndiag- rationen (Landesprojekt „KMU-krea- Ad-hoc-Meetings, Innovationswerkstät- nose, Gesundheitsapps, Gestaltung von tiv“ Thüringen; „Bestform-Wettbewerb“ ten, Designcamps etc. physischen Umgebungen zur Behand- Sachsen-Anhalt). Diese verfolgen un- lung usw. terschiedliche Ansätze hinsichtlich der Die Digitalisierung bewirkt nicht aus- Anbahnung und Umsetzung von Inno- schließlich eine Verlagerung in digital » Industrie 4.0: Visual Computing, Ge- vationskooperationen: Die Arbeit mit operierende Geschäftswelten. Die Bedeu- staltung von Usability-Interfaces, Ent- B2B-Coachings und jene mit einem lan- tung zentraler sozialer Orte (Coworking wicklung von Tools zur selbstständigen desweiten Veranstaltungsformat. Spaces, Inkubatoren und Begegnungse- Fabrik, Internet der Dinge. vents) zeigt die Wichtigkeit analoger und Die Projekte wurden begleitend evaluiert. sozial bestimmter Welten. _ » Crossmedia: digitale Distribution, Auf dieser Basis haben Prognos und das Connected TV, Interactive Media, spie- Forschungsbüro multiplicities wichtige lebasierte Lernumgebungen, eBooks/ Handlungsdimensionen entwickelt: eReading, Multichannel Marketing, On- linemarktplätze, Data Privacy & Security. » Die Etablierung neuer Kanäle für cross-sektorale Matching- und Part- Gleichzeitig verlangt die Digitalisierung neringprozesse braucht Orte des Aus- den Unternehmen viel ab: Zunehmend tauschs (Labs, Coworking Spaces etc.). werden standardisierte und Routinetätig- keiten auf technische Systeme übertragen, » Systemische Vermittler von Markt-, Dr. Olaf Arndt die durch die Digitalisierung ausgelöste Produkt- und Prozesswissen zwischen Wissensexplosion provoziert eine stärkere unterschiedlichen Akteuren und Sek- olaf.arndt@prognos.com 8 Prognos trendletter November 2015
Rankings Das Fundament für smarte Städte Wie gut sind die Voraussetzungen für vernetzte Stadtgesellschaften in Deutschland und in der Schweiz? Und wie groß ist der Abstand zum europäischen Spitzenreiter? 1. Mehr Menschen, mehr Dichte, mehr Daten: Wie dicht besiedelt ist das Land? Einwohner je Quadratkilometer (2013) NIEDERLANDE » 498 DEUTSCHLAND » 231 SCHWEIZ » 205 2. Ich hab‘ da eine Idee. Aus frei 3. W ie kompliziert ist es, dafür eine Firma zu gründen? verfügbaren öffentlichen Daten Anzahl der Schritte bis zur Unternehmensgründung (2013) Gold machen! Rang OpenData Barometer (2014) * 1 SLOWENIEN » 2 GROSSBRITANNIEN Platz 1 1 2 3 4 5 DEUTSCHLAND SCHWEIZ » 6 Platz 10 1 2 3 4 5 6 7 8 SCHWEIZ DEUTSCHLAND » 9 Platz 22 4. Wie lange dauert es, 5. U nd wie lange warte ich auf Strom? bis ich (legal) loslegen kann? Anzahl der Tage bis ein Unternehmen mit Strom versorgt ist (2013) Anzahl der Tage bis zur Unternehmensgründung (2013) 17 23 39 MAZEDONIEN 2 DEUTSCHLAND 14,5 SCHWEIZ DEUTSCHLAND ÖSTERREICH SCHWEIZ (1. IN EUROPA) (2. IN EUROPA) 18 Prognos trendletter November 2015 9
Rankings 6. Vernetzt – und sicher? 7. Klar (ver-)kauf‘ ich online ... Anzahl sicherer Internet- Umsatz Internethandel pro Kopf (US-Dollar, 2012) ** server pro 100 Einwohner (2013) EN NORWEG SCHWEIZ LAND DEUTSCH 921 $ 533 $ 391 $ NIEDERLANDE / 2382 SCHWEIZ / 2211 DEUTSCHLAND / 1071 8. ... denn es kommt auch an! Index Zuverlässigkeit der Logistik (5 = termingerecht, 1 = unpünktlich, 2014) LUXEMBURG DEUTSCHLAND SCHWEIZ 4,71 von 5 Sternen 4,36 von 5 Sternen 4,06 von 5 Sternen 9. Und ist mein Nachwuchs gesichert? Computer- und informationsbezogenes Kompetenzniveau von Schülern, 2014 *** 553 526 523 TSCHECHISCHE REPUBLIK SCHWEIZ DEUTSCHLAND Quelle: Abweichende Quelle: Weltbank, http://databank.worldbank.org, 2015 * World Wide Web Foundation, Open Data Barometer Global Report (2nd Edition) ** Euromonitor International, Cushman & Wakefield, 2012 *** International Computer and Information Literacy Study (ICLIS), International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA), 2014 10 Prognos trendletter November 2015
Zeitzeugnis Blick ins Archiv: Mit Pioniergeist ins digitale Zeitalter Mitte der 1980er-Jahre begannen die schweizerischen Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe PTT mit dem Aufbau eines „Integrated Services Digital Networks“. Prognos begleitete das Projekt in der Startphase. von Felix Neiger In Schweizer Büros waren Mitte der Der Vorschlag stieß im Generaldirektori- 1980er-Jahre die elektrische IBM-Kugel- um der PTT auf großes Interesse. Im No- kopfschreibmaschine und der program- vember 1985 wurde Prognos zunächst mierbare HP-Taschenrechner State of the mit der Erarbeitung eines Realisierungs- Art. Der erste IBM-PC mit Festplatte und konzepts beauftragt, anschließend wur- Windows-Betriebssystem war gerade erst de das Projekt realisiert. Bis Ende 1987 auf den Markt gekommen und kaum ver- reichten die Gemeinden 375 Projekt- breitet. Die elektronische Übermittlung vorschläge ein. Landesweit wurden 14 von Texten geschah meist noch per Telex. Gemeinden als Kommunikations-Mo- Dank sinkender Preise konnten sich zu- dellgemeinden ausgewählt. 81 Projekte Der Bildschirmtext (Btx) brachte Telefon und Bildschirm zusammen. Er war nehmend auch kleinere Unternehmen wurden umgesetzt, darunter ein Lawi- wichtiger Bestandteil des Konzepts „Integrated ein Faxgerät leisten. Das Internet wurde nenfrühwarnsystem in den Bündner Al- Services Digital Networks“. erst später öffentlich zugänglich. Wie die pen, ein intelligentes Gebäude in Basel, Kunden die neuen Möglichkeiten der Di- ein Hotelreservierungssystem in St. Mo- gitalisierung dereinst nutzen würden, war ritz und der elektronische Austausch von damals noch kaum abschätzbar. Röntgenbildern zwischen verschiedenen Spitälern. Ein Basler Pharmaunterneh- Eine große Zukunft sagte man Mitte der men sammelte Erfahrungen mit einem 1980er-Jahre hingegen dem Bildschirm- Homeoffice-Pilotprojekt. Einige Projekte text voraus. Dieser Dienst sollte es jeder- scheiterten schon bei der Realisierung, mann ermöglichen, über das öffentliche andere waren nicht markttauglich. Nur Netz auf Informationen aus externen Da- wenige Projekte konnten nach der Pi- tenbanken zuzugreifen. lotphase erfolgreich vermarktet werden. Insgesamt lösten die Modellgemeinden 1985 empfahl Prognos den PTT-Betrie- Investitionen in Höhe von rund 150 Mio. ben, bei der Erkundung der Einsatzmög- Franken aus. Die Ziele, die sich die PTT lichkeiten der neuen digitalen Technolo- gesetzt hatte, waren bei Projektabschluss gien eng mit ihren Kunden, aber auch mit 1993 erreicht. _ der damaligen Fernmeldeindustrie, den Hard- und Software-Anbietern und der Wissenschaft zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck sollte in jeder Sprachregion mindestens eine Kommunikations-Mo- dellgemeinde eingerichtet werden. In die- sen Gemeinden sollten die Bevölkerung, die örtliche Wirtschaft, die politischen Organe und die öffentliche Verwaltung, die Schulen, das Gesundheitswesen, die Kirchengemeinden, Vereine und die üb- rigen ortsansässigen Organisationen Er- fahrungen mit dem Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstech- niken sammeln können. Gemeinsam mit den IKT-Anbietern und den Universitäten wollte die PTT diese Erfahrungen aus den Kommunikations-Modellgemeinden für die Entwicklung und Erprobung neuer be- darfsgerechter Anwendungen nutzen. Prognos trendletter November 2015 11
Fachbeitrag Arbeitslos durch Digitalisierung? Die Angst: Digitalisierung erzeugt Arbeitslosigkeit. Der Verdacht: Sie setzt bisherige Gesetzmäßigkeiten außer Kraft. Zeit für einen Überblick. Laut einer unserer Studien droht die Dies gilt nicht nur für Unternehmen, Diese Sichtweise ist zu teilen. In Bran- Zahl der Arbeitslosen in Deutschland sondern vor allem für Beschäftigte. So chen, Unternehmen, Abteilungen und durch neue Technologien binnen zwölf kommt eine viel beachtete Studie von bei einzelnen Tätigkeiten wird sich die Jahren um bis zu drei Millionen anzu- Osborne und Frey zu dem Ergebnis, dass Arbeitswelt durch die Digitalisierung steigen. Demgegenüber liegt subjektiv in den Vereinigten Staaten in den kom- massiv ändern. Viele der heutigen Tätig- gemäß einer regelmäßig von der R+V menden 10 bis 20 Jahren 47 % der Be- keiten werden obsolet sein. Das ist die Versicherung durchgeführten Umfrage schäftigungsverhältnisse vom techno- eine, die leicht sichtbare Perspektive. zu den größten Ängsten der Deutschen logischen Wandel bedroht seien. Zwar eine höhere Arbeitslosigkeit im Jahr stehen Einwände gegenüber der Metho- Kann diese Einschätzung auf die Gesamt- 2015 nur auf Rang 11. dik der Studie und damit der Größen- wirtschaft, also auf die Beschäftigung ordnung der Ergebnisse im Raum. Auch insgesamt, übertragen werden? Im Kern Welchen Einfluss wird die Digitalisie- sind die Erkenntnisse nicht ohne Wei- geht es um das Argument, die Digitalisie- rung tatsächlich auf die Beschäftigung teres auf andere Länder wie Deutsch- rung bringe so hohe Produktivitätsfort- haben? land übertragbar. Gleichwohl entsteht schritte mit sich, dass zur Produktion ei- doch der Eindruck, dass die Digitalisie- ner bestimmten (sic!) Gütermenge immer Wann immer neue Entwicklungen Fahrt rung die Beschäftigung massiv bedroht. weniger Arbeitseinsatz erforderlich sei. aufnehmen, treten die Maximalisten auf Und die Argumente hierfür sind nicht Geht uns also durch die Digitalisierung den Plan, nach denen künftig kein Stein schlecht: Maschinen werden in Zukunft die Arbeit aus? Zur Beantwortung dieser mehr auf dem anderen bleibt. So auch „intelligent“ sein und zunehmend in Frage bietet sich zunächst ein Blick auf im Falle der Digitalisierung. Sie zeigen bislang dem Menschen vorbehaltene die Theorie an: Wovon wird die Nachfrage uns, welche Möglichkeiten sich durch Tätigkeiten drängen. Dabei werden alle nach Arbeitskräften eigentlich bestimmt? die neuen Technologien eröffnen. Sie Tätigkeiten mit Ausnahme sogenannter Hier ergibt sich ein diffuses Bild aus Fak- verbreiten die Kunde über die Chancen technical bottlenecks als grundsätzlich torpreisen, Produktpreisen, Produktions- der digitalen Revolution. Sie führen uns automatisierbar erachtet. Betroffen sei- technik, Güternachfrage und Marktform. aber auch die darwinistischen Folgen en nicht nur einfache, sondern zuneh- Zudem spielen Innovationen selbstver- vor Augen: Wer sich nicht anpasst, hat mend auch mittlere Qualifikationen. ständlich eine wichtige Rolle. Doch wäh- zunehmend Schwierigkeiten in einer di- Dies gilt auch, wenn nicht alles, was rend Produktinnovationen tendenziell gitalisierten Wirtschaft zu bestehen. Und technisch möglich, auch betriebswirt- positiv auf die Arbeitsnachfrage wirken, sie haben Recht. schaftlich sinnvoll ist. ist bei Prozessinnovationen oftmals genau Geht uns die Arbeit aus? Parkett der Frankfurter Börse in den Jahren 1962, 1986 und 2015. 12 Prognos trendletter November 2015
Fachbeitrag das Gegenteil der Fall. Die Theorie liefert PRODUKTIVITÄT UND BESCHÄFTIGUNG IN DEUTSCHLAND also keine befriedigende Antwort. Veränderung in % Die Empirie wird demgegenüber deutli- Stundenproduktivität 6,0 Arbeitsvolumen cher. Seit Beginn der Industrialisierung – vorher hat es praktisch keinen techni- 4,0 schen Fortschritt gegeben – ist die Sum- me der Arbeitsplätze nicht etwa gesunken, 2,0 sondern deutlich gestiegen. Im Zuge des 0 technischen Fortschritts wurden also viel mehr neue Arbeitsplätze geschaffen als - 2,0 alte zerstört. Die Erklärung ist einfach: Erst technischer Fortschritt hat neue Märkte - 4,0 eröffnet, den Wettbewerb gestärkt und 05 95 80 75 85 90 00 70 14 10 als Katalysator für einen dynamischen 20 19 19 19 19 19 19 20 20 20 Strukturwandel gewirkt. Auch haben sich 1970er-Jahre: deutlich negativer Zusammenhang zwischen Produktivitätsfortschritt und Veränderung des Arbeitsvolumen. Darauf durch die Veränderung der relativen Fak- folgende Dekaden: schwache Wendung ins Positive. Letzte Dekade: ausgeprägter Gleichlauf mit einem Korrelationskoeffizient von torpreise stets neue Komplementaritäten bemerkenswerten 0,86. zwischen Kapital und Arbeit ergeben. All Quelle: Ameco Datenbank/Europäische Kommission © Prognos 2015 dies hat auch neue Beschäftigungsmög- lichkeiten eröffnet. Nur ist das nicht so winne der Digitalisierung, die ja erst die le Revolution nicht überfordert. Trotzdem sichtbar. Während wegfallende Arbeits- Grundlage für weniger Beschäftigung besteht Grund zur Zuversicht: Kaum ein plätze stets Schlagzeilen verursachen bilden können? Dass sich diese in den anderes System auf der Welt – vielleicht und so ins Bewusstsein der Öffentlichkeit Statistiken bislang nicht zeigen (das soge- mit Ausnahme des menschlichen Immun- dringen, entstehen neue Arbeitsplätze in nannte Solow-Paradoxon), wird oftmals systems – weist eine so hohe Anpassungs- der Regel zunächst sehr vereinzelt und damit begründet, dass dies eben noch Zeit fähigkeit auf wie die Marktwirtschaft – dezentral an unzähligen Stellen. Nicht zu bräuchte. Da aber die Digitalisierung nicht wenn man sie nicht über Gebühr bremst. vergessen: Die produzierte Gütermenge ist erst gestern Einzug in unser Wirtschaften keine Naturkonstante, denn die Bedürf- gehalten hat, ist dies ein wenig überzeu- Es dürfte unstrittig sein, dass die Digita- nisse des Menschen sind unendlich. Wäre gendes, ein Immunisierungsargument. lisierung hohe Anpassungserfordernisse das nicht so, würden sie ihr Geld nicht für mit sich bringt. Unterhalb der gesamt- Neues ausgeben, sondern sparen und wir Viel wahrscheinlicher ist eine andere Er- wirtschaftlichen Ebene, in den Branchen, müssten weltweit eine ständig steigende klärung: Die Digitalisierung bringt spür- in den Unternehmen, bis hin zu einzel- Sparquote beobachten. bare Produktivitätsfortschritte mit sich, nen Produkten wird sie weiterhin mit löst aber andere ab. Neue Technologien massiven Umwälzungen einhergehen. Zumindest für die Vergangenheit erlaubt können nur über einen begrenzten Zeit- Es bedarf enormer Anstrengungen, diese die Erkenntnis, dass durch technischen raum hinweg die Produktivität steigern, Umwälzungen aktiv und erfolgreich mit- Fortschritt an vielen Stellen Arbeitsplät- danach halten sie sie nur noch auf ihrem zugestalten. Gering Qualifizierte werden ze weggefallen sind, somit keinen Rück- Niveau. Bereits eingeführte Technologien es schwer haben und Bildung ist die beste schluss auf einen gesamtwirtschaftlichen werden weiter genutzt, stellen aber keinen Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Aber Beschäftigungsrückgang. Die Menschen Fortschritt mehr dar und sind somit auch sind das wirklich neue Erkenntnisse? Dass machen nachher etwas anderes als vorher, nicht mehr als produktivitätswirksam in uns durch die Digitalisierung die Arbeit aber sie arbeiten in ihrer Gesamtheit nicht der Statistik kenntlich. Mit anderen Wor- ausgeht, müssen wir wahrlich nicht be- weniger. ten: Vieles spricht dafür, dass wir froh fürchten. sein können, die Digitalisierung zu haben, Doch nicht immer ist die Vergangenheit um in unseren hoch technologisierten Übrigens: Die eingangs erwähnte Studie ein guter Ratgeber für die Zukunft. Die Volkswirtschaften überhaupt noch Pro- stammt aus dem Jahr 1978. Auch Prognos Digitalisierung sei, so heißt es, in Tempo duktivitätsfortschritte erzielen zu können kann einmal irren. _ und Ausmaß mit keiner früheren techni- (s. Abb.). schen Revolution vergleichbar. Und tat- sächlich: Digitale Innovationen nehmen Widmen wir uns gleichwohl für einen mit enormer Geschwindigkeit und Durch- Moment dem Gedankenexperiment, dass schlagskraft immer mehr Bereiche unserer dieses Mal doch alles anders und die Di- Wirtschaft und unseres Lebens ein. Wenn gitalisierung mächtiger sei als alles in der es stimmen sollte, dass Digitalisierung zu- Vergangenheit gesehene. Selbst dann ist lasten der Beschäftigung insgesamt geht, nicht erkennbar, dass sich die grundle- bleiben jedoch zwei Fragen offen: genden Zusammenhänge zwischen tech- nischem Fortschritt und Beschäftigung 1. Wie kann es sein, dass Deutschland ändern würden. Ändern würden sich – heute den höchsten bislang erreichten das allerdings ist nicht gering zu schätzen Digitalisierungsstand und zugleich den – die Anpassungserfordernisse. Dies ver- historisch höchsten Beschäftigungsstand langt uns eine Menge ab. Wir spüren das Dr. Michael Böhmer aufweist? in einigen Bereichen schon heute. Es gibt 2. Wo sind die hohen Produktivitätsge- keine Garantie dafür, dass uns die digita- michael.boehmer@prognos.com Prognos trendletter November 2015 13
Zeitenwende Digitale Revolution: Mächtiger als der Buchdruck Das exponentielle Wachstum der Rechnerleistung und Vernetzung schafft ungeahnte Möglichkeiten in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Das technologische Wachstum der Infor- mationstechnologie verläuft nicht linear, »» v sondern exponentiell. Durch die zu- nehmende informationstechnologische Durchdringung aller Bereiche des Wis- sens und der Wissenschaften – wie etwa gegenwärtig in der Biologie oder den Neurowissenschaften – wachsen unser gesamtes Wissen und damit auch unse- re technischen Möglichkeiten zusehends exponentiell. Die Folge: Ein explosionsartiger Wissens- und Technologiefortschritt, der unsere Gesellschaft grundlegend verändert. » Innovationszyklen werden allgemein immer kürzer. » Große Fortschritte in der Robotik er- möglichen die Schaffung künstlicher Intelligenz, die das Niveau menschlicher Intelligenz erreicht und sogar übersteigt. » Neue Technologien in der Genetik er- möglichen weitreichende Eingriffe in das menschliche Erbgut (z.B. Verände- rung der Alterung von Zellen). » Die nanotechnologische Revolution befähigt den Menschen, molekulare K Fertigung auf atomarer Ebene vorzu- Wäschetrock nehmen und sich die Welt Atom um Spülmaschine Atom neu aufzubauen. Dies kann zur Überwindung der Rohstoffknappheit Radio führen. Kühlschrank Waschmaschine » Es kommt zu einer weiteren Verstärkung des exponentiellen Wachstums insbe- Auto sondere durch die Weiterentwicklung Elektrizität der künstlichen Intelligenz._ Telefon Entsc der N 1790 1810 1830 1850 1870 1890 1910 1930 14 Prognos trendletter November 2015
Zeitenwende Die Innovationszyklen werden immer kürzer: Rechnerleistung Die Länge der roten Balken entspricht einer (Anzahl von Berechnungen pro Marktdurchdringung von 50% in den USA. Sekunde, die für ein Budget von 1000 US-Dollar zu haben sind) 1E+28 1E+26 1E+24 1E+22 1E+20 1E+18 1E+16 1E+14 Instagram 1E+12 Twitter Facebook Smartphone 1E+10 Tablet-PC Internet 100.000.000 Mobiltelefon Computer 1.000.000 Mikrowelle Videorekorder Farbfernseher 10.000 Klimaanlage kner 100 1 0,01 0,0001 Prozessor mit Prozessor mit Prozessor mit 0,000001 Bestimmung der der Rechen- der Rechen- der Rechen- hlüsselung Erster Berechnung der Erste Kreiszahl π auf leistung des leistung des leistung der Nazi-Codes Schach- Umlaufbahn der graphische 1,24 Billionen Gehirns einer Gehirns eines Gehirne aller (Enigma) computer Mondlandung Oberfläche Stellen Maus Menschen Menschen 1943 1956 1969 1984 2002 2016 2030 2050 1950 1970 1990 2010 2030 2050 Prognos trendletter November 2015 15
Kurz gefasst Digitale Chancen Die Bedeutung der Digitalisierung ist kaum zu überschätzen. Wir haben sechs Prognos-Expertinnen und Experten gebeten, eine Neuerung aus ihrem Fachbereich vorzustellen. … für bessere Beteiligungsprozesse Bei der Gestaltung von Zukunfts- und keit, viele Adressaten in kürzester Zeit zu mobilem Internet haben sich in kurzer Zeit Strategieprozessen für Wirtschaftsförde- erreichen. Per Filterfunktion und gezielter über 1.000 Personen beteiligt. Das zeigt: rungen oder Unternehmen sind oft die Kommunikation wird die Zielgruppe ein- Social Media und mobile Anwendungen Meinungen und Erfahrungen vieler rele- gegrenzt und angesprochen. Teilnehmer machen Befragungen attraktiver! _ vant. Befragungen sind hier ein wichtiges liken, posten oder teilen die Umfrage, so- Instrument. Was fehlt, um Unternehmen an dass sich deren Reichweite schnell erhöht. den Standort zu binden? Wie wird meine Auch die Verbreitung von Smartphones Region attraktiver für Fachkräfte? Welche und Tablets wirkt positiv. Die Teilnahme ist Verbesserungen wünscht sich die Bevölke- so zu jeder Zeit und von überall möglich. rung, welche die Wirtschaft? Neben dem Diese positiven Effekte werden auch durch Internet, das seit Jahren Onlinebefragun- eine Umfrage bestätigt, die Prognos für die Kathleen Freitag gen ermöglicht, eröffnen soziale Netzwer- Strategieentwicklung eines Auftraggebers ke wie Facebook oder Twitter die Möglich- durchgeführt hat. Per Social Media und kathleen.freitag@prognos.com … für smartes Wegwerfen „Digitalisierung und Abfall“ – das klingt behälter im attraktiven Design erhalten daten. Digitalisierung kann uns auf dem fast wie „die Schöne und das Biest“. Dabei das Stadtbild. Solarbetrieben weisen sie Weg zur besseren Ressourcenwirtschaft haben IKT-Lösungen bereits Einzug in die mir den Weg und bedanken sich, wenn unterstützen. Handeln und unsere Mög- abfallwirtschaftliche Wertschöpfungskette ich sie nutze. Durch das Ident-System an lichkeiten nutzen müssen wir selber. _ gehalten. Sie helfen, Abfall zu vermeiden, meinem Abfallbehälter zahle ich verursa- nutzen diesen als Ressource und schonen chergerecht, also nur für den Müll, den Umwelt, Gesundheit und Natur. Sensor- ich selber erzeuge. Da ich meine Rech- und Aktormodule in Sammelfahrzeugen, nungen vom Entsorger online statt posta- hoch selektive Trennverfahren und effi- lisch beziehe, leiste ich einen Beitrag zum ziente Prozessleitsysteme sind nur drei Umweltschutz. Eine App informiert mich Beispiele. Das Potenzial ist noch nicht über Abholtermine, Tauschbörsen und Dr. Bärbel Birnstengel ausgeschöpft. Doch hier komme ich als Recyclinghöfe. Und vielleicht erinnert Verbraucher ins Spiel: Unterflur-Abfall- mich mein Kühlschrank an Haltbarkeits- baerbel.birnstengel@prognos.com … für warme Wohnungen und komfortablen Klimaschutz Für die Wärmeversorgung unserer Gebäu- und Wärmebereitstellung entkoppeln. Da- Wohnung nur noch dann warm ist, wenn de wird Strom künftig eine viel stärkere mit bietet die Wärmeversorgung von Ge- wir es brauchen. Offen ist aber bis heute, Rolle spielen als heute. Neubauten und gut bäuden eine wichtige Möglichkeit zur zeit- wie die Rahmenbedingungen für ein sol- gedämmte Altbauten werden zunehmend lichen Anpassung der Stromnachfrage an ches dezentrales System aussehen und wer mit Wärmepumpen beheizt werden, die die zunehmend fluktuierende Stromerzeu- die Kosten tragen soll. _ Heizenergie aus Strom und Umweltwärme gung. Ein schwieriges Unterfangen, das bereitstellen. In Wärmenetzen und großen permanent wachsame Augen erfordert. Gebäuden wird die Kraft-Wärme-Kopp- Genau hier liegt eine Chance der Digita- lung, ob mit erneuerbaren oder fossilen lisierung für den Klimaschutz in Wohnge- Brennstoffen, eine wichtige Rolle zur bäuden: Sie kann dabei helfen, dass wir im CO2-armen Strom- und Wärmeversorgung Alltag von all dem wenig mitbekommen behalten. Zusätzlich wird der Strombedarf und auch weiterhin sorglos unsere warme durch Lüftungs- und Klimatisierungsanla- Wohnung genießen können. Willkomme- Nils Thamling gen steigen. Durch den Einsatz von Wär- ne Nebeneffekte können Komfortgewinne mespeichern lassen sich Wärmenachfrage und Energieeinsparungen sein, weil die nils.thamling@prognos.com 16 Prognos trendletter November 2015
Kurz gefasst … für ein selbstbestimmtes Leben im Alter in den eigenen vier Wänden Traut man Umfrageergebnissen zur bevor- des Wohnumfelds ließen sich zum Beispiel ausrichten. Vor dem Hintergrund des Fach- zugten Wohnform im Alter, möchten die viele Stürze verhindern. Kommt es dennoch kräftemangels in der gesamten Gesund- meisten Senioren am liebsten im eigenen dazu, bieten Sensormatten (intelligente heitswirtschaft könnten über diesen Ansatz Zuhause leben. Umziehen möchten die Fußböden) die Möglichkeit der sofortigen entsprechende personelle Ressourcen ein- wenigsten. Doch häufig kommt es letztlich Sturzerfassung. Kommunikations-, Über- gespart werden. _ doch zum Heimeintritt, etwa bei fortge- wachungs- und Notruffunktionen sowie schrittenem Pflegebedarf, aufgrund des all- deren Verankerung über eine IT-Plattform gemeinen Gesundheitszustands oder wenn bieten neue Möglichkeiten der Vernetzung Angehörige nicht betreuen können. Künf- von Familienmitgliedern, Pflegepersonal tig könnten altersgerechte Assistenzsyste- und Ärzten. Über diese neuen Wege wäre es me, auch bekannt als „Ambient Assistance möglich, die Versorgungssicherheit in der Living“, ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen Häuslichkeit zu steigern. Zugleich Dr. Tobias Hackmann eigenen vier Wänden ermöglichen. In Ver- ließe sich der pflegerische und ärztliche bindung mit der altersgerechten Gestaltung Personaleinsatz noch stärker am Bedarf tobias.hackmann@prognos.com … für mitdenkende Ämter Den ersten Brief ihres Lebens erhielt meine bietet Chancen für einen neuen Bürger- optimiert, zugleich werden die Grenzen Tochter vom Finanzamt, er enthielt ihre service: einen an Lebenslagen – wie einer der Verwaltung zu ihrer Umwelt durch- Steuernummer. Unsere Verwaltung funk- Geburt – orientierten Onlineservice aus lässiger. Künftig werden Bürger digital tioniert, dachte ich. Doch beim Antrag einer Hand. Örtliche und sachliche Zu- in die Entscheidungsfindung einbezogen, auf Elterngeld war die Euphorie wieder ständigkeiten werden für Bürger unsicht- zugleich wirken sie an Verwaltungsleis- verflogen: Wie oft musste ich die gleichen bar, relevante Leistungen werden nach tungen mit. _ Unterlagen – die ja auch von einer Be- dem Amazon-Prinzip („Kunden kauften hörde ausgestellt waren – noch vorlegen? auch“) zusammengefasst, smarte Formulare Den Kontakt mit Verwaltungen empfinden werden auf Wunsch vorausgefüllt und wir in der Regel dann als „bürokratisch“, führen Schritt für Schritt durch den An- wenn für Kleinigkeiten persönliche Vor- tragsprozess, der mit einer elektronischen sprache notwendig ist, wenn es um Infor- Signatur besiegelt wird. Noch ist dies mationen geht, die anderen Ämtern bereits Zukunftsmusik. Die Verwaltung befindet Jan Tiessen vorliegen oder wenn man sich an mehrere sich erst am Anfang der Transformation: Ämter wenden muss. Die Digitalisierung Interne Prozesse werden digitalisiert und jan.tiessen@prognos.com … f ür die Förderprogramme der Europäischen Kommission Die Europäische Kommission möchte das Kontrolle zuständige Verwaltung als auch pelt mit Workshops zur gemeinsamen Re- Prinzip der e-Cohesion bei der Umsetzung die Projektträger. Zusätzlich zu diesen di- flexion dieser Informationen würde so auf ihrer Strukturpolitik 2014 - 2020 voran- rekten Effizienzgewinnen hat e-Cohesion allen Ebenen ein zusätzlicher Nutzen für treiben. Ziel ist die vollständige elektro- auch ein großes Potenzial, den Austausch die Steuerung und Weiterentwicklung von nische Abwicklung von Förderprogram- aller Beteiligten zur inhaltlichen Weiter- Förderprogrammen geschaffen. _ men – von der Antragsstellung über die entwicklung von Förderprogrammen vo- Finanzverwaltung bis hin zur systema- ranzutreiben. Diese setzt erstens voraus, tischen Erfassung der Projektergebnisse. dass systematisch Daten dazu erhoben und Angesichts dezentraler Umsetzungsstruk- ausgewertet werden, was mit der Förde- turen und vielfältiger Förderinhalte ist rung erreicht wurde. Zweitens braucht es dies eine große Aufgabe. Doch es kann ein integriertes System, welches nicht nur sich lohnen. Elektronische Systeme ent- den Verwaltern der Mittel, sondern auch Kristina Stegner lasten alle an der Umsetzung beteiligten den Projektumsetzern die verschiedenen Akteure, sowohl die für die Steuerung und Informationen zugänglich macht. Gekop- kristina.stegner@prognos.com Prognos trendletter November 2015 17
Fachbeitrag Mobilität: Für unsere Wirtschaft steht viel auf dem Spiel Mehr Sicherheit, mehr Komfort, mehr Nachhaltigkeit – das versprechen neue IT-Lösungen im Verkehr. Schneller als von vielen erwartet könnten sie „straßenreif“ sein. Das setzt etablierte deutsche Anbieter unter Zugzwang. Software by Google, Hardware by Toyota: Die Google-Chefs Larry Page, Eric Schmidt und Sergey Brin posieren bereits 2011 im ersten selbstfahrenden „Google Car“. Im Verkehr führt Digitalisierung zu neuen Fahrzeuge mit einer „elektronischen „intelligenten“ Verkehrssystemen (IVS). Deichsel“ gekoppelt, das heißt, sie be- Ausgewählte Beiträge In diesem Bereich werden schon bald eine wegen sich in einem Verband mit sehr der Prognos AG Vielzahl neuer Anwendungen technolo- geringen Fahrzeugabständen. Im ers- gische Reife erlangen und in den Markt ten Fahrzeug übernimmt ein Fahrer die » Industriepolitisches Grundkon- treten, die helfen, Verkehre zu automati- Steuerung, die anderen Fahrzeuge fol- zept für den Bereich Intelligente sieren, zu vernetzen und neue Formen der gen automatisiert ohne Fahrereingriff. Verkehrssysteme im Freistaat Mobilität zu schaffen (vgl. Abb. rechts). Das homogenisiert den Verkehrsfluss, Sachsen, im Auftrag des Säch- spart Personal und senkt den Kraftstoff- sischen Staatsministeriums für Mit ihnen gehen erhebliche verkehrli- verbrauch. Im Verkehrssektor besteht Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, che, ökologische und ökonomische Wir- großer Bedarf an neuen technologi- in Zusammenarbeit mit dem kungen einher. Durch die Vernetzung schen und organisatorischen Lösungen, Fraunhofer-Institut für Ver- von Fahrzeugen untereinander (Car-to- um Emissionen zu senken. In den ver- kehrs- und Infrastruktursyste- Car) und von Fahrzeugen mit der Infra- gangenen 25 Jahren blieben die deut- me, 2014-2015. struktur (Car-to-Infrastructure) können schen C02-Emissionen – trotz effizien- zum Beispiel Informationen zu lokalen terer Antriebe – relativ konstant. Ziel » Automatisiert. Vernetzt. Elek- Gefahrenstellen oder der Verkehrslage der Bundesregierung ist es, bis 2020 trisch. – Automatisiertes Fah- sehr schnell und in einer räumlich ho- 40 % der Emissionen gegenüber 1990 ren aus der Perspektive Ba- hen Auflösung ausgetauscht werden. Zu einzusparen. den-Württemberg, im Auftrag solchen Anwendungen zählt etwa der der e-mobil BW GmbH, in Querverkehrsassistent, der Fahrer früh- Für das Jahr 2017 sind zudem wichtige Zusammenarbeit mit der TÜV zeitig auf Verkehre aufmerksam macht, neue Funktionen im Bereich des hoch- Rheinland Consulting GmbH, die vorfahrtsberechtigt queren, sich automatisierten Fahrens angekündigt, dem Fraunhofer-Institut für aber nicht unmittelbar im Sichtfeld be- so etwa das Fahren auf Autobahnen Verkehrs- und Infrastruktursys- finden. Tests und Simulationen zeigen bis zu einer Geschwindigkeit von 120 teme sowie der TU Berlin, 2015. hohe Wirkpotenziale für die Verkehrs- km/h sowie das vollautomatische Par- sicherheit. ken von Fahrzeugen auf der Straße und Als Download verfügbar unter in Parkhäusern oder das automatische www.prognos.com/bw-e-mobil Platooning ergänzt die Vernetzung von Fahren von Fahrzeugen in die Garage, Fahrzeugen um den technologischen das bereits jetzt zum Beispiel bei BMW Lösungsbaustein der Automatisierung. möglich ist. Hier werden hintereinanderfahrende 18 Prognos trendletter November 2015
Fachbeitrag SO SCHNELL KOMMT DIE ZUKUNFT Technologische Verfügbarkeit von IVS-Anwendungen Vollvernetzter 2015 2020 2030 Verkehr Platooning Automatisierte Auslieferung Fahrerloses Fahren Digitaler Tachograf Hochautomatisiertes Intelligente Vollautomatisiertes Fahren Container-Güterwagen Fahren mit Modell 2030 Intelligentes Health Monitoring, Vollautomatisiertes Parkraummanagement Fahrzeugsteuerung Fahren mit Infrastruktur Blackbox Fahrzeug als Smart Meter Reichweitenmanagement Car-to-Infrastructure Situationsabhängige Maut Erweiterte Navigation Car-to-Car Erweiterte Sicherheit 2020 Vollautomatischer Verkehr Broadcasting Automatische Abrechnung Sharing/Pooling 2015 Gemeinschaftliche Mobilität Vernetztes Fahren Automatisiertes Fahren Quelle: Eigene Darstellung © Prognos/Fraunhofer IVI 2015 Die damit verbundenen technologischen Drittel der Wertschöpfung eines Au- sen in den nächsten Jahren daher von Herausforderungen begründen allerdings tos aus und über 90 % der Innovatio- Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auch das Engagement von Akteuren au- nen im Automobilsektor sind eng mit noch mehr als bisher in den Blick ge- ßerhalb der klassischen Automobilbran- der weiteren Digitalisierung verbunden. nommen werden. _ che, insbesondere der IKT-Branche. Ob „Wenn ein Google-System das Hirn des im deutschen Mobilitätssektor die An- Fahrzeugs ist, werden die Autobauer strengungen bereits ausreichen, um in nur noch ganz normale Zulieferer sein“, diesem massiven Wandel in den kom- fürchtet daher zum Beispiel der bekann- menden Jahren erfolgreich zu bestehen, te Experte Ferdinand Dudenhöffer vom ist derzeit noch nicht absehbar. Center Automotive Research. Und er steht mit dieser Ansicht keineswegs al- Sicher ist: Weltweit stehen den Akteuren lein da. des Mobilitätssektors zahlreiche grund- legende Änderungen ins Haus. Bereits Die mit den benannten Entwicklungen Dr. Gerhard Becher heute macht der Bereich IKT über ein verbundenen Herausforderungen müs- gerhard.becher@prognos.com Prognos trendletter November 2015 19
Kurzinterview Zehn Fragen an … Philipp Fink Auch auf Gesellschaft und Demokratie wirkt die Digitalisierung. Philipp Fink von der Friedrich-Ebert-Stiftung spricht im Prognos Schlagwortinterview über Chancen und Gefahren. 1. Wann wurden Sie zuletzt von der Geschwindigkeit der Digitalisierung überrascht? Neulich hat eine Kollegin berichtet, dass sie auf einem Flohmarkt in Kopen- hagen mit ihrem Smartphone einkaufen konnte. Außerdem überraschen mich immer wieder die Fähigkeiten der Musikerkennungsprogramme. 2. Welcher digitale Trend wird überschätzt? Die Bedeutung von Social Media wird in meinen Augen falsch eingeschätzt. Gerade beim Thema Trolls und Negativ(Hass)- Postings verzerren soziale Medien die Realtität eher, als dass sie die Wirklichkeit abbilden. Aus diesem Grund hat sich Social Media nie wirklich zu einer überzeu- genden interaktiven Plattform entwickeln können. 3. Welcher wird unterschätzt? Die digitalen Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe bleiben noch unterentwickelt. Zudem ist E-Government in Deutschland unzurei- chend ausgebaut. Dr. Philipp Fink ist in der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik 4. Wem gehören die Knotenpunkte der digitalen Gesellschaft? Die Knotenpunkte ge- der Friedrich-Ebert-Stiftung für den Querschnittsbe- hören den privaten Konzernen. Ohne Regulierung kann diese Schieflage zu einem reich Digitalisierung verantwortlich sowie Leiter des Verlust an Freiheit und Souveränität führen. Themenbereichs Klima-, Umwelt-, Energie- und Strukturpolitik. 5. Die Chancen von Big Data in drei Worten? Und die Gefahren? Chancen sind Ge- winne an Erkenntnis und Effizienz sowie zielgerichtetes Handeln. Die Gefahren sind die Monopolisierung des Datenbesitzes, die Reduzierung des Subjekts auf einzelne Daten und ein Verlust an Souveränität bei der persönlichen Entschei- dungsfindung. 6. Was ist das Beste an der Digitalisierung? Und was das Schlechteste? Das Beste sind der Wissensgewinn, die Vernetzungsmöglichkeiten und der Effizienzgewinn sowie eine gewisse Alltagserleichterung. Das Schlechteste sind die Gefahr der digitalen Monopole oder Oligopole, die den Zugang zu Wissen beschränken und die Erzeu- gung von Wissen behindern, die Kurzfristigkeit und Kurzlebigkeit der Nachricht oder Information sowie der Verlust an individueller Freiheit und Souveränität. 7. Was macht ein Land zum digitalen Vorreiter? Wenn möglichst viele in der Gesell- schaft an der Digitalisierung in all ihren Facetten teilhaben können und damit die Digitalisierung einen Beitrag zum sozialen Fortschritt leisten kann. Dies setzt die Überwindung der digitalen Kluft (Digital Divide) im räumlichen, funktionellen und persönlichen Kontext sowie eine Verbesserung der Risikomündigkeit der Bürgerin- nen und Bürger voraus. 8. Die größte Herausforderung der Politik im Umgang mit Digitalisierung? Zum einen muss sie die richtige Balance zwischen Kontrolle und Freiheit im Netz finden. Zum anderen müssen Antworten auf die soziale Frage im Zusammenhang mit den Auswirkungen des digitalen Strukturwandels gefunden werden (z. B. Sozialversi- cherung der Soloselbstständigen). 9. Wie digital ist Ihr Arbeitsplatz? Die Ausstattung am Arbeitsplatz wird immer besser. Luft nach oben gibt es immer. 10. Das digitale Deutschland in zehn Jahren – wenn es gut läuft? Unter anderem soll diese Frage auf dem diesjährigen Digitalkongress der FES am 24. und 25. Novem- ber diskutiert werden. Mehr Infos unter www.fes.de/digikon15 _ 20 Prognos trendletter November 2015
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